„Das Zeitalter der Idiotie – Wie Europa seine Zukunft verspielt“ von Ramon Schack – Rezension

Der Titel des hier zu besprechenden Buches sprach mich ad hoc an. Und wer in den letzten Jahrzehnten wach durchs Leben gegangen ist, dem müsste es genauso ergehen. Heißt: Wer noch selbst zu denken pflegt und sich nicht von vielen Medien – welche heute statt Journalismus fast nur noch Propaganda liefern – hat weit hinter die Fichte führen lassen.

Der Titel „Das Zeitalter der Idiotie“ hätte besser nicht gewählt werden sein können. Sagt er doch alles!

Die Wahl des Titels wurde durch ein Interview inspiriert, das Ramon Schack mit Peter Scholl-Latour führte

Dazu der Autor Ramon Schack im Vorwort zum Buch: «Diese Titelwahl wurde inspiriert von einem Interview, welches ich mit Peter Scholl-Latour anlässlich seines neunzigsten und letzten Geburtstages geführt habe. Das war am 9. März 2014.

Dieser große Chronist eines Zeitalters sagte damals: „Wir leben in einem Zeitalter der Massenverblödung, besonders der medialen Massenverblödung.“ Und weiter meinte er, und das gab dem Interview eine beklemmende Aktualität: „Wenn Sie sich einmal anschauen, wie einseitig die hiesigen Medien, von taz bis Welt über die Ereignisse in der Ukraine berichten, dann kann man wirklich von einer Desinformation im großen Stil sprechen, flankiert von den technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, dann kann man nur feststellen, die Globalisierung hat in der Medienwelt zu einer betrüblichen Provinzialisierung geführt. Ähnliches fand und findet ja bezüglich Syrien und anderen Krisenherden statt.“« Anbei: Interview von Ramon Schack mit Peter Scholl-Latour via Telepolis.

Inzwischen wurde alles noch schlimmer

Ja, dass war schon damals fürchterlich. Und jetzt ist es in Sachen Ukraine noch viel schlimmer geworden. Erst recht im derzeitigen Gaza-Krieg. Da müssen wir von einem „Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt. Zur internen Nutzung“ lesen, das dieser Tage den NachDenkSeiten zugespielt worden war: 44 Seiten Sprachregelung der ARD zum Nahostkonflikt – ein unglaublicher Skandal“. Unfassbar. Empörend. Eine Anleitung, wie man zu berichten hat! Es geht also immer noch schlimmer! Peter Scholl-Latour ist dergleichen gottlob erspart geblieben.

Ramon Schack – zuletzt mit Scholl-Latour befreundet – schaute sich vieles von ihm ab

Apropos Peter Scholl-Latour. Der Journalist und Politikwissenschaftler Ramon Schack schreibt in seinem Buch „Begegnungen mit Peter Scholl-Latour“, dass er den großen Journalisten vor vielen Jahren zufällig getroffen hatte und mit ihm ins Gespräch gekommen war. Wenn ich ehrlich bin, beneide ich Schack um dessen persönliche Begegnung mit Peter Scholl-Latour. Von ihrer ersten Begegnung hatten sich beide über die Jahre – bis nahezu zum Tode Scholl-Latours im Jahre 2014 – immer wieder getroffen. Aus der Begegnung erwuchs ein beruflicher Kontakt, eine gute Bekanntschaft und später sogar eine Freundschaft.

Um die Welt zu verstehen, muss man sie auch kennen, sie gesehen und mit den Menschen gesprochen haben

Der Verlag schreibt: «Ramon Schack hat seinerzeit mit Scholl-Latour Gespräche geführt und sich vieles bei ihm abgeschaut. Vor allem aber lernte er von ihm: „Um die Welt zu verstehen, muss man sie auch kennen, sie gesehen und mit den Menschen gesprochen haben. Das ist das A und O des aufklärenden Journalismus. Heutzutage bilden sich Meinungsmacher in der Regel ihre Vorurteile aus den Ansichten anderer. Sie kennen das World Wide Web und meinen, das sei die Welt. Es ist nicht mehr üblich, vor Ort zu recherchieren und zu beschreiben, was dort geschieht.«

Diese Journalisten nennt der Journalist und Autor Patrik Baab „Sitzjournalisten“. Wie treffend!

Zugleich fühlen sich die meisten dieser Schreiberlinge einem fragwürdigen „Haltungsjournalismus“ verpflichtet. (Was wohl bemerkt nicht heißen soll, dass man als Journalist keine Haltung haben soll.)

Diese Art Journalisten haben sich eine Weltanschauung zusammengebastelt, ohne die Welt – wohl in den meisten Fällen – wirklich angeschaut zu haben. Als Vierte Gewalt agieren viele deutsche Medien im Grunde genommen gar nicht mehr.

Ramon Schack zitiert aus einer Aussage von Sabina Lietzmann (1919-1995), der ehemaligen Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: «Den >Gesinnungsjournalismus> bezeichne ich auch als >Müll-Journalismus> nach dem Motto. >Wir wühlen einfach so lange im Müll der anderen, bis wir etwas Verwertbares finden.> Ich betrachte diese Art von Journalismus – neben der Werbung und der Statistik – als die dritte legal betriebene Variante der großen gesellschaftlichen Lügen unserer Zeit. Sie ist jedoch auch die gefährlichste, weil Gesinnungsjournalismus zu einem Machtinstrument geworden ist.« (S.13)

Ramon Schack hat die Welt angeschaut und vermittelt uns ein wahrhaftiges Bild von Ländern und Leuten

Die Welt anzuschauen! Ramon Schack hat das im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen getan. Einige der dabei entstandenen Reportagen sind in diesem lesenswerten und interessantem Buch versammelt.

Schack hat keinen ideologisch vorgefertigten, betonierten Blick auf die Welt. Er schaut vor Ort genau hin. Und er spricht dort mit den Menschen. Seine journalistische Neugier ist erfrischend, weil seine Leser daran teilhaben und letztlich davon profitieren können. So vermittelt er uns wahrhaftiges Bild von Ländern und Leuten. Und er geht seine Reportagen ohne Vorurteile an und indem er sich bemüht, Menschen in ihren Lebenslagen zu verstehen und dementsprechend zu zeichnen.

Für uns Leser ist das wohltuend. Zudem lernen wir so manches dazu. Das tut auch der Autor. Er betätigt sich nicht als Besserwisser aus dem Westen, der die einzig wahre Formel zu glauben besitzt, nach der Menschen auf anderen Kontinenten und in anderen Ländern selig zu machen wären.

Das ist angenehm, weil es davon viel zu wenig bis nichts mehr gibt im derzeitigen Journalismus im „Zeitalter der Massenverblödung“, von welchem Schacks Vorbild Scholl-Latour einst schrieb. Ja, Schack hält sogar das alte Spiegel-Motto hoch, das dessen Gründer Rudolf Augstein postuliert hatte, nämlich „Sagen, was ist“, welches das einst als „Sturmgeschütz der Demokratie“ bezeichnete Nachrichtenmagazin allerdings selbst längst mit Füßen tritt.

