Dortmunder Stadttochter wegen Organisation der „Inter-tabac ASIA“ in der Kritik

2013-07-13 15.51.46Rauchen ist ungesund. Rauchen kann töten. Heutzutage bestreiten das wohl nicht einmal schwer nikotinsüchtige Mitmenschen. Gewiss auch die Stadt Dortmund nicht. Es gibt das Nichtraucherschutzgesetz auf deren Einhaltung mehr oder weniger geachtet wird. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes kontrollieren im Stadtgebiet. Treffen sie Kinder und Jugendliche beim Rauchen an, konfiszieren sie die Zigaretten und informieren die Eltern.

Yosef aus Indonesien und Max aus Dortmund fordern: Stadt Dortmund muss „Inter-tabac ASIA“ absagen

Wie aber ist es zu erklären, dass eine Tochter der Stadt Dortmund mit dem Tabakhandel in Indonesien – vorsichtig ausgedrückt – in Verbindung gebracht werden könnte, während zuhause gegen das Nikotin gekämpft wird? Noch dazu, wo Zigaretten in Indonesien an Kinder legal verkauft werden dürfen!

Es hat vielleicht damit zutun, dass der Kapitalismus vielfach janusköpfig daher zu kommen pflegt. Die Stadt Dortmund hat eine Tochter, die Westfalenhallen Dortmund GmbH. Das Messeunternehmen organisiert am 27. und 29. Februar 2014 erstmalig die Tabakmesse „Inter-tabac ASIA“ auf Bali im fernen Indonesien.

Yosef Rabindanata Nugraha (22) aus Bogor (Indonesien) und der Dortmunder Max Vollmer (27) vom Deutschen Jugendschutzverband meinen, damit fördere die Stadt Dortmund „indirekt die Tabakvermarktung in einem Land, in dem Kinder nicht vor den Gefahren des Rauchens geschützt werden“. Die Forderung der jungen Männer lautet deshalb: Die Stadt muss die Tabakmesse „Inter-tabac ASIA“ absagen. Zur Information: Die Tabakmesse in Indonesien ist keine Verbrauchermesse.

Verbündeten via Internet gefunden

„Mich“, erklärt Yosef Rabindanata Nugraha aus Indonesien, „haben sie gekriegt, als ich 12 Jahre alt war. Ich habe es zum Glück geschafft, mit 19 Jahren wieder mit dem Rauchen aufzuhören, aber viele meiner Freunde nicht. Ich möchte nicht, dass mein Land eine Zielscheibe für die Zigarettenindustrie ist.“

Max Vollmer aus Dortmund ist entsetzt darüber, „dass sich meine Heimatstadt so unverantwortlich am Tabakgeschäft beteiligt. Der Oberbürgermeister „, beklagt Vollmer „und die Stadtratsfraktionen sind bisher nicht bereit, etwas an der Situation zu ändern. Sie entziehen sich einfach ihrer Verantwortung. Als ich erfahren habe, dass Dortmund diese Tabakmesse in Indonesien organisiert, wollte ich sofort etwas dagegen tun. Ich habe im Internet nach Verbündeten in Indonesien gesucht und dabei Yosef und seine Organisation Indonesia Bebas Rokok gefunden. Wir haben uns sofort verstanden.

Es ist so schwierig, etwas gegen die globale Tabakindustrie zu tun. Jetzt gibt es eine konkrete Möglichkeit, die eine große Wirkung hat. Wenn viele Menschen unterschreiben, kann die Stadt keine Investitionen gegen den Willen ihrer Bürger tätigen.“

Zur Petition geht es hier. Sie wurde über das Portal Change.org gestartet.  Darin wird von „Ullrich Sierau, Oberbürgermeister Dortmund, und Friedhelm Sohn, den Aufsichtsratsvorsitzenden der Westfalenhallen GmbH“ gefordert:

„1.) Stoppen Sie die Inter-tabac ASIA 2014.

