Neue Studie der Deutschen Aidshilfe beweist: Nicht die Sexarbeit an sich ist ein Problem – es braucht bessere Arbeitsbedingungen!

BesD e. V. | Berufsverband Sexarbeit

11. April 2024/in Infos vom BesD, POLITIK, Pressemeldungen/von Lilli

Quelle: Pressemitteilung des Berufsverbandes erotische und sexuelle Dienstleistungen vom 11.04.2024 (PDF-Version).


Donnerstag, 11. April 2024. In dem vom Gesundheitsministerium geförderten Forschungsprojekt untersuchte die Deutsche Aidshilfe die gesundheitlichen Bedarfe von Sexarbeiter*innen in Deutschland – die Ergebnisse wurden nun veröffentlicht: “Was brauchen Sexarbeiter*innen für ihre Gesundheit?”

Die Ergebnisse der Studie sind nicht nur für die Verbesserung der Gesundheitsvorsorge bei Sexarbeiter*innen wichtig, sondern auch für die Arbeit an politischen Lösungen von großer Bedeutung.

Insbesondere zeigt die Studie die große Bandbreite von Sexarbeit sowie die unterschiedlichen Motivationen von Sexarbeitenden.

“Das Schubladendenken von in der Sexarbeit tätigen Menschen als entweder ‘unfreiwillige Prostituierte’ oder ‘selbstbestimmte Sexarbeiter*in’ wird deutlich als Trugschluss widerlegt. Die Studienergebnisse decken die Komplexität in der Sexarbeit auf und bestätigen somit die Notwendigkeit eines differenzierten Vorgehens in der Problembekämpfung.” (Kolja-André Nolte)

Der BesD begrüßt die partizipative Umsetzung der Studie, in deren Rahmen einer zentralen Forderung der Hurenbewegung – „Redet mit statt über uns“ – nachgekommen wurde: Endlich gibt es eine umfangreiche Untersuchung, die wissenschaftlichen Standards entspricht und Sexarbeitende mit einbezieht.

Positiv hervorzuheben ist außerdem die Auswahl und Diversität der Fokusgruppen.

Die Aidshilfe hat sich bewusst mit jenen Kolleg*innen beschäftigt, die unter teils prekären Bedingungen der Sexarbeit nachgehen und oftmals schwer zu erreichen sind. Es wurden unterschiedliche soziale und ethnische Herkünfte, sowie erstmals in dieser Größenordnung auch Sexarbeitende aller Geschlechter befragt.

Als Kernprobleme wurden von den Betroffenen Gewalterfahrungen und Angst vor Gewalt, finanzielle und existenzielle Not, psychische Belastung in Zusammenhang mit erlebter Stigmatisierung sowie Kriminalisierung und fehlende Legalität identifiziert.Die „elf Empfehlungen zur Verbesserung der Lebens-, Arbeits- und Gesundheitsbedingungen von Sexarbeiter*innen“ unterstützt unser Verband zu 100%.

Die Befragten bewertetem nicht ihre Tätigkeit – die Sexarbeit – als Problem; sie kritisierten aber die teilweise schlechten Bedingungen, unter denen sie arbeiten (müssen).

Die in der Studie beschriebene zunehmende Nachfrage nach Sex ohne Kondom kann der BesD leider bestätigen. Der Zwang zum illegalen Arbeiten sowie eine geringere Nachfrage führten insbesondere während der Corona-Arbeitsverbote dazu, dass auch Kundschaft und Wünsche angenommen werden mussten, die sonst abgelehnt werden. Dies belegt auch eine Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen: “Nordisches Modell auch in der Mitte Europas? – Auswirkung der Corona-Pandemie im Bereich der Prostitution”

Die Studie weist  nach, dass Illegalisierung sowie Stigmatisierung starke psychische Belastungen auslösen und somit gesundheitsschädigend sind.

Ebenfalls stellte sich heraus, dass Personen außerhalb des mann-männlichen Sexarbeitsspektrums über die Schutzmethoden PreP bzw. Pep nicht ausreichend aufgeklärt sind. Hintergrund sind zum einen die mangelnde Aufklärung und zum anderen die Frage der Kostenübernahme. Die Angebote werden hier nun verstärkt.

Die beiden untersuchten Sondergesetze sieht auch der BesD kritisch: Wir halten die Anmeldepflicht laut Prostituierten Schutz Gesetz für den falschen Ansatz, um Sexarbeitende zu schützen. Wir sprechen uns für eine vollständige Abschaffung der Sperrbezirksverordnungen sowie für eine Vereinfachung der baurechtlichen Genehmigungsverfahren für Prostitutionsstätten aus – es handelt sich dabei um sichere Arbeitsplätze.

 „Wir sehen in dieser Studie eine solide Basis, um die aufgeheizte Diskussion bezüglich neuer Regelungen und Gesetze für die Sexarbeit zu versachlichen.“ (Johanna Weber)


Ihr Kontakt für Nachfragen:
Politische Sprecherin | Johanna Weber | johanna.weber@besd-ev.de | 0151 – 1751 9771
Pressesprecher | Kolja-André Nolte | kolja.nolte@besd-ev.de | +49 1577 7555040

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Beitragsfoto/Repro: Prostituierte in der Dortmunder Linienstraße, gemalt von Bettina Brökelschen

Europarat: Politik ignoriert soziale Schieflage in Deutschland

Die Armut in Deutschland wächst. Das lässt die Zahl der Obdachlosen steigen, versperrt den Zugang zu sozialen Rechten, wie Bildung, und fördert Diskriminierung und Ausgrenzung. Der Europarat sieht die Bundesregierung in der Pflicht: Sie unternehme viel zu wenig gegen die Abwärtsspirale.

Von Susan Bonath

Armut, Wohnungsnot, Ausgrenzung: Wenn es um die Wahrung grundlegender sozialer Menschenrechte geht, kritisiert Deutschland gerne andere Länder. Doch die Schieflage im eigenen Land wird von der Politik am liebsten ignoriert. Diese habe sich zuletzt erneut zugespitzt, doch die Regierung unternehme viel zu wenig dagegen, rügte jüngst der Europarat.

„Soziale Rechte werden in Deutschland oft nicht als Grund- und Menschenrechte angesehen, die der Staat verwirklichen muss“, kritisiert die europäische Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatović in dem vor wenigen Tagen veröffentlichten neuen Bericht des Europarats. Ihr Zeugnis wirft ein miserables Licht auf den angeblich demokratischen Vorzeigestaat der EU. Eine besondere Schlagzeile war das den deutschen Leitmedien aber nicht wert.

Hetze statt Hilfe

Die Berichterstatterin mahnt insbesondere fehlende wirksame Strukturen in Deutschland an, die allen Einwohnern hinreichenden Zugang zu sozialen Grundrechten bieten. Die gravierendsten Mängel sieht sie beim Schutz vor Armut, Diskriminierung und Obdachlosigkeit. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt spitze sich zulasten der ärmeren Teile der Bevölkerung immer weiter zu, ohne dass sich die Politik ausreichend bemühe, dem Abhilfe zu schaffen. Auch zu Bildung hätten Arme keinen angemessenen Zugang.

