Ist Wladimir Putin ein „wahnsinniger Imperialist“? Von Moskau-Korrespondent Ulrich Heyden

Die Einseitigkeit, Oberflächlichkeit und Hartnäckigkeit mit der die großen deutschen Medien und die meisten deutschen Politiker am Bild einer „russischen Bedrohung“ für Europa stricken, sollte eigentlich jedem klugen Menschen zu denken geben. Doch die Ablehnung und Angst vor Russland nehmen immer mehr zu. Deshalb an dieser Stelle ein paar Antworten zu den gängigen Vorwürfen gegen Putin und Russland.

von Ulrich Heyden, Moskau

Warum verletzte Putin die ukrainische Souveränität?

Die ukrainische Souveränität wurde durch den Einmarsch russischer Truppen verletzt. Aber spielt Putin leichtfertig mit dem Frieden in Europa? Ist er möglicherweise wahnsinnig, wie einige deutsche Zeitungen behaupten? Mit der Behauptung, Putin sei wahnsinnig, er riskiere einen 3. Weltkrieg, lenkt der Westen von seiner eigenen Dialog-Unfähigkeit ab. Der Westen hat sich beharrlich geweigert, Russland Sicherheitsgarantien zu geben. Und so hat Putin den Befehl zu einer Militäroperation gegeben, wohl wissend, dass diese Operation härteste Sanktionen zur Folge haben wird, die Russland zweifellos schaden werden. Putin sieht die Ukraine als Aufmarschgebiet der Nato. Deren Raketen werden auch ohne Nato-Mitgliedschaft der Ukraine näher an Russland heranrücken. Wer spielt also mit dem 3. Weltkrieg, der Westen oder Putin?

Hat Putin mit seiner Aggression gegen die Ukraine nicht den Frieden in Europa zerstört?

Müsste man, anstatt Putin als Friedens-Feind zu attackieren, sich nicht erstmal fragen, was man selbst zur Erhaltung des Friedens in Europa getan hat? Der Frieden in Europa wurde seit 2014 zerstört, indem der Westen gegen die andauernde Bombardierung der Volksrepubliken Lugansk und Donezk nicht protestierte und die großen deutschen Medien diese Bombardierungen acht Jahre lang verschwiegen haben.

Was sind die Ziele von Putin?

Putin will die ukrainische Armee zur Kapitulation zwingen und die Regierung in #Kiew auswechseln. In dieser Regierung sollen Personen sitzen, die kein feindseliges Verhältnis zu Russland haben und die Ukraine nicht in die #Nato führen.

Hat Putin die westliche Öffentlichkeit getäuscht?

Einige Russland-Freunde in Deutschland sind enttäuscht vom Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Sie werfen Russland einen Völkerrechtsbruch und Täuschung vor, weil Vertreter Russlands erklärten, man werde nicht in die Ukraine intervenieren. Aber hat nicht Putin seit Monaten ebenfalls davon gesprochen, dass Russland „militärisch-technische Maßnahmen“ ergreifen wird, wenn Russland vom Westen keine Sicherheitsgarantien gewährt werden? Warum hat man diesen russischen Zweiklang in Deutschland nicht ernst genommen? Offenbar, weil man im Westen nicht kapiert hat, dass Russlands Geduld zu Ende ist. Der Westen hat das vorerst letzte Zeitfenster für einen Interessensausgleich durch monatelanges diplomatisches Palaver verstreichen lassen.

Geht die russische Armee in der Ukraine unmenschlich vor?

Mir liegen für diese Behauptung keine Fakten vor. Die Sprecher der russischen Armee haben erklärt, dass militärische Schläge ausschließlich gegen militärische Einrichtungen geführt werden und man keine Städte erobern will. Putin hat die ukrainische Armee aufgefordert, die Macht im Land selbst in die Hand zu nehmen und Selenski zu verjagen. Offenbar hat Putin den Eindruck, dass es in der ukrainischen Armee viele echte Patrioten der Ukraine gibt, die spüren, das ihr Land als US-Kolonie in die Grütze geht.

Ist es lächerlich, wenn Putin eine Denazifizierung und
Entmilitarisierung der Ukraine ankündigt?

Nein, das ist absolut nicht lächerlich. Rechtsradikale Bataillone spielten eine Schlüsselrolle beim Staatsstreich 2014, beim Krieg gegen die Volksrepubliken und bei Überfällen gegen Regierungskritiker auf den Straßen in der Ukraine. Nur sehr wenige der schweren Menschenrechtsverletzungen durch Rechtsradikale in der Ukraine wurden in den letzten acht Jahren vor ukrainische Gerichte gebracht. Die Strafen bei Morden gegen Regierungskritiker gingen nicht über Hausarrest oder kurze Haftstrafen hinaus. Die Ultranationalisten, die das Gewerkschaftshaus von #Odessa am 2. Mai 2014 ansteckten, wodurch 42 Regierungskritiker zu Tode kamen, wurden nicht vor Gericht gestellt. Der Gebrauch der russischen Sprache im öffentlichen Raum wurde von der ukrainischen Regierung 2021 verboten. Wolodymir #Selenski hat in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärt, man werde sich nicht mehr an das Budapester Memorandum von 1994 halten, dass der Ukraine den Besitz von Atomwaffen verbietet.

Ist Putin ein Nationalist?

Nur weil Putin für russische Sicherheitsinteressen eintritt, ist er noch kein Nationalist. Auch wenn Putin Lenin – wegen dessen territorialem Geschenk – einem Teil des Donbass an die Ukrainische Sowjetrepublik 1922 – kritisiert, ist er noch kein Nationalist. Wenn Putin erklärt, Ukrainer und Russen seien ein Volk, ist das schwer zu bestreiten. Der gemeinsame russisch-orthodoxe Glaube, die zum Teil gemeinsame Sprache, die über 1000jährige gemeinsame Geschichte und die engen verwandtschaftlichen Beziehungen sind das Verbindende. Es ist beschämend, dass gerade deutsche Linke, welche die Schlüsselrolle der faschistischen Bataillone in der Ukraine acht Jahre lang verdrängten, jetzt Putin als Nationalisten und Kriegstreiber verdammen. Vielleicht sollten sie die linken Putin-Kritiker einmal die Rede des russischen Präsidenten zur Einweihung der zentralen Moschee in Moskau 2015 lesen. In der Rede erklärte Putin, Russland sei aus der „gegenseitigen Bereicherung der Kultur, der Tradition und der Religionen“ verschiedener Völker entstanden. Russland ziehe aus der Vielfalt der Kulturen und Religionen „seine Eigenart und Kraft.“ Spricht so ein Nationalist? Die vier offiziellen Religionen in Russland sind der russisch-orthodoxe Glauben, das Judentum, der Buddhismus und der Islam. Der russische Präsident erinnerte daran, dass die „muslimischen Wurzeln von Moskau bis in das Mittelalter zurückreichen“. „Sehr, sehr viele Moskauer Straßen“ hätten tatarische Namen.

Sind die Russen gegen den Einmarsch in der Ukraine?

Es gibt in Russland in der breiten Bevölkerung keine Unruhe wegen dem Einmarsch in der Ukraine. Viele Russen sagen sogar, der Kreml hätte die #Volksrepubliken viel eher anerkennen müssen. Es gibt Proteste von liberal eingestellten Menschen in vielen Städten. Allerdings sind das nur kleine Aktionen. Der Großteil der Russen ist verbittert, dass die Ukraine faktisch zu einem Aufmarschplatz der Nato wurde, der Westen die russischen Interessen negiert, westliche Medien Russland-feindlich berichten, russische Sportler wegen Doping besonders scharf verfolgt werden und ein russischer Star-Dirigent nicht mehr im Westen dirigieren darf, weil er einen Orden von #Putin bekam.

Ist die Ukraine nicht ein demokratischer Staat im Gegensatz zu Russland?

In der Ukraine wurden im letzten Jahr vier oppositionelle Fernsehkanäle abgeschaltet, der Leiter der „Oppositionsplattform – Für das Leben“ und Unternehmer, Viktor Medwedtschuk, sitzt seit einem halben Jahr im Hausarrest, weil er angeblich Handel mit den Volksrepubliken trieb. In Russland gibt es nach wie vor westfreundliche Medien wie „Radio Echo Moskau“ und den Kabelkanal „Doschd“, die jetzt öffentlich den Einmarsch in der Ukraine kritisieren. Der Pressesprecher von Putin, Dmitri Peskow, hat am Freitag erklärt, ja, es gäbe in Russland Kritiker des Einmarsches in der #Ukraine. Mit diesen Kritikern müsse man reden.

Ulrich Heyden, Moskau, 26. Februar 2022, 21:55 Uhr

Beitragsbild: Ulrich Heyden via Facebook

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Für diesen Sonnabend ruft die African Black Community zum Gedenkmarsch für die Opfer der »Maafa« in Berlin auf. Ein afrikanisches Denkmal wird gefordert

Für diesen Sonnabend ruft die African Black Community, ABC, zum Gedenkmarsch für die Opfer der »Maafa« auf. Der Begriff stammt aus dem Kiswahili und bedeutet so viel wie »die große Zerstörung« in Afrika, also Verbrechen wie Versklavung, Kolonialismus, Genozide. Warum gehen Sie nun in Berlin auf die Straße?

Schon seit 16 Jahren fordern die ABC und das Komitee für ein afrikanisches Denkmal in Berlin, KADIB, dort ein Mahnmal. Wir haben uns ganz bewusst für die deutsche Hauptstadt als Standort entschieden, aufgrund der kolonialgeschichtlichen Verantwortung dieses Landes und dessen Verwicklung in die aktuellen Miseren Afrikas. Unser Protest richtet sich gegen koloniale Kontinuitäten, Rassismus auf allen Ebenen sowie die tödliche EU-Migrationspolitik. Der Gedenkmarsch erinnert an die von Reichskanzler Otto von Bismarck initiierte sogenannte Westafrika-Konferenz in Berlin. Die endete am 26. Fe­bruar 1885 damit, dass europäische Großmächte den afrikanischen Kontinent wie einen Kuchen unter sich aufteilten. Die Folgen spüren wir bis heute – auch in Form von Gewalt, die Neonazis gegen die Black Community anwenden.

Aufruf

„Wir wollen die Rehabilitierung der Geschichte #Afrika|s. Deswegen rufe ich Euch alle, massiv an dem Gedenkmarsch teilzunehmen.“

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Moctar Kamara. Foto: C. Stille

– Moctar Kamara

[Langjähriger #PanAfrican|Aktivist, Ex-Vorsitzender des Zentralrats der afrikanischen Gemeinde in Deutschland, des Afrika-Rats Berlin Brandenburg, Gründungsprecher des Migrationsrats Berlin Brandenburg, Mitglied des #African Black / Community, ABC, des Komitees für ein afrikanisches Denkmal in Berlin, #KADiB etc.]

26.02. (11 Uhr), Berlin (Wilhelmstraße 92)

16. Gedenkmarsch zu Ehren der afrikanischen / Schwarzen Held*innen und Opfer der #Maafa

Schluss mit selektiver #Erinnerungskultur!

Infos zum Marsch hier⤵️

https://fb.me/e/27iGf7Eir

Bitte unterschreiben⤵️

https://chng.it/LQBbZ7VyDp

Pressemitteilung⤵️

http://thevoiceforum.org/node/4800

#AfrikanischesDenkmal

#BringBackOurTreasures

#BringHomeOurAncestors

#BringBackOurTreasures

#BringBackNgonnso

#BringBackEverything

#ReparationNow

#StopDeportation

#NoRacialProfiling

#Resistance

#UnitedWeRise

Stimmen zum Thema

„Wir brauchen eine Erweiterung der Erinnerungskultur. Man kann die Singularität der Shoah herausstellen und trotzdem sagen: es gibt Vorläufer auch im Kolonialismus.“

– Prof. Jürgen Zimmerer (Globalhistoriker, Universität Hamburg)

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„Hinter der Behauptung vom angeblichen Tabu des Vergleichs steht das Interesse, die Besonderheit des Holocaust im Verhältnis zu anderen Verbrechen des 20. Jahrhunderts einzuebnen.“

– Prof. Sybille Steinbacher (Historikerin, Universität Frankfurt)

„Es heißt, solange die Löw*innen ihre Bücher nicht selber schreiben und ihre Erinnerungen nicht selber erzählen, werden die Jagdberichte immer zum Ruhm der menschlichen Jäger geschrieben werden“, das schrieb 2015 Marianne Ballé Moudoumbou, Pan-African Women’s Empowerment Organisation (PAWLO) e. V.

Das Thema „Koloniales Erbe“ bleibt hierzulande aktuell, rassismuskritisch brisant, außenpolitisch und vor allem für die Betroffenen in Afrika und anderen kolonisierten Gebieten des sog. Globalen Südens existentiell wichtig. Die deutsche Erinnerungskultur ist diesbezüglich jedoch sehr selektiv. Um einen Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu spannen und in Anlehnung an die Forderungen des Komitees für ein afrikanisches Denkmal in Berlin (KADiB) und des Netzwerks African / Black Community (ABC), fordere ich mit dieser Petition die Einrichtung eines zentralen Denkmals in Berlin als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus.

534 Jahre nach Beginn der Maafa in Afrika. 500 Jahre nach Beginn der Transatlantischen Versklavung. 137 Jahre nach Besiegelung der Transformation von Versklavung in Kolonialisierung Afrikas (Berliner Afrika-Konferenz). 117 Jahre nach den unbeschreiblich grauhaften Genoziden der Deutschen an den Herero und Nama im heutigen Namibia. 77 Jahre nach der Zwangsrekrutierung und Zwangsbewirtschaftung Afrikas im Zweiten Weltkrieg und der Internierung und Ermordung von Schwarzen in KZ’s in Deutschland – ausgetrickst, ausgegrenzt, ausgebeutet, missbraucht und getötet, undokumentiert und vergessen. 92 Jahre nach der historischen antikolonialen und antirassistischen Aba-Frauenrevolte (auch als „Frauenkrieg“ genannt) im Südosten des heutigen Nigerias. 60 Jahre nach der Ermordung von Patrice Lumumba im Kongo. 57 Jahre nach der Ermordung von Malcolm X (USA) und 54 Jahre nach der Ermordung von Martin Luther King (USA). Mehr als 45 Jahre nach dem Soweto-Massaker im Apartheidsüdafrika. 31 Jahre nach dem Mord an Amadeu Antonio in Eberswalde. 21 Jahre nach der Hinrichtung des Umweltaktivisten Ken Saro-Wiwa (Nigeria) und acht seiner Mitstreiter. 17 Jahre nach der Ermordung von Oury Jalloh in Dessau. 13 Jahre nach der Ermordung von Marwa El-Sherbini in Dresden. 11 Jahre nach dem Mord an Christy Schwundeck im Jobcenter Frankfurt am Main. Acht Jahre nach Lampedusa. Drei Jahre nach der Ermordung von Marielle Franco in Rio de Janeiro, Rita Awour Ojungé in Hohenleipisch und des Psychiatriepatienten William Tonou-Mbobda in Hamburg-Eppendorf. Mehr als eineinhalb Jahre nach der Ermordung von George Floyd in Minneapolis (USA), fordern wir auch in diesem Jahr die Einrichtung eines zentralen Denkmals in Berlin als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus.

