„Hunger als Waffe“: Baerbocks gehässige Zwecklüge

„Hunger als Waffe“: Baerbocks gehässige Zwecklüge

Hysterischer Russenhass zerfrisst das letzte bisschen Restverstand / Selbsttäuschung über die tödlichen EU-Sanktionen

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Der öffentlich-rechtliche „Verblödungs“-Journalismus scheut sich schon lange nicht mehr, bei Mangel an stichhaltigen Argumenten lückenfüllenden Schaum zu schlagen. Begründungsarmes Politiker-Gewäsch kriegt sofort eine knallige Verpackung, damit es sich „verkauft.“  Gegenwärtig versuchen unsere Medienschaffenden, mit dem verbalen Dreschflegel „Putin setzt Hunger als Waffe ein“ den Verstand ihres Publikums flachzukloppen. Spätestens, seit sogar Außenministerin Baerbock den Quatsch fehlerfrei nachplappern kann, ist er zum geflügelten Wort in der ohnehin niederträchtigen Ukraine-Kriegsberichterstattung geworden. Den chinesischen Sinnspruch „Wer in die Luft spuckt, kriegt’s wieder ins Gesicht“, muss unsere bildungsfreie Chefdiplomatin ja nicht unbedingt kennen. Aber den urdeutschen Rat, im Glashaus nicht mit Steinen zu werfen, sollte sie besser doch befolgen. Denn nicht Putin setzt den Hunger als Waffe ein, sondern Berlin und Brüssel. Mit tödlichem Erfolg. Zum Beispiel in Syrien. Und in Niger, wo sie Sanktionen nachdrücklich unterstützen, die eine Hungerkatastrophe verursachen werden.

Baerbock hatte bereits im Juni vorigen Jahres auf einer internationalen Konferenz zur Ernährungssicherheit in Berlin behauptet, Russland nutze den Hunger in der Welt „ganz bewusst als Kriegswaffe“. Russland, so wörtlich, „nimmt die ganze Welt als Geisel“. 345 Millionen Menschen weltweit seien derzeit von Nahrungsmittelknappheit bedroht, die Hungerkrise baue sich „wie eine lebensbedrohliche Welle vor uns auf“. Aber erst Russlands Krieg habe „aus dieser Welle einen Tsunami gemacht“. (ebd.)

Die plumpe Absicht ihrer Hassrede: Breitere Wählerschichten als nur die kriegsfreudigen NATO-oliv-Grünen emotional „auf Zinne“ bringen. Im Verlass auf das tiefsitzende Revanchebedürfnis wegen der Niederlage Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion und auf das „neue deutsche Selbstbewusstsein“. Auch eine gedankliche Verbindung zu den aktuell kräftig verteuerten Lebensmitteln lässt sich damit anregen. Zugleich könnte die Lüge (bei häufiger Wiederholung) Baerbocks fehlgeschlagene Sanktionspolitik – „Russland ruinieren“ – übertünchen. Deren negative Folgen bekommen wir derzeit ja selbst nachhaltig zu spüren.

Der Kampf gegen Hunger und Elend in der Welt ist überdies durchaus keine Herzensangelegenheit unserer regierenden Schmuckstücke. Beim erwähnten Anlass erklärte Baerbock denn auch: „Die Konferenz ist keine Geberkonferenz, es geht nicht nur ums Geld.“ Vielmehr müssten sich die ärmeren Länder besser gegen Krisen wappnen. Soll heißen: „Helft euch selbst, dann hilft euch Gott“. Deutschland gibt sein Geld – inzwischen mehr als 22 Milliarden Euro – lieber für Waffenlieferungen an die Ukraine und als Schmiermittel für dortige Politkriminelle und Oligarchen aus. Dabei wären nur 14 Milliarden Dollar jährlich nötig, um den Hunger endgültig – weltweit – zu besiegen. Merke: Moral ist, wenn es trotzdem kracht.

Ohne Sinn und Verstand

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber bringt den volksverhetzenden Schmarren „Russland setzt den Hunger als Kriegswaffe ein“ unkommentiert, gleichgeschaltet und sprachgeregelt immer wieder unters dafür zahlende Volk. Er bestätigt sich damit als Lautsprecheranlage des Berliner Regimes und dessen Washingtoner Vorgesetzten. Angesichts des moralisierenden Entrüstungs-Glibbers, den unsere journalistischen Hofschranzen über die Schreibtische in Hamburg (ARD-aktuell), Mainz (ZDF-heute) und Köln (DRadio, DW) gegen satte Rundfunkgebühr an die Kundschaft weiterreichen, wird es zunehmend schwieriger, Immanuel Kants Aufforderung zu beherzigen: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“.

Probieren wir‘s bitte mal mit folgender Überlegung: Keines der direkt oder indirekt am Ukraine-Krieg teilnehmenden Länder ist wegen verhinderter ukrainischer Getreidelieferungen vom Hunger bedroht. Der Vorwurf „Hunger als Waffe im Krieg“ trifft somit schon formal nicht. Und, gegen Russland gerichtet, den Falschen: Hungersnot droht zwar einigen Ländern des globalen Südens, allerdings überwiegend jenen, die Russland als Partner betrachtet und als diplomatisch Verbündete zu gewinnen sucht. Präsident Putin hat die Welt denn auch wissen lassen, dass er den ärmsten Ländern Afrikas kostenlos Getreide senden wird. Zugleich erklärte er, Russland könne eventuell ausfallende ukrainische Getreidelieferungen auf dem Weltmarkt ersetzen.

Der globale Getreidemarkt funktioniert eben nicht so eindimensional, wie das Schlagwort „Hunger als Waffe“ glauben machen soll. Der Markt reagiert auf zahlreiche Impulse, nicht nur solche aus dem politischen Raum. Ein möglicher Versorgungsengpass – mit schweren Folgen für einige Empfängerländer Afrikas – hätte jedoch zwei Hauptverursacher, und auf beide hat Russland nicht den geringsten Einfluss. Umgekehrt wird dagegen ein Schuh draus:

Die marktbeherrschenden globalen Getreidehändler.

Sie wollen ihre Geschäfte in und mit der Russischen Föderation drastisch zurückfahren. Einer Statista-Prognose zufolge soll Russland bei den Weizenexporten in der kommenden Saison 2023/24 zwar an erster Stelle bleiben, jedoch an Getreide insgesamt fast ein Viertel weniger als heuer ausführen. Die internationalen Agrarhändler Cargill, Louis Dreyfus und Viterra haben bereits zum Juli dieses Jahres ihren Getreideexport aus Russland eingestellt. Ihr Anteil am russischen Getreideexport wird auf 16 Prozent geschätzt. Dass sie mit ihrem Rückzug globale Versorgungsengpässe erzeugen und Getreidepreise auf dem Weltmarkt in die Höhe treiben können, versteht sich von selbst.

USA und EU, Initiatoren der völkerrechtswidrigen Sanktionen.

Auch die sollen Russlands Getreideexport soweit möglich blocken. Einer der dazu eingesetzten Hebel ist, Russland aus dem vom Westen dominierten Kommunikationssystem SWIFT für den internationalen Zahlungsverkehr auszuschließen, „um den Kreml von der Weltwirtschaft abzuschneiden“.  Davon betroffen ist auch Russlands staatliche Landwirtschaftsbank. Sie kann den Zahlungsverkehr für den russischen Getreideexport nicht mehr abwickeln.

Nutznießer und Mondgucker

Am Rande sei noch vermerkt: Während des inzwischen „toten“ Schwarzmeer-Abkommens verließen tatsächlich nur 725 000 Tonnen Weizen die ukrainischen Häfen in Richtung der am stärksten vom Hunger bedrohten Länder Äthiopien, Jemen, Afghanistan, Sudan, Somalia, Kenia und Dschibuti. Ein Klacks, mehr nicht.  Insgesamt erreichten gerade mal 2,5 Prozent des ukrainischen Getreideexports die wirklich notleidenden Länder.

Sogar die Tagesschau meldete: „44 Prozent (des ukrainischen Getreideexports) gingen an reiche Länder, 3 Prozent an arme Länder.“ Den Löwenanteil am Getreide aus der Ukraine sicherten sich Spanien, China und die Türkei. Mit einigem Abstand folgten Italien und die Niederlande. Gegen den ukrainischen Getreideexport opponierten jedoch etliche andere EU-Länder, weil er ihre nationalen Märkte unter Druck setze. Bis heute herrscht in der EU heftiger Zoff über ein deshalb verfügtes Importverbot.