Der Europarat sei „besorgt“ über eine hohe Zahl von Menschen in Deutschland, die in Armut lebten und von sozialer Ausgrenzung betroffen seien, heißt es. Dies stehe „in keinem Verhältnis zum Wohlstand des Landes“. Die Einführung des Bürgergelds sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Allerdings gleiche der aktuelle politische und mediale Diskurs einer Hetzkampagne gegen arme Menschen. Öffentlich kolportiert werde vor allem das Narrativ, wonach Arme ausschließlich selbst schuld an ihrer Lage seien.

Ausgrenzung der Schwächsten

Strukturelle Probleme hingegen, die zu dauerhafter Verarmung und Ausgrenzung führten, würden weitgehend ignoriert. Dies treffe die Schwächsten: Behinderte Menschen litten in fast allen Bundesländern unter mangelnden Teilhabemöglichkeiten, Migranten und Flüchtlinge hätten vielerorts kaum Zugang zu Integrationsangeboten, wie etwa Sprachkurse. Das sozial angespannte Klima fördere zahlreiche Formen rassistischer und sozialer Diskriminierung, heißt es.

Dazu gehöre auch eine wachsende Kinderarmut, die wiederum Wege zur Bildung und sonstigen sozialen Teilhabe versperre und oft zu dauerhafter Armut führe. Das Kindeswohl stehe bei Behörden oftmals nicht im Fokus, Rechte für Kinder seien trotz mehrfacher Anläufe weiterhin nicht in das Grundgesetz aufgenommen worden. In den meisten Bundesländern gebe es keine politischen Ansprechpartner für das Thema Kinderrechte, beklagte die Kommissarin. Sie fordert sofortige Abhilfe:

„Alle relevanten Akteure sollten auf zwischenbehördlicher und interministerieller Ebene zusammenarbeiten, um den Zugang zu sozialen Rechten zu verbessern, und die Rechtsinhaber sollten frühzeitig über ihre Ansprüche informiert und beraten werden.“

Ignoranz von oben

Der Sozialrechtsexperte Harald Thomé vom Verein „Tacheles“ bekräftigte die Warnungen des Europarats und rügte: Statt sich um effektive Gegenmaßnahmen zu bemühen, gössen Bundesregierung und ein Teil der Opposition weiter Öl ins Feuer. Thomé erklärte:

„Der derzeitige Kurs der Regierung und der Opposition sorgt dafür, dass sich Armut, Elend und Menschenrechtsverletzungen stetig verschärfen.“

So beinhaltet der kürzlich verabschiedete Haushalt für 2024 zahlreiche weitere Maßnahmen des Sozialabbaus. Trotz eines anderslautenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2019 führte das Parlament damit etwa die 100-Prozent-Sanktionen als Bestrafungsinstrument gegen Bezieher von Bürgergeld, ehemals Hartz IV, wieder ein. Das ließ schon 2005 den Andrang an den privat organisierten Tafeln sowie die Obdachlosenzahlen explodieren. Kritiker werfen der Regierung vor, das höchste Gericht, somit das Grundgesetz zu umgehen.

Kein Plan gegen Wohnungsnot

Dass die Obdachlosigkeit zunimmt, findet Thomé nicht verwunderlich. Mit dafür verantwortlich seien viel zu niedrig angesetzte Mietobergrenzen für Menschen, die auf Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter oder Bürgergeld angewiesen sind. Sie fänden keine Wohnung, die vom Amt akzeptiert werde, weil es diese vielerorts schlicht nicht gebe, bemängelte er.

Kurzfristige Abhilfe sei hier nur mit einer Erhöhung dieser Obergrenzen zu erreichen. Langfristig sei ein groß angelegtes Programm für den Bau von Sozialwohnungen notwendig, so der Sozialrechtler. Auch die europäische Menschenrechtskommissarin pochte auf „umfassende und langfristige Maßnahmen“. Die deutsche Regierung müsse „alle zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen, um Obdachlosigkeit zu verhindern und zu beseitigen“. Notfalls müsse sie in den Wohnungsmarkt und in das Mietrecht eingreifen.

Bald Slums wie in den USA?

Besonderer Eifer beim Kampf gegen die Wohnungsnot ist in der Politik unterdessen nicht erkennbar. Sie hätte eigentlich schon längst mehr unternehmen müssen. Das Problem ist schließlich nicht erst seit der Bekanntgabe des neuen Berichts evident. Die Obdachlosenzahlen steigen bereits seit den 1990er-Jahren an. Kommunen verscherbelten ihre Wohnungen an Privatiers, andere verloren ihre Sozialbindung.

Ein wenig ähnelt die Entwicklung in Deutschland jener in den USA. Der dort seit den 1980er-Jahren exzessiv praktizierte neoliberale Kurs hat längst zu riesigen Slums und Elendsvierteln geführt. Um dies von Deutschland abzuwenden, bräuchte es wohl mehr als Lippenbekenntnisse.

Quelle: RT DE

Beitragsbild: Claus Stille

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Wer nicht pariert, soll verhungern: CDU stellt neue Asozial-Agenda vor

Die CDU unter Friedrich Merz tritt immer aggressiver nach unten. Ihr nun vorgestellter neuer Plan sieht vor, das Bürgergeld in ein repressives Gängel- und Bepitzelungssystem zu überführen und alle Erwerbslosen, die Jobcentern nicht gehorchen, im schlimmsten Fall verhungern zu lassen.

Von Susan Bonath

Kriegslüstern, russophob, asozial: Die CDU unter Friedrich Merz wird zunehmend zur explosiven Gefahr für Frieden, Wohlstand und sozialen Ausgleich in Deutschland. Am liebsten tritt sie nach unten. Am Montag holte sie erneut zum Schlag gegen die Ärmsten aus: Die Parteispitze der CDU besiegelte ein Papier für die Abschaffung der jetzigen Grundsicherung namens Bürgergeld. Ihr Plan: Ein neues Regelwerk soll die Schwachen hart drangsalieren, ausspionieren und bei Ungehorsam wohl verhungern lassen.

Straf- und Gängelinstrument

CDU-Chef Merz, der sich beim Millionenscheffeln unter anderem bei BlackRock als äußerst „leistungsbereit“ erwiesen hat, erklärte dazu, er wolle eine „Partei der Leistungsbereiten“ formen. „Wer arbeiten gehen kann, wird es müssen“, tönte er. Vermeintliche „Totalverweigerer“ sollen Jobcenter „schneller, einfacher und unbürokratischer“ finanziell auf null setzen können, mit anderen Worten: obdachlos machen und verhungern lassen.

Dass es Langzeiterwerbslosen meist nicht am Willen mangelt, sondern in aller Regel zahlreiche familiäre, psychische oder physische Hindernisse ihrer Anpassung an den Arbeitsmarkt im Wege stehen, interessiert die CDU ersichtlich nicht. Wer arbeiten könne, das sollen Jobcenter-Angestellte mit dem „Sanktionshammer“ entscheiden. Da in solchen Fällen nicht einmal ein Widerspruch schelle Abhilfe schaffen könnte, weil die aufschiebende Wirkung im Sozialrecht bereits seit 2005 nicht mehr gilt, würden sich die Plätze unter den Brücken wohl weiter füllen und die Zahl der Bettler und Kleindiebe explodieren.

