Die Tiefschattenseite der EU-Sonnenkönigin v.d. Leyen

Ukronazi-Freundin. Kriegstreiberin. An die Spitze gehievt, nicht gewählt. Eine westeuropäische Groteske.

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, ohne Charisma und mit Spitznamen (in Deutschland) „Flinten-Uschi“, ist unheilbar „krank“. Das Kriegsfieber hat sie gepackt, ein bösartiges Symptom der russophoben Hirnhautreizung. Gegen die politische Enzephalitis gibt es keine Therapie. Zur Begrenzung der Ansteckungsgefahr wären Amtsenthebung und strikte Quarantäne erforderlich. Könnte Westeuropas Bevölkerung direkt wählen, wäre das möglich. Die EU laboriert aber nun an einer US-affinen Kommissionspräsidentin, die das höchste westeuropäische Amt gerne zur Verfolgung Washingtoner und persönlicher Anliegen missbraucht. Ein Musterfall von ideeller (und materieller?) Ruchlosigkeit.

Als Vorspeise eine kleine, nur leicht anrüchige Geschichte, kennzeichnend Madame. Sie besitzt neben anderen Immobilien ein herrschaftliches Landgut im niedersächsischen Beinhorn bei Celle. Es ist mit standesgemäßer Viecherei ausgestattet, ein Pony gehörte einst auch dazu. Jetzt nicht mehr, denn im September wurde das arme Luxustier von einem Wolf gerissen. Der Böse treibt seit langem sein Unwesen in der Region. Wölfe stehen jedoch unter Naturschutz.

Uns‘ Uschi setzte alle Hebel in Bewegung. Zuvorderst eine veterinäramtliche DNA-Untersuchung am privaten Pony zwecks Feststellung der „Täterschaft“. Mündend in die Einschaltung „ihrer“ EU-Kommission:

„Ich habe die Dienststellen der Kommission angewiesen, eine eingehende Analyse der Daten durchzuführen.“

„L’État, c’est moi!“, „Der Staat, das bin ich!“, behauptete der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. So auch das selbstherrliche Auftreten v.d. Leyens: Europa, das bin ich! Die EU-Kommission habe „angesichts der steigenden Zahl von Wolfsrudeln in Deutschland und Europa“ zu prüfen, ob der Status für die bislang streng geschützten Wölfe gelockert und die Tiere zügiger zum Abschuss freigeben werden könnten.

Fürsorge für alle Weidetierhalter – oder bloß das persönliche, emotionale Verlangen nach Genugtuung für den schmerzlichen Verlust?

„Die ganze Familie ist fürchterlich mitgenommen.“

hatte v.d. Leyen nach dem Tod des Ponys bekundet. Da musste natürlich die EU-Kommission ran, es trauerten ja nicht Hinz und Kunz. Klar?

Auf einem anderen Blatt

Weniger mitgenommen zeigt sich vdL, wenn ukrainische Menschenleben gewaltsam, oft auf grauenhafte Weise, beendet werden. Dann kann „Flintenuschi“ schon mal perverses Wohlgefallen äußern:

„Es ist beeindruckend, wie sie unsere Werte verteidigen, mit allem, was sie haben, bis zu ihrem Leben“,

schwärmte sie über ihre ukrainischen Neonazi-Freunde in Kiew. 100 000 ukrainische Soldaten sind nach ihren Angaben bereits gefallen, eine Äußerung, die sie wegen der Verärgerung des Selenskyj-Regimes sogleich zurücknahm und in der schriftlichen EU-Veröffentlichung löschen ließ. Gleichviel, inzwischen gibt es ohnehin Expertenaussagen über weit höhere Zahlen von ukrainischen Gefallenen:

„… derzeit 150.000, und es ist klar, dass ihre Bestände an Artillerierohren, Granaten und gepanzerten Fahrzeugen weitgehend erschöpft sind.“

Ohnehin ungenannt blieben die bisher 6 630 getöteten und 10 577 verletzten Zivilisten – und die unbekannte Zahl der russischen Gefallenen.

Kommissionspräsidentin v.d. Leyen ist Bannerträgerin der transatlantischen Drahtzieher und Kriegsgewinnler, die kurz nach Beginn der „Schlacht“ die Ukrainer von eigenständigen Friedensverhandlungen abgebracht und das Motto ausgegeben hatten: „Kämpfen bis zum letzten Ukrainer“. Ihre grausamen Menschenopfer dienen nicht der Freiheit einer demokratischen Ukraine (von Freiheit und Demokratie kann dort ohnehin keine Rede sein). Es passt in den Rahmen des propagandistischen Feindbildes, das diese Plutokraten-Dynastie und ihre politischen Erfüllungsgehilfen brauchen, um von inneren Schwierigkeiten ihres Herrschaftssystems und seinem Demokratiedefizit abzulenken.

Die Kriegsfurie

Ursula v.d. Leyen:

„Unsere unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine wird nicht nachlassen …“

Panzerlieferungen inklusive. Kein Wort darüber, wie dieser Krieg am Verhandlungstisch beendet werden könnte. Unter der stahlhelmgleichen Betonfrisur ist kein Platz für Nachdenklichkeit und Suche nach friedlichen Lösungen. Mögen doch weiterhin Menschen verrecken, solange nur andere, vorzugsweise die aus v.d. Leyens gesellschaftlicher Klasse, sich daran dumm und dämlich verdienen.

Notabene: Der EU-Außenbeauftragte Borell gab die Tageslosung aus:

„Wir werden der Ukraine bis zum Sieg helfen.“

Verlogen und voller Demagogie unterstützen diese Figuren den Krieg:

„Die Ukrainer verteidigen nicht nur ihr Land, sondern auch die Grundprinzipien der Charta der Vereinten Nationen, der Grundrechte und des Völkerrechts.“

Klar doch. Wenn die Ukrainer das nicht machten, stünde „der Russe“ an der Atlantikküste und hätte längst alle westeuropäischen Frauen zwischen 13 und 73 vergewaltigt. Auf dieser Linie agitieren ganz wie einst die deutschen Monopolmedien, voran der öffentlich-rechtliche Bezahlrundfunk und die Büchsenspanner der ARD-aktuell:

„Wenn Deutschland will, dass dieser Freiheitskampf erfolgreich bleibt, dann muss es jetzt – abgestimmt mit den Bündnispartnern – schneller schweres Gerät liefern. Und eben auch: Kampfpanzer.“

Freiheit ist eben immer die Freiheit der Gleichgeschalteten, das hat die Journaille verinnerlicht. Das Flaschenlager der ARD in Hamburg-Lokstedt bildet keine Ausnahme.

Vorgeblich will vdL das dem EU-Steuerzahler abgenommene Geld

„gegen Korruption und für den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit

in der Ukraine einsetzen, genauer: es zur Stabilisierung des bis ins Mark korrupten Staates und seines dito Präsidenten Selenskyj veruntreuen. Es handelt sich demnächst um einen Gesamtbetrag von 18 Milliarden Euro. Dass ausgerechnet v.d. Leyen das Wort „Korruption“ in den Mund nehmen kann, ohne dass bei ihr der Blitz einschlägt, beweist: Es gibt keine Gerechtigkeit, weder im Himmel noch auf Erden.

Bevor sie dank Angela Merkels Mogeleien mit Unterstützung von Ungarns Viktor Orbán aus Berlin nach Brüssel wegbefördert wurde, hatte vdL als Verteidigungsministerin unter schwerem Korruptionsverdacht gestanden. Ihre Gegenstrategie: Totalamnesie und Löschung aller verräterischen Daten auf ihrem Diensttelefon.

Uschis Sündenregister

2016 wurde bekannt, dass der Konzern McKinsey auf Veranlassung der Ministerin mit Beraterverträgen in Millionenhöhe gesalbt worden war, ohne vorherige Prüfung der Wirtschaftlichkeit, fallweise sogar ohne Ausschreibung. Die Rede war von 208 Millionen Euro. Typisch für v.d. Leyens unseriösen Stil: Sie machte die vormalige McKinsey-Managerin Katrin Suder zu ihrer Staatssekretärin.

David v.d. Leyen, ältester Sohn der EU-Chefin, war von 2015 bis 2019 als Associate der McKinsey&Company am Gewinn des Unternehmens beteiligt. Behauptet wird, dass der 36-jährige Sprössling nun über ein persönliches Vermögen von 3 Millionen Euro verfügt. Mamma mia.

Obwohl die Verstöße bei Vergabe der Beraterverträge erwiesen sind, blieb v.d. Leyen ungeschoren. Auch seitens der ARD-aktuell. Fatalistischer Tagesschau-Text

„Eins steht fest: Die Daten sind futsch.“

Trotz der mutmaßlich kriminellen Datenlöschung gingen die ARD-aktuell-Regierungsfunker nicht auf kritische Distanz. Was Wunder.

Der Apfel fällt nicht weit vom Pferde

Europas Gesicht und Stimme? Armes Europa. Ursula v.d. Leyen dagegen stammt aus vermögendem, einflussreichem Elternhaus. Es hat sie nachhaltig geprägt. Vater Ernst Albrecht war lange Zeit Niedersachsens Ministerpräsident, berüchtigter Lobbyist der Einführung kommerzieller Medien, eifernder Unterstützer  einer Zerschlagung der seinerzeitigen Drei-Länder-Anstalt Norddeutscher Rundfunk, Befürworter von staatlicher Folter und schweigender Mitwisser des Sprengstoffanschlags auf das Celler Gefängnis im Jahr 1978, ein vom Verfassungsschutz selbst als vorgeblicher RAF-Terrorakt inszeniertes Verbrechen.

Einfluss und Vermögen ihres Vaters erlaubten es dem Töchterlein, wiederholt das Studienfach zu wechseln und schließlich als „Langzeitstudentin“ nach 11 Jahren ein Medizinstudium zu beenden, das sie später mit einer wissenschaftlich anspruchslosen, dürftige 62 Seiten umfassenden und zu 43,5 Prozent abgeschriebenen Doktorarbeit „krönte“. Obwohl die Universität die Plagiate bestätigte, beließ sie der einflussreichen Abschreiberin den Doktortitel. Fadenscheinige Begründung des Uni-Senats: Die Plagiate seien nur ein „minderschwerer Fall“. Der Namensgeber der Universität Hannover, Gottfried Wilhelm Leibniz, dürfte seither im Grab rotieren.

Reden wir lieber über die ungeahndeten Geldskandale der in den Hochadel eingeheirateten „Flintenuschi“.

Alle von der EU eingesammelten Gelder für den weltweiten Kampf gegen Covid-19 – wir reden von 9,8 Milliarden Euro – gingen an Bill Gates beziehungsweise an Organisationen seines Einflussbereichs; eine überzeugende Begründung dafür fehlt.

Die EU hat allein bei BioNTech-Pfizer mindestens 2,4 Milliarden Dosen Impfstoff gekauft. Der Preis wird offiziell nicht genannt, doch gibt es Hinweise: 20 Dollar pro Dosis, insgesamt demnach 48 Milliarden Euro. Den Deal hat v.d. Leyen in persönlichen SMS mit Pfizer-Chef Albert Bourla eingefädelt.

Das EU-Parlament verlangte Einsichtnahme in diesen SMS-Verkehr. Kaltschnäuzig erklärte V.d. Leyens Behörde jedoch, solche digitalen Dokumente würden nicht archiviert. Inzwischen liegt der Fall bei der EU-Staatsanwaltschaft. Doch keiner ihrer Ermittler dürfte der Präsidentin wirklich heftig auf die Zehen steigen und sie zwingen können, ihre gezinkten Karten auf den Tisch zu legen.

Politisch unverwundbar

Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, aber auch dieser Kelch wird an der First Lady vorübergehen. Das Meinungsoligopol, Tagesschau & Co. inbegriffen, berichtet eh nur halbherzig über den skandalös kriminellen Vorgang. Anders die bewussten, kritischen Medien. Sie informierten umfassend. Aber eine Deutungshoheit wie der Mainstream haben sie eben nicht. Das wird systematisch verhindert, sie werden verfassungswidriger Zensur unterworfen. mit steuerrechtlichen Tricks schikaniert, administrativ unter Druck gesetzt und von Staats wegen ausgespäht. So wird die breite Öffentlichkeit an einer freien, eigenständigen Meinungsbildung gehindert.

Ursula v.d. Leyen muss keine kritische Kontrolle seitens ARD-aktuell und des restlichen öffentlich-rechtlichen Rundfunks fürchten. Sie ist bestens vernetzt mit den Mächtigen dieser Welt. Der „Atlantic Council“ zeichnete sie anno 2021 aus. Beim Milliardärs-Geheimclub der „Bilderberger“ und beim Weltwirtschaftsforum WEF ist sie begehrter Gast.

Der Arzt und Mikrobiologe Peter Piot ist ihr Duzfreund. Seit Beginn der Corona-Pandemie auch ihr Berater, der nach ihren Worten

„… bei globalen Gesundheitsthemen alle relevanten Stakeholder kennt – die meisten persönlich. Sein Netzwerk von Wissenschaftlern bis hin zu Politikern, von den Chefs großer Pharmakonzerne bis hin zu führenden NGO-Aktivisten, sucht seinesgleichen. Das macht seine Ratschläge für die Politik besonders wertvoll.“

Verständlich (aber trotzdem ihre Informationspflicht verletzend) ist, dass sich die Mainstream-Journaille mit Einflussreichen von solchem Kaliber nicht anlegt. Das ist karrieredienlicher.

Bezeichnend für v.d. Leyens Empfänglichkeit ist ihre Brüsseler „Umbauaffäre“: Für die Präsidentin war im zentralen Verwaltungsgebäude der Brüsseler Behörde ein luxuriöser Wohnschlafraum mit Bad hergerichtet worden, Kosten: 72000 Euro. Für eine private Unterkunft in Brüssel stehen einer Präsidentin 4185 Euro monatliche Zulage zu. „Großmütig“ verzichtete v.d. Leyen mit Blick auf ihren amtlichen Wohnschlafraum auf 1500 Euro und streicht „nur“ 2685 Euro Zulage zu ihrem knappen Salär von über 30.000 Euro ein.

Dieser Frau ist nichts zu peinlich. Auch nicht die Inanspruchnahme eines Privatjets zur Bewältigung eines Katzensprungs von nur 50 Kilometern.

Madame sitzt im Glashaus und wirft trotzdem mit Steinen. Über die neueste Korruptionsaffäre im EU-Parlament klagte sie im Deutschlandfunk-Interview scheinheilig, es sei

„unendlich schmerzhaft, dass einige Abgeordnete sich offensichtlich mit krimineller Energie korrumpieren ließen“ 

Dass ein DLF-Journalist zu v.d. Leyens offensichtlicher Schamlosigkeit nichts anmerkte, versteht sich von selbst. Wegschauen können ist Befähigungsnachweis für Hofberichterstatter des beitragsfinanzierten Rundfunks.

Ein Kübel Gift

Das DLF-Gespräch hatte es in jeder Hinsicht „in sich“. Ein ordentlicher Happen Russenhass war auch dabei:

„Putin hat versucht, uns brutal zu erpressen auf dem Thema Energie.“

Beim „minderschweren Fall“ von Betrugsversuch mit einer abgekupferten Doktorarbeit verlor v.d. Leyen nur ihre Ehre und beschädigte das Ansehen eines Uni-Senats. Als EU-Kommissionspräsidentin den russischen Präsidenten fälschlich der „Erpressung“ zu bezichtigen, schadet hingegen Millionen EU-Bürgern. Darauf, dass jetzt aus Russland kein Gas mehr kommt, hatten es v.d. Leyen und EU-Kommission bereits vor zwei Jahren angelegt. Es passte ihnen nicht, dass Putin günstige und langfristige Lieferverträge anbot, was zu Preisrückgängen auf dem Gas-Markt geführt hatte.

Die EU-Führung plante ein Verbot langfristiger Verträge mit Russland.

Putin warnte:

„Wir haben mit … der Europäischen Kommission gesprochen, und alle ihre Aktivitäten zielten darauf ab, die sogenannten langfristigen Verträge auslaufen zu lassen. Es ging ihr um den Übergang zum Spot-Gashandel. Und wie sich heute herausgestellt hat, ist es offensichtlich, dass diese Praxis ein Fehler ist.“

Die EU-Führung aber wollte die russische Gasprom unbedingt drücken und westlichen Gasanbietern Marktanteile zuschustern. Die Gasprom hatte es seit zwei Jahren kommen sehen. Dass die EU-Politik auf dem Spotmarkt wahre Mondpreise für Flüssiggas aus USA einbringen würde, war marktzwangsläufig.

Russland bot trotz aller Spannungen weiter langfristige, günstige Lieferverträge an. Ungarn nutzte die Chance. Das passte der EU natürlich nicht. Es widerlegte v.d. Leyens giftige Behauptung, Putin manipuliere und erpresse.

EU-Präsidentin v.d. Leyen will damit verschleiern, dass ihre vollkommen missratene Energiepolitik uferlosen Schäden verursacht und bezichtigt deshalb Putin:

„Die Preise sind natürlich durch diese Manipulation von Putin exorbitant gestiegen, waren im August am höchsten Punkt. Heute sind sie über 80 Prozent gefallen, im Vergleich zum August.“

Methode: „Haltet den Dieb!“

Der Einkaufspreis für Gas ist zwar gefallen, aber die Nachlässe werden nicht weitergegeben. Der Verbraucherpreis im Vorjahr, mit 25 Cent auf absolutem Höchststand, liegt jetzt bei 14 Cent; das sind noch immer 100 Prozent über dem Niveau im Januar vorigen Jahres von 7 Cent.

