Foodwatch: Der Goldene Windbeutel 2017 gesucht

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ruft auch 2017 wieder zur Wahl „Der Goldene Windbeutel“ auf. Und fragt: „Welches Produkt hat den Goldenen Windbeutel, den Preis für die dreisteste Werbelüge des Jahres, am meisten verdient?

Darüber können Verbraucherinnen und Verbraucher auf www.goldener-windbeutel.de abstimmen. Fünf Kandidaten aus der Lebensmittelbranche hat foodwatch für den Negativpreis nominiert. Der Gewinner soll den „Goldenen Windbeutel“ Ende November am Firmensitz überreicht bekommen.

Foodwatch informiert:

„Werbelügen und Mogelprodukte verstecken sich überall im Supermarkt, Verbrauchertäuschung ist an der Tagesordnung – und nach wie vor ganz legal. Das möchte foodwatch ändern und will deshalb mit der Online-Wahl auf das Problem aufmerksam machen.“

Noch bis 26. November können Verbraucherinnen und Verbraucher auf www.goldener-windbeutel.de aus den fünf Kandidaten ihren Favoriten wählen. Dem Hersteller des Produkts mit den meisten Stimmen will foodwatch den Negativpreis am Firmensitz überreichen.

Siebte Wahl zum Goldenen Windbeutel

2017 vergibt foodwatch den Goldenen Windbeutel zum siebten Mal. Die erste Wahl fand 2009 statt. Bisherige Preisträger waren unter anderem der Trinkjoghurt Actimel von Danone (2009), die Milch-Schnitte von Ferrero (2011) und ein Instant-Tee für Kinder von Hipp (2012).

Die Bundesregierung hat zwar schon vor Jahren das Problem anerkannt, aber wirksame Regeln gegen Etikettenschwindel gibt es bis heute nicht. Die Lebensmittelindustrie kann weiter tricksen und täuschen. Die Wahl zum Goldenen Windbeutel ist daher wichtiger denn je.“

Sophie Unger
„Wahlleiterin“ beim Goldenen Windbeutel

Quelle: Foodwatch

Pressemitteilung: Jamaika-Gang räubert Patientenversorgung. Merkels nächster Putsch? Krankenhauskahlschlag

Das bundesdeutsche Gesundheitssystem galt einmal als vorbildlich in der Welt. Viele Länder beneideten uns darum. Seit vielen Jahren wurde und wird jedoch von den jeweils Regierenden daran gearbeitet das Gesundheitswesen immer mehr zu ökonomisieren. Was noch in der DDR galt und in der BRD viele Jahrzehnte ebenfalls keine große Rolle spielte: Gesundheit darf keine Ware sein,  gilt längst nicht mehr. Privatisierungen gingen mit der Ökonomisierung des Gesundheitswesens einher. Ebenso ein erheblicher Personalabbau. Alles im Sinne einer neoliberalen Politik. Die Verhehrungen im Gesundheitswesen nehmen zu. Vielleicht haben es noch nicht alle BürgerInnen bemerkt. Denn der Vorgang ist ein schleichender. Die Gelackmeierten und Leidtragenden sind die PatientInnen. Sie haben keine Lobby. Auch von einer womöglich ins Amt kommenden Jamaika-Koalition dürften die PatientInnen hierzulande nichts Gutes zu erwarten haben. Schon jetzt ist das Gesundheitssystem krank. Es wurde und wird wohl weiterhin mit voller (neoliberaler) Absicht krank gemacht. Gesundheit!, kann man uns allen da nur wünschen. So jedenfalls der Tenor der hier wiedergegebenen Pressemitteilung der „Autorengemeinschaft Krankenhaus“ des ACCADEMIA ED ISTITUTO PER LA RICERCA SOCIALE:

„Rechtzeitig zu den drohenden Verwüstungen in der deutschen Krankenhauslandschaft liefert die EU-Ebene Merkels Jamaika-Gang dafür die passenden Alibiargumente. Das Europäische Komitee für Normung (CEN) macht heftig Propaganda für eine europaweite Standardisierung ärztlicher und pflegerischer Dienstleistungen. Im so genannten Wahlkampf hat A. Merkel „mehr

Standard“ für Gesundheit und Pflege schon einmal angedroht.

Dies wäre dann die Vollendung der von Grünen und Sozis ab dem Jahre 2001 gemeinsam durchgepeitschten Standardfinanzierung der Krankenhausversorgung durch so genannte „Fallpauschalen“. Mit diesen haben der Zigarren-Sozialdemokrat G.Schröder und seine Chanel-Täschchen Gesundheitsgrüne A.Fischer den Krankenhaussektor für Finanzinvestoren und Profitproduktion geöffnet.

