Wärmstens empfohlen: Zeitschrift INTERNATIONAL

Heute erlaube ich mir, meine geschätzten Leserinnen und Lesern, auf ein interessantes unabhängiges Medium aufmerksam zu machen. Ich lege es Ihnen wärmstens ans Herz. Doch bevor ich dazu komme, möchte ich Ihnen einen Ausschnitt aus meinem früheren Beitrag „Eingenordeter Journalismus“ zur Kenntnis zu bringen:

«Der deutsche Journalismus ist – in meinen Augen jedenfalls – seit 2014 (Ukraine-Krise, Maidan-Putsch) gewaltig auf den Hund gekommen. Was Deutschland anbelangt arbeitet er längst nicht mehr im Sinne der vierten Gewalt. Wie immer und überall bestätigen Ausnahmen die Regel. Nun aber in zwei Jahren Corona-Krise ist anscheinend ein vorläufiger Tiefstand erreicht. Alle elektronischen Medien führen vom frühen Morgen bis tief in den Abend hinein Corona im Mund. Die Zeitungen stehen dem nicht nach. Da hilft nur Abschalten bzw. abbestellen. Alle Medien sind quasi als Regierungssprecher tätig. Das Corona-Regierungsnarrativ wird hoch und runter unkritisch nachgebetet. Doch damit nicht genug: Einzelne Medien stechen da noch übel heraus, indem sie die von der Regierung erlassenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung als zu lasch bezeichnen und eigene Vorschläge zur Verschlimmbesserung und ein härteres Kujonieren der Bevölkerung fordern und auf die Titelseiten knallen.

Ähnlich ging es bereits in der Ukraine-Berichterstattung vonstatten. Es zählte das Narrativ der Regierung. Das es oft an der Realität vorbeiging, interessierte den deutschen Journalismus nicht.

Damals brachte, konnte uns und erst recht heute kann uns das auf den Gedanken bringen, betreffs der Medien, des Journalismus finde eine Gleichschaltung statt. Oh, böses Wort! Negativ konnotiert. Weil an die Nazizeit erinnernd. Das darf man heute weder sagen, noch schreiben. Böse, böse!

Man muss es aber auch nicht benutzen. Denn da bin mir nämlich ziemlich sicher: eine solche Gleichschaltung findet auch gar nicht statt. Das funktioniert subtiler. Gerade die Printmedien sind in unseren Tagen aus vielerlei Gründen klamm. Anzeigen sind weniger geworden. Und auch die Zahl der Abonnenten geht zurück. Der Weltenretter Bill Gates, der erstaunlicherweise als „Philanthrop“ durchgeht, rückt ausgewählten Medien über die Bill & Melinda Gates Stiftung schon einmal ein bissel Kohle rüber. Der SPIEGEL etwa erhielt von der Stiftung zweimal (2018 und 2021) über zwei Millionen Euro. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Das bringt natürlich das einstige Nachrichtenmagazin, das mal versprochen hatte zu sagen, was ist und gerade seinen siebzigsten Geburtstag feiert, keineswegs dazu, in Gates Sinne zu publizieren.« (Quelle: clausstille.blog)

Inzwischen – im Ukrainekrieg – ist alles noch einmal viel schlimmer geworden. In den öffentlich-rechtlichen Medien springt einem fast nur noch Propaganda und Kriegshetze entgegen. Andere, dazu kritische, Meinungen werden niedergemacht und die Personen, die sie äußern diffamiert. Manche müssen mit Kontosperrungen rechnen oder verlieren gar ihre Anstellung.

Als ehemaliger DDR-Bürger betrachte ich diese negative Entwicklung des Journalismus noch einmal kritischer als dies vielleicht Menschen tun, welche im Westen sozialisiert wurden. Ich schaute ja über in der DDR zu empfangende Medien über die Mauer auf eine vielfältig, plurale Medienlandschaft in der BRD. Natürlich war auch da nie alles Gold was glänzte. Heute jedoch ist diese Medienpluralität kaum mehr vorhanden – sozusagen eingedampft.

Selbst war ich bereits ab der Schulzeit (Schulzeitung) journalistisch und später dann neben dem Brotberuf weiter ehrenamtlich tätig. Nun, nachdem ich auch für zwei Straßenmagazine (in Deutschland und der Schweiz) arbeitete, betreibe ich seit einiger Zeit diesen Blog hier. Zunehmend steigt meine Sorge nicht nur um den Zustand des Journalismus, sondern auch um den der Demokratie, beziehungsweise das, was davon noch übrig ist und immer mehr beschädigt wird. Ein alarmierender Zustand. Ich schließe mich dem an, was Fritz Edlinger (74) sagt: „Es ist genug!“ Wir, die wir noch Vernunft und Verstand besitzen, dürfen diese bedenkliche Entwicklung von Politik und Medien nicht länger hinnehmen. Im Interesse unserer Gesellschaft und des Weltfriedens, der gefährdeter als zu Zeiten des Kalten Krieges ist.

Ein journalistischer Lichtblick für mich war das Erscheinen der NachDenkSeiten. Daneben gibt es freilich noch andere Publikationen, die gemeinhin als Alternativmedien bezeichnet werden.

Wann ich genau auf die You Tube-Beiträge der Zeitschrift International stieß, kann ich nicht mehr genau sagen. Nur soviel: Ich kann und werde auf sie nicht mehr verzichten. Ein wahre journalistische Bereicherung. Dem Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift, Fritz Edlinger, ein jung gebliebener Jungsozialist, welcher sich auch jetzt, wo viele Genossen sich nur mehr als Sozialdemokraten bezeichnen, noch immer als Sozialist begreift, ist für sein Engagement sehr zu danken. Dass es durchaus interessant ist, jemand, der vor genau 45 Jahren eine außenpolitische/internationalistische Zeitschrift ins Leben gerufen hat, zu Wort kommen zu lassen, dachte sich der Begründer des höchst erfolgreichen YouTube Kanals „neutrality studies“, Pascal Lottaz, und führte mit dem befreundeten Fritz Edlinger ein Interview.

Pascal Lottaz interviewt Fritz Edlinger

Darin erfahren Sie alles über die Gründung und den Werdegang der österreichischen Zeitschrift INTERNATIONAL. Ich empfehle Ihnen, liebe Leserinnen und Leser dieses interessante Interview, verbunden mit der Hoffnung, dass sie es nicht nur weiterempfehlen, sondern womöglich diesen Kanal auch abonnieren. Und wenn sie mögen vielleicht sogar das Printmedium Zeitschrift INTERNATIONAL im Abonnement ordern.

Fritz Edlinger schreibt zum Interview:

«Mit diesem Newsletter möchte ich Sie/Dich auf ein Video hinweisen, das es in dieser Form seit Bestehen des YouTube Kanals von INTERNATIONAL noch nicht gegeben hat und es auch kaum in der weiteren Zukunft geben wird. In diesem Video gibt es einen absoluten Rollenwechsel: der Interviewer wird zum Interviewten. Das folgende Gespräch hat also unser Freund, Partner und Begründer des höchst erfolgreichen YouTube Kanals „neutrality studies“, Pascal Lottaz, mit mir geführt. Die Initiative dafür kam von Pascal, der meinte, dass es durchaus interessant ist, jemand, der vor genau 45 Jahren eine außenpolitische/internationalistische Zeitschrift ins Leben gerufen hat und der in einer völlig geänderten politischen Situation dieses Projekt nicht nur weiter führen sondern auch – gegen den aktuellen politischen und medialen Zeitgeist ankämpfend – weiter ausbauen möchte, näher kennen zu lernen. Ich habe diese Idee nach kurzem Zögern akzeptiert und hier ist also das Resultat: Ein alter Jungsozialist meint, dass es genug ist an Verhetzung, Verbreitung von Halbwahrheiten und Lügen bis hin zur menschenverachtenden Kriegshetze. Dagegen muss man  sich einfach engagieren und INTERNATIONAL bietet sich als Partner einer neuen Friedensbewegung an. Ich hoffe, dass es Pascal und mir gelungen ist, diese wichtige Message zu vermitteln und würde mich über Stellungnahmen sehr freuen.«

Unter dem Video kommentiert eine Zuseherin: „Vielen Dank, ich bin froh, dass auch ich geistiges Asyl bei euch gefunden habe.“

Dies kann ich so für mich auch unterschreiben. Der Satz dürfte sich auf eine Äußerung von Fritz Edlinger beziehen, der sagte, INTERNATIONAL bekomme in letzter Zeit immer öfters Anfragen von Autoren, welche ihre Texte in ihrem Land von den Redaktionen dortiger Medien nicht abgenommen bekommen, mit der Bitte, dass INTERNATIONAL sie veröffentlichen möge.“ So sei INTERNATIONAL sozusagen zum Asyl für anderswo abgelehnte Autoren und deren Artikel geworden.

Zur Zeitschrift INTERNATIONAL:

Beitragsbild: Fritz Edlinger via snapshot/You Tube

Palästina-Kongress: Veranstalter beklagen öffentliche Diffamierung und staatliche Repression

Aufgrund bloßer Vermutungen und fadenscheiniger Vorwürfe löste die Polizei am Freitag den Palästina-Kongress in Berlin gewaltsam auf. Der jüdische Anmelder kritisiert immer massivere Beschränkungen der Meinungsfreiheit und zunehmende Repressionen in Deutschland.

Von Susan Bonath

Wochenlang tobte in den deutschen Mainstream-Medien eine harte Diffamierungskampagne gegen die Veranstalter des Palästina-Kongresses. Die Polizei schikanierte Mitorganisatoren mit Hausdurchsuchungen, es hagelte Einreiseverbote. Nach einer von der Staatsmacht verursachten Verzögerung startete die von der Polizei zur „Demonstration“ umdefinierte Konferenz am Freitag schließlich doch samt Livestream. Doch keine zwei Stunden später war Schluss damit: Gewaltsam hat die Polizei das Treffen aufgelöst und den Kongress komplett verboten – mit fadenscheinigen Argumenten, die deutschen Gesetzen kaum standhalten.

„Unverhofft von Polizei gestürmt“

Der Anmelder des Kongresses war nicht etwa ein Hamas-Mitglied, wie man aufgrund der Medienkampagne über diese angebliche „Antisemiten-Veranstaltung“ vermuten könnte, sondern der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Dessen Vorsitzender Wieland Hoban sprach am Samstag auf einer Pressekonferenz von „massiven Repressionen“. Diese zeigten, „dass der deutsche Staat nicht will, dass wir seine Mitschuld am Genozid in Gaza ansprechen und anklagen“, so Hoban. Er fügte an:

„Während die deutsche Regierung schamlos vor den Augen der Welt einen Völkermord unterstützt, werden demokratische Rechte hier in Deutschland ausgehebelt, um Proteste von Jüdinnen und Juden und Palästinenserinnen, die einen Waffenstillstand fordern und für ein Ende der Besatzung Palästinas ihre Stimme erheben, zum Schweigen zu bringen.“

Die Konferenz sei völlig unverhofft „von der Polizei gestürmt“ worden, erläuterte Hoban. Dies müsse „alle alarmieren, die sich für demokratische Freiheiten, Antirassismus und Menschenrechte einsetzen“. Er wies die Argumentation der Polizei zurück. Diese habe erklärt, dass eine Gefahr der Gewaltverherrlichung sowie volksverhetzender und antisemitischer Rufe bestanden habe. Vorgelegen habe all das nicht. Hoban fügte an:

„Statt rechtsstaatlichen Grundsätzen zu folgen und etwas zu bestrafen, wenn eine Tat auch wirklich begangen wurde, reichte hier die Vermutung einer Behörde im Vorfeld für ein Veranstaltungsverbot.“

„Rechtswidrige Beschränkung der Meinungsfreiheit“

Die Polizei griff rabiat ein, als die Veranstalter eine Videobotschaft des palästinensischen Wissenschaftlers Dr. Salman Abu Sitta abspielten. Der 86-jährige Geograf hatte als Kind die sogenannte Nakba erlebt, also die massenhafte Enteignung und Vertreibung Hunderttausender palästinensischer Familien im Jahr 1948. Im Livestream, der wenig später abbrach, waren in der Videobotschaft bis dahin keine strafrechtlich auffälligen Äußerungen von ihm zu hören. Hoban sagte: „Die Polizei handelte in völliger Willkür.“

Die Rechtsanwältin des jüdischen Vereins, Nadija Samour, fühlt sich „überrumpelt“. Der Redner Abu Sitta und der Inhalt seiner Botschaft seien der Polizei genauso vorab zur Kenntnis gebracht worden wie auch die Vorträger aller anderen, die auftreten sollten. In mehreren Sicherheitsgesprächen habe die Ordnungsmacht alles abgesegnet. Diese Gespräche hätten „keinen Anlass gegeben, mit einem Verbot zu rechnen“, betonte Samour. Das Vorgehen stehe im Widerspruch zum Berliner Polizeigesetz.