„Unfähig und ein bisschen kriminell“

Ein Fazit. Gleichgültig, ob es ihre persönlichen Machenschaften, die Führung ihrer Amtsgeschäfte oder externe politische Vorgänge betrifft, Frau v.d. Leyen lügt wie gedruckt, wenn es ihr und ihrer politischen und persönlichen Corona in den Kram passt. Der Journalist, Satiriker und EU-Parlamentarier Martin Sonneborn knöpfte sich die Präsidentin gründlich vor:

„Als Sie Ihren Dienst hier antraten, dachte ich, Sie seien lediglich unfähig und ein bisschen kriminell. Inzwischen weiß ich, dass Sie auch beeindruckend moralfrei sind. An den Außengrenzen sterben täglich Flüchtlinge, Fracking-Gas und Atomkraft sind nachhaltig, und Sie löschen Ihre SMS zu den Milliarden-Zahlungen an Pfizer. Mir fällt zur EU nichts mehr ein. Außer: Wir sollten Europa nicht den Leyen überlassen!

Stimmt.

Ursula v.d. Leyen und ihre Gesinnungsfreunde repräsentieren den transatlantischen Ungeist, seine tragische, auszehrende Wirkung auf die gute Substanz und die Zukunft des Alten Europa. Diese Albtraum-EU-Präsidentin, mitverantwortlich für die Verlängerung des Ukraine-Krieges, gäbe es nicht – wahrscheinlich auch das ganze undemokratische, pompöse, aggressive, scheußliche EU-Konstrukt nicht –, wenn die Völker Westeuropas nach transparenten Meinungsbildungsprozessen, frei vom Einfluss der USA, in direkter Wahl über ihr Schicksal hätten entscheiden dürfen.

So darf und wird es auf Dauer nicht bleiben.

Quellen

https://www.agrarheute.com/land-leben/identifiziert-wolf-toetete-herbst-leyens-pony-601035
https://www.judid.de/eu-kommission-will-schutzstatus-fuer-woelfe-ueberpruefen/
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/wolf-reisst-ursula-von-der-leyens-pony-dolly-18514538.html
https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-kommissionsprasidentin-von-der-leyen-ukraine-verteidigt-beeindruckend-unsere-werte-2022-05-20_de
https://www.rnd.de/politik/von-der-leyen-100-000-tote-ukrainische-soldaten-ansprache-sorgt-fuer-irritation-BFHX6742Y42DY5MHLM2RCIJV7E.html
https://www.n-tv.de/politik/100-000-tote-Soldaten-Ukraine-ist-irritiert-article23754488.html
https://bigserge.substack.com/p/russo-ukrainian-war-the-world-blood?r=7ct73
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1297855/umfrage/anzahl-der-zivilen-opfer-durch-ukraine-krieg/
https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/apr/28/liz-truss-ukraine-war-russia-conservative-power?CMP=twt_gu#Echobox=1651158610
https://de.finance.yahoo.com/nachrichten/leyen-eu-ukraine-so-lange-120624747.html
https://www.berliner-zeitung.de/news/ursula-von-der-leyen-fordert-kampfpanzer-fuer-ukraine-li.267564
https://lostineu.eu/borrell-wir-helfen-der-ukraine-bis-zum-sieg/
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https://www.spiegel.de/politik/deutschland/katrin-suder-neue-vorwuerfe-gegen-ex-staatssekretaerin-im-verteidigungsministerium-a-8c3e9b9a-5030-4861-a386-087e1a4caefa
https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/david-von-der-leyen-mckinsey-und-auftraege-aus-dem-verteidigungsministerium-a2666304.html
https://www.networthacademy.me/david-von-der-leyen-age-net-worth/
https://www.tagesschau.de/inland/berateraffaere-109.html
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https://www.deutschlandfunk.de/oeffentlich-rechtlich-vs-privat-100.html
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https://www.uni-hannover.de/de/universitaet/profil/leibniz/
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https://de.statista.com/infografik/23690/preise-fuer-eine-dosis-ausgewaehlter-covid-19-impfstoffe/
https://netzpolitik.org/2022/100-000-unterschriften-von-der-leyen-soll-chats-mit-pfizer-chef-offenlegen/
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/131360/Von-der-Leyen-wegen-SMS-an-Pfizer-zu-Impfdeal-unter-Druck
https://www.derstandard.de/consent/tcf/story/2000140063063/ermittlungen-wegen-eu-impfstoffkaeufen-was-bisher-bekannt-ist
https://linkezeitung.de/2022/10/23/grenzenlos-die-korruption-der-ursula-von-der-leyen/
https://www.labournet.de/interventionen/grundrechte/kommunikationsfreiheit/netzzensur/der-krieg-bedroht-auch-die-pressefreiheit-fuer-das-recht-rt-und-sputnik-zu-boykottieren-gegen-staatliche-zensur/
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169076.gemeinnuetzigkeit-nachdenkseiten-verlieren-gemeinnuetzigkeit.html
https://mmm.verdi.de/beruf/hausdurchsuchung-bei-radio-dreyeckland-86457
https://www.sueddeutsche.de/politik/berliner-verfassungsschutz-kenfm-ken-jebsen-1.5306180
https://www.atlanticcouncil.org/news/press-releases/atlantic-councils-distinguished-leadership-awards-gala-to-honor-ursula-von-der-leyen-dua-lipa-albert-bourla-ugur-sahin-and-ozlem-tureci/
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wef-2023-weltwirtschaftsforum-davos-1.5732650
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https://www.tagesspiegel.de/politik/von-der-leyen-fliegt-50-kilometer-im-privatjet-5125504.html
https://www.deutschlandfunk.de/interview-der-woche-ursula-von-der-leyen-100.html
https://www.economist.com/the-economist-explains/2021/10/27/could-europe-manage-without-russian-gas
https://www.businessworldreport.com/europe-financial-news/eu-aims-to-scrap-long-term-gas-supply-contracts/
https://www.cnbc.com/2021/10/06/europe-made-mistake-in-ditching-long-term-gas-deals-putin.html
https://www.spglobal.com/commodityinsights/en/market-insights/latest-news/natural-gas/042921-gazprom-sees-2021-european-gas-exports-in-range-of-175-183-bcm-burmistrova
https://www.forbes.com/sites/ianpalmer/2021/08/19/why-lng-exports-from-the-us-are-off-to-the-moon/
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/gas-ungarn-gazprom-ukraine-krieg-russland-100.html
https://www.tageblatt.lu/nachrichten/international/bruesseler-milliarden-poker-gegen-orban/
https://www.deutschlandfunk.de/interview-der-woche-ursula-von-der-leyen-100.html
https://energiemarie.de/gaspreis
https://www.telepolis.de/features/Europa-nicht-den-Leyen-ueberlassen-7265667.html
https://www.deutschlandfunk.de/volksabstimmung-in-den-niederlanden-referendum-als-102.html
https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-europalexikon/177232/referenden-zum-eu-vertrag/

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert.

 

Volker Bräutigam (links) und Friedrich Klinkhammer. Foto: C. Stille

Ist die EU noch zu retten? Wo sind zur Zeit die „Pro-Europäer“? Niederländischer Finanzminister übt sich in Zynismus

Jens Berger, Redakeur der NachDenkSeiten. Foto: C. Stille

Wo sind sie denn? Wo laufen sie denn eigentlich, jetzt in der Corona-Krise, die vor Bläue mit goldenen Sternen einst nur so geleuchtet habenden Pro-EUler von Pulse of Europe, die vor einiger Zeit noch auf Straßen und Plätzen mit EU-Fahnen auftauchten?

Das fragt sich auch NachDenkSeiten-Redakteur Jens Berger:

„Aber wo sind eigentlich zur Zeit die “Pro-Europäer”, die bei jedem anderen Thema das blaue Banner mit den goldenen Sternen schwenken und Kritikern der real existierenden neoliberalen EU vorwerfen, “Anti-Europäer” zu sein? Jetzt wäre es wirklich an der Zeit, für Europa zu kämpfen … gegen Merkel, gegen Scholz und für die Solidarität. Aber vielleicht ging es besagten „Pro-Europäern“ ja auch nie um die Solidarität und vielmehr um den Machterhalt von Merkel und Scholz und ein Fortbestehen der real existierenden neoliberalen EU? Dann kommt die Kontaktsperre natürlich wie gerufen, hat man so doch wenigstens eine gute Ausrede, warum man jetzt nicht für Europa auf die Straße geht.“

Still ruht der See …

Aber der niederländische Finanzminister macht Wellen, dass seinem portugiesischen Amtskollegen verständlicherweise der Kragen platzte. Der Zeitung Die Presse (Österreich) gilt Wopke Hoekstra als „ein Mann der klaren Worte“. Nun ja. Zynisch und arrogant beschied Hoekstra kürzlich, als die EU-Finanzminister über von der Corona-Pandemie schwer betroffene gewünschten Euro-Bonds bzw. Corona-Bonds sprachen, seinem portugiesischen Amtskollegen:

„Warum haben manche EU-Länder nach der jüngsten Finanzkrise, die 2008 begann, ihre Finanzen und Haushalt nicht in Ordnung gebracht?“

Eine ausgemachte Frechheit! Haben doch gerade die damals an diese Länder gerichteten Sparbefehle – nicht zuletzt vom üblichen Verdächtigen Deutschland – erteilt die Misere, etwas im kaputtgesparten italienischen Gesundheitswesen maßgeblich mit herbeigeführt?

Die Sicht des Finanzexperten der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Fabio De Masi: „Der Widerstand gegen Corona-Anleihen ist unbegründet“

„Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Scholz riskieren eine neue Euro-Krise mit extremen Kosten für Deutschland. Das ist verantwortungslos“, kommentiert Fabio De Masi, deutsch-italienischer Finanzpolitiker und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, die Debatte um Corona-Anleihen im Vorfeld des Treffens der EU-Finanzminister. De Masi weiter:

„Der Widerstand gegen Corona-Anleihen ist unbegründet. Corona-Anleihen dienen nicht der Vergemeinschaftung von Altschulden. Wer Italien zwingt, in die Krise zu kürzen, macht die Krise teurer und tödlicher – auch für Europa.

Die Europäische Investitionsbank (EIB) könnte eine Corona-Anleihe begeben und die Europäische Zentralbank (EZB) diese Anleihe kaufen. Die EZB kauft bereits heute Anleihen der EIB. Das Zins- und Haftungsrisiko für Deutschland wäre faktisch null, da die EZB in Euro nie Pleite gehen kann. Diese Finanzierung von Staatsausgaben durch die EZB wäre zulässig, da die EIB kein Staat, sondern eine Bank ist.

Das Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB in den EU-Verträgen schafft ein künstliches Insolvenzrisiko. Dabei kann ein Land eigentlich in eigener Währung nie Pleite gehen. In den USA und jedem anderen Währungsraum wäre es undenkbar, dass die Zentralbank die Staatsanleihen der eigenen Regierung nicht akzeptiert.

Wird dieses Problem nicht behoben, wird der Euro nicht überleben. Faktisch setzt sich die EZB bereits über dieses Verbot hinweg, da sie im Rahmen des Pandemic-Bond-Programms angekündigt hat, unabhängig vom jeweiligen Kapitalschlüssel notfalls Staatsanleihen zu kaufen. Diese werden Banken und Fonds jedoch auf dem Sekundärmarkt abgekauft. Das ist überflüssig.

Der ESM ist in seinem Volumen begrenzt und aufgrund der Kürzungsauflagen ungeeignet. Er erhöht überdies die Staatsverschuldung von Ländern wie Spanien und Italien und schafft damit das Risiko einer neuen Eurokrise.“

Die Europäische Union ist Friedensnobelpreisträger. Zu Unrecht. Sie hat demokratische Defizite. Und deren Mitglieder sind offensichtlich untereinander unsolidarisch. Was wird aus ihr werden? Ist sie noch zu retten? Sie braucht Leader – Frauen und Männer der klaren Worte (allerdings nicht solcher, wie sie dem Niederländer Hoekstra über die Lippen gekommen sind), denen Taten folgen, die einer solidarischen, demokratischen, wirklichen europäischen Gemeinschaft gut Gesicht stehen würden. Wo sind sie denn, wo laufen sie denn? Wir brauchen eine EU der Menschen!

Was DiEM25 dazu sagt, bringt Yanis Varoufaks zum Ausdruck

Inzwischen die Meldung: „Die EU-Finanzminister haben sich bisher nicht auf Hilfen für finanziell schwächere Länder in der Corona-Krise einigen können“ Quelle: Tageblatt, Luxemburg

IALANA fordert von den Regierungen der EU und der USA die sofortige Aussetzung aller Sanktionen gegen den Iran, die Liererungen von medizinischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Wege stehen

Pressemitteilung

IALANA fordert von Bundeskanzlerin Merkel, den Regierungen der EU und der USA: Setzen Sie sofort alle Sanktionen gegen den Iran aus, die Lieferungen mit medizinischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Wege stehen.

Iran ist ein Brennpunkt der grassierenden Pandemie. Nach offiziellen Angaben sind bis jetzt bereits mehr als 3.450 Todesopfer zu beklagen.

Die Katastrophe trifft auf ein Land, dessen Bevölkerung seit Jahren unter den scharfen Sanktionen der USA und der EU leidet. Die Inflation ist auf 40% gestiegen. Für dieses Jahr werden zusätzlich 500.000 Arbeitslose erwartet.  Die Hoffnung im Iran auf eine wirtschaftliche Erholung und ein Ende der Sanktionen nach dem Abschluss des Iran-Atom-Abkommens im Juli 2015 trog: Die USA kamen der Verpflichtung zur Aufhebung ihrer Sanktionen nur teilweise nach, kündigten im Mai 2018 den Vertrag unter Missachtung des Sicherheitsrates völkerrechtswidrig einseitig auf und setzten nicht nur ihre bisherigen Sanktionen wieder voll in Kraft, sondern begannen eine Politik des  „maximalen Drucks“. Dazu verschärfte die US-Regierung die Sanktionen noch und installierte mithilfe einer Sperrung des internationalen Finanzsystems für alle Zahlungsvorgänge mit dem Iran eine nahezu totale Import- und Export-Blockade.  Staatliche iranische Auslandsguthaben über ca. 60 Mrd. US-Dollar sind ohnehin seit Jahren von den USA beschlagnahmt.  Durch die Sanktionen wird der Iran gehindert, Erdöl zu verkaufen und mit Hilfe der Devisen Medikamente und medizinisches Material zu importieren. Deutschland und die EU haben dieser US-Politik außer der Beteuerung, dass es beim Iran-Atom-Abkommen bleiben solle, nichts entgegengesetzt; das von ihnen installierte Ersatzfinanzsystem INSTEX hat in 15 Monaten nur eine einzige Transaktion abgewickelt. Ihre eigenen Sanktionen hat die EU sogar verlängert.

Die US-Regierung behauptet zwar, Medikamente seien von ihren Sanktionen ausgeschlossen. Da aber Banken sowie Transport- und Versicherungsunternehmen nicht das Risiko eingehen wollen, wegen Handels mit dem Iran sanktioniert zu werden, sind bestimmte lebenserhaltende Medikamente rar geworden. Auch können die zur Produktion erforderlichen Grundstoffe nicht importiert werden. Das hat zur Folge, dass auch die Herstellung vieler Medikamente im Iran selbst unmöglich geworden ist. Bereits im Herbst letzten Jahres konnten Epilepsiekranke und Krebspatienten nicht mehr versorgt werden. Die Gesundheit von Millionen Iranern war schon bedroht, ehe die Pandemie mit COVID-19 Iran erreichte. Human Rights Watch berichtete, US-Regierungsmitarbeiter hätten mehrmals erkennen lassen, dass das der iranischen Bevölkerung zugefügte Leid beabsichtigt sei; diese solle in die Revolte gegen ihre Regierung getrieben werden.

IALANA sieht die einseitigen extraterritorialen Wirtschaftssanktionen, mit denen die USA alle anderen Staaten auf ihren Kurs zwingen wollen, als eine nach der UN-Charta rechtswidrige Einmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten an. Davon betroffen sind auch Kuba, Syrien und jetzt Venezuela.   Die faktische Blockade der Lieferung lebensnotwendiger Güter wie Medikamente und medizinische Hilfsmittel in den Iran ist noch schwerwiegender: sie ist ein Menschheitsverbrechen. Sie gibt mit voller Absicht unschuldige Menschen dem Tod preis.

Im Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof um die Freigabe der iranischen Auslandsguthaben hat das Gericht im Oktober 2018  einstimmig – mit Unterstützung auch des von den USA benannten Richters –  eine bindende einstweilige Anordnung getroffen: die USA wurden verpflichtet, nicht nur die Sanktionen insoweit aufzuheben, als sie die freie Ausfuhr von Medikamenten, medizinischen Geräten, Lebensmitteln und Agrarerzeugnissen behindern, sondern auch den dafür anfallenden Zahlungsverkehr nicht zu beeinträchtigen.

Das hinderte die Trump-Regierung nicht daran, am 17.März 2020, während das Coronavirus im Iran schon wütete, neue Sanktionen gegen den Iran zu verhängen und die Einfuhrblockade für medizinische Produkte ausdrücklich aufrecht zu halten. Die EU, Deutschland, Frankreich und Großbritannien sandten über die WHO nur eine symbolische kleine medizinische Hilfslieferung in den Iran.