Weltweit werden jährlich allein rund 800 Millionen Tonnen Weizen produziert. Etwas mehr als 190 Millionen Tonnen gehen in den Export. Die fünf größten Anbieter waren zuletzt Russland, die EU, Australien, Kanada und die USA. Erst auf dem sechsten Platz folgte die Ukraine. Ihr Anteil am Weltmarkt lag bei 8 Prozent. Dem Regime in Kiew ist künftig zwar der Getreideexport per Schiff übers Schwarze Meer verwehrt, es bleibt ihm aber noch die Ausfuhr über Land. Der partielle Exportausfall ist für die Ukraine schmerzlich, sein Anteil am Weltmarkt jedoch viel zu klein, als dass er dort Versorgungsengpässe erzeugen und in einigen Ländern gar Hungersnöte herbeiführen könnte. Andere Exportländer treten an die Stelle der Ukraine.

Getreidepreistreiber

Indien zum Beispiel. Der zweitgrößte Weizenproduzent weltweit, wollte eigentlich von der Knappheit profitieren und wäre nur allzu gerne als Ersatzlieferant eingesprungen. Premier Modi hatte im vorigen Jahr versprochen, eine mögliche Versorgungslücke zu füllen. Schon bald verfügte er stattdessen jedoch ein Exportverbot, um den sprunghaften Preisauftrieb im eigenen Land zu stoppen. Drohende Ernteausfälle wegen einer Hitzewelle hatten die Kehrtwende erzwungen. Modis Absage ließ den Weizenpreis prompt sprunghaft ansteigen.

Andere Getreideexporteure trugen ebenfalls dazu bei, die aktuellen Preise hoch zu halten. In den USA trat dabei ein Neidmotiv zutage. 28 Mitglieder des US-Kongresses hatten in einem Brief geklagt: „Amerikanische Rohstoffproduzenten sind gegenüber ihren Konkurrenten klar im Nachteil, vor allem aus Indien, wo die Regierung mehr als die Hälfte des Produktionswertes für Reis und Weizen subventioniert, anstatt der 10 Prozent, die erlaubt sind nach den Regeln der Welt-Handelsorganisation (WTO).“ Natürlich reagierten die Getreidebörsen auf diesen Protest.

Den G7-Agrarministern passte die indische Subventionspolitik ebenfalls nicht, nur begründeten sie ihre Ablehnung anders. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, bis zum Kragen abgefüllt mit Selbstüberschätzung: „Wir haben alle miteinander, gerade die großen Exportnationen, auch eine Verantwortung für den Rest der Welt“, nölte er mit Blick nach Neu-Delhi. „Ich sehe das sehr kritisch“. Tatsächlich galt seine „Sorge“ wohl bloß den deutschen Verbraucherpreisen, er ist schließlich auch für das Ressort Ernährung zuständig. Gardinenpredigten, adressiert an Abwesende, dienen seiner Sorte Politiker bevorzugt als risikoloser Ersatz für fehlende eigene Handlungsbereitschaft.

Strich drunter. Das Profitinteresse hat im Kapitalismus immer Vorrang, auch angesichts möglicher Hungersnöte.

Man sollte meinen, dass sich angesichts der Faktenlage jeder lächerlich macht, der da behauptet, Russland setze den „Hunger als Waffe“ ein. Doch die Baerböcke unserer Tage sind nicht nur aggressiv, sondern auch erkenntnisresistent. Zur reuigen Einsicht, Russland genötigt zu haben, das Getreideabkommen für die Ukraine auslaufen zu lassen, reicht es einfach nicht. Dass Putin versprach, kostenloses Getreide nach Afrika zu liefern, verstärkte noch ihre Abneigung, denn es ließ sie in den Augen der Welt alt aussehen.

Es meckerten vor allem die penetrant russophoben Deutschen: Bundesentwicklungsministerin Schulze sagte dem Evangelischen Pressedienst, „Präsident Putin habe schon zu oft sein Wort gebrochen und wäre jederzeit wieder in der Lage, Weizen als Waffe zu benutzen“. Berliner Spitzenpolitiker legen Wert darauf, intellektuell auf Augenhöhe mit einem Briefkastenschlitz zu bleiben.

Räuberisches, mörderisches US-Regime

Verdrängt und vergessen ist, wie Westliche-Werte-Krieger nach ihren militärischen Niederlagen rachsüchtig mit dem „Hunger als Waffe“ umzugehen pflegen. Die US-Amerikaner nahmen erst jüngst, nach ihrem Rauswurf aus Afghanistan, dessen hungernde Bevölkerung in Kollektivhaft. Sie froren 6,1 Milliarden Euro auf den afghanischen Auslandskonten ein und schlossen Kabul aus dem SWIFT-Bankenzahlungssystem aus. Damit konnte die Taliban-Regierung keine Gehälter mehr auszahlen, keine Medikamente und Lebensmittel mehr importieren. Die Hungersnot – jeder dritte Afghane ist unterernährt – treibt mittlerweile hunderttausende Afghanen zur Flucht.

Knapp die Hälfte des afghanischen Geldes, 3,5 Milliarden Dollar, ließ US-Präsident Biden inzwischen beschlagnahmen, um damit seine Landsleute, „die Opfer des Anschlags vom 11. September zu entschädigen“. Mit diesem Terrorakt hatte Afghanistan zwar nichts zu tun, die Attentäter waren Araber. Aber was schert das schon kriminelle wertewestliche Regimes wie das der USA und ihrer Vasallen.

Ähnlich schlimm wie in Afghanistan ergeht es den Menschen in Syrien. Dort leidet statistisch jeder Zweite an Hunger. Zufolge der EU-Sanktionen kann sich das Land weder ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgen, noch lebenswichtige Medikamente und andere Bedarfsgüter beschaffen. Sein Öl, den Reichtum des Landes, beuten zurzeit die USA aus. Sie haben die Förderanlagen im Nordosten besetzt, organisieren den Raub und illegalen Transport in den Irak und beteiligen eine kurdische Clan-Elite an den Verkaufserlösen.

Hungermacher

Syrien war ja einst eine Kornkammer des Nahen Ostens. Jetzt plündern die USA die Getreideernte und schmuggeln das Raubgut über die Grenze nach Irak. Es schert sie nicht im Geringsten, dass sie damit das Überleben ungezählter syrischer Kinder opfern. Bei Gelegenheit völkerrechtswidriger und kriegsverbrecherischer US-Bombardements auf die zivile syrische Infrastruktur geht auch schon mal ein Getreidespeicher in Trümmer, und das lebenswichtige Gut in Flammen auf.

Unserem staatstragenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist Syriens Elend trotzdem schon lange kaum noch eine Nachricht wert. Dabei könnte man die US-amerikanische Besatzerbande wie die verantwortlichen EU-Sanktionäre mit Grund beschuldigen, den „Hunger als Waffe“ einzusetzen. Die Politik Washingtons: Die syrische Bevölkerung so lange darben lassen, bis sie revoltiert und ihren Präsidenten Assad stürzt. Dazu spendet die Mischpoke von deutschen Staats- und Konzernjournalisten gemeinsam mit den Berliner regelbasierten Ordnungskünstlern Beifall.

Werfen wir noch einen Blick auf die vertragsrechtliche Konstruktion des Abkommens über ukrainische Getreideexporte via Schwarzes Meer.

Im Prinzip handelt es sich nicht um einen üblichen Vertrag mit bindender Wirkung für alle Parteien. Russland hatte vielmehr ein separates Abkommen nur mit der Türkei und mit den Vereinten Nationen unterzeichnet. Getrennt davon hatte sich auch die Ukraine mit der Türkei und den UN vereinbart. Darüber hinaus schloss Russland ein Abkommen mit den Vereinten Nationen zur Sicherstellung eines ungehinderten Exports russischer Agrarprodukte und Düngemittel. Die UN sollten darauf hinwirken, dass der Export dieser Warengruppe nicht mehr infolge der westlichen Russland-Sanktionen beeinträchtigt wird.

Es liegt auf der Hand, dass der Erfolg des Bündels von Abkommen nicht von Vertragstiteln abhing, sondern vom guten Willen aller Beteiligten. Den ließ der Westen aber schmerzlich vermissen. Das Bemühen der UNO, russische Getreide- und Düngemittelausfuhren zu erleichtern, hatte keinen Erfolg. UN-Generalsekretär Guterres und sein Plenum sind gegenüber den Regierungen der USA und der EU nicht nur machtlos, sie müssen ihnen gegebenenfalls sogar Folge leisten.

Profit schlägt Großmut

Als Präsident Putin sich Mitte September vorigen Jahres bereiterklärte, rund 300.000 Tonnen russischer Düngemittel, die aufgrund von Sanktionen in europäischen Häfen festsitzen, kostenlos an die Entwicklungsländer zu liefern, zeigten ihm unsere „Wertewestler“ sogleich den Stinkefinger. Der Dünger, für Russland ohnehin nur noch ein Kostenfaktor, hätte mutmaßlich die Preise der transatlantischen Konkurrenz gedrückt und deren Profit geschmälert. Düngemittel und Weizen sind zwar von den Sanktionen ausgenommen, unterfallen aber schweren Nebenwirkungen der gesamten Sanktionspolitik: Hemmnissen beim Transport und bei der Bezahlung beispielsweise, wie beim schon genannten SWIFT-Ausschluss.