Seit mehreren Jahrzehnten fordern afrikanische / Schwarze Verbände, Organisationen, Initiativen, Aktivist*innen und ihre Unterstützer*innen die Errichtung eines zentralen Denkmals in Berlin als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus. Auch in diesem Jahr gehen wir wieder auf die Straße (Berlin, Wilhelmstraße 92), wohlgemerkt zum 16. Mal in Folge, um, u.a., dieser Forderung Nachdruck zu verleihen: 16. Gedenkmarsch zu Ehren der afrikanischen / Schwarzen Held*Innen und Opfer der Maafa („Maafa“ stammt aus dem Kiswaheli und bedeutet „Die Große Zerstörung“, sprich: Versklavung, Kolonialismus und Genozide, Neokolonialismus und Ökozide, Nazismus und Rassismus). Wir protestieren ebenso gegen Koloniale Kontinuitäten, gegen den Rassismus auf allen Ebenen aber auch gegen die rassistische und tödliche Migrationspolitik Europas gegenüber Afrika.

Anlässlich diesjährigen Gedenkmarsches bitte ich Sie darum, uns zu helfen, mit Ihrer Unterschrift, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen zur Errichtung eines zentralen Denkmals in Berlin als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus und zur Aufarbeitung des deutschen kolonialen Erbes rasch und inklusiv umzusetzen – inklusiv, weil: alles über uns, ohne uns, ist gegen uns!

Aus dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, S. 125, Kapitel VI, Abschnitt „Koloniales Erbe“):

„Um die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte voranzutreiben, unterstützen wir auch die Digitalisierung und Provenienzforschung des kolonial belasteten Sammlungsgutes und dessen Zugänglichmachung auf Plattformen. Im Dialog mit den Herkunftsgesellschaften streben wir Rückgaben und eine vertiefte ressortübergreifende internationale Kooperation an. Wir unterstützen insbesondere die Rückgabe von Objekten aus kolonialem Kontext. Außerdem entwickeln wir ein Konzept für einen Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus.“  

Die neue Bundesregierung muss ernsthafte Taten erkennbar folgen lassen. Wir brauchen keine Beruhigungspillen! Denn: Wir fürchten aus mehr als 500 Jahren Erfahrung doch, dass solche Ankündigungen wie die der neuen Bundesregierung am Ende nur Lippenbekenntnisse bleiben.

Schon der Initiator des Komitees für ein afrikanischen Denkmals in Berlin (KADIB), Prof. Kapet de Bana† (RIP) mahnte: Wenn es sich darum handelt, wechselhafte Geschichtsvorfälle von mehr als fünf Jahrhunderten, wie Genozidverbrechen wiedergutzumachen, welche zur geistigen, kulturellen, religiösen Verfremdung, zur wirtschaftlichen Beherrschung, Militärbesetzung, Plünderung der Naturschätze, Marginalisierung der versklavten Bevölkerungen geführt haben, werden Sie begreifen, dass es eine ganze Generation, sogar Generationen bedarf, um die Herausforderung anzunehmen.“

Prof. Kapet de Bana mahnte stets an das Recht auf Erinnerung und die Pflicht zur Erinnerung: „Während wir marschieren, werden die Gebeine unserer Vorfahren und die Artefakte, die unsere Kulturen und kulturellen Reichtümer bewahrt haben, immer noch in deutschen / europäischen Museen ausgestellt. Wir fordern die Rückführung von allem, was von Deutschland aus Afrika gestohlen wurde.“

Die Ankündigung der Bundesregierung über die längst fällige Rückführung geraubter („heiliger“) sog. Benin-Artefakte nach Nigeria ist begrüßenswert. Auch wenn diese Entwicklungen nur als „ein Anfang“ betrachtet werden müssen, erkennen wir sie an als ein unverkennbares Etappenergebnis unserer unermüdlichen und unnachgiebigen jahrzehntlangen antikolonialen / antirassistischen Widerstandskämpfe in diesem Lande aber auch im Mutterland Afrika. Dennoch lagern tausende Gebeine unserer Vorfahren und viele unserer spirituellen Artefakte, Schätze und Statuen afrikanischer Glaubenssysteme und Kunstwerke, wie die Ngonso-Skulptur, die den Ursprung des Nso-Volkes aus Kamerun darstellt, noch immer in Kellern in Berlin und anderswo in Deutschland. Auch in Anlehnung an die Forderungen des Komitees für ein afrikanisches Denkmal in Berlin (KADiB) und des Netzwerks African / Black Community (ABC), fordere ich daher die unverzügliche und bedingungslose Rückführung aller geraubten sog. „Kolonialgüter“ sowie die Überreste unserer Vorfahren (ein Zeugnis deutschen Völkermords) nach Afrika.

Im Sinne der Agenda 2025 der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) und der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft (2015-2024) fordere ich auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit institutionellem und strukturellem Rassismus.

#AfrikaIsBleeding: Burkina Faso, Kamerun, Kongo, Elfenbeinküste, Eritrea, Äthiopien, Guinea-Conakry, Guinea-Bissau, Libyen, Mali, Namibia, Nigeria, Somalia, Südafrika, Sudan, Tunesien, Uganda, Simbabwe, um einige zu nennen.

Einladung zum Gedenkmarsch:

Der diesjährigen Gedenkmarsch zu Ehren der afrikanischen / Schwarzen Held*Innen und Opfer der Maafa findet am 26. Februar 2022, von 11:00 bis 16:00 Uhr statt. Kommt gerne vorbei. Hier findet Ihr die Facebook-Veranstaltung zum Gedenkmarsch.

Der jährliche Gedenkmarsch selbst findet in der Regel jedes Jahr am letzten Samstag des Monats Februar statt, in Anlehnung an das Ende der Berliner Afrika-Konferenz, die 1884/85 auf Einladung des Deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck stattfand (Reichskanzlerpalais Wilhelmstraße 77). In diesem Jahr ist der letzte Samstag im Februar tatsächlich der 26. Die Berliner Afrika-Konferenz begann am 15.November 1884 und endete am 26. Februar 1885. Träger des jährlichen Gedenkmarsches ist das „Komitee für ein afrikanisches Denkmal in Berlin“ (KADiB), vertreten durch das Netzwerk „African / Black Community“ (ABC).

Bitte unterstützt diese Petition und teilt sie:

Change.org/AfrikanischesDenkmal
#AfrikanischesDenkmal

Peter Emorinken-Donatus (ein Sprecher der ­African Black Community (ABC) wurde von der Zeitung junge Welt interviewt:

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Peter Emorinken-Donatus. Foto: C. Stille

Für diesen Sonnabend ruft die African Black Community, ABC, zum Gedenkmarsch für die Opfer der »Maafa« auf. Der Begriff stammt aus dem Kiswahili und bedeutet so viel wie »die große Zerstörung« in Afrika, also Verbrechen wie Versklavung, Kolonialismus, Genozide. Warum gehen Sie nun in Berlin auf die Straße?

safe_image.php_-1Schon seit 16 Jahren fordern die ABC und das Komitee für ein afrikanisches Denkmal in Berlin, KADIB, dort ein Mahnmal. Wir haben uns ganz bewusst für die deutsche Hauptstadt als Standort entschieden, aufgrund der kolonialgeschichtlichen Verantwortung dieses Landes und dessen Verwicklung in die aktuellen Miseren Afrikas. Unser Protest richtet sich gegen koloniale Kontinuitäten, Rassismus auf allen Ebenen sowie die tödliche EU-Migrationspolitik. Der Gedenkmarsch erinnert an die von Reichskanzler Otto von Bismarck initiierte sogenannte Westafrika-Konferenz in Berlin. Die endete am 26. Fe­bruar 1885 damit, dass europäische Großmächte den afrikanischen Kontinent wie einen Kuchen unter sich aufteilten. Die Folgen spüren wir bis heute – auch in Form von Gewalt, die Neonazis gegen die Black Community anwenden.“ (…)

Weiterlesen hier.

Quellen: Facebook Peter Donatus, ABC, junge Welt

Videoaufruf aus Mali zum 16. Gedenkmarsch – Moctar Kamara

Russland hat die beiden Volksrepubliken Donezk und Lugansk anerkannt. Dazu zwei Stellungnahmen

Der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, hat die zwei selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk anerkannt. Der Westen tobt. Neue Sanktionen sind angedacht.

Wie weiter?

Willi van Ooyen (Politiker DIE LINKE, langjähriger Friedensaktivist) und Reiner Braun (Journalist, Friedensaktivist, Co-Präsident des Internationl Peace Bureau fordern:

Zurück zu Diplomatie und Verhandlungen

Aus Anlass der Anerkennung der „Volksrepubliken Donezk und Lugansk“

Reiner Braun

Reiner Braun. Foto: Claus Stille

erklären sie:

Einseitige eskalierende Schritte – so verständlich sie auch angesichts
des NATO- Aufmarsches und der NATO Osterweiterung sein mögen, führen
nicht zu einer Deeskalation und ermöglichen kaum Verhandlungen und
größeren Spielraum für Diplomatie.

Notwendig ist politische, mediale, öffentliche und praktische
Deeskalation und Demilitarisierung. Nur mit Zonen des Friedens und ein
zurück zu Minsk 2 kann die friedensgefährdende Krisensituation
überwunden werden. Berechtigte Kritik an der NATO-Politik, an der realen
Ablehnung von Minsk2. an verbalen Attacken aus EU und USA bedarf
verantwortungsvollen friedenspolitischen Reaktionen aus der Politik, aus
den Parlamenten und der Öffentlichkeit. Deeskalation praktischer aber
auch verbaler Art und politische Maßnahmen sind gefordert.

Nur eine Politik, die die Sicherheitsinteressen der anderen Seite
genauso berücksichtigt wie die eigenen kann Frieden, Abrüstung und
Entspannung erreicht werden. Die Anerkennung der Republiken eskaliert
den Konflikt. Stattdessen erscheint uns ein politisches Spitzentreffen
aller  OSZE-Staaten sinnvoll.“
Berlin, den 21.02.2022

Quelle: Attac/Reiner Braun

Albrecht Müller, Herausgeber der NachDenkSeiten überschreibt seinen Beitrag heute so:

Ratlos

Die Entscheidung Putins in Bezug auf die beiden Republiken in der Ostukraine, die militärische Intervention, die voll auf

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Albrecht Müller, Herausgeber der NachDenkSeiten. Foto: C.-D. Stille

Kalten Krieg umschaltende Diskussion im Westen, die dabei sichtbar werdende Militanz und Aggressivität gegen die Wenigen, die wie zum Beispiel Sahra Wagenknecht gegen den Mainstream aufmucken, der erkennbare Abschied von der Idee einer gemeinsamen Sicherheit in Europa und die immer wieder durchschimmernde Bereitschaft, Krieg als möglich zu denken, die Bereitschaft, harte Sanktionen zu erlassen, die vor allem die normalen Menschen dort im Osten wie auch bei uns mit teuren Heizkosten treffen kann – das alles lässt einen ratlos zurück. Das muss ich zugeben. Trotzdem mit dem Versuch der Verständigung und Versöhnung auch mit Russland weitermachen? Trotzdem jedenfalls auf lange Sicht darüber nachdenken und planen, dass wir alle in der Welt guter Nachbarschaft besser leben als in einer Welt der Feindseligkeiten?

Zwischendurch hier der Link auf die Rede Putins.

Ist es ausgeschlossen, dass in der westlichen Politik und in den westlichen Medien mal wieder Menschen nach oben kommen, deren Weltbild nicht geprägt ist von der Vorstellung, zu den Guten zu gehören und deshalb mit missionarischem Eifer andere zu verfolgen? Ist es ausgeschlossen, dass sich der Gedanke von Verständigung und Freundschaft wieder durchsetzt? Ich klammere mich an zwei Ereignisse und Erfahrungen in meinem langen Leben:“ (…)

Weiterlesen hier

Quelle: NachDenkSeiten

Beitragsbild: „Flying Column“ mit der Inschrift „Friede“, Kunstwerk des Dortmunder Künstlers Leo Lebendig. Foto: C. Stille

NATO-Untersuchungsausschuss 19.02.2022: Ukraine-Konflikt – Krieg in Europa?

Die Kriegsvorbereitungen der westlichen Wertegemeinschaft gegen Russland und China laufen auf vollen Touren. Seit Jahreswechsel wird die Kriegspropaganda gegen beide Länder massiv verschärft. In Deutschland werden die amerikanischen Atombomben in Büchel gerade durch eine neue Generation ausgetauscht. Wenn erst einmal ab 2023 die mobilen Boden-Boden-Marschflugkörper der Dark Eagle-Serie auf LKWs durch Mitteleuropa fahren, können die Atombomben Moskau in weniger als zwanzig Minuten erreichen. Es ist also höchste Zeit, alle Energien zu bündeln, um das nukleare Inferno zu stoppen.

Das neue Format NATO-Gesprächsrunde soll zunächst monatlich für anderthalb Stunden Experten zu Wort kommen lassen, um geeignete Strategien für den Frieden auf den Weg zu bringen. In der zweite Sendung am 19 Februar 2022 trafen sich Sabiene Jahn (Sprecherin und Sängerin), Dirk Pohlmann (Chefredakteur Free21, Dokumentarfilmer), Wilhelm Domke-Schulz (Dokumentarfilmer, Medienwissenschaftler) Hermann Ploppa (Politologe und Publizist) sowie Owe Schattauer (Organisator der Drushba-Fahrten, Rapper, Bauunternehmer) zu einem ersten informellen Austausch.

limit_600x450_imageFoto: Via ZukunftDonbass e.V.

Unser Buchempfehlungen zu dem Thema: Wolfgang Effenberger: Schwarzbuch EU & NATO – Warum die Welt keinen Frieden findet. Höhr/Grenzhausen 2020 Hermann Ploppa: Der Griff nach Eurasien – Die Hintergründe des ewigen Krieges gegen Russland. Marburg/Lahn 2019 Wilhelm Domke-Schulz: Werners wundersame Reise durch die DDR Ursprüngen der ukrainischen paramilitärischen Bataillonen: Christopher Simpson: Blowback: America’s Recruitment of Nazis and its effects on the Cold War. London 1988 Auf Deutsch: Christopher Simpson: Der amerikanische Bumerang. NS-Kriegsverbrecher im Sold der USA. Berlin 1988 Richard Sakwa: Frontline Ukraine – Crisis in the Borderlands. London 2016.

Quelle: Druschba FM/You Tube

 

Zum Thema passend Beiträge von mir:

„Ukrainian Agony – Der verschwiegene Krieg“ von Mark Bartalmai im Kölner Odeon gesehen

Aktionsbündnis „Zukunft Donbass“ mit humanitärer Hilfe für die Kriegsgeschädigten in der Ostukraine

Der Donbass und seine kleinen begrabenen Körper. Ein Essay von Sabiene Jahn

Der Donbass und seine kleinen begrabenen Körper. Ein Essay von Sabiene Jahn

Aus der Ferne, gemütlich auf der Couch sitzend, geht man oft oberflächlich mit Zahlen von Opfern um, die uns vom Nachrichtensprecher aus einem Krisengebiet überbracht werden. Zu viele Meldungen sind es geworden, zu viele Krisen. Das an sich ist schon sehr tragisch. Und dann gibt es Orte, in denen Krieg geführt wird, von denen in den öffentlichen Medien kaum bis nichts zu hören ist. Ich beobachtete die unterschiedlichsten diffusen Situationsbeschreibungen zur Ukraine im Fernsehen und im Internet bis 2017 und hatte zunehmend Zweifel, ob die deutsche Berichterstattung stimmte. Kämpfen im Osten des Landes, bei Donezk, tatsächlich Ganoven, die als „prorussische Separatisten“ oder „Terroristen“ von den Medien für den Konflikt verantwortlich gemacht werden, welche Rolle spielt Russland und werden dort wirklich Kinder umgebracht?