Demnach stürmte die Polizei den Saal kurz nach dem Beginn des Videos, stellte sich vor die Bühne und verlangte einen sofortigen Abbruch. Begründet habe sie das mit einem „Betätigungsverbot“ des Redners in Deutschland, verhängt wegen angeblicher „Äußerungsdelikte“. „Das war allerdings niemandem zuvor bekannt“, sagte Samour. Ohne weiteres Verhandlungen habe die Polizei im Betriebsraum dann den Strom abgestellt – der Livestream brach ab.

Auf jegliche Kommunikationsversuche der Veranstalter sei die Polizei dabei nicht eingegangen, berichtete die Anwältin weiter. Der jüdische Verein habe angeboten, das Video nicht abzuspielen, wollte schließlich sogar den Livestream abbrechen. Der Einsatzleiter beharrte laut Anwältin auf dem Verbot, weil „er trotz nicht juristisch relevanter Inhalte eine ausreichende Vermutung sah, dass künftig strafbare Äußerungen fallen könnten“. Dies sei eine rechtswidrige Beschränkung der Meinungsfreiheit, betonte Samour.

Palästinensischer Arzt festgenommen

Eine Rednerin erläuterte einen weiteren Vorfall im Zusammenhang mit dem Kongress. Der palästinensische Arzt Dr. Ghassan Abu Sittah (nicht verwandt mit dem oben genannten Wissenschaftler), sei am Berliner Flughaften festgenommen und so an der Einreise in Deutschland gehindert worden. Auch ihm würden „Äußerungsdelikte“ unterstellt, also das öffentliche Kundtun einer der Bundesregierung nicht genehmen Meinung. Dabei habe sich Abu Sittah stets für Frieden zwischen Israelis und Palästinensern eingesetzt.

Die Rednerin erläuterte, dass der Mediziner im schottischen Glasgow studiert habe. Nachzulesen ist, dass er heute in London lebt und dort 2005 etwa die Opfer der Londoner Bombenanschläge behandelte. Außerdem sei er in vielen Kriegsgebieten als Arzt im Einsatz gewesen, darunter im Irak, im Jemen, in Syrien – und zuletzt 43 Tage im nunmehr völlig zerstören Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt zusammen mit der Vereinigung „Ärzte ohne Grenzen“.

„Als Arzt wollte er nur seine Erfahrungen des brutalen Gaza-Krieges auf dem Kongress teilen“, sagte die Rednerin und kritisierte: Es gebe „einen Generalverdacht des Antisemitismus gegen Palästinenser in Deutschland. Und sogar gegen Juden werde dieser Vorwurf zunehmend erhoben. In diesem Zusammenhang berichtete sie, dass die Polizei bei der Auflösung des Kongresses auch zwei Mitglieder des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ vorübergehend festgenommen habe.

Diffamierende Medienkampagne

Kritik gab es auch an den deutschen Leitmedien. Sie hätten Veranstalter und Teilnehmer nicht nur übel diffamiert und schikaniert, sondern auch Tatsachen verdreht, Sachverhalte hinzugedichtet, eigene Spekulationen nicht als solche gekennzeichnet und Namen vertauscht. Das alles und letztlich das Verbot des Kongresses „markiert eine neue Stufe der politischen Repression in Deutschland“, hieß es.

In der Tat drehten zahlreiche Medien und Organisationen völlig frei. Laut dem Zentralrat der Juden, der den rechtsextremen Zionisten in Israel nahesteht, verurteile sogar ein (vermutlich von ihm selbst gegründetes) „Bündnis gegen antisemitischen Terror“ den Kongress.

Der Berliner Tagesspiegel, für Hetzkampagnen bekannt, berichtet seit Wochen über einen „Kongress der Israelhasser“, Springers Welt – der herausgebende Axel-Springer-Verlag verdient am illegalen Siedlungsbau im Westjordanland mit – fabulierte von „Israel-Hass pur“, die Jüdische Allgemeine trommelte für ein Verbot. Und auch die öffentlich-rechtliche ARD witterte „antisemitische Hetze“, die es zu verhindern gelte.

Westliche Doppelstandards

All dies, während die Besatzungsmacht Israel unter den Fittichen der USA weiterhin wahllos den Gazastreifen bombardiert, Zivilisten ohne Ende tötet, Kinder mittels Blockaden verhungern lässt und im Westjordanland Palästinenser vertreibt und ermordet. Mehr als 13.000 massakrierte Kinder und über 10.000 abgeschlachtete Frauen sind unter den Opfern – mindestens. Das sind mal wieder wertewestliche Doppelstandards mit einer gehörigen Portion Rassismus in Reinform, durchgedrückt mt der plumpen Antisemitismuskeule, die in Wahrheit echten Antisemitismus erst hoffähig macht.

Beigefügt am 16.April 2024:

Dieter Hallervorden/Diether Dehm:

Via Weltnetz/tv
Vera Birkenbihl

Stellungnahme von DiEM25.

Quelle: RT DE

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

MANIFEST für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland

Wir, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio, sowie alle weiteren Unterzeichnenden, schätzen einen starken unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als wesentliche Säule unserer Demokratie, der gesellschaftlichen Kommunikation und Kultur. Wir sind von seinen im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätzen und dem Programmauftrag überzeugt. Beides aber sehen wir in Gefahr. Das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nimmt immer stärker ab. Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms wachsen. Die zunehmende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung nehmen wir seit vielen Jahren wahr. Wir haben dieses Manifest verfasst, damit unsere Stimme und Expertise zur Zukunft des öffentlich- rechtlichen Rundfunks im gesellschaftlichen Diskurs gehört werden.

Für eine bessere Lesbarkeit verwenden wir überwiegend das generische Maskulinum, wir sprechen explizit alle an.

UNSERE GRUNDSÄTZE

  • Meinungs- und Informationsvielfalt
  • Ausgewogenheit und Fairness
  • Transparenz und Unabhängigkeit
  • Förderung von Kultur und Bildung
  • Bürgerbeteiligung
  • beitragsfinanziert

WO SEHEN WIR GEGENWÄRTIG PROBLEME?

Seit geraumer Zeit verzeichnen wir eine Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive. Wir vermissen den Fokus auf unsere Kernaufgabe: Bürgern multiperspektivische Informationen anzubieten. Stattdessen verschwimmen Meinungsmache und Berichterstattung zusehends auf eine Art und Weise, die den Prinzipien eines seriösen Journalismus widerspricht. Nur sehr selten finden relevante inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen statt. Stimmen, die einen – medial behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, werden wahlweise ignoriert, lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt. Inflationär bedient man sich zu diesem Zwecke verschiedener „Kampfbegriffe“ wie „Querdenker“, „Schwurbler“, „Klima-Leugner“, „Putin-Versteher“, „Gesinnungspazifist“ und anderen, mit denen versucht wird, Minderheiten mit abweichender Meinung zu diffamieren und mundtot zu machen.

Das sorgfältige Überprüfen zweifelhafter Meldungen ist wichtig. Allerdings suggerieren sogenannte Faktenchecks oft durch ihre Machart, Überschrift und Formulierungen eine vermeintlich absolute Wahrheit, die selten existiert. Der freie gesellschaftliche Diskurs wird dadurch schmerzhaft beschnitten.

Innere und äußere Bedingungen führen dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ihren journalistisch-ethischen Standards nicht mehr genügen können. Dazu zählen innerbetriebliche Praktiken wie die schon vor Dreh- bzw. Reportage-Beginn feststehende Kernaussage von Beiträgen, die Zentralisierung der Berichterstattung über sogenannte Newsrooms oder Newsdesks, zu großer Zeitdruck bei der Recherche, eine überwiegend an Einschaltquoten orientierte Programmgestaltung, Sparmaßnahmen der Sender am Programm und nicht zuletzt die Tatsache, dass zwei Drittel des redaktionellen Personals nur Zeitverträge haben oder gar komplett ohne Angestelltenverhältnis als sogenannte Freie arbeiten müssen. Letzteres führt zu Existenzängsten, die wiederum entsprechend „angepassten“ Journalismus begünstigen. Aufgrund der hohen personellen Fluktuation bleibt zudem oft keine Zeit für fachlichen Wissenstransfer.

Innere Pressefreiheit existiert derzeit nicht in den Redaktionen. Die Redakteure in den öffentlich-rechtlichen Medien sind zwar formal unabhängig, meist gibt es auch Redaktionsausschüsse, die über die journalistische Unabhängigkeit wachen sollten. In der Praxis aber orientieren sich die öffentlich-rechtlichen Medien am Meinungsspektrum der politisch-parlamentarischen Mehrheit. Anderslautende Stimmen aus der Zivilgesellschaft schaffen es nur selten in den Debattenraum.

Dazu erschwert äußere Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft und Lobbygruppen einen unabhängigen Qualitätsjournalismus. Interessensverflechtungen von Politik und Wirtschaft werden zu selten in tagesaktuellen Beiträgen aufgezeigt und erörtert. Alltägliche Recherchen bleiben im Kern oft oberflächlich.

Bei der Programmgestaltung dürfen Faktoren wie Einschaltquoten, die derzeit als allgegenwärtiges Argument für die dramatische Ausdünnung und populistische Ausrichtung der Kultur- und Bildungsangebote sorgen, keine Rolle spielen. Der öffentlich- rechtliche Rundfunk muss auch vermeintliche „Nischenbereiche“ abbilden und zu vermitteln versuchen – was seinem Bildungsauftrag entspräche, jedoch immer weniger stattfindet. Zudem darf sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht die strikt und gleichförmig durchformatierten Programme privater Sender zum (schlechten) Vorbild nehmen, wie dies aktuell weitestgehend der Fall ist. Dies gilt auch und vor allem in musikalischer Hinsicht für die ARD-Radioprogramme.

An der Auswahl der Mitglieder der Rundfunk-, Fernseh- und Verwaltungsräte, der höchsten Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, sind die Beitragszahler nicht direkt beteiligt. Die Verwaltungsräte kontrollieren die Geschäftsführung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, doch wer kontrolliert die Verwaltungsräte?

Das heißt: es gibt keine Partizipation der Beitragszahler bei medienpolitischen, finanziellen und personellen Entscheidungen.

Auch die Programme werden größtenteils ohne Publikumsbeteiligung erstellt. Die meisten Programmbeschwerden von Beitragszahlern finden kaum Gehör und haben entsprechend wenig Einfluss auf die Berichterstattung und generelle Programmgestaltung. Sowohl das Publikum als auch die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden in der Regel nicht über die Reaktionen und Beschwerden zum Programm informiert.

Nur ein Teil der Inhalte der öffentlich-rechtlichen Medien ist im Internet abrufbar und meist nur für eine begrenzte Dauer. Diese Praxis widerspricht der Idee eines öffentlich- rechtlichen Rundfunks und dem Gedanken eines universellen Wissenszuwachses im Internet.

DER NEUE ÖFFENTLICH-RECHTLICHE RUNDFUNK VON MORGEN

Das Prinzip der Rundfunkbeitragszahlung wird beibehalten. Es sichert die Unabhängigkeit des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das heißt: öffentlich-rechtliche Anstalten werden von der Bevölkerung finanziert, aber auch kontrolliert.

Finanzflüsse sind transparent und öffentlich einsehbar. Dies gilt insbesondere für die Budgetverteilung zwischen einzelnen Ressorts, Redaktionen und der Verwaltung. Die Bezahlung aller Mitarbeiter, einschließlich Führungsposten bis hin zur Intendanz, ist transparent und einheitlich nach einem für alle geltenden Tarifvertrag geregelt. Die Berichte der Landesrechnungshöfe sind auf den Plattformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks leicht auffindbar.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk verzichtet auf Werbeeinnahmen aller Art, sodass Werbeverträge nicht zu Befangenheit in der Berichterstattung führen können.

Den Beitragszahlern gehört der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk. Ihre mehrheitliche Einbindung in den Kontrollgremien ist daher selbstverständlich. Diese Arbeit wird angemessen honoriert. Sie schließt die Wahrnehmung eines weiteren Amts, welches Interessenkonflikte birgt, aus. Die repräsentative Zusammensetzung der Kontrollgremien könnte beispielsweise nach dem Vorbild der Besetzung von Bürgerräten erfolgen. Direkte Wahl, Rotationsprinzip oder Losverfahren sind Möglichkeiten, um die Gesellschaft repräsentativ abzubilden.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk fungiert als Vierte Säule der Demokratie. Im Auftrag der Bevölkerung übernimmt er wichtige Kontrollaufgaben gegenüber den Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative. Damit er diesen Auftrag erfüllen kann, ist seine Unabhängigkeit von Staat, Wirtschaft und Lobbygruppen garantiert.