Noch während des 3. Regimes Merkel, also der bisherigen GroKo, haben dann die Kassenkonzerne ihre Dauerhetze gegen die Krankenhäuser (und damit deren Patienten und Patientinnen) verschärft und vor allem eine dramatische Reduzierung der Krankenhausstandorte gefordert. Wie das Wahrheits-Flaggschiff „Süddeutsche Zeitung“ jüngst mitteilte, ist sich die marktradikale Jamaika-Gang über einen derartigen Krankenhaus-Kahlschlag einig.

Professorale Menschenfeinde“ haben bereits im Herbst 2016 das übliche korrumpierte Gutachten dafür zusammen geschrieben: Von 1900 Allgemeinkrankenhäusern

sollen 1600 Allgemeinkrankenhäuser verschwinden. In den übrig gebliebenen 300 Behandlungszentren wird es dann richtig eng werden. Die Jamaika-Gang will ja nach wie vor hunderttausende „Facharbeiter“ und „Kulturbereicherer“ nebst „Familiennachzug“ ins Land holen.

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Für die Rest-Deutschen stellt sich daher die Frage: „Was tun?“

Zunächst bedarf es einer breiten nationalen Gesundheitskampagne. Die muss vom Protest gegen die grassierende Schließung von Geburtshilfeabteilungen über eine Solidarisierung mit den in zahlreichen Krankenhäusern gegen Ausbeutung und Arbeitshetze streikenden Pflegekräften bis zur Verhinderung der angedrohten europaweiten Schema-F-Behandlung reichen. Und diese Kampagne muss sich für gesundheitlich extrem unterversorgte Gruppen wie bspw. die Lkw-Fernfahrer stark machen.

Auf die Wahrheits-Presse und auf das Zwangsgebühren-Fernsehen ist dabei nicht zu zählen. Es bleibt Aufgabe der Alternativ-Medien, den kommenden Merkel Krankenhaus-Putsch zu verbellen.

Und: Nicht-korrumpierte Wissenschaftler haben die Aufgabe, die Fehlentwicklung in der Gesundheitsversorgung in Deutschland vor allem seit den Grün-Rot-Regierungen, aber auch schon in der Kohl-Ära zu analysieren.

Lesen Sie dazu unsere beigefügte Untersuchung zur „Zentralisierung und Konzentration in der deutschen Krankenhauswirtschaft 1972 – 2001“.

ufficio DI corrispondenza PER germania:

D- 83250 Marquartstein a. chiemsee – staudacher Strasse 9b

Telefon: 0049-(0)8641 – 71 30 – Telefax: 0049-(0)8641 – 63 242

EMAIL: mail@accademiaistituto.com

Verantw. i.S.d. Pressegesetzes: Prof. (Gast) Albrecht Goeschel“

Beitragsbild: Claus-Dieter Stille

 

Konferenz in Leipzig: „Selbstbestimmt und solidarisch! Zu Migration, Entwicklung und ökologischer Krise“

Morgen beginnt in Leipzig eine interessante Konferenz, auf welcher wichtige Themen unserer Zeit beackert werden. Sie steht unter dem Motto „Selbstbestimmt und solidarisch! Zu Migration, Entwicklung und ökologischer Krise“. Die Konferenz vom 6. – 8. Oktober 2017 ist intitiert, geplant

Vor einiger Zeit war das Fluchtschiff im Dortmunder Hafen zu Besuch, um auf die Situation von Flüchtlingsfrauen aufmerksam zu machen. Foto: C.-D.Stille

und wird durchgeführt von Geflüchteten und Migranten zusammen mit Einheimischen. Bis zu 400 TeilnehmerInnen werden erwartet. Auch aus Afrika, Lateinamerika und Asien. Die Konferenz wird organisiert von einem basisdemokratischen Vorbereitungskreis mit AktivistInnen von afrique-europe-interact, corasol, glokal e.V. und dem Konzeptwerk Neue Ökonomie Kooperation mit Brot für die Welt. Das Programm als pdf (dreisprachig) finden Sie hier.

Wie degrowth.info auf seiner Website mitteilt, ist Konferenz voll. Weitere TeilnehmerInnen können deshalb leider nicht mehr angenommen werden. Auf der Konferenz, die im Westbad, einem umgebauten Schwimmbad, stattfindet (hier mehr), treffen sich Aktivisten Bewegungsfreiheit, welche sich mit Antirassismus, Landwirtschaft, Degrowth, Klimagerechtigkeit beschäftigen.