Darüber erfuhr man so gut wie nichts in den Mainstream-Medien, auch nicht vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Erst, als das Abkommen im Juli 2023 nicht erneuert wurde, kamen die deutschen „Hunger-als-Waffe“-Experten wieder aus ihren Löchern. An der Spitze der Propaganda-Front: die Grünen. Cem Özdemir: Putin nehme „die Ärmsten der Armen auf dieser Welt in Geiselhaft für seine grauenhafte Kriegstreiberei“.

Norbert Röttgen, „das eifrigste Masseteilchen des Atlantizismus in der deutschen Politik“, setzte noch eins drauf: „Putin nimmt die hungernden Menschen in Afrika als Geisel, um vom Westen ein politisches Lösegeld zu erpressen. Darum geht es bei der Blockade des Getreideabkommens. Es wiederholt sich die Erpressung, die er schon letztes Jahr unternommen hat.“

Die Qualitätströten der ARD-aktuell bereichern das misstönende Konzert mit maßloser und faktenwidriger Übertreibung. Bei dem Getreideabkommen handele sich um eine „für die weltweite Nahrungsmittelversorgung bedeutende Vereinbarung.“ Dazu passte die tagesschau-typische Falschinformation, die Ukraine habe „mehr als 38 Millionen Tonnen Getreide exportiert, vor allem in ärmere Länder“. Die ARD-aktuell-Nieten widersprechen sich damit auch noch selbst.

Kapitalistisches Profitstreben ist ein wesentlicher Verursacher von Hungersnöten im globalen Süden. Hunger herrscht, weil der Getreidepreis der Börsenspekulation unterliegt. Unseren Regierenden ist es jedoch bei Strafe ihres Amtsverlustes – gegebenenfalls sogar ihres Lebens – verwehrt, den Börsenhandel mit Nahrungsmitteln zu verbieten. Nicht politische Macht zählt hier, sondern die Macht der Geldelite. Westliche Politiker dürfen nur mit der heuchlerischen Bezichtigung „… Putin setzt den Hunger als Waffe ein!“ auf den Widersacher losgehen.

Zu guter Letzt: Der SWIFT-Ausschluss Russlands, des weltweit bedeutendsten Getreideexporteurs, und andere seinen Handel beeinträchtigenden Sanktionen sind lange vor dem 24. Februar 2022 abgekartet worden. Maulheld Olaf Scholz: „Über Monate hinweg haben wir die Sanktionen bis ins kleinste Detail vorbereitet, damit sie die Richtigen treffen, damit sie wirken“, tönte er im März 2022 vor dem Bundestag in Berlin. Getroffen werden jetzt aber nicht nur russische, sondern auch ukrainische Bauern. Wer sind nun „die Richtigen“? Uns‘ Olaf hätte besser den Verstand als „Waffe“ eingesetzt. Soweit verfügbar – und soweit er sich „erinnern“ kann…

Beitragsbild: Horst Schröder via Pixelio.de

Die Autoren: Friedhelm Klinkhammer (li.) und Volker Bräutigam (re.) währender der Medienkonferenz der IALANA in Kassel. Foto: Claus Stille

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: publikumskonferenz.de/blog

Quellen:

https://www.cashkurs.com/beitrag/peter-scholl-latour-wir-leben-in-einer-zeit-der-massenverbloedung/

https://www.zlv.lu/db/1/1426659343784/0

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9331

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/lebensmittel-baerbock-101.html

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/putin-lawrow-eu-sanktionen-101.html

https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/krieg-in-der-ukraine/deutschland-hilft-der-ukraine-2160274

https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/was-kostet-eine-welt-ohne-hunger-li.111170

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/baerbock-hunger-waffe-ukraine-krieg-russland-100.html

https://de.statista.com/infografik/27172/anteil-von-russland-und-der-ukraine-an-den-importen-von-weizen-in-entwicklungslaendern/

https://www.welt.de/politik/ausland/article246608412/Afrika-Gipfel-Putin-verspricht-kostenlose-Getreidelieferungen-nach-Afrika.html

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/getreide-odessa-putin-ukraine-krieg-russland-100.html

https://www.netzwerk-lernen.de/Handel-mit-Getreide-Welche-Faktoren-bestimmen-den-Weltmarkt

https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/13/beitrag/getreidehandel-und-exportbeschraenkungen-waehrend-des-ukrainekriegs.html

https://www.agrarheute.com/markt/marktfruechte/russland-versucht-getreide-weltmarkt-bringen-609945

Bücher von Gabriele Krone-Schmalz demnächst im Westend Verlag

Bücher von Gabriele Krone-Schmalz demnächst im Westend Verlag
Der Westend Verlag übernimmt die Bücher „Russland verstehen?“ und „Eiszeit“ von Gabriele Krone-Schmalz in sein Sachbuchprogramm und bringt beide Spiegel-Bestseller als erweiterte Neuausgaben heraus. Westend-Verleger Markus J. Karsten: „Dass wichtige Bücher einer hochverdienten und erfahrenen Journalistin wie Gabriele Krone-Schmalz derzeit nicht lieferbar sind und deren wissensgesättigte Inhalte nicht in die öffentliche Diskussion gelangen, ist nicht gut für die Demokratie. Daher füllen wir diese Lücke.“ Die vielfach ausgezeichnete, ehemalige ARD-Korrespondentin in Moskau kennt das Land wie wenige andere und ist eine Stimme, die in dem russlandpolitischen Dialog nicht fehlen dürfe. „Wir finden es sehr bedenklich, wenn unbequeme Stimmen aus den politischen Diskursen verbannt werden sollen“, so Karsten.

Die Neuausgabe von „Russland verstehen?“ erscheint am kommenden Montag, den 4. September, mit einer aktuellen, einordnenden Einleitung, Anfang Oktober folgt dann die Neuausgabe von „Eiszeit“. Gabriele Krone-Schmalz dazu, dass ihre Bücher dann wieder regulär im Buchhandel erhältlich sind: „Auf meinen Veranstaltungen gibt es eine rege Nachfrage nach diesen Titeln, da das Bedürfnis nach Informationen rund um diesen Krieg enorm ist.“ Der konzernunabhängige Westend Verlag feiert im Januar 2024 seinen 20. Geburtstag und belegt mit prominenten Autorinnen und Autoren seit Jahren vordere Plätze auf den einschlägigen Bestsellerlisten: Aktuell stehen die Bücher von Jacques Baud, Jonas Tögel und Sven Plöger auf der Bestellerliste Sachbuch Paperback.

Frankfurt, der 31.8.2023

Rüdiger Grünhagen

Geschäftsleitung Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Quelle: Westend Verlag GmbH

Beitragsbild: Claus Stille; Gabriele Krone-Schmalz auf einer Medientagung der IALANA in Kassel.

Bericht und Videos zum Vortrag von Florian D. Pfaff, Major a.D., zum Thema „Friede und Sicherheit mit anschließendem, politisch divers besetztem Podium

BERICHT ZUM VORTRAG VON FLORIAN D. PFAFF, MAJOR a.D., ZUM THEMA ‚FRIEDE UND SICHERHEIT‘ MIT ANSCHLIESSENDEM, POLITISCH DIVERS BESETZTEM PODIUM

Am 05.08.23 lud der Frankfurter Kreisverband der Partei dieBasis ins Volkshaus nach Enkheim/Frankfurt am Main zu dieser in mehrfacher Hinsicht brisanten Veranstaltung ein, die, ihrer Ankündigung folgend, zweiteilig aufgezeichnet wurde:

1. Florian Pfaffs Vortrag setzte an bei den Ursprüngen seiner einerseits ganz persönlichen, andererseits hochpolitischen Auseinandersetzung mit der Bundeswehr, die in ihrer aus seiner – gut begründeten – Sicht völkerrechtswidrigen Beteiligung am Irakkrieg in 2003 wurzeln. Auch wenn Pfaff die sich hier anschließenden Prozesse eindeutig hatte gewinnen können, so zeigte er doch auf, dass sich die Bundeswehr in mehrfacher Hinsicht mitnichten an diese Urteile hielt, weder auf personeller Ebene („Beförderungssperre“, „Degradierung“) noch bzgl. ihrer ‚Interpretation‘ und ihres Umgangs mit der elementar juristischen bzw. ethischen Ausrichtung ihres verfassungsgemäßen Auftrags – und dass ihre darin zum Ausdruck kommende Verfasstheit wiederum keinerlei juristische Konsequenzen nach sich zog, wie man es in einer auf Rechtsstaatlichkeit und Grundgesetztreue sich berufenden Demokratie doch sollte erwarten können.