In der aktuellen Notlage hat die iranische Regierung erstmals seit 60 Jahren sogar den Internationalen Währungsfonds um Soforthilfe in Höhe von 5 Mrd. US-Dollar gebeten.  IWF-Direktorin Georgieva hatte vor wenigen Tagen mitgeteilt, es stünden flexible Notfallkredite im Volumen von 50 Milliarden Dollar zur raschen Verwendung für Schwellen- und Entwicklungsländer bereit, die unter der Corona-Krise leiden. Zehn Milliarden Dollar könne der IWF sogar zum Nullzins vergeben. Iran erfüllt die Kriterien fraglos. Es muss aber befürchtet werden, dass die USA dagegen ihr Veto einlegen werden.
Nur ein Mittel kann jetzt zuverlässig helfen:  die Iran-Sanktionen müssen umgehend aufgehoben oder zumindest in der Zeit der Pandemie für medizinische Hilfe ausgesetzt werden. Das fordern auch die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, der UN-Generalsekretär, António Guterres, und die Sicherheitsratsmitglieder Russland und China. Gefordert sind neben den USA auch die EU und Deutschland. Sie müssen nicht nur ihre eigenen Sanktionen aufheben, sondern den internationalen Druck gegen unilaterale Sanktionen der USA in der jetzigen Lage der Pandemie verschärfen und   humanitäre Hilfslieferungen an den Iran gewährleisten. Das gebietet die Befolgung der von dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag erlassenen Einstweiligen Anordnung und die menschliche Pflicht zur Abwendung einer humanitären Katastrophe.

Gleichlautend an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundesaußenminister Heiko Maas und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller.

Quelle: Pressemitteilung der IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht. Deutsche Sektion der „International Association of Lawyers against Nuclear Arms.

Friedensperspektive statt Kriegsplanung – Tagung in Essen

Von links: Michael Müller, Peter Brandt, Bernhard Trautvetter und Andreas Zumach.

Die aktuellen Kriege, die Hochrüstung und Eskalationsgefahren waren Thema von Teilen der Friedensbewegung am vergangenen Sonnabend in Essen. Die Tagung stand unter dem Titel „Friedensperspektiven statt Kriegsplanung“ und fand in den Räumlichkeiten der Volkshochschule Essen sowie im DGB-Haus statt.

Der Hintergrund

Knapp zwei Wochen vor der Tagung hochrangiger NATO-Militärs und Politiker (JAPCC Conference 2019) unter Beteiligung von Militärstrategen und der Rüstungsindustrie in der Messe Essen informieren ExpertInnen der Friedensbewegung auf der Friedenstagung über den Zusammenhang von Aufrüstung und Kriegsgefahr sowie über Möglichkeiten der Abrüstung und der Entspannung. Auch neue Konfliktgefahren als Folge des Klimawandels und der Eskalationsstrategie sind Thema.

Mit Vorträgen, Diskussionen, Workshops berieten sich Friedensaktivisten, was sie gemeinsam mit Aktivisten aus der Klimaschutz- und anderen Bewegungen tun können, um gegen Kriegsursachen aktiv zu werden, bestehende Konflikte zu deeskalieren und um einen Ausstieg aus der Rüstungsspirale zu erreichen.

Die Aufklärung über die Propaganda der Militärs, deren Strategieentwicklung auf den Essener NATO-Konferenzen, die Gefahr eines nuklearen Infernos und über die Verantwortung und Möglichkeiten der Friedensbewegung ist Ausgangspunkt für die nächsten Aufgaben und Schritte der Kräfte des Frieden standen auf der Tagesordnung mehrerer Workshops.

Schirmherr der Tagung war Konstantin Wecker. Er sandte ein Grußwort an die zahlreich erschienenen Tagungsteilnehmer aus nah und fern.

Eröffnungsplenum mit zwei Gästen

Nach Begrüßung der

Von links: Reiner Braun und Kathrin Vogler.

Tagungsteilnehmer und einer Einleitung seitens Joachim Schramm (Geschäftsführer DFG-VK-NRW) startete das Eröffnungsplenum mit Kathrin Vogler (MdB DIE LINKE) und Reiner Braun (Co-Präsident International Peace Bureau). Das Thema: „70 Jahre Nato –

Kalter Krieg, Weltpolizeianspruch und Eskalationsgefahr“.

Reiner Braun: Nato ist seit Gründung Aggressionsbündnis

Reiner Braun unternahm einen historischen Rückblick auf die 1949 von 12 Ländern gegründete Nato (1950 kam Westdeutschland, die Alt-BRD hinzu), welchen er mit aktuellen Fragestellungen der Zeit verband. Heute sind 30 Länder Mitglied in der Nato. Der Counterpart, so Braun, die Sowjetunion, ist nicht mehr da. Doch die Nato habe sich dennoch gen Osten ausgeweitet. Heute sei die Nato kein Nordatlantisches Militärbündnis mehr, das vielleicht noch für Zeit bis 1990 gestimmt habe. Braun: „Die Nato ist das Militärbündnis dieser Welt zur Sicherung von Ressourcen und Profiten.“ Es sei u.a. selbst mit Kolumbien, einem Bürgerkriegsland verbunden, wo Nato-Übungen stattfänden. Selbst mit Brasilien, dem größten Land Lateinamerikas buhlten der Faschist ((Bolsanaro) und die Nato um eine Zusammenarbeit.

Der entscheidende Erweiterungshorizont sei Asien. Es ginge fraglos dabei um den zweiten Hauptfeind der Nato, China, das eingekreist werden solle.

Dies werfe die Frage auf: „Ist eigentlich dieses Bündnis immer noch, oder war es jemals ein Verteidigungsbündnis?“ Er würde gerne behaupten, so Braun, dass die Nato schon seit ihrer Existenz ein Aggressionsbündnis war. Es sei immer gegen die Ergebnislage des Zweiten Weltkriegs vorgegangen.

Von Anfang an habe die Nato dazu gedient, die Sowjetunion wieder zu einem Russland zurückzudrängen. Auch, indem man die Länder des Ostblocks zu „befreien“ vorgab. Die Nato habe aktiv daran gearbeitet das die Linksregierungen in Frankreich und Italien beendet wurden. Auch habe die Nato in den 1950er und 1960er Jahren eine aggressive Atomwaffenstrategie (mit dem Ziel eines Ersteinsatzes (!) von Atomwaffen) verfolgt. Eine Nato-Direktive habe sogar den Titel „Atombombenziel Sowjetunion“ getragen. Eingezeichnet gewesen seien da auf einer Karte die 200 größten Städte und Orte der UdSSR. Der Vorwurf seitens der Nato betreffs einer atomaren Vorrüstung der Sowjetunion sei stets eine Lüge gewesen. Immer habe Moskau auf westliche Vorrüstung reagiert und nachgerüstet.

Nach 1990, so Reiner Braun, habe die Nato sehr schnell darauf gesetzt, das Feinbild Russland wiederzubeleben. Braun: „Heute geht es der Nato eindeutig darum Russland einzuzirkeln und einzugrenzen und China einzuzirkeln und einzugrenzen.“ Es gehe um nichts anderes als um eine westliche Dominanz in einer veränderten Welt zu bewahren. Das sei gefährlich, da sie zu einer Eskalationsspirale führe, zu der auch ein faktisch vertragsloser Zustand zwischen den großen Mächten gehöre. Das berge eine große Kriegsgefahr – sogar Atomkriegsgefahr – in sich. Dringend nötig sei ein Zurück zu „einer kooperativen Sicherheit, zu einer Politik der gemeinsamen Sicherheit, zu Abrüstung.“

Kathrin Vogler: Vogler: Wer Frieden wolle, muss „diese aggressive Nato“ überwinden

Die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler erinnerte an einen Vorschlag des einstigen Nato-Generalsekretärs Manfred Wörner, der im Mai 1990 vom Aufbau einer neuen europäischen Sicherheitsstruktur, die die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Paktes umfassen sollte, gesprochen habe.

Damals sei auch Wörner davon ausgegangen, dass das (leider Gorbatschow nicht schriftlich) gegebene Versprechen, die Nato würde sich nicht über die damalige „kleine“ BRD hin gen Sowjetunion ausbreiten, gelte. Der Status quo sehe heute bekanntlich ganz anders aus: „Die anfängliche Euphorie verflog, der Drang nach Osten blieb.“

Vogler steht heute auf dem Standpunkt, dass eine angenommen statt gehabte Einbeziehung Russlands in die Nato nicht zu einer Entspannung beigetragen hätte. Zu sehr sei das westliche Interesse an einer Kontrolle Russlands (und seiner Bodenschätze). Auch wäre das heute eine „unheimliche Provokation“ des aufstrebenden Chinas. Vogler: Wer Frieden wolle, müsse „diese aggressive Nato“ überwinden. Andere internationale Institutionen müssten genutzt werden, um Sicherheit in Europa zu garantieren. Der Nato nämlich wohne von Grund auf eine strukturelle Gewalt in der Interpretation des Friedensforschers Johan Galtung inne. Des Weiteren würden Wirtschaft und Militär als zwei Seiten einer Medaille eingesetzt.

Reinhard Lauterbach: „Die Nato war von Anfang an ein Bündnis, das auf den Rollback ausgerichtet war“

Journalist Reinhard Lauterbach. Fotos: Stille

Sehr aufschlussreich an diesem Sonnabend war der Vortag zum Thema „Nato und Russland – Konfrontation oder Koexistenz“ des Journalisten Reinhard Lauterbach (junge Welt, Ex-ARD-Journalist), eines ausgewiesenen Osteuropa- und Russland-Kenners.

Lauterbach brachte eingangs seines hochinteressanten Referats einen Ausspruch des ersten Nato-Generalsekretärs Lord Hastings Ismay in Erinnerung wonach nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs danach zu streben sei, die Amerikaner drin, Deutschen niederzuhalten und die Russen draußen zu halten. Die Nato habe von vornherein eine Stoßrichtung gegen Russland verfolgt, sagte Lauterbach.

Mit der keineswegs realistischen Annahme, die Russen (mit Bezug auf vom Westen fehlinterpretierten Äußerungen von Stalins) wollten (nach Europa) hinein. Lauterbach: „Die Nato war von Anfang an ein Bündnis, das auf den Rollback ausgerichtet war.“

Dieser sei aber jedoch durch eine militärischen Aufholprozess der Sowjetunion etwa durch die waffentechnische Überlegenheit relativiert und besonders durch die Brechung es amerikanischen Atomwaffenmonopols 1949 erschwert worden.

Ab 1989 seien die Hoffnungen auf diesen Rollback wieder genährt worden. Und eine Ausweitung schon 1988 in den USA erwogen worden, bevor es den Machtwechsel in 1989 Polen hin zur Solidarnosc gegeben habe. Dadurch sei die DDR quasi zu „einem überreifen Apfel“ geworden. Die DDR sei dann schließlich meistbietend sozusagen an die BRD verschenkt worden.

Im Winter 1989/90 habe Helmut Kohl seinem „Strickjackenkumpel“ Michail Gorbatschow zugesichert, dass die Nato an die Sowjetunion hinan rücke. Gorbatschow habe damals allerdings nicht die Klugheit besessen, sich das schriftlich geben zu lassen. Kohl habe erwogen, Gorbatschow das schriftlich zu geben. Doch der damalige US-Präsident Bush der Ältere aber sei Kohl über den Mund gefahren und gesagt: Es könne doch wohl nicht sein, dass man der Sowjetunion erlaube im letzten Moment den Hals aus der Schlinge zu ziehen und ihre geostrategische Niederlage doch noch zu vermeiden.

Im Aufteilungskrieg Jugoslawiens habe sich die BRD insoweit eingemischt, indem sie Slowenien und Kroatien als selbstständige Staaten anerkannte. Sie habe diese Abspaltungen großzügig mit Militärgerät aus NVA-Beständen ausgestattet. Die Russen hätten dem hilflos zusehen müssen. Die Bombardierung Restjugoslawiens war der traurige Höhepunkt. Daraus u.a. resultiere eine Enttäuschung Moskaus, die bis heute fortdauere, meinte Lauterbach.

Aus diesen und andere Gründen hält Reinhard Lauterbach eine Annäherung Russlands an die Nato für äußerst unwahrscheinlich. Was ja ohnehin einen Teil der Gründungsintension der Nato (die Russen draußen zu halten) zuwiderlaufe. Auch dächte Moskau nicht daran sich den USA unterzuordnen.

Resultierend aus vielen Enttäuschungen, so Lauterbach, zeige Russland dem Westen (in Form von neuen Waffensystemen) inzwischen die Zähne, um den Westen vor unüberlegten Aktionen zu warnen.

Lauterbach ist sich sicher: die Nato ist derzeit von ihrer derzeitigen Konzeption nicht fähig mit Russland zu kooperieren. Die Nato ist und bleibe eben ein Konfrontationsbündnis.

Das Engagement der Nato in den baltischen Ländern nannte Reiner Lauterbach eine „ständige Provokation“. Ein Interesse Russlands auf das Baltikum zuzugreifen sieht der Journalist nicht.

Ein Kooperation zwischen der Nato und Russland sei an zwei Bedingungen geknüpft. Erstens käme da die hypothetische Annahme, dass deren Priorität Chinas gelte und Russland als den weniger gefährlichen Gegner einstufe, um Russland entgegenzukommen. Dies setze aber voraus, dass Russland in diese Falle hineintappe. Ein solches Szenerio sei zweitens unwahrscheinlich und langfristig nicht wirklich erfreulich. Eine alte Parole aus den 1980er gewönne wieder an Aktualität: „Kein Frieden mit der Nato“.

Andrej Hunko über die EU-Militarisierung und die Zurichtung der EU zu einem „imperialen Akteur“

Andrej Hunko (MdB DIE LINKE)

Andrej Hunko (MdB DIE LINKE) befasste sich mit dem Thema „EU-Militarisierung – Konkurrenz oder Partner der Nato?“

Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages sei zum ersten Mal in einigen Artikels dieses Vertrages, stieg Hunko in sein Referat ein, sozusagen die Perspektive einer EU-Militarisierung aufgemacht worden. Schließlich im September 2017 sei bereits im Lissabon-Vertrag erwähnte , kurz PESCO ((Permanent Structured Cooperation, deutsch: Ständige Strukturierte Zusammenarbeit) – heißt: bestimmte Staaten können ohne die anderen (vor allem auf den Militärbereich militärisch bezogen) voranschreitend zusammenarbeiten – aus der Taufe gehoben. Dazu gehöre auch die Entwicklung einer Euro-Kampfdrohne. Die Bundesregierung hat einen Leasingvertrag mit Israel zur Entwicklung einer Heron-Kampfdrohne geschlossen.

Hunko skandalisierte die kürzlich im Zusammenhang mit dem Drohnenangriff auf eine Ölanlage in Saudi Arabien die kürzlich von der Bundesregierung zusammen mit Großbritannien und Frankreich verkündete „uneingeschränkte Solidarität“ mit Saudi Arabien als „unfassbar“ und „erschreckend“. Vor allem deshalb, weil die Begründung (Iran sei für den Angriff verantwortlich) dafür „kein Bezirksgericht“ anerkennen würde.

Ein weiterer Skandal: Im EU-Haushalt sind Mittel vorgesehen, die für Militärisches eingesetzt werden sollen. Was eigentlich verboten ist, werde durch einen Trick gelöst: Dass 13 Milliarden Euro dort für einen sogenannten Verteidigungsfonds eingestellt sind, die unter „EU-Förderung“ (Industrieförderung) rubriziert sind. DIE LINKE findet das strittig und wird als Bundestagsfraktion, vertreten vom Völkerrechtler Andreas Fischer-Lescano, gegen diesen „Verteidigungsfonds“ klagen. Allerdings muss erst der EU-Haushalt beschlossen dann im Amtsblatt der EU veröffentlicht sein.

Andrej Hunko fürchtet, dass die EU immer mehr zu einem, wie er es nennt, zu einem „imperialen Akteur“, aufgebaut wird. Obwohl eine reale Bedrohung Europas etwa durch Russland oder den Iran nicht zu erkennen sei.

Warum „imperialer Akteur“? Hunko: Ein „imperialer Akteur“ unterwirft sich keinen internationalen Vereinbarungen (etwa dem Völkerrecht) – wie ja an der USA zu sehen sei. In allen Dokumenten der EU werde wohl Bezug auf die UNO genommen, dass aber die Formulierungen immer lauten: Man teile die Ziele oder den Geist der UNO usw.

Das sei selbst in der BRD zu konstatieren. Vor allem seitens von Außenminister Heiko Maas kaum vom Völkerrecht gesprochen werde, sondern stattdessen verwende man zunehmend einen Begriff, der sich „regelbasierte Ordnung“ nenne.

Auch gehe die ganze EU-Erweiterungspolitik Hand in Hand mit der Nato. Mal habe die EU die Nase, mal die Nato die Nase vorn.

Abschlussplenum

Der Journalist, UNO-Experte mit langjähriger Erfahrung, Andreas Zumach (Genf) nannte dort nannte fünf Herausforderungen: Das Ende des Kalten Krieges und der Blockaufteilung der Welt. Den sogenannten islamistischen Terrorismus und den darauffolgende global geführten sogenannten „Krieg gegen die Terrorismus“ unter Führung der USA mit all seinen schwerwiegenden Völkerrechtsbrüchen und innenpolitischen Verschärfungen. Den relativen Machtabstieg der USA, der seit dem Anfang der 1990er Jahre zu beobachten sei und sich seitdem beschleunigt hat. Und mit China der Aufstieg einer künftigen neuen Weltmacht. Und in diesem Zusammenhang die Forderungen politischer Parteien – außer der Linkspartei -, dass die EU nun auch ein globaler Player sein müsse. Wozu auch alle militärischen Instrumente gehören müssten. Dazu gehöre ein teilweises Konkurrenzverhalten zu den USA. Und die globale Erwärmung. Das schaffe neue Aufgaben für die Friedensbewegung.

Zumach warnte allerdings vor dem nicht selten gebrauchten (Ohnmachts-)Begriff der „neuen Unübersichtlichkeit“ – was ja wohl heißen solle: Man kann nichts mehr machen. Was nicht stimme. Denn alles könne durchaus klar benannt mit entwickelten Antworten bearbeitet werden.