Den schlimmsten Ausbeutern in Deutschland und allen, die es gern wären, käme das wohl sehr gelegen. Vor 20 Jahren hatte Altkanzler Gerhard Schröders Agenda 2010, mit der unter anderem Hartz IV an den Start gegangen war, zu einer Explosion des Niedriglohnsektors und einer massiven Schwächung der Gewerkschaften geführt. Genau das war damit beabsichtigt gewesen – und ist es heute: ein Paradies für Ausbeuter auf der einen, ein Straf-, Disziplinierungs- und Gängelinstrument für Lohnabhängige, nicht nur erwerbslose, auszubauen.

Drangsalieren und bespitzeln

Mehr noch: Auch das Experiment „gläserner Bürger“, dessen Opfer Asylbewerber dank Bezahlkarten bereits sind, wollen die sogenannten Christdemokraten auf Erwerbslose und Aufstocker stärker ausweiten. Die CDU fordert nämlich den „vollständigen Datenaustausch zwischen Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden“, um „Leistungsmissbrauch“ zu verhindern. Schon jetzt betreiben die Jobcenter diese Form der Schnüffelei von Jahr zu Jahr exzessiver. So geht es Schritt für Schritt in die totale Unfreiheit für alle unterhalb der Spitze.

Merz‘ Parteikollege Philipp Amthor blies schon im Vorfeld in das gleiche Horn. Der Jungpolitiker, der sein ganzes Erwachsenenleben am Aufstieg in der CDU arbeitete und dafür ordentlich Stütze aus dem Steuersäckel kassiert, faselte von „Dauerfaulheit“ und warb für eine „Agenda der Fleißigen statt immer mehr Stütze fürs Nichtstun“. Darin steckt schon eine dicke Lüge: Die „Stütze“ wurde lediglich längst überfällig der Inflation angepasst. Aber lügen gehört bekanntlich zum politischen Geschäft.

Auf dem Weg in den Asozialstaat

Der Ampelregierung, die schon die erste Sozialkürzungswelle zum angeblichen „Stopfen des Haushaltslochs“ hinter sich gebracht und mit ihrer „Zeitenwende“-Politik Millionen Menschen in finanzielle Not getrieben hat, kommt das wohl gelegen. Sie darf sich als Retter des Sozialstaats inszenieren.

Die Union spiele „arbeitende Menschen gegen die aus, denen es gerade nicht so gut geht“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil Medienvertretern als Reaktion auf den CDU-Vorstoß. Er mahnte, die Höhe des Bürgergelds sei durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts festgelegt worden, daran könne man nicht rütteln. Umgesetzt worden sei dieser überdies mit Zustimmung der CDU, rief Klingbeil in Erinnerung. Ähnlich scheinsozial äußerten sich Vertreter der Grünen, während die FDP der CDU die Stange hielt.

Dabei hat die Ampel den Weg in den Asozialstaat längst geebnet. Nach kürzlich geänderter Rechtslage dürfen Jobcenter schon jetzt jeden Bürgergeld-Bezieher für zwei Monate auf null setzen, wenn er mehrfach ein „Jobangebot“ ablehnt. Dann soll lediglich die Miete weiter gezahlt werden. Die Stromrechnung muss liegen bleiben, gegessen werden soll wohl aus der Mülltonne – ein Rückschritt in Richtung Sozialdarwinismus, der die Gesellschaft nur weiter in den Unfrieden treiben kann.

Ungehorsame verhungern lassen

Dies ahnt wohl der stellvertretende Bundeschef des CDU-Flügels Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, zumindest vage. Den Öffentlich-Rechtlichen erklärte Bäumler, er unterstütze zwar grundsätzlich die geplante Umbenennung des Bürgergeldes in „Grundsicherung“. Auch Sanktionen finde er in Ordnung, um Arbeitslose unter Druck zu setzen, Jobs (egal wie niedrig entlohnt) anzunehmen. Doch ganz so wie im CDU-Plan vorgesehen, könne man es dann wohl doch nicht tun.

„Eine vollständige und dauerhafte Streichung der Grundsicherung ist jedoch mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar“ kritisierte Bäumler. Dieses verbiete es, in einem „Land wie Deutschland“ Menschen „verhungern oder obdachlos werden zu lassen“.

Wohl wahr: Mit christlicher Nächstenliebe hat so etwas nun wirklich nichts zu tun. Sein Chef, der CDA-Vorsitzende Karl-Josef Laumann, hat mit dem Verhungernlassen aber offensichtlich kein Problem. Das Machwerk nannte er „ausgewogen“ – ein Fußtritt auf die Rechte aller Lohnabhängigen.

Christdemokratisch-wertewestliche Barbarei

Man stelle sich einmal vor, das alles würde eins zu eins umgesetzt. Kaum ein Beschäftigter, der auf seinen Lohn angewiesen ist, würde sich wohl dann noch trauen, auch nur ein klein wenig aufzumucken gegenüber seinem Chef, geschweige denn, sich an einem Streik oder sonstigen Protest zu beteiligen, wenn eine Entlassung ihn letztlich in Obdachlosigkeit und Hunger katapultieren könnte. Die rechtlosen Leibeigenen von einst und das Recht des Stärkeren lassen grüßen.

Im Volksmund nennt man so etwas gewöhnlich Barbarei, in diesem Fall wohl „christdemokratische“ und „wertewestliche“ Barbarei. Dazu passen die außenpolitischen Wünsche der Merz-CDU allerdings sehr gut. Ginge es nach ihr, würden die Taurus-Marschflugkörper längst gen Moskau fliegen, und wer weiß: Vielleicht wäre Deutschland dann nicht nur innenpolitisch längst mittendrin in einem großen Krieg.

Quelle: RT DE

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Acht Euro für ein Päckchen Essensreste: Inflation treibt Deutschlands Tafel-Preise in die Höhe

Bedürftige in Deutschland müssen sich inzwischen die Armenspeisung bei der Tafel leisten können. Die ausrangierten und gespendeten Lebensmittel werden immer teurer. In Weimar kostet ein Beutel ausrangierter Lebensmittel bereits acht Euro. Grund sei die Inflation, heißt es.

Von Susan Bonath

Vor gut 30 Jahren schwappte das private Armen-Charity-Modell der USA nach Deutschland: Die ersten Tafeln hatten sich 1993 zum Ziel gesetzt, der steigenden Zahl obdachloser Menschen mit Essen zu helfen, das sonst weggeworfen werden würde. Ihr ehrenamtlicher Charakter ist geblieben, doch sind sie längst zu einem bundesweit agierenden Unternehmen geworden, das schleichend den Sozialstaat zu ersetzen droht. Und wer denkt, ein Tafelgang koste nichts, der irrt: Die Inflation treibt auch dort die Preise in die Höhe.