Doch damit nicht genug: Daran anschließend präsentierte Pfaff dem wohl größten Teil der deutschen Öffentlichkeit noch unbekanntes Material, das zwei weitere zentrale Institutionen unseres Staatswesens, nämlich die Mainstream-Medien sowie, nicht zuletzt, unsere politische Führung der groben Einseitigkeit, der Zensur und darüber hinaus stellenweise gar der Desinformation überführte; dies mit Hilfe (übrigens nicht ausschließlich) alternativ-medialer, aber ‚dennoch‘ belegter Darstellungen von diversen, diesen Krieg betreffenden Ereignis- bzw. Berichtszusammenhängen sowie anhand entsprechender Originalquellen.

Ohne das gegen Ende des Vortrags ausdrücklich zu erwähnen, gelang Pfaff überdies, das von ihm eingangs beschriebene, teilweise äußerst bedenkliche Verhältnis der Bundeswehr zum ‚geltenden Recht‘, quasi indirekt sowie völlig unaufgeregt, als bis in die Gegenwart fortdauernd nachzuweisen: Denn diese Bundeswehr agiert, abgesehen von den mahnenden und warnenden Hinweisen einiger weniger dort Andersdenkender und daher seit deren ‚Coming-Out‘ Aussortierter, bis dato strikt als (schweigend) zustimmender oder gar ausführender Arm einer gerade im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg bis zur Peinlichkeit mit zweierlei Maß messenden sowie monokausal und wie ferngesteuert handelnden Ampelregierung, die trotz heftiger Dysfunktionalitäten noch immer vorwiegend auf ‚(oliv-) grün‘ steht.

2. Das Podium wiederum zeichnete sich zunächst durch eine politisch erfrischend diverse Besetzung aus: Neben Pfaff diskutierten Klaus Hartmann, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Freidenkerverbandes, Wolfgang Hübner, langjähriger Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender der Partei ‚Bürger für Frankfurt‘ (BFF), die aus ‚klassischer‘ Sicht klar dem rechten Spektrum zuzuordnen ist, sowie ich selbst von der Freien Linken Hessen Süd in einer respektvollen und freundlichen, jedoch auch von kritischem Geist getragenen Atmosphäre.

Die Runde kam zwar mehrfach auf Inhalte und thematische ‚Vorlagen’des Vortrags zurück, spannte jedoch einen großen inhaltlichen Bogen zu verschiedensten Aspekten des gegenwärtigen Zustands unserer Gesellschaft sowie zu aktuellen Entwicklungen im globalen Ringen um die zukünftige gesellschaftspolitische und ökonomische Ausrichtung der Welt.

Thematisiert wurde zudem die zerfaserte Verfasstheit der diversen Bestandteile der deutschen Friedens- und Freiheits- bzw. Grundrechtebewegung (und ich möchte hinzufügen: Dieser besorgniserregende Zustand trifft auf viele weitere – eigentlich mit einem emanzipatorischen, gemeinwohlorientierten Anspruch auftretende – zivilgesellschaftliche Organisationen, Gruppen und Vereine sowie gar Parteien in ganz ähnlicher Weise zu, sei es in deren jeweiligen Innen- oder Außenverhältnissen oder in beidem): Denn u.a. durch listige, öffentlich-rechtlich finanzierte Breitband-Inszenierungen der immergleichen ‚Spiel-nicht-mit-den-Schmuddelkindern‘-Motivik (in den beliebten Geschmacksstufen ‚Nazi-Keule grob‘, ‚derb rechtsradikal‘, ‚profan rechts‘ und ’nach rechts offen‘ bzw. ’nicht vollständig abgeschottet‘) gleicht jenes für gesellschaftlichen Fortschritt eigentlich überaus wichtige Milieu zunehmend einem arg zerfurchten, mit Antisemitismus-Tretminen übersäten und mittels etlicher, teilweise gar sich überschneidender Frontlinien chaotisch zugerichteten Rübenacker übelster Sorte.

Dem setzte das Podium geschlossen die dringende Notwendigkeit entgegen, auf möglichst breiter Basis, also auch unter Einbeziehung mit der herrschenden Kriegspolitik nicht einverstandener Mitglieder aller Parteien, möglichst ausgrenzungsfreie, d.h. nicht parteipolitisch oder ideologiedogmatisch dominierte Symposien, Kongresse und/oder Konferenzen zu organisieren, um sich möglichst verbindlich auf wesentliche Kernforderungen zu verständigen. Dies sei eine eminent wichtige Etappe auf dem steinigen Weg, in diesem Land, mindestens angesichts der immer weiter eskalierenden Kriegs- und der damit zunehmend verwobenen sozialen Frage, eine einfach nicht mehr – zumindest nicht mehr massen-‚glaubhaft‘ – ignorier-, diskreditier- und kriminalisierbare Massenbewegung herauszubilden, um der kruden und geschichtslosen Kriegstreiberei à la Baerbock, Strack-Zimmermann, Jens Stoltenberg und ähnlichen Gestalt*Innen schließlich und endlich ein Ende zu setzen.

Zudem brachte die eher großzügig angelegte Einbeziehung des engagierten Publikums noch einige neue und auch wesentliche Aspekte mit in die Diskussion bzw. auf’s Podium.

Erfreulicherweise war der KV Frankfurt der Basis meiner Anregung zur Ausrichtung eines Podiums im Anschluss an den Vortrag wie auch meinen Vorschlägen zu dessen Zusammensetzung gefolgt, wofür ich mich hiermit nochmals bedanken möchte. Denn auf diese Weise kamen immerhin einmal mehr Stimmen von ‚links‘ und ‚rechts‘ auf derselben Bühne zu Wort bzw. ins Gespräch; die Anführungsstriche freilich sind quasi unabdinglich, da die so bezeichneten Adjektive – gerade in den letzten Jahren, wenn auch kaum aus Sicht des Mainstreams (sic!) – eine enorme inhaltliche Ausfransung bzw. Konturlosigkeit erfahren haben; denn sie tragen ganz erstaunliche – und von den politischen Entscheidungsträgern sowie deren Beratern zumeist auch bewusst herbeigeführte, bis heute konsequent aufrechterhaltene – Mehrfach-Brüche, z.T. auch regelrechte inhaltliche Umkehrungen in sich; eben diesen beiden Phänomenen gilt es, gerade in künftigen demokratisch-politischen Diskursen, die diese Bezeichnung auch verdienen (wollen), konstruktiv auf den ideologie- und narrativ-kritischen Grund zu gehen.

Es ist jedoch exakt diese ‚Kulturtechnik‘ eines ausgrenzungs- und diskriminierungsfreien Dialogs zwischen Repräsentanten erkennbar unterschiedlicher politischer Positionen, die in diesen seltsamen letzten Jahren, auffällig gegensätzlich geprägt durch Entmutigung/Apathie/Unterordnung auf der einen und Angsterzeugung/Panikreaktion/Aktionismus auf der anderen Seite, immer mehr unterdrückt worden bzw. verschwunden ist; doch genau diese ‚Technik‘ – in Wahrheit unverzichtbarer Wesensbestandteil jeder demokratischen Gesellschaft – müssen wir dringend wiederbeleben bzw. stärken, wenn wir, als aufgeklärte(re) Friedens- und Demokratiebewegung, künftig wirklich erkennbar wachsen wollen.

Lasst uns mit Herz und Verstand die Kontaktschuld-Erzählungen allmählich durchschauen. Lassen wir sie anders enden als in immer neuen Spaltereien, in empörter Sprachverwirrung oder gar hasserfüllter Sprachlosigkeit.

Jan Veil | 25.08.23

Beitragsbild: Claus Stille

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Video vom Vortrag von Florian D. Pfaff.

Video von der Podiumsdiskussion.

Stark-Watzinger ist Sprachpanscher 2023

Forderung nach Englisch als Behördensprache stieß übel auf

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger erweitert die Reihe der Politiker, die zum Sprachpanscher gewählt worden sind. 55 % der abgegebenen Stimmen entfielen auf sie. Stark-Watzinger wird damit von den VDS-Mitgliedern für ihren nachlässigen Umgang mit der deutschen Sprache ausgezeichnet.