2.) Weisen Sie die Westfalenhallen Dortmund GmbH an, keine Tabakmessen mehr in Entwicklungs- und Schwellenländern zu organisieren.

3.) Distanzieren Sie sich in einem öffentlichen Statement von der Tabakindustrie.“

Tabakindustrie sucht nach neuen Absatzmärkten

Ein Grund für das Engagement der Zigarrettenindustrie könnte der Rückgang der Zahlen von Raucherinnen und Rauchern in den westlichen Industrieländern sein. Nun ist Tabakindustrie offenbar auf der Suche nach neuen Absatzmärkten in Entwicklungs- und Schwellenländern.

In Indonesien kann die Tabakindustrie noch zügellos agieren

„Indonesien“, so erfahren wir durch die Petenten, „gilt unter Zigarettenfirmen als tabakfreundlich und rasch wachsender Absatzmarkt. Das Land gehört zu den weltweit ganz wenigen Staaten, in denen die Tabakindustrie noch zügellos agieren kann. Es gibt nahezu keine durchsetzbaren Gesetze, um die Bevölkerung vor dem Einfluss der Tabakindustrie zu schützen.“ Viele Jungen im Alter von 13 bis 15 Jahren sollen dort rauchen.

Förderung des Tabakverkaufs verstärkt Armut

Tabakkonsum gilt als Armutsproblem. „In Indonesien leben über 40% der 247 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner von weniger als 1,50 Euro am Tag (45 Euro/Monat). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt an, dass Raucherinnen und Raucher in Indonesien im Durchschnitt monatlich 28 Euro für Zigaretten ausgeben. Eine Förderung des Tabakverkaufs verstärkt folglich die Armut.

Dilemma bleibt Dilemma

Rauchen ist ungesund und kann töten. Die Stadt Dortmund und auch deren Oberbürgermeister Ullrich Sierau werden das sicher nicht anders sehen. Dadurch jedoch, dass eine Stadttochter aber nun eine Tabakmesse im fernen Indonesien organisiert, steckt man quasi in einem Dilemma. Die WHO gibt an, dass das Rauchen jährlich weltweit 6 Millionen Menschen den Tod bringt. Die alleinige Gesellschafterin der Westfalenhallen Dortmund GmbH, die Stadt Dortmund, tut unbestritten viel im Kampf gegen die schädliche Nikotinsucht. Andererseits trägt sie Verantwortung dafür, dass in ihrem Namen, sozusagen am andern Ende der Welt ein Produkt beworben wird, das eben diese Nikotinsucht fördert. Die Petenten kritieren das. Ärtze sind erbost. Nun hat man im Dortmunder Rathaus wohl ein schlechtes Gewissen. Weder war man dort bereit von Max Vollmer Unterschriften in Empfang zu nehmen, noch auf eine entprechende Nachfrage einen Vertreter der Stadt ins WDR-Landesstudio Dortmund zu entsenden, wo man sich am gestrigen Abend mit dem Thema beschäftigte. Der Kapitalismus kommt eben anusköpfig daher. Wie wäre der Zwiespalt, in welchen man sich vielleicht unbedacht hineinmanövriert hat, zu überbügeln gewesen?

Dass die Stadt sich nicht äußern möchte und auch alle Stadtratsfraktionen zurückhalten bleiben dürfte, ist bis zu einem gewissen Maße verständlich: Niemand will sich dafür stark machen, dass den Westfalenhallen Einnahmeeinbußen in zweistelliger Millionenhöhe entstehen. Weil klar ist, dass die Millionen eben dann an anderer Stelle wieder weggekürzt werden müssen. Das Dilemma bleibt ein Dilemma. Die Hoffnungen der Petenten, dass die Dortmunder Verantwortlichen die Messe in Indonesien abblasen, dürften sich indes kaum erfüllen. Aber liegen sie mit ihrem Anliegen völlig falsch? Drüber nachdenken sollte erlaubt bleiben.