Ich entschied mich, mit einer privaten Gruppe von Sicherheitskräften, einem caritativ täti- gen Verein, Journalisten und Kulturschaffenden in den Donbass zu reisen. Wir wollten uns persönlich ein Bild machen, da uns die Stimmen der Opfer, Kinder in den Waisenhäusern, über Freunde aus Moskau erreichten. Wir hatten keinen Grund, unseren Freunden nicht zu vertrauen, uns verband ein langer respektvoller Austausch, trotz großer Propaganda des westlichen Mainstreams. Bricht sich die Wahrheit doch irgendwann ihren Weg, dachten wir. So flogen wir vom 26. bis 30. April 2018 ins 2600 Kilometer entfernte „Neurussland!, genauer nach Donezk. Der Weg führte uns über Moskau und das russische Rostow am Don, die Partnerstadt von Dortmund, wie wir von Igor und Wadim erzählt bekamen. Die jungen Männer hatten uns mitten in der Nacht vom Flughafen abgeholt. Sie erinner- ten sich noch gut an das ‚Duell der Reviermannschaften”#in Donezk 2013. Schachtjor Donezk hatte sich damals zu einer europäischen Spitzenmannschaft entwickelt. Die hochmoderne Donbass-Arena als Spielort der Europameisterschaft 2012, ließ sich der damalige Clubchef Rinat Achmetow, einer der wohlhabendsten Oligarchen Europas, rund 175 Millionen Euro kosten.

Im Februar 2013 spielte das Team aus dem ukrainischen Bergbauge- biet gegen die Borussen im Viertelfinale der Champions League. Mein Mann fachsimpelte als bekennender BVB-Fan mit den Jungs über das spannende Spiel, in dem die Mann- schaften mit dem Ergebnis 2:2 auseinander gingen. Die fortgeschrittene Zeit machte uns in dieser Nacht nichts aus, wir waren neugierig. Auf dem Weg in ein kleines Dörfchen, in dem wir in der Datscha von Nikolai Werbnitzkij übernachteten, der sich im Innenministerium der Stadt Rostow um die Verwaltung von Waisenhäusern und Internaten in der Stadt Nowotscherkassk kümmerte und uns in den nächsten Tagen begleitete, machten wir noch kurz eine kleine Stadtrundfahrt und hielten an einer der schönsten Kathedralen, in der die Donkosaken oft sangen. Im Ort, es war bestimmt schon 2 Uhr morgens, empfing uns der andere Teil der Gruppe, die aus allen Landesteilen Deutschlands und Österreichs gekommen waren. Wir grillten und keinen Nachbarn schien zu stören, dass wir Draußen laut sangen, redeten oder lachten. Am nächsten Morgen fuhren wir dann Richtung Nord-Westen drei Stunden in einem Kleinbus weiter, über den Grenzposten der neu gegründeten Volksrepublik Donezk, direkt ins Stadtzentrum.

Die Gespräche im Bus verstummten zusehends, denn wir sahen aus der Ferne Blitze, die von Granatangriffen stammten. Nervosität machte sich breit und wir beobachteten die Umgebung genauestens. Die Donbass-Region wird hier eingekesselt. Und gleich vorweg will ich den Irrglauben aufheben, dass es in Europa derzeit keinen Krieg gibt. Der Krieg ist seit 2014 da. Unaufhörlich. Wir Deutschen sehen ihn nur nicht, weil wir ihn durch unsere Medien nicht gezeigt bekommen.

Stellen Sie sich die ehemalige Grenze der östlich gelegenen DDR vor 1989 und den da- zwischen befindlichen „Todesstreifen“ zwischen der westdeutschen Republik (BRD) vor. So ist in etwa die geografische Situation im Donbass, der Ostukraine und der Kiewseitigen Ukraine, zu verstehen. Der „Todesstreifen“ ist eine etwa 50 bis 140 Kilometer breite und etwa 450 lange Demarkationslinie, um eine Art Pufferzone zwischen den kontrahierenden Regionen zu bilden und kriegerische Handlungen zu vermeiden. Das gefährliche Gebiet wird von den Einwohnern Donezks „Grauzone“ genannt. Die kriegerischen Handlungen finden dort statt. Mindestens dreimal täglich beobachteten wir die Angriffe mit Mörsergranaten. Sie finden jedoch einseitig statt: Durch die Westukraine, die an Kiew (etwa 700 Kilometer von Donezk entfernt) gebunden ist und massgeblich von der NATO und der EU finanziert wird. Ziel der Beschüsse ist die Ostukraine mit ihren separat gegründeten Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Diese Länder werden seit 2014 einem, im wahrsten Sinn des Wortes, gezielten Psychoterror ausgesetzt. Ich war direkt an dieser Demarkationslinie, die Angriffe habe ich persönlich beobachtet. Deshalb kann mir niemand mehr erzählen, „wir müssen dafür sorgen, dass es keinen Krieg gibt.“ Nein, wir müssen mit unseren Mitteln dafür sorgen, dass die NATO mit ihrer Propaganda entlarvt wird. Der Krieg ist da.

Am 30. April 2018, das war ein Montag, mussten wir umgehend – einen Tag früher, als geplant – aus Donezk abreisen, denn Kiew hatte die „kriegerische Okkupation des Don- bass“ erlassen. Das bedeutete, die Westukraine wollte den Donbass stürmen. Damals war Pedro Poroschenko noch Präsident der Ukraine. An der Seite des ukrainischen Militärs, kämpfen unter anderem das Asowsche Bataillon, das unter Kommandantschaft des 43jährigen Neonazi Andrij Bilezkyj steht und eines von etwa 80 paramilitärischen Freiwilligen Bataillonen ist, die im Ukraine-Konflikt eingesetzt sind. Es untersteht dem Innenministerium der Ukraine. Schauen Sie sich die Embleme der Uniformen an. Bis August 2015 erkennt man deutlich die Schwarze Sonne und die schwarze Wolfangel (N mit Strich). Es ist das Zeichen einer Division der deutschen Waffen-SS unter Adolf Hitler. Das Emblem wurde danach überarbeitet. Wie ist das Phänomen des Nazikultes in der Ukraine, einem ehemaligen Sowjetstaat zu erklären, der unter hohem Einsatz und 28 Millionen Todesopfer gegen deutsche Faschisten kämpfte? Ich erfuhr, dass einige Regionen im Westen des Landes, nahe Polens, wie etwa Vinuytska, Ternopil oder Kiew gegen Josef Stalin aufbegehrten und sich daher den Nazis anschlossen.

Der Hass gegenüber Stalin ist nachvollziehbar, doch bis heute ist auch die radikal nationalistische Ideologie geblieben, gepaart mit einer blutrünstigen Russophobie. Das deckt sich mit der Gesinnung der NATO-Führer und geopolitischen Zielen des militärischen Bündnisses. Ein Gast geht diesem Thema möglichst aus dem Weg, höre ich von Freunden, die in der Ukraine aufgewachsen sind, auch wenn nicht alle Menschen in dieser Region so denken. Im Einsatz am Donbass sind auch eine Reihe von Söldnern aus dem Ausland, die für die „Jagd auf Menschen“ bezahlt werden. Wir wissen, dass sie durch die NATO bezahlt werden. Die Regierung Deutschlands sieht also bis zur Stunde nicht nur beim Völkermord am Donbass zu, mehr noch, sie unterstützt ein nazistisches Regime. Wir hören natürlich nichts davon in den Medien, nur, dass im Donbass die separaten Republiken die Aggressoren wären. Das ist falsch. Die Menschen in den Donbassrepubliken fragen sich jedoch, weshalb wir die europäischen Regierungen nicht darauf aufmerksam machen.

Der Donbass wird nunmehr seit acht Jahren aggressiv ethnisch gesäubert, weil die im Donbass lebende russische Bevölkerung, es sind etwa 70 Prozent der Gesamtbevölkerung, die westliche Anbindung nicht befürwortet und ihr Land nicht verlassen möchte. Trotz todbringender Attacken durch Mörsergranaten bleibt sie in ihren Häusern, pflegt ihre Gärten und versucht, ein normales Leben weiterzuführen. Wir sahen die verminten Wälder bei der Hinfahrt, die durchlöcherten Türen und Gartentore, zerbrochene Fenster, ausgebrannte und eingefallene Dachstühle, überall fanden wir Bruchstücke aus Holz und Beton und unzählige Gräber von Kindern. Die Kinder starben durch Scharfschützen und willkürliche Schießmanöver. Die, die überlebten, wohnen in Waisenhäusern. Sie brauchen besonders unsere Unterstützung. Eine russische Tradition ist es, solange noch ein Verwandter am Leben ist, werden Kinder in deren Familien aufgenommen. Etwa bei einer Tante, Großmutter oder Cousine. Die Kinder hier haben niemanden mehr. So ist dann die Inschrift auf den ukrainischen Raketen mit „Ich liebe dich“ kaum eine romantische Nach- richt eines Soldaten, der gern nicht geschossen hätte, es jedoch auf Befehl tat, sondern eine bösartige und sarkastische Wesensart der nazistisch unterstützten Führung in Kiew. Teuflisch.

Der innere Frieden in den Volksrepubliken hat einen hohen Preis, stellten wir bei dem Besuch fest. Unsere Gruppe interessiert sich für die Belange der Menschen und die Umstände, unter denen sie leben. Wir wollen Kontakte knüpfen und uns orientieren. Erst wenn man vor Ort ist, wird man sich der Schicksale jedes einzelnen Menschen spürbar bewusst. Wir stellten fest, allesamt sind es Opfer, auch wenn Menschen überlebt haben, denn jeder von ihnen hat bereits etwas verloren oder zu beklagen. Entweder einen lieben Familien- angehörigen, was an Tragik kaum zu ertragen scheint oder einen freundlichen Nachbarn. Jeder der Überlebenden muss sich von heute auf morgen neu ausrichten, sich abfinden. Als wir die beiden Kinderheime der Volksrepublik Donezk besuchten, wurden wir demütig. Da stehen die quirligen Mädchen und Buben in bunten Tupfen-Kleidchen, weißen Haarschleifen oder schicken Hemden freudestrahlend in Reih und Glied und empfangen uns mit ihren Liedern. Wir verstehen sie zunächst nicht, sie klingen fröhlich. Das zweite ist in Moll geschrieben, die Tonfolgen treffen ins Herz, stimmen melancholisch. Unser russischer Begleiter Artjom fängt plötzlich an zu weinen. Erst später weiß ich warum: Die Kinder singen, „Soldaten beschützt uns!. Der gelernte Tischler ist selbst Vater. Die Liedtexte wirken tief in ihm, machen ihn vermutlich ein Stück hilflos. Gern hätte auch er sie davor bewahrt, Mutter und Vater zu verlieren.

Ich habe dort Gelegenheit in die Augen der Kinder zu schauen. Es ist im Grunde nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Sie verhalten sich wie unsere Kinder. Offenbar schaffen diese Erzieherinnen und Lehrerinnen es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Kin- der aufgehoben fühlen. Sie haben nur noch sie. In das Herz kann man freilich nicht schauen, ihre Mütter und Väter sind tot, werden keinen Geburtstag mit ihnen feiern, eine ge- lungene Theatervorstellung bejubeln oder ihre Tränen trocknen, wenn sie einmal traurig sind. Das schnürt mir wirklich die Kehle zu. Dieses Gefühl begleitet uns auf jeder unserer Stationen. Wir sehen ältere Damen, die in einem Ort übrig geblieben sind. Der Bus, in dem ihre Männer saßen, wurde auf dem Weg zur Arbeit bombardiert. Die Lehrerinnen in Gorlovka wünschen sich für ihre Schüler einfach nur Kindheit, denn sie spielen nicht mehr. Das sagt mir die Lehrerin unter Tränen. Später sehen wir auch die restlichen Überbleibsel an Ziegelsteinen des Hauses eines älteren Mannes. Er sagt: „Sechzig Jahre meines Lebens sind zerstört“ und zeigt uns die Mörsergranaten, die überall herumliegen im halb zertrümmerten Haus. Mit Eisenstangen sicherte er heute Morgen wenigstens den Dachstuhl. Stepan, so ist der Name des Mannes, schläft nun im Keller. Er und seine Frau könnten auch bei einigen Nachbarn unterkommen, erfahren wir, aber er winkt ab, „ich habe noch meinen Garten!, sagt er. Der ist ihm geblieben und irgendwie werden sie es schon schaffen.

Krieg hat ein bizarres Gesicht. Die Empfindung ist für Friedensstaatler wie uns irgendwie surreal, scheint unwirklich und nicht greifbar zu sein. Das Gefühl kennt die Nachkriegsgeneration in dieser Form nicht, und uns ist nicht annähernd bewusst was es bedeutet, mit einer anhaltend quälenden Angst vor einem neuen Granatenangriff zu leben, mit den klaffenden Löchern in den Straßen, den durchschossenen Wänden zerbrochenen Fensterscheiben in der Wohnung und mit verminten Wäldern. Wir sahen zwar nie die abgetrennten Gliedmaßen und die um Luft ringenden Menschen, die blutüberströmt und vor Schmerzen schreiend oder gar tot auf dem Gehweg lagen, aber wir sehen es in jeder Straße. Wir gehen an unzähligen Gräbern und Gedenktafeln vorbei, die dort täglich mit Blumen bedacht werden. Und wir trafen Menschen, die den Tod sahen. Ich konnte es in ihren Augen sehen, die eine Melange von bitterster Trauer und mutiger Entschlossenheit ausstrahlen, sich nicht mürbe machen zu lassen – bei all dem Horror.

Alexander Sachartschenko treffen wir, es war eher ein Zufall. Er ist der Präsident der Volksrepublik, 42 Jahre alt, Sohn eines Bergmannes, Ingenieur, verheiratet, er hat drei Söhne. Sachartschenko nahm 2014 in Donezk an den Kämpfen teil, wurde mehrere Male verletzt. Danach führt er das Land mit 2,4 Millionen Einwohnern. Sein Haar ist ergraut nach vier Jahren Krieg. Ich kannte ihn bis dahin nur aus den Pressekonferenzen im russischen Fern- sehen. Auch Sachartschenko hat dieses Leid gesehen, unzählige tote Frauen und Kinder. Makaber ist die Schilderung zu einem Mord der ukrainischen Soldaten an einer schwangeren Frau. Er erzählt mir, ihr Bauch war aufgeschlitzt und ihr Körper wurde mit Bauschaum überzogen. Andere Einwohner wurden vom ukrainischen Militär in große Löcher geworfen und einfach verscharrt, fügt er in bitterem Ton hinzu. Ich würde gerne weghören.