Mit Stark-Watzinger erhält erstmals ein Vertreter der FDP diesen Titel. Sie will gemeinsam mit ihrer Partei durchsetzen, künftig in deutschen Behörden Englisch als Verwaltungssprache einzuführen. Das solle „ausländischen Fachkräften den Behördengang erleichtern“, heißt es. „Das ist nicht nur ein teures und bürokratisches Projekt, vielmehr entwertet es die Stellung der deutschen Sprache“, sagt Prof. Walter Krämer, Vorsitzender des VDS, „Arbeitskräften aus dem Ausland signalisiert das doch nur: Ihr müsst gar kein Deutsch lernen, das braucht ihr nicht. So wird Integration gegen die Wand gefahren.“

Auf Platz 2 wählten die VDS-Mitglieder eine weitere Politikerin, Julia Willie Hamburg, die niedersächsische Kultusministerin. Sie befürwortet, dass Lehrer während des Unterrichts eine vermeintlich „gendergerechte“ Sprache verwenden sollen. Dass sie damit gegen Rechtschreibregeln verstößt und Schülern eine Sprachform zumutet, die von der Bevölkerung deutlich abgelehnt wird, ignoriert Hamburg. Die Personalberatung Kienbaum Consults International liegt auf Platz 3, sie scheint die deutsche Sprache generell für überflüssig zu halten. Laut ihr ist „People Sustainability“ angeblich „The Next Chapter for Organizations“.

Den 4. Platz erreicht Prof. Dr. Martin Eberle, der Direktor der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK), die seit dem 1. Mai allerdings „Hessen Kassel Heritage – Museen, Schlösser, Parks“ heißt. „Wer Kunst sprachlich entfremdet, indem er ihr einen englischen Namen gibt, zeigt, wie wenig ihm am Interesse der Museumsbesucher gelegen ist“, so Krämer, „das ist umso peinlicher, als dass sich die Stadt Kassel mit dem sprachlichen Erbe der Brüder Grimm schmückt.“ Mittlerweile wurde auch beim Hessischen Landtag eine Petition gegen die Umbenennung eingereicht. Den 5. Platz erreicht die Schnellimbisskette McDonald’s, die mit Denglisch-Konstruktionen wie „Spice, wie du ihn likest“ für Kopfschütteln sorgt.

Der Negativ-Preis „Sprachpanscher des Jahres“ wird seit 1997 verliehen, er zeichnet Personen oder Institutionen für besondere sprachliche Fehlleistungen aus.

Quelle: vds-ev.de

Wenn der Mainstream über Faule und Fleißige debattiert, ist was faul

Sind faule Arme am Niedergang der Wirtschaft schuld? Und sind Reiche immer fleißig? Wie in jeder Krise kocht der Mainstream die Debatte gerade hoch. Wieder will man damit weiteren Sozialabbau rechtfertigen. Doch was ist dran an der Propaganda und wem dient sie wirklich?

Von Susan Bonath

Während Corona füllten sich Pharmakonzerne die Taschen, nun brummen das Kriegsgeschäft und die Energie-Abzocke. Lukrative Sonderprofite für Waren von zweifelhaftem gesellschaftlichem Nutzen sprudeln vor allem aus dem Steuertopf in Windeseile auf die Konten mächtiger Kapitaleigner. Nur um die Sozialtöpfe steht es schlecht. Geht es nach der Bundesregierung, soll die Rente bald unter dem Diktat von Aktiengewinnen stehen, die soziale Daseinsvorsorge weiter zusammengestrichen werden.

Und während die Reichen reicher und die Armen mehr werden, gehen sich die Lohnabhängigen mal wieder gegenseitig an die sprichwörtliche Gurgel. Geschürt und befeuert von Medien, Politikern und Wirtschaftsverbänden ist eine altbekannte Debatte neu entflammt: Sind Arme arm, weil sie faul sind? Ja, suggeriert der Mainstream mal mehr, mal weniger offen.

Das ist eine alte Masche. Man erinnere sich an die Hetzkampagnen gegen „Florida-Rolf“ und „Mallorca-Karin“, mit denen die Bild vor der Einführung von Hartz IV zu einer Menschenjagd gegen Arme trommelte. Die Herrschenden wissen, dass sie mit solchen Kampagnen den strapazierten Nerv überausgebeuteter Niedriglöhner, dauerkonkurrierender Statusakrobaten und frustrierter Bullshit-Jobber zielgenau treffen.

Je bedrängter sich Menschen fühlen, je aussichtsloser sie im Hamsterrad des monopolkapitalistischen Arbeitsmarktes strampeln und je ungewisser sie ihre Zukunft bewerten, desto mehr neigen sie dazu, nach unten zu treten. So lenken die Propagandisten trefflich von den Verursachern dieser Lage ab.

Die Erzählung von fleißigen und faulen Knechten gehört zur simpelsten Propaganda-Masche der Herrschenden aus ihrem Baukasten mit der Aufschrift „teile und herrsche“. Sie ist viel älter als Gerhard Schröders „Hängematten-Theorie“ und Franz Münteferings fehlerhaftes Bibelzitat, wonach nicht essen solle, wer nicht arbeitet. Es ist Zeit, über Faulheit und Arbeit nachzudenken.

Faulsein – ein Privileg der Reichen

Merkwürdigerweise wird Faulheit stets den Armen, aber nie den Reichen vorgeworfen, also jenen Millionen- und Milliardenerben, die heute hierhin, morgen dorthin jetten, sich mal an diesem, mal an jenem Strand sonnen und unfassbar viel Zeit für Partys, Lovestorys, Eklats und Lifestyle zu haben scheinen. Niemand fragt, wer ihre Villen putzt und wann sie endlich mal selbst arbeiten gehen.

In der früheren Linken gab es einen Demo-Spruch: „Bonzen in die Produktion“. Wer heute Reiche auf diese Weise öffentlich der Faulheit bezichtigt, kann auf den Shitstorm warten: Man sei bloß neidisch auf das Erbe, oder wahlweise zu faul, sich selber anzustrengen. Ganz so, als wären alle Milliardäre mit ihrer eigenen Hände Arbeit so reich geworden.

Eine Reinigungskraft etwa, die zum heutigen Mindestlohn von zwölf Euro arbeitet, müsste für ihre erste Million rund 90.000 Stunden schuften. Das wären 11.250 Achtstunden-Tage in rund 540 Monaten oder 45 Jahren. Das Problem: Sie hat noch nichts gegessen und ihre Miete nicht bezahlt. Um diese Summe zu sparen, müsste sie also ihr ganzes Leben lang in zwei Vollzeitjobs arbeiten. Die Früchte ihrer Schufterei könnte sie ganz sicher nicht genießen. Fleiß ist also nicht unbedingt der Grund für exorbitanten Reichtum.

Faulheit als Triebkraft des Fortschritts

Eigentlich ist Faulheit gar nichts Schlechtes. Hätte der Mensch nie faul sein wollen, liefe er vermutlich heute noch als Neandertaler mit Faustkeil, Speer und Fellumhang durch europäische Wälder (der Neandertaler möge mir verzeihen). Nie wäre der Mensch auf die Idee gekommen, sich hinzusetzen und darüber nachzudenken, wie er sich das Leben leichter machen kann.

Der Mensch wollte sich schon immer von Arbeit befreien. Er erfand Werkzeug, Netze und das Rad, später dann Maschinen, Flugzeuge und Computer, um fauler sein zu können. Und Faulheit war auch nötig, um die Dinge zu erfinden. Dazu braucht man nämlich Ruhe zum Nachdenken. Schröders „Hängematte“ wäre dafür ein perfekter Ort. Man kann mit ziemlicher Gewissheit behaupten: Faulheit war und ist die stärkste Triebkraft für den technologischen Fortschritt.

Das heutige Ergebnis des menschlichen Faulheitsstrebens ist beachtlich: Fließbänder und Roboter besorgen einen Großteil der Produktion fast autonom. Der faule Mensch lässt Computer für sich rechnen, Maschinen für sich arbeiten, Algorithmen für sich denken.

Wäre die Welt gerecht, müsste wohl jeder nur noch zwei, drei Stunden täglich wirklich arbeiten. Doch wie alle Herrschaftsordnungen ist der Kapitalismus nicht gerecht. Während sich Vermögende die Früchte des Faulheitsstrebens gönnen, treiben sie Arme mit der sprichwörtlichen Peitsche zur Arbeit, besser gesagt: zur Lohnarbeit. Davon können die Malocher nicht genug leisten. Denn wie der Focus jüngst suggerierte: Selbst Frührente und Teilzeitarbeit seien einem mysteriösen Faulheitsvirus geschuldet.

Gute Arbeit, schlechte Arbeit

Denn Lohnarbeit ist eben nicht gleich Arbeit. Sie ist nur jener Teil der Arbeit, die Menschen ohne eigene Produktionsmittel an deren Eigentümer verkaufen müssen, um zu überleben. Und letztere gewinnen dadurch immer, indem sie sich den Mehrwert dieser Fremdarbeit aneignen.

Dabei spielt es keine Rolle, welchen Nutzen die Produkte, die dabei herauskommen, für die Otto-Normal-Gesellschaft haben. Egal, ob Waffen oder Brot, mRNA-Impfstoffe oder Blutdruckmessgeräte, Heroin oder Kinderspielzeug: Was immer lukrativ verkauft werden kann, beschert auch Arbeitsplätze auf der einen, Profit auf der anderen Seite.