 Die Petenten werden unterstützt von der Kampagne  Dortmund Kills und wird organisiert von Forum Rauchfrei, Deutscher Jugendschutzverband, Indonesia Bebas Rokok, Unfairtobacco.org und Stiftung rauchfrei leben.

WDR-Lokalzeit Dortmund vom 15.1.2014 mit einem Beitrag zum Thema.

Artikelfoto (Claus Stille): Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau

Washington sagt No zu No-Spy-Abkommen – Wundert’s wen?

BildPflege ich die Hose mit der Kneifzange anzuziehen? Glaube ich noch an den Weihnachtsmann? Zweimal Nein! An was die deutsche Bundesregierung glaubt entzieht sich meiner näheren Kenntnis. Hätte die Merkel-Administration – und zwar die alte wie die neue – wirklich ernsthaft daran geglaubt die USA schlössen jemals ein „No-Spy-Abkommen“ mit Deutschland, müsste ich stark annehmen, sie wäre mit großer Naivität geschlagen. Oder wollte man das Volk einfach für dumm verkaufen? Beides wäre schlimm. Und die Regierung ein ziemliches Risiko.

Angela Merkel sprach ja immerhin bei ihrem Amtsantritt abermals: „Die Eidesformel des deutschen Bundespräsidenten, Bundeskanzlers und der Bundesminister nach Art. 56 (und Art. 64) GG lautet: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. (So wahr mir Gott helfe.)“ (via Wikipedia)

Wie schaut es nun in der Wirklichkeit aus? Wendet die Bundeskanzlerin respektive die Bundesregierung Schaden vom deutschen Volke ab? Beziehungsweise: Ist aber Angela Merkel – gesetzt den Fall, sie würde es ehrlich wollen – den Umständen entsprechend überhaupt in der Lage dazu dies zu tun?

USA werden weiter lauschen

Auf tagesschau.de ist heute zu lesen, das geplante No-Spy-Abkommen drohe zu scheitern. Die USA lehnten die Kernforderungen Deutschlands ab und dächte gar nicht daran, die Zusage zu geben, „künftig keine deutschen Regierungsmitglieder und politische Amtsträger mehr abzuhören.“ Washington, so hört man, sei überhaupt verwundert darüber, dass die BRD ein solches Abkommen angestrebt habe. „Auch würden die USA weiterhin nicht erklären, seit wann das Mobiltelefon von Kanzlerin Angela Merkel abgehört wurde oder ob auch andere deutsche Spitzenpolitiker belauscht wurden oder werden.“ Batsch, was für’ne Klatsche für Germany! Wahrscheinlich hat man Washington sowieso schallend über die Forderungen der „Freunde“ in Berlin gelacht.

Oder ist vielleicht die deutsche Bundesregierung gar nicht so naiv, wie wir meinen? Und alles war nur ein beruhigende Blabla-Pille für’s deutsche Volk. Das, mit Verlaub – frei nach Brecht – wie die dümmsten Kälber dahin trottet und seine Metzger auch noch selber wählt?

Thomas Oppermann (SPD) spuckte in der Opposition noch große Töne

Der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat (DIE LINKE) schreibt heute auf Facebook: „Die USA wollen kein ‚No-Spy-Abkommen‘ mit Deutschland abschließen, sondern weiter spionieren. Überrascht das irgendjemanden? Interessant ist allenfalls, wie bspw. nun ein Herr Oppermann (SPD) reagiert, der VOR der GroKo noch große Töne gespuckt hat. Mehr als verbale Empörung – wenn überhaupt – wird es nicht geben.“

Das fürchte ich auch. Jetzt in die GroKo eingebunden, dürfte Thomas Oppermann wieder zurückgestutzt sein. Einem fragwürdigen „Staatswohl“ verpflichtet. Und somit ruhiggestellt? Kuschend gegenüber dem „Partner“ USA. Ein braver Vasall sein? Movassat setzt hinzu: „Weiterhin können die Menschen in diesem Land jederzeit ausspioniert werden. Auch weil die Bundesregierung klare Worte und Handlungen in Richtung Washington seit dem 1.Tag der NSA-Affäre konsequent unterlässt und damit ihren Amtseid bricht!“ Und damit eben nicht tut, möchte ich hier ergänzen, was damit verlangt ist: Nämlich Schaden vom deutschen Volke abzuwenden.