Drehtür-Effekte zwischen Politik und dem neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind dank mehrjähriger Sperrfristen ausgeschlossen; professionelle Distanz ist jederzeit gewährleistet. Jegliche Art von Interessenskonflikt wird angegeben, wie es auch in wissenschaftlichen Arbeiten üblich ist. Das Führungspersonal ist verpflichtet, jährlich einen öffentlichen Transparenzbericht vorzulegen. Führungspositionen müssen öffentlich ausgeschrieben sowie nach einem transparenten Auswahlverfahren besetzt werden und sind zeitlich limitiert. Eine Vertragsverlängerung ist nur nach Abstimmung durch die direkt unterstellten Mitarbeiter möglich.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk kontrolliert die Politik und nicht umgekehrt. Die Politik hat keinen Einfluss auf Inhalte. Es wird neutral, multiperspektivisch und zensurfrei im Rahmen des Grundgesetzes berichtet.

Dazu gehört die Verpflichtung, vermeintliche Wahrheiten immer wieder zu überprüfen. Für die Berichterstattung bedeutet dies ergebnisoffene und unvoreingenommene Recherche sowie die Präsentation unterschiedlicher Sichtweisen und möglicher Interpretationen.

Das Publikum hat einen Anspruch darauf, sich mit einem Sachverhalt auseinandersetzen und selbstständig eine Meinung bilden zu können, anstatt eine „eingeordnete“ Sicht präsentiert zu bekommen.

Meldungen von Nachrichtenagenturen werden soweit möglich nicht ungeprüft übernommen. Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk nimmt seine Verantwortung wahr, Ereignisse jenseits von Agenturmeldungen zu recherchieren und darüber zu berichten.

Fairness und respektvoller Umgang im Miteinander stehen im Fokus unseres Handelns, sowohl innerhalb der Funkhäuser als auch mit unserem Publikum. Die Journalisten des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks benutzen kein Framing und verwenden keine abwertenden Formulierungen.

Petitionen und Programmbeschwerden seitens der Gebührenzahler werden vom neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ernst genommen. Eine Ombudsstelle entscheidet über deren Einordung, Umsetzung und Veröffentlichung. Inhaltliche Korrekturen der Berichterstattung werden an derselben Stelle kommuniziert wie die fehlerhafte Nachricht im Programm.

Zur Darstellung der politischen und gesellschaftlichen Vielfalt gehört Lokaljournalismus als wesentliches Fundament des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch Themen aus dünn besiedelten Regionen, die vermeintlich nur von lokaler Relevanz sind oder Minderheiten betreffen, müssen sich im Programm spiegeln. Die Entscheidung, auch aus Gegenden fernab von Ballungsgebieten oder Metropolen zu berichten, muss von journalistischem Anspruch geleitet sein und darf sich nicht dem Kostendruck beugen.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt seinem Auftrag in gleichem Maße auch in Sachen Bildung und Kultur nach. Bildung und Kultur haben substanziellen Anteil am Programmangebot und werden angemessen budgetiert und personell ausgestattet.

Kultur in ihrer breiten Vielfalt ist ein wichtiger Baustein und Ausdruck der demokratischen Gesellschaft. Diese Vielfalt gilt es umfangreich zu präsentieren und dokumentieren. Das betrifft alle Disziplinen wie Musik, Literatur, Theater, Bildende Künste und andere. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den aktiven Förderaspekt gelegt, beispielsweise durch eigene Produktionen sowie die Unterstützung von regionalen Künstlern.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk setzt mit eigenen Klangkörpern wie Orchestern, Big Bands und Chören Akzente im kulturellen Leben und engagiert sich im Bereich der Radiokunst Hörspiel.

Die Archive des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind frei zugänglich. Sie sind wesentliche Wissens- und Identitätsspeicher unserer Gesellschaft und somit von großer kultureller und historischer Bedeutung mit immenser Strahlkraft. Aus den Archiven, die er kontinuierlich in breitem Umfange erweitern sollte, kann der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk anhaltend schöpfen und sich und die Gesellschaft damit der Relevanz von Kultur und Bildung versichern.

Die Inhalte der Archive und Mediatheken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind dauerhaft abrufbar. Die bereits gesendeten Beiträge und Produktionen stehen zeitlich unbegrenzt zur Verfügung. So kann jederzeit auf das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft zurückgegriffen werden. Dies ist für die öffentliche Meinungsbildung unverzichtbar.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk verfügt über eine von Rundfunkbeiträgen finanzierte, nicht kommerzielle Internetplattform für Kommunikation und Austausch. Diese verwendet offene Algorithmen und handelt nicht mit Nutzerdaten. Er setzt in diesem Raum ein Gegengewicht zu den kommerziellen Anbietern, weil ein zensurfreier, gewaltfreier Austausch zu den Kernaufgaben des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört.

Qualitätsjournalismus braucht eine solide Basis. Im neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk arbeiten überwiegend fest angestellte Journalisten, damit sie weitestgehend frei von ökonomischen und strukturellen Zwängen sind. Dadurch sind sie unabhängig und ausschließlich dem Pressekodex verpflichtet. Für Recherche steht ausreichend Zeit zur Verfügung. Die individuelle Verantwortung des Redakteurs bzw. Reporters muss gewährleistet sein und nicht zentralistisch von einem Newsroom oder Newsdesk übernommen werden.

Journalistische Autonomie ist ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung journalistischer Qualität und Meinungsvielfalt. Deshalb wird die Weisungs-Ungebundenheit redaktioneller Tätigkeit im Hinblick auf Themenauswahl, Themengestaltung und Mitteleinsatz nicht nur in Redaktionsstatuten, sondern auch in den Landespressegesetzen und Rundfunk-Staatsverträgen festgeschrieben.

Outsourcing ist kontraproduktiv. Es verhindert öffentliche Kontrolle und fördert Lohndumping. Die Produktion von Programminhalten, die Bereitstellung von Produktionstechnik und -personal sowie die Bearbeitung von Publikumsrückmeldungen erfolgen deshalb durch die Sender.

Der neue (wie auch der jetzige!) öffentlich-rechtliche Rundfunk steht nicht in Konkurrenz zu den privaten Medien. Daher wird die vorrangige Bewertung nach Einschaltquoten bzw. Zugriffszahlen abgeschafft.

Die Stabilität unserer Demokratie erfordert einen transparent geführten neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als offenen Debattenraum. Zu dessen Eckpfeilern gehört die Unabhängigkeit der Berichterstattung, die Abbildung von Meinungsvielfalt sowie die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.

ERST­UNTER­ZEICHNER DES MANIFESTS

  • Christoph Abée | Designer, Dozent, Komponist, Musiker
  • Dr. Michael Andrick | Philosoph und Autor
  • Prof. Dr. rer. nat. Gerd Antes | Mathematiker und Methodenwissenschaftler
  • Patrik Baab | Publizist, ehem. Redakteur beim NDR
  • Isabelle Barth | Schauspielerin, Sprecherin und Künstlerin
  • Bastian Barucker | Autor & Wildnispädagoge
  • Prof. Kerstin Behnke | Dirigentin
  • Frederic Belli | Soloposaunist SWR Symphonieorchester
  • Volker Birk | Software-Architekt und Aktivist für Bürgerrechte
  • Georg Blank | Kameramann, WDR
  • Tom Bohn | Autor, Regisseur, Veranstalter
  • Julia Braun | ehemalige feste Freie – ARD-Redakteurin / Kinderfernsehen
  • Volker Bräutigam | Journalist und langjähriger Mitarbeiter des NDR (ARD-Tagesschau und NDR-Hauptabteilung Kultur)
  • Philine Conrad | Schauspielerin
  • Michael Denhoff | Komponist & Cellist
  • Dorian Dragoi | Bildgestalter, BR
  • Sabine Erbler | Cutterin beim WDR
  • Franz Esser | München, Musik-Kabarettist
  • Dr. Petra Fischer | bis 2022 rbb
  • Silvia Fischer | Szenenbildnerin und ehemalige Radiomoderatorin
  • Jens Fischer Rodrian | Musiker, Lyriker, freier Publizist
  • Lisa Fitz | Kabarettistin, Schauspielerin
  • Jürgen Fliege | ARD Talkshow Moderator i.R.
  • Anja Franke | Schauspielerin u. a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
  • Romanus Fuhrmann | Schauspieler und Sprecher
  • Prof. Dr. Ulrike Guérot | Politikwissenschaftlerin und Publizistin
  • Gabriele Gysi | Schauspielerin und Regisseurin
  • Andreas Halbach | Freier Mitarbeiter ZDF
  • Reinhart Hammerschmidt | Freischaffender Musiker im Bereich Neue Musik und Improvisation
  • Anny Hartmann | Diplom-Vokswirtin und politische Kabarettistin
  • Silke Hasselmann | Deutschlandradio, Landeskorrespondentin für MV
  • Andrea Haubold | Orchestermusikerin Berlin
  • Carlo Himmel | Schauspieler
  • Beate Himmelstoß | ehem. Sprecherin beim BR
  • Bianca Höltje | Pädagogin, Beraterin von Schulgründungsinitiativen
  • Henry Hübchen | Schauspieler
  • Claudia Jakobshagen | Schauspielerin, Sprecherin, RBB
  • Luc Jochimsen | ehemalige Chefredakteurin hr-Fernsehen
  • Käthe Jowanowitsch | freie Journalistin, Deutschlandfunk und WDR
  • Kristof Kannegießer | Kameramann und Autor, RBB
  • Corinna Kirchhoff | Schauspielerin
  • Carlo Kitzlinger | Schauspieler, Lufthansa Captain AD
  • Friedhelm Klinkhammer | ehem. GPR-Vorsitzender im NDR
  • Astrid Kohrs | Schauspielerin
  • Dieter Korbely | Beirat „Wir sind Medien“ und Medienkritiker
  • PD Dr. Axel Bernd Kunze | Erziehungswissenschaftler
  • Dr. Norbert Lamm | Virologe & Molekulargenetiker
  • Barbara Leitner | über 25 Jahre freie Hörfunkautorin u. a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, jetzt Coach und Kommunikationstrainiern (GFK in KiTa und Schule)
  • Ulrich Lipka | Radiosprecher DLF Kultur
  • Thorolf Lipp | Vorstand Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.
  • Prof. Dr. Johannes Ludwig | Professor u.a. für Investigativen Journalismus
  • Prof. Dr. Christoph Lütge | TU München, ehem. Mitglied des Bayerischen Ethikrats
  • Doreen Luther | Technikerin im Hörfunkbetrieb, rbb
  • Henrike Madest | ehemalige freie Mitarbeiterin WDR
  • Almut Masuth | Musikerin und Agentin
  • Uli Masuth | Kabarettist, Komponist, Klavierist
  • Prof. Dr. rer. nat. Jörg Matysik | Chemiker, Universität Leipzig
  • Prof. Dr. Michael Meyen | Professor für Allgemeine und Systematische Kommunikationswissenschaft an der LMU
  • Bettina Minutillo | ehemalige Redakteurin bei Printmedien
  • Prof. Dr. Klaus Morawetz | Dresden
  • Renée Morloc | Opernsängerin
  • Annekatrin Mücke | Freie Journalistin beim rbb
  • Jürgen Müller | Rechtsanwalt, Kinderrechte Jetzt e. V., Wir-Gemeinsam-Bündnis
  • Maren Müller | Vorsitzende Ständige Publikumskonferenz
  • Alessandro Nania Pacino | Schauspieler
  • Dr. Cornelia Nenz | ehemalige Vorsitzende des NDR-Rundfunkrates
  • Franz Neumeyer | Coach, Initiative Bildungswandel
  • Jeana Paraschiva | Schauspielerin und Regisseurin
  • Harring Petersen | ehemaliger Produktions-Ingenieur im LFH SH, NDR
  • Richard Petersen | Ingenieur im LFH SH, NDR, seit 2022 Rentner
  • Christoph Poppen | Dirigent, ehem. Chefdirigent Deutsche Radiophilharmonie, ehem. Leiter ARD-Musikwettbewerb
  • Christine Prayon | Kabarettistin (lange Zeit heute-show, ZDF)
  • Manuel Rabbe | Creative Director
  • Michy Reincke | Musiker
  • Martina Reitmann | stellv. Solo-Hornistin der Deutschen Radio Philharmonie, SR
  • Alexa Rodrian | Lyrikerin, Musikerin und freie Autorin
  • Martin Ruthenberg | ehemaliger Sprecher und Moderator des SWR
  • Michael Sailer | Blogger
  • Arnd Schimkat | Schauspieler
  • Bettina Schmidt | ehemalige Redakteurin DLF-Kultur
  • Eva Schmidt | Radio München
  • Kathrin Schmidt | Schriftstellerin, Deutscher Buchpreis 2009
  • Michael Schmidt | ehem. Redakteur des NDR MV, Mitglied des NDR-Rundfunkrates
  • Andrea Schömmel | Aufnahmeleiterin, SWR Baden-Baden
  • Prof. DDr. Christian Schubert | Psychoneuroimmunologe, Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Innsbruck
  • Christina Schütz | Musikerin
  • Dr. Harald Schwaetzer | Philosophisches Seminar, Stuttgart
  • Dr. Thomas A. Seidel | Vorstandsvorsitzender des Bonhoeffer-Haus e.V.
  • Ole Skambraks | ehemaliger freier Mitarbeiter und Redakteur des MDR, WDR und SWR
  • Markus Stockhausen | Musiker, Seminarleiter
  • Tim Strecker | Kameramann & Oberbeleuchter
  • Dr.-Ing. Beate Strehlitz | Beirat Wir sind Medien und Medienkritiker
  • Alina Teodorescu | freischaffende Filmemacherin u. a. im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
  • Walter van Rossum | ehemaliger WDR-Autor, Medienkritiker und Investigativjournalist
  • Harald von Herget | Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
  • Prof. Dr. Dr. phil. Harald Walach | CHS-Institute
  • Raphaël Walter | Cellist
  • Andrea Walz | Tontechnikerin, SWR Stuttgart
  • Peter Welchering | Wissenschaftsjournalist
  • Hans-Eckardt Wenzel | Sänger, Musiker, Autor, Komponist
  • Tina Zimmermann | Bildende Künstlerin

sowie 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, deren Unterschriften bei Rechtsanwalt Dr. Harald von Herget (vonherget.ch) hinterlegt sind.