Neue Abrüstungskonferenzen sollten seiner Meinung unter dem Dach der UNO in Genf ausgehandelt werden. Darauf müsse die Friedensbewegung auch die Bundesregierung drängen. Zumach warnte nachdrücklich vor einem möglichen Krieg mit dem Iran.

Der Friedensbewegung schlug er dringend vor, zu fordern, ein Verbot von Atomwaffenbesitz ins Grundgesetz zu schreiben. Schließlich gebe es ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, das kommt nämlich zu dem Schluss, dass eine Beteiligung an Atomwaffenarsenalen andere Länder Deutschland nicht verboten sei.

Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde, ging auf die Kriegsgefahren in der Zukunft ein. Es stelle sich nämlich die Frage der „ökologischen Selbstvernichtung der Menschheit“. Damit würden Konflikte und Gewalt ausgelöst, die heute schon schwer vorhersehbar seien. Wenn die Klimaveränderungen etwa in 30 bis 40 Jahren da sind, seien diese „nicht mehr veränderbar“. Müller: „Wir müssen heute handeln, um morgen Kriege zu verhindern.“ Dies sehe er nirgendwo auf der Welt im Moment.

Die Auswirkungen des Klimawandels, gab Müller zu bedenken, betreffen am meisten die, welche ihn am wenigsten verursachen.

Es gehe nicht allein um die Klimafrage. Vielmehr gehe es um einen Endpunkt einer bestimmten Form wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung.

Michael Müller: „Friedenspolitik muss heute wesentlich weiter als nur die Frage der Abrüstung und der Rüstungskontrolle gefasst werden.“

Die Friedensfrage werde zu einem zutiefst gesellschaftlichen Thema. Mit der Überwindung sozialer Spaltungen und dem Versuch eine globale Umweltkompatibilität zu erreichen. Müller: „Sonst legen wir heute die Wurzeln für Kriege in der Zukunft, deren Tragweite wir gar nicht überschauen können.“

Prof. Peter Brandt (Initiative „Neue Entspannungspolitik jetzt!“) erinnerte daran, dass durchaus an ein neues Sicherheitskonzept für alle Staaten gedacht worden sei. Zuletzt auch 1990 („Charta von Paris“. Stattdessen habe die Nato sich ausgeweitet. Brandt: „Russland befindet sich heute in einen

Von links: Michael Müller, Peter Brandt und Bernhard Trautvetter.

territorialen Status wie im 17. Jahrhundert.“ Er gab zu bedenken, dass die Grundlage von Entspannungspolitik mal gewesen sei, sich in den anderen hineinzuversetzen.

Peter Brandt dachte einen „realistischen Pazifismus“ (betreffs einer „defensiven Territorialverteidigung“ der EU) an. Das wiederum kritisierte Andreas Zumach: Setze das nicht einen konkreten Feind, eine potentielle Bedrohung voraus? Brandt betrachte seinen Vorschlag aber als Vorläufer einer europäischen Sicherheitsarchitektur.

Die Kampagne „Abrüsten statt Aufrüsten“, regte Michael Müller an, solle ergänzt werden. Und zwar in der Form, dass das Geld was für die Aufrüstung im Bundeshaushalt geplant ist, für den Klimaschutz ausgegeben wird. Es werde überlegt, im nächsten Jahr einen gemeinsamen der Kirchen, der Friedensbewegung, der Umweltbewegung und Gewerkschaften zu machen – zu Thema Arbeit, Frieden, Klima. Damit solle auf den Zusammenhang dieser Themen aufmerksam gemacht werden. Es komme auf eine breite Basis an: „Sonst haben wir alle keine Chance.“

Moderator Bernhard Trautvetter (Essener Friedensforum) kündigte nach dieser interessanten Tagung an, eine „Essener Erklärung“ auszuarbeiten.

Historischer Moment: DiEM25 präsentiert im Brüsseler BOZAR-Theater der Welt den Europäischen Frühling. Yanis Varoufakis stellt EU-KandidatInnen vor und gibt seine Kandidatur für die Präsidentschaft der Europäischen Kommission bekannt

Jetzt, wo fremdenfeindliche und anti-europäische Kräfte überall in Europa Wurzeln schlagen und ein geistloses Establishment eine gescheiterte Business-as-usual-Politik, die die Bürger zu Armut, Prekariat und Unsicherheit verdammt, wild entschlossen fortführt, sind DiEM25 und der Europäische Frühling zur Stelle. Und wir sagen: Schluss damit!

Unsere (inszenierte) Übernahme der EU-Institutionen durch die Bürger bringt Künstler, Aktivisten, Akademiker und Politiker aus der ganzen Welt im Brüsseler BOZAR-Theater zusammen: unter anderem die deutschen Listenplätze 1-3 (Yanis Varoufakis, Dani Platsch, Srećko Horvat) sowie Pamela Anderson, Slavoj Žižek, Benoit Hamon, Laura Alvarez (für Jeremy Corbyn), Rasmus Nordqvist, Rui Tavares und viele weitere.

Yanis Varoufakis. Quelle: DiEM25

Gemeinsam werden sie die allererste transnationale Liste für eine Europawahl sowie fortschrittlichen Lösungen vorstellen, nach denen sich die Menschen sehnen.

(alle Mitwirkenden: Yanis Varoufakis, Laura Alvarez, Benoît Hamon, Daniela Platsch, Srećko Horvat, Laurent de Sutter, Rosita Allinckx, Rui Tavares, Rasmus Nordqvist, Emma Justum, Jacques Terrenoire, Fotini Bakadima, Erik Edman, Karin Rohr Genz, Joacine Katar Moreira, Joanna Bronowick, Adrian Vlaicu and Marine Betrancourt. )

Den demokratischen New Deal, der die Demokratie nach Europa zurückbringt! Den Green New Deal für Europas grüne Transformation – und noch viel mehr, einschließlich jener Frauen und Männer, die mittels eines basisdemokratischen Experiments nominiert wurden, und die im Mai bei den Europawahlen unser „New Deal für Europa“-Programm an die Wahlurnen bringen.

Mehr über DiEM25 (Eigenauskunft)

[DiEM25 wird zu 100% durch Spenden seiner Mitglieder finanziert. Wir erhalten kein Geld von Behörden oder Oligarchen mit Interessenausübung. Das Geld, das Sie aus dem Ticketverkauf erhalten, wird zur Deckung der Kosten der Veranstaltung verwendet. Danke für Ihre Unterstützung!]

ÜBER DAS EVENT am 25. März 2019 in Brüssel

Mit fremdenfeindlichen, anti-europäischen Kräften, die überall in Europa an Boden gewinnen, und einem unmenschlichen Establishment, das die gleiche gescheiterte Politik wie die üblichen, die Bürger zu einem Leben in Armut, Prekarität und Unsicherheit verurteilt, fortsetzt, sagen DiEM25 und European Spring: nicht mehr!

Wir denken, es ist an der Zeit, dass die Bürger die EU-Institutionen übernehmen, und wir veranstalten am 25. März eine Veranstaltung im Herzen der Brüsseler Maschine, um Ihnen zu zeigen, wie dies möglich ist.

Eine (inszenierte; C.S.) Bürgerübernahme der EU-Institutionen bringt Künstler, Aktivisten, Wissenschaftler und Politiker aus aller Welt im BOZAR-Theater in Brüssel zusammen, um die erste transnationale Liste der Europawahlen und die fortschrittlichen Lösungen vorzustellen, nach denen die Menschen verlangen. Ein New Deal für die Demokratie, um die Demokratie nach Europa zurückzubringen! Ein Green New Deal, der Europas grünen Übergang und vieles mehr, einschließlich der Frauen und Männer, gewährleistet, wurde in einem ehrgeizigen Experiment in der Basisdemokratie nominiert und wird das Programm im Mai in die Wahlurne bringen.

Die Bewegung für Demokratie in Europa 2025 (DiEM25) setzt sich dafür ein, Bewusstsein zu schaffen, Kampagnen zu lancieren und Maßnahmen zu ergreifen, um Reformen für die EU herbeizuführen. Die Bewegung fordert diejenigen, die an Europa glauben, nachdrücklich auf, die derzeitigen Strukturen der EU zu überdenken und die Macht zwischen lokaler, nationaler und europäischer Ebene auszugleichen. DiEM25 ist überzeugt, dass nur ein Europa der Solidarität Frieden, Wohlstand und Humanismus auf unserem Kontinent garantieren kann.

Der europäische Frühling ist Europas erste transnationale Liste. Diese Bewegung verbindet eine gemeinsame Vision von Europa als einem Bereich von Demokratie, Nachhaltigkeit, Wohlstand und Solidarität. Der Europäische Frühling bietet eine Alternative zu der Wahl der Europäer – zwischen Apathie und Wut, zwischen Technokratie und Autokratie, zwischen denjenigen, die die heutige Europäische Union verteidigen, und denjenigen, die sie für immer zerstören wollen.

Siehe oben den Lifestream bzw. die Aufzeichung des heutigen Abends im BOZAR-Theater in Brüssel.

Quelle: DiEM25

Übersetzung: via Google translate

Mehr über bisherige Aktivitäten von DiEM25 auf meinem Blog hier.

Demokratie nur noch als Hohlform oder das Modell China. Fritz Glunks mit Alterspessimismus endender Vortrag in Dortmund

Fritz R. Glunk beim Vortrag in Dortmund. Fotos: C. Stille

Fritz Glunk versah sein Referat am Montag in der Attac-Dortmund-Reihe „Globalisierung konkret“ gleich mit einem Warnhinweis: „Ich kann also nicht sehr starken Optimismus verbreiten.“ Auch „gegenüber entsprechenden Freunden und Bekannten, auch politisch interessierten Freunden und Bekannten“ werde sein Optimismus immer mehr zu einer Art „Restoptimismus“. Die Begründung für seinen „Alterspessimismus“ hob er sich indes für den Schlussteil seines Vortrages auf.

Würde die EU heute in die Europäische Union aufgenommen werden?

Für das Entree seines Vortrags zitierte Glunk(83) den Soziologen Ulrich Beck. Vor 30 Jahren habe dieser einen Vortrag gehalten, in welchem er die Scherzfrage gestellt habe, ob die EU eigentlich den Beitritt in die Europäische Union beantragen könne. Wahrscheinlich würde die Europäische Union sagen müssen, dass die EU nicht aufgenommen werden könne. Weil sie die demokratischen Erfordernisse nicht erfüllt würden, die die Europäische Union verlangt. Beck habe damals allerdings auch gesagt was man dagegen tun könne. Er habe verlangt, einen schöpferischen Ungehorsam einer europäischen Bürgergesellschaft. Dies aber, Glunk, stehe aber in den Sternen ob es das überhaupt gibt oder je geben kann. Ungehorsam vielleicht noch. Ob schöpferisch, wisse man nicht.

Glunk: Eine europäische Bürgergesellschaft gibt es einfach nicht

Die europäische Bürgergesellschaft sei ein nicht existenter Wunschtraum, die gebe es einfach nicht. Glunk: „Es gibt keine politisch aktive europäischen Bürgergesellschaft.“

Aufforderungen etwas gegen das Demokratiedefizit der EU zu tun träten Völkerrechtler damit entgegen, dass sie sagten, „der Nationalstaat hat seine Rolle ausgespielt. Er ist historisch überholt. Er zerfasert. Er zerlegt sich.“

Vor allem angelsächsische Völkerrechtler, so Fritz Glunk, sähen einen Regelungsmechanismus, der an die Stelle der Nationalstaaten treten solle.

Keine Verschwörungstheorien. Alles Dinge, die eigentlich bekannt sind

Der Vortrag von Fritz Glunk trug die Überschrift „Recht ohne Gesetz und Staat – Wie private Akteursnetzwerke Demokratie und Parlament aushebeln!“

Der Referent sagte – ein weiterer Warnhinweis -, er würde darin keineswegs irgendwelchen Verschwörungstheorien das Wort reden und etwa über Geheimbünde sprechen: „Sondern über Dinge, die eigentlich bekannt sind. Jedenfalls in der Fachliteratur. Es findet also keine Enthüllung statt.“ Mag auch das, was er erzähle für einige möglicherweise neu sein.

Beispiel Pharmaindustrie

Am Beispiel u.a. der Pharmaindustrie machte Glunk transparent, um was es konkret geht. Weil da die Sachlage von kritischen Politikwissenschaftlern gründlich untersucht worden sei. Und weil an diesem Beispiel die Charakteristik der Gruppen und sogenannten Bodys (Körperschaften), von denen wir reden wollten, klar zutage trete. Ursprünglich hätten Regierungspolitiker sich vor 30 Jahren überlegt wie die EU, die USA und Japan bezüglich der Produktion von Pharmaka möglichst gleiche Produktionsbedingungen schaffen und betreffs jeder der Regionen des Pharmamarkt vereinheitlichen könne. Was weit über bilaterale Handelsverträge hinausginge. Gleichzeitig habe man die Wirtschaftsverbände der Pharmabranche eingeladen. Sechs Akteure hätten sich da zusammengesetzt, die das diskutiert haben. Das Treffen habe sich später den Namen International Conference for Harmonization (ICH) gegeben.

Konkret habe das bedeutet, dass wenn ein Medikament in einer der genannten Regionen getestet worden sei in den anderen nicht noch einmal geprüft werden müsse. Beziehungsweise bedeute das, dass Medikamente auf eine bestimmte Weise und in der gleichen Zeitspanne geprüft werden. Etwa könnten Krebsmedikamente beispielsweise nur in sechst statt zwölf Monaten getestet werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe darauf hingewiesen, dass bestimmte Folgen von Krebsmitteln beim Test nicht zwangsläufig in der kürzen Testphase auftreten, sondern manchmal auch sehr viel später. Dem ICH sei das ziemlich gleichgültig gewesen und habe die Verkürzung der Testzeit beibehalten. Was für die Pharmaindustrie mehr Profit generiert habe. Auch fordere die ICH auch die Anwendung von den neuesten Testmethoden. Was erst einmal gut klinge, merkte Fritz Glunk an, sei jedoch für finanziell schwache Staaten aufgrund entsprechend höhere Kosten ein Problem oder schier unmöglich.

Die vom ICH erarbeiteten Leitlinien werden ohne Befassung der Parlamente übernommen und gehen dann in europäisches Recht über

Dieses Treffen hatte zunächst „Internationale Konferenz zur Harmonisierung von technischen Erfordernissen für die Registrierung von Medikamenten zum menschlichen Gebrauch“ geheißen – später nahm man die englische Abkürzung ICH . Und diese Konferenz stellte keine juristischen Person dar. Nur eine Interessenvereinigung. Ohne einen Sitz. Ohne eine Satzung. Inzwischen träfen sich diese Leute zwei oder dreimal pro Jahr. Dazugekommen seien die Schweiz und Kanada. Diese ICH sei dabei Leitlinien zur Erprobung von Medikamenten für den menschlichen Gebrauch zu erarbeiten. Ob diese Leitlinien nun auch geltendes Recht sind, wollte Fritz Glunk etwa von der EU wissen. Die hätte ihm mitgeteilt, dass die Leitlinien, die von dieser Konferenz entwickelt werden, von der Europäischen Medizinagentur (EMA) übernommen würden und in dem Moment europäisches Recht werden. Sowie in das Recht der einzelnen Mitgliedsstaaten übergehen. Glunk: „Daran ist also kein Parlament beteiligt. Der Souverän, der eigentlich die Gesetz machen sollte, bleibt hier außen vor.“ Gebe es denn ein gesetzliches Mandat für die Übernahme dieser Leitlinien in nationales Recht, habe Glunk dann abermals die EU gefragt. Die antwortete, die EU und EMA seien in alle Diskussionen der ICH eingebunden.

Aus der Ankündigung zum Vortrag dazu (von Attac-Dortmund)

„Wussten Sie, dass die Regeln für die Prüfung neuer Medikamente und
de­ren Zulassung weltweit von einer Organisation bestimmt werden, in der
auch die großen internationalen Pharmafirmen sitzen?

Wussten Sie, dass die Banken im sog. Basler Ausschuss für die
Bankenauf­sicht vertreten sind und sich dort angenehm niedrige
Eigenkapitalquoten aushandeln?

Kennen Sie ICNIRP ? Dabei handelt es sich um eine private Vereinigung
von Wissenschaftler, häufig mit großer Nähe zur Industrie und ohne jeden
amtlichen Charakter. Doch die Gesetzgebung zum Schutz der Bevölkerung
vor Hochfrequenzstrahlung (Handy, 5 G etc.) folgt ausschließlich deren
Richtlinien. Diese sind so hoch angesetzt, dass sie in der Regel
allenfalls nahe an Sendemasten erreicht werden, sind also für die
Industrie kein Problem.

Der Referent unserer Veranstaltung schildert einen Prozess, der sich
weit­gehend jenseits der öffentlichen Aufmerksamkeit, im Schutz
undurchsichti­ger Akteursnetzwer­ke und unter dem Deckmantel
undurchdringbarer Orga­nisationskürzel ab­spielt. Die Gruppen sind
ungreifbar und formlos, sehr oft nicht einmal rechtsfähige
Organisationen. Keine dieser Gruppen ist gewählt oder abwählbar oder
einer demokratischen Kontrolle unterworfen.

Durch diese Privatisierung der Entscheidungsprozesse wird die Demokratie
entkernt.“

Ähnlich wie bezüglich der Pharmabranche geht es in schätzungsweise 2000 weiteren Industriezweigen und Branchen zu

Fritz Glunk wies daraufhin, dass, was sich hier in der Pharmaindustrie abspiele, fände in gleicher Weise in geschätzt 2000 weiteren Industriezweigen und Branchen statt. Die EU könne dazu nichts sagen. Ein entsprechende Liste, sagt man dort, gibt es nicht. Keine dieser Gruppen seien irgendwo registriert. Sie träfen sich auf sehr informeller Weise.