Josef Foschepoth: Alle Bundesregierungen haben sich Ansprüchen der Amerikaner gebeugt

Geht die Bundesregierung also tatsächlich davon aus, dass wir unsere Hosen mit der Kneifzange anziehen? „Die Amerikaner hätten also Grund zu behaupten, dass sie spionieren dürfen?“, so die Frage der Stuttgarter Zeitung an den Historiker Josef Foschepoth. Und dieser antwortete dem Blatt: „Ja, sicher. Die sechzigjährige Geschichte der Überwachung der Bundesrepublik zeigt, dass sich alle Bundesregierungen den Ansprüchen der Amerikaner gebeugt haben. Das hat natürlich zum Teil erhebliche Konsequenzen für die Souveränität und Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik gehabt. Ein Beispiel: Das Bundesverfassungsgericht hat 1970 im Urteil zum G-10-Gesetz gesagt, dass geheimdienstliche Überwachungen, die sich im Nachhinein als überflüssig erwiesen haben, den Betroffenen mitgeteilt werden müssen. Die Amerikaner haben da aber nur müde gelächelt. Es gibt in den Akten des Bundesinnenministeriums Unterlagen darüber, wie intensiv und erfolglos zugleich die deutschen Beamten die US-Behörden zur Kooperation bewegen wollten. Die US-Geheimdienste waren dazu einfach nicht bereit.“

Mehr über und von Josef Foschepoth (hier). Zum Thema passt auch ein älterer Beitrag von mir (hier).

Ja, vollständig souverän müsste Deutschland sein! Die Bildzeitung könnte titeln „WIR sind souverän“. Doch darüber wie es um die Souveränität unseres Staates bestellt ist lassen uns Merkel sowieso, als auch der sich nicht mehr in der Opposition – laut Müntefering ohnehin Mist – befindliche Sozialdemokrat Oppermann, nun brav wieder Staatsräson und „Staatswohl“ verpflichtet, im Ungefähren. Und macht uns mit Blabla ein X für ein U vor. Selbst schuld, wenn wir uns das bieten lassen. Wenn das der Preis für’s Mit-Regieren unter Merkel ist, dann ist Regieren auch Mist. Aber vielleicht kommt es auch ganz anders und Herr Oppermann macht bald den Lauten gegenüber den US-amerikanischen „Freunden“? Doch wer glaubt denn schon noch an den Weihnachtsmann?

Empfehlung zum Thema Bespitzelung ein Beitrag von 3sat-Kulturzeit vom 9. Januar 2014 (gleich am Anfang der Sendung), u.a. auch mit Josef Foschepoth. Interesannt darin auch das Agieren des Joachim Gauck mit an die USA gegebenen Geheimdienstmaterial aus dem Osten.

Artikelfoto: #StopwatchingUS-Aktion am 27. Juli 2013 – Die „NSA“ sammelt in der Innenstadt von Dortmund Daten; Claus-D. Stille

Opel Bochum wird geschlossen. Die Rüsselheimer Kollegen wähnten sich sicher. Nun geht von dort ein Hilfeschrei nach Bochum

BildNach 50 Jahren wird das Opel-Werk Bochum geschlossen werden. Auch das Zentrallager, das Händler in ganz Europa mit Ersatzteilen und Kotflügeln beliefert, wird dichtgemacht. Als „Strafe“ dafür, dass die Bochumer Beschäftigten nein zum Deutschland-Opel-Sanierungsplan sagten? Das Opel-Managment weist das weit von sich weist. Die Bochumer Opelaner hatten jedenfalls die Nase gestrichen voll. Seit Jahren leben sie nun schon in Unsicherheit betreffs der Zukunft ihrer Arbeitsplätze. Vielleicht wäre es ja noch bis 2016 gegangen. Vielleicht…

50 Jahre Opel Bochum

Der umtriebige und seit Jahren hoch engagierte Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel stimmte dem Opel-Deutschland-Plan von General Motors nicht zu. Und die Mitarbeiter standen hinter ihm.