Die Veranstalter informieren:

„Was verbindet die Diskussionen über eine gerechte Gestaltung von Migration mit der Bewegung für eine ökologisch und sozial verträgliche Wirtschaftsweise? Wie hängen alternative Konzepte wie „Degrowth“ oder „Post-Development“ mit einer dekolonialen Perspektive auf Fluchtursachen zusammen?

Flüchtlingscamp in der Dortmunder Innenstadt 2015. Foto: Stille

Diese Konferenz will die Zusammenhänge zwischen Flucht und Migration, selbstbestimmter Entwicklung und ökologischen Krisen aufzeigen. Damit wollen wir auf den ersten Blick voneinander unabhängige Fragen verknüpfen und in einem größeren Zusammenhang stellen. Und wir wollen mit der Konferenz Brücken zwischen unterschiedlichen Bewegungen schlagen.“

Zu Awareness:

to be aware = sich bewusst sein, sich informieren, für gewisse Problematiken sensibilisiert sein

„Manche von Euch“, schreiben die Veranstalter dazu, „werden sich schon mit Awareness auseinandergesetzt haben, andere lesen vielleicht zum ersten Mal davon. Wir halten es für wichtig uns alle darüber Gedanken zu machen, weil wir mit Euch zusammen ein Konferenz gestalten wollen, auf der sich niemand unwohl fühlen sollte. Awareness ist nicht nur Aufgabe des Awareness-Teams, sondern aller Teilnehmenden.

Auf dieser Konferenz treffen sich Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen, gesellschaftlichen Positionierungen, vielfältigen Erfahrungen, Geschichten und Idealen. Das ist eine Vielfalt, die wir bereichernd finden. Damit sich dabei alle wohl und sicher fühlen, ist es wichtig, dass wir uns unserer eigenen Position bewusst und offen für die Positionen anderer sind. Dieses Bewusstmachen ist Teil unseres Awareness-Konzepts.

Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie und jegliche Form von Diskriminierung werden auf der Konferenz nicht gedultet. Deshalb bitten wir euch, achtsam und respektvoll miteinander umzugehen und offen für die Postionen anderer zu sein. Diskriminierungen und Grenzen verletzendes Verhalten werden klar als solche benannt, ebenso deutlich wird einem solchen Verhalten entschlossen entgegengetreten und Betroffene werden unterstützt.“ […]

Gastgeber Mark Brill (Bildung für Frieden e.V.) mit Peter Donatus (re.) Foto: Stille

Der Journalist Peter Donatus (Köln) gehört dem Organisationsteam (Presse u.a.) an. Er wird in Leipzig den Workshop Ökozid im Nigerdelta: Flucht und Migration als Folge westlicher Rohstoffpolitik (zum Thema hielt Donatus u.a. einen spannenden und hochinformativen Vortrag bei #Friedensfragen in Dortmund) leiten. Darüber hinaus wird er am Samstag (7.10.) das Große Podium am Samstag moderieren.

Eine Konferenz für alle will die Veranstaltung mit Podien, Workshops, Theater, Kultur, Open Space und ganz viel Freiraum in Leipzig sein. Und allen Beteiligten ein Höchstmaß an Austausch untereinander ermöglichen.

 

 

„Die Antisemitenmacher. Wie die neue Rechte Kritik an der Politik Israels verhindert“ – Ein ungemein wichtiges Buch von Abraham Melzer

Da funktioniert bei Vielen die Schere im Kopf. Da leuchten rote Warnlichter auf. Wer Kritik – sei diese auch noch so berechtigt, sachlich vorgebracht und fundiert – an der Politik der israelischen Regierung übt, gerät ziemlich sicher rubbeldiekatz in Teufels Küche. Das gilt besonders für Journalisten und Politiker. Wer sich diesbezüglich gewissermaßen vermault, bekommt auf den Hut. Und an diesem pappt – so schnell können die Betreffenden gar nicht gucken – die Bezeichnung „Antisemit“. Wer möchte schon mit Antisemitismus in Verbindung gebracht werden? Nicht wenige Persönlichkeiten mussten diese Erfahrung machen. So auch der Journalist und Verleger (der Freitag), Jakob Augstein. Er hatte gewagt in einem Text seiner „Spiegel Online“-Kolumne „Im Zweifel links“ zu äußern: „Gaza ist ein Ort aus der Endzeit des Menschlichen. 1,7 Millionen Menschen hausen da, zusammengepfercht auf 360 Quadratkilometern. Gaza ist ein Gefängnis. Ein Lager. Israel brütet sich dort seine eigenen Gegner aus.“ Das Simon-Wiesenthal-Zentrum (SWZ) merkte auf. Das SWZ veröffentlicht jährlich eine Liste mit „antisemitischen Verunglimpfungen“. 2012 landete Jakob Augstein in den Top Ten. Sicher unangenehm für Augstein. Der überstand den Anwurf jedoch tapfer. Die Antisemitismus-Vorwürfe – nach ihrer Kritik israelischer Politik – treffen aber auch viele Juden. Sogar in Israel selbst. Ihnen wird nicht selten von Antisemitenmachern an den Kopf geworfen, „Jüdische Selbsthasser“ oder „Jüdische Antisemiten“ zu sein (S. 65). So etwa Hajo Meyer, Noam Chomsky, Alfred Grosser und anderen.