Die EU hat die Chance verspielt, als Kontinent des Ausgleichs und der Stabilität zu wirken“

Ramon Schack hat richtig erkannt: „Europa ist heute von schwelenden und offenen geopolitischen Konflikten umrundet – von Nordafrika über den Nahen und Mittleren Osten, dem West-Balkan, dem Südkaukasus und der Ukraine. Dazu die Konfrontation mit Russland und wachsend zur Volksrepublik China. Die EU hat die Chance verspielt, als Kontinent des Ausgleichs und der Stabilität zu wirken.“ (S.11)

Schack moniert, dass es Brüssel nicht hinbekam, sich als eigenständiger Akteur zu positionieren. Was es aber seiner Meinung nach gemusst hätte.

Wir merken es doch alle: Stattdessen erleben wir die EU (und besonders Deutschland) als Vasall Washingtons.

„Auch“, streicht Ramon Schack heraus, „wurde die Welt nicht «westlicher« oder «demokratischer«. Stattdessen vermehrten sich die gescheiterten Staaten («failed states«), das Modell des Westens wurde (und wird) immer unattraktiver und inzwischen selbst in seinen Kernländern von den eigenen Bürgern zunehmend in Frage gestellt.“

Schack weiter treffend: „Es besteht zudem kein Zweifel, dass seit Beginn des Bürgerkrieges in der Ukraine 2014, insbesondere aber seit dem Februar 2022, in den etablierten Medien des Westens eine Einseitigkeit vorherrscht, welche vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen ist.“

Nicht zuletzt wird via Ramon Schacks Reportagen auch klar, dass die Menschen in anderen Ländern kaum etwas mit besonders von unserer, m.E. völlig fehl besetzten Außenministerin Baerbock, gebrauchten Begriffen wie „wertegeleitete Außenpolitik“ und „feministische Außenpolitik“ anfangen können.

„In der Tat: Wenn Journalisten darum eifern, die blödsinnigen, leichtfertigen und gefährlichen Äußerungen der höchsten Diplomatin der Republik zu verteidigen anstatt kritisch nachzufragen, dann wird dieses Machtinstrument sichtbar“, schreibt Schack. (S.14)

Schack gelingt es zu erläutern, weshalb wir in diesem Zeitalter der Idiotie leben

Basierend auf seinen Reisen, die Schack „in den vergangenen Jahren an die entferntesten und unterschiedlichsten Schauplätze der Welt geführt haben, auf fünf Kontinenten, flankiert von Beobachtungen, Begegnungen und Analysen im Alltag“, gelingt es ihm meines Erachtens, (…) „zu erläutern, weshalb wir in diesem Zeitalter der Idiotie leben – vor allem aber, weshalb wir aus diesem wieder herauskommen müssen“.

Schack: „Indem ich meine, die Welt so zu beschreiben, wie sie ist, kritisiere ich natürlich jene, die sie so darstellen, wie sie ihrer Meinung nach wäre. Und die sich dann wundern, wenn jene, die ihre Arbeit rezipieren, sich darüber erregen, dass die Realität und Widerspiegelung dieser vermeintlichen Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Woran mag das wohl liegen?“ (S.15)

Reportagen, die in den Jahren 2014 bis 2023 entstanden sind, sind im Buch versammelt

Das Buch hebt mit Reportagen über Sri Lanka (Juli 2023) an, führt uns nach Kasachstan (Juni 2023), Ägypten (Februar 2023), Europa und Asien – Vom Nordirak nach Niedersachsen – (Dezember 2018 bis Oktober 2022), erzählt von einem „Besuch in Bad Oldesloe“ (Mai 2022), berichtet über „Weihnachten bei den Peschmerga“ Irak, Dezember 2018), Indonesien (Mai 2019), Malaysia (Juli 2019), Neuseeland (Mai 2018), Ecuador (Dezember 2017), El Salvador (Oktober 2017), Cleveland/Ohio (Juni 2017), Iran (Juli 2016), Äthiopien (Dezember 2014), Peking, Moskau, Ulan Ude und Irkutsk (Sommer 2014) und schließt mit einer Reportage im Südkaukasus (Armenien und Aserbaidschan, April 2014).

Durch die Bank sind alle Reportagen hochinteressant. Ramon Schack hat mit Passanten und Zufallsbekanntschaften unterwegs oder mit Taxifahrern oder Ladenbesitzern gesprochen und ihnen manch interessante Äußerung oder Erzählung entlockt. Wir erfahren, welche Ansichten die Menschen haben oder welche Erfahrungen sie in ihrem Leben gemacht haben. Wir lesen darüber, wie sich Ländern im Vergleich zu früheren Aufenthalten Schacks dort entwickelt haben.

Und Schacks Reportage fördern auch zutage, wie man in anderen Erdteilen unseren eigenen Kontinent Europa wahrnimmt.

Aufklärender Journalismus vom Feinsten! So etwas müssen wir heute regelrecht mit der Lupe suchen. Bei Ramon Schack finden wir ihn!

Interessante Analysen im Epilog und eine offerierte Lösung dafür, sich aus der Idiotie zu befreien

Im nicht weniger interessantem Epilog zu seinem Buch erinnert Schack u.a. an John Carey, von dem das 1996 erschienene Werk „Hass auf die Massen“ stammt. Carey habe die Auffassung vertreten, „dass durch die Alphabetisierung der Unterschichten die Kunst sich in den Elfenbeinturm zurückgezogen habe, um ihr Alleinstellungsmal zu betonten und zu bewahren“. (S.217)

Er habe damit auch den Beweis dafür geliefert, „dass die Arroganz der britischen Oberschicht jener Zeit ihren Widerhall auch in der Ideologie der extrem völkischen Bewegungen der Zwischenkriegszeit in Europa fand“. Weiter: „Diese Tatsache wird in der zeitgenössischen (westlichen) Geschichtsschreibung konsequent ignoriert oder verleugnet.“

Haben also „die heutigen Eliten in der westlichen Welt eventuell ebenfalls gewisse Vorbehalte gegenüber der Aufklärung der Massen“, fragt sich Schack.

„Wir wissen ja: Die öffentliche Meinung ist die veröffentlichte Meinung.“

Es folgt eine bedenkenswerte Analyse von welt- und innenpolitischer Erscheinungen in den vergangenen Jahren.