Im vergangenem Jahr hätte Opel Bochum das 50-jährige Jubiläum feiern sollen. Offenbar aus Angst vor Protesten gab es auf dem Werksgelände keine Feierlichkeiten. Stattdessen organisierten Betriebsrat, IG Metall mit Unterstützung vieler Menschen ein großes Opel-Solidaritätsfest vor dem Bochumer Rathaus in der Innenstadt (Lesen Sie meinen Bericht auf Readers Edition). Rainer Einenkel kündigte dort an, man wolle kämpfen. Denn wer nicht kämpfe, habe bereits verloren. Die Bochum Opelaner erfuhren auf diesem Fest im Zentrum der Ruhrgebietsstadt von vielen Seiten Solidariät. Dazu ein Auszug aus meinem RE-Bericht:

„Auf der Bühne ging es zu wie in einem Taubenschlag. Die Solidaritätsbekundungen nehmen kein Ende. Regierungspräsident Gerd Bollermann ist da, Betriebsratsvertretungen von Opel-Eisenach und sogar eine Abordnung von Betriebsräten aus dem VW-Werk Osnabrück. Auch 30 IG-Metall-Vertrauensleute von Daimer Düsseldorf waren mit Kind und Kegel gekommen. Warum ist die Konkurrenz soldidarisch? Ganz einfach: Weil man auch dort weiß, wenn das Opel-Werk Bochum fällt, ist der Rubikon überschritten und weitere Werke könnten auf die Abschussliste der jeweiligen Managements kommen. Der von Mitgliedern des Schauspielhauses Bochum produzierte Opel-Rap “Herr Müller” (Nicola Mastroberardino/Andreas Eich) ging über die Bühne. Ebenso mitreißend ist der Aufritt der Schauspielhaus-Band.“

Einenkel vs. Adam Opel AG

Rainer Einenkel reichte Klage gegen die Adam Opel AG ein. Am 28.01.2014 wird darüber am Landgericht Darmstadt verhandelt. Zur Hintergrund der Klage:

„Die Entscheidung zur Verlagerung des Zafiras und somit Schließung von Bochum wurde im Aufsichtsrat getroffen. Die Klage gegen diese Entscheidung kann darum nur durch ein Mitglied des Aufsichtsrates geführt werden. Zur damaligen Zeit waren die beiden Bochumer Rainer Einenkel und Dirk Bresser im Aufsichtsrat. Obwohl die Klage vorher angekündigt war, klagt nur R. Einenkel gegen die Schließung. Warum D. Bresser sich nicht daran beteiligt sollte er selbst beantworten. Bisher schweigt er auf entsprechende Nachfragen.“ (via Website „WIR Gemeinsam“)

Rüsselheimer kamen nicht zum Soli-Fest nach Bochum. Nun da es ihnen an den eignen Kragen geht, schreiben sie einen Leserbrief dorthin

Auf dem Opel-Solidaritätsfest in Bochum – sogar Mitarbeiter von Konkurrenzbetrieben waren dort hingekommen – vermisste man Opelaner aus dem Werk Rüsselheim. Die hatten sich wohl vom Management einen vom Pferd erzählen lassen und gehofft mit heiler Haut davon zu kommen. Sie hatten dem Opel-Deutschland-Plan ihr Plazet gegeben und vielleicht sogar die Nase über die kämpferischen Bochumer Kollegen gerümpft. Nun wachen sie plötzlich unsanft auf und plärren auf der Facebook-Gruppenseite „Gegen die Schließung Opel Bochum“:

„Die Opel-Seite ‚WIR Gemeinsam‘ :

06.01.2014 – Nikodemus
Hallo Bochumer, ich bitte euch dringend, diesen Leserbrief zu veröffentlichen.