Wie in dieser Woche der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) berichtete, verhängen nicht nur immer mehr Tafeln Aufnahmestopps, weil sie vom Massenandrang völlig überlastet sind. Auch die Preise schnellen dort wie im Rest der Bundesrepublik zusehends in die Höhe. Wer also völlig pleite ist, hat auch bei der Tafel keine Chance auf einen vollen Magen.

Teure aussortierte Lebensmittel

Dem Bericht zufolge verlangt die Tafel im sachsen-anhaltischen Zerbst inzwischen vier Euro für eine warme Mahlzeit, die sie von montags bis freitags ausgibt. Zum Vergleich: Der Regelsatz des Bürgergeldes enthält 195 Euro für Nahrungsmittel pro Monat für eine alleinstehende Person. Das sind rund 6,50 Euro für jeden Tag.

Eine Kiste Lebensmittel ist sogar noch teurer, sie kostet in Zerbst mittlerweile sieben Euro. Dies variiert von Ort zu Ort. Laut eines früheren MDR-Berichts vom Februar müssen beispielsweise Bedürftige im thüringischen Weimar acht Euro für so ein Essenspaket bezahlen.

Zu bedenken ist, dass es sich in aller Regel um Waren handelt, die Supermärkte, Discounter und andere Geschäfte wegen ablaufender Haltbarkeit oder diversen Qualitätsmängeln als unverkäuflich aussortiert und an die Tafeln gespendet haben. Die Läden müssten diese Lebensmittel eigentlich wegwerfen und sparen sich durch Weitergabe die Kosten der Entsorgung. Auch der Inhalt der Kisten ist nicht immer gleich, sondern variiert sehr stark. Ausgegeben werden kann schließlich nur, was an die Tafeln abgegeben wurde.

Hohe Energie- und Spritkosten

Die Leiterin der Zerbster Tafel, Ute van Tulden, sagte, schuld sei die Inflation, die besonders Energie, Benzin und Nahrungsmittel stark verteuert habe. Zwar steige die Inflation aktuell nicht mehr so stark. Doch die Kosten für die Tafel seien damit nicht gesunken. Sie seien, so van Tulden, „im Gegenteil noch höher durch die Nachzahlungen für Strom, und die Benzinpreise sind erhöht; da wir viel fahren, merken wir das ganz schön“.

In dem Bericht vom Februar heißt es, dass der Aufwand für die Tafeln, um an Essensspenden heranzukommen, immer stärker zugenommen habe. Regionale Geschäfte spendeten nicht mehr genug. Im sächsischen Weißwasser beispielsweise gebe es deswegen mittlerweile ein Zentrallager mit Kühlhaus, wohin Supermärkte größere Mengen dieser unverkäuflichen Lebensmittel liefern.

Das Lager wiederum müsse hohe Mieten und Energiekosten abdrücken. Außerdem seien hauptamtliche Mitarbeiter nötig, die man entlohnen müsse, fügte dessen Leiter Dietmar Haase hinzu. Weil auch die Spenden für die Tafeln dem wachsenden Andrang nicht mehr gerecht würden, müssten die Einrichtungen dies über höhere Preise ausgleichen, bezahlt von den Bedürftigen.

Schleichender Ersatz für Sozialstaat?

Ende 2023 verzeichnete der deutsche Dachverband der Tafeln bis zu zwei Millionen Menschen, die regelmäßig um Essen anstehen. Laut Statistischem Bundesamt lebten 2022 in Deutschland 14,7 Millionen Menschen unterhalb der sogenannten „Armutsgefährdungsgrenze“, das sind über 17 Prozent der Einwohner Deutschlands – Tendenz steigend, Dunkelziffer unbekannt.

Obwohl die Tafeln keine staatlichen Einrichtungen sind, verweisen beispielsweise Jobcenter durch Sanktionen mittellos gemachte Menschen gerne mit einem Achselzucken an sie weiter. Das wurde in der Vergangenheit immer wieder kritisiert. Die privaten Tafeln sind aber nicht verpflichtet, Bedürftige zu versorgen. Auch müssen Hungrige ihre Bedürftigkeit nachweisen. Wer weder Geld vom Amt noch Rente bekommt, was viele Obdachlose und EU-Migranten betrifft, hat keine Chance auf einen vollen Magen.

Armut explodiert im Westen

Die Anzahl der Tafeln und Essensausgabestellen ist seit 1993 geradezu explodiert. Im Jahr 1994 gab es, statistischen Daten zufolge, sieben dieser Einrichtungen in Deutschland, 2004 waren es bereits 430.

Mit der Einführung von Hartz IV 2005 kam es nochmals zu einem steilen Anstieg: Nur fünf Jahre später hatte sich die Zahl der Tafeln in Deutschland auf 877 mehr als verdoppelt, inzwischen sind noch einmal rund 100 hinzugekommen. Auf den wachsenden Andrang reagieren viele Tafeln mit Aufnahmestopps und teils langen Wartelisten.

Die kontinuierliche Zunahme der Armut ist im Westen aber kein Alleinstellungsmerkmal von Deutschland. In der gesamten Europäischen Union wird dieser Anstieg verzeichnet. Betroffen ist dort schon fast jedes fünfte Kind, in Rumänien sogar fast jedes zweite. Die gleiche Entwicklung registrieren Analysten in den USA sowie in Großbritannien.

Manch einer munkelt, das könnte eventuell am aggressiven marktradikal-imperialistischen Wirtschaften des Westens liegen, vorangetrieben von einer kriegerischen Politik, die nur noch die Profite der monopolisierten Finanz- und Hightech-Riesen, meist mit Sitz in den USA, im Fokus hat, die Kandare für die Oligarchen scheut und den Mittelstand sowie die Lohnabhängigen in den Ruin treibt.

Quelle: RT DE

Beitragsbild: Claus Stille

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeichnete kürzlich in Espelkamp vier Frauen und vier Männer aus NRW mit dem Verdienstorden der BRD aus. Darunter die Dortmunder Künstlerin Bettina Brökelschen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeichnete am 14. März 2024 in Schloss Benkhausen in Espelkamp vier Frauen und vier Männer aus Nordrhein-Westfalen mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland aus. Die Geehrten engagieren sich in vielfältiger Weise, unter anderem in der Gewaltprävention, im Berufsverband oder im Sport, in der Hospizarbeit oder in der Kommunalpolitik. Außerdem unterstützen sie Menschen in schwierigen Lebenslagen oder sind als Schiedsperson aktiv und stärken damit das gesellschaftliche Zusammenleben in unserem Land.

Die Ordensverleihung fand während der „Ortszeit Espelkamp“ statt, der zehnten Reise des Bundespräsidenten in der Reihe „Ortszeit Deutschland“.

Das Staatsoberhaupt verlegt dabei seinen Amtssitz für drei Tage in verschiedene Regionen des Landes, um dort mit den Menschen in direkten Austausch zu kommen.

Die Ortszeiten bieten zugleich den Rahmen, um Engagierten zu danken, die sich im jeweiligen Bundesland seit Langem in herausragender Weise um das Gemeinwohl verdient machen.

Unter anderen ausgezeichnet wurde die Dortmunder Bürgerin Bettina Brökelschen.