Es ist furchtbar, was ich höre, aber diese Details müssen erzählt werden, gehören sie doch zur unsäglichen Tragik dieser ekelhaften Ereignisse dieser Sadisten. Darf ich so et- was später erzählen, frage ich mich. Ja, ich muss. Der Krieg hat auch Arme und Beine, hübsche Gesichter, ein Herz. Es sind Menschen, die nichts mit Krieg im Sinn haben. Die Donezker Einwohner haben die Opfer alle freigelegt und in ihren Heimatorten begraben. Es sind über 13.000 dieser traurigen Orte. Für uns ist es eine unverständliche Parallelwelt in Anbetracht der schlimmen Situation. Der Geist flüchtet sich in eine Art Kokon hinein, weil man sich vor dem Leid zu schützen versucht. Es ist doch sehr bitter, zu behaupten, ausschließlich durch Betrachtung vor Ort, durch das Berühren der verschossenen Munition und den Blick auf die tausenden Gräber mit den Geburtsdaten, sich der Gefahr, der Gräueltaten und des Terrors bewusst zu sein. Aber wir spüren die Anspannung, an keinem Tag spürst du Entspannung. An keinem. Du liegst im Bett in deinem Hotel und siehst von weitem Granateinschläge, Blitze, Feuer und Qualm. Es dröhnt und ich frage mich manchmal, ob die nächste Granate möglicherweise das Hotel trifft oder irgendeinen anderen Platz, auf dem wir uns am Tag bewegen. Nur ein Kilometer von der Demarkations- linie entfernt, befinden wir uns im Stadtzentrum von Donezk. Hier ist quirliges Leben. Elegante Frauen in schönen Sommerkleidern und Absatzschuhen spazieren da, Schüler sitzen auf einer Bank und lesen ein Buch, ein Wasserspiel plätschert um eine eiserne Kugel, ein Hochzeitspaar beobachte ich. Es trifft sich unter den Bäumen im Park, um Fotos zu machen und trinkt Sekt. Sie haben sichtlich Spaß, lachen ausgelassen und wir freuen uns mit ihnen.

Wir besuchen die Kinder vor Ort in einigen Waisenhäusern. Begleitet werden wir von Wladimir Fedorowitsch. Er ist Präsident des SDM-Hilfsfonds (www.sdm-fond.ru), der aus dem 200 Kilometer entfernten Russland regelmäßig für über 500 Kinder, Behinderte und etwa eintausend psychisch Erkrankte, Hilfskonvois in das Krisengebiet schickt. Er fuhr uns persönlich mit einem Bus von Rostow am Don ins Grenzgebiet um Donezk und begleitete uns bei allen Stationen dieser Mission. Was fanden wir vor? Es war kein Film auf irgendeiner Kinoleinwand oder ein „Ballerspiel!, zu dem Jungs Chips essen. Es gab keinen Moment, indem du über einen Friseurtermin oder die Kneipe nachdenkst. Dort drüben, auf der anderen Seite der Menschheitsfamilie, wird scharf geschossen. Ich weiß heute, wie sich Granaten anhören, ich habe sie gesehen, aus welcher Richtung sie kamen und aus welcher Entfernung geschossen wurde. Die Bürgerwehr in Donezk schoss nicht zurück. Sie hatten strengen Befehl nicht zu schießen. Das hörten wir an verschiedenen Stellen, bei denen wir nachfragten. Sie dürfen nicht zurückschießen, um eine Eskalation zu vermeiden. Am Nachmittag waren wir eingeladen zu Kaffee und Kuchen. Die zwitschernde Frühlingsidylle wurde durch Mörsergranaten gestört. Ich lauschte im Schulraum, bis der Beschuss in der Nähe vorbei war. Ich war schockiert und zuckte zusammen, konnte vom selbst gebackenen Kuchen nicht mehr essen, den mir die Kinder gebracht hatten. Die Kinder blieben still und ruhig. Ich erfuhr, sie haben sich an diese Situation bereits gewöhnt. Unglaublich, nicht? Nach solch einem Beschuss macht man in Donezk im Takt seines Miteinanders weiter, klebt die Fenster mit Papier ab, nagelt sie mit Brettern zu. „Eine Reparatur lohnt erst, wenn keine Granate mehr fliegt!, das erzählt ein älterer Herr von der örtlichen Miliz und lächelt. Das fühlt sich alles sehr skurril an. Die nackte Realität gibt ihm recht. Manchmal werden sarkastisch Scherze darüber gemacht, dass die Frauen schon wissen, mit welcher Munition geschossen wird.

Ihre Sinne sind nunmehr über vier Jahre geschärft, ausgerichtet auf dieses Pfeifen und Zischen, auf Lichtblitze und Erschütterung, dumpf schallende Töne, die vom Einschlag der Granaten rühren. Wir nehmen uns die Zeit für die Ruhe, sind einfach nur müde und versuchen, für einige Stunden die Gefahr zu vergessen, weil wir sonst verrückt werden, vor Sorge und, weil wir sonst unserem Körper schaden würden. Die Gesamtsituation hat nichts mehr mit weniger oder mehr Hab und Gut zu tun. Auf alles würdest du verzichten, wenn du kräftezehrende Anspannung spürst, den anhaltenden Druck und oft die nackte Angst, dass jeden Moment eine Granate einschlägt. Du möchtest es einfach nicht mehr spüren. Ruhe soll sein. Einfach nur Ruhe.

Das hören wir auch von den Kindern in der Schule, die unlängst in ihrem Schulbus beschossen wurden. Am Nachmittag im Waisenhaus bangt man um eine wichtige Wasserzis- terne in der Nähe. Die droht, zerstört zu werden. „Die halbe Stadt wird damit versorgt,“ erzählt uns die ältere Dame am Tisch. Auch sie trägt die grünliche Uniform der Miliz, wie ihr Ehemann. Sie ist dezent geschminkt und hat ein freundliches Gesicht. Wir lauschen ein wenig, bis irgendwann ein dumpfer Ton die gesellige Atmosphäre stört. Die Stromleitung funktioniert noch, vielleicht wurde eine Mauer getroffen. In den kleinen Orten um Gorlovka, die anderen Ortsnamen sind etwas kompliziert auszusprechen, bewahren die Menschen ihre gewohnten Rituale, säubern Straßen und Plätze direkt nach Angriffen. Es blühen rote und gelbe Tulpen in den Gärten, obwohl oftmals keiner mehr dort wohnt. Dachstühle sind schwarz, vollkommen ausgebrannt oder zusammengefallen. In einem Haus kocht man in der noch vorhandenen Küche das Mittagessen, gibt Kindern Unterricht, die Musiklehrerin spielt Klavier, der Bürgermeister sitzt an seinem Schreibtisch – über ihm hängen an der Wand die Porträts von Alexander Sachartschenko und Wladimir Putin -, üben die Kinder Lieder und Gedichte, putzen sich die Mädchen bei Besuchen mit hübschen Kleidchen heraus und frisieren sie sich gegenseitig. Das nennen sie, Hygiene für den Geist. Nur einen halben Kilometer weiter stadteinwärts wird nicht geschossen, weil lediglich die Pufferrandgebiete von Artilleriebeschuss betroffen sind. Wir beobachteten stinknormales Leben, geöffnete Supermärkte, Boutiquen, Blumenläden, gut besuchte Restaurants.

Das gepflegte Shakhtar Plaza Hotel, in dem wir untergebracht sind, ganz in der Nähe des Lenin-Parks und dem überwältigenden Sport-Stadion, ist dieser Tage sehr günstig. Es ist exklusiv ausgestattet und befindet sich nur 1,5 Kilometer von der Frontlinie entfernt. Der Massagesalon und die Hochzeitssuite werden trotzdem genutzt, der Barbetrieb funktio- niert und die Küche zaubert ein leckeres Essen. Trotzdem, die Menschen brauchen Hilfe durch Friedensbemühungen. Sie sind müde, die Kraft schwindet und es ist genug Blut geflossen. Viele Menschen bleiben trotz der massiven Demütigungen in ihren Orten woh- nen, die Geisterorte geworden sind. Die Regierung der Donezker Region hat sie um Umzug gebeten, aber die Menschen möchten dem Terror trotzen. „Es ist unser Grund und Boden, unser Haus. Wir werden es nicht verlassen,“ sagen sie. Manche sind auch zu alt, um irgendwo neu zu beginnen, einige zu arm.

„Die finanziellen Hilfen der EU sind in den Volksrepubliken nicht angekommen!, hören wir vom Berater des Präsidenten, Alexander Kasakow, mit dem wir uns etwa zweieinhalb

Stunden in der Hotellobby unterhalten. „Das Geld ist nach Kiew überwiesen, von dort aber nicht weitergereicht worden.“ Pedro Poroschenko lässt die Region am langen Arm verelenden, deshalb half Russland mit Zuwendungen aus. Das hat sich unter Präsident Wolodomir Selensky, dem freundlich lächelnden Fernsehstar, nicht geändert. Das Kalkül Kiews ist Erpressung. Aber acht Jahre aushalten unter diesen widrigen Bedingungen, sind wohl Beweis genug, dass dieses stolze Volk sich nicht in die Knie zwingen lässt. Kasakow erzählt uns, dass sie Sanktionen ausgesetzt sind und dringend Hilfe benötigen. Wir hören, es gibt aus dem Ausland, etwa aus Italien, sehr gute Kontakte und man bemüht sich in der Region auch eigene Produkte zu schaffen. Uns wurde klar, was es bedeutete, Sanktionen hinnehmen zu müssen, und unser Respekt war groß, dass mit dem, was vorhanden war, gut umgegangen wurde.

Was uns besonders beeindruckte, war eine Einladung des Präsidenten Sachartschenko. Wir aßen mit ihm, sprachen mit ihm über unsere Eindrücke, über Sichtweisen, und er scherzte. Ich weiß nicht, ob die Geschichte stimmt, die er uns erzählte. Wir sollten ein selbstgebrautes Bier, ein – wie er sagte – altes Rezept probieren. Er erzählte uns, diese Brauerei hatte einst Stalin bauen lassen für die Bergarbeiter. Denn sie hatten sich die gewünscht. Das Bier schmeckte lecker und wir aßen an einer langen gedeckten Tafel Schinken und Früchte. Etwas bizarr, so empfanden wir, inmitten von seinen Beratern und Soldaten zu sitzen, die ihn mit Maschinengewehren bewachten. Bei einer Begebenheit schien der Präsident allerdings etwas die Verhältnismäßigkeit verloren zu haben. Ich hatte, bevor wir zu diesem Termin gefahren waren, Blumen in einem Geschäft gekauft. Von zu Hause mitgebracht hatte ich noch einen Bildband aus dem Rheinland, mit den Burgen und Schlössern, in russischer und französischer Sprache, und wollte es eigentlich an unseren Begleiter Artjom verschenken. Aber ich dachte mir, beim Präsidenten wäre es genauso gut aufgehoben und für Artjom könnte ich später noch ein anderes Exemplar besorgen. Dass ich Sachartschenko Blumen schenkte, muss bei ihm ungewöhnlich angekommen sein, wie ich später erfuhr. Während wir so plauderten und uns miteinander bekannt machten, Geschichten erzählten und Geschenke tauschten, kamen zwei Soldaten in den Raum. Der eine hatte einen großen cremefarbenen und der andere einen tiefroten Strauß Baccara-Rosen im Arm. „Baccaras!, staunte ich und machte mir sonst keine weiteren Ge- danken. Ich hatte das gerade wahrgenommen, da steht Sachartchenko in diesem Moment auf und geht zu den Soldaten. Er nimmt zuerst die roten Baccara-Rosen und schenkt diesen Strauß Biggy, einer Frau aus unserer Gruppe, die sich schon viele Jahre mit dem Konflikt im Donbass beschäftigte. Und dann kam er zu mir und übergab mir den cremefarbenen Strauß. Ein großes langes Bündel, so dass ich beide Arme ausstrecken musste, um diesen Strauß überhaupt zu umfassen. Viel zu schwer für mich, ihn später zu tragen und überhaupt, wir wollten ja in zwei Tagen wieder abreisen. Was macht man mit so vielen wunderschönen Rosen und: ist es verhältnismäßig? Das fragte ich mich, verwundert und geschmeichelt. Ich nahm an, dass ich seine männliche Ehre ein wenig gekitzelt hatte. Vermutlich deshalb musste es ein übergroßer Strauß sein, damit ich das verstand.

Ich überlegte, vielleicht könnte ich die Rosen an einem passenden Platz ablegen. An dem Ort, den wir am Vortag besucht hatten. Auch da hatten wir Blumen niedergelegt. Die „Allee der Engel“ ist eine Gedenkstätte. Dort besuchten wir Kinder, deren Namen und Alter

in eine Tafel graviert sind. Wir lesen uns durch Namen und Alter der Kinder. Sie waren 1, 5 oder 16 Jahre jung. Für mich als Mutter ist das ein furchtbar beklemmendes Gefühl. Es machte mich tief traurig. Einige Zeit verharrte ich schweigend an der eisernen Tafel mit den unzähligen Namen. Mir erscheinen die Bilder, die ich aus den Videos kenne. Bilder blutverschmierter, von Granatsplittern zerrissene Gesichter sind es, an vielen Körpern fehlen Gliedmaßen. Niemand soll das verschrecken, daher hält man sie im Netz zurück. Wie kann man nur Kindern dieses Schicksal angedeihen lassen? Sie sind doch gerade geboren worden, von frohem, unbeschwerten Gemüt und ihre Seelen sind rein, und sie wollten die Welt doch erst entdecken! Nun liegen die kleinen Körper im Donbass begraben. Über die Gedenktafel rankt ein Meer aus Blumen. Metallene Rosen sind es, die im zarten Licht des Tages kupfern glänzen, ein Teil der Pflanze ist in tiefes Schwarz getaucht. Ich schaue genauer hin und erkenne, es sind Granathülsen, deren Schaft hälftig eine Vase versinnbildlicht und aus der kerzengrade ein langer fester Stiel ohne Dornen herausragt. Daran haften gefiederte Blätter, mindestens drei an jedem Stiel, die nach ihrem natürlichen Vorbild bearbeitet wurden, obenauf sitzt jeweils eine gefüllte Blüte. „Es ist Munition, die hier im Donbass gefunden worden ist!, erklärt mir Victor Mikhalev. Der Kunst- und Metallschmied Mikhalev hat in Tausenden von Stunden die Instrumentarien des Bösen in die Symbolik des Paradieses und der Liebe verwandelt. Seine Werkstatt befindet sich ganz in der Nähe. Es ist eine aufwendige Handarbeit und ich freue mich über ein Exemplar, das er mir schenkt. Die Rose begleitet mich jeden Tag zu Hause und erinnert mich an diesen Besuch. Mikhalev ist Mitglied der Akademie der Künste. Er hat für seine Installationen viele Preise bekommen. Seine Kunstwerke zieren in Donezk die meisten Gräber. Die gesamte Region ist gespickt mit Kriegsgräbern, wo man nur hinschaut.

Wie die Landkarte, in der der Bürgermeister von Gorlowka die Angriffe auf sein Dorf dokumentiert. Und beinahe hätte mein Mann wohl eine Detonation selbst ausgelöst. An ei- ner völlig zerbombten Bushaltestelle stiegen wir aus dem alten rostigen Bus aus. Rostig, damit wir nicht auffallen in der „Grauzone!, denn neue Busse waren oft Ziel der Scharfschützen, die sich, wie wir erfuhren, hinter den Häusern versteckten. Und plötzlich rief unser Sicherheitsmann Anton ungewohnt und bitterernst, „Vorsicht, bleib stehen!“ Zwanzig Zentimeter neben dem Fuß meines Mannes hatte sich eine Mörsergranate in den Boden gebohrt, vermutlich ein Blindgänger. Wir begriffen die Gefährlichkeit, durch solch ein Gebiet zu gehen. Einen fünfjährigen Jungen hatte es das Leben gekostet. Trotz der vielen Warntafeln in der Schule, griff er auf der Straße, er wollte spielen, nach einer solchen Granate und es zerfetzte seinen Leib.

