Gemeinsame Erklärung zum Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz in China

Diese Erklärung von Hajo Funke, Harald Kujat, Peter Brandt und Michael von der Schulenburg veröffentliche ich deshalb, weil die Medien in Deutschland einen großen Bogen um Hinweise darauf machen, dass Frieden unteilbar ist und wir zur Lösung der vielen Kriege in der Welt – angefangen mit dem Ukrainekrieg – eine internationale Zusammenarbeit brauchen – eben auch mit China. 

Die gemeinsame Erklärung zum Besuch von Bundeskanzler Scholz in China

Wir begrüßen den Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz in Begleitung einer starken Wirtschaftsdelegation in China. Wir hoffen, dass dieser Besuch nicht nur zu einer Vertiefung unserer für Deutschland so wichtigen Wirtschaftsbeziehungen beiträgt, sondern auch zur Völkerverständigung. In dieser Zeit höchster internationaler Unsicherheiten und geopolitischer Spannungen und Umwälzungen ist ein solcher Dialog der einzige richtige Weg.

So hoffen wir aus tiefer Sorge um die Menschen in der Ukraine und um den Frieden in Europa, dass bei diesem Besuch in der Volksrepublik China auch die Friedensbemühungen Chinas und ihres Sondergesandten Li Hui zur Beendigung des Ukrainekrieges zur Sprache kommen und der Bundeskanzler diese Bemühungen offen begrüßt und unterstützt. Es gibt zurzeit keinen anderen erfolgversprechenden Vermittlungsversuch zwischen der Ukraine und Russland. Wir dürfen die sich hier bietende Möglichkeit, diesen grausamen Krieg zu beenden, nicht wieder ungenutzt verstreichen lassen!

Eine Verlängerung des Krieges wäre sinnlos und unverantwortlich. Der Krieg kann von der Ukraine auch mit mehr Waffen nicht mehr gewonnen werden und so würde er nur zu unermesslich mehr menschlichem Leiden und Zerstörungen des Landes führen. Das einflussreiche amerikanische Quincy Institute for Responsible Statecraft warnte kürzlich sogar, dass nur noch sofortige Verhandlungen einen totalen Zusammenbruch der Ukraine verhindern könnten. Dazu dürfen wir es nicht kommen lassen. Die Lage ist also ernst und braucht mutige Entscheidungen.

Die Menschen in der Ukraine sehnen sich nach Frieden. Von Umfragen wissen wir, dass eine große Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung eine diplomatische Lösung verlangt. Auch in Deutschland gibt es eine wachsende Mehrheit, die sich für Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen ausspricht. In dieser Situation müssen wir Frieden dem Krieg vorziehen.

Die deutsche Regierung ist in der Verpflichtung, dem Frieden eine Chance und dem ukrainischen Volk positive Zukunftsaussichten zu geben! Der Besuch des Bundeskanzlers in China könnte so ein entscheidendes Signal setzen, durch internationale Zusammenarbeit eine friedliche Lösung zu finden. Das könnte dann auch ein Signal für die vielen ungelösten anderen Kriege in der Welt werden.

Berlin, 11. April 2024

Beitragsfoto: C. Stille

„Selbstvernichtung oder Gemeinsame Sicherheit“ Michael Müller – Peter Brandt – Reiner Braun. Rezension

Sind wir eigentlich noch zu retten? Am 24. Februar des Jahres ließ Russlands Präsident Putin Truppen in die Ukraine einmarschieren. Seither tönen unsere Politik und die Medien, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen, Russland müsse ruiniert werden (Außenministerin Baerbock) und den Krieg verlieren. Nun sind sogar Töne zu hören, wonach Russland dekolonisiert werden soll. In seiner Rede kürzlich vor der UNO warf der russische Außenminister Sergej Lawrow dem kollektiven Westen vor, die Welt spalten und sein Land zerstören zu wollen: „Es ist ihnen nicht mal mehr peinlich, offen zu erklären, dass es nicht nur die Absicht gibt, unserem Land eine militärische Niederlage zuzufügen, sondern Russland zu zerstören, zu zerstückeln.“ Solche Gedanken sind in den USA in der Tat nicht neu. Soll die Ukraine von den USA nun auch noch Langstreckenraketen erhalten? Die wären – womöglich mit Atomsprengköpfen bestückt – in wenigen Minuten in Moskau.