Der Autor

Abraham Melzer ist in Israel aufgewachsen und lebt seit 1958 in Deutschland. Bis 2012 führte er den Joseph-Melzer-Verlag, den sein Vater gegründet hatte. Er verlegte zahlreiche Bücher sowie eine Zeitschrift. Selbst er als Jude musste und muss auch heute noch solche Anwürfe teils unflätigster Art über sich ergehen lassen. Alles, weil er es sich nicht nehmen lässt, seine kritische Meinung zu äußern. Zusammen mit dem Holocaust-Überlebenden Hajo Meyer, schreibt er, sei er „allen Ernstes in die Nähe von Adolf Hitler“ gerückt worden. Sogar ein Richter in Deutschland habe das „einem Hetzer und Verleumder wie Broder (Henryk M. Broder; d. C.S.) erlaubt“ […]. Und beklagt Melzer weiter, Charlotte Knobloch sei es möglich gewesen, zu behaupten, er „sei ein ‚berüchtigter Antisemit‘, ohne dass Presse und Öffentlichkeit dagegen protestieren“.

Der Antisemitismus nimmt weltweit ab

Abraham Melzer bleibt fest und hält mit Kritik, die er für unabdingbar nötig findet, auch weiter nicht hinterm Berge. Erst recht nicht in seinem Buch „Die Antisemitenmacher“. Wie die neue Rechte Kritik an der Politik Israels verhindert“. Melzer arbeitet klar und deutlich heraus, dass die mit dem „Antisemitismus“-Vorwurf belegte Kritik an der Politik Israels vielmehr ein „Antizionismus“ sei (Zionismus bestimmt die Ideologie des Staates Israel). Kritiker dieser Deutung wiederum (S. 85) behaupteten, das „sei ein ’neuer Antisemitismus‘, der sich angeblich im Gewand des Antizionismus und der Kritik an Israel einschleiche“. Melzer: „Auf die Idee, dass es tatsächlich nur ‚Antizionismus‘ sein könnte, wollten und wollen die Verteidiger der israelischen Politik nicht kommen.“ Wobei Abraham Melzer anmerkt, dass Antizionismus beileibe keine Judenfeindschaft sei. Allerdings – so beschreibt er auf Seite 82 „Warum Zionisten den Antisemitismus brauchen“ – ergänze der Zionismus den Antisemitismus vortrefflich, beide sind wir Ying und Yang“.

„Immer“, so hebt der Autor auf Seite 85 oben an, „wenn Israels Propaganda-Ministerium nicht mehr weiß, wie es der zunehmenden Kritik an der israelischen Politik begegnen soll, holt man den Mythos von der ‚Globalisierung des Antisemitismus‘ aus der Mottenkisten und beklagt das Märchen von der ‚Delegitimierung Israels’“.

So warne auch „der Zentralrat der Juden in Deutschland, als einer der aktivsten Propaganda-Außenposten, vor einem neuen, sich ‚weltweit ausbreitenden Antisemitismus‘.“

Dabei deuteten „alle Statistiken, die in den letzten Jahren von wissenschaftlichen Institutionen erstellt worden sind, auf das Gegenteil hin – dass nämlich der Antisemitismus weltweit abgenommen hat und weiter abnimmt“.

Natürlich bestreitet Melzer betreffs Deutschlands nicht, dass es hier einen latenten Antisemitismus von um 20 Prozent gibt. Oft jedoch sei jedoch, das, was auch darunter verbucht werde – etwa durch entsprechendes Auftreten von Migranten aus dem arabischen Raum beim Demos – Wut über die Untaten Israels an Palästinensern.

Es wird eine falsche Debatte geführt

Wir führten, meint Abraham Melzer, „seit Jahren eine falsche Debatte, nämlich über Antisemitismus, statt über die völkerrechtswidrigen Teile der Politik Israels, weil unsere Politiker und unsere Intellektuellen und weite Teile der Presse Angst haben, die Dinge beim Namen zu nennen“.