Nun gibt es zum einen Arbeit, die sehr schlecht bezahlt wird, weil sie keinen unmittelbaren Profit für irgendwen abwirft. Dazu gehören viele soziale Jobs, also etwa in der Pflege und der Jugendsozialarbeit. Hinzu kommen unzählige sogenannte Bullshitjobs, die kein Mensch wirklich braucht. Man denke an die Werbeindustrie, die Produktion von Plastikplunder, so einige Verwaltungsposten oder an die Faktenchecker.

Und schließlich ist für eine funktionierende Gesellschaft jede Menge Arbeit nötig, die keiner bezahlt: Haushalt, Familie, Kinder, die Pflege Angehöriger, Nachbarschaftshilfe und solche Dinge. Man stelle sich einmal vor, von einem Tag zum anderen fielen alle Mütter aus. Das würde eine unfassbare gesellschaftliche Katastrophe nach sich ziehen. Ob die wohl auch anstünde, fielen plötzlich alle Börsenspekulanten oder vom Steuerzahler alimentierten Minister aus?

Aber der alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern, die Bürgergeld bekommt, wird schon mal Faulheit unterstellt. Obwohl sie vermutlich mehr arbeitet als Bundesfinanzminister Christian Lindner und erst recht als jeder Börsenspekulant. Niemand käme wohl auf die Idee, letztere der Faulheit zu bezichtigen, selbst dann, wenn sie den lieben langen Tag in der Hängematte auf ihrem Grundstück lägen.

Märchenonkel der Profiteure

Das Problem liegt auf der Hand: All die überbezahlten Propagandisten, Hetzer und Markt-Mystiker haben die Begriffe Arbeit und Faulheit nach ihrem Gusto einfach umdefiniert. Fleißig sind in ihrer Erzählung nur jene Armen, die ergeben bis zum Umfallen dem Kapitalmarkt dienen und dafür sorgen, dass Profite in die Taschen einzelner sprudeln. Die Reichen aber brauchen nur die Hand aufhalten und kassieren, um als fleißig zu gelten.

Man sollte die Promoter von Geschichten über Fleißige und Faule als das benennen, was sie sind: Märchenonkel im Dienst der Profiteure, die nur eins bezwecken: Die Lohnabhängigen zu spalten und dadurch jeden aussichtsreichen Widerstand gegen die Verhältnisse zu verunmöglichen. Man werfe einen Blick in die USA mit ihren wachsenden Slums, um zu sehen, wohin der Weg ohne Widerstand von unten im angeblich „freiheitlich-demokratischen“ Westen auch hier noch führen könnte. Selbst für den Mittelstand ist das die wohl schlechteste Option.

Quelle: RT DE

„20 Jahre Whistleblower-Preis“. Das Buch wurde gestern in Bremen vorgestellt

Auf einer Hybridveranstaltung wurde am gestrigen Abend im „Goldenen Saal“ der Villa Ichon in Bremen das Buch „20 Jahre Whistleblower-Preis. Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen?“ (Hrsg. Gerhard Baisch, Hartmut Graßl, Bernd Hahnfeld und Angelika Hilbeck) vorgestellt.

Der Whistleblower-Preis

«Zur Ehrung mutiger WhistleblowerInnen wird seit 1999 alle zwei Jahre der Whistleblower-Preis gemeinsam von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) und der IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht gestiftet. Der Preis wird vergeben an Persönlichkeiten, die – häufig unter Inkaufnahme beträchtlicher Risiken für Arbeitsplatz und Karriere – Missstände aufdecken und nach außen bekannt machen, welche ihnen in ihrer dienstlichen oder amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Der Whistleblower-Preis soll eine Form des Zuspruchs, der Anerkennung, der Ermutigung und der Solidarität zum Ausdruck bringen, die Bürgerinnen und Bürger mit großer Zivilcourage brauchen, wenn sie die zahlreichen Belastungen und Schwierigkeiten im privaten und beruflichen Umfeld sowie die Anfeindungen und Zumutungen im öffentlichen Raum nicht nur auf sich nehmen, sondern auch aushalten und ohne dauerhafte Beschädigung durchstehen wollen.« (Quelle: Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW)

Die Whistleblower-Preisträger finden Sie hier, liebe Leser.

Nach den einleitenden Worten von Gerhard Baisch wurde an den 2019 verstorbenen Juristen Dr. Dieter Deiseroth erinnert, ohne den es sicher denn Whistleblower-Preis nicht gegeben hätte. Aus dem Nachruf des VDW seinerzeit: «Als engagiertes VDW-Mitglied, Initiator und Treiber des Whistleblower-Preises sowie der Whistleblower-Publikationen bleibt Dieter Deiseroth uns in lebendiger Erinnerung. Seine Expertise, Präzision und Aufrichtigkeit haben dem Whistleblower-Preis das Format der unantastbar gültigen Entscheidung geschenkt.«

Vorgestellt wurde das Buch von Prof. Wolfgang Däublerunter dem Thema „Whistleblower – Helden oder Verräter?“.Anschließend fand eine Diskussion mit den Herausgebern statt.

Die Veranstaltung von IALANA Deutschland e.V. – Vereinigung für Friedensrecht, deutsche Sektion der IALANA – International Association of Lawyers against Nuclear Arms – gemeinsam mit der VDW – Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. wurde unterstützt vom Bremer Friedensforum.

Seit 1999 haben IALANA und VDW jeweils alle zwei Jahre herausragende Whistleblowern mit dem Whistleblower-Preis geehrt. Dadurch sollte ihnen öffentlich Anerkennung für ihr mutiges Handeln ausgesprochen und gezeigt werden, dass die Gesellschaft auf Menschen wie sie angewiesen ist, um geheim gehaltene Fehlentwicklungen und Missstände zu erkennen und um deren Behebung einzufordern oder anzugehen. Geehrt wurden insgesamt 18 Whistleblowern, u.a. Alexander Nikitin (nukleare Verseuchung des Nordmeers), Margrit Herbst (BSE-Skandal), Daniel Ellsberg (Pentagon-Papiere zum Vietnam-Krieg), Brigitte Heinisch (Altenpflegemängel), Liv Bode (Borna-Virus), Rainer Moormann (Kugelhaufen-Reaktor), Chelsea Manning (US-Kriegsverbrechen), Gilles-Eric Seralini (Gesundheitsgefahr durch Glyphosat), Edward J. Snowden (Prism), Can Dündar (Erdoğan unterstützt IS mit Waffen) und Martin Porwoll (Krebsmedikamente ohne Wirkstoff).

Anbei mein Bericht über die Whistleblower-Preisverleihung 2017.

Das Buch enthält selbständige Beiträge zu den einzelnen Preisträgern, meist mit Interviews und ergänzenden Darstellungen der Folgen ihres Whistleblowings. Es folgt eine Genese des Hinweisgeberschutz-Gesetzes, das Anfang Juli 2023 in Kraft getreten ist.

Wolfgang Däubler legte in Bremen dar, ob und inwieweit die neuen Regelungen Whistleblower tatsächlich schützen können. Er und seine Mitdiskutanten waren sich allerdings darin einig, dass das Hinweisgeberschutz-Gesetz in seiner derzeitigen Fassung nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Lesen Sie dazu einen kritischen Artikel von Peter Nowak im neuen Deutschland: «Hinweisgeberschutzgesetz: Zu wenig Hilfen für Whistleblower«

Nichtsdestotrotz machte Wolfgang Däubler potentiellen Whistleblowern Mut sich mit aller Vorsicht bemerkbar zu machen.

Er schlug etwa vor sich an zuverlässige und vertrauensvoll agierende Journalisten zu wenden, welche den Whistleblowern Anonymität und Schutz zusichern. Eigentlich für Journalisten ein Muss. Diese Journalisten könne man noch immer finden.

Allerdings ließen andere Wortmeldungen auf der Veranstaltung gewisse Zweifel daran aufkommen. Zumindest kommen die einen eingedenk des Zustands des heutigen Journalismus (der Vierten Gewalt!) und der sogenannten „Qualitätsmedien“.

Das Buch eröffnet insbesondere durch die Interviews einen Blick auf die oft schweren Schicksale, welche die geehrten Whistleblower:innen nach ihrem Alarmgeben erlitten haben. Bewundernswert ist, dass fast alle ihr Handeln nicht bereuen, sondern wieder so handeln würden. Ihre Schilderungen legen auch bloß, an welchen Punkten der nötige Schutz erweitert werden muss.