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Fühlen Sie sich angesprochen und wünschen auch Sie sich einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Dann unterzeichnen Sie die Petition „Erneuerung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ bei openpetition.de

AUSZÜGE UND ECK­PUNKTE DES MANIFESTS

für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland
 

AUSGEWOGENHEIT UND FAIRNESS

Die Medien prägen das Menschenbild und das Miteinander in einer Gesellschaft. Fairness und Respekt stehen deshalb im Fokus unseres Handelns, sowohl innerhalb der Funkhäuser als auch im Umgang mit unserem Publikum. Die Mitarbeitenden des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks benutzen kein Framing und verwenden keine abwertenden Formulierungen.

MEINUNGS- UND INFORMATIONSVIELFALT

  • Alle Ansichten und Perspektiven, die vom Grundgesetz gedeckt sind und die Menschenwürde achten, dürfen frei und ohne Vorbehalte geäußert werden. Minderheitenmeinungen und unbequeme Äußerungen werden gehört, diskutiert und dem Publikum zur freien Meinungsbildung angeboten.
  • Bildung und Kultur haben substanziellen Anteil am Programmangebot und werden angemessen budgetiert und personell ausgestattet.
  • Lokaljournalismus ist ein wesentliches Fundament des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

GRÖSSTMÖGLICHE BETEILIGUNG DER BÜRGERINNEN UND BÜRGER

  • Das Publikum ist der Souverän des neuen öffentlich- rechtlichen Rundfunks.
  • Bürgerinnen und Bürger sind maßgeblich an der Kontrolle von Programm und Finanzen beteiligt.
  • Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet eine Plattform für Austausch und Dialog – ein eigenes soziales Netzwerk, das offene Algorithmen verwendet und nicht mit Nutzerdaten handelt.

UNABHÄNGIGKEIT

  • Programmgestaltung erfolgt unabhängig von Einschaltquoten.
  • Auf Werbeeinnahmen wird verzichtet.
  • Kein Outsourcing von Produktionen und Abteilungen.
  • Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk kontrolliert die Politik und nicht umgekehrt.
  • Drehtür-Effekte zwischen Politik und neuem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind dank mehrjähriger Karenzzeiten ausgeschlossen.
  • Festanstellungen für alle Mitarbeitenden, die es wünschen, insbesondere für Journalistinnen und Journalisten.
  • Weisungs-Ungebundenheit im Hinblick auf Themenauswahl, Themengestaltung und Mitteleinsatz.

TRANSPARENZ

  • Die Bezahlung aller Mitarbeitenden einschließlich Führungsposten bis hin zur Intendanz erfolgt strikt nach Tarifvertrag.
  • Finanzflüsse jeglicher Art sind transparent und öffentlich einsehbar.
  • Interessenkonflikte werden sichtbar und hörbar kommuniziert.
  • Kontrollgremien des neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunks tagen öffentlich. Programm- und Auftragsentscheidungen werden dokumentiert und sind einsehbar.

DAS MANIFEST ALS DOWNLOAD

Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland – meinungsvielfalt.jetzt.pdf (189,5 KiB)

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Beitragsbild: C. Stille

Quelle: meinungsvielfalt.jetzt

Hinzugefügt am 9.04.2024: Die Herren Klinkhammer und Bräutigam sind da anderer Meinung: Buchempfehlung.

Deutsche Medien über Gaza: Die Sprache des Kolonialdünkels

Israel führt einen brutalen Rache- und Vernichtungsfeldzug gegen Palästinenser. Das Leid der seit Jahrzehnten Unterdrückten kommt in deutschen Medien aber kaum vor. Sie gelten als Terroristen und Lügner. Mit dem Holocaust hat das wenig zu tun. Es ist das Denken ehemaliger Kolonialherren.

Von Susan Bonath

Die westliche Doppelmoral zeigt sich in der Berichterstattung über Israel und Palästina besonders deutlich. Einerseits trommelt das Establishment für „Demos gegen rechts“. In seiner Propagandashow gebärdet es sich als „antirassistisch“ und „weltoffen“, Medien wettern „gegen Hass und Hetze“. Das ist nur dünne Makulatur. Tatsächlich unterstützt der Westen mit Israel genau das Gegenteil: einen rassistischen Staat, der aggressiven, mörderischen Siedlerkolonialismus betreibt – zulasten der indigenen Bevölkerung.

Die Wortwahl, derer sich deutsche Medien in Sachen Palästina und Israel bedienen, ist die Sprache der ehemaligen Kolonialherren, beherrscht vom Habitus, einer kulturell überlegenen Gruppe oder Ethnie anzugehören, die „unzivilisierten“ Nichtweißen zeigen müsse, wo der Hammer hängt. Freilich, man drückt sich heute gewählter aus als vor 150 Jahren. Was einst „die weiße Rasse“ war, sind heute „kulturelle Werte“. Doch der Kern des dahinter verborgenen Denkens ist derselbe wie einst.

Von „lügenden Terroristen“ und „wahren Demokraten“

Die Geschichte der heutigen „Vorzeigedemokratie“ USA ist eine Geschichte der Barbarei und des Völkermords. Unter dem Label „zivilisatorischer Überlegenheit“ rotteten die europäischen Siedler den größten Teil der indigenen Bevölkerung bestialisch aus. Auf ihr Konto gehen mehr als acht Millionen Tote: durch Vertreibungen, Massaker, Entzug der Lebensgrundlagen und Aushungern. So rechtfertigten sie auch die Verschleppung, Versklavung und Vernichtung von Millionen Afrikanern.

Damals erzählten die Kolonialherren, sie brächten unterentwickelten Barbaren-Völkern – heute nennt man sie meist „Terroristen“ – endlich die Zivilisation: kriegerisch, bewaffnet, durch Versklavung, Vertreibung und Massenmord. Heute wurden die Kolonialherren zu „westlichen Werten“ entpersonifiziert, also „Werte“, die Armeen der „zivilisierten Welt“ in die Länder „unzivilisierter Terroristen“ und „Islamisten“ bomben. Die Sprache ist seichter geworden, der Effekt ist gleich geblieben: Vernichtung.

Kolonialherren redeten schon immer so. Wenn sich vermeintlich „Unzivilisierte“ gegen die Unterdrücker wehren, nennen sie es Terrorismus und Barbarei. Wenn sie selbst die „Unzivilisierten“ zu Abertausenden zerbomben und massakrieren, nennen sie es „Kampf gegen den Terror“. Es ist eine Sprache der Entmenschlichung, gehüllt in dünnen Firnis, um ihren eigenen kolonialen Terror zu verschleiern.

Wenn absichtlich ausgehungerte „Unzivilisierte“ an Nahrungsmittel für ihre vom Hungertod bedrohten Kinder zu gelangen versuchen, nennen Kolonialherren das plündern. Nur „kulturlose Unmenschen“ plündern. Wenn sich „die Zivilisierten“ in Supermärkten gegenseitig Klopapier wegschnappen und Desinfektionsmittel in Krankenhäusern klauen, sind das „Hamsterkäufe“. Hamster sind putzige Tierchen.

„Barbaren“ lügen immer, heißt es. So kommt es, dass Palästinenser heute sogar ihr Verhungern und ihr Massensterben durch israelische Bomben und Einfuhrblockaden selbst beweisen müssen. Trotzdem gelingt ihnen das nicht einmal mit massenhaftem fotografischem Beweismaterial, das in digitaler Echtzeit um die Welt geht. Man glaubt ihnen nicht, weil es eine „Hamas-Behörde“ meldet, „Barbaren“ also.

Die Clique der Kolonialherren sieht sich dagegen selbst als den Hort der Wahrheit. Was Israels Armeesprecher Daniel Hagari verkündet, genießt den Glaubensvorschuss der westlichen Presse stets. Entpuppt es sich doch einmal als Lüge, war es ein Versehen, das man selbstverständlich „prüfen“ werde. Das sei bei „wahren Demokraten“, anders als bei „lügenden Terroristen“, selbstverständlich.

Wertewestlicher Überlegenheitsdünkel

Das brutale Unterdrücken, Foltern, Terrorisieren und Töten Entmenschlichter verharmlosen die Täter heute wie damals als „notwendigen Kampf für die Zivilisation“. Israel ging lange vor dem 7. Oktober mit Palästinensern so um. Die Überheblichkeit der Täter kommt mal als „Demokratie und Freiheit“, mal als „westliche Werte“ daher. Gegenwehr von „Unzivilisierten“ gilt als Beleg für einen „primitiven Charakter“ – eine Art genetisches Manko. Wenn Hunde ihren Herren beißen, werden sie erschossen. Palästinenser werden regelmäßig einfach so erschossen.

In den Augen von Israels Verteidigungsminister Joaw Galant sind Palästinenser „menschliche Tiere“. Tiere kann man in Käfigen halten, foltern und nach Belieben töten. Tiere brauchen keine menschliche Nahrung, da reicht auch Tierfutter. Wenn ihre Babys daran sterben, nimmt man das hin wie das Ausräuchern einer Mäuseplage. Mit Kindern von „Terroristen“ kennt der gute „Demokrat“ kein Mitgefühl, sie werden zur gesichtslosen Masse ähnlich wie Ameisen im Hinterhof: Das ist das Gesicht des Rassismus.

Genau das praktiziert Israel nicht nur derzeit im Gazastreifen, sondern seit langem: Vertreibungen, Brandschatzungen, extralegale Verhaftungen, Folterungen und Tötungen sogar von Kindern durch marodierende Besatzersoldaten und verharmlosend als Siedler bezeichnete aggressive Paramilitärs sind seit Jahrzehnten Alltag im besetzten Palästina.

Der Westen hat sich seit 1948 nie wirklich um die von Israel unterdrückten Palästinenser geschert. Es liegt eher nicht an der scheinheiligen „Vergangenheitsbewältigung“ im Zuge des Holocaust, dieser brutalen, von Deutschen erdachten Vernichtungsmaschine, mit der die Nazis Millionen von Juden, Roma und Sinti, Slawen und Kommunisten ausrotteten. Auch dieses „Gedenken“ ist dünne Makulatur, die den wertewestlichen Überlegenheitsdünkel überzieht, der sich in einer imperialistischen Bündnisarmee realisiert, diesem kriegerischen, expansiv marodierendem Zusammenschluss ehemaliger Kolonialmächte und Vasallen.

Heute will der Westen „gut sein“. Die pseudowissenschaftliche Idee von einer „kulturellen Überlegenheit“ verleugnet er ganz eisern. Er schiebt sie irgendwelchen Randgruppen in die Schuhe, die er als Neonazis präsentiert, während er die echten Nazis und Faschisten ignoriert. Und doch sickert diese Idee aus den zuschreibenden Adjektiven der wertewestlichen Propaganda bis in die Köpfe vieler Leser, und doch bestimmt sie die Politik. Man muss nur genau hinsehen, um fündig zu werden.

Quelle: RT DE

Beitragsbild: © Claus Stille

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Passend zum Thema empfehle ich die soeben erschienene Broschüre „Israel – Vom Opfer zum Täter zum Opfer – ein Hin und Her seit 80 Jahren“ von Peter Hänseler / René Zittlau.

Anbei empfohlen:

Thomas Stimmel spricht mit Abed Hassan.

Anzeige gegen Kaya Yanar: Wenn rassistische Hetzer die Antisemitismuskeule schwingen

Dem Satiriker Kaya Yanar wird „antisemitische Volksverhetzung“ vorgeworfen. Wegen eines Videos, in dem er Israels Krieg im Gazastreifen kritisiert und Kriegslügen aufdeckt, wurde er angezeigt. Als Moralapostel schwingt sich auch ein Verbreiter rassistischer Kollektivschuld-Thesen auf.