Nachdem wir bei Präsident Sachartschenko noch einen Meerrettich-Schnaps getrunken hatten, der wirklich sehr sehr eigenartig schmeckte, was mir Sachartschenko deutlich im Gesicht ablas (er lächelte dabei), weil ich schreckliche Grimassen zog, bemerkte ich, dass die Berater von Sachartschenko plötzlich nervös an ihn herantraten, sie sprachen leise. Wenige Momente später erfuhren wir, dass wir umgehend die Stadt verlassen müssten, denn die Westukraine, so seine Informationen, würde einen Frontalangriff planen. Wir waren überrascht und wurden von Artjom gebeten, Ruhe zu bewahren, ins Hotel zu fahren und in fünfzehn Minuten unsere Taschen zu packen. Im Bus hörten wir den russischen Chanson „Wladimirskij Zentral“ von Michail Krug etwas leiser als sonst und beobachteten

die Umgebung. Wir hofften, dass wir noch rechtzeitig die Grenze erreichen würden. Ich machte mir Gedanken während der Fahrt zur gesellschaftlichen Situation. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung in Donezk und Lugansk ist russischstämmig. 187 verschiedene Nationalitäten lebten in der Ukraine vorwiegend friedlich miteinander, mit unterschiedlichen Bräuchen und Traditionen. Der ukrainische Präsident Poroschenko wollte den Russen die russische Sprache verbieten und es sollte nur noch Ukrainisch gesprochen werden. Das brachte letztlich das Fass zum Überlaufen, nach dem Putsch am Maidan und dem Massaker im Gewerkschaftshaus in Odessa. Damit begann der heiße Krieg im Donbass, es folgte eine Schlichtung über Minsk 1 und 2, Waffenstillstand wurde verordnet. Doch die West-Ukraine hielt sich nicht daran, provozierte. Sie wollte über die Donbassrepubliken die Konfrontation mit Russland erzwingen und deshalb nannte sie ihren kriegerischen Plan „Anti-Terror-Operation!, der ein einseitiger Terror von westukrainischer Seite ist. Dieser endete am 30. April 2018 und wird nun auf eine neue aggressivere Stufe gestellt, die sich die „Operation der Vereinten Kräfte“ nennt. Das bedeutet nichts anderes als eine militärische Frontaloffensive, um die Regionen Donezk und Lugansk zurückzuerobern, was die Bevölkerung in den Donbass-Regionen gar nicht will. Alexander Sachartschenko meinte eben noch, „wir streben lediglich Frieden an und den gilt es zu gewinnen, um unsere Städte so bauen zu können, wie es sich unsere Bürger vorstellen.“ Der letzte Satz, den ich von ihm höre, bevor wir uns verabschieden, ist, „es wird der letzte Krieg in der Ukraine sein, wir sind vorbereitet.“

Es gibt viele Gründe, und wir hörten es in Donezk immer wieder, sich gegen die westliche Politik zu entscheiden. Donezk und Lugansk spalteten sich ab, es ist ihr Recht auf Selbstbestimmung, so empfindet es die Bevölkerung. Die internationale Gemeinschaft sollte ihnen diese Freiheit zugestehen. Alexander Sachartschenko lebt gerade noch vier Monate. Durch einen Sprengstoffanschlag in der Stadt Donezk, vermutlich von Mitarbeitern des ukrainischen Geheimdienstes, werden er und einer seiner Berater umgebracht. Der Sprengstoff befand sich in der Deckenleuchte des Clubs Separ, den er regelmäßig be- suchte, um sich mit seinen Kameraden abzustimmen. Eine Überwachungskamera filmt noch den Eintritt Sachartschenko in den Club und den Beginn einer heftigen Detonation. Ich sehe die Bilder nach dem Sprengstoffattentat vom 31. August 2018 ….Entsetzlich.

Als wir an der Grenze ankommen, ist sie schon geschlossen. Unser Begleiter Artjom hat die Mobiltelefonnummer von Sachartschenko. Ihn ruft er an. Währenddessen er telefoniert, beobachten wir am Knotenpunkt viele junge Männer, die mit Rucksäcken gekommen sind. Später erfahre ich von Artjom, das sind junge Männer, Russen, die aus der ganzen Welt nach Donezk gekommen sind. Sie wollen sich hier ausbilden lassen oder haben sich vom russischen Militär beurlauben lassen. Sie sind gekommen, um eine Waffe in die Hand zu nehmen, und sie führt etwas nach Donezk, was für eine Reihe von Menschen in der westlichen Welt schlichtweg nicht begreifbar oder nachvollziehbar ist. Für mich als Ostdeutsche schon. Sie haben einen Bezug zu den Menschen, fühlen sich verbunden, haben selbst Verwandte oder Freunde von Bekannten im Donbass verloren, die seit Jahren beschossen werden. Es bedeutet für Russischstämmige Patriotismus in der Art, für ihre Landsleute einzustehen, wenn sie sich in bedrohlichen Situationen befinden. Und auch nur deshalb sind diese jungen Männer hier nach Donezk gekommen, um die Miliz zu unterstützen.

Nachdem Artjom alle Formalitäten mit dem Grenzposten geklärt und der Präsident am Telefon mit dem Leiter der Dienststelle gesprochen hatte, können wir weiterfahren. Über 200 Kilometer nach Rostov am Don. Dieses Mal fahren wir direkt zum Flughafen und machen keinen Stopp.

Ich habe auf der Heimreise viel zu tragen. Dieses Mal gleich zwei Taschen. Mein Mann hat sich entschieden, den riesigen Blumenstrauß für mich zu tragen. Durch die verfrühte Abreise konnte ich ihn nicht mehr zu den Kindergräbern bringen. Ins Flugzeug möchte ich ihn nicht nehmen, er würde einfach zu viel Raum beanspruchen. Deshalb entscheiden wir uns am Flughafen direkt am Eingang, da wo die Taschen kontrolliert werden, allen Frauen die dort passieren, eine Rose zu schenken. Wir haben viel Zeit in der Nacht, müssen am Flughafen einige Stunden auf den Flug warten und kommen sogar mit der einen oder anderen Frau ins Gespräch. Sie freuen sich und die Männer haben so viel Spaß an der Freude dieser Frauen, dass sie mir einige von den gefühlt hundert Blumen abnehmen. Kräftige große Männer, gestandene Familienväter stehen da im Eingang des Flughafens in Rostow am Don und beweisen sich als Rosenkavaliere. Wir genießen das alle.

Die Propaganda ist ein Problem im Westen, auch gut informierte Menschen merken es kaum noch, wie vermutlich ich vor über dreißig Jahren, als ich als junge Frau aus der DDR in den Westen kam und einige Gewohnheiten oder destruktiven Strukturen eines anderen Gesellschaftskonzepts nur schwer erkannte. Heute weiß ich, wir tragen West, wie Ost, eine Bürde, und das ist Erkennen. Es ist wichtig, sich damit zu befassen, Fehler anzuerkennen. Zurückgekommen in Deutschland schreibe ich meine Geschichte auf und versuche beim öffentlich-rechtlichen Sender SWR Gehör zu finden. Niemand scheint die Fronten genau zu kennen. Ja, dort schießen Ukrainer gegen Ukrainer, gegen ihre Landsleute. Kein Redakteur erwähnt, dass dieser Beschuss die Minsker Verträge verletzt, dass die Minsker Verträge sagen, dass niemand die Demarkationslinie übertreten darf. Die Minsker Verträge sagen auch, dass nicht geschossen werden darf und, dass die „Rebellengebiete im Osten einen Sonderstatus erhalten“ sollten. Ein entsprechendes Gesetz sollte das Parlament der Ukraine spätestens 30 Tage nach Unterzeichnung des Abkommens verabschieden, also bis zum 13. März 2015. Geschehen ist dies bis heute nicht. Die Regierung in Kiew weigerte sich den Sonderstatus für eine gewisse Autonomie im Osten des Landes zu erlauben, obwohl es im Abkommen festgelegt wurde. Und auch dieser Fakt hat sich bis heute nicht geändert. Obwohl Kiew behauptet, für die Einheit der Ukraine zu kämpfen, hält Kiew bis heute eine Hungerblockade gegen die „eigene“ Bevölkerung im Osten des Landes aufrecht. Es lohnt, den Text des Minsker Abkommens zu lesen. Russland wird darin nicht einmal erwähnt, soll aber das Abkommen umsetzen? Ich versuche das zu vermitteln und werde immer wieder nach Mainz, von Mainz nach Koblenz von Koblenz wie- der nach Mainz und zurück verbunden, bis sich meine Wut und mein Unverständnis in Tränen auflöste. Ich schluchzte am Telefon und eine Redakteurin hört mir endlich zu. Ich empfehle ihr genau hinzuschauen, wer hier gegen wen kämpft und wen Deutschland dort unterstützt, wie es den Menschen geht und wie viele Gräber ich gesehen hatte. Sie notiert, so sagt sie, einige Argumente und verspricht mir, in der Redaktion das Thema anzusprechen.

Wir haben Januar 2022 und wieder hören wir im öffentlich – rechtlichen Radio eine Lüge, nämlich, dass Russland eine „Invasion auf die Ukraine plant!

Russlands Armee steht Rostow am Don, viele Kilometer von Donezk entfernt. Und auch heute bemerke ich, viele Menschen wissen nicht einmal, wo der Donbass liegt, viele Menschen wissen gar nicht, welche Republiken sich aus welchem Grund abspalteten und von wo die Gefahr lauert. Russland ist nicht die Gefahr. Wem nutzt das im Donbass? Wem nutzt das auf der anderen Seite der Ukraine? Und wann begann wirklich die Krise, die im Donbass zum Krieg führte? Westlich eingenordete Politiker prusten in jedes nur verfügbare mediale Rohr, bösartig und blind. Auch die Unterstellung, dass Präsident Putin ein neues Sowjetreich schaffen wolle, ist sachlich falsch. Denn tatsächlich sagte er, „dass der Zerfall der Sowjetunion eine der größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts war.“ Er begründete die Aussage, dass dieser Zerfall die Kriege und instabilen Verhältnisse in vielen Teilen der Welt heute maßgeblich begünstigt oder gar mitverursacht hat. Den angeblichen Wunsch von einem neuen Sowjetimperium muss der Ex-Profiboxer Vitali Klitschko, heute Bürgermeister in Kiew, offensichtlich in den deutschen Medien aufgeschnappt haben, obwohl er das original Zitat Putins doch auf Russisch verstehen müsste, er hat diese Sprache in der Schule gelernt. Das Betteln für Waffen in Deutschland steht ihm nicht. Wie ich von Freunden aus der Ukraine hörte, lachen selbst die Kiewer über ihn, weil er die neue Sprache Ukrainisch nicht richtig aussprechen kann. Das ist übrigens auch bei Poroschenko so, der Ukrainisch als Amtssprache einführte und damit alle Russischstämmigen vor den Kopf stiess. Ukrainisch wurde bis dahin meist nur auf dem Land gesprochen, oft auch nur ein Art Kauderwelsch, da in der Ukraine sehr viele Ethnien zusammenleben. In den Städten schrieben und sprachen die Menschen jedoch Russisch.

Minsk Zwei ist offenbar die zu Papier gebrachte militärische Niederlage eines US-Mario- nettenregimes in Kiew, die der Westen nicht anerkennen will. Das kriegerische Zündeln der Westmächte gehört in den größeren Allmachts-Expansionsplan der NATO, nachdem US-Außenminister James Baker Michail Gorbatschow 1990 in die Hand versprach, das „auf den Pelzrücken“ zu unterlassen, rückte die NATO auf den Pelz. Russland hat Anspruch auf Integrität und Schutzraum. Die USA braucht den militärischen Konflikt der Ukraine im Donbass, damit es einen Vorwand gibt, um gegen Russland weitere Sanktionen verhängen zu können und ihre Waffengeschäfte zu machen. Alle bisherigen Sanktionen gegen Russland sind verpufft und sie schützen nunmehr ihre eigenen Grenzen. Gibt es gesichtswahrende diplomatische Lösungen? Vielleicht behält Alexander Sachartschenko damit recht, dass es „der letzte Krieg in der Ukraine sein wird!. Es ist einzig die Entscheidung der NATO, ob und wann endlich Frieden einkehrt.

Nachtrag: Ich schreibe die letzten Zeilen meines Beitrages und höre, dass heute in Berlin die Kontaktgruppe des Minsker Friedensabkommens im sogenannten “Normandie-Format“ neun Stunden lang mit der Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland verhandelt hat. “Kein Ergebnis, keine Einigung zu nichts!, vermeldet der Unterhändler Russlands Dmitri Kozak, Vize-Ministerpräsident der Regierung Russlands, der dazu meint, dass die Ukraine gar keine Kompromiss-Lösung eingehen will und sich weigert “zentrale Punkte” des Minsker Friedensabkommens anzuerkennen, geschweige denn zu erfüllen. Laut Kozak

habe Russland alles und bis zuletzt versucht, einen Kompromiss zu erzielen – aber die Ukraine wollte und will keinen. Ich erinnere mich an ein Interview mit einem Scharfschützen aus dem Kiew-seitigen Lager, das ich 2021 in einem Magazin las. Serhiy Varakin, sein Kurzname ist „Smile!, gab in den Block des Reporters seine Absichten bekannt: „Ich brauche keinen Frieden, ich brauche Sieg…Meine Aufgabe ist es, Feinde zu eliminieren, so viele wie möglich.“

Der Journalist Dirk Pohlmann hat in wenigen Worten skizziert, wie Deutschland in Sachen Ukraine, Russland, Nordstream 2 usw. an der Nase herumgeführt werden und was uns droht. „Nordstream 2 gibt es, weil die deutsche Regierung es wollte, nicht weil die russische es wollte. Deutschland braucht Gaslieferungen, um sicher Grundlast-Strom produzieren zu können, nachdem die Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Die USA versuchen die Pipeline zu stoppen, seit vielen Jahren, mit vielen Mitteln und aus vielen Gründen: aus geopolitischen, aber auch aus simplen wirtschaftlichen Interessen.“ Frackinggaslieferungen aus den USA wären beides, ein Geschäft und erpressungsfähiger Einfluss auf Deutschland. Es gibt einen Interessenkonflikt zwischen den USA und seinem nicht-souveränen Vasallen Deutschland. Die NATO existiert, um die Amerikaner drinnen, die Russen draußen und die Deutschen unten zu halten, sagte ihr erster Generalsekretär Lord Ismay bereits in den 50er Jahren. Und das gilt immer noch.

Beitragsbild: Sabiene Jahn

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Presseportal „Frische Sicht“.

Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung der Autorin Sabiene Jahn. Besten Dank dafür.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

 

Diplomatie statt Kriegsvorbereitung. Den aufgeheizten Konflikt um die Ukraine friedlich lösen!

Ein Appell von IPPNW und IALANA

In dem aktuell gefährlichen Konflikt zwischen der NATO und Russland fordern wir die Bundesregierung auf, aktiv dazu beizutragen, die Eskalation zu stoppen und eine friedliche Lösung zu suchen. Dabei sollen alle bestehenden wechselseitigen völkerrechtlichen Verpflichtungen genutzt werden, um gegenseitige Sicherheit zu erreichen. Dauerhafte Sicherheit kann nicht gegeneinander, sondern nur miteinander erreicht werden.