Das russische Außenministerium erklärte am vergangenen Donnerstag, dass die Vereinigten Staaten eine „rote Linie“ überschreiten und zur „Konfliktpartei“ würde, wenn es Kiew Langstreckenraketen liefern würde.

Niemand redet vom Frieden

Ja, ist man denn völlig verrückt geworden? Roger Köppel, Chefredaktor und Verleger des Wochenmagazins Die Weltwoche und Schweizer Nationrat fragte sich das kürzlich in einer seiner u.a. auf Facebook veröffentlichten Weltwochedaily-Sendungen. Es ging um Joe Bidens UNO-Rede und die Kriegstreiberei des Westens in der Ukraine. Köppel kritisierte – m.E. zu Recht – dass man inzwischen kaum noch „richtige Journalisten“ habe. Es herrsche ein Haltungsjournalismus, der auf US-amerikanischen Seite stehe. Russland sei böse, Putin ein neuer Hitler. Der vernichtet gehöre. Niemand mache sich die Mühe, auch einmal durch die russische Brille zu schauen. Um zu sehen, dass der jetzige Krieg eine achtjährige Vorgeschichte habe. Und weiter fragte Köppel: Niemand – weder in Deutschland noch in der Schweiz rede vom Frieden. Der Westen eskaliere stattdessen immer mehr. Die Medien vorne dran. Möglicherweise treibe man es soweit, dass wir in einem nukelaren Inferno landen. Da ist Roger Köppel zuzustimmen, an dem ich früher bezüglich anderer Themen viel zu kritisieren hatte. Hier aber ist er eine Stimme der Vernunft. Und diesbezüglich und darin ist er wohl ein „richtiger Journalist“. Allein auf weiter Flur, wie es den Anschein hat.

Michael Müller, Peter Brandt und Reiner Braun reden schon vom Frieden

Wenn Politik und Medien schon nicht vom Frieden reden, müssen es eben andere tun. Michael Müller, Peter Brandt und Reiner Braun tun es in ihrem neuen Buch „Selbstvernichtung oder Gemeinsame Sicherheit – Unser Jahrzehnt der Extreme: Ukraine-Krieg und Klimakrise“. Das kann nicht hoch genug geschätzt werden.

Kritiker werden das abtun und sagen: Das sind doch die üblichern Verdächtigen! Was nützen deren Schriften schon? Mag sein. Dennoch sollten wir hoch froh darüber sein in Zeiten eines gleichklingenden Haltungsjournalismus solche Stimmen wahrnehmen zu können. Dass solche Stimmen überhaupt noch in unserer Mitte zu finden sind.

Doch werden sie auch entsprechend gehört, treffen ihre Gedanken auf Resonanz? Zu wünschen wäre es. Denn es pressiert: Haben wir es nicht längst weit nach Zwölf!

Zum Antikriegstag am 1. September hat die Friedensnobelpreisträger-Organisation IPPNW gefordert, den Ukrainekrieg durch Diplomatie zu beenden. Dieser Forderung schließen sich Michael Müller, Peter Brandt und Reiner Braun in ihrem neuen Buch an.

Danach indes – seien wir ehrlich – sieht es momentan ganz und gar nicht aus.

Vorangestellt ist dem Buch ein Zitat des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt:

>>Es gilt sich gegen den Strom zu stellen, wenn dieser sich wieder einmal ein falsches Bett zu graben versuchte>>

Krieg in der Ukraine – Aufriss und Einordnung

Zunächst wird der Krieg in der Ukraine in einem Aufriss eingeordnet. Und er wird selbstverständlich zutreffend als völkerrechtswidrig bezeichnet. Dankenwerterweise richten die Autoren unsere Aufmerksamkeit auf die Vorgeschichte dieses Krieges. Und gehen dabei bis zum völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien zurück und speziell auf die Vorgänge im Kosovo bis hin zu dessen Ablösung von Jugoslawien ein. Worüber es im Gegensatz zur Krim kein Referendum gegeben hat.