Von Susan Bonath

Große moralische Floskeln über „humanitäre Werte“ zu schwingen, ist eine Spezialität deutscher Politiker. Doch wehe, jemand fordert Humanismus für die „falschen“ Menschen ein, zum Beispiel für Palästinenser. Der bekannte deutsch-türkische Satiriker Kaya Yanar wurde deshalb angezeigt, die Staatsanwaltschaft Osnabrück prüft den Vorwurf der Volksverhetzung gegen ihn. Sein „Vergehen“: Yanar kritisierte in einem Video die israelische Kriegsführung im Gazastreifen, die bereits zu Zehntausenden Toten führte.

Antisemitismuskeule

Zuerst berichtete das Schweizer Onlineportal 20 Minuten über den Fall. Ihm bestätigten die Polizei und die Staatsanwaltschaft in Osnabrück den Eingang der Strafanzeige wegen eines „Verdachts auf Volksverhetzung“. Der Tatvorwurf werde geprüft, heißt es.

Yanar wurde als Sohn türkischer Gastarbeiter in Deutschland geboren, heute lebt er mit seiner Schweizer Ehefrau in Zürich. Er startete 2001 mit der Sat.1-Satireshow „Was guckst du“ als Komiker durch und wurde bundesweit bekannt. In seinen Shows schlüpft er in verschiedene Rollen, nimmt die Eigenheiten verschiedener Gruppen aufs Korn und setzt sich so für Integration und Zusammenhalt ein.

Auch privat engagiert sich Yanar gegen Diskriminierung von Minderheiten, zum Beispiel als Pate beim Projekt „Schule ohne Rassismus“. Ihm also rassistische Ambitionen vorzuwerfen, ist, gelinde gesagt, schwer. Leichter lässt sich die Antisemitismuskeule schwingen. Die trifft ihn nun hart. Was hat er getan?

Kritik an Israels Kriegsführung

In einem Ende Januar auf YouTube veröffentlichten Video schlüpfte Yanar in die Rolle des türkischen Fahrschullehrers Yıldırım, der sein „Statement zum Nahen Osten“ abgibt. Im Westen könne man sich „nicht vorstellen, was die schrecklichen Ereignisse vom 7. Oktober und der darauffolgende Krieg im Gazastreifen für die Zivilbevölkerung in Israel und Palästina bedeuteten“, schreibt Yanar dazu keineswegs so einseitig, wie es ihm vorgeworfen wird.

Die Reaktion Israels auf den Anschlag der Hamas und anderer bewaffneter Gruppen aus dem Gazastreifen gehe weit über Selbstverteidigung hinaus. Es sei ein bekannter Fakt, so Yanar am Ende des Videos, „dass im Gazastreifen täglich unschuldige Zivilisten sterben“. Getötet worden seien bereits „tausende Kinder, tausende Frauen, hunderte medizinische Kräfte, hunderte UN-Mitarbeiter und Journalisten“. Über zwei Millionen Einwohner habe Israel zudem hin und her vertrieben, für sie gebe es keine Schutzzonen.

Als Yıldırım prangerte Yanar unter anderem die westlichen Rüstungsexporte nach Israel an. „Wie würde die IDF aussehen, ohne US-Waffen?“, fragte er rhetorisch. Keine israelischen Geiseln habe Israels hochgerüstete Selbstverteidigungsstreitkräfte (IDF) durch die Bombenteppiche über dem Gazastreifen befreien können, betonte er.

Kriegslügen und rassistische IDF-Clips

Scharf kritisierte „Yıldırım“ die westliche Propaganda. Das erste Opfer im Krieg sei die Wahrheit, zitierte er, um dann eine Reihe bereits durch Medien aufgedeckter Kriegslügen Israels vorzuführen. Dazu gehört etwa die Behauptung, die Hamas habe am 7. Oktober 40 israelische Babys enthauptet. Auch die Erzählung, die IDF hätten in einem Tunnel unter einem Krankenhaus einen „Terroristenplan“ gefunden, entpuppte sich als Lüge – tatsächlich handelte es sich um einen Kalender, auf dem Wochentage eingetragen waren.

Yanar präsentierte Auszüge aus einem inzwischen als gefälscht enttarnten Video, in dem die IDF eine als palästinensische Krankenschwester verkleidete Frau behaupten ließ, die Hamas besetze und nutze eine ganze Klinik. Zudem erklärte er eine Aussage des israelischen Staatspräsidenten Jitzchak Herzog für unglaubwürdig, wonach die IDF in einem zerbombten Kinderzimmer – ganz unversehrt! – Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ gefunden hätten.

„Yıldırım“ präsentierte zudem einen Auszug aus einem der vielen von IDF-Soldaten im Internet verbreiteten Videos mit teils menschenverachtender Hetze gegen Palästinenser. Im gezeigten Beitrag feierten IDF-Soldaten die Bombardierung einer Universität im Gazastreifen, verhöhnten getötete Palästinenser und bezeichneten Tiere als „einzige unbeteiligte Zivilisten“.

Aussagen eines Arztes im Gazastreifen

Schließlich lässt „Yıldırım“ den norwegischen Arzt Mads Gilbert zu Wort kommen, der 16 Jahre lang im Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza Stadt gearbeitet und bereits 2008 und 2009 palästinensische Opfer der israelischen Militäroperation „Gegossenes Blei“ operiert hatte. Die Behauptung der israelischen Regierung, keine unschuldigen oder zumindest möglichst wenig unbeteiligte Zivilisten in den Kampfhandlungen zu töten, sei „Teil des Propagandakrieges, einer Desinformationskampagne“, so Gilbert, und weiter:

„Ich denke, dass die Palästinsener derzeit auf dieser Welt die Einzigen sind, die beweisen müssen, dass sie getötet werden.“

Dies sei nicht neu, betonte Gilbert in der Erklärung. Er forsche seit 20 Jahren dazu und habe dieses Vorgehen immer wieder erlebt. Die Propaganda suggeriere, alles, was Palästinenser sagen, sei gelogen, während Israel und der Westen stets die Wahrheit sprächen.

Medienkampagne gegen Yanar

Kaum hatte Yanar sein Video veröffentlicht, schlug die mit viel Staatsgeld ausgestattete deutsche Israellobby zu. Die vom Zentralrat der Juden in Deutschland herausgegebene Jüdische Allgemeine warf dem Satiriker Antisemitismus vor. Nur wenige Tage zuvor, am 18. Januar, hatte dieselbe Zeitung einen menschenverachtenden Kommentar des Autors Tobias Huch (FDP) veröffentlicht, dessen Überschrift und Unterzeile lauteten:

„Die Zivilisten in Gaza sind nicht unschuldig – Wenn es so etwas wie kollektive Verantwortung für Verbrechen gibt, dann trifft diese im Falle des 7. Oktober zu.“

Huch kreierte in diesem Beitrag eine Kollektivschuld aller Palästinenser und erklärte, warum Israel die Palästinenser zu Recht in Sippenhaft nehme und kollektiv bestrafe – ein schwer zu überbietender Fall von Rassismus. Erst als die Zeitung daraufhin scharf kritisiert wurde, änderte sie zehn Tage nach der Erstveröffentlichung die Überschrift, nahm die Unterzeile und ein ganzes Stück Text heraus – viel ist nicht übrig geblieben von Huchs Beitrag.

Hetzer mimt Moralapostel

Völlig unbeeindruckt von seiner eigenen rassistischen Hetze, die sogar die Jüdische Allgemeine zensieren musste, warf Huch dem Satiriker bereits am Tag des Erscheinens von dessen Clip auf X vor, ein „ekelhaftes Video“ zu verbreiten. Dieses sei angeblich gespickt mit antisemitischen Fake News und werde von „Antisemiten, Israelhassern, Islamisten, Fake-News-Journalisten, bildungsfernen Menschen“ gefeiert.

Na klar, bei rechten Hardlinern wie Huch darf auch ein pauschaler Tritt gegen eine angeblich „bildungsferne“ Unterschicht nicht fehlen. Offenbar war Huchs Posting, dem er tags darauf ein YouTube-Video hinterherschob, der Anstoß für den Artikel in der Jüdischen Allgemeinen und die anschließende Kampagne in weiteren Medien gegen Yanar, beispielsweise in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).

Ob Huch, der mit seinen eigenen Ergüssen eindeutig ein rassistisch minderwertiges Kollektiv kreierte, auch selbst Anzeige erstattete, ist nicht bekannt. Dazu angeregt hat er allemal.

Andichten von Kollektivschuld „fühlt sich rassistisch an“

Auf der sozialen Plattform Instagram hat sich Yanar nun auch selbst zu den Vorwürfen geäußert. Er bezeichnete den Antisemitismusvorwurf als „herbei gedichtet“ sowie „haltlos und verletzend“, und weiter:

„Wie kann man aus einer Kritik an einem militärischen Vorgehen einer Regierung schlussfolgern, dass man das Volk Israels und sogar darüber hinaus alle Menschen jüdischen Glaubens zur Verantwortung zieht? Diese Denke fühlt sich für mich rassistisch an und entspricht nicht meiner Art zu denken.“

Yanar hat recht: Es gibt viele jüdische Gemeinschaften, sogar in Israel, die das Vorgehen der IDF scharf kritisieren und laut gegen die seit 75 Jahren von Israel praktizierte Vertreibung von Palästinensern und die Besetzung ihrer Gebiete protestieren. Viele Juden sind ganz und gar nicht einverstanden mit Israels Führung.

Ganzen Bevölkerungsgruppen einheitliche politische oder religiöse Einstellungen oder aber eine Kollektivschuld an den Taten Einzelner oder Herrschender anzudichten, ist eindeutig Rassismus – egal, ob es Palästinenser, Araber, Muslimen oder eben Juden trifft.

Quelle: RT DE

Beitragsbild: Snapshot Kaya Yanar Via YouTube

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Palästinenser als gebärwütige Dschihad-Monster: Rassistische Propaganda beim Axel-Springer-Verlag

Springers „Welt“ hat mal wieder in der braunen Tonne des deutschen Rassismus gewühlt, um den Massenmord in Gaza zu rechtfertigen. Frauen bekämen dort ihre Kinder nur für „den Kampf gegen Juden“, so die These des Autors Posener. Dies sei gar unveränderbar genetisch-kulturell bedingt,

Von Susan Bonath

Der Gazastreifen ist ein Freiluftgefängnis des Elends. Die zivile Infrastruktur ist zerbombt. Zwei Millionen Menschen hausen in Ruinen, Zelten oder im Freien, zusammengepfercht auf wenigen Quadratkilometern, inmitten von Bombenhagel und Geschützfeuer. Sie hungern, trinken schmutziges Wasser, wühlen in Trümmern nach Essbarem und Verschütteten, begraben täglich dutzende Tote. Laut WHO sind fünf Prozent der Menschen in Gaza nach vier Monaten Krieg getötet oder verstümmelt, mehr als zwei Drittel davon Kinder und Frauen. Die Welt ist Zeuge schwerster Kriegsverbrechen durch die israelische Armee IDF.

Das fortgesetzte Massaker an großteils unschuldigen Zivilisten, das trotz aller Versuche Israels, die Berichterstattung vor Ort zu unterbinden, mittels Bildern und Videoaufnahmen nach außen dringt, ist weder nach menschlichem noch völkerrechtlichem Ermessen zu rechtfertigen. Zivilisatorische Leitsätze im Völkerrecht verbieten aus gutem Grund rachsüchtige Kollektivbestrafung. Doch genau das ist es, und jeder Versuch der Verharmlosung kann nur einhergehen mit einer Riesenportion Rassismus.

Rassistische Thesen

Das deutsche Flaggschiff dieser Art der Entmenschlichung ist – mal wieder – der Axel-Springer-Verlag. Die neueste Kostprobe seiner rassistischen Fantasien vom palästinensischen „Untermenschen“ lieferte Autor Alan Posener jetzt im Springerblatt Welt. Frauen in Gaza, so seine Behauptung, würden „Kinder kriegen für den Kampf gegen die Juden“.

Man kann Poseners These wie folgt kurz zusammenfassen: Frauen in Gaza seien es gewohnt, Kinder für den Dschihad zu gebären, nicht nur um Juden zu töten, sondern um mit UN-Hilfen zu faulenzen und Europa zu „überfluten“ – und dies nicht etwa, weil es an Bildung fehle, sondern weil Palästinenser von Natur aus kulturell so veranlagt seien, ja eine Art genetisch bedingter, unabänderbarer „Tätergemeinschaft“ bildeten.

Das ist lupenreiner Rassismus, der an dunkelste Kapital auch der deutschen Geschichte erinnert. Nach Poseners Theorie, unterstützt vom Springerverlag durch ihre Publikation, ist Kollektivbestrafung der Palästinenser dann wohl erlaubt, inklusive Massenmord durch Bomben und Aushungern aller Mitglieder dieser Gruppe. Ist es das, Herr Posener, was Sie Ihrer Leserschaft damit sagen wollen? Offenbar schon.