Dass Kunst nicht nur dekorativ ist, sondern Menschen zusammenbringt, zeigt das Engagement von Bettina Brökelschen. Sie ist seit über zwanzig Jahren eine Persönlichkeit des Dortmunder Kunstlebens, bei der der soziale Gedanke immer mitschwingt. Mit der Ausstellung „Jüdisches Leben in Dortmund“ beispielsweise hat sie einen wichtigen Beitrag zur interreligiösen Verständigung geleistet.

Aber auch für Menschen in schwierigen Lebenslagen engagiert sich Bettina Brökelschen. So unterstützt sie seit vielen Jahren den Verein „Dortmunder Mitternachtsmission“, der eine Beratungsstelle für Prostituierte und Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution betreibt.

Im Rahmen ihres Engagements für die „Aidshilfe Dortmund“ hat sie einen Kalender gestaltet, Kunstaktionen initiiert und Malkurse angeboten.

Auch für den Kinderschutzbund ist sie aktiv und hilft unter anderem bei der Erstellung von Weihnachtskarten.

Pressemitteilung Bundespräsident (1)

Pressemitteilung Bundespräsident (2)

Fotos: Friedrich Fuß

Beiträge zu Bettina Brökelschen hier, hier, hier und hier.

Lohnverluste: Wenn sogar Statistiker den schrumpfenden Wohlstand schönreden

Seit drei Jahren sinken in Deutschland die Reallöhne, große Teile der Bevölkerung werden immer ärmer. Selbst bundesamtliche Statistiker versuchen mittlerweile, den schrumpfenden Wohlstand schönzureden. Vielleicht sollten es die deutschen Arbeiter mal wieder mit Streiken probieren.

Von Susan Bonath

Die Krise des westlichen Imperialismus macht selbigen zur Bestie. Nach außen immer kriegerischer, nach innen immer repressiver: Die lohnabhängige Normalbevölkerung gerät zusehends in die Mangel, um das Kapital zu füttern. Damit sie es nicht merkt und glaubt, erfindet das politische und mediale Entertainment allerlei Geschichten. Sogar das Statistische Bundesamt verdreht Meldungen inzwischen schon so lange, bis sie gut klingen. Da wird ein andauernder Reallohnverlust flugs zum Anstieg umgedeutet.

Wohlstand schrumpft

So schrieb die Behörde kürzlich in einer Pressemitteilung, die Tarifverdienste in Deutschland seien 2023 um 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Den Rest erfährt der verwunderte Leser mal wieder nebenbei im Fließtext: Klar, es ist auch wieder alles teurer geworden. Im selben Zeitraum erhöhten sich die Verbraucherpreise demnach insgesamt um 5,9 Prozent. Das Gefühl, sich immer weniger leisten zu können, ist also keine Einbildung, dass dies schon länger so läuft, auch nicht. So fügte das Amt im Anschluss daran an:

„Damit setzte sich der Trend aus den Jahren 2022 und 2021 fort, in denen die Verbraucherpreise ebenfalls stärker als die Tarifverdienste angestiegen waren.“

Doch damit nicht genug: Hätte es die sogenannten Inflationsausgleichsprämien nicht gegeben, die viele Betriebe aber gar nicht ausgeschöpft haben, wären die Tariflöhne in Deutschland letztes Jahr im Mittel nur um 2,4 Prozent gestiegen. So ein nominaler Anstieg ist aber ein Verlust, wenn dann die Preise schneller steigen. Dass es im dritten Jahr in Folge so lief, verdeutlicht: Der Wohlstand in Deutschland schrumpft.

Verlustspirale

Das Verlustgeschäft für die Beschäftigten setzt sich im Alter freilich fort. Die Zahl der Altersrentner, die mit Grundsicherung aufstocken müssen, hat sich in den letzten 20 Jahren auf fast 700.000 mehr als verdoppelt. Auch immer mehr Erwerbsunfähige benötigen diese Zusatzleistung, um über die Runden zu kommen, 2022 waren es mehr als eine halbe Million.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Ein zerstückeltes Rentensystem, in das die Wohlhabenden nichts einzahlen, massive Rentenkürzungen seit den 1990er-Jahren zum Beispiel, und natürlich auch der Fakt, dass die Löhne nicht mit der Inflation mithalten. Allerorts in Deutschland nimmt die Altersarmut zu.

Dass vom Kapital keine für die Massen verträglichen Lösungen kommen, liegt auf der Hand. Das Geschrei entsprechender Klüngel und „Experten“ wird immer lauter: Das Rentenalter müsse eben weiter steigen. Wenn im Zeitalter von Überfluss und Digitalisierung, der Roboter, KI und Computer 69-jährige Pfleger bald 80-jährige Pflegeheimbewohner versorgen müssen, läuft allerdings was schief.

Sozialabbau und Krieg

All diese neoliberalen Forderungen zielen freilich darauf ab, bei der lohnabhängigen Bevölkerung zu kürzen. Bis 70 arbeiten können vielleicht Politiker oder sitzende Beamte. Für den Dachdecker oder die Altenpflegerin wird das schon schwieriger. Diese werden dann dank Abschlägen noch altersärmer als gedacht.

Inflation, Lohnverluste, wachsende Armut, schwindende Kaufkraft: Die sich drehende Spirale zulasten der Bevölkerung hilft nicht einmal dem Kapitalismus selbst. Denn man weiß: Profit muss realisiert werden, das funktioniert nur, wenn die Bevölkerung auch konsumieren kann.

Wohl setzt das westliche Establishment genau deshalb nun auf Krieg. Kapitalzerstörung eröffnet, so jedenfalls die mutmaßliche Hoffnung, neue Märkte und beseitigt nebenher vielleicht noch Konkurrenz. Nur könnte das diesmal nach hinten losgehen, denn der gegnerische Kapitalblock ist alles andere als schwach.

Für Rechte kämpfen

Da bleibt die Frage, was die „kleinen Leute“ eigentlich dagegen tun könnten. Mit Stillhalten ist es wohl nicht getan, denn besser wird es von allein wohl nicht mehr. Vielleicht kann hier die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) eine Anregung geben. Die setzt ihren Streik in dieser Woche fort und droht mit weiteren Streikwellen.

In zahlreichen Medien sorgte die GDL damit mal wieder für lautes Gezeter. Doch ein Streik muss wehtun, vor allem freilich den Konzernen. Nur so kann damit mehr als nur ein unzureichender Inflationsausgleich erreicht werden. Das zeigt die Geschichte genauso wie ein Blick in andere Länder. Die meisten deutschen Gewerkschaften müsste man dazu allerdings erst einmal aus ihrer Sozialpartnerschaftslethargie befreien und dafür mit massenhaften Beitritten beglücken.

Wer sich mehr Lohn wünscht und keine Angst vor Krieg und Altersarmut haben will, muss sich zusammentun und dafür kämpfen. In Deutschland führt dieses Bewusstsein seit Jahrzehnten eher ein Schattendasein. Weselskys GDL ist da eine winzige Ausnahme. Vielleicht lässt es sich ja wieder aktivieren, um die profitierenden Sozialabbauer daran zu erinnern, dass ihre Rechnung an den Lohnabhängigen vorbei nicht aufgeht.