Am Beispiel von Besuchen von Bundeskanzler etwa in Südamerika, um Rohstoffe für die Energiewende zu beschaffen, welche durch Großkonflikte mit Russland und China (durch Berlin selbst verschuldet) ausfallen und ersetzt werden müssen. Schack: „Die Erfahrungen und Rahmenbedingungen, welche den Besuch des deutschen Kanzlers begleiteten, waren Ausdruck einer Idiotie, mit der die Eliten Europas und des transatlantischen Westens operieren.“ (S.224)

Ramon Schack zitiert Außenministerin Baerbock, wie während ihres Besuches in Washington äußerte: «Als Europäer haben wir keine stärkeren Partner als die USA.« Ramon Schacks richtige Beurteilung ihres Sagers: „Da sieht man gleich, wer Koch, wer Kellner ist.“

Die BRICS-Staaten hätten ihrer jeweiligen Erklärung deutlich gemacht, „dass die vom Westen propagierten strategischen Entwürfe, welche unter die Begriffe «Regelbasierte Ordnung« oder «Werteorientierte Außenpolitik« fallen, als das erkannt wurden, was diese sind – nämlich Instrumente zur Aufrechterhaltung der westlichen Hegemonie. Darum werden sie abgelehnt.“

Auch hier wieder spricht Ramon Schack aus, was ist: „Das Zeitalter, in dem Europa der Welt Befehle erteilen konnte, ist schon lange vorbei. Auch die Epoche, wo der Schulterschluss Brüssels mit Washington Sicherheit und Stabilität für den altehrwürdigen Kontinent verhieß, sofern das denn jemals der Fall gewesen sein sollte.“

Genauer: „In den geopolitischen Instituten von Hanoi, Vientiane und Phnom Penh wird die EU kaum noch als eigenständiger weltpolitischer Akteur wahrgenommen, sondern nur noch als Werkzeug Washingtons.“

Was Politiker sich nicht zu sagen wagen, bringt Ramon Schack auf folgende Formel: „Es ist höchste Zeit, dass sich Europa außen- und verteidigungspolitisch von den USA emanzipiert, um den neuen globalen Realitäten und Kräfteverhältnissen gerecht werden zu können. Nur so könnte auch die Idiotie, die unser Zeitalter belastet, überwunden werden.“

Welcher Mensch, der nüchtern und überlegt denkt, würde das bestreiten?

Sehen wir Anhaltspunkte, dass das passieren könnte? Derzeit leider nicht. Der Westen läuft mit sturem Kopf immer wieder gegen Wände.

Ein Weiter-so wäre nicht nur idiotisch, wenn nicht gar selbstmörderisch. Europa verspielt nämlich seine Zukunft. Tacheles geredet: Wir drohen abzusandeln.

Mein Resümee: Ein wichtiges Buch, worin gesagt wird, was ist. Unbedingte Leseempfehlung. Weitersagen!

Ramon Schack

Das Zeitalter der Idiotie

Wie Europa seine Zukunft verspielt

234 Seiten, 12,5 x 21 cm, broschiert
mit Abbildungen

sofort lieferbar

Buch 18,– €

ISBN 978-3-360-02813-6

Ramon Schack

Ramon Schack, Jahrgang 1971, geboren in Kiel, aufgewachsen in Bad Oldesloe, Studium in Hamburg (Politische Wissenschaft und Osteuropastudien). Nach längerem Aufenthalt in London seit 2003 freier Journalist in Berlin, schreibt u. a. für die Neue Zürcher Zeitung, Die Welt, Süddeutsche Zeitung, Berliner Zeitung, neues deutschland, Handelsblatt, Financial Times Deutschland, Das Parlament und den Tages-Anzeiger etc., seit 2018 moderiert er den Video-Podcast Impulsiv TV.

»Das Zeitalter der Idiotie. Wie Europa seine Zukunft verspielt« erscheint im Verlag edition ost, einem Imprint der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

Zum Buch

Peter Scholl-Latour, der Altmeister der journalistischen Reportage, lieferte vor etwa zehn Jahren den Titel für dieses Buch. Der umtriebige, weltläufige Reporter mit dem klaren analytischen Blick ist lange tot, das von ihm so bezeichnete Zeitalter jedoch noch nicht vergangen. Im Gegenteil.

Ramon Schack hat seinerzeit mit Scholl-Latour Gespräche geführt und sich vieles bei ihm abgeschaut. Vor allem aber lernte er von ihm: Um die Welt zu verstehen, muss man sie auch kennen, sie gesehen und mit den Menschen gesprochen haben. Das ist das A und O des aufklärenden Journalismus. Heutzutage bilden sich Meinungsmacher in der Regel ihre Vorurteile aus den Ansichten anderer. Sie kennen das World Wide Web und meinen, das sei die Welt. Es ist nicht mehr üblich, vor Ort zu recherchieren und zu beschreiben, was dort geschieht.

Schack hingegen tut es. Seine hier versammelten Reportagen von allen Erdteilen offenbaren zum einen, wie man dort unseren Kontinent Europa wahrnimmt. Zum anderen: Der Westen hinterließ vielerorts materielle wie moralische Trümmer beim Missionieren. Und darum ist sein Wirtschafts- und Lebensmodell für viele Länder zunehmend uninteressanter. Sie suchen nach neuen Wegen und lassen dabei nicht nur Europa links liegen. Schack hat sie dabei beobachtet.

Ramon Schack liest aus seinem Buch.

„Begegnungen mit Peter Scholl-Latour“ – Ein persönliches Portrait von Ramon Schack

Erst vor Kurzem hatte ich hier am Beispiel der Dortmunder Malerin Bettina Brökelschen aufgezeigt, welch Einfluss die Begegnung mit einem interessanten Menschen auf das weitere Leben eines Menschen ausüben kann.

Ähnliches hat der Journalist und Politikwissenschaftler Ramon Schack erlebt. Wenn ich ehrlich bin, beneide ich ihn um dessen persönliche Begegnung mit einem ganz Großen: Nämlich Peter Scholl-Latour. Er hatte ihn vor vielen Jahren zufällig getroffen und war mit ihm ins Gespräch gekommen. Und dann hatten sich beide über die Jahre – bis nahezu zum Tode Scholl-Latours im Jahre 2014 – immer wieder getroffen. Aus der Begegnung erwuchs ein beruflicher Kontakt, eine gute Bekanntschaft und später sogar eine Freundschaft.

Der Journalist Peter Scholl-Latour war in seiner Branche früh eine Ausnahmeerscheinung und blieb bis zum Schluss

Der deutsch-französische Journalist Peter Scholl-Latour war schon früh eine Ausnahmeerscheinung in seiner Branche. Und er blieb es bis zum Schluss. Erst recht wäre er es heute! In Zeiten, da der deutsche Journalismus vor allem bezüglich seiner Funktion als Wachhund der Politik im Sinne der Vierten Gewalt, leider ziemlich auf den Hund gekommen ist. Weshalb nicht nur ich immer öfters feststelle: Der Mann fehlt.