Historische Fake News

Der Autor untermalt seine menschenverachtenden Fantasien vom „primitiven Kollektiv“ der Palästinenser als Sündenbock mit allerlei unbelegten Behauptungen und verdrehten Geschichtserzählungen. Angeblich, so Posener, rufe die Hamas Frauen in Gaza seit 17 Jahren „dazu auf, mehr Kinder zu bekommen – damit ihnen der Nachschub für die Terrortruppen nie ausgeht.“ Belege? Braucht der Autor nicht.

Dann tischt Posener seinen Lesern das Märchen vom „faulen Gazabewohner“ auf. Die Frauen dort bekämen lieber Kinder als zu arbeiten, nicht einmal 15 Prozent von ihnen hätten einen Job, mahnt er. Er vergleicht das mit Deutschland, wo 75 Prozent der Frauen erwerbstätig seien, und mit Israel, wo 60 Prozent der weiblichen Bevölkerung einer Lohnarbeit nachgingen.

Was Posener bei seinem schrägen Vergleich nicht erwähnt: Im Gazastreifen beträgt die Arbeitslosigkeit insgesamt fast 50 Prozent. Denn dort gibt es schlicht kaum Arbeit. Und daran ist Israel nicht unschuldig. Indem es vor 17 Jahren damit begann, das 360 Quadratkilometer kleine Areal abzuriegeln, mit Zäunen, Wachtürmen und Marine zu umzingeln, regelmäßig zivile Infrastruktur zu bombardieren und mit harten Sanktionen zu belegen, hat es jede wirtschaftliche Entwicklung des Streifens verhindert. Vor allem aus diesem Grund leben rund drei Viertel der Einwohner in bitterer Armut.

Unter Leugnung dieser Tatsache schießt der Autor gegen das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA, das er geflissentlich in Anführungsstriche setzt, als handele es sich um etwas Illegitimes. Die Palästinenser vermehrten sich, so suggeriert der Autor, um den Flüchtlingsstatus zu erben und von der UN „durchgefüttert“ zu werden – ganz so, als hätte Israel die Menschen nicht entschädigungslos enteignet und teils brutal vertrieben, als wären sie andernfalls nicht staaten- und rechtlos, als wäre Palästina kein von Israel besetztes Land. Posener leugnet schlicht historische Tatsachen, um seinem Rassismus Futter zu geben.

Pseudowissenschaften

Dann versteigt sich Posener zu einer Theorie, die in israelischen und besonders israelfreundlichen Medien auch häufiger zu lesen ist: Das Anwachsen der Bevölkerung im Gazastreifen durch Geburten (Frauen nennt er „Gebärmaschinen“) sei ein Beleg dafür, dass gar kein Genozid – wie selbst vom Internationalen Gerichtshof (IGH) aufgrund von zahlreichen Belegen, die der Ankläger Südafrika vorgelegt hatte, befürchtet wird – stattfinden könne. Wörtlich schreibt der Autor:

„Das „Flüchtlingshilfswerk“ rechtfertigt seine Existenz damit, dass es – so viel zu den ‚Genozid‘-Vorwürfen gegen Israel – eine stets wachsende Zahl sogenannter Flüchtlinge der dritten und vierten Generation versorgen muss.“

Mit anderen Worten: Weil es heute mehr Palästinenser gibt als vor 50 Jahren, kann die fortgesetzte gezielte Tötung von bisher mindestens 30.000 Menschen dieser Gruppe, darunter 70 Prozent Frauen und Kinder, ihre massenhafte Verletzung, Vertreibung und Einpferchung unter grausamen Bedingungen, inklusive bewusster Zerstörung ziviler Infrastruktur und Herbeiführens von Wasser- und Nahrungsmangel, gar kein Völkermord sein. So ein bisschen „Rasenmähen“, wie israelische Politiker ihr Vorgehen schon mal nannten, wäre demnach so legitim wie das Ausdünnen einer Wildschweinpopulation durch Jäger.

Falsche Zahlenspiele

Diesen schwer zu überbietenden Grad an Menschenverachtung untermalt Posener mit falschen Zahlen. Zunächst gibt er sich als „Feminist“: Die Emanzipation der Frau sei neben verbesserter Gesundheitsfürsorge „ein entscheidendes Mittel im Kampf gegen die Überbevölkerung“. Um sogleich seine Portion Rassismus hinzuzufügen:

„Es gibt aber eine Ausnahme von der Regel: Gaza.“

Dort sei die Geburtenrate seit 1991 zwar von 8,3 Kindern pro Frau auf etwa vier gesunken, aber immer noch eine der höchsten der Welt.

Poseners Zahlen stimmen bloß nicht, und es fehlt ihnen jeder Kontext. Nach UN-Angaben lag Palästina 2021 bei der sogenannten Fertilitätsrate, also der durchschnittlichen Anzahl der Geburten pro Frau, nämlich mit 3,5 Kindern im weltweiten Mittelfeld. Nach Angaben der US-Statistik „CIA Factbook“ waren es im Jahr darauf noch 3,23 Geburten pro Frau im Schnitt – offenbar also Tendenz fallend.

Auf der deutschen Plattform Statista ist zu lesen, dass auf jede Frau im Gazastreifen im Jahr 1997 etwa 6,2 Geburten kamen, im Jahr 2023 waren es noch knapp 3,4. Damit, und das verschweigt Posener ebenfalls geflissentlich, liegt Gaza nur marginal über der Fertilitätsrate in Israel. Dort bekommt im Schnitt jede Frau – seit Jahrzehnten anhaltend – demnach etwa drei Kinder.

Es geht dem Springer-Autor ersichtlich nicht um seine Furcht vor einer Überbevölkerung im Allgemeinen, sondern vor „Vermehrung“ einer Gruppe, die er offenbar für „kulturell minderwertig“ hält. Das sagt er freilich so explizit nicht, doch einen anderen Schluss lassen seine einseitig aufgebauschten Zahlen und der fehlende Vergleich kaum zu. Das ist ganz klassischer Rassismus.

Die braune Tonne westlicher Doppelmoral

Was die Welt-Redaktion mit der Publikation solcher Autorenbeiträge (die dem vom Springerverlag eigens publizierten Wertekanon, darunter „die Ablehnung jeder Art von Rassismus“, selbstredend widersprechen) offensichtlich bezweckt, zeigt sich in Dutzenden von Kommentaren unter dem Beitrag. Zustimmend geben Nutzer Schauergeschichten vom gemeinen „grausamen“, „primitiven“, „vermehrungswütigen“ oder „Bürgergeld abgreifenden Moslem“ zum Besten, belegt mit Betitelungen wie „Karnickel“.

Ein Nutzer unter dem Namen Matthias M. ruft gar dazu auf, „der Westen“ solle bezüglich geburtenstarker Länder des globalen Südens „auch im eigenen Interesse über Rekolonisierung nachdenken.“ All diese Menschenverachtung passt offenbar zielgenau ins politische Programm, nicht nur von Springer. Andernfalls hätte wohl das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, zumindest erst einmal die Welt-Moderation, hier als Erstes zuschlagen müssen. Nicht jeder Hass- und Gewaltaufruf ist eben Ziel dieses Zensurapparats.

Poseners Erguss ist dabei längst nicht der einzige Griff der Welt in die tiefbraune Tonne westlicher Doppelmoral. Abgesehen von den wiederkehrenden Kampagnen aller Springer-Zeitungen gegen Arbeitslose, Flüchtlinge und andere unterprivilegierte Gruppen hat das Blatt auch kein Problem mit Nazis, jedenfalls dann, wenn sie in der Ukraine ihr Unwesen treiben.

Im April 2022 erklärte das Blatt zum Beispiel das offen faschistische Asow-Bataillion zur demokratischen Vorzeigetruppe, die zu Unrecht als Naziregiment bezeichnet werde – bebildert mit einem Foto, das Asow-Kämpfer patrouillierend mit SS-Symbolen zeigt.

Ein Schelm, wer vermutet, dass die Entnazifizierung in Deutschland so gründlich nicht gewesen sein kann?

Quelle: RT DE

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Beitragsbild: Cover der Broschüre „… und GAZA und …“ von Rajani Kanth/ Rudolph Bauer aus dem pad-Verlag Bergkamen.

Zum Zwanzigjährigen der NachDenkSeiten: Unverzichtbar

Man hat ja so seine Rituale. Zu meinen gehört es seit vielen Jahren gleich nach der Einnahme des Frühstücks hinüber in das kleine Zimmer, das mir als Büro dient, zu gehen und am Laptop im Internet die NachDenkSeiten aufzurufen. Und wenn ich nicht daheim oder in meiner zweiten Heimat im Ausland bin geschieht das übers Smartphone. Sonst würde mir einfach etwas fehlen.

Auch gebe ich zu, dass ich – gebe es dieses Portal nicht – wohl schon längst verzweifelt wäre. Am Weltgeschehen, an der Politik im eigenen Land und deshalb, weil der Journalismus hierzulande in großen Teilen längst auf den Hund gekommen ist und mit den Jahren immer mehr dahin kommt.

Die NachDenkSeiten sind für mich als Informationsmedium deshalb unverzichtbar geworden. Nicht zuletzt deshalb, weil man hier auch auf fundierten ökonomischen Sachverstand trifft. Was in erster Linie dem Herausgeber Albrecht Müller und Chefredakteur Jens Berger – aber auch Gastautoren – zu danken ist.

Jens Berger, hier auf der IALANA-Medienkonferenz in Kassel. Foto: C. Stille

Lesen Sie gerne, wie es zur Gründung der NachDenkSeiten kam:

«Heute vor 20 Jahren erschien der erste Artikel auf den NachDenkSeiten. Es ging dabei um dieses Thema: INSM verbreitert die Öffentlichkeitsarbeit. Die Gründung der PR-Organisation der Wirtschaft, der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, im Jahr 2000 war der Zünder für die Idee, eine kritische Internetseite ins Leben zu rufen. Sozusagen als Gegengewicht. Im Januar 2001 wurde die Idee geboren. Da ich dachte, ein solches Projekt könne nur zusammen mit einem potenten Partner gestartet werden, wandte ich mich damals zunächst an IG-Metall und DGB. Ohne Erfolg.«

Lesen Sie Albrecht Müllers Text hier weiter.

Albrecht Müller, Herausgeber der NachDenkSeiten schließt seinen heutigen Text so:

Albrecht Müller, Herausgeber der NachDenkSeiten. Foto: C.-D. Stille

«Wir feiern das 20-Jährige am 9. Dezember. Die Veranstaltung war nach zwei Tagen schon ausgebucht, sodass wir leider keine Anmeldungen mehr annehmen können. Die Veranstaltung wird jedoch aufgenommen und ins Netz gestellt. Wahrscheinlich klappt es auch mit einer Direktübertragung am 9. Dezember ab 18:00 Uhr. Darauf werden wir noch einmal gesondert hinweisen.

So viel zu unserem Jubiläum. Wir werden uns anstrengen, Sie weiter gut zu informieren.«

Den Kollegen gratuliere ich herzlich zum Zwanzigjährigen und ziehe den Hut vor deren – dabei auch Widerständen und Anfeindungen trotzend – journalistischem Engagement, das inzwischen durchaus von beachtlichem Erfolg gekrönt wird, was sich nicht nur an den täglichen Zugriffen auf die Seite der NachDenkSeiten ablesen lässt. Und ich wünsche ihnen weiterhin von Herzen ein glückliches Händchen bei der Gestaltung des so wichtigen Mediums für die kommenden, gewiss nicht einfacher werdenden Jahre.

Update vom 8.12.2023

Morgen 18:00 Uhr Livestream von der 20-Jahr-Feier der Nachdenkseiten

08. Dezember 2023 um 10:23Ein Artikel von: Redaktion

Wir feiern morgen, am Samstag, den 9. Dezember um 18:00 Uhr in Bad Bergzabern das 20-jährige Bestehen der Nachdenkseiten. Die Festrede hält Sahra Wagenknecht. – Geplant ist eine direkte Übertragung ab 18:00 Uhr. Wir hoffen, dass alles klappt. Hier ist der Link. Viel Vergnügen und auch sonst ein schönes Wochenende.

Video-Hinweis: Über eine Herausforderung namens #Gaza: Repression & Cancel Culture. Ein Kiezspaziergang mit Aktham Suliman

Gestern gegen Ende des auslaufenden Tages – ich wollte den Fernseher schon ausschalten und zu Bett gehen – fiel mir plötzlich ein You Tube – Video ins Auge, welches mein lebhaftes Interesse weckte.