All das, so Glunk, habe nichts mit Völkerrecht oder nationalem Recht zu tun. Es träfen sich dort staatliche Regulierungsbehörden und private Vertreter der Industrie. Was sie dort vereinbarten werde hinterher zu nationalem Recht. All dies unterliege keinerlei demokratischer. Diese Gruppen hätten zumeist nicht einmal eine richtige Adresse oder eine Telefonnummer. Und sie sein keine Rechtspersönlichkeiten. Diese Gruppen könnten also nicht einmal für ihre Vereinbarungen vor Gericht gebracht werden. Das dort Beschlossene habe „formalrechtlich keine rechtliche Bindewirkung“, entfalte aber eine „faktische Bindewirkung“. Es handele sich um ein ganz neues Verfahren. Der Staat säße mit am Tisch und bestätige – ohne Parlamentsbeteiligung -, was die Gruppen beschlossen hätten.

„Entterritorialisierung“

Einen weiteren Begriff, so Glunk, müsse man sich klarmachen: die „Entterritorialisierung“. Dieses Recht gelte also nicht mehr ein bestimmtes Territorium – wie üblich -, sondern für eine bestimmte Funktion, für einen bestimmten Wirtschaftssektor. Glunk verglich das mit dem Internet, wo wir alle dies schon längst akzeptierten: die private Organisation ICAN regele alles damit Verbundene ohne das je ein Parlament mitgesprochen hätte. Warum akzeptierten wir das? – weil es funktioniert!

Wir hätten es mit einem neuen Rechtsgebiet zu tun. Es handele sich nicht um internationales Recht (wird zum Teil unter der Bezeichnung internationales oder transnationales Verwaltungsrecht schon an Universitäten unterrichtet), weder ist es privates noch öffentliches Recht. All das werde durch diese nicht rechtlich vorgesehenen Gruppen dauernd unterlaufen. Glunk: „Immer wenn Sie den Ausdruck „transnational“ hören, dann sollten Sie aufmerksam sein!“ Es hat mit einer „Aushöhlung der Demokratie“ zu tun.

Leider werde die Souveränität mit einem Trick beseitigt. Etwa mit der Abgabe von Souveränitätsrechten der EU-Mitgliedsländern an die EU. Man halte allerdings die Fiktion, dass die Souveränität z.B. immer noch bei uns Deutschen liegt, aufrecht. Nur die Ausübung von Teilen dieser Souveränität liege bei der EU. Unser Bundesverfassungsgericht sei jedoch der Meinung, die Souveränität könne nicht geteilt werden. Glunk: „Im Augenblick ist das Bundesverfassungsgericht der stärkste Verteidiger der Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten. Ansonsten usurpiert die Exekutive Zuständigkeiten, die vorher bei der Legislative waren. Auf eine kurze Formel gebracht: die Exekutive gewinnt, die Legislative verliert.“

„Es sieht also nicht gut aus für die Demokratie wie wir sie kennen. Die Politik liegt nicht mehr in den Händen der Bevölkerung“, so Fritz R. Glunk.

Wir sind die Arbeitgeber der Regierung!

Die Geschichte lehre, dass in solchen Fällen eine Tendenz entstehe, zu einem Präsidialsystem zu kommen. Wie könne denn Merkel als mächtigste Frau der Welt bezeichnet werden? Bundeskanzler sollten doch als Vertreter des Volkes arbeiten. „Schließlich sind wir die Arbeitgeber für die Regierung.“ Es finde „eine Art Monarchisierung statt, die mit einer Demokratie nicht mehr vereinbar ist.“

Die Regierung vergesse offenbar die Bindung an Recht und Gesetz. Wir alle könnten für Verstöße dagegen belangt werden: „Eine Regierung kann es.“

Dann rückte Glunk mit seinem angekündigten Pessimismus heraus: Merkel postuliere eine Politik für Frieden und Freiheit. Was nicht falsch sei. Jakob Burkhard habe das vor Jahrzehnten etwas sarkastischer formuliert: Solange die Menschen Ruhe und Einkommen haben, kann man ihnen jegliche Regierungsform vorsetzen.

Solange also diese Ruhe hier noch herrsche und der Eindruck verbreitet sei, es gehe uns doch gut, und ich habe ja nicht zu verbergen, kann sich die Entwicklung des Rechts ohne Staat in aller Gefälligkeit weitergehen.

 

Fritz R. Glunks „Alterspessimismus“ und dessen „steile Thesen“:

„Die Demokratie bleibt bestehen. Aber als eine Hohlform. Sie dürfen wählen. Es kommen auch neue Abgeordnete ins Parlament oder eine neue Partei ins Parlament oder an die Regierung. Aber was das Parlament noch zu beschließen hat, das bezieht sich nur noch auf Lokales (z. B. Pendlerpauschale). Die Entscheidungen werden in der Exekutive im Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gefällt, nicht im Parlament.“

Freilich ließe sich an die Demokratie appellieren. Wenn aber die Wähler nichts mehr an dem Beschlossenen ändern könnten was transnational vereinbart wurde dann sei die Demokratie nur noch eine Hohlform.

„Für die Demokratie geht keiner auf die Straße“, stellte Fritz Glunk nüchtern fest. „Die Menschen wollen gar nicht regiert werden. Sie wollen Ruhe und Einkommen.“

Traurig macht es ihn, so der Referent: Er sei dazugekommen zu sagen Freiheit werde total überschätzt. Zumal, wenn wir diese diese Freiheit benutzten, um eine Welt zu schaffen in welcher wir nicht mehr leben können.

Das der Trend hin zum Präsidialsystem gehe, gar zum Cäsarismus, hält er für denkbar.

Denn die Wahlbeteiligung sinke in den EU-Staaten zwar unterschiedlich hoch, sei aber insgesamt als „schandhaft“ zu bezeichnen. Vergleichbar wie unter Kaiser Augustus in Rom. Schließlich habe zum Herrscher Justinian geführt.

Wir würden das nicht erleben, meinte Glunk. Jedoch eine erhebliche Steigerung der Macht der Exekutive auf Kosten des Parlaments. Was dagegen zu machen sei wisse keiner. Eine kleine Gruppe würde möglicherweise für die Zukunft mit dem chinesische Modell liebäugeln.

Und doch sei nicht alles in Gnze pessimistisch zu sehen. Dem Publikum riet er an, im Handeln der düsteren Weltsicht widersprechen.

Fragen und Diskussion

Ein interessante Fragerunde schloss sich dem Vortrag von Fritz R. Glunk an. Eine Dame aus Frankreich kritisierte, dass zum Beispiel der französische Präsident das Parlament nahezu vollständig kaltgestellt habe. Ein Herr stellte unser Gesellschaftssystem infrage. Denn wie könnten wir gegen die von Glunk skizzierten Zustände bei dem Einfluss auf die Politik, den etwa die Konzerne haben, angehen. Da müsse doch gegengesteuert werden. Er betonte, dass er jedoch das in unserer Gesellschaftsordnung unangreifbare Privateigentum gar nicht angetastet wissen wolle.

Ein anderer Zuhörer meinte Demonstrationen gegen die Zustände zu organisieren oder gar den Verantwortlichen Tomaten an den Kopf zu werfen, bringe nicht.

Fritz Glunk hält aber auch durchaus Revolutionen für möglich: „Es kommt drauf an wie viele Tomaten geschmissen werden. Ein paar reichen da nicht.“

Glunk sprach die demokratischen Verhältnisse im alten Griechenland an. Ein Herr warf ein: Nur die Vollbürger hätten da Stimmrecht gehabt. Glunk stimmte zu, wies aber darauf an, dass auch in unserer gegenwärtigen Gesellschaft Viele kein Stimmrecht hätten: „Die Kinder!“ Gerade müssten ja das jetzt Verbockte später ausbaden, bzw. mit den Folgen leben. Und die Kinder hätten nichts zu sagen. Klar: man könne das nicht mit der Situation im alten Griechenland vergleichbar.

Was man tun könne, wisse er nicht, so Glunk ehrlich. Er glaube jedoch nicht, dass die europäischen Verträge in irgendeiner Form geändert werden könnten.

Nicht ganz hoffnungsvoll für ihn seien Bestrebungen von momentan noch verschwindend kleinen Gruppen, die EU sozusagen komplett neu zu machen. Etwa eine europäische Konföderation zu begründen. Angelehnt an die Schweiz. Mit Verlagerung von Kompetenzen. Von einer Zentrale in Brüssel in die einzelnen Länder und Regionen. „Sodass die Menschen die dort leben das Gefühl haben, was sie unmittelbar betrifft wird hier beschlossen.“ Ein Interesse, dass überall alles gleich sei habe nur die Wirtschaft.

Dass sei seine Hoffnung. „Ansonsten bleibt nur die Katastrophe.“ Und ans Publikum: „Beten Sie, dass die Katastrophe nur klein wird. Und einen bestimmten Lerneffekt hat.“ Vorher sei „die Bequemlichkeit viel zu weit verbreitet“.

Zur Person

Fritz R. Glunk ist Gründungsherausgeber des kultur­politischen
Online-Magazins ›Die Gazette‹. Zahlreiche Veröffentli­chungen,darunter
schon 1998 „Das MAI oder die Herrschaft der Konzerne“, und zu den
Gefahren der späteren sog. Freihandelsabkommen (TTIP); zuletzt
„Schattenmächte. Wie transnationale Netzwerke die Regeln unserer Welt
bestimmen“ dtv 2017.

Fritz Glunk ist Literaturwissenschaftler und Publizist. Nach dem Studium der Geschichte und Germanistik war er von 1966 bis 1981 in der Auslandskulturpolitik tätig. So publiziert Herr Glunk außerdem Bücher und Artikel über die Problematik internationaler Investitionen, den Einfluss internationaler Konzerne auf Nationalstaaten und die Entmachtung der parlamentarischen Demokratie durch transnationale Netzwerke.

Fritz R. Glunks Buch „Schattenmächte“

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Cover des Buches via dtv.

Wer macht unsere Gesetze? In repräsentativen Demokratien ist es Aufgabe der Parlamente, Gesetze auszuarbeiten und zu verabschieden.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Doch transnationale Netzwerke ziehen diese Aufgabe immer mehr an sich. Sie setzen globale Standards und Normen, die von den Parlamenten nur noch übernommen werden. Niemand weiß, wie viele Gruppen dieser Art weltweit Regeln etablieren. Schätzungen gehen von mehr als 2000 aus.

Wo unsere Welt verhandelt wird
Durch diese Privatisierung der Entscheidungsprozesse wird die Demokratie entkernt. Fritz Glunk ermöglicht uns mit ›Schattenmächte‹ Einblicke in die internationale Strippenzieher-Szene. Und er zeigt Möglichkeiten, wie wir dieser Entwicklung entgegenwirken können.

Stephan Lessenich (Vorwort): »Kaum je ist dieser Prozess der wirtschafts- und wachstums-, output- und profitabilitätsgetriebenen Entmachtung der parlamentarischen Demokratie durch ihre ›eigene‹ Exekutive so punktgenau und scharfsinnig dargelegt worden wie in diesem Buch.

Nächste Veranstaltungen in der Reihe „Globalisierung konkret“

„Bodensteuer statt Grundsteuer. Gut für Mieter und die Umwelt, schlecht für Spekulanten und Großgrundbesitzer. Referent ist Thomas Kubo.

Montag, 18. März 2019. 19 Uhr

„INF-Vertrag erhalten“ – Nur Abrüstung schafft Sicherheit!“

Referentin: Regina Hagen, Netzwerk Friedenskooperative

8. April 2019, 19 Uhr in der Auslandsgesellschaft NRW Dortmund

Stephan Hebel – Merkel. Bilanz und Erbe einer Kanzlerschaft. Rezension

Der Journalist und Autor Stephan Hebel hat es wieder getan. Nach „Mutter Blamage: Warum die Nation Angela Merkel und ihre Politik nicht braucht“ und „Mutter Blamage und die Brandstifter: „Das Versagen der Angela Merkel – warum Deutschland eine echte Alternative braucht“ hat er abermals ein Buch in Sachen Angela Merkel geschrieben. Soeben bei Westend herausgekommen trägt es den Titel: „Merkel. Bilanz und Erbe einer Kanzlerschaft“.

Angela Merkels Politik ist nicht mehr so beliebt wie einst. Aber viele WählerInnen wollen Merkel behalten, weil sie wohl meinen mit ihr zu wissen, woran sie sind

Warum nun das dritte Merkel-Buch? Stephan Hebel ist gewiss kein Anhänger dieser unserer oft als „Mutti“ titulierten Bundeskanzlerin. Und er bekennt, dass es unter seinen Freunden „nicht viele Fans von Angela Merkel“ gebe. „Aber“, so der Autor weiter gleich im Vorwort zum Buch (S. 7), „einen Stoßseufzer habe ich während der Arbeit an diesem Buch immer wieder gehört“: „Na ja, wenn man bedenkt, was danach kommen könnte …“

Das könnte eine Erklärung dafür liefern, warum inzwischen immer mehr Menschen die Politik von Merkel ablehnen (was wohl nicht zuletzt durch die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin und der Kritik daran befeuert wurde), aber etwa um die 40 Prozent bei Umfragen die Person Angela Merkel positiv bewerten.

Mit einem Wechsel tun sich viele WählerInnen offenbar schwer. Mit Merkel, sagen sie sich wohl, wissen wir woran wir sind.

Was eigentlich machte eigentlich Angela Merkels Kanzlerschaft aus?

Aber was hat Angela Merkel in 13 Jahren ihrer Kanzlerschaft überhaupt gemacht – und was nicht?Das würden – fragte man sie – gewiss viele Menschen gar nicht ohne Weiteres sagen können. Selbst „bei politisch interessierten Menschen“, verleiht Hebel auf Seite 8 seinem Erstaunen Ausdruck“ sei „der Blick für das, was Angela Merkel und ihre Regierungen tatsächlich bewerkstelligt haben“ verschwunden. Eindruck bei vielen Menschen hinterließ da wohl mehr die unprätentiöse Art der Kanzlerin, die einst „Kohls Mädchen“ war.

Jana Hensels Eloge auf Merkel treibt einen die Röte des Fremdschämens ins Gesicht

Selbst zwei im Buch zitierte Intellektuelle konnten sich betreffs der Wirkung von Angela Merkel kaum mehr einkriegen. Die von Hebel zitierte Eloge der Schriftstellerin Jana Hensel auf Merkel treibt einen die Röte des Fremdschämens ins Gesicht. Hier nur ein Ausschnitt (S. 16 oben):

„(…) Ich mag ihre Augenringe, die manchmal größer, manchmal kleiner sind, für mich sind es Augenringe des Vertrauens.“ [sic!] Au Backe!

Der große Martin Walser ist untertänigst verführt von „von der stillen Wucht“ von Merkels „Schönheit“

Und selbst der große Schriftsteller Martin Walser kann sich der einer offenbar wundersamen Ausstrahlung von Angela Merkel nicht entziehen und infolgedessen das Wasser nicht mehr halten. Hebel zitiert Walser aus seinem Text im Spiegel vom 10. November 2018: „Instinkt und Erfahrung haben mich zum Verehrer dieser Politikerin gemacht.“ Was hat Walser genommen? Hebel gesteht Merkel in seinem vielfach kritischen Buch (auf S. 108) betreffs ihrer Ära zu, dass es „auch Fortschritte gegeben“ habe. Schränkt allerdings ein: „Aber im Angesicht der Gesamtbilanz erscheint es geradezu skurril, wie ein berühmter Schriftsteller sich zu einer vor Untertänigkeit und eine Politikerin auf ‚Schönheit‘ reduzierenden Lobes-, ja Liebeshymne auf die scheidende Kanzlerin versteigt (…)

Auch von diesem Erguss, von dem Hebel meint, dass „wahrscheinlich auch Angela Merkel herzlich gelacht“ (S. 109) habe, hier nur ein kleiner Ausschnitt der Walser’schen Liebeserklärung:

„(…) Und nichts ist verführerischer als der Erfolg. Deshalb gebe ich zu: Ich bin verführt. Von ihr und von der stillen Wucht ihrer Schönheit.“

Dem Westend-Verlag und dem Autor Stephan Hebel sei gedankt für dieses Buch

Dem Westend-Verlag kann nicht genug gedankt werden, dass er Stephan Hebel Ende Oktober 2018 fragte, ob er bereit wäre eine erste Bilanz der Kanzlerschaft Merkels zu ziehen.

Ebenso dem Autor, der der Bitte ein entsprechendes Buch zu verfassen gerne nachkam. Es ist unbedingt auch Merkel-Besoffenen freundlich ans Herz zu legen. Es kühlt bei Bedarf sachlich herunter und erhellt dank auf des auf dem Cover angekündigten und auch gelieferten Faktenchecks den Verstand. Selbst diejenigen, welche Angela Merkel in ihren 13 Jahren Kanzlerschaft stets nüchtern, aufmerksam und kritisch begleitet haben bietet dieses Buch etwas: Es fördert vielleicht verschüttgegangenes aus dem Langzeitgedächtnis noch einmal zutage.

Mit Gewinn zu lesen

Wie Stephan Hebel im Westend-Interview mit NachDenkSeiten-Herausgeber Albrecht Müller sagte, ist es ein „schnelles Buch“ geworden. Auch hat des nicht den Umfang der vorangegangenen Merkel-Bücher. Dennoch, liebe Leserinnen und Leser, das verspreche ich, werden Sie das neue Buch mit Gewinn lesen und manche Erkenntnis daraus gewinnen.