Obwohl die Truppenkonzentration bedrohlich wirkt, will Russland erklärtermaßen keinen Krieg, sondern einen Vertrag, der seine Sicherheit gewährleistet und hat dazu zwei detaillierte Entwürfe vorgelegt, die in der Öffentlichkeit allerdings weitgehend unbekannt sind. Einige der Vorschläge enthalten weitgehende Maximalforderungen und Verhandlungsmasse für ein neues europäisches Sicherheitskonzept. Andere Vorschläge in den Vertragsentwürfen für gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO sowie zwischen Russland und den USA  sind einigungsfähig, z.B. zur Einrichtung von Telefon-Hotlines, für eine wechselseitige Unterrichtung über militärische Übungen und Manöver und die jeweiligen Militärdoktrinen (Art. 2, Vertragsentwurf NATO-Russland) oder der Vorschlag eines Verbotes einer Stationierung von landgestützten Mittel- und Kurzstreckenraketen in Gebieten, die es ermöglichen, das Gebiet der anderen Vertragsparteien zu erreichen (Art. 5).  Weitere zielen auf die Beendigung der nuklearen Teilhabe und den Abzug der US-Atomwaffen aus Europa (Art. 7 des Vertrags mit den USA). Im Artikel 1 heißt es: „Die Vertragsparteien lassen sich in ihren Beziehungen von den Grundsätzen der Zusammenarbeit, der gleichen und unteilbaren Sicherheit leiten. Sie werden ihre Sicherheit (….) nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen Vertragsparteien stärken.“

Die Bundesregierung hat eine besondere rechtliche Verpflichtung gegenüber Russland: Am 9. November 1990 haben Kohl und Gorbatschow einen „Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“ geschlossen, der unverändert noch gilt. Art. 7 lautet: „Falls eine Situation entsteht, die nach Meinung einer Seite eine Bedrohung für den Frieden oder eine Verletzung des Friedens darstellt oder gefährliche internationale Verwicklungen hervorrufen kann, so werden beide Seiten unverzüglich miteinander Verbindung aufnehmen und bemüht sein, ihre Positionen abzustimmen und Einverständnis über Maßnahmen zu erzielen, die geeignet sind, die Lage zu verbessern oder zu bewältigen.“ Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Gespräche im Sinne dieser Verpflichtungen zu intensivieren.

Wichtige einzuhaltende völkerrechtliche Verpflichtungen für die Lösung des aktuellen Konflikts ergeben sich insbesondere aus den Grundsätzen der UN-Charta zur friedlichen Streitbeilegung (Art. 2 Ziff. 3) und zum Gewaltverbot (Art. 2 Ziff. 4). Sie folgen auch aus der NATO-Russland-Grundakte vom 27. Mai 1997. Demnach unterliegt die dauerhafte Stationierung von substanziellen Kampftruppen in den neuen Nato-Ländern in der Mitte und im Osten Europas völkervertraglichen Beschränkungen. Die jetzt praktizierte lückenlose Rotation von NATO-Truppen an der NATO-Ostgrenze unterläuft Verpflichtungen des Abkommens. Forderungen der neuen NATO-Länder, die NATO solle sich darüber hinwegsetzen, muss widersprochen werden. Zu Recht erinnert Russland an die Formulierung im Schlussbericht des OSZE-Gipfels von 1999 in Istanbul, wonach jeder Teilnehmerstaat bei Änderungen seiner Sicherheitsstrukturen die Rechte aller anderen Staaten achten und seine Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen wird. Diese Zusage haben die NATO-Staaten beim OSZE-Gipfel im Dezember 2010 in Astana bekräftigt.

Wir appellieren an die Bundesregierung, die anstehenden Verhandlungen mit Respekt und unter Anerkennung der gegenseitigen Sicherheitsinteressen und unter Beachtung der bestehenden Sicherheitssysteme zu führen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Russland seit 1990 zunehmend seine Sicherheit an der Westgrenze durch die NATO bedroht sieht. Der Verzicht auf die Osterweiterung der NATO ist zwar nicht völkerrechtlich bindend vereinbart worden, war aber wiederholt Gegenstand von Gesprächen und Verhandlungen mit Vertretern der russischen Regierung.

Wir fordern die Bundesregierung auf, im folgenden Rahmen zu verhandeln:

  • verschärfte Bemühungen, das Waffenstillstandsabkommen Minsk II durchzusetzen und die Parteien davon abzuhalten, die territorialen Streitigkeiten hinsichtlich der Krim und des Donbass militärisch zu beenden.
  • Aktivierung aller noch bestehenden Gesprächskanäle zwischen Russland und NATO, um eine friedliche Lösung zu finden, die sowohl westliche als auch russische Sicherheitsbedenken anerkennt.
  • Stopp aller Maßnahmen, die gegenwärtig eine militärische Auseinandersetzung befördern. Dazu gehören der Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine, die Beendigung aller Truppenkonzentrationen beidseits der ukrainischen Ostgrenze, die Einrichtung eines Sicherheitsbereichs beiderseits der ukrainischen Ostgrenze, in dem alle Truppenbewegungen ab Divisionsstärke (= 5.000) der Gegenseite vorab gemeldet werden sowie die Unterlassung von Manövern in diesem Sicherheitsbereich.
  • rote Telefone insbesondere im Atomwaffenbereich; keine Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa sowie ein beidseitiger Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen.
  • Verhandlungen im Rahmen der OSZE über den russischen Vertragsentwurf mit dem Ziel einer europäischen Sicherheitsstruktur und einer Neubestimmung des Verhältnisses Russland-NATO im Geist der früheren Abkommen über gegenseitige Sicherheit.
  • Förderung aller Formen des kulturellen Austauschs und persönlicher Kontakte zwischen den Völkern von Russland und Deutschland, die in ihrer großen Mehrheit jeden Krieg in Europa ablehnen, sondern friedlich miteinander leben wollen.

Herausgeber:
Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in soziale Verantwortung (IPPNW)
Deutsche Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA)

Erstunterzeichner*innen:

Franz Alt, Journalist, Dr. Bernd Asbrock, Richter i.R.; Dr. Till Bastian, Publizist; Prof. Dr. Helga Baumgarten, Politikwissenschaftlerin; Ralf Becker, Koordinator Initiative „Sicherheit neu denken“;  Peter Brandt, Historiker und Publizist; Reiner Braun, International Peace Bureau; Dr. med. Angelika Claußen, IPPNW-Vorsitzende; Daniela Dahn, Schrifststellerin, Prof. Dr. Wolfgang Däubler; Ina Darmstädter, Vorstand Friedensfestival Berlin e.V.; Prof. Dr. Jost Eschenburg, pax christi, Bistum Augsburg; Annegret Falter, IALANA Beiratsmitglied; Ulrich Frey, Mitglied im Vorstand der Martin-Niemöller-Stiftung e.V.; Dr. Heiner Fechner, Vorstände der IALANA, VDJ und EJDM; Prof. Dr. i. R. Albert Fuchs, Dr. Rolf Gössner, Jurist und Publizist; Dr. Peter Gerlinghof, Initiative Erinnern und Gedenken Sangerhausen; Prof. Dr. Ulrich Gottstein, IPPNW-Ehrenvorstandsmitglied; Ulrike Guérot, Prof. Europapolitik; Bernd Hahnfeld, IALANA, Gert Heidenreich, Schriftsteller und ehem. PEN-Vorsitzender West, Gisela Heidenreich, Buchautorin, Prof. Dr. i.R. Helwart Hierdeis, Erziehungswissenschaftler; Uwe-Karsten Heye, Journalist, Diplomat und Autor, Otto Jäckel, Rechtsanwalt, Vorsitzender der IALANA e.V.; Michael Karg, Propst i.R., Vorsitzender der Martin-Niemöller-Stiftung e.V., Joachim Kerth-Zelter, Rechtsanwalt, Bundesvorsitzender der  Vereinigung Demokratischer Jurristinnen und Juristen; Gerold König,
Pax christi Bundesvorsitzender; Karl-Wilhelm Lange, Regierungspräsident i.R.; Prof. Mohssen Massarrat, wiss. Beirat der IPPNW; Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands und Parl. Staatssekretär a.D.; Prof. Dr. Götz Neuneck, deutscher Pugwash Beauftragter der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler; Prof. Dr. Norman Paech, Völkerrechtler; Florian D. Pfaff, Major a.D., Sprecher des Arbeitskreises „Darmstädter Signal“; Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums; Dr. med. Lars Pohlmeier, IPPNW-Vorsitzender, Rüdiger Postier, Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.; Konrad Raiser, Theologe, ehem. Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen; Rainer Rehak, stellv. Vorsitzender der Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FifF), Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes; Pamela Rosenberg, ehem. Intendantin der Berliner Philharmoniker, Prof. Dr. Jürgen Scheffran, Physiker und Geograph; Thomas Schmidt, Co-Generalsekretär EJDM Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V.; Prof. em. Dr. Dr.h.c. Dieter Senghaas, Friedens-, Konflikt- und Entwicklungsforscher; Amela Skiljan, stellvertretende Vorsitzende IALANA, Prof. Dr. i.R. Gert Sommer, Prof. für Klinische Psychologie und Konfliktforschung, Dr.h.c. Graf Sponeck, Beigeordneter UNO Generalsekretär a.D.; Prof. Johano Strasser, Politologe und Schriftsteller, ehem. Präsident des PEN-Zentrums Deutschland; Antje Vollmer, Bundestagsvizepräsidentin a.D., Peter Vonnahme, Richter am Bayer. Verwaltungsgerichtshof i.R., Mitglied von IALANA; Prof. Dr. Herbert Wulf, Burkhard Zimmermann „Initiative Neue Entspannungspolitik jetzt!“, Andreas Zumach, Journalist

 

Quelle: ippnw

Baerbock im deutsch-russischen Porzellanladen

Noch keine 100 Tage im Amt, und schon ist die Grünen-Kriegerin bereit, unser Land „einen sehr hohen Preis zahlen“ zu lassen

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Außenministerin Baerbock gibt den Maas 2.0: Voll dabei, die
letzten Reste von Sachlichkeit und Zurückhaltung fallen zu lassen und
sie mit NATO-typischer Aggressivität und Drohungen zu ersetzen. Den
„deutsch-russischen Medienkrieg“ – hie der Sender RT DE unter Verbot, dort die Moskauer Dependance der Deutsche Welle
geschlossen – hat niemand anderes als das Berliner Außenministerium
erklärt. Der deutsche Medien-Chor der Selbstgerechten versucht das zwar
zu übertönen. Der Redaktion ARD-aktuell ist jedoch zu bescheinigen, was für viele Propagandisten unseres regierungshörigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks gilt: „Wozu noch das journalistische Handwerk bemühen, wenn plumpe Hetze für die beste Sendezeit ausreicht?“ (1)
Danach fragt kaum einer mehr, wer wie und warum das Übel eigentlich
angerichtet hat, obwohl das doch die Voraussetzung für eine rationale
Konfliktlösung wäre.

Historische Parallelen werden erst recht nicht gezogen.
Zapfenstreich-Deutschland hat reiche Erfahrung mit der Gleichschaltung
der Presse und der Hetze gegen seine Nachbarn. Der Versuch, hierzulande
kritische Gegenstimmen auszuschalten, dient ja obendrein dem Ausbau des repressiven Staates. (2) Eine typische Entwicklung in Zeiten der provozierten Kriegsangst und Kassandra-Rufe.

Am 3. Februar reagierte die russische Regierung und schloss das Moskauer Büro der Deutschen Welle, verbot den Sender und entzog seinen 21 Mitarbeitern die Akkreditierung. Im Eifer des Nachrichten-Gefechts ließ die Tagesschau die Maske fallen: Mit dem Sendeverbot gegen die Deutsche Welle

„… reagiert Moskau offenkundig auf das Ausstrahlungsverbot des deutschsprachigen Ablegers seines Staatssenders RT. Zentraler Vorwurf der deutschen Behörden war, RT.DE verbreite im Auftrag Moskaus Verschwörungstheorien und Desinformationen.“ (3)

Hoppla, soviel hemmungslose Offenheit über den tatsächlichen
Verbotsgrund war dann aber wohl doch nicht im Sinne der
Redaktionsleitung und ihrer Gönner in Berlin. Die wiederholte beweislose
Bezichtigung, RT DE verbreite im Auftrag Moskaus
Falschinformationen, wirkte außerdem gar zu fadenscheinig. Nur zwei
Stunden später stülpte denn auch Atlantik-Brücken-Moderator
Zamperoni der verräterischen und dürftigen Begründung die Tarnkappe
eines legalen Behördenbescheids über: Das Verbot sei unumgänglich
gewesen, weil RT DE keine Sendelizenz habe. (4)

Unterm Scheinheiligenschein

Auf dieser Argumentationsbasis ließ sich auch besser behaupten, die russische Retourkutsche gegen die Deutsche Welle
sei rechtswidrig und unverhältnismäßig. Im Talar eines Hohepriesters
der Rundfunkfreiheit versuchte Zamperoni daher, den Eindruck zu
verwischen, dass es bei der Kampagne gegen RT DE um die Unterdrückung unerwünschter Meinungen und unangenehmer Informationen gegangen war.

Baden-Württembergs Bevollmächtigter beim Bund, der Staatssekretär für
Medienpolitik Rudi Hoogvliet, goss in Amtsdeutsch, was die
Bundesregierung uns weismachen will:

„Die Landesmedienanstalten der Länder haben dem
russischen Sender RT DE aus ‚konkreten, objektiv nachvollziehbaren
Gründen, nämlich aufgrund des Fehlens einer gültigen Sendelizenz‘, die
Veranstaltung und Verbreitung in Deutschland untersagt.“ (5)

Diese Behauptung wird nun gebetsmühlenartig wiederholt und über alle verfügbaren Rohre verbreitet, auch über die Tagesschau.
Unsere Qualitätsjournalisten verhehlten in schöner Einigkeit mit ihren
politischen Gönnern einfach, dass das von Moskau aus sendende RT DE
zwar keine deutsche, wohl aber eine in Europa – und damit auch in
Deutschland – gültige serbische Sendelizenz hat. Sie wurde, wie vielmals
dargelegt, von der Regierung in Belgrad im Rahmen der europäischen
„Übereinkunft für das grenzüberschreitende Fernsehen“ (6) erteilt.

Dass Serbien das Recht zur Lizenzvergabe hat, lässt sich nicht
bestreiten. Deshalb griffen die Beamten der deutschen
Landesmedienanstalten in die juristische Trickkiste, um dennoch gegen RT DE losschlagen zu können: Sie entschieden eigenmächtig, die medienrechtliche Verantwortung für die RT DE-Sendungen
liege nicht beim Antragsteller RT in Moskau, sondern in
Berlin-Adlershof. Absurder kann man kaum daherreden. Vergleichbar
abwegig wäre die Behauptung, die redaktionelle Verantwortung für
Beiträge des ARD-Studios in Moskau liege bei dessen Leiter in Russland
und nicht beim Chefredakteur ARD-aktuell in Hamburg.