Damit liegt Melzer goldrichtig.

Israel verstößt von Staatsgründung an dagegen: „Tue Deinem Nachbarn nicht an, was Du nicht willst, dass man es Dir antut!“

Immer wieder erinnert der Autor an das Diktum des jüdischen Rabbi Hille „Tue Deinem Nachbarn nicht an, was Du nicht willst, dass man es Dir antut!“.

Leider, klagt Melzer an, halte sich der Staat Israel von Anbeginn seines Bestehens nicht daran. Schließlich ignoriere Israel bis heute, dass seiner Ansiedlung willen dem palästinensischem Volk mit der Vertreibung von 800 000 Menschen und der Enteignung von Land großes Unrecht angetan wurde. Und mit dem Siedlerkolonialismus auch weiter angetan wird. Schuldgefühlen deswegen empfände man nicht. Für die Palästinenser ist es die große Katastrophe, Nakba, genannt.

Dabei blendet der Autor nicht den von Nazideutschland verursachten Holocaust aus, der der Ansiedlung der Juden in Palästina vorausgegangen war. Die Ansiedlung habe jedoch ebenfalls mit dem schlechten Gewissen der westlichen Welt zu tun, in Kenntnis, dass sie das Unrecht, dass die Nazis den Juden antaten, nicht verhindert hatten.

Die zionistischen Juden hätten dann daraus den jüdischen Staat Israel gemacht. Auf Kosten der ursprünglichen palästinensischen Bevölkerung.

Abraham Melzer: Das demokratische Israel schafft sich ab

Unter der Politik der rechten Regierung von Benjamin Netanjahu habe Israel ein „Nationalismus, der immer gefährlicher wird“ entwickelt (S. 106 oben). Damit einher gehe ein „religiöser Fundamentalismus, der noch gefährlicher ist, weil er ähnliche Züge annimmt wie der fundamentalistische Islam in manchen arabischen Staaten“. Den Zionismus sieht Melzer in einer Wende begriffen. Ihm könne ein ähnliches Schicksal beschieden sein, wie dem Kommunismus. Die größte Bedrohung für den Staat Israel sieht der Autor nicht in den von ihm selbst immer wieder benannten Feinden, sondern vielmehr im Innern. Im nächsten Kapitel spricht Abraham Melzer eine deutlichere Sprache: „Die einzige Demokratie im Nahen Osten schafft sich ab“. Die Demokratie werde nämlich immer weiter beschädigt, um bestimmte Dinge im Sinne zionistischer Vorstellungen hinzubiegen. Auf Seite 109 schreibt der Autor: „Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Spießgesellen verwandeln Israel in ein autoritäres Regime, das man kaum noch als Demokratie bezeichnen kann.“ Schlimmer noch: Das Land verwandele sich so wie es der orthodoxe Religionsphilosoph Jeshajahu Leibowitz vor 50 Jahren vorausgesehen habe (S. 110 unten): „in eine faschistische, national-religiöse Gesellschaft, die die, Palästinenser zwar als Hauptfeind ansieht, inzwischen aber auch schon längst jüdische Teile der Bevölkerung ins Visier genommen hat; Frauen, Schwule, Linke und bald jeden, der nicht ihrer Meinung ist.“

Melzer: Nicht in meinem Namen!

Nicht in meinem Namen, sagt Melzer zu einer bedingungs- und kritiklosen Unterstützung Israels durch die deutsche Politik und vornweg des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Medien.

In der Kampagne BDS (Sanktionen, Desinvestition und Boykott), welche den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will wie einst das Apartheid-Regime Südafrikas, vermag Abraham Melzer nichts Antisemitisches sehen. Man brauche ja nur Besetzung und Besiedlung palästinensischen Gebietes den Palästinensern volle Gleichberechtigung gewähren, und BDS löse sich in Wohlgefallen auf.

Störmanöver auf Druck

Hart ins Gericht geht Melzer auch mit Kirchenoberen und Vertretern von deutschen Kommunen, die öfters schon zugesagte Räumlichkeiten, wo Israelis und Palästinenser zu Veranstaltungen zusammenkommen wollen, wieder absagen. Auf Druck israelischer Persönlichkeiten, Einrichtungen und nicht zuletzt der israelischen Botschaft.

Antideutsche in einer Querfront mit rechten Zionisten aus Israel und rechten Nationalisten in Europa

Auch das mehr als fragwürdige Treiben der wirrköpfigen Antideutschen, die völlig unkritisch für Israel Partei ergreifen, wird beschrieben im Kapitel 17 „Die Antideutschen und die Querfront zur Neuen Rechten“ (S. 239). Da hat sich offenbar etwas ziemlich Unappetitliches zusammengefunden: „Rechte Zionisten aus Israel und rechte Nationalisten in Europa. Querfront eben.