„Den Medien“, schrieb Medrum.de am 18.8. 2014, „hält der Journalist und Kenner vieler Brennpunkte des Weltgeschehens vor, überall Desinformation aufzugreifen und falsche Bilder zu vermitteln, anstatt über das tatsächliche Geschehen und seine Hintergründe unvoreingenommen und qualifiziert zu berichten.“ Medrum.de verweist im selben Text auf Interview mit Scholl-Latour hin: „Im Interview mit BR Alpha merkt Scholl-Latour zu seiner kritischen Distanz gegenüber westlichen Denkschablonen an, er sei sehr eng mit den Menschen in anderen Erdteilen zusammenkommen und habe gemerkt, dass unsere Vorstellung, dort Demokratie und Parlamentarismus einzuführen, illusorisch sei, dass man den Ländern ihre eigene Natur und Kultur lassen müsse. Er sei nie ein Prediger gewesen, der versucht habe, die Welt zu verbessern. So wäre etwa ein Versuch, die Chinesen zur amerikanischen Form der Demokratie zu bekehren, purer Blödsinn. Außerdem werde dauernd gelogen.“

Scholl-Latour kritisierte die Berichterstattung: „Die Leute haben keine Geschichte gelernt“

Und weiter stellte Peter Scholl-Latour laut Medrum.de fest: „Scholl-Latour betont, er habe früher noch die Möglichkeit zur kritischen Berichterstattung gehabt und dabei auch den Schutz des Intendanten gehabt. Heute sei vieles anders. Inzwischen sei er so weit, wenn er Nachrichten sehen wolle, dass er ntv ansehe statt ARD und ZDF. Auf die Frage „Warum?“ antwortet Scholl-Latour: „Weil die nichts mehr bringen.“ Auf den Einwand, die Geschehnisse in der Ukraine seien Gegenstand intensiver Berichterstattung gewesen, entgegnet Scholl-Latour: „Aber falsch! Aber falsch!“ Das Grundproblem der Ukraine werde nicht verstanden.  An der Berichterstattung sehe man, so Scholl-Latour: „Die Leute haben keine Geschichte gelernt. Rußland ist in Kiew entstanden. Kiew ist der Ursprung Russlands.“ In diesem Zusammenhang kritisiert Scholl-Latour auch die Voreingenommenheit der Journalisten, die zum Beispiel bei der Berichterstattung vom Maidan deutlich zu erkennen gewesen sei.“

Hoher Respekt für einen Journalisten, der die Welt aus eigener Anschauung kannte

Manche Schlaumeier in Journalisten und Medienkreisen warfen Scholl-Latour direkt oder hinter vorgehaltener Hand vor, eine Unke zu sein. Nicht selten jedoch behielt der große alte Mann des Journalismus aber mit seinen Befürchtungen recht. Wir müssen nur heute einmal kritisch in die Welt hinausschauen. Der Mann zählte einfach nur eins und eins zusammen. Dabei war er freilich kein Wahrsager der sich einer Glaskugel bediente. Sondern ein gebildeter Mensch, der sich in der Welt und in der Geschichte auskannte. Deshalb schätzte ich den Mann, der die Welt aus eigener Anschauung kannte, und brachte ihm hohen Respekt entgegen.

Umso mehr merkte ich auf, als ich auf das bereits 2015 erschienene Buch „Begegnungen mit Peter Scholl-Latour“, mit dem Untertitel „Ein persönliches Portrait von Ramon Schack“ aufmerksam wurde. Ich kaufte es und, mich freuend auf die Lektüre, stürzte ich mich sogleich – sozusagen Hals über Kopf – hinein. Es fesselte mich bis zum Schluss. Und trieb mich dann sogleich dazu an, endlich zwei bereits angefangene Scholl-Latour-Bücher, die ich wegen anderen „Leseaufgaben“ zwecks Rezension, hatte schweren Herzens zunächst zurück auf die Halde noch zu lesender Bücher gelegt hatte, weiterzulesen.

Ich hatte schon früher in der DDR Scholl-Latours TV-Reportagen (hauptsächlich zur Zeit des schrecklichen Vietnam-Krieges) im Westfernsehen verfolgt. Und auch an seinen Lippen gehangen, wenn er später anderweitig und in anderen Kontexten zu sehen war. Etwa in Talkshows, wo er gegen Ideologisch bedingte Dummheit, Arroganz, Demagogie und Unwissenheit seitens der anderen Gäste ankämpfte und oft der einige war, wusste wovon er sprach. Denn er war nicht nur ein großartiger Journalist, sondern eben auch ein in Geschichte und Religionen äußerst belesener durch seine vielen Reisen klug und weise gewordener Mann. . Scholl-Latour hat alle (!) Länder der Welt bereist. Zuletzt noch im hohen Alter. Und wenn er aus und über die vielen Weltgegenden berichtete, wusste er wovon er sprach. Heute ist es ja oft leider so, dass Korrespondenten oft weit weg vom Ort des Geschehens berichten.

Vor allem kannte sich Scholl-Latour in der arabischen Welt und dessen Geschichte, der Weltgeschichte insgesamt ohnehin, perfekt aus. Weshalb oft er als d e r „Welterklärer“ galt. Viele große Staatenlenker hatte er persönlich getroffen. Als der greise, Ajatollah Ruollah Musawi Chomeini, politischer und religiöser Führer der Islamischen Revolution von 1979, von Paris aus nach Teheran flog, war Peter Scholl-Latour mit an Bord der Maschine. Doch damit nicht genug: Man hatte ihm die Verfassung der Islamischen Republik Iran vorsichtshalber anvertraut.

Gregor Gysi hat übrigens das Vorwort zu Ramon Schacks Buch geschrieben. Und ich schließe mich betreffs der Beurteilung von Scholl-Latour Gysis Worten an. Nämlich, dass Scholl-Latour für unsere Medienlandschaft sehr wichtig gewesen sei. Gysi weiter und ich kann dem Politiker auch hierin beipflichten: „Nicht, dass ich jedes politische Urteil und jede Kommentierung mit ihm geteilt hätte. Dazu hätte ich konservativer sein müssen.“

Scholl-Latour sei einer der wenigen gewesen, die kritisch auf den Krieg der NATO in Afghanistan, der „Koalition der Willigen“ im Irak und auf die Intervention in Libyen reagiert habe. Diese Skepsis fehle Gysi in diesem „so unkritisch gewordenen, affirmativen Zeitgeist“. Was auch ich dreimal unterstrichen haben möchte!

Ramon Schack bekennt, bei seinem Portrait handele es sich um „kein objektives Buch“: „Nein, es ist subjektiv bis ins Mark.“ Es handele sich um Schacks „persönliche Würdigung Peter Scholl-Latours, in Form eines Portaits, welches auch biografische Elemente beinhaltet“.

Ja, und es stimmt wohl , was dieses dem Buch voran gesetzte Zitat Leopold von Ranke zum Ausdruck bringt:

„Eine große Persönlichkeit bemerkt man nicht allein wenn sie gegenwärtig ist; man wird ihren Wert erst dann noch mehr inne, wenn die Stelle leer ist, die sie einnahm“

Quelle: Leseprobe aus dem im 3 Seiten Verlag erschienen Buch via Bücher.de

So erging es auch dem Autor Ramon Schack und sicher vielen anderen, die Arbeit Scholl-Latours schätzten.

Der 3 Seiten Verlag schrieb im Erscheinungsjahr 2015 zum Buch:

„Über ein Jahr ist seit dem Tod von Peter Scholl-Latour vergangen. Die Lücke, die sein Ableben hinterlassen hat, ist für viele Menschen noch schmerzhaft spürbar. So auch für Ramon Schack. In den vergangenen Monaten, nach dem Tod von Scholl-Latour, wurde Ramon Schack erst richtig bewusst, welchen Einfluss Peter Scholl-Latour auf sein Leben hatte.“

Und weiter: „In den Augen Schacks, unterschied sich Scholl-Latour vorteilhaft von jenen Kollegen, die ihr fest gefügtes Weltbild nicht durch eigene Recherche vor Ort durcheinanderbringen lassen. Aus diesem Grund hat er seine Begegnungen mit Peter Scholl-Latour literarisch aufgearbeitet.