Die Geschehnisse in der Ukraine 2014

Leider lesen wir eingangs bei den Autoren zu wenig über die Geschehnisse 2014 auf dem Kiewer Maidan. Beziehungsweise vermisse ich eine umfangreichere Einordnung der Geschehnisse, die ja bekanntlich im blutigen Maidan-Putsch gipfelten. Welcher einen Regierungswechsel in Kiew nach sich zog, der gegen die ukrainische Verfassung verstieß.

Es wurde von der neuen Regierung in Kiew versucht die russische Sprache zu verbieten. Des Weiteren bestand die Gefahr – die Russland flugs erkannte – dass die NATO mit Kriegsschiffen bald auf der Krim auftauchen würde, wo ja die Schwarzmeerflotte der russischen Marine liegt.

Die mehrheitlich russische Bevölkerung in der Ostukraine wie auch die der Krim protestierte.

Auf der Krim entschied man sich ein Referendum zu veranstalten, um die Bürger zu befragen, ob sie einen Beitritt zur Russischen Föderation befürworten.

Referendum auf der Krim

Wir lesen etwas einseitig etwas fragwürdig (S.11): „Bewaffnete Kräfte besetzten das Regionalparlament und drückten ein Referendum durch, bei dem sich 96 Prozent der Bevölkerung der Krim für einen Beitritt zur Russischen Föderation aussprachen, die dann am 21.03.2014 erfolgte.“

Den wenig informierten Lesern muss sich der Eindruck vermitteln, das Referendum wurde quasi erzwungen. Die herrschende westliche Sicht.

In diesen Tagen damals fiel kein einziger Schuss.

Bereits 1992, nur ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine, sollte es ein Referendum zu der Frage geben, ob die Krim zur Ukraine oder zu Russland gehören wollte. Damals verhinderte die Zentralregierung in Kiew die von pro-russischen Kräften angestrebte Abstimmung. Im Gegenzug richtete sie auf der Krim eine Autonome Republik mit weitreichenden Selbstbestimmungsrechten ein. Vermutlich wäre es auch damals schon kaum anders ausgefallen wie später im Jahre 2014.

Annexion oder Sezession?

Dass die Autoren des Buches hier auch – dem westlichen Narrativ gehorchend – wieder von „der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim“ schreiben – nun ja.

Ich merke an dieser Stelle an: Der Jurist „Reinhard Merkel warnt dementsprechend vor dem inflationären, leichtfertigen Gebrauch des Begriffs „Annexion“ und er kommt zu dem Ergebnis: „Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: eine Sezession.“

Quelle: PoliTeknik; Ausgabe 23; „War die Krim-Separation von 2014 eine Annexion? – Dr. jur. Wolfgang Bittner. Anbei noch ein Interview, welches der Journalist Ulrich Heyden mit Reinhard Merkel führte.

Nebenbei bemerkt wird nun gerade wieder – wo in Donezk und Luhansk Referenden abgehalten werden, ob die Menschen dort ein Beitrifft zur Russischen Föderation wünschen – bereits in unsere Presse vorverurteilend von „Scheinreferenden“ geschrieben.

Dann schreibt man weiter im Buch: „In den beiden östlichen Oblasten der Ukraine Donezk und Luhansk nahm die Gewalt zu, es begannen bewaffnete Konflikte.“

Dass die Kiewer Regierung Panzer gegen die Menschen dort auffahren und scharf auf sie schießen ließ, scheint nicht auf. Acht Jahre lang und heute weiter müssen die Menschen in der Ostukraine das ertragen. Mehr als 14 000 Tote und viele Verletzte, darunter Kinder forderte die Angriffe Kiewes auf die ukrainischen Bürger in der Ostukraine.