Der Autor dämpft etwaige Hoffnungen, die in Merkels Erbin des Amtes der Parteichefin gesetzt werden: AKK ist keine Merkel-Kopie, aber eine Abkehr von Merkels-Kurs werde es mir ihr nicht geben

Gleich im ersten Kapitel „Die Erbin“ (ab S. 9) analysiert Stephan Hebel Angela Merkels Nachfolgerin im Amte der CDU-Chefin. Darin bescheinigt er Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) zwar, dass sie in der Lage sei eigene Akzente zu setzen und eben nicht eine bloße Merkel-Kopie zu sein. Hebel dämpft jedoch sogleich etwaige Hoffnungen betreffs Kramp-Karrenbauers voraussichtlicher Politik (S. 13 unten): „Aber nichts deutet darauf hin, dass es eine echte Abkehr geben wird von Merkels Kurs, weder in die eine noch in die andere Richtung.“

Die CDU dürfte auch Merkels Nachfolgerin, zeigt sich Hebel sicher, weiter auf konservativen und neoliberalen Kurs halten.

Eine Politik also, wie Stephan Hebel Angela Merkel ankreidet, die direkt an Gerhard Schröders neoliberalen Ansatz anschloss und diesen weiterführte und weiterführt. Eine Politik, die viele Menschen auf der Strecke bleiben lässt und die Spaltung in Arm und Reich vergrößerte. Daran, so erhellt uns Hebel habe Merkel nichts zugunsten der vielen Verlierer geändert. Sieht man von kleinen Maßnahmen wie etwa der Einführung des Mindestlohns ab.

Stephan Hebel: „’Mitte‘ ist für Merkels Ideologie und Politik der Ehre zu viel“

Als Leser fragt man sich, wie so viele BürgerInnen und auch die Mainstream-Medien unseres Landes in der Merkel’schen CDU-Politik eine Sozialdemokratisierung zu erkennen vermeinten. Nicht einmal das Etikett „Mitte“ lässt Stephan Hebel gelten (S. 108 oben): „’Mitte‘ ist für Merkels Ideologie und Politik der Ehre zu viel. Die ‚Mitte‘ zwischen den Interessen des Kapitals und den sozialen, ökologischen und demokratischen Notwendigkeiten hat sie nie gesucht – man betrachte nur ihre geradezu industriehörige Haltung, was die Innovations-Verweigerung und die Betrugsmanöver der Automobil-Konzerne betrifft.“

Wer meine, Angela Merkel habe keine Überzeugungen, gibt der Autor zu bedenken, „liegt daneben“

Mediale Zuschreibungen, Merkel habe gar keine eigene Agenda, sie folge nur gesellschaftlichen Stimmungen, ihrem eigenen Machtinstinkt oder habe Entscheidungen mit Rücksicht auf den Koalitionspartner getroffen, lässt Stephan Hebel allenfalls in Sachen Mindestlohn oder wegen „dramatischer Ereignisse (Atom-Ausstieg) sowie „mal wegen zwingender Notwendigkeiten im internationalen Rahmen (Abschaffung der Wehrpflicht)“ gelten.

Doch wer meine, Angela Merkel habe gar keine Überzeugungen, gibt der Autor ebenfalls im Fazit auf Seite 108 zu bedenken, „liegt daneben“.

Vorherrschenden Meinungen hält Hebel entgegen: „Angela Merkel hatte sehr wohl zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere eine politische Agenda. Es war die Agenda des Neoliberalismus, der sich, wenn es um Mehrheiten und Machterhalt ging, allenfalls in Einzelfällen als ‚Neoliberalismus light‘ präsentierte.“

Höchstwahrscheinlich – der Eindruck drängt sich einen auf) muss Angela Merkels Impetus, zu handeln wie sie handelt, durchaus auch als Widerpart zur in der DDR (der sie ironischerweise eine Karriere verdankte, die nicht jedem seiner Bürger vergönnt war) erlebten staatstragenden Ideologie verstanden werden. Offenbar wollte sie fortan zeigen, dass sie auf der richtige Seite steht.

Merkel weder Heldin noch Schurkin, stellt Hebel fest

„Merkel ist weder eine Heldin noch eine Schurkin. Sie war und ist eine Politikerin, die in 13 Jahren Kanzlerschaft auf entscheidenden Politikfeldern versäumt hat, den Zusammenhalt der Gesellschaft entschieden zu stärken und die Lage der Menschen im Land zu verbessern. Jedenfalls die Lage derjenigen, für die Politik da zu sein hätte, weil sie die Unterstützung des Staates brauchen. ‚Es war nicht alles schlecht‘, um eine Plattitüde aus anderem Zusammenhang zu zitieren. Aber Angela Merkel hinterlässt dem Land viele – zu viele Hypotheken.“ (Zitat aus dem Inhalt des Buches)

Was wohl von Merkel dereinst bleiben wird

Wer sich dies klar macht – und die zahlreichen aufgeführten Fakten in diesem Buch untermauern diese Einschätzung -, dürfte sich klar darüber sein, dass wir womöglich gar nicht lange nach ihrem Abtritt auch als Bundeskanzlerin von der politischen Bühne nur äußerst ungern oder nur mit größtem Grummeln im Bauch an sie zurückdenken werden. Von der 13 Jahre währende Merkel’schen Kanzlerschaft dürfte ein unschöner Fleck auf der geschichtspolitischen Landkarte der Bundesrepublik zurückbleiben. Auch vielen EU-BürgerInnen wird der Name Angela Merkel noch lange ein ziemliches Unwohlsein verursachen. Zulange und zu sehr hat Merkel die EU dominiert und auf deutsche Linie gebracht (da wurde vorwiegend Deutsch gesprochen, wie es wohl Volker Kauder gefiel), Griechenland gedemütigt und die Bevölkerung weiter in die Verarmung geführt (zusammen mit Schäuble als Finanzminister). Merkel eine große Europäerin? Diesen Titel würde selbst Helmut Kohl seinem einstigen Mädchen verweigern. Nein: Merkel wird als Totengräberin der bereits jetzt strauchelnden EU in die Geschichte eingehen.

Ein akribisch recherchiertes Buch mit erhellenden Zahlen

Mag sein, dass dieses schnell – vielleicht zu schnell – geschriebene neue Hebel-Buch zu Merkels Bilanz hier und da Lücken aufweist – was dem Autor sicher selbst am meisten wurmen mag: es zeichnet das Allerwichtigste auf Angela Merkels Weg durch 13 lange Jahre ihrer Kanzlerschaft, akribisch und gut recherchiert nach. Die Themenbereiche Arbeit und Arbeitslosigkeit, Bildung, Frauen und Familie, Gesundheit, Innere Sicherheit, Internet, Klima, Reichtum und Armut, Rüstung und Sicherheit, Schulden, Schulden, Wirtschaft und Handel sowie Wohnen werden ergiebig beleuchtet und sind mit erhellenden Zahlen untermauert. Hatte, hat Angela Merkel Visionen, wie sich sich ein gerechtes, friedliches, ein ökologisch wie ökonomische nachhaltiges Deutschland, in dem die Menschen gut und gerne leben, vorstellt? Davon wird so gut wie nichts auf ihrem von Stephan Hebel nachgezeichnetem Weg erkennbar. Die Bilanz der Ära Merkel fällt eher dürftig aus.

Angela Merkels „vielleicht gefährlichste Erblast“

Ist es gelungen ein Bollwerk gegen den zunehmenden Rechtsnationalismus in diesem Lande zu errichten unter Angela Merkels Führung, indem sie möglichst die „Mitte“ verteidigt – gemeinsam in vielleicht wechselnden Koalitionen mit CDU, SPD, Grüne und FDP? Eine doch eher als schwammig zu bezeichnende „Mitte“, die (wer gehört eigentlich noch dazu?), die längst im Bröckeln befindlich ist. Hebel im Fazit (ab S. 105/106):

„Das ist ja die Tendenz, die sich stetig verstärkt hat, seit die Fremdenfeindlichkeit sich offen auf der Straße zeigt und die AfD dem extrem rechten Lager Ausdruck verleiht. Aber genau darin liegt, was die Zukunft der Demokratie betrifft, vielleicht die gefährlichste Erblast der Ära Merkel. Um es in einem Satz zusammenzufassen: Wenn links von den Rechten nur noch die Mitte ist, entsteht auf der Linken ein gefährliches Vakuum. Oder noch kürzer: Der Kampf gegen Rechts ist nur mit Links zu gewinnen. Mit einer Politik, die den sozialen Brüchen, welcher der Neoliberalismus verursacht hat, wieder ein entschieden soziales Handeln entgegensetzt.“

Betreffs dessen sieht Stephan Hebel Angela Merkels Versagen. Merkel habe nicht gesehen, „wie tief die sozialen und kulturellen Brüche, wie tief die Angst vor sozialer Ent-Sicherung sich schon in der ‚Mitte der Gesellschaft gefressen hatte.“

Dem Buch sind viele LeserInnen zu wünschen. Unverklärt und sachlich hat Stephan Hebel die Kanzlerschaft Angela Merkels seziert, kritisch beleuchtet und eine Bilanz ihrer Ära vorgelegt.

Stephan Hebel

Buchcover via Westend-Verlag.

Merkel

Bilanz und Erbe einer Kanzlerschaft

 

Seitenzahl: 128
Ausstattung: Klappenbroschur
Artikelnummer: 9783864892547

Hier das Interview, das Albrecht Müller für den Westend-Verlag mit dem Autor Stephan Hebel führte

Wenn sich sogenannter Fortschritt als Rückschritt entpuppt … Interview mit Professor Werner Thiede zu seiner Broschüre „Die digitale Fortschrittsfalle“ und zum 5G-Mobilfunk

PRESSEINFORMATION

via pad-Verlag

Die Politik unserer Tage arbeitet im Verein mit Industrie und Wirtschaft intensiv an der Vernetzung von Staat und Gesellschaft, von Dingen untereinander sowie von Mensch und Maschine. Nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind über diese Entwicklung erfreut, im Gegenteil.

Prof. Dr. Werner Thiede. Foto via pad-Verlag.

Aus aktuellem Anlass veröffentlicht der pad-Verlag eine 90-seitige Broschüre des Theologen und Publizisten Werner Thiede unter dem Titel „Die digitale Fortschrittsfalle. Warum der Gigabit-Gesellschaft mit 5G-Mobilfunk freiheitliche und gesundheitliche Rückschritte drohen“. Ich habe mit dem Autor mehrerer Bücher zum Thema über seine Bedenken gesprochen.

Am Schluss des Textes finden Sie Informationen zur Person und eine ausführliche Inhaltsbeschreibung der Veröffentlichung.

Als Anlage ist ferner beigefügt der internationale Appell „Stoppt G 5 auf der Erde und im Weltraum“ von Wissenschaftlern, Ärzten und Umweltorganisationen. Dort heißt es: „Die Weigerung, wichtige und nachweislich gültige Wissenschaftliche Erkenntnisse zu akzeptieren und umzusetzen ist, ethisch gesehen, untragbar. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse zeigen, dass G5 – und insbesondere ein weltraumbasiertes G5 – gegen Prinzipien verstoßen, die in zahlreichen internationalen Abkommen verankert sind.“

Herr Prof. Thiede, die Digitalisierung soll mit dem neuen 5G-Mobilfunk Fahrt aufnehmen. Ist das nicht prima?

Prof. Werner Thiede: Zunächst einmal zur Digitalisierungsdynamik: Sie erfreut viele, aber keineswegs alle. Bisher hat die digitale Revolution mancherlei Nützliches erbracht – auch für mich. Doch die Entwicklung droht jetzt zu kippen, und Aufgeweckte realisieren bereits: Die Risiken wachsen mit den Chancen. Umso entschlossener versucht man freilich die Digitalisierung ungeachtet ihrer Ambivalenzen auch gegen Widerstände des kritischen Teils der Bevölkerung durchzusetzen. Denken Sie nur an Risiken wie die Überwachungsstrukturen, die mit der digitalen Infrastruktur großenteils gegeben sind, aber auch an die Hacker-Anfälligkeit gerade für öffentliche Infrastrukturen, an implizite Verführungsmechanismen und nicht zuletzt an die zusätzliche Bestrahlung durch den bevorstehenden 5G-Mobilfunk. Der badenwürttembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat dazu offen eingeräumt: „Was die flächendeckende Versorgung mit 5G betrifft, will ich nicht verschweigen, dass dabei auch auf die Bevölkerung noch einiges zukommen wird.“

Hört man nicht viel von ungeduldigem Warten auf die 5G-Technologie, weil sie Funk mehr oder weniger in Echtzeit ermöglichen wird?

Thiede: Selbstverständlich ist der neue Mobilfunk-Standard rein technisch gesehen eine tolle Sache. Aber seine Vorteile und Chancen werden durch gravierende Nachteile und Risiken erkauft. Darüber verraten die aktuellen Werbe-Annoncen zu 5G natürlich nichts. Derzeit werden aber Unterschriften gesammelt für einen Internationalen 5G-Appell, der vor einem planetarischen Notstand warnt und bereits in fast hundert Ländern Unterzeichner gefunden hat.

Wird da nicht übertrieben?

Thiede: Ich fürchte: nein. Mit dem Rollout von 5G werden die Mobilfunk-Basisstationen von den Mast- und Dachstandorten vehement in die Straßen und vor die Häuser vordringen, um die erforderlichen kleinen Zellen realisieren zu können. Die Stationen werden dann großenteils auf Laternenmasten, Litfass-Säulen oder Stromverteiler-Kästen installiert, so dass ihnen Menschen oft sehr nahe kommen. Einerseits werden die Sendeleistungen kleiner sein als bei den bisherigen Masten und Dachstandorten. Andererseits können die Immissionen im verkürzten Abstand von den Tausenden neuen 5G-Basisstationen sehr hoch werden und oft eine tausendfache Steigerung der Exposition in den Wohnungen gegenüber der heutigen Einwirkung zur Folge haben.

Werden Leute dann die unsichtbare Strahlung womöglich eher, vielleicht vegetativ, spüren?

Thiede: Vermutlich ja. Viele wissen oder ahnen ja, dass Mobilfunkstrahlung keineswegs unbedenklich ist. Das dürfte Folgen haben beim Ausbau von 5G. Ich zitiere den Deutschen Städte- und Gemeindebund: Die „Anzahl von Sende-Empfangseinheiten wird signifikant steigen… Es ist nicht zu vermuten, dass ein erneuter scheinbar unkontrollierbarer Wildwuchs der Standorte von Mobilfunkanlagen als alternativlose Voraussetzungen einer prosperierenden Gemeindeentwicklung von der Bevölkerung ohne weiteres akzeptiert würde.“ Man strebt deshalb an, die bisherige Mobilfunkvereinbarung rechtssicher fortzuschreiben – damit der technische Fortschritt ja nicht unnötig behindert wird…

Meinen Sie dagegen, er sollte nötigerweise gebremst werden?

Thiede: Durchaus, insofern nämlich gerade die offen angestrebte flächendeckende „Versorgung“ jenem Teil, der sich gegen sie definitiv verwahrt, regelrecht aufgezwungen wird. Man hat nicht mehr die Freiheit, sich die riskante Dauerbestrahlung mit der zum Teil noch gar nicht hinreichend erforschten Strahlung, zumal in den höheren Frequenzbereichen, zu verbitten. Es wird kaum mehr Flucht- oder Rückzugsorte geben, vielleicht nicht einmal mehr im Wald. Das bedeutet nicht nur eine technologische Vergewaltigung elektrosensibler Mitmenschen, sondern auch eine unverschämte Vereinnahmung all derer, die sich über das mit Mobilfunk verbundene Krebsrisiko informiert haben und es möglichst vermeiden wollen.

Hat nicht die Weltgesundheitsorganisation das Risiko 2011 in ihrer Skala nur bei 2B veranschlagt, also die Strahlung als relativ harmlos eingestuft?

Thiede: Korrekt, aber das ist sieben Jahre her. Intensive, millionenschwere Forschung vor allem in den USA hat inzwischen Ergebnisse zutage gefördert, aufgrund derer amerikanische Experten jetzt eine Höherstufung auf 2A oder gar auf die höchste Stufe 1 gefordert haben. Natürlich halten industrienahe Experten dagegen. Man bemüht sich derzeit sehr darum, die Grenzwertbestimmungen sozusagen 5G-fähig zu machen, und nennt das „Harmonisierung der Antennenbereitstellungsrichtlinien“.

Wer ist „man“?

Thiede: Damit ist vor allem die „Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung“, kurz: ICNIRP gemeint. Bei ihr handelt es sich nicht um eine von demokratischer Politik aufgebaute Institution, sondern um einen privaten, nichtregierungsamtlichen Verein. Und dieser von der Weltgesundheitsorganisation und auch von der EU förmlich anerkannte Verein hat laut dem einstigen Europa-Parlamentarier Jean Huss sehr enge Verbindungen zu jenen Branchen, deren technische Neuentwicklungen von möglichst hoch angesetzten Grenzwerten in allen Frequenzbereichen elektromagnetischer Felder profitieren. Als Vorsitzender dieser Kommission hat Dr. Eric van Rongen jetzt erklärt, es gebe keinen wissenschaftlich fundierten Beweis dafür, dass Funksignale Krankheiten wie Krebs verursachen – wobei ICNIRP Studien wie das American National Toxicology Program (NTP) in Betracht gezogen habe. „In Betracht gezogen“ freilich mit der arroganten Folgerung, dass die Hinweise dieser millionenschweren, regierungsamtlichen Studie aus den USA auf ein Krebsrisiko durch Mobilfunkstrahlung „nicht überzeugend“ seien und somit auch gar nicht zur Überarbeitung der aktuellen Expositionsstandards herangezogen werden sollten! Leider wird diese merkwürdige Beurteilung von der Politik als maßgeblich herangezogen. Fakt ist aber jedenfalls, dass in der Wissenschaft keine einmütige Sicht vorherrscht. Und das ist meines

Erachtens keine ethische Grundlage, sich eine für flächendeckende Bestrahlung der Bevölkerung einzusetzen. Genau dies aber geschieht in Deutschland aktuell: Es geht konkret um die hochproblematischen Bedingungen für die Ausgestaltung der Versteigerung der neuen 5G-Frequenzen.