„Begegnungen mit Peter Scholl-Latour“ – Es ist nicht zu viel versprochen: Schacks Buch „bietet frische und interessante Impressionen aus dem Leben sowie auf das Werk und den Menschen Peter Scholl-Latour, flankiert von den politischen Umbrüchen und historischen Umwälzungen, über die er über ein halbes Jahrhundert hinweg berichtete. Ferner werden dem geneigten Leser das Lebensgefühl und die Weltanschauung Peter Scholl-Latours vermittelt, basierend auf persönlichen Begegnungen und Gesprächen, flankiert von den Erinnerungen und Erfahrungen einiger seiner Freunde, Weggefährten und Zeitgenossen. „Begegnungen mit Peter Scholl-Latour“ ist ein persönliches Portrait von Ramon Schack und eine Hommage an eine der größten Persönlichkeiten unserer Zeit.

Ramon Schack hat ein mit Herzblut und hohem Respekt für den erfahrenen älteren Kollegen Peter Scholl-Latour Buch geschrieben. Eine Hommage!

Ich, liebe Leserinnen und Leser kann ihnen das mit viel Herzblut und hohem Respekt des Jüngeren für den erfahrenen älteren Kollegen, welcher ein bleibendes Vorbild für ersteren ist, geschriebene Buch – eine Hommage auf einen ganz Großen des Journalismus – von Ramon Schack nur wärmstens empfehlen. Und seien Sie gewiss: Nachdem Sie es mit Interesse gelesen haben, werden Sie „Appetit“ auf eines der von Peter Scholl-Latours eigener Hand geschriebenen Bücher verspüren und sie erwerben wollen. Der Mann fehlt! Was würde er wohl zu unserer heutigen Zeit zu sagen haben?

Des Weiteren möchte ich Ihnen, lieber Leserinnen und Leser auch empfehlen die journalistischen Beiträge von Ramon Schack zu verfolgen und zu rezipieren

Gewiss wird auch sein Gesprächsformat „Impulsiv TV“ bald wieder auf Sendung gehen. Wie ich erfuhr, ist der Umbau des Studio so gut wie abgeschlossen.

Zum Autoren Ramon Schack

Ramon Schack ist Diplom-Politologe, Journalist und Publizist. Er schreibt für die Neue Zürcher Zeitung, Deutschland Radio Kultur, Telepolis, Die Welt, die Berliner Zeitung, „das Handelsblatt“, „Das Parlament“, die Süddeutsche Zeitung und viele andere. Nach einem längeren Aufenthalt in London, lebt Ramon Schack seit 2003 in Berlin. Der Nahe Osten, Osteuropa, der Islam, Politischer Extremismus, die Offene Gesellschaft und ihre Feinde, sind die Schwerpunkte seiner journalistischen Arbeit. 2013 erschien sein Buch“Neukölln ist Nirgendwo“, welches schon im Vorfeld der Veröffentlichung medial stark diskutiert wurde. Ramon Schack – Jahrgang 1971 – veröffentlichte unter Anderem Reportagen und Reiseberichte aus China, der Mongolei, Russland, Armenien, Georgien und Aserbaidschan, sowie Äthiopien

Das Buch

Ramon Schack

Begegnungen mit Peter Scholl-Latour

Ein persönliches Portrait von Ramon Schack

Preis: 16,99 €

versandkostenfrei*

Erschienen im 3 Seiten Verlag

„Der allgegenwärtige Antisemit oder Die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit“ – Ein neues, wichtiges Buch von Moshe Zuckermann

Der Antisemitismus war auch nach 1945 nie weg hierzulande. Und mindestens unterschwellig, noch eingenistet in von Nazi-Propaganda vernebelten Köpfen. Er hatte sich höchstens hinter Gardinen verborgen oder spitzte immer mal wieder widerlich in Form eines am Biertisch von Stammtischbrüdern zum Besten gegebenen Juden-Witzes aus rauchgeschwängerter Kneipenluft hervor.

Doch auch der Kampf gegen den Antisemitismus fand stets statt. Und das war und ist auch nötig.

Neuerdings hat Deutschland sogar einen Antisemitismus-Beauftragten. Gut. Besser wäre es gewesen einen Antirassismus-Beauftragten zu installieren. Nun ja.

Moshe Zuckermanns neues Buch aus innerem Antrieb heraus entstanden. Zu unserem besseren Verständnis schwieriger Materie von Nutzen

Moshe Zuckermann. Foto: C. Stille

Was jedoch seit einiger Zeit betreffs der Anwendung des Begriffs „Antisemitismus“ zu konstatieren ist, kommt einen ziemlich irre vor. Kurzum. Es geht auf keine Kuhhaut. Moshe Zuckermann, israelischer Soziologe, als Sohn polnisch-jüdischer Holocaust-Überlebender in Israel geboren, hat da seine ganz persönlichen Erfahrungen machen müssen. Weshalb er aus innerem, stetig neue befeuerten Antrieb – gespeist aus An- und Vorwürfen gegen ihn – einfach nachgeben musste und ein neues Buch mit dem Titel „Der allgegenwärtige Antisemit oder die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit“ geschrieben hat. Für uns LeserInnen ist das von großem Nutzen. Es lehrt uns die zugegebenermaßen alles andere als einfache Materie Seite um Seite besser zu verstehen.

Es geht ein Ungeist um in Deutschland

Im Vorwort (S.7) gleich Tacheles. Zuckermann schreibt: „Ein Ungeist geht um in Deutschland – es ist, als habe sich der Orwellsche Neusprech ein neues Feld für seine realhistorische Manifestation gesucht und es gefunden: im Antisemitismusdiskurs des heutigen Deutschland.“ Das ist bei weitem nicht zu dick aufgetragen, sondern bittere Tatsache, wie wir LeserInnen erfahren.

„In der Auseinandersetzung mit dem Antirassismus werden wahllos und ungebrochen Begriffe durcheinandergeworfen, Menschen perfide verleumdet und verfolgt, Juden von Nicht-Juden des Antisemitismus bezichtigt“, lesen wir auf dem Buchrücken. „Die Debattenkultur in Deutschland ist vergiftet und die Realität völlig aus dem Blickfeld des Diskurses geraten.“

Israel-Kritiker werden als Antisemiten verleumdet

Besonders perfide zu nennen ist, wenn Juden, sogar welche, die den Holocaust überlebt haben oder in der eigenen Familie Tote durch den Holocaust zu beklagen haben – nur weil sie in irgendeiner Form Kritik am israelischen Staat und dessen Tun üb(t)en, sich als „jüdische Antisemiten“ (so wurde der Dichter Erich Fried einst benannt, weil er sich gegen die Unterdrückung der Palästinenser aussprach) oder mindestens als „sich selbsthassende Juden“ bezeichnen lassen müssen. Was schlimm ist. Schlimmer noch ist, dass Kritiker Israels – so sie hierzulande eine Buchlesung vorhaben oder einen Vortrag halten wollen – immer öfters Schwierigkeiten bekommen eine Räumlichkeit dafür zu bekommen. Zumindest in manchen Universitäten und Sälen von Kommunen. Diese Personen werden dann auch über die Presse in die antisemitische Ecke gestellt. So manche jüdische Gemeinde. der Zentralrat der Juden in Deutschland und im Hintergrund die israelische Botschaft in Deutschland orchestriert diese Stimmung gegen missliebige, weil kritisch gegenüber Israels Politik gegenüber den Palästinensern eingestellte Menschen. Ein Weiteres tut die israelische Hasbara (Propaganda), welche – vom Staat finanziell gut dotiert – entsprechende Stimmung verbreitet.