Dieses Video des Journalisten Martin Lejeune dokumentiert einen …

… „Kiezspaziergang mit dem Kommunikationswissenschafter, Nahostexperten und Journalisten Aktham Suliman über Repression und Cancel Culture wegen Gaza, z. B.: die #ARD zensiert #Wajib von Annemarie Jacir, die Buchmesse Frankfurt verschiebt Verleihung an Adania Shibli, das Monologfestival cancelt Dareen Tatour. Aktham Suliman ist Autor des sehr lesenswerten Buches „Krieg und Chaos in Nahost: Eine arabische Sicht“, 17,90 €, https://www.aktham-suliman.de

Aktham Suliman spricht mir in diesem Video voll aus dem Herzen.

Ich empfehle dieses Video unbedingt meinen verehrten Leserinnen und Lesern. Bitte empfehlen auch Sie es weiter.

Beitragsbild: Snapshot via You Tube

Alles Betrüger? Wie deutsche Medien Bedürftige kriminalisieren und Leser täuschen

Zehntausende Betrugsfälle bei Hartz IV sollen Jobcenter in den vergangenen vier Jahren aufgedeckt haben. Mit dieser Schlagzeile entfachten Bild und Co. erfolgreich Empörung. Tatsächlich unterschlagen die Medien dabei wichtige Informationen und täuschen ihre Leser.

Von Susan Bonath

Die Feindpropaganda in Deutschland läuft auf Hochtouren. Während Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) das Land „kriegstüchtig“ machen will und von der Bevölkerung einen entsprechenden „Mentalitätswechsel“ forderte, sehen einige Leitmedien auch einen Feind im Inneren: Bedürftige, die angeblich massenhaft in krimineller Absicht den Sozialstaat plünderten. Diese Botschaft an die Leserschaft beruht jedoch auf Falschdarstellung.

Reißerische Propaganda

Vorneweg verbreitete Springers Boulevardblatt Bild die Schlagzeile „So oft tricksen Bürgergeld-Empfänger“ – obwohl es um die zurückliegenden vier Jahre geht, wo es noch kein Bürgergeld gab. Der Focus schloss sich der Kampagne an und titelte reißerisch: „Tausende Bürgergeld-Betrüger werden betraft – 93 müssen sogar ins Gefängnis“.

Einige regionale Medienportale sprangen darauf an. So schrieb das Braunschweiger Online-Magazin regionalHeute.de von „fast 166.000 Betrugsfällen“, obwohl es sich bei dieser Zahl nicht um bewiesene Taten, sondern lediglich um Verdachtsfälle von Jobcentern in den vergangenen vier Jahren handelt. Auch die Webseite ludwigsburg24.com übersah das Detail und ordnete die Verdachtsfälle mal eben einem „umfangreichen Sozialhilfe-Betrug“ zu.

Kurz zuvor hatte der Münchner Merkur suggeriert, Schwarzarbeit sei automatisch mit Bürgergeld-Bezug verbunden. Konkrete Zahlen, die beispielsweise einen Anstieg bei den aufgedeckten Fälle belegen würden, präsentierte das Blatt aber nicht.

Verdacht mit Betrug gleichgesetzt

Doch die gesamte Berichterstattung weist bei allen Medien drei grundlegende Probleme auf: Erstens setzt sie ungeklärte Verdachtsfälle, die für Jobcenter schon nach einem anonymen Hinweis vorliegen, mit bestätigten Betrugsfällen gleich – zumindest in der Überschrift.

Zweitens bauscht sie das Problem auf, indem sie den Kontext, nämlich die Anzahl durchgeführter Überprüfungen und den langen Zeitraum, nur beiläufig im Text erwähnt und nicht hervorhebt. Drittens fehlen die realen Geldsummen, um die der Staat auf diese Weise letztendlich betrogen wurde.

Auch eine Gegenüberstellung mit vergleichbaren Delikten, wie Steuerhinterziehung, hätte der Berichterstattung nicht geschadet, um das wahre Ausmaß zu verdeutlichen. Das alles war offensichtlich nicht gewünscht. Man könnte Absicht hinter diesen reißerischen Schlagzeilen vermuten: Der Zorn in der Bevölkerung auf die desaströse Politik soll offenbar auf die Ärmsten umgeleitet werden. Das wäre keine neue Strategie.

Komplett durchleuchtet

Worum geht es? Hintergrund ist ein großangelegter interner Datenabgleich zwischen den Jobcentern und der Rentenversicherung. Demnach übermittelte Letztere den Jobcentern innerhalb von vier Jahren bis 2022 insgesamt 9,1 Millionen Datenpakete von Hartz-IV-Beziehern. Das zeigt erst einmal, dass Menschen, die Hartz IV ‒ heute Bürgergeld ‒ beziehen, umfangreich durchleuchtet werden.

In diesen vier Jahren hätten die Jobcenter auf diese Weise „165.971 Fälle möglichen Leistungsbetrugs aufgedeckt und angezeigt“, berichtet der Focus. Die Betonung liegt auf „möglich“, denn das ist kein nachgewiesener Betrugsfall, wie die reißerischen Überschriften vermuten lassen.

Setzt man diese Zahl nun in den Bezug zu den 9,1 Millionen gezielten und prophylaktischen Datenabgleichen, sind das genau 1,8 Prozent, bei denen die Jobcenter tatsächlich Ungereimtheiten feststellten, die sie für klärungsbedürftig hielten. Andersherum: Bei 98,2 Prozent gab es keinerlei Hinweise auf irgendeinen Verdacht. Das klingt schon anders.

Nur 0,2 Prozent belegte Betrugsfälle

Weiter schreibt der Focus, dass laut einer Linken-Anfrage im Bundestag allein im letzten Jahr „82.269 Hinweise für diese sogenannten Überzahlungen festgestellt“ wurden. Ein Hinweis ist es aber bereits, wenn jemand aus Frust seinen ungeliebten Nachbarn beim Amt meldet. Diese Zahl sagt also gar nichts aus.

Letzten Endes seien davon vergangenes Jahr 39.622 Fälle auf dem Tisch der Staatsanwaltschaften oder des Zolls gelandet, wo sie überprüft werden sollten. Auch das ist kein Beleg für tatsächliche Straftaten. Hier könnte die nächste Zahl einen Anhaltspunkt liefern. So heißt es: „17.892 Hartz-IV-Empfängern wurden die Leistungen wegen ihrer geheim gehaltenen Einkünfte gestrichen.“

Allerdings sind die Jobcenter schnell dabei, Leistungen zu streichen, dafür reicht bereits ein bloßer Anfangsverdacht. Tatsächlich verurteilten Gerichte schließlich nur knapp 4.200 Leistungsbezieher für solche Vergehen im Jahr 2022 zu Geldstrafen, 93 weitere zu einer Haftstrafe. Festzuhalten bleibt: Knapp 4.300 Hartz-IV-Beziehern konnte tatsächlich das Verschweigen von Einkünften juristisch nachgewiesen werden.

Für wie viele der knapp 166.000 sich dieser Vorwurf in den vergangenen vier Jahren insgesamt bestätigt hat, geht aus den präsentierten Daten nicht hervor. Rechnet man die vorliegende Zahl für letztes Jahr hoch, kommt man auf etwa 72.000 Fälle, in denen Jobcenter zwischen 2018 und 2022 deshalb Leistungen strichen oder kürzten, sowie rund 17.200 Fälle tatsächlich juristisch belegten Leistungsmissbrauchs – in vier Jahren.

In Prozenten ausgedrückt, klingt das ganz anders als die Schlagzeilen: In weniger als zwei Prozent der überprüften Fälle erhoben Jobcenter also einen Anfangsverdacht verschwiegener Einkünfte und schalteten Ermittlungsbehörden ein. Bei etwa 0,8 Prozent der Prüffälle waren die Jobcenter so überzeugt von einem Leistungsbetrug, dass sie diesen Hartz-IV-Empfängern die Leistungen kürzten. Hiergegen können die Betroffenen noch gerichtlich vorgehen, sofern sie von ihrer Unschuld überzeugt sind. Das letzte Wort steht noch aus.

Die relevante Zahl bleibt also vorerst: Weniger als 0,2 Prozent der komplett Durchleuchteten wurden tatsächlich wegen nachgewiesenen Leistungsmissbrauchs verurteilt, und dies für einen Zeitraum von vier Jahren. Das spricht eher dagegen, dass Leistungsmissbrauch eine weit verbreitete Masche wäre, wie es die Medien in der offensichtlichen Absicht, Stimmung zu machen, andeuten.

Um welche Summen geht es?

Um welche Summen der Sozialstaat durch verschwiegene Einkünfte tatsächlich geprellt wurde, geht aus den Daten nicht hervor. Man kann aber eine ungefähre Größe berechnen. Dazu könnte man ermitteln, wie viel ein Hartz-IV-Bezieher 2022 durchschnittlich an Leistung bekam.

Laut Bundestag gab der Bund im vergangenen Jahr rund 21 Milliarden Euro für die Regelsätze und weitere 10 Milliarden für die Mietkosten aus, das sind insgesamt rund 31 Milliarden Euro. Aufgeteilt auf rund 5,5 Millionen Leistungsberechtigte kommt man auf eine durchschnittliche Gesamtleistung pro Kopf von knapp 5.640 Euro pro Jahr, also 470 Euro pro Monat. Die niedrige Summe liegt daran, dass viele nebenher arbeiten und daher nicht den vollen Regelsatz erhalten. Außerdem erhalten Kinder weniger.

Da aber nicht bekannt ist, wie viel die ermittelten Leistungsbetrüger bekamen, kann man nur mit dem durchschnittlichen Regelsatz rechnen. Die auf vier Jahre hochgerechnete Zahl ermittelter Betrüger von 17.200 kann man in der Annahme, dass vor 2022 etwas mehr Verdachtsfälle bestätigt wurden, auf 20.000 erhöhen. Diese multipliziert mit dem durchschnittlichen Jahresbudget eines Hartz-IV-Empfängers von 5.640 Euro ergibt eine Summe von knapp 113 Millionen Euro in vier Jahren. Pro Jahr sind das, nochmals hochgerechnet, etwa 30 Millionen Euro.

Als Obergrenze des möglichen Verlustes könnte man die rund 72.000 unbewiesenen Verdachtsfälle nehmen, in denen Jobcenter zumindest Leistungen gestrichen haben. Hiermit käme man auf einen maximalen Verlust von gut 400 Millionen Euro in vier Jahren, also 100 Millionen pro Jahr. Der anzunehmende Verlust dürfte also pro Jahr zwischen 30 und 100 Millionen Euro liegen.

Steuerbetrug tausendfach höher

Gehen wir ruhig von der höchsten Annahme aus, die eine gewisse Dunkelziffer mit einschließen würde: 100 Millionen Euro pro Jahr Verlust durch Sozialleistungsbetrug mittels verschwiegenen Einkommens. Dem gegenüber steht allerdings eine ungleich höhere Zahl: 125 Milliarden Euro. Das ist die vor vier Jahren geschätzte Summe, die dem deutschen Fiskus jährlich durch Steuerbetrug durch die Lappen geht.

Das ist mehr als ein Viertel des gesamten Bundeshaushaltes, fast so viel, wie der gesamte Sozialetat für 2023 und etwa 1.230-mal mehr Geld, als dem Fiskus – konservativ geschätzt – durch den beschriebenen Sozialleistungsmissbrauch verloren geht. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete 2019 über die zugrundeliegende Studie.

Der größte Teil dürfte dabei auf das Konto Reicher und Superreicher gehen. Zur Wahrheit gehört, dass auch von Schwarzarbeit vor allem Unternehmen profitieren. Diese maximieren ihre Gewinne, indem sie Steuern und Sozialbeiträge für ihre Arbeiter nicht abführen. Die so veruntreuten Summen liegen meist weit über den paar tausend Euro jährlich, die sich ein mutmaßlicher Bürgergeld-Betrüger unrechtmäßig einsteckt.

Außen- und innenpolitische Feindbilder

Die Innenpolitik steht somit der Außenpolitik in Sachen Feindpropaganda in nichts nach. Für Letztere stehen ganz oben auf der Liste derzeit „die Russen“, inzwischen wieder dicht gefolgt von „den Islamisten“ – erinnert sei an den von den USA 2001 erklärten „Krieg gegen den Terror“ –, diesmal besonders personifiziert als „die Palästinenser“.

Innenpolitisch geht es derweil nicht nur gegen vermeintliche „Putinversteher“, „Querdenker“ und sonstige politisch Unliebsame, sondern, wie gewohnt, vor allem gegen Arme, denen man pauschal kriminelle Absichten unterstellt. Dabei sitzen die größten Leistungsbetrüger noch immer viel weiter oben. Über sie berichtet die deutsche Presse nur nicht allzu häufig.

Quelle: RT DE

Leuchtturm ARD – oder: Sind die Medien reformierbar?

Foto: C. Stille

29. Oktober 2023 von Andrea Drescher

Am 29.10.1923 erfolgte die Ausstrahlung der ersten deutschen Rundfunksendung aus Berlin. Seitdem haben sich die Medien in Deutschland aufgrund des politischen Umfelds mehrfach erheblich verändert. Mit dem Pressekodex sollten “dunkle Zeiten” der Medienarbeit von vornherein unterbunden werden. Aber werden die Medien heute diesem Anspruch gerecht? Aktuell ist die Bereitstellung von Informationen in den Mainstream-Medien – insbesondere in den öffentlich-rechtlichen – aufgrund ihrer Einseitigkeit optimierungsbedürftig. Vorsichtig gesagt.