Die Ukraine ist lange im Visier der USA

Dass es bei einem Weiter-so des Westens zu einer Eskalation in der Ukraine kommen könnte, darauf wiesen einige Politiker schon vor Jahren hin.

Im vorliegenden Buch wird aus einem Beitrag des Ex-US-Außenministers Henry Kissinger aus der Washington Post zitiert:

>>Viel zu oft wurde die ukrainische Frage als Showdown dargestellt, ob sich die Ukraine dem Osten oder dem Westen anschließt. Doch wenn die Ukraine überleben und gedeihen soll, darf sie nicht der Vorposten der einen Seite gegen die andere sein – sie sollte als Brücke zwischen beiden Seiten fungieren.>>

Und weiter:

<<Der Westen muss verstehen, dass die Ukraine für Russland niemals nur ein fremdes Land sein kann. Die russische Geschichte begann in der sogenannten Kiewer Rus. Von dort aus begann die russische Religion und die Geschichte der beiden Länder war schon voher miteinander verflochten.>>

Hätte sich der Westen solcher warnender Stimmen angenommen und anders gehandelt – diesen Krieg fände heute nicht statt.

Doch der Westen ist darüber hinweggangen. Heute steht die NATO quasi an der russischen Grenze.

Im Fokus der USA ist die Ukraine schon lange. Das sagte und schrieb Zbigniew Brzezinski, der ehemalige Sicherheisberater des US-Präsidenten Jimmy Carter. Jeder konnte es wissen.

Im Jahr 1997 veröffentlichte er das Buch „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ („The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives“. Brzezinski: „„Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr.“

Dass nun die USA mit Hilfe von Großbritannien versucht wird – koste es so viele Ukrainerinnen und Ukrainer und Zerstörung wie es wolle – den russischen Bären zu erlegen, erscheint aus dieser Denke heraus nur allzu verständlich. Dazu passt die schreckliche Idee Russland zu zerstückeln und einen Regime Change herbeizuführen. Um sich dann der Volksrepublik China zuzuwenden. Wie zu vermuten steht. Man hat diesen Plan nie aufgegeben. Doch wie mahnte Roger Köppel in seiner Sendung sinngemäß: Wie lange will denn der Westen dem russischen Bären noch in die Seite und in die Augen stechen? Weiß man da, was man tut?

Um ein friedliches Einvernehmen mit dem Westen zeigte sich Wladimir Putin einige Male bemüht – bis zuletzt 2021

Das Buch klammert nicht aus, bzw. ruft zurück in unsere Erinnerung, dass es durchaus nicht an Wladimir Putins Versuchen gefehlt zu ein Einvernehmen mit dem Westen beizutragen. Wir erinnern uns an die auf Deutsch gehaltene Rede Putins im Deutschen Bundestag: Stehende Ovationen. Schon wenige Jahre später, 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz sah sich derselbe Putin veranlasst den Westen, die NATO zu ermahnen in seiner Umzingelung Russland so nicht weiter zu verfahren, weil sich Russland in seiner Sicherheit bedroht sah.

Und noch Ende 2021 unternahm Putin einen Versuch sich mit US-Präsident ins Benehmen zu setzen, um eine Eskalation in der Ukraine zu vermeiden. Vergebens …

Als Appell an die Staatenlenkter, aber auch uns alle, kann der Text auf der Rückseite des Buches verstanden werden:

„Statt einer Militarisierung der Welt brauchen wir eine europäische Initiative für Frieden! In Zeiten des Krieges, atomarer und konventioneller Hochrüstung, der Klimakrise und zunehmender Knappheit von Ressourcen, wenn soziale Verteilungskämpfe härter werden und nicht klar ist, wie die Welt morgen aussehen wird, ist Gemeinsame Sicherheit das Gebot der Vernunft. Putins Krieg gegen die Ukraine ist ein Schlag ins Gesicht der selbstgerechten westlichen Welt. Der Krieg ist nicht zu rechtfertigen, aber er hat eine Vorgeschichte, die nicht so einfach ist, wie sie in der öffentlichen Schwarz-Weiß-Debatte dargestellt wird. Ein regionaler Konflikt hat eine geostrategische Bedeutung erlangt, weil nicht die Sprache der Vernunft und Diplomatie gesprochen wird, sondern die des Militärs. Wir brauchen mehr denn je ein starkes und effizientes multilaterales System für Frieden und Abrüstung, so die Autoren. Die europäische Selbstbehauptung verlangt Gemeinsame Sicherheit, die auch entscheidende Weichen für die künftige Weltordnung stellt und nicht zuletzt zur Überlebensfrage in der globalen Klimakrise wird. Eine solche europäische Friedensordnung kann zum Vorbild für eine nachhaltige und gemeinsame Zukunft auch in anderen Teilen der Welt werden.“

Mit interessanten und des Nachdenkens werten Beiträgen außerdem von Bascha Mika, Wolfgang Merkel, Luca Samlidis, Michael Brie, Wolfgang Biermann, Myriam Rapior, Andrea Ypsilanti, Jörg Sommer, Olaf Zimmermann u.v.a.

Und ja, auch das stimmt: Wer von uns schon länger auf dieser Welt weilt, hat dergleichen Appelle schon oft gelesen und in Sonntagsreden gehört. Und bewirkten sie etwas? Jein, könnte man antworten.

Aber doch viel zu wenig! Waren wir nicht schon einmal weiter? Im Jahre 1990 boten sich Chancen auf einen haltenden internationalen Frieden. Sie wurden nicht wahrgenommen. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf. Was haben wir aus den großen Fehlern der Menschheit überhaupt gelernt? Mir scheint: Entschieden zu wenig!

Dies fällt einen in diesen Tagen bitter auf. Man möchte beinahe täglich in die Tischkante beißen.

Aber aufgeben, weil alles schon einmal gesagt und gefordert worden ist? Nein!

Ach, gäbe man uns doch Politikerinnen und Politiker, die selbst nachdächten und sich in der Geschichte auskennten. Indes: Wir haben sie nicht!

Ich empfehle dieses Buch unbedingt. Ein weiterer Versuch zwar in einer langen Reihe von Versuchen, die Welt zu einer sicheren, besseren zu machen. Doch nichts macht sich von alleine. Mittun müssen viele. Welche Alternative gebe es dazu?

Foto: Claus Stille

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Anbei empfohlen: Weil der Untertitel des Buches „Unser Jahrzehnt der Extreme: Ukraine-Krieg und Klimakrise“ lautet, empfehle ich „Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts“ von Eric Hobsbawm zu lesen. Hobsbawm galt als der bedeutendste Historiker unserer Zeit.

Im einem Stern-Interview, veröffentlich am 13.05.2009 mit Arno Luik sagte der marxistisch orientierte Hobsbawm die Zukunft betreffend u.a.:

Alles ist möglich. Inflation, Deflation, Hyperinflation. Wie reagieren die Menschen, wenn alle Sicherheiten verschwinden, sie aus ihrem Leben hinausgeworfen, ihre Lebensentwürfe brutal zerstört werden? Meine geschichtliche Erfahrung sagt mir, dass wir uns – ich kann das nicht ausschließen – auf eine Tragödie zubewegen. Es wird Blut fließen, mehr als das, viel Blut, das Leid der Menschen wird zunehmen, auch die Zahl der Flüchtlinge. Und noch etwas möchte ich nicht ausschließen: einen Krieg, der dann zum Weltkrieg werden würde – zwischen den USA und China.

Und kann uns Hoffnung geben, was er noch sagte:

Der Mensch hat die Anlagen zum Guten wie zum Schlechten – und wie er sich benimmt, das kann man wohl ändern! Dass unsere Welt, immer noch oder endlich mal Heimat für alle werden kann – das ist doch ein schönes Ziel!