Die Lobby der Antisemitenmacher bestimmt wer Antisemit ist

Nicht selten im vorauseilenden Gehorsam stellen Kommunen und Unis einfach keine Räumlichkeiten für solche Veranstaltungen zur Verfügung oder sie kündigen schon zugesagte Vermietungen. Manchmal gelingt es den als Antisemiten verunglimpften Referenten gerichtlich eine bereits zugesagte Raumvermietung durchzusetzen, manches Mal sind sie auch darauf angewiesen, dass private oder kirchliche Einrichtungen Räume zur Verfügung stellen. Wie bereits bemerkt: Moshe Zuckermann hat das selbst erlebt und dürfte das auch künftig wieder erleben. Auch Abraham Melzer („Die Antisemitenmacher“ (hier meine Rezension) war bzw. ist selbst damit konfrontiert. Und die Lobby der „Antisemitenmacher“ verfährt nach dem Motto: „Wer Antisemit ist, bestimme ich.“

Die widersinnige Gleichstellung von Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik

Es geht, wie Moshe Zuckermann im Vorwort anmerkt, „letztlich vordringlich um das Verhältnis von Deutschen zu Juden, um die Last der deutsch-jüdischen Vergangenheit und um ihre perversen Auswirkungen auf den gegenwärtigen deutschen Diskurs über diese Kategorien“. Weiter: „Und weil Judentum, Zionismus und Israel in diesem inadäquaten, ideologischen Gerangel gleichgestellt werden, um daraus – negativ gewendet – die widersinnige Gleichstellung von Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik abzuleiten, diese Gleichstellung sich aber zum unerbittlichen Glaubensbekenntnis verfestigt hat, gerät die Realität völlig aus dem Blickfeld des Diskurses: Deutsche solidarisieren sich mit einem Israel, das seit mindestens fünfzig Jahren Palästinenser knechtet, und wenn man sie drauf hinweist, dass diese Solidarität nicht haltbar ist, gerät man in ihrem Munde zum Antisemiten, zum Israelhasser oder gar zum sich selbsthassenden Juden.“ (S.7/8)

Begriffe verstehen und einordnen lernen

Es empfiehlt sich dieses neue Buch von Moshe Zuckermann sehr aufmerksam zu lesen und sich deshalb reichlich Zeit dafür zu nehmen. Dann – so verspreche ich – wird man mit Gewinn daraus auftauchen. Schon die Begriffe Judentum, Zionismus erfordern es sich unbedingt darauf einzulassen, um sie zu verstehen und richtig einordnen zu können. Nicht das erste Mal weißt Zuckermann nun auch in diesem Buch abermals auf Folgendes hin:

Auch den historischen Zusammenhängen weit vor der Staatsgründung Israels und danach bis heute hin betreffend sollte großes Interesse geschenkt werden. Zuckermann hat sie im Kapitel „Israel“ (ab S. 24) von „1897 – Der erste zionistische Kongress“ (S.26) bis „2018 – Die dystopische Gegenwart“ (S.54) akribisch beschrieben.

Moshe Zuckermann: „Nicht alle Zionisten sind Juden. Und nicht alle Israelis sind Juden“

Nicht das erste Mal weißt Zuckermann auch in seinem neuen Buch auf Folgendes hin, was auch nicht allen LeserInnen bewusst gewesen sein dürfte: „Nicht alle Juden sind Zionisten. Die meisten Juden leben nicht in Israel und wollen das auch nicht. Nicht alle Zionisten sind Juden. Und nicht alle Israelis sind Juden.“ Aufmerken werden gewiss auch diejenigen LeserInnen des Buches, so sie noch nicht selbst darauf gekommen sind, wenn Zuckermann mit der im Westen verbreiteten Ansicht, Israel sei die „einzige Demokratie des Nahen-Ostens“ gründlich aufräumt. Erst recht das am 19. Juli 2018 von der Knesset verabschiedete „Nationalitätengesetz“, habe eigentlich nur „ganz unverhohlen und staatsoffiziell“ bestätigt, „dass Israel nicht nur längst schon Praktiken eines Apartheidstaates betreibt, sondern offenbar auch gesetzlich verankert und proklamiert betreiben will.“

Zuckermann: „Es ist rassistisch, da es ein Fünftel der Bevölkerung offiziell zu Bürgern zweiter Klasse werden lässt; es ist antidemokratisch weil es die bis dato offizielle zweite Landessprache, Arabisch, zu einer ‚Sprache mit Sonderstatus‘ verkommen lässt.“ (S. 64)

Holocaust und Holocaust-Erinnerung

Alle im Buch aufscheinende Probleme sind selbstverständlich stets u.a. auch in irgendeiner Weise mit dem von Hitlerdeutschland verbrochenen Holocaust verbunden, der letztlich ausschlaggebend dafür war, dass der Staat Israel in Palästina gegründet wurde. Was gleichzeitig die Vertreibung von Palästinensern (von diesen als Nakba beklagt) zur Folge hatte.

Und zudem beschäftigt sich das Buch mit der Art und Weise wie Israel mit dem Holocaust und mit der Holocaust-Erinnerung umgeht. Selbstredend ebenfalls damit, wie in Deutschland damit verfahren wird.

So schlimm antisemitische Vorfälle hierzulande auch sind, meint Moshe Zuckermann: „Deutsche Antisemiten vergreifen sich nicht an Juden“

Antisemitische Vorfälle in Deutschland – so bedauerlich sie auch sind – empfindet Moshe Zuckermann nicht wirklich als „Weltuntergang“. „Im Gegensatz zum historischen Antisemitismus, zum nazistischen allemal, sind heutige Ausfälle für Juden nicht existenzbedrohend, man wird gesellschaftlich nicht durch Antisemitismus geächtet, ist keinerlei eklatanten Diskriminierung, auch keinerlei performativen Verfolgung ausgesetzt , man sieht sich nicht genötigt, ins Exil zu gehen, schon gar nicht ist man mit dem Leben bedroht.“ Der Autor meint (S.163/164): „Deutsche Antisemiten vergreifen sich nicht an Juden.“ Bei antisemitischen Vorkommnisse organisierten sich „gleich bundesweite Kippa-Kampagnen, werden Echo-Preise entrüstet zurückgegeben.“ (…) Nebenbei empfand Zuckermann das Kippa-Tragen (sogar im Bundestag) als Zeichen der Solidarität mit einem angegriffenen Juden wohl eher als bizarr. „Was die deutschen Kippa-Träger offenbar nicht kannten, war die Ikonografie der Kippa.“ So wird die schwarze Kippa von orthodoxen und ultraorthodoxen Juden, die sich noch dazu „durch ihren theologisch begründeten Nicht- beziehungsweise dezidierten Antizionismus auszeichnen“ getragen. (S.178) Die gehäkelte Kippa, so erklärt Zuckermann, trügen meistens „nationalreligiöse Juden“.