Im Frühjahr haben wir Rüsselsheimer dem TARIFVERTRAG zur Beschäftigungssicherung zugestimmt. In diesem Vertrag steht, dass bis Ende 2013 RECHTSVERBINDLICH mit unserem Betriebsrat und der IG Metall mindestens ZWEI NEUE MODELLE vereinbart werden. Aber nichts ist passiert. Das ist ein Verstoß gegen den Tarifvertrag. Das ist ein eindeutiger VERTRAGSBRUCH. Der Betriebsrat muss jetzt klagen. So stehts im Tarifvertrag.
Der Betriebsrat prüft wohl eine Klage, wurde von unserem Bereichsbetriebsrat erzählt. Aber man hört nichts genaues.
Nach der Entscheidung, den neuen Zafira in Frankreich zu bauen, geht hier die Angst rum.“

Von den Bochumern erntet dieser Hilfeschrei aus Rüsselsheim nun vorwiegend Häme. Muss man sich darüber wundern? Hier eine kleine Auswahl der Kommentare auf Facebook:

„ihr seid doch selbst schuld .die frechheit ist(finde ich ) noch zu besitzen die bochumer „dringend“ aufzufordern diesen brief zu veröffentlichen. uns hat auch keiner geholfen. jeder kehrt vor seiner haustür (…) Das stimmt hätten alle deutschen Werke zusammen Gehalten , dann hätte ich die mal sehen wollen was dann gekommen wären wenn keiner unterschrieben hätte , aber so ……selbst Schuld !!!!! (…) angst ????? wie fühlt sich das an??? wir wissen es. (…) Wach geworden……………………..? (…) Wir in Bochum hatten auch auf Hilfe von den Rüsselsheimern gehofft !!! „

Eigentlich ein alter Hut

Den Rüsselheimern war sehr wahrscheinlich das Hemd näher als die Hose gewesen. Verlieren sie bald beides? Eigentlich ist es doch ein ganz alter Hut: Ohne Solidarität untereinander lassen sich die Beschäftigten leicht auseinander dividierten. Und die Arbeitgeber nutzen das. Die Geschichte der Arbeit und er Arbeiterbewegung ist voll davon. Hat man in Rüsselheim noch nichts davon gehört? In Bochum, im Ruhrpott, da wird Solidarität noch groß geschrieben. Freilich könnte man jetzt provokant fragen: Und, was hat es euch genutzt, euer Werk wird nun doch zugemacht? Doch im Grunde ist das die falsche Frage. Die Rüsselheimer kommen vielleicht auch noch dahin zu erkennen, worauf es ankommt. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, wusste schon Gorbatschow …

Artikelfoto (Claus-D. Stille): Opel-Solidaritätsfest in Bochum im März 2013. Rainer Einenkel (Bild Mitte rechts).

Kunduz-Massaker: Oberst Klein befördert, Hinterbliebene ohne Schadensersatz – Jürgen Todenhöfer zahlt aus eigener Tasche 10 000 €

Margot Käßmanns Einschätzung „Nichts ist gut in Afghanistan“ gilt nach wie vor. Sie erinnern sich an den im September 2009 vom deutschen Bundeswehroberst Georg Klein befohlenen Luftschlag bei Kunduz auf zwei von Taliban entführte Armeetanklaster? Als Kommandeur des Provincial Reconstruction Teams (PRT) hatte Klein den Luftschlag auf die auf einer Sandbank im Kunduz-Fluss festgefahrenen Tankfahrzeuge befohlen. Obwohl US-amerikanische Flieger, die die Stelle überflogen und auch Bilder davon sendeten, darauf hinwiesen, dass sich Zivilisten dort befanen, die Benzin aus den Tankfahrzeugen abzapften. Die US-Flieger, sonst nicht gerade für besondere Zimperlichkeit bekannt, fragten bei Kleins Team ausdrücklich an, ob sie die Stelle im Tiefflug überqueren sollten, um die Menschen zu warnen respektive zu vertreiben. Dies lehnte Oberst Klein jedoch ab und bestand auf Bombardierung. Dabei kamen 137 Zivilisten ums Leben. Darunter Kinder