Die Autoren:

Michael Müller, geb. 1948, ist Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschland. Er war von 1983 bis 2009 Mitglied des Bundestages, in der Zeit umweltpolitischer Sprecher, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium.

Peter Brandt, geb. 1948, ist Publizist, Historiker und Professor im Ruhestand für Neuere und Neueste Geschichte an der Fernuniversität Hagen. Er gehört der Initiative „Entspannung Jetzt!“ an und ist Mitautor von „Gemeinsame Sicherheit 2022“.

Reiner Braun, geb. 1952, war Geschäftsführer unterschiedlicher nationaler und internationaler Friedensorganisationen. Zurzeit ist er Executive Director des Internationalen Friedensbüros (IPB), stellvertretender Vorsitzender der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative sowie Mitglied des Kooperationsrates der „Kooperation für den Frieden“.

Aus dem Buch:

Die Pandemie, der Krieg und die Klimakrise sind Brandbeschleuniger in Hinsicht auf die Unsicherheit, Spaltung und Ungleichheit der Welt. Die dabei heraufziehende Inflation gefährdet den Wohlstand und wirkt sich auf Heizung und Nahrungsmittel aus. Obwohl die Menschheit mehr denn je eine „Weltinnenpolitik“ braucht, um zu einer sozialen und ökologischen Gestaltung der Transformation zu kommen, erleben wir eine tiefe Spaltung der Welt. Statt Gemeinsamkeit und Vertrauensbildung wächst die Konfrontation. Die Gefahr einer Selbstvernichtung unserer Zivilisation nimmt zu.

Die Autoren:

Michael Müller, geb. 1948, ist Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschland. Er war von 1983 bis 2009 Mitglied des Bundestages, in der Zeit umweltpolitischer Sprecher, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium.

Peter Brandt, geb. 1948, ist Publizist, Historiker und Professor im Ruhestand für Neuere und Neueste Geschichte an der Fernuniversität Hagen. Er gehört der Initiative „Entspannung Jetzt!“ an und ist Mitautor von „Gemeinsame Sicherheit 2022“.

Reiner Braun, geb. 1952, war Geschäftsführer unterschiedlicher nationaler und internationaler Friedensorganisationen. Zurzeit ist er Executive Director des Internationalen Friedensbüros (IPB), stellvertretender Vorsitzender der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative sowie Mitglied des Kooperationsrates der „Kooperation für den Frieden“.

Michael Müller, Peter Brandt, Reiner Braun

Selbstvernichtung oder Gemeinsame Sicherheit

Unser Jahrzehnt der Extreme: Ukraine-Krieg und Klimakrise

Erscheinungstermin: 26.09.2022
Seitenzahl: 144
Ausstattung: KlBr
Artikelnummer: 9783864893896

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Friedensperspektive statt Kriegsplanung – Tagung in Essen

Von links: Michael Müller, Peter Brandt, Bernhard Trautvetter und Andreas Zumach.

Die aktuellen Kriege, die Hochrüstung und Eskalationsgefahren waren Thema von Teilen der Friedensbewegung am vergangenen Sonnabend in Essen. Die Tagung stand unter dem Titel „Friedensperspektiven statt Kriegsplanung“ und fand in den Räumlichkeiten der Volkshochschule Essen sowie im DGB-Haus statt.

Der Hintergrund

Knapp zwei Wochen vor der Tagung hochrangiger NATO-Militärs und Politiker (JAPCC Conference 2019) unter Beteiligung von Militärstrategen und der Rüstungsindustrie in der Messe Essen informieren ExpertInnen der Friedensbewegung auf der Friedenstagung über den Zusammenhang von Aufrüstung und Kriegsgefahr sowie über Möglichkeiten der Abrüstung und der Entspannung. Auch neue Konfliktgefahren als Folge des Klimawandels und der Eskalationsstrategie sind Thema.

Mit Vorträgen, Diskussionen, Workshops berieten sich Friedensaktivisten, was sie gemeinsam mit Aktivisten aus der Klimaschutz- und anderen Bewegungen tun können, um gegen Kriegsursachen aktiv zu werden, bestehende Konflikte zu deeskalieren und um einen Ausstieg aus der Rüstungsspirale zu erreichen.