Die deutschen Medienbehörden biegen sich die Argumente zurecht, um
den Russen eins auszuwischen. (7) Dabei tun sie so, als sei ihr Schlag
gegen RT DE ohne enge Abstimmung mit der Bundesregierung
erfolgt, speziell ohne Beteiligung des Außenministeriums. Als seien
Verbotsverfügungen gegen einen ausländischen Sender das tägliche Brot
deutscher Amtsstubenbewohner. (8) Das Außenministerium gibt sich gleich
vollends als unzuständiger Unbeteiligter:

„Für RT DE gelten dieselben Regeln wie für alle
anderen Sender – auch was den Aspekt der Staatsferne angeht. Die
Bundesregierung kann und darf auf das Verfahren keinen Einfluss nehmen.“ (9)

Was für ein Schmierentheater!

Unter Außenpolitik ist die Gesamtheit der politischen, militärischen
und wirtschaftlichen Maßnahmen gegenüber anderen Staaten und
internationalen Organisationen zu verstehen, der Umgang mit
ausländischen Rundfunksendern inklusive. Für Außenpolitik ist allein die
Bundesregierung zuständig. Die Behauptung, Beamte kleiner
Landesmedienanstalten hätten die Kompetenz zu weitreichenden
außenpolitischen Entscheidungen, bestätigt das Niveau der im
unaufrichtigen und ahnungslosen Daherreden sehr geübten Grünen Baerbock.
Tagesschau-Redakteure mögen ihr das vielleicht abkaufen. Der Bürger mit intaktem Politikverständnis sicher nicht.

… dass sich die Balken biegen

Seit Adenauers Zeiten wissen wir, dass es die Wahrheit gibt, die
reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Analog dazu gibt es die
Lüge, die blanke Lüge und die nur noch saudumme Lüge. Mit einer solchen
haben wir es hier zu tun. Schließlich ist weitgehend bekannt (und nie
dementiert worden), dass die Bundesregierung (und das Bundesamt für
Verfassungsschutz) die Finger drin hatten, als Luxemburg den ersten RT DE-Lizenzantrag für Europa abwies. (10)

Logisch, dass die federführende Medienanstalt Berlin-Brandenburg,
MABB, jetzt nicht einräumt, auf Weisung aus dem Baerbock-Ministerium
gehandelt zu haben. Dessen Herrschaften wollten unbedingt auf
unbeteiligt machen. Der Schein (landes-)medienrechtlicher Legalität
sollte gewahrt werden. Die Begründung, weshalb sich die MABB jedoch
weigert, Akteneinsicht zu gewähren, lässt das genaue Gegenteil erkennen:

„… das Bekanntwerden des Inhalts der Verfahrensakte
würde dem Wohle des Bundes schwerwiegende Nachteile bereiten. Es ist
wahrscheinlich, dass eine Veröffentlichung des Inhalts der
Verfahrensakte zu gewichtigen diplomatischen Spannungen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Russland führen würde.“ (11)

Die Nachteile waren da bereits eingehandelt (Schließung des Moskauer
Büros des Staatssenders DW) und die diplomatischen Spannungen längst
(von Berlin) verstärkt worden. Wäre das Verbotsverfahren der MABB
rechtlich einwandfrei begründet und methodisch sauber ausgeführt, dann
könnte die Behörde ihre Akten selbstverständlich einsehen lassen.
Stattdessen wird weiter gehetzt, was das Zeug hält:

„Die Propagandastationen wirken auf die
Meinungsbildung in den Ländern des Westens ein, in der EU insbesondere.
Sie verharmlosen Putins Kriegstreiberei, verbreiten seine Lügen, stellen
die Legitimität demokratisch gewählter Regierungen infrage und hofieren
extreme Gruppen wie die von rechts außen bis links außen reichende
Corona-Leugner-Front.“ (12)

Was Wahrheit ist, bestimmen wir. „Der Russe“ lügt nur. Und wie!

„Darüber hinaus stellten russische Akteure – wie in
den vergangenen Jahren – die NATO und die USA als Bedrohung für Russland
und den Weltfrieden dar. … Ziele aller russischen Bemühungen sind die
Diskreditierung der Bundesregierung, die polarisierende Zuspitzung des
politischen Diskurses und das Untergraben des Vertrauens in staatliche
Stellen“. (13)

Das geht gar nicht. Die NATO ist doch bloß für Folklore zuständig und
die USA sind sogar friedlicher als der Windsbacher Knabenchor.

Wehrhafte Werte-Demokraten

Damit das alles so bleiben kann, muss ein in Deutschland tätiger
russischer Sender auch vom Verfassungsschutz überwacht und stigmatisiert
werden. Unbedingt. Der Verfassungsschutz ist nur eine amtliche
Erscheinungsform unserer wehrhaften Demokratie. Die kommt leider ohne
Geheime Gesinnungspolizei nicht aus. Die kostbarsten Güter unserer
„Wertegemeinschaft“, nämlich „Freiheit“ und vor allem „Toleranz“, müssen
schließlich geschützt werden (während man sie immer weniger werden
lässt).

Dafür, dass das demokratische Mäntelchen der staatlich geschützten
Meinungsmacher nicht bekleckert wird, sorgt unser ebenso aufgeblähtes
wie ineffektives Parlament. Dessen Abgeordnete lassen sich bei Kleinen
Anfragen von der Bundesregierung schon mal mit Antworten abspeisen, die
nach Propaganda statt nach Fakten schmecken: Bei RT DE handle es sich um

„einen der maßgeblichen Akteure eines komplexen Netzwerkes, das im Auftrag staatlicher russischer Stellen deren Narrative“ verbreite, um den „politischen Willensprozess in Deutschland zu beeinflussen.“ (14)

Böse Netzwerker sind demnach die anderen, speziell die Russen. Die Bundesregierung ist hingegen Mitglied im Kaffeekränzchen EU EAST STRATCOM,
und falls wirklich jemand behauptet, dass das ein Netzwerk sei, dann
ist es immerhin ein gutes, das unsere Demokratie verteidigt und dem
Ausland sogar was von unseren freiheitlichen Informationen abgibt. Es
wurde deshalb schon vor sieben Jahren gegründet, gleich nach dem aus
Washington gesteuerten und finanzierten Staatsstreich in der Ukraine und
dem Ausbruch der Maidan-Freiheit. Aufgabe: Es soll als Gegengewicht zu
offiziellen russischen Mitteilungen fungieren. (15)

Die EU EAST STRATCOM TASK FORCE, so der vollständige Name
dieser Einsatzgruppe, soll nach eigener Definition „kreative
Informationen“ im Gebiet der EU-geführten Östlichen Partnerschaft
verbreiten und dafür „neue Strategien und Methoden“ entwickeln. (16) Die
TASK FORCE ist demnach für die anti-russische AgitProp der EU bei den Anrainerstaaten Russlands zuständig.

Wer meint, die EU sei die Koppel von Unschuldslämmern, irrt gewaltig.
Die Bürger und Bürgerinnen unserer westlichen Fassadendemokratien sind
trotz vermeintlicher Pressefreiheit nicht einmal vor der Propaganda und
Desinformation seitens der eigenen Vorleute geschützt. Einflussnahme und
Meinungsmache erfolgen hier allenfalls etwas subtiler. In Berlin ist
dafür das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung zuständig. Es
beschäftigt jede Menge professionelle Rosstäuscher. (17)

Fiese Meinungsmache

Auch in der EU EAST STRATCOM TASK FORCE sind Giftköche am Werk. Sie schaffen es sogar, die simpelsten, vielmals bestätigten Tatsachen zu leugnen, zum Beispiel diese:

„Die NATO und der Westen sind schuld an der aktuellen
Krise. Hätten sie sich an ihre Versprechen gehalten, die Allianz nicht
zu erweitern, würde Russland sich nicht bedroht fühlen.“ (18)

Das Versprechen des vormaligen US-Außenministers James Baker ist
nicht nur von ihm selbst und vom sowjetischen Staatspräsidenten
Gorbatschow bezeugt, sondern von mehreren Teilnehmern an den
2+4-Verhandlungen zur Herstellung der deutschen Einheit. (19) Erst
kürzlich hat der Hamburger Rechtswissenschaftler Norman Paech die
Gegebenheiten wieder ausführlich dargelegt. (20)

Wer selber Propagandakompanien wie die EU EAST STRATCOM TASK FORCE finanziell unterstützt, kann keine Glaubwürdigkeit beanspruchen, wenn er russische Medien wie RT DE
der Propagandamache bezichtigt. Die Bundesregierung ist kein Gralshüter
der Wahrheit. Annalenchen Baerbock schon gar nicht, wie wir seit dem
jüngsten Wahlkampf wissen.

Ihre ideologischen Unterstützer geben sich aber größte Mühe. Ein Vertreter des CIA-gesponserten Clubs Reporter ohne Grenzen (21, 22) behauptete sogar, die Deutschen Welle habe

„einen Beitrag zur unabhängigen Information in einem autoritären Umfeld geleistet.“

Das wird allerdings auch nicht dadurch wahr, dass er es in einer Tagesthemen-Sendung vorbringen durfte. (23)

Die Deutsche Welle ist exakt das, was man gemeinhin unter
Staatsfunk versteht: Der weitaus überwiegende Anteil ihres Haushaltes
von 400 Millionen Euro wird vom Bundesfinanzminister aus Steuermitteln
bereitgestellt und der DW von Kulturstaatsministerin Roth angewiesen.
Der Sender ist zwar formal eine öffentlich-rechtliche Anstalt, wird aber
faktisch vom Staat kontrolliert, trotz aller Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts, die das verbieten. Nach dessen Urteil dürfen
den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zwar
noch einige staatliche oder staatsnahe Vertretern angehören, allerdings
liegt deren Quorum bei höchstens einem Drittel. Bei der Deutschen Welle
sitzen im siebenköpfigen Verwaltungsrat drei Staatsrepräsentanten
(jeweils ein Vertreter des Bundestages, des Bundesrates und der
Bundesregierung). Im DW-Rundfunkrat geht die Regelüberschreitung sogar
noch weiter: Sieben der 17 Mitglieder werden von Bundestag (2),
Bundesregierung (3) und Bundesrat (2) benannt. Nur von fünf Mitgliedern
lässt sich zweifelsfrei sagen, dass sie zumindest formal nichts mit dem
Staat oder mit seinen Kirchen zu schaffen haben. (24) Die DW ist de
facto ein Staatssender.

Des ungeachtet behauptet die Grüne Claudia Roth:

„Die DW ist zudem staatsfern organisiert. Das heißt,
anders als bei RT DE nimmt der deutsche Staat keinen Einfluss auf die
Programmgestaltung.“ (25)

Die Frau kann nichts dafür. Contradictio in adiecto: Sie ist Kulturstaatsministerin. Das würzt die absolut lächerlichste Bundesregierung, die wir je hatten.

Intendant in Springer-Stiefeln

Dass Russland mit dem Verbot der Deutschen Welle unverhältnismäßig reagiert habe, ist ein weiterer Irreführungsversuch, dem auch die Tagesschau Vorschub leistet. Wieder wird der böse Russe abgemalt:

„Unabhängiger Journalismus wird in Russland immer weiter zurückgedrängt“ (26),

behauptet Demian van Osten, ein in Moskau aktiver ARD-Korrespondent.
Es gehört schon eine Menge Dreistigkeit dazu, das russische Programm der
Deutschen Welle als Ausdruck von Unabhängigkeit auszugeben.
Intendant Peter Limbourg, vormals NATO-Korrespondent und erfahrener
russophober Feindbildpfleger, hatte bereits anno 2014, als er vom
Springer-Konzern kommend gerade sein Amt als DW-Intendant angetreten
hatte, unter dem Beifall von CDU-Abgeordneten geprahlt, er werde die Deutsche Welle zum „Anti-Putin-Sender“ ausrichten. (27)

Es liegt ganz auf der transatlantischen AgitProp-Linie, RT DE als „Putins Propagandasender“ verächtlich zu machen, obwohl er zwar (wie die Deutsche Welle)
aus Steuermitteln finanziert wird, aber als Privatkonzern organisiert
ist. Es ist bezeichnend unredlich, ihm Desinformation und
Falschnachrichten („fäjk njuhs“) vorzuwerfen, ohne dafür handfeste
Nachweise zu führen. Oder Verfassungsschutz-Spitzel auf ihn anzusetzen
und damit zu unterstreichen, welch geringen Wert unsere Regierung dem
Recht auf abweichende Meinung und den Anspruch auf Zugang zu umfassender
Information beimisst.

Dass umgekehrt die Deutsche Welle keinen professionellen Journalismus pflegt, sondern sich ähnlich wie das ARD-aktuell-Studio
in Moskau auf Missionsreise im Auftrag des verkommenen „Wertewestens“
befindet, machen nicht nur Limbourgs Kraftsprüche deutlich. Es ist für
die kritische deutsche Öffentlichkeit längst kein Geheimnis mehr. Auch
nicht in der anglophonen Welt. (28)

In Russland kam ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu dem Ergebnis, dass die Deutsche Welle im
Sommer 2019 ihr Publikum zur Teilnahme an nicht genehmigten Protesten
und illegalen Aktionen zur Störung der Wahlen aufgerufen habe. Schon
damals war im Gespräch, die DW wegen ihrer Einmischung in die inneren
Angelegenheiten Russlands rauszuwerfen. Wider Erwarten wahrte die
Regierung ihre erstaunliche Langmut. (29)

Zweifellos gilt: Wer ausländische Sender abschalten will, setzt sich
meistens selbst ins Unrecht. Es ist allerdings ganz und gar nicht egal,
wer aus welchen Gründen in einem bilateralen Konfliktfall damit
angefangen hat. Das waren diesmal unsere böswilligen Berlin
Politdarsteller. Ihr ebenso widerrechtliches (s. Anm. 6) wie
wirkungsloses (30) und deshalb stupides Verbot des Senders RT DE
zeigt, dass mindestens zwei ihrer drei Fraktionen an der deutschen
Krankheit leiden, lustvoll-heldisch auf die Schnauze zu fliegen.