Keine besondere Gefahr für Juden in Deutschland

Eine besondere Gefahr für Juden in Deutschland sieht Melzer nicht. In Berlin leben mittlerweile 30 000 Israelis. Viele von ihnen dürften der unsäglichen israelischen Politik wegen ihrem Land den Rücken gekehrt haben.

Anhänger der israelischen Politik driften immer mehr nach rechts

Melzer schließt sein Buch so: „Die Anhänger der israelischen Politik driften immer mehr nach rechts und machen das, was sie Kritikern der israelischen Politik vorwerfen: Nazivergleiche verwenden und in Gewaltfantasien schwelgen. Broder hat es vorgemacht und andere machen es ihm nach. Und wir sollten es ernst nehmen.“

Broder war übrigens einst ein Jugendfreund Melzers. Längst aber ist das Verbindende zwischen beiden durch die negative Entwicklung Broders entzweigegangen.

Kritik an der israelischen Politik – das will uns Melzers Buch sagen – darf nicht als Antisemitismus diffamiert werden. Das wollen israelischen Propagandisten und übereifrige Philosemiten implizieren, um Kritik an bitter Kritikwürdigem abzuwehren und die Kritiker diffamieren, mundtot zu machen.

Aber es bedarf Anstrengung und auch Mut, sich dagegen zu stemmen. Beides hat Melzer in ausgezeichneter Weise mit seinem Buch bewiesen. Melzer ist sich darin treu geblieben. Er gibt zu Bedenken (S. 89): „Die Verteidiger der israelischen Politik betreiben eine enorme Wortklauberei und legen jedes Wort auf die Waagschale, um Kritiker zu desavouieren.“ Dafür, dass dagegen Israel immer mit blütenweißer Weste dasteht, sorgt u.a. Hasbara. Es beschreibt laut Wikipedia ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung Israels, um international eine positive Berichterstattung über Israel und seine politischen Anliegen zu fördern. Und Hasbara-MitstreiterInnen – bezahlt, oder freiwillig und philosemitisch angetrieben – finden sich offenbar allerorten.

Abraham Melzer: Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz

Antisemiten sind Abraham Melzer egal. „Dass Antisemitismus in Deutschland keinen Platz mehr hat, wird schon in § unseres Grundgesetzes ausgedrückt“, hat er notiert“: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘ Damit sind alle Menschen gemeint, selbstverständlich auch Juden. […] Unser Grundgesetz garantiert uns, dass wir nicht diffamiert, beleidigt und ausgegrenzt werden dürfen.“

Dieses Buch ist ungemein wichtig

Ein ungemein wichtiges Buch. Mögen es Viele lesen, um zu verstehen. Melzer spricht aus, was endlich einmal ausgesprochen gehört. PolitikerInnen und JournalistInnen sei es unbedingt ans Herz gelegt. Gerade weil es wohltuend von einer gewissen sichtbaren oder unsichtbaren Grenzlinie bundesrepublikanischer Gepflogenheiten – die zu überschreiten einem ungeschriebenen Tabu unterliegt – abweicht. Weshalb das Buch vielleicht hier da totgeschwiegen oder samt seines Autors schlimm geschmäht werden wird. Es alles andere ein Buch für Antisemiten. Auch wenn dessen Inhalt womöglich Beifall von falscher Seite erhalten könnte. Wer dieses so wichtige Buch mit eingeschaltetem Hausverstand liest und den Inhalt etwas sacken lässt, wird es mit Gewinn tun. Andere werden es sich freilich mit Schaum vor dem Munde zu Gemüte führen und hernach als antisemitisch abstempeln und am liebsten auf den Index wünschen. Gehen wir den Antisemitenmachern nicht länger auf den Leim!

 

Abraham Melzer: Die Antisemitenmacher. Wie die neue Rechte Kritik an der Politik Israels verhindert

Seitenzahl: 288
Ausstattung: Klappenbroschur
Art.-Nr.: 9783864891830

18 Euro

Erschienen im Westend Verlag

4. Roma-Kultur-Festival vom 3. bis 9. Oktober in Dortmund

Nachdem das Roma-Kulturfestival „Djelem Djelem“ im Jahre erstmalig 2014 in Dortmund stattfand, beginnt in der kommenden Woche bereits „Djelem Djelem“ Nummer Vier. Es lädt abermals dazu ein, die Kultur der Roma kennenzulernen. Längst hat sich das „Djelem Djelem“ als feste Größe in der Festivallandschaft Dortmunds und über die Stadt hinaus etabliert. Vom 3. bis 9. Oktober finden Konzerte, Theater und Filme, Lesungen, ein Jugendkunstprojekt, eine Fachtagung sowie das große Familienfest an sieben verschiedenen Orten der Stadt Stadt – u.a. im Theater im Depot, im Domicil und im Dietrich-Keuning-Haus.