Wie auch immer: Lässt sich denn der Fortschritt aufhalten?

Thiede: Was sich wohl tatsächlich kaum aufhalten lassen wird, ist das Fortschreiten beim weltweiten technologischen Ausbau. Aber ob das in einem tieferen Sinn als „Fortschritt“ bezeichnet werden sollte oder nicht vielmehr als Rückschritt, ja als Irrweg, genau das ist die Frage! Deutet naives Beharren auf Fortschritt, Fortschritt, Fortschritt nicht insgeheim hin auf die menschliche Unzufriedenheit im Hier und Jetzt, auf die Unerlöstheit des Menschen – seinen „Hang zum Bösen“ eingeschlossen, um den der Aufklärungsphilosoph Immanuel Kant wusste? Um Flucht geht es insgeheim beim Fortschrittsgedanken: Nur fort von hier, immer schneller fort aus dem Augenblicklichen! Und so führt die Digitalisierung – um nochmals Bezug auf Kant zu nehmen – viele Menschen zurück in eine selbstverschuldete Unmündigkeit. Ich sehe keineswegs eine bessere Zukunft vor uns, sondern betrachte die höchst einseitig vorangetriebene Entwicklung mit großer Sorge.

Was befürchten Sie zum Beispiel?

Thiede: Dass durch die nächsten Schritte der Digitalisierung Grundrechte Schaden nehmen werden. Mehrere Bücher, unter anderem eines der IT-Expertin und Firmenchefin Yvonne Hofstetter, warnen bereits vor der Erosion der Demokratie durch die Rundumvernetzung. Die wohl kaum mehr abzuwendende Bargeldabschaffung wird in wenigen Jahren ihren Anteil an der Freiheitsminderung und am Überwachungszuwachs haben. Manche Kenner der Künstlichen Intelligenz denken nur mit Schrecken an deren Weiterentwicklung und die Folgen etwa auf militärischem Gebiet. Wir haben es mit einem Pseudo-Fortschritt zu tun, der sich – nicht nur nach meiner Ansicht – in eine regelrechte Fortschrittsfalle verwandelt.

Bleibt die Frage, was sich gegen solche Veränderungen vielleicht noch tun ließe. Kann man da überhaupt noch Widerstand leisten, oder ist nicht schon alles beschlossene Sache?

Thiede: Es ist ungefähr alles eingespurt – bis hin zur rechtzeitigen Manipulation der Massen durch teure, suggestive Werbung für Digitalisierung und 5G. Das unethische Motto „Digitalisierung first – Bedenken second“ kann sich ja heutzutage sogar als Wahlkampf-Slogan präsentieren. So weit sind wir schon! Was ich ansonsten zu Ihrer Kernfrage zu sagen habe – lesen Sie es bitte im Schlussteil meiner Broschüre nach!

Peter Rath-Sangkhakorn. Foto: Stille

Hinweis: Das Interview mit Prof. Dr. Werner Thiede führte Peter Rath-Sangkhakorn (pad-Verlag)

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Zur Person

Prof. Dr. theol. habil. Werner Thiede ist Pfarrer i.R. der Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern, seit 2007 apl. Professor für Systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg und Publizist. Homepage

Bücher von Werner Thiede:

Überm Chaos heiliger Glanz. Glaubensgedichte, Neuendettelsau 2018 Evangelische Kirche – Schiff ohne Kompass? Impulse für eine neue Kursbestimmung, Darmstadt 2017 Digitaler Turmbau zu Babel. Der Technikwahn und seine Folgen, München 2015 Die Wahrheit ist exklusiv. Streitfragen des interreligiösen Dialogs, Gießen 2014 Die digitalisierte Freiheit. Morgenröte einer technokratischen Ersatzreligion, Berlin 2013 Mythos Mobilfunk. Kritik der strahlenden Vernunft, München 2012 Mystik im Christentum. Gestalten und Visionen, Frankfurt a.M. 2009 Theologie und Esoterik. Eine gegenseitige Herausforderung, Leipzig 2007 Der gekreuzigte Sinn. Eine trinitarische Theodizee, Gütersloh 2007 (Übersetzung: Salamanca 2008) Wer ist der kosmische Christus? Karriere und Bedeutungswandel einer modernen Metapher, Göttingen 2001 Sektierertum – Unkraut unter dem Weizen? Gesammelte Aufsätze zur praktisch- und systematisch-theologischen Apologetik, Neukirchen-Vluyn 1999 Esoterik – die postreligiöse Dauerwelle. Theologische Betrachtungen und Analysen, Neukirchen-Vluyn 1995 Die mit dem Tod spielen. Okkultismus – Reinkarnation – Sterbeforschung, Gütersloh 1994 Scientology – Religion oder Geistesmagie? Neukirchen-Vluyn 1995² Auferstehung der Toten – Hoffnung ohne Attraktivität? Grundstrukturen christlicher Heilserwartung und ihre verkannte religionspädagogische Relevanz, Göttingen 1991 Das verheißene Lachen. Humor in theologischer Perspektive, Göttingen 1986 (Übersetzung: Mailand/Turin 1989)

Der Zukunftsforscher Matthias Horx beobachtet aktuell, dass bei manchen Menschen „das Wort ‚Digitalisierung‘ ein Gefühl flauer Übelkeit hinterlässt“. Trotzdem steht dieser Begriff ganz zentral auf der Agenda heutiger Politik und Zukunftsplanung. Man tut allenthalben so, als handele man gemäß einem Naturgesetz, und frönt damit doch nur einem naiven Fortschrittsglauben und dem Diktat der Konzerne. Die begründete Sorge geht um, dass die milliardenschweren Digitalisierungsprogramme unserem Land, unserer Gesellschaft und unserem Planeten keineswegs gut tun werden. Das gilt nicht zuletzt für die neue MobilfunkGeneration 5G, die der „Gigabit-Gesellschaft“ unverzichtbar erscheint und gleichwohl schwerwiegende Bedenken gesundheitlicher Art weckt. Der Theologieprofessor und Publizist Werner Thiede verwahrt sich gegen ein unaufgeklärtes Fortschrittsdenken, weil es notgedrungen in eine Katastrophe lenkt. Er warnt nachvollziehbar vor der sich auftuenden Fortschrittsfalle und appelliert an die Politik unserer Tage, den eingeschlagenen Digitalisierungskurs zu korrigieren, solange dazu noch Zeit bleibt.

* Staffelpreis bei Direktbestellung: ab 5 Expl. 4.50 €; ab 10 Expl. 4.– €

pad-verlag – Am Schlehdorn 5 – 59192 Bergkamen / pad-verlag@gmx.net

Quelle: pad-Verlag

Internationaler Appell Stopp von 5G auf der Erde und im Weltraum

An die Vereinten Nationen (UNO), die Weltgesundheitsorganisation

(WHO), die Europäische Union (EU), den Europarat und die Regierungen

aller Nationen

Wir, die unterzeichnenden Wissenschaftler, Ärzte und Umweltschutzorganisationen aus ( )

Ländern, sprechen uns dringend für einen sofortigen Stopp des Ausbaus und Einsatzes des 5G

Funknetzwerks (Internet der fünften Generation) aus, darin eingeschlossen auch der Einsatz von

5G Sendeanlagen auf Weltraumsatelliten. Der Einsatz von 5G wird eine massiv erhöhte

Einwirkung hochfrequenter Strahlung (HF) auf den Menschen zur Folge haben, zusätzlich zu den

bereits jetzt genutzten 2G-, 3G- und 4G-Telekommunikations-Netzwerken.

Die gesundheitsschädigende Wirkung von Hochfrequenzstrahlung auf Mensch und Umwelt ist

bewiesen. Die Anwendung von 5G stellt ein Experiment an der Menschheit und der Umwelt dar,

was durch internationales Recht als Verbrechen definiert ist.

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Europaabgeordneter Sven Giegold referierte in Dortmund: „Wer die EU vorschnell verdammt, macht aus meiner Sicht einen schweren Fehler“

Till Strucksberg (Attac-Regionalgruppe Dortmund), Sven (Giegold, MdEP), Birgit Weinbrenner (Ev. Akademie Villigst) und Klaus Wegener Präsident Auslandsgesellschaft NRW e.V.) Foto (v.l.n.r): Claus Stille

Die EU ist vielfach in der Krise. Ein Rechtsruck geht durch Europa. Antieuropäische Populisten und Fremdenfeindlichkeit haben in vielen Mitgliedsländern Oberwasser. Wirtschaftliche und soziale Ungleichheit verstärken die breite Unzufriedenheit mit der EU. Das gefährdet zunehmend die größten Errungenschaften des Projekts Europa: Das Zusammenwachsen des Kontinents und den Frieden. Darüber zu sprechen war Sven Giegold, Europaabgeordneter aus NRW und Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament sowie Obmann der grünen Fraktion im Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzpolitik, am Dienstag dieser Woche in die Auslandsgesellschaft NRW nach Dortmund gekommen.

Sven Giegold sieht keine Alternative zur EU

Schon nach wenigen Worten seines Referates wurde klar: Giegold, seit 2009 Abgeordneter im Europäischen Parlament, verkennt nicht was schief und unglücklich läuft in der EU. Jedoch tritt er Kritikern, welche zur EU nur noch sagen: „Hau wech den Scheiß“, vehement entgegen. Seine schwer wegzuwischenden Argumente: Auch in den Nationalstaaten laufe so manches falsch. Zudem wären diese oftmals gar nicht in der Lage große Herausforderungen – Giegold führte als Beispiel den Klimaschutz an – allein zu stemmen.

Bittere Fragen, die in der europäischen Politik schwer zu lösen sind

Zunächst sprach Sven Giegold in den letzten Jahren erfolgten Rechtsruck in der EU und auch hier in Deutschland an. Diese Rechtsparteien, so der Politiker, „werben dafür das Europäische Projekt zurück abzuwickeln“. Gründe dafür seien große, bittere Fragen, die in der europäischen Politik schwer zu lösen sind. Die Menschen zu recht zweifeln ließen. Das erste sei, das Europa ja ganz bewusst – wie in den Europäischen Verträgen zu lesen – nicht „als Zugewinngemeinschaft im wirtschaftlichen Sinne, sondern als Wertegemeinschaft“ gegründet worden sein. „In den letzten Jahren“, schätzte Sven Giegold ein, „ist es in Europa an die Grundwerte gegangen“. Als Beispiele führte er Ungarn unter Viktor Orban an, „der Wahlkampf mit antisemitischen Ressentiments“ und gegen Flüchtlinge gemacht habe sowie dafür sorge, dass die Presse in die Hände von Leuten gelange, die ihm politisch nahestehen. Des Weiteren sei die Steueroase Malta ein Problem, „wo nach wir vor zwei korrupte Minister im Amt sind“. Zypern hänge „massiv am Schwarzgeld aus Russland“. Auch die Morde an Journalisten in Malta und der Slowakei seien bedenkliche Anzeichen.

Wo es knirscht in der EU: die Euro- und die Flüchtlingskrise

Giegold nannte als einschneidendes Problem auch das Handeln von EU-Staaten in der Flüchtlingskrise. Das habe auch ein schlechtes Licht auf Deutschland geworfen. Jahrelang hätten die EU-Außenstaaten Ländern wie Deutschland die Flüchtlinge vom Hals gehalten. Deren Sorgen habe Berlin jedoch nicht hören wollen. Dann seien 2015 die Türen geöffnet worden. Giegold: „Deutschland entdeckte seine Liebe zur Solidarität.“ Berlin habe erwartet, dass andere Staaten die Flüchtlinge nach einem Verteilungsschlüssel übernehmen, „ohne dass es dazu eine europaweite Debatte gab“. Unterdessen sei Deutschland längst wieder umgeschwenkt und dafür die Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU abzuwehren. „Das Gegenteil von dem was Menschenwürde eigentlich bedeute“, skandalisierte Sven Giegold. Das Handeln Deutschlands – den anderen Staaten Flüchtlinge sozusagen aufzwingen zu wollen – habe zu enormen Spannungen in der EU geführt. Die Euro-Krise sei das dritte große Thema, „wo es knirscht“. Es fehle an einer gemeinsamen Steuerpolitik. In der Praxis führe das zum Dumping. „Andere Länder empfinden, dass sie für eine Krise zahlen mussten, die sie gar nicht bestellt hatten.“ Stichwort: Kredite an Griechenland, Portugal, Spanien und Irland.

Die Länder wiederum, welche die Kredite empfingen, hätten harte Auflagen erfüllen müssen. Die Lasten landeten einseitig bei den ärmeren Bevölkerungsschichten, erinnerte Sven Giegold. „Was dort zu einem enormen Unwohlsein geführt hat.“

Der Unmut über die aufscheinenden Probleme in Europa wächst

Viele Leute bezweifelten heute, dass es ihnen besser als früher gehe. Das ursprünglich Versprechen der EU auf eine Erhöhung des Wohlstandes bröckele, merkte der Grünen-Politiker an. Der Unmut in Europa über die aufscheinenden Probleme dort wüchsen. Und diese dürften, da zeigte Giegold sicher, bei den Europawahlen im nächsten Jahr zu entsprechenden Reaktionen führen.

Die unerträgliche Arroganz Deutschlands

Deutschland schrieb Sven Giegold ins Stammbuch. Übel sei es, wenn derjenige, der gestärkt aus einer Krise hervorgegangen ist – wie eben der einstige „kranke Mann Europas“, Deutschland – in Brüssel, in den Medien „immer noch erzählt, ihr seid blöd und wir Deutschen wissen wie es geht und ihr müsst alle nur so werden wie wir und euch mal am Riemen reißen, dann wird’s schon“.

„Diese Schäuble-Art, diese Reden im Bundestag – Sie müssen sich mal anhören, wie das etwa in Italien ankommt“, erklärte Giegold und schickte hinterher: „Dieses Besetzen von Plätzen mit Handtüchern, dass hat man uns ja noch irgendwie nachgesehen, aber diese politische Arroganz ist unerträglich.“

Europas Einfluss oft zu gering

Der Referent wies auf die derzeit schwelenden schweren Konflikte in der Welt und das Thema Frieden hin: „Wie soll ein einzelner Staat dazu beitragen, dass es etwas friedlicher zugeht auf der Welt?“ Syrien etwa sei das klassische Beispiel, was passiert, wenn Europa keinen Einfluss ausübe. Ganz andere Mächte seien da am Start gewesen. Giegold nannte Russland, Saudi-Arabien und den Iran. Diese Aufzählung stieß bei einigen Zuhörern auf Unmut: Hätten nicht in erster Linie die USA genannt werden müssen? Ein Herr wandte ein: „Das ist ein geopolitischer Krieg!“ Giegold meinte die USA erwähnt zu haben. Hatte er aber nicht.

Was also wäre zu tun?

Den Rechtspopulisten könne man nicht nur entgegentreten mit Rationalität. Man müsse zunächst einmal sagen was man an Europa habe und bisher erreicht habe im positiven Sinne. Als gutes Beispiel führte Sven Giegold „zuspitzend“ eine Million „Erasmus-Babys“ an,

dadurch, dass Studierende heute international mobil seien. Sowie vier Millionen „Erasmus-Großeltern“, wo Familien über Grenzen hinweg Bande geknüpft hätten. Giegold: „Das ist ein unglaublicher Beitrag zur Völkerverständigung, der es viel viel schwerer macht wieder aufeinander loszugehen.“ Dennoch müsse zugegeben werden, dass „Europa in vielerlei Hinsicht inperfekt ist“. Als große Errungenschaft bezeichnete Giegold die europäische Gerichtsbarkeit (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte).

Eine europäisches Steuersystem bauen, für „dass alle ihren Beitrag leisten“ gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung

Für soziale Gerechtigkeit und mehr Solidarität in Europa sorgen könnte man, so Giegold, indem man ein Steuersystem baue, „dass dafür stehe, dass alle ihren Beitrag leisten“. Denn im Moment sei es ja so, dass die EU sehr viele Möglichkeiten bietet Steuern zu vermeiden oder zu hinterziehen: „Tausend Milliarden Euro gehen uns jährlich durch die Finanzkriminalität verloren.“

Es brauche einen europäischen Mindeststeuersatz.

Sven Giegold: Eine Trennung zwischen dem Geld der Mächtigen und der demokratischen Politik herstellen!