Quellen und Anmerkungen:

  1. https://form7.wordpress.com/2022/02/07/auslandsjournal-feindbild-china-als-auftakt-zu-olympia-neue-debatte/
  2. https://peymani.de/millionen-deutsche-in-sorge-auf-dem-weg-in-den-totalitaeren-staat/
  3. https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-49669.html
  4. https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-9153.html
  5. https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/hoogvliet-zur-schliessung-des-bueros-der-deutschen-welle-in-moskau/
  6. https://rm.coe.int/168007b0f0
  7. https://www.freidenker.org/?p=12140
  8. https://www.medienpolitik.net/2022/02/rt-de-kann-grundsaetzlich-eine-lizenz-beantragen/
  9. https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/aa-rus-massnahmen-gegen-deutsche-wellea/2510042
  10. https://www.sueddeutsche.de/medien/RT-DEutsch-youtube-russland-1.5489418
  11. https://www.anti-spiegel.ru/2022/ganz-schoen-viele-zufaelle-ist-die-bundesregierung-gegen-rt-de-aktiv-geworden/
  12. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/putin-gegen-freie-medien-vergeltung-17777481.html
  13. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/vsb-2020-gesamt.pdf?__blob=publicationFile&v=5
  14. https://dserver.bundestag.de/btd/19/220/1922076.pdf
  15. https://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-europaeische-union-tritt-gegen-putins-propaganda-an-a-1060182.html
  16. https://www.tepsa.eu/wp-content/uploads/2015/12/Kimber.pdf https://euvsdisinfo.eu/de/desinformation-ueber-den-aktuellen-russland-ukraine-konflikt-sieben-mythen-entlarvt/
  17. https://www.wuv.de/agenturen/syzygy_wird_digitalagentur_der_bundesregierung
  18. https://euvsdisinfo.eu/de/desinformation-ueber-den-aktuellen-russland-ukraine-konflikt-sieben-mythen-entlarvt/
  19. https://mltoday.com/new-document-us-promised-not-to-expand-nato-eastward/
  20. https://www.heise.de/tp/features/Osterweiterung-Wie-die-Nato-wortbruechig-wurde-6347016.html
  21. https://www.monde-diplomatique.fr/2007/07/CALVO_OSPINA/14910
  22. https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=53&t=1083
  23. https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt-9153.html
  24. https://www.dw.com/de/die-mitglieder-des-rundfunkrats/a-305442
  25. https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/die-staatsministerin-fuer-kultur-und-medien-claudia-roth-zum-sendeverbot-der-deutschen-welle-in-russland-lizenzrechtliche-probleme-des-senders-rt-nicht-fuer-eine-politische-reaktion-missbrauchen–2003102
  26. https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-983271.html
  27. https://app.handelsblatt.com/politik/deutschland/plaene-des-intendanten-deutsche-welle-soll-anti-putin-sender-werden/10749874.html?ticket=ST-9909453-ScIPotWrCAzKTIw4FYRl-ap4
  28. https://detv.us/2022/02/07/balanced-journalism-or-propaganda-rt-de/
  29. https://www.dwdl.de/nachrichten/74228/russland_wirft_deutscher_welle_politische_einmischung_vor/
  30. https://www.spiegel.de/kultur/tv/russischer-staatssender-rt-de-der-medienkrieg-hat-gerade-erst-begonnen-a-d720e82e-f185-463e-9de2-e0a4cbcbbbcb

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Volker Bräutigam (links) und Friedrich Klinkhammer. Foto: C. Stille

Das Autoren-Team:

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008
Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats
und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer
Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996
Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der
Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in
Taipeh.

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für
Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam
Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige
Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog

Theodor Lessing: »Wir machen nicht mit!«

Lesetipp

Jochens Sozialpolitische Nachrichten

Verfolgt, ermordet, totgeschwiegen: Zum 150. Geburtstag des Philosophen, Publizisten und radikalen Kriegsgegners

Von Helmut Donat

https://www.jungewelt.de/artikel/420253.radikale-kriegsgegnerschaft-wir-machen-nicht-mit.html

Theodor Lessing, geboren am 8. Februar 1872 in Hannover, ermordet von faschistischen Attentätern am 31. August 1933 in Marienbad, Tschechoslowakei (undatierte Aufnahme)

Anlässlich des 150. Geburtstages von Theodor Lessing, der am 8. Februar 1872 geboren wurde, sind dessen seit langem vergriffenen Lebenserinnerungen »Einmal und nie wieder« (1935) kürzlich in einer Neuausgabe erschienen. Wir veröffentlichen daraus den Beitrag »Theodor Lessing und der Erste Weltkrieg« – ergänzt um Informationen, die dem Lebenswerk und der Bedeutung Lessings gewidmet sind. (jW)

Mitte Juni 1924 fiel Hannover in Schockstarre. Unfassbares war geschehen: Fritz Haarmann hatte jahrelang und unter den Augen der Polizei, getarnt als ihr Gehilfe, mindestens zwei Dutzend Sexualmorde begangen. Sogar Kannibalismus war dabei. Davon habe ich, im Niedersächsischen geboren und aufgewachsen, schon vor meiner Einschulung gehört. Als Kinder sangen wir das Lied: »Warte, warte noch…

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DiEM25 wird sechs Jahre alt!

Der 9. Februar 2016 war ein großartiger Tag.  Nur mit dem starken Gedanken gerüstet, dass die Europäische Union ohne mehr Demokratie zerfallen würde, versammelten wir uns in der Berliner Volksbühne – und DiEM25 war geboren.

Sechs Jahre später können wir leider feststellen, dass die meisten unserer Vorhersagen eingetreten sind. Nicht nur, dass  Europa auseinanderbricht,  unser Planet selbst ist auf dem Weg zum Untergang. Unsere Aufgabe ist enorm. Wir konnten in den letzten sechs Jahren aber die richtige Infrastruktur aufbauen, um diese beispiellosen Herausforderungen zu bewältigen. Das verdanken wir zum großen Teil unseren Mitstreiber*innen.

  • In Griechenland zum Beispiel ist unsere MERA25-Partei mit 9 Abgeordneten im Parlament vertreten, und gibt den Stimmlosen im Land eine Stimme.
  • In Deutschland haben wir aus demselben Grund gerade MERA25 gegründet.
  • Letztes Jahr haben wir mit unserem Tweetstorm zum Green New Deal for Europe mehr als 15 Millionen Menschen erreicht.
  • In den vergangenen Jahren haben wir für Julian Assange und die Pressefreiheit gekämpft und tun dies auch weiterhin.
  • Und gerade jetzt reisen wir, trotz der Pandemie, sicher durch Europa, um uns mit unseren Mitgliedern zu treffen, und über die nächsten Schritte in diesen Ländern zu beraten.

Und schließlich haben wir, wie vielleicht gelesen wurde, zusammen mit unseren Mitgliedern ein neues Manifest und Organisationsprinzipien erarbeitet, das bald veröffentlicht werden wird.

Diese neue Ausrichtung wird unsere Ziele für die Zukunft sowie die Art und Weise, wie wir sie verfolgen, bestimmen. An unserem Hauptziel aber wird sich nichts ändern: die Schaffung einer postkapitalistischen Zukunft in ganz Europa und darüber hinaus.

Um mehr über unsere nächsten Schritte zu erfahren und unseren sechsten Jahrestag mit uns zu feiern, laden wir ein, am nächsten Livestream  unseres Koordinationskollektivs teilzunehmen. Wir werden eine Bilanz unserer Erfolge und Misserfolge der letzten sechs Jahre ziehen und über spannende Zukunftsperspektiven sprechen. Nehmt daran teil!

Am Mittwoch, dem 9. Februar 2022, um 18 Uhr MEZ live auf YouTube.
Wir sehen uns dort!

Carpe DiEM25!

Yanis Varoufakis und Srećko Horvat

> DiEM25 Mit-Begründer

Quelle: DiEM25

Ein Offener Brief an Ver.di Berlin wegen Ver.dis feindseliger Haltung zu Demos

Die Sonderpädagogin Magda von Garrel hat einen Offenen Brief an Ver.di geschrieben. Wir machen darauf aufmerksam und veröffentlichen diesen Brief (Teil A), weil es langsam unerträglich wird, mit welcher Selbstverständlichkeit sich Einrichtungen und Organisationen, die eigentlich anderes zu tun haben, gegen Menschen positionieren, die ihr demokratisches Recht wahrnehmen zu demonstrieren. In Teil B ist ein Unterstützungsschreiben von Angehörigen von Anti-Nazi-Widerstandsfamilien angefügt, passend zur Kritik Garrels an Ver.di. Albrecht Müller.

Teil A – Offener Brief

Magda von Garrel Berlin, d. 07.02.2022
Offener Brief
an die Bezirksleitung des ver.di-Landesbezirks Berlin-Brandenburg

Herrn Landesbezirksleiter Frank Wolf
Köpenicker Str. 30
10179 Berlin

Sehr geehrter Kollege Wolf,

als ver.di-Mitglied (Mitgliedsnummer 5550009707) protestiere ich gegen die am 04.02.2022 als Mail bei mir eingegangene Presseinformation des Landesbezirks Berlin-Brandenburg mit der Überschrift „Ver.di unterstützt bezirkliche Demos gegen ‘Montagsspaziergänge’“.

Der Inhalt der Presseinformation widerspricht dem Wortlaut der Satzung von ver.di in der Fassung vom 12.10.2021. In § 5.1 bekennt sich ver.di „zu den Grundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaats“. In § 5.3 bezeichnet sich ver.di als „pluralistisch“ (Unterpunkt h.), setzt sich ein für die „Verteidigung der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit“ (Unterpunkt k.) sowie für die „Auseinandersetzung mit und Bekämpfung von faschistischen, militaristischen und rassistischen Einflüssen“ (Unterpunkt i.).

Der Aufruf zur Unterstützung einer Gegendemonstration ignoriert, dass in einem demokratischen Rechtsstaat die Wahrnehmung des Demonstrationsrechts grundsätzlich nicht durch eine organisierte Gegendemonstration behindert werden darf. Darüber hinaus verletzt der Aufruf das innergewerkschaftliche Prinzip des Pluralismus in einer Einheitsgewerkschaft, untergräbt die Verteidigung der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit und ist kein Beitrag zur Auseinandersetzung mit und zur Bekämpfung von „faschistischen … Einflüssen“, da diese ohne jeden juristischen Beweis lediglich unterstellt werden.

In der bei mir am 04.02.2022 eingegangenen Presseinformation wird Andrea Kühnemann mit den Worten zitiert: „Wir wehren uns dagegen, dass insbesondere rechte Gruppierungen versuchen, aus der Pandemie Kapital zu schlagen und ihre kruden Thesen auf die Straße tragen. Diese Leute mit ihren ‘Montagsprotesten’ sind nur eine kleine Gruppe, sie haben kein Recht, für die große Mehrheit der Bevölkerung zu sprechen. Das müssen wir klar zum Ausdruck bringen, deswegen rufen wir die ver.di-Mitglieder auf, gegen diese ‘Montagsspaziergänge’ zu demonstrieren.“

Einmal abgesehen davon, dass man kein Recht für obsolet erklären kann, das gar nicht in Anspruch genommen wird (Sprechen für die große Mehrheit der Bevölkerung), sollte es zum demokratischen Selbstverständnis einer Gewerkschaft gehören, sich für die Rechte von Minderheiten einzusetzen.

Diese drastische Abkehr von einem einstmals ehernen Grundprinzip rechtfertigt ver.di mit einer weiteren bloßen Behauptung, nach der die Teilnehmer*innen an den Montagsspaziergängen Impfgegner und Rechte seien. Bei allem Verständnis für eine Positionierung gegen rechte Gruppierungen wird hier völlig ausgeblendet, dass das Spektrum der Beteiligten sehr viel größer ist und beispielsweise auch mehrfach geimpfte Menschen umfasst. Dieser nicht beachtete Umstand lässt die Frage aufkommen, inwieweit ver.di-Vertreter*innen eigene Recherchen durchgeführt haben. Darüber hinaus wird auf die für die sogenannten Impfgegner ausschlaggebenden Gründe gar nicht erst eingegangen.

Dementsprechend fehlt auch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der Frage, weshalb es zu einer größeren Beteiligung von Rechten überhaupt kommen konnte. Meines Erachtens haben wir es hier mit der Folge eines eklatanten gewerkschaftlichen Versagens zu tun. Von Anfang an hat sich ver.di in einem als gewerkschaftlich zu bezeichnenden Sinne lediglich um die Absicherung finanzieller Unterstützungsleistungen (zum Beispiel für Künstler und Solo-Selbstständige) und um die Organisation von Streiks zur Durchsetzung besserer Rahmenbedingungen für das Pflegepersonal bemüht.

Dieses Engagement ist zwar aller Ehren wert, aber nicht ausreichend für Menschen, die von einer Gewerkschaft ein umfassendes gesellschaftskritisches Verhalten erwarten. Dass in dieser Hinsicht von ver.di nicht mehr viel zu erwarten ist, lässt der letzte Satz der Presseinformation befürchten, in dem Sie sich wie folgt geäußert haben: „Die Experten sind sich einig – nur eine Impfung schützt derzeit vor schlimmen Krankheitsverläufen und Folgeschäden.“

Diese Aussage trifft schon allein wegen der zu Unrecht behaupteten Einigkeit der Experten nicht zu, aber noch wichtiger ist mir die Feststellung, dass keinerlei Bereitschaft zur Führung eines ergebnisoffenen Dialogs erkennbar ist. Eine Gewerkschaft, die (abgesehen von einigen Ausnahmen) unter Inkaufnahme schwerster sozialer Folgen seit Ausrufung der Pandemie auf eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen verzichtet und durch die Nichteröffnung eines Diskussionsraums zur Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltung beigetragen hat, spricht und handelt weder in meinem Namen noch im Namen ihrer eigenen Statuten.

Deshalb fordere ich den ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg auf, die o.g. Presseinformation als gewerkschaftsschädigend zu widerrufen.

Mit freundlichen Grüßen


Teil B

26. Januar 2022
Angehörige von Anti-Nazi-Widerstandsfamilie für “Spaziergänge”

In letzter Zeit erlebt Deutschland etwas sehr Hoffnungsvolles. Etwas, das Mut macht. Jede Woche gehen gut 300.000 Leute (etwa dreihundert Tausend Personen) auf die Straßen, um größtenteils friedlich, freundlich und grundrechtstreu f ü r demokratische Rechte auf zu treten. Für “Frieden Freiheit, Demokratie” . Gegen die Grundrechts-“Einschränkungen” der Regierenden. …

Leute, die in der damaligen DDR lebten (wie der heute israelische Journalist und Schriftsteller Chaim Noll) weisen immer wieder darauf hin, dass die gegenwärtig angebliche Anti-“Corona”-Politik deutscher Regierungen teils auffällig an die Unterdrückung der Bevölkerung in der einstigen DDR erinnert.

Umso erfreulicher, dass die friedlichen Massenproteste diesen Januar (und bald Februar?) 2022 in Hunderten deutscher Orte sich ähnlich friedlich zeigen wie die auch damals nicht “genehmigten” Demonstrationen in den letzten Monaten der DDR-Honecker-Regierung.

Demokratie lebt von Meinungsvielfalt. Gerade auch jetzt, Januar/Februar 2022. Mit ein Grund dafür, dass mehrere heutige Mitglieder von Familien, deren Angehörige teils währendder Nazi-Zeit Widerstand gegen das Hitler-Regime leisteten,, die “Spaziergänge” in Hunderten deutscher Orte, Januar 2022, sehr begrüßen.

Sie tun dies bewusst am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2022 – denn die Blutopfer des deutschen Widerstands sollen nicht umsonst gewesen sein, sondern auch heute einer freien Demokratie mit gesicherten Grundrechten dienen.

Die Unterzeichnenden dieser Erklärung:

Julian Aicher

(Sohn der “Die Weiße-Rose”-Verfasserin Inge Aicher-Scholl)

Christian von Lerchenfeld

(Verwandter Nachfahre von Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg, geborene von Lerchenfeld)

Weitere Mitglieder aus Verfolgten- und Widerstandsfamilien haben diese Erklärung ausdrücklich begrüßt, möchten aber aus Angst vor Repressalien nicht namentlich genannt werden.

Quelle: NachDenkSeiten


Ergänzung

Thomas Stimmel (Chefredakteur „Frische Sicht“): Seit Wochen kommen hunderttausende Menschen im gesamten deutschsprachigen Raum bei Spaziergängen zusammen, um gegen die aktuelle Corona-Politik und die damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen zu protestieren.

In den Leitmedien wird nach wie vor versucht, diesen aus der Mitte der Gesellschaft entstandenen Protest, in einen „rechten“ Kontext2 zu bringen.

Nun haben sich heute am 27.01.2022 – dem Gedenktag der Opfer der Nationalsozialismus – Angehörige von Anti-Nazi-Widerstandsfamilien mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt.

Ich habe mit Julian Aicher, einem der Initiatoren der Erklärung kurz über selbige Erklärung sprechen können. Hier finden Sie das Gespräch.