Quelle: RT DE

Beitragsbild: ©Claus Stille

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Call the Glacier! Ruft doch mal beim Gletscher an

„Alle Welt redet vom Klimawandel. Es ist
sogar ein bisschen modern geworden, den Klimawandel auf die eine oder andere Weise im Munde zu führen“, schrieb ich im April 2008 auf Readers Edition. Das Portal gibt es längst nicht mehr. Den Klimawandel schon. Allerdings hat es nach wie vor Kritiker, die sagen, das Klima habe sich immer schon gewandelt und das sei auch gar nicht menschengemacht. Wie dem auch sei. Heute gibt es eine regelrechte Klimahysterie und extrem besorgte, sich „Letzte Generation“ nennende, junge Leute, die sich auf Straßen festkleben …

Weiter in meinem alten Text: „Selbst aus dem Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten – dem weltweit größten Umweltsünder, den USA – kommen zarte Signale: Man will etwas dagegen tun. Und schon gehen dank dicker Filmgagen einige Hollywood-Stars mit gutem Beispiel wegweisend voran, indem sie sich stolz mit ihren neuen Autos ablichten lassen, welche den allerneuesten Umweltnormen gerecht werden…

Mein Beitrag von 2008.

Witzen zum Trotz: das Klima ändert sich, beängstigend
Wie dem auch immer sei, eines steht fest: Unser Klima ändert sich. Das merken selbst wir in unseren Breiten immer öfters. Die Winter werden wärmer, Sommer oft unerträglich heiß; und verheerende Unwetter mehren sich, zeitigen teils schlimme Folgen. Und uns schwant: irgendetwas stimmt da nicht mehr! Kann es da beruhigen, wenn uns bestimmte Experten auf unsere berechtigten Bedenken hin lapidar mitteilen, dass es solche Wandel im Klima schon immer
gegeben habe? Und Menschen, meinen diese Beschwichtiger zudem, hätten weit weniger damit
zutun – wie es uns wiederum andere Experten weismachen wollten – denn: Klimaschwankungen hätten nämlich schon stattgefunden, da es Menschen überhaupt noch nicht gab. Pro und Contra. Hin und her. Das Klima ändert sich. Beängstigend. Und dieser Wandel der klimatischen
Verhältnisse wird schlimme Folgen für unsere Erde haben. Selbst, wenn die Katastrophen zunächst einmal wieder zuallererst nur die ärmsten der Armen (etwa in Afrika) treffen wird (und aktuell schon trifft): auch wir Europäer werden auf Dauer nicht verschont bleiben. Noch kann man Witze über tausende Niederländer machen, welche sich – wenn ihr flaches Holland zu großen Teilen überflutet werden sollte – mit ihren von manch Deutschen so gefürchteten
Wohnwagengespannen auf den Weg nach Duitsland machen, um bei uns Asyl zu finden…


Anläuten beim Gletscher – Ein Projekt von Kalle Laar


(1] Kalle Laar, ein Musiker und DJ lettisch-estnischer Herkunft, beschäftigt sich seit den 1990er
Jahren mit experimentellen Klängen und sammelt in diesem Zusammenhang als Sound-Historiker
Tondokumente verschiedenster Art. Auf der Biennale 2007 sorgte sein Projekt [2] „calling the
glaclier“ für nicht wenig Aufsehen.

Kalle Laar installierte in fast 3000 Meter Höhe ein Mikrofon am Vernagtferner Gletscher in den Ötztaler Alpen in Österreich. Aufgestellt ist es im Bereich der Pegelstation der Kommission für Glaziologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und nimmt die Geräusche aus dem
Gletscher auf. Sie werden dann über ein Mobiltelefon (dessen Signale – der nächste Sendemast ist
nicht in Sichtlinie – gelangen über Reflexionen in ein italienisches Mobilfunknetz) in Echtzeit an
die österreichische Telefonnummer 0043 5254 30089 übermittelt.

Dadurch werden wir in die einmalige
Lage versetzt, quasi unmittelbar beim Gletscher anzuläuten. Mit ihm direkt verbunden, hören wir
live die von ihm produzierten Töne. Die Anlage ist witterungsunabhängig.


Den Klimawandel mit den Sinnen erspüren
Der Einfall für dieses Projekt kam Kalle Laar während einer gemeinsamen Expedition von
Künstlern, Wissenschaftlern und Journalisten nach Island. Dort begann sich der Klangkünstler für Gletscher zu interessieren. Kalle Laar selbst sieht sich nicht in der Rolle eines Umweltaktivisten.Nichtsdestotrotz sind Gletscher für ihn „ein Symbol des Klimawandels“. Laar: „Als ich den
Gletscher besucht habe, wurde mir klar, dass er ein Lebewesen ist, das wirklich stirbt.“ Seine
Installation verfolgt den Zweck, dass die Menschen die Folgen des Klimawandels nicht nur mit
dem Sachverstand begreifen, sondern mit ihren Sinnen erspüren. „Wenn man das Rauschen hört,
weiß man, da stimmt etwas nicht“, so Kalle Laar.

Ruf(t) an!

Ich empfehle, die Probe aufs Exempel zu machen, sich das einmalige Hörerlebnis anzutun, und
zu diesem Behufe einmal beim Gletscher anzurufen. Am besten öfters einmal und zu
unterschiedlichen Zeiten. Mal ist nämlich nur ein liebliches, verspielt klingendes Plätschern oder Glucksen zu hören, dann wieder ein starkes, fast bedrohlich wirkendes Rauschen, ein gurgelndes Röcheln, Knacken oder Krachen.
Man kommt nicht immer durch. Meistens sind die Verbindungen jedoch stabil. Legt man nach
einiger Zeit den Hörer wieder auf, ist wohl auch einem selbst klar: man wurde Ohrenzeuge eines
stattfindenden Sterbeprozesses. So schön das Plätschern der Gletscher womöglich auch beim
ersten Hineinhören anmutet – wir dürfen uns nicht täuschen lassen und müssen uns vor Augen führen, was es tatsächlich bedeutet: Die Gletscher nämlich schmelzen, verschwinden.

Das von den Gletscher talwärts fließende Wasser speist (noch) Seen und Flüsse. Erhöhen sich die
Temperaturen aber von Jahr zu Jahr aufgrund des Klimawandels weiter wie bisher, verhindert
dieser Effekt den Erhalt unserer Gletscher. Sie entgleiten uns förmlich. Im weiteren Verlauf sinken
die Pegel der Seen und Flüsse trocknen aus. Wie das aussieht, ist schon jetzt in der Po-Ebene zu
besichtigen…

Aktueller Beitrag im Falter

Wie kam ich jetzt wieder auf dieses Gletscher-Telefon? Stefanie Panzenböck vom Falter veröffentlichte am 26. Januar 2024 den Beitrag „Call me! Der Gletscher am Telefon“.