Im 19. Jahrhundert sei es gelungen „eine relative Trennung zwischen Kirche und Staat“ zu erreichen. „Eine absolute Voraussetzung für die Demokratisierung und Rechtsstaat“, erinnerte Giegold. Nun im 21. Jahrhundert stelle „sich die Frage ob es uns gelingt eine Trennung zwischen dem Geld der Mächtigen und der demokratischen Politik herzustellen“. Und Sven Giegold überzeugt: „Wenn wir das nicht schaffen, verlieren wir als demokratische Rechtsstaaten jeden Respekt vor den Bürgerinnen und Bürgern.“

Die europäische Einigung zu verdammen, wäre ein großer Fehler, meinte der Grünen-

Zusammenfassend, fand Sven Giegold, die europäische Einigung sei eine enorme Errungenschaft. „Und jeder der sie es vorschnell wegen Unzufriedenheit über Punkte verdammt, macht aus meiner Sicht einen schweren Fehler. In Europa laufen viele Dinge schief, genauso wie in Berlin, in NRW, in Dortmund – aber dass wir das haben ist die Voraussetzung dafür, dass wir demokratische Kontrolle zurückgewinnen. Deshalb lohnt es sich darüber zu streiten welche Richtung diese EU nimmt und ob sie demokratischer, solidarischer und ökologischer wird.“

Die sich an den Vortrag anschließende Frage- und Diskussionsrunde ließ noch einmal klarwerden, wie kritisch diese EU und ihr derzeitiges Erscheinungsbild von verschiedenen Köpfen im Saale mittlerweile bedacht und gesehen wird. Von Menschen übrigens, die gewiss keine EU-Gegner, sondern vielmehr sehr unzufrieden mit dem Ist-Zustand dieser Gemeinschaft sind. Dementsprechend kontrovers verlief dann auch die Diskussion. Till Strucksberg (Attac Dortmund) ging u.a. auf die vielen Visionen ein, die Giegold geäußert hatte – „die muss man auch haben“ – und beklagte, dass erreichten Erfolge bei den Protesten gegen TTIP und CETA nun wieder im Sande verliefen. Das Investitionsschutzabkommen EU etwa mit Japan rufe so gut wie keine Resonanz hervor, obwohl nun wieder in Geheimen verhandelt werde. Strucksberg meinte, er benötige „Nachhilfe“ von Sven Giegold wie etwa die von ihm geforderte einheitliche Besteuerung in der EU erreicht werden solle – selbst wenn die Grünen oder der fortschrittliche Teil der Abgeordneten einmal die Mehrheit im EU-Parlament haben sollte -, wenn doch alle 27 EU-Staaten zustimmen müssten. Eine Zuhörerin empfand das Vorgetragene als zu negativ. Ein Herr entgegnete: „So ist der momentane Zustand halt.“

Sven Giegold nahm sich viel Zeit für die Beantwortung der komplexen Fragen aus dem Publikum, welche eine komplexe Befassung damit notwendig machte.

Die interessante Veranstaltung – getragen von der Attac-Regionalgruppe Dortmund, dem DGB Dortmund-Hellweg sowie der Evangelischen Akademie Villigst – reizte die von Auslandsgesellschaft vorgesehenen Schlusszeit reichlich aus. Referent Giegold hatte, indem er die Vorzüge des Europäischen Projekts gegen deren nicht wenige, nicht weg zu retuschierenden Fehler, standhaft und im Brustton der Überzeugung verteidigte, sozusagen einen Ritt auf der Rasierklinge gewagt. Den Gesichtern so mancher Menschen im Publikum war abzulesen, wie aus deren Äußerungen in der Diskussion und den Gesprächen nach der Veranstaltung herauszuhören war, dass man aufgewühlt, wenig überzeugt oder gar enttäuscht nachhause gehen würde. Wie lautete noch einmal das Thema des Vortrags? „Europa gerecht umsteuern“! Dagegen dürfte gewissn keiner der Anwesenden gewesen sein. Ganz im Gegenteil. Nur der Glaube an die Umsetzung dieser hehren Worte fehlt wohl Vielen. Bliebe freilich noch die Hoffnung. Die stirbt bekanntlich zuletzt.

Was Sven Giegold dazu meint, stand in der Einladung zur Veranstaltung:

„Europa braucht mutige Verteidiger und konsequente Reformen. Wir wollen in Gemeinschaftsprojekte investieren, die Europa ökologisch, sozial und wirtschaftlich nach vorne bringen. Das kann Europa leicht bezahlen, wenn wir konsequent gegen Steuerdumping und Wirtschaftskriminalität vorgehen. Dafür braucht es an wichtigen Stellen mehr Europa. Doch mehr Europa wird nur breite Unterstützung finden, wenn Europa demokratischer und sozialer wird. Dazu gilt es, die Macht einflussreicher Lobbygruppen einzuschränken und die EU insgesamt transparenter, bürgernäher und solidarischer zu machen.“

Was macht europäische Identität heute aus? Podiumsveranstaltung im Dietrich-Keuning-Haus Dortmund. Ein Zuhörer rät: „Schickt die jungen Leute nach Draußen, damit sie den Nachbarn kennenlernen“

 

Matthias Bongard, Prof. Dr. Ahmet Toprak, Petra Kammerevert, Markus Thürmann und Prof. Dr. Dr. Markus Walz (v.l.nr.). Fotos: Claus Stille

Die Anfänge der heutigen Europäischen Union (EU) gehen auf die 1950er-Jahre zurück. Damals hatten zunächst sechs Staaten die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet. Was macht die europäische Identität heute aus? Erleben sich die Menschen im Ruhrgebiet als Europäerinnen und Europäer? Was vereint sie, worauf können sie bauen, und wie hängt das kulturelle Erbe damit zusammen? Um diese und Fragen darüber hinaus ging es bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstag dieser Woche im Dietrich-Keuning-Haus (DKH).

Hintergrund der Veranstaltung: Europäisches Jahr des Kulturerbes 2018

Über den Hintergrund der Veranstaltung sprach einleitend der Direktor des Stadtarchivs der Stadt Dortmund, Dr. Stefan Mühlhofer. Das Jahr 2018 sei von der Europäischen Kommission zum Europäischen Jahr des Kulturerbes ernannt worden. „Es soll die Verbindung zu anderen Ländern und Kulturen stärken.“ Die Veranstaltung war Teil des „Sharing Heritage“-Projekts. Es sei, hob Mühlhofer hervor, auch für die weiteren Entwicklung Dortmunds wichtig, „ob es weiter geht mit Europa oder nicht“. Klaus Wegener, der Präsident der Auslandsgesellschaft NRW nahm kein Blatt vor den Mund, indem er angesichts der

Im Hintergrund stehend: Dr. Stefan Mühlhofer (li) und Klaus Wegener (re).

derzeitigen Krise der EU anmerkte, für seine Begriffe hätte der Titel der Veranstaltung statt „Glück auf Europa! Ist unser europäischer Zusammenhalt in der Krise?“ eigentlich „Hilfe, Europa!“ lauten müssen.

Eine Straße namens Ruhrgebiet

Poetry-Slammer Rainer Holl.

Poetry-Slammer Rainer Holl machte die EU amüsant kenntlich, indem er sie aufs unmittelbare Regionale herunterbrach: Wenn man sich mal vorstelle, so Holl, dass Europa eine Stadt ist, dann gebe es da eben auch ein Viertel, das Deutschland heiße. Und „dort gibt es eine Straße, namens Ruhrgebiet, die ist zirka 1000 Meter lang und fünfzig Meter breit“ und sie beherberge etwa 150 Büdchen, „grob überschlagen“. Nicht zuletzt da käme man zusammen und ins Gespräch. Da bekäme das Menschliche Kontur.

Der Zustand EU in Postkartenkürze beschrieben

Von WDR-Moderator Matthias Bongard aufgefordert, beschrieben die Gäste des Abends in Postkartenkürze den Zustand der EU. Petra Kammerevert, Mitglied des Europäischen Parlaments und dort Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung, sprach von „einer gewissen Identitätskrise sowie einer Krise des Zusammengehörigkeitsgefühls“ in der die EU stecke. Bedingt durch eine wirtschaftliche Krise, sowie Populismus und Nationalismus. Es käme, darin bestehe ja auch ihre Arbeit, darauf an dagegen anzuarbeiten, indem Menschen zusammengebracht würden.

Prof. Dr. Dr. Markus Walz: Kulturerbe ist etwas, wodurch Politik Kultur für sich nutzbar macht

Der Geschichtswissenschaftler Prof. Dr. Dr. Markus Walz (HTWK Leipzig) lag mit seinem „ganz anderen“ – wie er sagte – Postkartenstatement richtig, indem er darauf hinwies, er habe ein Problem mit Europa-Sätzen, weil nie ganz klar ist von welchem Europas die Rede sei: „Wir haben da mehrere davon.“ Walz fand: „Das Europarats-Europa hat irgendwie so gar keine Krise.“ Es handele sich um eine „geräuschlos existierende Struktur, die sich immerhin weit in den Ural erstreckt.“ Er müsse also eine buntgescheckte Postkarte schreiben: „Gewisse Europas haben ziemliche Probleme, gewisse Europas werden auch permanent herbeigeredet.“ Etwa das angeblich vom Untergang des Abendlands betroffene Europa. Zu bedenken gab Professor Walz auch, dass sich Menschengruppen, indem sie bestimmten wer sie sind, eben gleichzeitig sagten wer die anderen sind: nämlich nicht „wir“. Das könne friedlich verlaufen aber auch schlimm ausgehen. Diese Gefühle seien jedoch auch veränderbar. Kritisch betrachtete Markus Walz die den Umgang mit dem Kulturerbe. Denn dies werde ja immer erst im Nachhinein quasi geschaffen, um sich in der Gegenwart zu einer bestimmten Identität zu verhelfen. Kultur und Kulturerbe müssten von einander getrennt unterschieden werden. Kultur entstehe ja erst einmal im Zusammenhang mit der Lebensweise von Menschen. Kulturerbe sei ja etwas, wo Politik Kultur für sich nutzbar mache. Die erste offizielle Verwendung des Begriffs Kulturerbe in Deutschland sei übrigen – ob man das glauben wolle oder nicht – „die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1965“ gewesen. „Wo es um das sozialistische und humanistische kulturelle Erbe der Deutschen in der DDR geht“. Auch heute gehe es eben darum, „eine Vergangenheit für die Gegenwart nutzbar zu machen“.

Markus Thürmann: „Gelebte europäische Identität findet zu wenig statt“

Markus Thürmann, Vorstandsvorsitzender der Jungen Europäischen Föderalisten NRW, vermutete richtig, dass die Intension zum Thema des Abend wohl das „EU-Europa“ gewesen sei (was nebenbei bemerkt hätte im Titel der Veranstaltung deutlich gemacht werden müssen; C.S). Auch wenn es eine Identitäts- und Populismuskrise in Europa gebe, könnten sich Menschen durchaus – so Thürmann – mit Unterschiedlichem identifizieren. Er machte das anhand des Fieberns Dortmunder Fans für ihren Verein und gleichzeitig für die deutsche Nationalmannschaft fest. Vieles in der EU sei heute für Viele normal, beschied Thürmann, aber: „Gelebte europäische Identität findet zu wenig statt.“

Matthias Bongard: Die „zivilisatorische Deckschicht“ ist in Wirklichkeit überall auf der Welt dünn

Moderator Matthias Bongard.

Matthias Bongard erinnerte betreffs des von Thürmann erwähnten Jugoslawienkrieges daraufhin hin, wie dünn „zivilisatorische Deckschicht“ in Wirklichkeit überall auf der Welt ist. Dort haben man nur verschiedenen Volksgruppe einen Anlass geben müssen, um plötzlich in Hass auf die Landsleute zu verfallen – sie gar zu töten. Weshalb eben Populismus sehr gefährlich sein könne.

Prof. Dr. Toprak: „Die Europäische Union war immer eigentlich eine Wirtschaftsgemeinschaft“, niemals eine Wertgemeinschaft

Prof. Ahmet Toprak (FH Dortmund), Integrations- und Migrationsexperte, bestätigte, dass sich EU-Europa in der Krise befinde und unterstrich abseits der im Grunde gut bewältigten Wirtschaftskrise von 2008: „Eigentlich ist die Krise von Europa die Krise der Geflüchteten.“ So sei seiner Meinung nach der Brexit auch ein Ergebnis einer Angst vor Ausländern gewesen. Und in Österreich habe es eine rechtspopulistische Partei in die Regierung geschafft. Nicht zuletzt auf der Angst vor Muslimen aufbauend. Toprak: „Letztendlich geht es immer um Ressourcen.“ Kulturelle Unterschiede würde da eher vorgeschoben. „Wenn es Menschen gut geht, können sie sich auch um Kultur kümmern.“ Der Streit über die doppelte Staatsbürgerschaft regt Ahmet Toprak auf: „Ich kann mich durchaus auch zu zwei Staaten bekennen.“ Dass Europa in der Krise ist, habe es selbst „versemmelt“. „Wir machten oft auch aus Sachen Probleme, die keine sind.“

Zugleich „schrieb“ Toprak den wohl ehrlichsten Satz des Abends auf seine imaginäre Postkarte. An das Europa einer Wertegemeinschaft habe er übrigens ehrlicherweise nie geglaubt: „Die Europäische Union war immer eigentlich eine Wirtschaftsgemeinschaft.“ So, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), warf Moderator Bongard mit einem Verweis auf die daran angelehnt gewesene Kulenkampff-Show „Einer wird gewinnen“ (EWG) ein, habe ja auch der Vorläufer der EU – vor der wiederum die Europäische Wirtschaftsunion gestanden habe – auch früher einmal treffend geheißen. Inzwischen würden ja nicht einmal mehr Urteile des Europäischen Gerichts (etwa durch Polen oder Ungarn) anerkannt. EU-Mitgliedsländer für Fehlverhalten zu strafen, das halte er – als Pädagoge wisse er das, „alle Mamas und Papas“ wüssten das – für „Blödsinn“. Wie Kinder machten dann wohl auch Regierende etwas aus Angst vor der Strafe. Überzeugung müsse deshalb her! Mit der EU habe man eine „Werteunion“ schaffen wollen. Nun aber sehe man, dass nicht zuletzt durch die Geflüchteten, ärmeren Schichten hinzukämen. Verteilungskämpfe seien die Folge. Daran sehe man, dass wir keine Wertegemeinschaft sind. Und auch niemals eine gewesen sind. Gesunder Menschenverstand müsse siegen. Die Menschen seien ja nicht dumm.

Interessante Fragen aus dem Publikum

Ein Herr aus dem Publikum, das bei dieser Veranstaltung im DKH diesmal hatte an Tischen Platz nehmen dürfen, erinnerte – wenn man an Polen und Ungarn zu recht Kritik an Fehlverhalten übe – dass doch wohl auch Deutschland nicht fehlerfrei handele. Immerhin hätten in der Bundeswehr im letzten Jahr 2100 Menschen, die nicht einmal 18 Jahr alt waren, den Dienst angetreten. „Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen die UN-Konvention für die Rechte der Kinder, die Deutschland ratifiziert hat.“ Der Mann gab an, in den letzten Jahren öfters in die baltischen Staaten gereist zu sein. Wie erkläre man einem Letten, einem Litauer, dass er als Landwirt weniger Subventionen erhalte als die deutschen Bauern? Herrsche nicht ein wenig Selbstgerechtigkeit der Deutschen im Umgang mit anderen? Dienen wir – wie verpflichtet – eigentlich dem Frieden in der Welt? Der Herr dazu: „Nach meinen ökumenischen Begegnungen muss ich sagen, das ist nicht der Fall.“

Prof. Dr. Ahmet Toprak wies in diesem Zusammenhang auf die kürzliche Freilassung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft daraufhin, dass unser geschäftsführender Außenminister Sigmar Gabriel auf Nachfragen geantwortet habe, es habe diesbezüglich keine Deals gegeben. Nun habe eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag an die Bundesregierung aber ergeben, dass etlichen Rüstungsgeschäften mit der Türkei zugestimmt wurde. Im Prinzip werde mit diesen Ausrüstungen der Krieg gegen die Kurden in der Südtürkei und Nordsyrien unterstützt, kritisierte Toprak: „Das ist genau dieses doppelte Spiel: nach vorne demokratisch, nach hinten aber geht es nur um wirtschaftliche Interessen. Es geht gar nicht um Menschenrechte.“

Eine anderer Herr, der sich als „begeisterter Europäer“ vorstellte, war sich sicher, dass „der Kern europäischer Politik nie über die Ebene der EWG herausgekommen ist. Letztlich gehe es der Politik immer noch um Verwertungsinteressen des Kapitals. Das Kapital wird geschützt, aber nie darüber nachgedacht gemeinsame Sozialsysteme zu schaffen.“

Ein gutes Schlusswort

Ein weiterer Zuhörer erzählte davon, wie er bereits vor siebzig Jahren, nach dem Krieg, in Europa unterwegs gewesen war. Angst habe er noch gehabt, dass er irgendwo „die Jacke voll kriegte“. Er habe jedoch festgestellt, dass „die ehemaligen Feinde gar nicht so feindlich waren, sondern nett“. Auch später im Berufsleben habe er Europa kennengelernt. Sein Tipp: „Schickt die jungen Leute nach Draußen, damit sie den Nachbarn kennenlernen. Dann wissen sie auch was sie erwartet.“ Nur so könne ein gutes Europa entstehen. Dass konnte als gutes Schlusswort gelten.

Von Matthias Bongard gefragt, ob die jungen Leute die Chance, die Rettung Europas seien, entgegnete Prof. Dr. Dr. Markus Walz klug: „Ich fordere ein Senioren-Erasmus. Das wäre genauso nützlich.“ Und Prof. Dr. Ahmet Toprak machte zum Ende noch einmal ergänzend deutlich: „Es geht um Begegnungen. Nicht um Jung und Alt.“

Fingerfood und das Kozma Orkestar zum Ausklang eines informativen Abends

Kozma Orkestar in Aktion.

Matthias Bongard sagt die Gruppe Kozma Orkestar an.

Zum Ausklang des sehr informativen Abends im Dietrich-Keuning-Haus hatten die Veranstalter Fingerfood und diverse Getränke spendiert. Das Kozma Orkestar (Urban Folk Beats) spielte dazu gut aufgelegt und hob die Stimmung bestens zur Entspannung, sodass manche Gäste begeistert mit den Füßen wippten. Mit Liedern aus verschiedenen europäischen Ländern und Regionen passte diese musikalische Dreingabe bestens

Kozma Orkestar.

zum vorangegangenen Programm.

Die Veranstalter des Abends waren die Auslandsgesellschaft NRW e.V., Dietrich-Keuning-Haus, EDIC Dortmund, Kulturbüro Dortmund, Stadtarchiv Dortmund.