Hier die Videos von der Veranstaltung

Teil 1
Teil 2

Zum Buch

20 Jahre Whistleblower-Preis

Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen?
Herausgeber: Baisch, Gerhard; Hilbeck, Angelika; Hahnfeld, Bernd; Graßl, Hartmut

Machen Mitarbeiter:innen Fehlverhalten in Betrieben, Behörden und Regierungen öffentlich, ist das oft ein Wendepunkt in ihrem Leben. Diese Whistleblower oder Hinweisgeber, seit 1999 im zweijährigen Rhythmus mit dem Whistleblower-Preis vom deutschen Flügel der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) ausgezeichnet, berichten in Interviews über ihr Leben nach der Preisverleihung. Was ist aus den weltweiten Plänen für Kugelhaufenreaktoren geworden, sind Maßnahmen zur besseren Kontrolle von Apotheken für Krebsmedikamenteergriffen worden, ist Glyphosat verboten, die unkontrollierte Überwachung durch Geheimdienste gestoppt, der Pflegenotstand gemildert worden? In den Interviews durch Jurymitglieder sagen fast alle Preisträger:innen, dass sie sich trotz der oft andauernden Anfeindungen wieder so verhalten würden. Das Buch schließt mit einer kritischen Beurteilung des Weges hin zu einem Hinweisgeberschutzgesetz in Deutschland und ist dem Initiator des Whistleblower-Preises, Dr. Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht, gewidmet.

Produktdetails

Preis: 49,00 €

  • Wissenschaft in der Verantwortung Nr.7
  • Verlag: BWV Berliner-Wissenschaft / Berliner Wissenschafts-Verlag
  • Artikelnr. des Verlages: 700005550
  • Seitenzahl: 396
  • Erscheinungstermin: 27. Juli 2023
  • Deutsch
  • Abmessung: 227mm x 154mm x 27mm
  • Gewicht: 590g
  • ISBN-13: 9783830555506
  • ISBN-10: 3830555504
  • Artikelnr.: 6835179

AN ALLE GEWERKSCHAFTSMITGLIEDER insbesondere aber an die Delegierten des Ver.di-Bundeskongresses SAGT NEIN!

AllgemeinGewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden

Nachdem der DGB-Bundeskongress 2022 auf Betreiben des DGB-Bundesvorstandes und unter Bruch unserer Satzungen und Beschlüsse das „Ja! zu Waffenlieferungen beschlossen hat, soll dies jetzt auf Initiative des ver.di-Vorstandesunterstützt durch den Gewerkschaftsrat auch auf dem ver.di-Bundeskongress nachvollzogen werden: Ja! zu einer Kriegslogik, die unter dem Deckmantel eines sogenannten „umfassenden Sicherheitsbegriffs“ ausdrücklich „militärische Sicherheit“, indirekt  „Auf- und Hochrüstung“  und Kriegseinsätze auch deutscher Soldat:innen befürwortet – „was zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung erforderlich ist“ und  das alles unter der den wahren Kern verschleiernden Überschrift: „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch“.  (Alle in Anführung gesetzten kursiven Passagen sind Originaltext des Leitantrages )

Mit vielen Worten und dem Appell an die „besondere Verantwortung“ der Regierenden garniert, sollen die DelegiertEn die Hand heben für den Schulterschluss der Gewerkschaften mit der deutschen Regierung, insbesondere für die militärische Unterstützung der Ukraine. Heute sind dies Waffenlieferungen bis hin zu weltweit geächteten Streubomben, morgen können das schon Soldat:innen sein!

Das 100 Milliarden-Hochrüstungsprogramm wird nur teilweise abgelehnt, weil es „ausschließlich für die Bundeswehr“ ist; weil dieselbe Regierung nach wie vor unbeirrt und ungeniert mit demselben neoliberalen Austrocknungsprogramm der Öffentlichen Daseinsvorsorge fortfährt, so wie alle ihre Vorgängerregierungen; die „Auf- und Hochrüstung der Bundeswehr und NATO“ soll lediglich „nicht grenzenlos“ sein.

Das ist der finale Kniefall vor militaristischer Logik und das genaue Gegenteil von unserer elementaren gewerkschaftlichen Grundüberzeugung: Uns eint die Ablehnung eines Denkens in militärischen Kategorien. Diese wird in das Gegenteil verkehrt durch die Einfügung eines kleinen Wortes:„Uns eint die Ablehnung eines Denkens in rein militärischen Kategorien.

Wir, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter von ver.di, IG Metall und anderen DGB-Einzelgewerkschaften, wenden uns an die DelegiertEn des ver.di-Bundeskongresses:

SAGT NEIN! 
Hebt Eure Hand nicht für einen erneuten Schulterschluss der Gewerkschaften mit dem deutschen Kriegskurs!

Wir haben nicht vergessen, was 1914 geschah: Die Gewerkschaftsführungen in ganz Europa schickten unter Bruch aller vorherigen Beschlüsse ihre Mitglieder in den Krieg – angeblich `gegen den russischen Despoten-Zaren`tatsächlich aber für den Profit von Krupp, Thyssen und Co. Konsequenterweise wurde in `Wahrnehmung der nationalen Verantwortung für Volk und Vaterland` der sogenannte `Burgfrieden` erklärt, und jede Klassen- und Arbeitskampfauseinandersetzung eingestellt, die Streikunterstützung ausgesetzt.

SAGT NEIN!
zum Leitantrag für den ver.di-Bundeskongress

  • der mit seinem `Ja! zu Waffenlieferungengegen unsere Satzung verstößt, die uns in § 4, Ziff 3, lit. i dazu verpflichtet „militaristische Tendenzen )zu(bekämpfen“, und alle unsere bisherigen klaren und deutlichen Beschlusslagen gegen Waffenlieferungen missachtet.
  • der mit seinem `Ja! zu Auf- Und Hochrüstung`gegen unsere Grundsatzerklärung verstößt und damit unsere tausendmal bekräftigte Haltung für `allgemeine Abrüstung` und das `Recht aller Menschen auf Schutz vor Verfolgung, Folter und Krieg` zum `Geschwätz von gestern`
  • der so tut, als sei mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine erstmals seit 1945 wieder Krieg in Europa, und damit den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 `übersieht`, die unter deutscher Beteiligung 78 Tage lang Tag und Nacht bombardiert

Wer dies alles `vergisst` macht sich zum Teil der deutschen Kriegspartei. Wer meint, es gehe bei den aktuellen Kriegen weltweit um `Freiheit` oder `Diktatur`, `Aggression` oder `Selbstverteidigung` oder gar um `Völker- und Menschenrecht`, ist der beiderseitigen Kriegspropaganda bereits auf den Leim gegangen. Um all das ging es in der Geschichte noch nie und geht es eben gerade nicht.

Darum lasst uns an den Beschlüssen der vergangenen Jahre festhalten.
Keine Waffenlieferungen! Keinerlei Aufrüstung! …
sondern Abrüstung – SOFORT!
Unsere Haltung ist und bleibt antimilitaristisch und international
.

Für uns kann es als Lehre aus der eigenen Geschichte nur einen Beschluss geben:

  • Unsere Zukunft ist nicht an der Seite der deutschen Regierung oder irgend einer anderen Kriegspartei.
  • Unsere Zukunft ist an der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter, diein Italien und Griechenland gegen Waffenlieferungen kämpfen, und an der Seite der Kolleg:innen in Frankreich, Großbritannien und weltweit, die immer wieder gegen den Krieg und die Abwälzung der Krisen- und Kriegskosten auf uns Alle streiken.
  • Unsere Solidarität gehört den Arbeiter:innen, Kriegsdienstverweiger:innen, Deserteur:innenund den Flüchtlingen aus und in der Ukraine, Russland, Belarus und weltweit!

Offener Bruch mit dem «sozialen Frieden» der Herrschenden:
WIR ZAHLEN NICHT FÜR EURE KRIEGE!
WAFFEN RUNTER – LÖHNE RAUF!

Dafür lasst uns gemeinsam und organisiert kämpfen!