Uneingeschränkte Solidarität Deutscher mit Israel lässt Zuckermann mit dem Kopf schütteln

Über die quasi uneingeschränkte Solidarität Deutscher (Staatsraison) mit Israel und somit auch mit der rechten Regierung Netanjahu kann Zuckermann offenbar nur mit dem Kopf schütteln. Er schreibt von einem sich zunehmend faschisierenden rechten politischen Lager dort, welches „starken Rückenwind durch die Präsidentschaft Donald Trumps in den USA“ erhalte.

Netanjahu werde so ermöglicht „seine Macht – trotz schwerster Korruptionsvorwürfe – nahezu unangefochten auszubauen und zu befestigen dabei auch auch jegliche Berührungsängste mit Faschisten und selbst prononcierten Antisemiten skrupellos fallen zu lassen“ (S.194)

„Davon“, merkt Moshe Zuckermann an, „weiß der deutsche Antisemitismus-Diskurs nichts, davon will er nichts wissen.“ Und: „Ginge es ihm lediglich um die Bekämpfung des Antisemitismus im eigenen Land, ließe sich das nachvollziehen.“

Abstrakte Solidarität mit einem völkerrechtlich verkommenen Israel als eine psycho-ideologisch motivierte Entlastung der historischen Schuld der Deutschen?

Es bedürfe „nicht der zionistisch begründeten Solidarität mit Israel, um den Antisemitismus stets und unerbittlich bekämpfen zu wollen“.

Deutlich macht der Autor, was offenbar Viele nicht bedenken, nicht wahrhaben wollen oder können: „Wenn man nun aber Antisemitismus und Israelkritik wie selbstverständlich gleichsetzt, Israel- und Zionismuskritik an den Antisemitismus koppelt, kommt man schlechterdings nicht um die entscheidende Frage herum, was für ein Israel das sei, mit dem man sich solidarisch wähnt.“

Nägel mit Köpfen macht Moshe Zuckermann, wenn der (S.195 oben): „Was besagt diese Blindheit gegenüber dem realen Israel über die deutschen Anhänger Israels, die Deutschlands ‚Verantwortung‘ für den zionistischen Staat als grenzenlos erachten?“ Die Antwort darauf: „Zunächst und vor allem, dass diese ‚Solidarität‘ primär in der deutschen Befindlichkeit wurzelt, die sich von der historischen Monstrosität ableitet, welche die Deutschen an den Juden verbrochen haben.“

Weiter unten auf Seite 195 streicht Zuckermann kristallklar heraus, dass einen da ob der „vielbemühte(n) ‚Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit‘ samt der von ihr abgeleiteten ‚Verantwortung‘ ein „wesentlich beunruhigenderes Gefühl“ beschleichen könne: „Sollte sich etwa die abstrakte Solidarität mit einem völkerrechtlich verkommenen und verbrecherischen Israel als eine psycho-ideologisch motivierte Entlastung der historischen Schuld der Deutschen erweisen?“

Moshe Zuckermann sieht „Hitlers verlängerten Arm“ viele Deutsche wirken

Gegen Ende seiner Ausführungen bringt der Autor auf den Punkt, was das Irre an der Komplexität der schwierigen Materie sozusagen den Boden aus dem Fass schlägt: „Denn allein schon die Vorstellung, dass Deutsche sich anmaßen, Juden und erst recht jüdische Israelis wegen ihrer Israelkritik des Antisemitismus zu bezichtigen, ist als nichts anderes zu begreifen als eine zur Perversion verkommenes deutsche Befindlichkeitsproblem. Man kommt nicht umhin, in diesem Zusammenhang von ‚Hitlers verlängertem Arm‘ zu sprechen [Anm. C.S sh. auch S.85]. Viele Deutsche sind mit ihm offenbar noch lange nicht durch – nicht nur im Sinne der einst postulierten Unfähigkeit der Deutschen zu trauern, sondern als Residuum eines latenten antisemitischen Ressentiments, das sich – im heutigen Deutschland tabuisiert – neue Wege und Bahnen der legitimen Manifestation sucht.“

Zuckermann stellt klar: „Nur Antisemiten können Juden als Antisemiten besudeln, um sich selbst von der erbärmlichen Unwirtlichkeit ihres deutschen, allzu deutschen Antideutschseins zu erlösen.“ Diesen Satz muss man erst mal sacken lassen.

Zuckermanns neues Buch unbedingt empfehlenswert. Es bläst uns ein Stück weit die Vernebelung weg, durch die uns eine bestimmte Ideologie blicken lässt

Das neue Buch von Moshe Zuckermann ist unbedingt empfehlenswert, weil es uns auch ein ziemliches Stück weit die Vernebelung wegbläst durch die uns die herrschende, in bestimmter Weise ideologisch besetzt, Politik und Mainstream-Medien auf die Dinge blicken lassen. Es ist nicht nur mit ausgewiesenem historischen Sachverstand geschrieben, sondern lotet auch psychologisch tief – was einen die beackerte Thematik klarwerden lässt.

Die kluge Ideologiekritik von Susann Witt-Stahl im zweiten Teil des Buches

Angehängt ist dem klug und aus Kompetenz und reichlichem Wissen geschriebenem Buch Moshe Zuckermanns eine nicht minder kluge Ideologiekritik der Journalistin Susann Witt-Stahl, unter dem Titel „(Anti-)Deutsche Zustände“ (ab S.197). Sie ist schon deshalb als wichtig zu empfehlen, weil viele Otto-Normal-Bürger mit dem Begriff „Antideutsche“ gar nichts anzufangen wissen.

Die Antideutschen kommen aus der Nie-wieder-Deutschland!-Bewegung (ein Motto der „Radikalen Linken“, die sich 1990 gegen die deutsche Wiedervereinigung ausprachen und vor deren Folgen warnten. Später spaltete sich die deutsche radikale Linke in „Antideutsche“ und „Antimperialisten“. Die Antideutschen tun sich mit einer völlig unkritischen Pro-USA- und Pro-Israel-Haltung hervor.

Witt-Stahl schreibt von einer „Rechtswende von Linken im Täterland und ihr Verrat am humanistischen Judentum“.