Sie schreibt: „Haben Sie schon einmal mit einem Gletscher telefoniert? Seit 2007 ist es möglich, unter der Nummer +43525430089 den Vernagtferner im Ötztal zu erreichen und ihm beim Schmelzen zuzuhören.

Es rauscht, quietscht ein bisschen, wummert, rauscht weiter. Nach einer Minute 30 Sekunden wird die Verbindung unterbrochen. Da hat man 90 Sekunden lang den Klimawandel im Ohr gehabt.

Die Idee zum Projekt „Call me!“ kam dem Soundkünstler Kalle Laar während einer Islandreise im Jahr 2006. Auf dieser Kunstexpedition machte er Tonaufnahmen zum Thema „Wasser“. „Gleichzeitig war der Rückgang der Gletscher unübersehbar“, erinnert sich Laar.“ […]

Liebe Leserinnen und Leser, ruft einfach mal beim Gletscher an.

1] Kalle Laar: http://www.klangmuseum.de
2] calling the glacier: http://callingtheglacier.org

Beitragsbild: Persgletscher Erich Westendarp via Pixelio.de

Friedensfähigkeit & Kriegslust – Hans-Joachim Maaz. Vortrag auf der Frieden-Konferenz

Bereits zum dritten Mal veranstaltete die Friedensweg-Community, getragen vom Hambacher Kulturförderverein e.V., eine Frieden-Konferenz. Sie fand am 28.10.23 in Wasserburg am Inn statt.

Auf Einladung der internationalen Frieden-Konferenz kamen bedeutende Mitglieder der Friedensbewegung live zusammen, um gemeinsam mit den Gästen der Konferenz ein sichtbares Zeichen für den Frieden zu setzen! Frieden, von vielen herbeigesehnt, scheint doch in weiter Ferne. Dass dieser dennoch möglich ist und wie er erreicht werden kann, darum ging es bei der 3. Für den Frieden-Konferenz. Eingeladen waren hochinteressante Gäste, Protagonisten der Friedensbewegung, wie Eugen Drewermann, Daniele Ganser, Ulrike Guérot, Hans-Joachim Maaz und Silke Schäfer.

Alle dort gehaltenen Vorträge finden Sie hier.

Herausgegriffen möchte ich heute meinen Leserinnen und Lesern den Vortrag von Hans-Joachim Maaz präsentieren. Dieser stand unter Titel „Friedensfähigkeit & Kriegslust – Hans-Joachim Maaz“. Der Psychiater, Psychoanalytiker und Autor aus Halle an der Saale hat sich darin mit dem Zustand unserer Gesellschaft, der Menschen sowie der Politik befasst.

Unter anderem ging es auch um die Demokratie. Maaz kommt wie ich aus DDR, noch dazu aus meiner Geburtsstadt. Wie er hatte ich auch aus der Warte der DDR heraus auf die Demokratie in der BRD geblickt. Und diesbezüglich auch bestimmte Hoffnungen gehegt, den Westteil Deutschlands sozusagen als Alternative in Erwägung gezogen.

Wie Maaz wurde ich bezüglich dieser Hoffnungen enttäuscht. Persönlich fühlte ich ab einen bestimmten Moment, dass die „Demokratie“ der BRD eigentlich nur eine Friede-Freude-Eierkuchen-Demokratie ist, die den Westdeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, noch dazu von den Westalliierten, besonders seitens der USA übergestülpt – verordnet – worden war. Hatten, haben, die Westdeutschen diese Demokratie dann wirklich verinnerlicht? Ich fürchtete, sobald größere Probleme auftauchten, würde diese Demokratie Probleme bekommen, womöglich sogar versagen. Gerade in der Gegenwart bestätigen sich meine Befürchtungen auf erschreckende Weise. 

Hans-Joachim Maaz wird in seinem Referat noch deutlicher: Diese Demokratie sei quasi ein Spiel. Und in der Parteiendemokratie werde Demokratie gewissermaßen gespielt.

Unsere Zeit bezeichnet Maaz als hysterisch, massenpsychotisch. Noch nie habe er in seinem bisherigen Leben soviel Gestörtes, Absurdes, Massenpsychotisches und Krasses wie in letzter Zeit gehört. Das sei nahezu unerträglich.

Und, macht Hans-Joachim Maaz deutlich: „Wer für Waffenlieferungen ist, kann nicht für Frieden sein.“

Ich stimme ihm zu.

Doch, liebe Leser, hören Sie sich den Vortrag an.

Beitragsbild: Screenshot via You Tube

Warum grübelt Dr. Robert Habeck jetzt nicht?

Herr Habeck grübelte anscheinend bereits bevor er Minister und Vizekanzler wurde. Warum kommt er eigentlich jetzt nicht ins Grübeln?

Beitragsbild: Robert Habeck vor einiger Zeit zu Gast beim Talk im DKH in Dortmund (Foto: C. Stille)

İch erinnere mich: Mit den wahrhaft Mächtigen wollte sich der Politiker anlegen – hier.

Die Wahrheit heute: Habeck geht inzwischen den wahrhaft Mächtigen „dienend“, vasallenhaft zur Hand.

2023: Das Jahr, in dem Wohnen und Essen in Deutschland zum Luxus wurden

Miete, Heizung, Strom, das tägliche Brot: Nie waren diese Grundbedürfnisse in der Bundesrepublik Deutschland so teuer wie 2023, nie wuchs die Armut schneller an. Ein Ende ist weiterhin nicht in Sicht, denn die Lösungsstrategie der Politik bleibt neoliberal: noch mehr Sozialabbau.

Von Susan Bonath

Der Mensch hat existenzielle Grundbedürfnisse. Um leben zu können, muss er zuerst essen, trinken, wohnen und sich vor Kälte schützen. Gerade in diesen Bereichen sind die Preise 2023 wie nie explodiert, befeuert von politischen Entscheidungen. Eine Umkehr ist nicht geplant. Fachleute prognostizieren: Das Notwendigste zum Leben wird für immer mehr Menschen in Deutschland zum puren Luxus.

Kalte Wohnung

Knapp 60 Prozent der Einwohner Deutschlands wohnen zur Miete, bei Alleinstehenden sind es fast drei Viertel. Vor allem die Ärmeren unter ihnen dürfte das ausklingende Jahr zur puren Verzweiflung gebracht haben. Die Mieten, die Nebenkosten, der Strom: alles wurde immer teurer, selbst in der tiefsten Provinz.

Die Schocktherapie begann für viele bereits wenige Wochen nach dem Terroranschlag auf die Nordstream-Pipeline im September 2022, dessen Aufklärung die Bundesregierung offensichtlich nicht im Geringsten interessiert. Die Heizkosten explodierten praktisch über Nacht. Der Autorin wurden Fälle bekannt, in denen Mieter plötzlich das Fünffache für eine warme Wohnung hinblättern sollten. Auch die Strompreise zogen nach und verdoppelten sich zum Teil.