Die Balkan Brass Band war gut aufgelegt.

Die Schirmherrschaft des Festivals übernommen haben Dr. Joachim Stamp, stellvertretender Ministerpräsident des Landes NRW, und Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma. Beteiligt sind über 30 beteiligte Partner, die mit dem Festival ein deutliches Zeichen setzen gegen jahrhundertealte Vorurteile, gegen Antiziganismus und neu belebte Feindbilder. Es wirbt für ein unverkrampftes Miteinander und den kulturellen Austausch. Der Titel „Djelem Djelem“ bezieht sich auf ein Lied und ist die internationale Hymne der Roma.

Eröffnung am Mittwoch

Offizielle Eröffnung am Mittwoch, 4. Oktober, 18 Uhr im Theater im Depot (auch hier) steht unter dem Motto „Wie tickst du eigentlich? – Rhythmus und Heimat“. Zu sehen ist eine multimediale Performance mit Roma- und anderen Dortmunder Jugendlichen. Anschließend liest der junge und bereits preisgekrönte Autor Samuel Mago (Jahrgang 1996) aus seinen Texten und lädt zum Gespräch. Der Eintritt ist frei. Eine weitere kostenlose Lesung gibt es einen Tag später in der Auslandsgesellschaft NRW: Gianni Jovanovic liest aus Katja Behrens Roman „Nachts, wenn Schatten aus dunklen Ecken kommen“ über ein Roma-Leben zwischen Tradition und Aufbruch (5.10., 20 Uhr).

Familienfest

Beim großen Familienfest am 8. Oktober, 14 bis 18 Uhr sind besonders herzlich Menschen eingeladen, die neu in Dortmund angekommen sind. Im Dietrich-Keuning-Haus kommen neue und alte Dortmunder in Kontakt und feiern gemeinsam. Viele Beratungsstellen und Institutionen sind mit ihren Angeboten präsent, außerdem gibt es Musik, kulinarische Spezialitäten und viele Spiele für Kinder. Bereits um 13.30 Uhr startet am selben Tag ein Demonstrationszug für Vielfalt, Toleranz und Solidarität sowie gegen Antiziganismus am Nordmarkt. Gemeinsam zieht der bunte Zug bis zum Familienfest im DKH.

Djelem Djelem Blockparty“

Die „Djelem Djelem Blockparty“ versammelt am 6. Oktober ab 18 Uhr die HipHop-Szene im Dietrich-Keuning-Haus: Angesagt haben sich Gipsy Mafia, SBK Basement, IndiRekt, DJ Marshall Artz, Punkt und Komma und viele andere. Der Eintritt ist frei.

Normalität des Anderssein

Am gleichen Abend gibt es im Depot einen Theaterabend über die Normalität des Andersseins:

Der Roma-Aktivist Gianni Jovanovic bringt sein verrücktes Leben auf die Bühne – als schwuler, verheirateter Rom, der in jungen Jahren bereits Großvater ist („Rotationseuropäer – Intersektional und trotzdem sexy“ am 6.10., 20 Uhr, Theater im Depot, Eintritt frei).

Angebote für Schulsozialarbeiter

Während des Festivals können sich Schulsozialarbeiter zum Thema Antiziganismus qualifizieren (5.10., Theater im Depot), es gibt einen Tanzwettbewerb für Mädchen („Djelem Djelem Dance Contest“ am 7.10., 13 Uhr im Dietrich-Keuning-Haus), eine Film-Doku über die politische und

Begeisterte zum Abschluss des 2. Roma-Kulturfestival in Dortmund: Esma Redzepova, die Köinigin der Roma-Musik; Foto: Claus Stille

soziale Lage der Roma in Europa („The Awakening“ am 8.10., 19 Uhr im Kino sweetSixteen, Eintritt frei) und ein Symposium zum Thema „Roma in Europa – der Kampf für ein würdiges Leben“ (9.10, ab 9.30Uhr im Dortmunder U).

Eröffnungskonzert

Bereits am Vortag der offiziellen Eröffnung bringt die „Mahala Rai Banda“ in einem Konzert die einzigartige Musikkultur aus den Vororten von Bukarest auf die Bühne des Jazzclubs domicil (3.10., 19 Uhr, Eintritt 28 Euro). Zu hören sind Melodien und Grooves zwischen HipHop, Pop, Jazz und Gypsyfolk.