Im Kapitel „’Antideutsche‘ Ideologie und deutsche Realität“ zitiert die Autorin (S.198) den Schweizer Germanisten Stefan Mächler („Die Shoa ist zur Meistererzählung geworden“) der den ideologischen Gebrauchswert so erklärte: „Wer sich mit ihrer Legitmationsmacht und Rhetorik ausrüstet, dem ist nicht zu widerstehen.“ Und Susann Witt-Stahl: „Kaum jemand hat das besser verstanden als die deutschen Linken, die nach 1990 das dringende Bedürfnis verspürten, von der ‚unterdrückten in die unterdrückende Klasse zu wechseln‘, wie der Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker die große Flucht- und Absetzbewegung von mittlerweile Ex-Linken in die rechte ‚bürgerlich Mitte‘ beschrieb; andere suchten und fanden im Rechtspopulismus einen faulen Kompromiss. Viele von ihnen firmierten unter dem selbst gewählten Namen ‚Antideutsche‘, die gemäßigte Variante unter ‚Antinationale‘, und stellen sich mit großenem ‚Nie wieder Deutschland!‘-Getöse als ‚Wölfe‘ vor – wie Karl Marx und Friedrich Engels in Die deutsche Ideologie die Junghegelianer nannten.“

Im Epilog der Blick eine Warnung vor der „Abenddämmerung der bürgerlichen Demokratie“, die „(wieder) in eine historische Finsternis übergehen“ könnte

In ihrem Epilog (S. 239) warnt Witt-Stahl davor, dass das, was Jan Philipp Reemtsma 1990 im Siegestaumel seiner Klasse verkündete -„Die Linke hat nicht nur welthistorisch verloren, sondern es gibt sie nicht mehr“ -, eines Tages Wirklichkeit werden könnte. Witt-Stahl: „Selbst im sich zwar bereits im Zustand der Erosion befindenden, aber noch funktionierenden Rechtsstaat BRD, in dem linken Oppositionellen maximal der Entzug finanzieller Mittel, Diffamierung oder politische und soziale Isolation droht, ziehen es erschreckend viele von ihnen vor, sich in Servilität gegenüber den untragbaren deutschen Zuständen statt in Solidarität mit dem bedrängten humanistischen Judentum und muslimischen Minderheit zu üben.“ Und gar nicht einmal übertrieben, schließt Witt-Stahl ihre Ideologiekritik: „Gar nicht auszudenken, wie kläglich solche Linke erst versagen und eine bisweilen jetzt schon unerträgliche Feigheit und Untertanenmentalität entfalten werden, wenn die Abenddämmerung der bürgerlichen Demokratie (wieder) in eine historische Finsternis übergehen wird.“

Lesen und Handeln!, möchte man an dieser Stelle laut rufen. Denn ist es nicht schon nach Zwölf?

Das Buch

Der allgegenwärtige Antisemit oder Die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit

Erschienen im Westend Verlag

Erscheinungstermin: 04.09.2018
Seitenzahl: 256
Ausstattung: EPUB
Art.-Nr.: 9783864897207

13,99 €

inkl. 19% MwSt.

Moshe Zuckermann zu seinem Buch via Weltnetz.tv

 

Der Autor

Moshe Zuckermann wurde als Sohn polnisch-jüdischer Holocaust-Überlebender in Israel geboren und wuchs in Tel Aviv auf. Seine Eltern emigrierten 1960 nach Frankfurt am Main, wo er auch studierte. Später lehrte er am Institute for the History and Philosophy of Science and Ideas der Universität Tel Aviv. Von 2000 bis 2005 leitete er das Institut für Deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv. 2006 und 2007 war er Gastprofessor am Institut für Jüdisch-Christliche Forschung (IJCF) der Universität Luzern. Moshe Zuckermann ist regelmäßig mit Beiträgen für Hörfunk, Fernsehen und verschiedene Printmedien tätig.

Susann Witt-Stahl lebt und arbeitet als freie Journalistin und Autorin in Hamburg. Seit 2014 ist sie Chefredakteurin des Magazins für Gegenkultur Melodie & Rhythmus

Dazu auch: Susann Witt-Stahl und Rolf Becker präsentierten Moshe Zuckermanns Buch auf dem 20. Pressefest der UZ in Dortmund

Susann Witt-Stahl, die Chefredakteurin von Melodie & Rhythmus. Magazin für Gegenkultur, präsentierte am 8. September 2018 am 20. Pressefest der UZ („Unsere Zeit“) in Dortmund gemeinsam mit dem Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker.

Gespräch über das neue Buch von Moshe Zuckermann (v.l.n.r: Rolf Becker, Susann Witt-Stahl und jW-Chefredakteur Stefan Huth. Foto: C. Stille

Zunächst übermittelte Witt-Stahl beste Grüße von Moshe Zuckermann – sie hatte zuvor mit ihm telefoniert -, welcher anlässlich der Uraufführung eines Orgelwerks von ihm in Großbritannien weilte.

Susann Witt-Stahl skandalisierte Rüstungsexporte etwa auch nach Israel, also in ein Krisengebiet (ein grober Verstoß gegen die eigenen Rüstungsexportrichtlinien) und eine immer engere Militärkooperation Berlins mit Tel Avivs (Häuserkampfausbildung der Bundeswehr in Israel), Joint Ventures in Sachen Drohnentechnologie und, „dass deutsche Unternehmen, mit finsterster Vergangenheit, wie Rheinmetall – Verbrecherunternehmen – dass diese Unternehmen in Israel unglaublich fette Profite einfahren und schalten und walten können wie sie wollen“. Dies seien „mittlerweile hegemoniale Vorstellungen von deutscher Vergangenheitsbewältigung“, so Susann Witt-Stahl.

Sie äußerte den Eindruck, „dass jüdische Linke nur noch einen Wert haben: nämlich als Bauernopfer für eine regressive Bewältigung deutscher Vergangenheit“.

Rolf Becker meinte als Entgegnung auf die Ausführungen von Susann Witt- Stahl, „man müsse in einige Punkte differenzieren“. Der Schauspieler und Gewerkschafter warnte vor einer Pauschalisierung. Auf der einen Seite habe man „den Block der Faschos“, der sei klar einschätzbar. „Aber es gibt viele, die auf die Argumentation reinfallen, der Antideutschen beziehungsweise diese Argumentation benutzen.“ Das seien die Leute, die im Grunde nichts anderes machen als überzulaufen ins Lager der herrschenden Klasse. „Wir haben das im gewerkschaftlichen Bereich“, wenn es um Israel gehe. Völlig unzweideutig sei es, wenn es um Auschwitz gehe, „unser Denken so auszurichten, dass sich ein Auschwitz nicht wiederholen kann“. Wenn man jedoch auf die Israel-Palästina-Frage komme und die Staatsraison, die von Frau Merkel verkündet worden ist, dann käme als erste Reaktion: „Halt bloß die Schnauze.“ Becker: „Sie blocken. Sie wissen wesentlich mehr. Sie Vorbehalte die aus Richtung der Antideutschen kommen. Aber sie scheuen sich aufgrund der innergewerkschaftlichen Verhältnisse ihr Bedenken zur Sprache zur bringen.“

Zornig werde Becker, „wenn aus Kreisen der Antideutschen oder Leuten, die ihre Argumentation teilweise übernehmen, Moshe Zuckermann, Abraham Melzer oder viele andere als selbsthassende Juden bezeichnet werden, wenn sich Deutsche anmaßen zu bestimmen, wer ein richtiger oder falscher Jude ist“.