Die Bundesregierung reagierte darauf mit Energiepreisbremsen. Diese galten allerdings nur für 80 Prozent des Verbrauchs. Sie waren von vornherein so angelegt, den Kostenschock nur unzureichend zu dämpfen. Viele Mieter erhielten bereits für das Vorjahr horrende Nachzahlungen, für dieses Jahr droht 2024 Ähnliches. Dabei werden die Heiz- und Stromkosten durch den Wegfall der Preisbremsen weiter in die Höhe schießen.

Laut Statistischem Bundesamt konnten bereits 2022 rund 5,5 Millionen Menschen – gut 6,6 Prozent der Gesamtbevölkerung, doppelt so viele wie im Vorjahr– ihre Wohnungen aus Geldmangel nicht angemessen heizen. Für 2023 stehen die Daten noch aus. Fest steht wohl jetzt schon: Die Zahl der Betroffenen wächst.

Mieten explodieren in Stadt und Land

Nicht nur die Heiz- und Stromkosten verteuerten das Grundbedürfnis Wohnen in Deutschland massiv. Auch die Preisspirale bei den Kaltmieten dreht sich munter weiter nach oben. Nach Daten des Großmaklers „Jones Lang LaSalle“ (JLL) erhöhte sich der Mietzins in den acht größten deutschen Städten allein im dritten Quartal 2023 im Schnitt um 8,4 Prozent.

Die Zeitung Junge Welt erfuhr dazu vom Deutschen Mieterbund, dass bereits jetzt jeder dritte Miethaushalt mit den Wohnkosten finanziell überlastet sei. Dessen Präsident Lukas Siebenkotten prognostizierte für 2024 noch düstere Aussichten: Auf Mieter komme „definitiv ein Horrorjahr“ zu, sagte er.

Die Preisexplosion betrifft nicht nur Mieter in deutschen Großstädten, sondern hat die Bewohner kleinerer Städte und Gemeinden längst eingeholt, wie unter anderem der Deutschlandfunk im September unter Berufung auf Daten der Bundesregierung berichtet hatte.

Dass die Mietpreise im provinziellen Umland mittlerweile sogar schneller steigen, als in Metropolen, geht auch aus anderen Daten hervor. Laut ZEIT-Bericht vom September liegt das an der wachsenden Nachfrage, die wiederum aus der Mietenexplosion in den Städten resultiert.

Die Flucht vor unbezahlbaren Wohnkosten in Metropolen in die umliegenden Orte und Kleinstädte war natürlich zu erwarten. So werden die sogenannten Speckgürtel immer breiter. Mietwillige, darunter auch wohlhabende Beamte und leitende Angestellte, die mehr zahlen können als der gewöhnliche Arbeiter, stehen Schlange, der Wohnraum wird knapper, Neubau gibt es kaum – und die Preise explodieren.

Sparen am Essen

Das trifft, wie immer, die Ärmsten zuerst. Denn sie haben keine Möglichkeit, für steigende Wohnkosten an anderer Stelle zu sparen. Zumal sich ein weiteres Problem hinzugesellt: Auch das Essen wird immer teurer.

Zwar sind die Preise für Grundnahrungsmittel in den letzten Wochen weniger stärker gestiegen, in Einzelfällen sogar leicht zurückgegangen – die Inflation hat sich also leicht abgeschwächt. Das Ende der Energiepreisbremsen, verbunden mit höherer CO₂-Besteuerung, die Konzerne freilich auf die Verbraucher abwälzen werden, dürfte die Teuerungsspirale wieder ankurbeln.

Davor warnen auch die Verbraucherzentralen in Deutschland, wie die Berliner Zeitung berichtete. Nach wie vor seien neben den Energie- auch die Lebensmittelpreise enorm hoch, sagte die Chefin des Bundesverbandes, Ramona Pop. Sie fordert daher die Bundesregierung zu einem Preisgipfel auf, um Maßnahmen gegen existenzbedrohende Folgen zu erarbeiten.

Wachsende Armut

Natürlich merken die Leute, dass der Geldbeutel viel schneller leer ist als noch vor zwei Jahren. Kurz nach Weihnachten bemühte sich wohl darum die Tagesschau, die Realität ein wenig zu verklären. Zwar hätten die Reallöhne auch 2023 der Inflation hinterhergehinkt, hieß es da. Sie würden nun aber aufholen. Das ist allerdings eine Milchmädchenrechnung. Die Inflationsrate bezieht nämlich alle Waren, Luxusgüter mit ein, die sich ärmere Menschen gar nicht leisten können. Bei ihnen schlagen Essen und Energie weit mehr zu Buche – und hier ist die Teuerung viel höher.

Weder die Erhöhung des Mindestlohns und der Renten noch die Zugeständnisse bei der Grundsicherung haben die realen Lebenshaltungskosten in diesen Bereichen ausreichend abgefedert. Die Kaufkraft vieler Bundesbürger ist gesunken – offenbar drastisch. So klagte der Einzelhandel über ein miserables Weihnachtsgeschäft. Es verwundert nicht, dass die Tafeln die wachsende Nachfrage längst nicht mehr bedienen können.

Politik duckt sich weg

Die Klagen der Tafeln nehmen schon seit Beginn der Corona-Krise kontinuierlich zu. Dabei sind sie keine staatlichen, sondern karitative Privatinitiativen. So sind die Tafeln nicht verpflichtet, Menschen in Not zu helfen – und davon machen sie derzeit rege Gebrauch. Sie können den wachsenden Zulauf nicht mehr stemmen, heißt es. Dieser wächst offenbar, weil die Kaufkraft von Millionen Menschen sinkt.

Das passt nicht zum Geschrei um den angeblich ausufernden Sozialstaat, der zu einer „Hängematte“ geworden sei. Denn offensichtlich reicht das Geld immer weniger zum teurer werdenden Leben, genauso wie die unteren Löhne, die Renten und sonstige Hilfen.

All das zeigt: Die Politik versinkt in Verantwortungslosigkeit gegenüber der von ihr selbst produzierten Armut. Wo das enden könnte, zeigt zum Beispiel die Entwicklung in den USA: Wachsende Obdachlosigkeit, sich ausbreitende Slums, immer mehr Menschen, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben – damit einhergehend eine Zunahme von Kriminalität, Drogensucht und anderen sozialen Verwerfungen.

Eskalation neoliberaler Dystopie?

Neoliberale Agenden haben die Armut in reichen Industrieländern bereits in den letzten 50 Jahren zu einer relevanten Größe anwachsen lassen. Unter Margaret Thatcher im Vereinigten Königreich, Ronald Reagan in den USA und Schröders Hartz-Reformen in Deutschland explodierte das Elend. Trotzdem hält die Politik an dieser Doktrin fest. Entsprechende Vorschläge sind bereits in Sack und Tüten, weitere werden diskutiert: noch mehr Sozialabbau.

Das Jahr 2023 erscheint im Rückblick wie ein weiteres Sprungbrett in die Eskalation neoliberaler Dystopie. Die westliche Titanic droht den Eisberg ein zweites Mal zu rammen, während das Wasser schon im Mitteldeck steht und die wenigen Rettungsbote ausschließlich der Oberschicht vorbehalten sind. Es sei denn, jemand reißt im letzten Moment das Ruder herum.

Quelle: RT DE

Beitragsbild: C. Stille