Gegen Klein wurden von der Bundesanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen wegen möglichen Verstoßes gegen das humanitäre Völkerrecht geführt. Sie wurden eingestellt. Wie auch das ebenfalls gegen Klein angestrengtes Disziplinarverfahren.

Kurz vor Weihnachten: Deutsches Gericht lehnt Schadensersatz ab

Vor dem Landgericht Bonn klagten Hinterbliebene der am Kunduz-Fluss Getöteten auf Schadensersatz. Jürgen Todenhöfer hat sich sehr intensiv mit dem Fall beschäftigt. Auf Facebook notierte Todenhöfer am 5. Januar diesen Jahres: „Geklagt hatten der 42-jährige afghanische Bauer Abdul Hannan und die 38-jährige Witwe Qureisha. Abdul Hannan hatte bei dem von Oberst Klein befohlenen Bombardement zwei Kinder und einen Neffen verloren, Qureisha ihren Mann. Sie ist mittellos und muss ihre sechs Kinder jetzt alleine durchbringen. (…) Ich kenne die Geschichte Abdul Hannans ziemlich genau. Ich hatte sie monatelang recherchiert und in meinem Buch „Du sollst nicht töten“ ausführlich geschildert. Ich fühle mich Abdul Hannan persönlich verbunden. Sein Schicksal und das Qureishas sind symbolisch für das Leid unzähliger Afghanen.
Und leider auch für das bürokratische Versagen unseres Staates bei der Bewältigung der Tragödie von Kunduz.“

Kurz vor Weihnachten hat das deutsche Gericht die Schadensersatzklagen der Hinterbliebenen des „Massakers von Kunduz“ (Todenhöfer) abgewiesen. Sein Argument: Oberst Klein habe nicht gegen seine „Amtspflichten“ verstoßen. Obzwar Klein Aussagen von Vorgesetzten zufolge gelogen hatte! „Feindberührung“, wie von Klein zur Begründung ins Feld geführt, hatte nicht bestanden. Insofern war das mörderische Bombardement nicht gerechtfertigt.

Die Gerichtsentscheidung ist die eine Sache. Über das bisherige Handeln der Bundesregierung in dem Fall und erst recht die Reaktion auf den Ausgang des Gerichtsverfahrens kann man nur mit dem Kopf schütteln. Jürgen Todenhöfer beklagt: „Bis heute hat kein Mitglied der deutschen Bundesregierung die Opferfamilien von Kunduz besucht oder sich bei ihnen entschuldigt. Die in bitterer Not lebenden Familien haben lediglich 3.600 Euro erhalten. Bei Abdul Hanan waren das 1.200 Euro pro ermordetem, verkohltem Kind.“ Empörend! Bitter für die Zurückgebliebenen.

Statt Bestrafung Beförderung – Kann Georg Klein noch ruhig schlafen?

Wie entsetzt müssen die Hinterbliebenen der im September 2009 am Kunduz-Fluss ermordeten Menschen erst gewesen sein, als sie erfuhren, dass Oberst Klein inzwischen zum Brigadegeneral befödert worden war? „Wäre er auch zum General befördert worden, wenn er versehentlich 137 deutsche Zivilisten zu Tode gebombt hätte?“ fragt Jürgen Todenhöfer und schreibt dem nunmehrigen Brigadegeneral ins Stammbuch: „Wenn Klein ein Mann von Charakter wäre, hätte er die Beförderung abgelehnt. Doch Charakter scheint Glücksache zu sein.“ Und ich frage: Kann Georg Klein eigentlich noch ruhig schlafen?