Über die WHO-Demonstrationen am 1. und 14.10.2023 in Wien wurde nahezu überhaupt nicht berichtet. Aber ohne umfassende Berichterstattung, die alle Seiten zu Worte kommen lässt, können Menschen sich nicht vollständig informieren – und keine informierten Entscheidungen treffen.

Dass Handlungsbedarf besteht ist offensichtlich. Einige Defizite werden im Ansatz durch alternative Medien adressiert, die aber bei weitem (noch) keine vergleichbare Reichweite haben. Einen anderen Ansatz verfolgt Jimmy Gerum seit zwei Jahren mit dem Leuchtturm-Projekt: Leuchtturm ARD ORF SRG. Jimmy Gerum ist ein deutscher Filmproduzent, der seit 1996 an mehreren sehr bekannten Filmen, darunter “Der Totmacher”, “Cascadeur – Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer”, “So weit die Füße tragen” oder “Die Wand” beteiligt war.

Leuchtturm ARD hat – lt. eigener Darstellung – das Ziel, (lokale) Leit-Medien über (lokale) Ereignisse zu wichtigen Themen wie Frieden und Demokratiebewegung zu informieren. Und das international, es richtet sich also genauso an ORF, SRF, BBC oder CNN. Die Verknüpfung von Medienmachern und Aktivisten erfolgt über eine Browser Applikation, die allen ohne Download kostenlos zur Verfügung steht. Wenn alle Aktivisten sie nutzen, wird das weitere Wegschauen durch Medienmacher unmöglich.

Foto: C. Stille

Wer steckt hinter diesem ambitionierten Projekt? Kannst Du Dich vorstellen?

Ich bin 59 Jahre alt, verheiratet und habe einen 19-jährigen Sohn, bin Kinofilmproduzent von Beruf. Ich war schon immer sehr geschichtsinteressiert und recherchiere seit 2014 vor allem zum Thema Geopolitik.

Was war 2014?

Ich habe Daniele Ganser online kennengelernt, was mich veranlasst hat, mich auf Recherchereise zu begeben. Recherchen sind ja typisch für meinen Beruf. Mir wurde klar: die Welt ist desinformiert, aber man kann sich seit vielen Jahren im Internet umfassend weiterbilden. Ich musste auch feststellen, dass die Mainstream-Medien für diese Desinformation verantwortlich sind, da sie dem Pressekodex bei weitem nicht gerecht werden.

So entstand die Idee Leuchtturm?

Ja. Ich habe nach einer Lösung gesucht, um die Desinformation zu beenden. Es geht mir nicht um einzelne politische Antworten, ich möchte nur, dass der Pressekodex eingehalten wird, ein fairer Wettbewerb der politischen Ideen würde entstehen.

Wie ist das möglich?

Wenn die Desinformation beendet wird, ist auch Frieden die automatische Konsequenz. Meine Grundüberzeugung: alle internationalen Konflikte können von umfassend informierten Menschen an runden Tischen gelöst werden, statt in Gewalt zu enden. Die Berufsethik des Journalismus verlangt die Betrachtung globaler Einzelinteressen, die dem Gemeinwohl entgegenstehen.

Wieso Ethik?

Die Verletzung dieser journalistischen Ethik passierte schleichend und teilweise unbewusst, aufgrund von jahrzehntelanger Indoktrination. Dem muss man entgegenwirken und das geht nur mit Dialog auf Augenhöhe. Wir brauchen einen offenen und fairen Diskurs darüber.

Wir müssen den Dialog mit der Institution der vierten Säule suchen, weil sie die Aufgabe hat die Fehlentwicklungen in der Politik aufmerksam zu kontrollieren. Dabei ist der friedliche und respektvolle Ansatz entscheidend, damit uns auch zugehört wird.

Was macht Ihr – ganz praktisch?

Wir wollen mithilfe unseres Tools letzten Endes mit jedem Journalisten auf der ganzen Welt Kontakt aufnehmen und sie über das laufende Geschehen in ihrer Region informieren. Dafür werden – idealerweise von den Aktivisten selbst – alle regionalen Veranstaltungen eingetragen. Aktuell laden wir jede Woche per Mail zu über 200 Veranstaltungen ein. Damit informieren wir die Journalisten, was in ihrer Region an wichtiger Friedens- und Aufklärungsarbeit getan wird.

Wir laden sie zu Demos, Vorträgen oder Workshops zu kritischen Themen aber auch zu persönlichen Gesprächen mit uns ein. Wir haben aktuell rund 3.400 Adressen, es wird aber immer mit Regionalbezug eingeladen, vorzugsweise der öffentliche Rundfunk, da wir dort das Recht auf Ausgewogenheit einfordern können.

Wie groß ist euer Team?

Ich bin zwar die Drehscheibe für die Koordination, es ist mir aber sehr wichtig, dass wir dezentral aufgestellt sind. Das ist ein Teil der Strategie. 50 Städte sind aktiv dabei, das sind 50 Leuchttürme, in denen es inzwischen Mahnwachen vor den Medienhäusern gibt. Die Idee der Mahnwachen war der Leuchtturm 2.0. Die Grundidee ist, dass jede Stadt einen Leuchtturm haben sollte, der sich um den Beziehungsaufbau mit dem lokalen Journalismus kümmert. Und wenn es in diesen Städten Events gibt, laden die Veranstalter mithilfe des Web Tools dazu ein. Dem haben sich noch rund 150 Orga-Gruppen angeschlossen, die regelmäßig Veranstaltungen durchführen. Rund 180 Einladungen gehen inzwischen von den Veranstaltern aus, den Rest machen wir. Es gibt ca. 10 Menschen, die immer mal wieder helfen, Events eintragen, Mails schreiben und versenden. Ich selbst habe z.B. mal die New York Times zu einem New Yorker Friedensevent eingeladen.

Du sprichst von Leuchturm 2.0 – was muss ich mir darunter vorstellen?

Aktuell sind wir bei Leuchtturm 4.0. Die Entwicklung begann vor zwei Jahren mit 1.0, dem legalen GEZ-Zahlungsstopp. Wir gehen in das Widerspruchsverfahren gegen die GEZ. Dieser Zahlungsstopp endet in einem Gerichtsverfahren gegen die Desinformation. Aktuell laufen ca. 200 Verfahren in ganz Deutschland.

2.0 waren die bereits erwähnten Mahnwachen vor den Rundfunkhäusern, die seit 67 Wochen stattfinden. In 3.0 ging es um die Erweiterung auf Einladungen zu Spaziergängen und Demos. 150 haben sich angeschlossen und laden seitdem die Medien zu ihren Events ein.

Leuchtturm 4.0 ist die Internationalisierung und Automatisierung des Medien Dialoges über das Web-Tool, wobei wir bereits sechs Sprachen im System anbieten.

Wieviel Zeit investierst Du?

Seit zwei Jahren mache ich das Vollzeit, 16 Stunden täglich. Neben dem Netzwerken, mit Menschen Reden, auf Veranstaltungen Gehen, fließt sehr viel Zeit in die Administration der App ein. Ich erfasse Daten von Medien oder Veranstaltungen und kontrolliere jeden Eintrag, der von anderen eingepflegt wird. Die Aktivisten selbst kommen nicht vor – wegen des Datenschutzes. Jedes Event wird kontrolliert bevor es freigeschaltet wird, um extremistische oder dumme Einträge sicher zu verhindern.

Warum so viel Zeit?

Beitragsbild:

Vernetzung kostet Zeit. Das Gute ist, sie kostet kein Geld. Unser Projekt ist nahezu kostenlos. Wenn wir Frieden wollen, müssen wir klug vorgehen. Wir vermeiden vor allem auch verbale Gewalt. Da wir auf öffentlich im Netz verfügbare Daten von Redaktionen und öffentlich bekannte Veranstaltungen zurückgreifen, ist die App auch juristisch unangreifbar. Wir vermeiden politische Positionen, jede konstruktive Meinung sollte gehört werden. Entscheidend für den Erfolg ist der Beziehungsaufbau mit den lokalen Journalisten.

Wie entstand die App, hast Du das selbst technisch umgesetzt?

Nein. Technisch kenne ich mich überhaupt nicht aus. Die Webseite und die App wurden mir geschenkt, vielen Dank an Jens und Hermann! Das Web Tool ist eine kostenlose Software aus dem Internet. Es gibt noch sehr viel Automatisierungspotential, kompetente Unterstützer, die bereit sind, sich non-profit zu engagieren, sind herzlich willkommen.

Wovon lebst Du, wer finanziert Dich, wenn Du Deine ganze Zeit in dieses Projekt investierst? Willst Du mittelfristig mit dem Projekt Geld verdienen?

Ich lebe von Rücklagen, als Filmproduzent habe ich gut verdient und wenig ausgegeben. Ich bin kein materialistischer Mensch, brauche kein Haus, kein Auto, keinen Luxus. Das Projekt ist und bleibt kostenfrei. Ich will weder in Gegenwart noch in Zukunft Geld damit verdienen.

Die Nutzung ist kostenfrei. Wie finanziert sich das Projekt?

Für Leuchtturm 1.0 wurden noch Spenden gesammelt. Den ca.15.000 Euro Kosten standen ca. 12.000 Euro Spenden gegenüber. Der größte Kostenfaktor sind Reisekosten. Aber das ist überschaubar. Es geht mir bei der Aktion um Vertrauen. Und bei Geld hört oft das Vertrauen auf. Ich will, dass das kostenlos bleibt. Und das ist auch möglich. Denn unsere Idee baut auf digitaler Kommunikation und Vernetzung auf. Und die ist heute weltweit nahezu kostenlos.

Gab es aus Deiner Sicht schon Erfolge?

Unser Ziel ist der Beziehungsaufbau, um einen Dialog auf Augenhöhe stattfinden zu lassen. Das braucht Geduld und Kontinuität. Natürlich reagiert die Mehrheit der Journalisten zunächst nicht auf die Einladung. Es hat 20 Wochen gedauert, bis der erste Journalist zu einer Veranstaltung kam. Aber dann beginnen die Gespräche, in denen wir auch über die Versäumnisse des Journalismus im Hinblick auf den Pressekodex sprechen können.

Rund 20 runde Tische sind regional schon zustande gekommen, bei denen Sondierungsgespräche mit verschiedenen Journalisten stattgefunden haben. Bei einem öffentlichen runden Tisch im September waren der Bayrische Rundfunk und die CSU vertreten. Wir sind auf dem richtigen Weg.

Was sind die nächsten wichtigen Schritte?

Das Wichtigste ist die weitere Vernetzung, von Aktivisten, Journalisten und Aktiven im Leuchtturm-Team. Wenn man sich kennt, entsteht Vertrauen, was den friedlichen Dialog fördert. Das nächste Ziel ist es, statt 200 Einladungen wöchentlich 1.000 Einladungen zu versenden. Wir suchen weitere Aktive, die Veranstaltungen melden und ihre regionalen Redaktionen eintragen. Und das möglichst in jedem Land der Welt.

Und was kann der Leser dieses Artikels als nächstes tun?

Viele sind frustriert, weil wir das Ziel in Freiheit und Frieden zu leben noch nicht erreicht haben. Viele wissen nicht, was sie tun sollen. Das Web Tool bietet jedem die Möglichkeit, aktiv zu werden und mitzuarbeiten. Ohne Download oder Registrierung kann man unter https://lstu.fr/mediendialog ins Tun kommen und sich ab sofort an den – weltweiten – Einladungen der Presse zu Veranstaltungen der internationalen Friedensbewegung beteiligen.

In der App kann jeder öffentliche Veranstaltungen eintragen und die lokalen Medien mit einem fertigen Brief in wenigen Minuten einladen – anonym oder als Veranstalter. Eine Stunde pro Woche von zehn Menschen in Wien oder Berlin würden locker reichen, um sämtliche Veranstaltungen in Wien oder Berlin zu erfassen.

Der Journalismus bzw. die Medien haben die Kraft, die Dinge zu verändern. Friedliche Aktivisten und dem Pressekodex verpflichtete Journalisten könnten gemeinsam für eine gerechte Welt sorgen, denn letztlich sind wir Menschen stärker als der digital-finanzielle-militärisch-industrielle Komplex.

Ob wir Erfolg haben, hängt von uns allen, von jedem Einzelnen ab. Gemeinsam können wir das nötige Selbstvertrauen entwickeln unsere Zukunft selbst zu gestalten.

Dann wünsche ich Dir, dass sich möglichst viele Menschen daran beteiligen! Dir und uns allen viel Erfolg.

Beitragsbild: Screenshot Leuchtturm ARD.

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.