Die Veranstalter

„Djelem Djelem“ wird veranstaltet von: AWO Unterbezirk Dortmund, Kulturdezernat der Stadt Dortmund, Jugendamt Dortmund, Carmen e.V., Junge Roma Aktiv, Theater im Depot in Kooperation mit Kulturbüro Stadt Dortmund, der Auslandsgesellschaft NRW e.V., Planerladen e.V., Quartiersmanagement Nordstadt, Dietrich-Keuning-Haus, Jazzclub Domicil sowie zahlreichen weiteren Partnern und Förderern.

Nach den erfolgreichen letzten Jahren veranstaltet der AWO-Unterbezirk Dortmund gemeinsam mit dem Kulturdezernat der Stadt und vielen weiteren Partnern das Roma-Kulturfestival „Djelem Djelem“. Das Festival findet inzwischen zum vierten Mal vom 3. bis 9. Oktober statt. Standorte sind unter anderem das Depot und das Dietrich-Keuning-Haus in der Nordstadt.

Das Kulturfestival soll dabei helfen, Vorurteile abzubauen und für mehr Toleranz zu werben

Viele Roma leben insbesondere in der Dortmunder Nordstadt unter sehr schlechten Bedingungen, die Häuser in einem Viertel mit hoher Arbeitslosigkeit haben Sanierungsbedarf. Dadurch entstehen auch Vorurteile, die mit dem Festival abgebaut werden sollen.

In den vergangenen Jahren hat das Festival eine sehr positive Resonanz erhalte. Dadurch hoffen die Veranstalter, dass „Djelem Djelem“ in Zukunft auch bundesweit an Bedeutung gewinnt.

Konzerte, Feste und auch eine Fachtagung sind Teil des Programms von „Djelem Djelem“

Der Dortmunder Stadtdirektor Jörg Stüdemann tritt für würdevolle Behandlung der Zuwanderer ein.

Bereits am Vortag der offiziellen Eröffnung findet im Domicil ein Konzert der Mahala Rai Banda statt. Eine wilde Mischung aus modernen und traditionellen Klängen lädt zum Tanzen ein.

Nach der offiziellen Eröffnung im Theater im Depot, bei dem es eine Theateraufführung und eine Lesung gibt, geht es mit einer Fülle an Programmpunkten weiter.

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Programmpunkte

  • Dienstag, 3. Oktober, 19 Uhr, domicil: Konzert Mahala Rai Banda
  • Mittwoch, 4. Oktober, 18 Uhr, Theater im Depot: Eröffnung „Djelem Djelem“ – Multimediale Theaterperformance und Lesung
  • Donnerstag, 5. Oktober, 9 bis 15:30 Uhr, Theater im Depot: Qualifizierung zum Thema „Antiziganismus“ für SchulsozialarbeiterInnen
  • Donnerstag, 5. Oktober, 19:30 Uhr, Dietrich-Keuning-Haus: Come Together im Roma Kids Club
  • Donnerstag, 5. Oktober, 20 Uhr, Auslandgesellschaft NRW: Lesung und Gespräch mit Gianni Jovanovic
  • Freitag, 6. Oktober, 18 Uhr, Dietrich-Keuning-Haus: Djelem Djelem Blockparty
  • Freitag, 6. Oktober, 20 Uhr, Theater im Depot: Theaterabend – Rotationseuropäer – Intersektional und trotzdem sexy
  • Samstag, 7. Oktober, 13 bis 18 Uhr, Dietrich-Keuning-Haus: Djelem Djelem Dance Contest – Tanzwettbewerb für Mädchen
  • Sonntag, 8. Oktober, 13:30 Uhr, vom Nordmarkt bis zum Dietrich-Keuning-Haus: Demonstrationszug für Vielfalt, Toleranz und Solidarität sowie gegen Antiziganismus
  • Sonntag, 8. Oktober, 14 bis 18 Uhr, Dietrich-Keuning-Haus: Familienfest
  • Sonntag, 8. Oktober, 19 Uhr, sweetSixteen Kino im Depot: The Awakening von Kenan Emini
  • Montag, 9. Oktober, 9:30 bis 18 Uhr, Dortmunder U: Symposium „Roma in Europa – der Kampf für ein würdiges Leben“

Einer der Höhepunkte von „Schubladen“ im Theater im Depot. Fotos: Claus-D. Stille

Frühere Berichte über die vorangegangenen Roma-Kultur-Festivals in Dortmund hier, hier, hier hier und hier.