Die Bunderegierung hätte nach geeigneten Möglichkeiten Ausschau halten können, den Hinterbliebenen zu helfen

Wie schon notiert: Der Ausgang des Gerichtsverfahrens ist die eine Sache. Aber hätten es dann nicht der normale Menschenverstand und der Anstand erfordert, dass die Bundesregierung wenigstens nach geeigneten Möglichkeiten Ausschau gehalten hätte, den Hinterbliebenen zu helfen? Die Menschen in Afghanistan registrieren nämlich sehr genau, wie mit diesem Fall von deutscher Seite umgegangen wird. Aber höchstwahrscheinlich haben kühl denkende Bürokraten, Juristen und Regierungsbeamte nur sorgsam darauf geachtet, dass bloß nichts unternommen wird, dass nach einem Schuldbekenntnis Deutschlands riechen könnte. Empörend!

10.000 Euro für Decken und Heizmittel

Immerhin hat Jürgen Todenhöfer gehandelt. Kurz vor Weihnachen hat er den in Frage stehenden afghanischen Familien aus seiner „eigenen Tasche 10.000 Euro überwiesen“. Bestimmt ist diese Summer für „Decken und Heizmittel“. Die Verteilung von Brennholz soll in diesen Tagen beginnen. Todenhöfer habe damit zeigen wollen, „dass die Bunderegierung mit ihrer harten Haltung nicht im Namen aller Deutschen handelt.“ Ein direkte und persönliche Überweisung wollten Adbul Hanan und Qureisha – „als demonstrative Geste für zwei Symbolfiguren Afghanistans“ (Todenhöfer) – nicht. Stattdessen baten sie mit dem Geld Heizmittel für alle Opferfamilien zu kaufen. Jürgen Todenhöfer zu dieser Entscheidung: „Was für tolle Menschen!“

Verteidigungsministerium blieb gewehrlaufkalt

Gerne würde man auch der Bundesregierung Lob für entsprechende Gesten gegenüber den Hinterbliebenen zollen. Doch in den zuständigen Ministerien hausen anscheinend nur trockene, seelenlose, aufs Funktionieren im Regierungsgetriebe programmierte Beamtenkörper in sachlich kühl gehaltenen Bürokratenstuben. Dem zu dieser Zeit noch amtierenden Verteidigungsminister de Maizière schickte Todenhöfer laut Facebook-Eintrag sein Buch „Du sollst nicht töten“. Und zwar ausdrücklich mit „der Bitte, die Schicksale der Opfer von Kunduz einmal in Ruhe zu studieren und seine Haltung zu überdenken“. Dort blieb man hart und kalt wie stählerne Gewehrläufe für gewöhnlich sind: Das Verteidigungsministerium hat die Annahme des per Kurier übersandten Buches verweigert, vermeldet Jürgen Todenhöfer und schließt folgendermaßen: „Wie erbärmlich!“ Menschlichkeit Fehlanzeige. Traurig. Ich empöre mich! Frau von der Leyen, übernehmen Sie! Ich fürchte allerdings auch von der Chefin des Bendler-Blocks ist da nicht viel zu erwarten. Oder hat jemand irgendwann einmal verspürt, dass diese Frau – im Fernsehen an einen eiskalten Engel gemahend – sonderliche Herzenswärme verströmte?

„Nichts ist gut in Afghanistan“

Ich trete dann mal empört weg. So geht man nicht mit Menschen um. Erst recht nicht mit Mordopfern. Die Nicht-Reaktion der Bundesregierung ist mehr als ein Armutszeugnis. Nicht in meinem Namen!

„Nichts ist gut in Afghanistan.“ Was wurde Margot Käßmann damals verbal verdroschen für diesen Satz. Aber er stimmt heute um so schlimmer. Erst recht, was den hier behandelten Fall angebelant. Jürgen Todenhöfer hat immerhin gezeigt: Es gibt noch ein anderes Deutschland neben dem offiziellen …