Erstunterzeichner:innen: Heinz Assenmacher, ver.di, Bonn – Renate Bayer, Mtgld. ver.di- LBzV Bayern, LFBV FB C, VLL TU München, München – Pablo Bonta, BR-Vors. MMC Studios, Köln – Andreas Buderus, ver.di / ZAKO, Berlin – Clare Daly, MdEP (GUE/NGL), Dublin – Gregor Falkenhain, ehem. ver.di-Gewerkschaftssekretär, Solingen – Gaby Gedig, AK  gegen rechts in ver.di, München – Ingrid Greif, ver.di BuKo-Delegierte, München – Barbara Haase, ver.di-BuKo-Delegierte, München – Stefan Hetzler, ver.di-VLL MVG/SWM Verkehr, München – Kerstin Hohner, ver.di, sv. GPR-Vors. AOK Bayern, Bamberg   Angela Keil, ver.di, Köln – Hedwig Krimmer, Gewerkschaftssekretärin i.R., Mitinitiatorin von „Wir widersprechen“ 2013/2014, München – Albert Leuschner, ver.di- Orts- und BzV Eckernförde/Nordwest, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Rieseby – Alfons Lukas, ver.di-LBzV Hamburg, Hamburg – Andreas Münnich, AK  gegen rechts in ver.di, München – Robert Neumayer,  ver.di BuKo-Delegierter, Mtgld. ver-di BzV München, VLL Postbank München, München – Hinrik von Normann, ver.di, Bonn – Tobias Pflüger, ver.di, ehem. MdB u. MdEP (LINKE), München – Margit Rötzer, Mtgld. ver.di- OVV Regensburg, Regensburg – Jürgen Scheidle, ver.di, Bonn – Ulrich Schneider, ver.di/ZAKO, GEW, Bundessprecher VVN – BdA, Generalsekretär der FIR – Bund der Antifaschisten, Kassel – Peter Schrott, Mtgld. ver-di Bundessenior:innenV, Berlin – Gudrun Uszkoreit, Mtgld. ver.di-Senior*nnen, München – Mick Wallace, MdEP (GUE/NGL), Wexford –  Jürgen Wagner,  geschäftsführendes Vorstandsmitglied Informationsstelle Militarisierung IMI, Tübingen  Günter Wangerin, Maler und Grafiker,  VBK in ver.di, München –  Frank Weidermann, GdS, Erfurt – Steffen Wieland, ver.di, Chemnitz – Mag Wompel, LabourNet Germany, Bochum – Irene Zeyn-Haben, ver.di, Düsseldorf – Informationsstelle Militarisierung (IMI), Tübingen

Aufruf zu Unterschriften

Weitere Infos: Home | Sagt NEIN!

Quelle: Gewerkschaftsforum.de

Aufruf zum Schutz der Pressefreiheit. Bündnis fordert Freilassung von Julian Assange

IPPNW-Pressemitteilung vom 17. August 2023

Julian Asange, August 2014, Whistleblower

Die angespannte Situation um den Journalisten Julian Assange erreicht einen kritischen Punkt. Mit einem in Kürze erwarteten Urteil über das Berufungsverfahren vor dem Britischen High Court droht dem australischen Staatsbürger täglich die Abschiebung in die USA. In einer gemeinsamen Stellungnahme der deutschen Sektionen der ärztlichen und juristischen Friedensorganisationen IPPNW und IALANA appellieren die beiden Verbände an die Bundesregierung, insbesondere an Außenministerin Annalena Baerbock, sich gegenüber der US-Regierung energisch gegen eine Auslieferung von Assange auszusprechen.

„Wir fordern die Bundesregierung auf, um der Pressefreiheit willen und zur Rettung des zu Unrecht wegen der Veröffentlichung ihm zugespielter Informationen verfolgten Journalisten Assange in klaren Worten bei US-Präsident Biden gegen die drohende Auslieferung zu protestieren und die Beendigung des Strafverfahrens gegen Assange zu fordern“, heißt es in dem heute veröffentlichten Aufruf von IPPNW und IALANA.

Julian Assange kämpft seit mehr als einem Jahrzehnt gegen seine Auslieferung in die USA, wo ihm ein unfairer Prozess und unbegrenzte Isolationshaft drohen. Nach ärztlicher Untersuchung zeigt Assange Anzeichen von psychischer Folter und leidet unter der Einzelhaft. Experten warnen vor einer erhöhten Suizidgefahr im Falle einer Abschiebung.

„Während Assange nach unserem Verständnis sich keiner Straftat schuldig, sondern im Gegenteil für die Demokratie und für den Frieden verdient gemacht hat, wird er schon jetzt dafür bestraft, schwere Kriegsverbrechen ans Licht gebracht zu haben. Von seiner Ehefrau wissen wir, dass seine Gesundheit infolge der Haftbedingungen bereits schwer beeinträchtigt ist. Das ist aus juristischer, humanitärer und medizinischer Sicht ein Skandal und darf nicht hingenommen werden“, so der Arzt und International Councilor der deutschen IPPNW, Dr. Helmut Lohrer.

Mit dem anstehenden Urteil im Berufungsverfahren ist die Lage für Julian Assange derzeit ernster denn je. Die Initiative von IPPNW und IALANA ruft zu diesem Anlass zur Solidarität auf und fordert ein klares Zeichen der Bundesregierung: für die Freiheit von Julian Assange und die Wahrung der Pressefreiheit.

Der Aufruf wird getragen von den deutschen Sektionen der International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW Deutschland) und International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA Deutschland).


Kontakt:

Frederic Jage-Bowler (Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), jagebowler[at]ippnw.de, +49 30 69807415

Weitere Informationen:
Der Aufruf in voller Länge (Deutsch): https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/2023_Aufruf_IALANA_IPPNW_Assange_DE.pdf
Der Aufruf in voller Länge (Englisch): https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/2023_Appeal_IALANA_IPPNW_Assange_EN.pdf
IPPNW-Flyer „6 Fakten zu Julian Assange“: https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/6_Fakten_zu_Julian_Assange.pdf

Beitragsbild: Claus Stille; Aktion für die Freilassung von Julian Assange in Dortmund

Pressemitteilung der Neuen Gesellschaft für Psychologie zur Hausdurchsuchung bei Prof. Bauer

Die Neue Gesellschaft für Psychologie hat mit Erschrecken von der empörenden Tatsache erfahren, dass gegen einen ihrer Freunde und Kollegen, Prof. Dr. Rudolph Bauer, am 10. August 2023 eine Hausdurchsuchung durch teils bewaffnete und mit Schutzwesten ausgestattete Durchsuchungsbedienstete durchgeführt worden ist.


Die empörende Begründung lautet: „Durch die faktische Gleichsetzung von demokratisch legitimierten Maßnahmen mit dem menschenverachtenden Vorgehen im Nationalsozialismus hat er in besonders verachtenswerter Weise die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen verharmlost.“


Bauers Vergehen ist es, in Wort und Bild vor der Gefahr der Faschisierung der Gesellschaft zu warnen. Mit „Verharmlosung des Nationalsozialismus“ aber will man ihm einen Straftatbestand anlasten – ein Vorgehen, was häufig angewandt wird, um die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit zu verdecken. Vor allem in diesem Fall ist dieser Vorwurf an Unsachlichkeit und Unverschämtheit kaum zu überbieten.


Rudolph Bauer, emeritierter Professor und Künstler, zu unterstellen, er habe – „die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen verharmlost“, grenzt an die Fantasie eines Unberechenbaren; ihm, den man als Antifaschisten der ersten Stunde bezeichnen könnte, lange bevor der Antifaschismus Staatsräson wurde – um damit zu einer Totschlagswaffe gegen jegliche Form von Kritik am staatlichen Handeln gewendet zu werden.


Als Professor hat er Generationen von Studenten antifaschistische Haltung gelehrt und vorgelebt. Dokumentiert ist diese vorbildliche Arbeit in unzähligen Veröffentlichungen in renommierten wissenschaftlichen Verlagen.
Als Künstler hat er in beeindruckenden Arbeiten von hoher künstlerischer Qualität gesellschaftskritische Sichtweisen vermittelt.


Als eingeladener Referent auf dem letzten Kongress der NGfP 2022 hat er in einem brillanten Grundsatzreferat die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge der aktuellen Situation entfaltet.
Ihm vorzuwerfen, er verharmlose Handlungen, die er bisher entschieden kritisiert hatte, ist nur unter der Annahme einer um 180 Grad gewendeten politischen Haltung der Verantwortlichen zu erklären.
Sie zeigen damit nur, welches Verständnis von Antifaschismus sie zugrunde legen: nämlich eines, mit dem sie ihr eigenes politisches Handeln gegen Kritik immunisieren wollen, und eben nicht am Maßstab des antifaschistischen „nie wieder!“ orientieren können oder wollen. Im Gegenteil, sie leisten der Entstehung faschistischen Gedankenguts und Haltung Vorschub.


Gegen diese Gefahr wendet sich auch die Neue Gesellschaft für Psychologie. Sie wendet sich deshalb entschieden gegen die Diffamierung und Verfolgung kritischer Wissenschaftler, die ihre Aufgabe darin sehen und unbeirrt verfolgen, sich selbst mit ihrer Arbeit und ihrer Persönlichkeit gegen diese Entwicklungen zu stellen.
Wir fordern deshalb die Verantwortlichen auf, Professor Rudolph Bauer vollumfänglich zu rehabilitieren und sich zu entschuldigen.

Der Vorstand der Neuen Gesellschaft für Psychologie
Benjamin Lemke, Conny Stahmer-Weinandy, Klaus-Jürgen Bruder und Almuth Bruder-Bezzel

Quelle: PM Neue Gesellschaft für Psychologie

Beitragsfoto via Weltnetz.tv