Die Aufklärung über die Propaganda der Militärs, deren Strategieentwicklung auf den Essener NATO-Konferenzen, die Gefahr eines nuklearen Infernos und über die Verantwortung und Möglichkeiten der Friedensbewegung ist Ausgangspunkt für die nächsten Aufgaben und Schritte der Kräfte des Frieden standen auf der Tagesordnung mehrerer Workshops.

Schirmherr der Tagung war Konstantin Wecker. Er sandte ein Grußwort an die zahlreich erschienenen Tagungsteilnehmer aus nah und fern.

Eröffnungsplenum mit zwei Gästen

Nach Begrüßung der

Von links: Reiner Braun und Kathrin Vogler.

Tagungsteilnehmer und einer Einleitung seitens Joachim Schramm (Geschäftsführer DFG-VK-NRW) startete das Eröffnungsplenum mit Kathrin Vogler (MdB DIE LINKE) und Reiner Braun (Co-Präsident International Peace Bureau). Das Thema: „70 Jahre Nato –

Kalter Krieg, Weltpolizeianspruch und Eskalationsgefahr“.

Reiner Braun: Nato ist seit Gründung Aggressionsbündnis

Reiner Braun unternahm einen historischen Rückblick auf die 1949 von 12 Ländern gegründete Nato (1950 kam Westdeutschland, die Alt-BRD hinzu), welchen er mit aktuellen Fragestellungen der Zeit verband. Heute sind 30 Länder Mitglied in der Nato. Der Counterpart, so Braun, die Sowjetunion, ist nicht mehr da. Doch die Nato habe sich dennoch gen Osten ausgeweitet. Heute sei die Nato kein Nordatlantisches Militärbündnis mehr, das vielleicht noch für Zeit bis 1990 gestimmt habe. Braun: „Die Nato ist das Militärbündnis dieser Welt zur Sicherung von Ressourcen und Profiten.“ Es sei u.a. selbst mit Kolumbien, einem Bürgerkriegsland verbunden, wo Nato-Übungen stattfänden. Selbst mit Brasilien, dem größten Land Lateinamerikas buhlten der Faschist ((Bolsanaro) und die Nato um eine Zusammenarbeit.

Der entscheidende Erweiterungshorizont sei Asien. Es ginge fraglos dabei um den zweiten Hauptfeind der Nato, China, das eingekreist werden solle.

Dies werfe die Frage auf: „Ist eigentlich dieses Bündnis immer noch, oder war es jemals ein Verteidigungsbündnis?“ Er würde gerne behaupten, so Braun, dass die Nato schon seit ihrer Existenz ein Aggressionsbündnis war. Es sei immer gegen die Ergebnislage des Zweiten Weltkriegs vorgegangen.

Von Anfang an habe die Nato dazu gedient, die Sowjetunion wieder zu einem Russland zurückzudrängen. Auch, indem man die Länder des Ostblocks zu „befreien“ vorgab. Die Nato habe aktiv daran gearbeitet das die Linksregierungen in Frankreich und Italien beendet wurden. Auch habe die Nato in den 1950er und 1960er Jahren eine aggressive Atomwaffenstrategie (mit dem Ziel eines Ersteinsatzes (!) von Atomwaffen) verfolgt. Eine Nato-Direktive habe sogar den Titel „Atombombenziel Sowjetunion“ getragen. Eingezeichnet gewesen seien da auf einer Karte die 200 größten Städte und Orte der UdSSR. Der Vorwurf seitens der Nato betreffs einer atomaren Vorrüstung der Sowjetunion sei stets eine Lüge gewesen. Immer habe Moskau auf westliche Vorrüstung reagiert und nachgerüstet.

Nach 1990, so Reiner Braun, habe die Nato sehr schnell darauf gesetzt, das Feinbild Russland wiederzubeleben. Braun: „Heute geht es der Nato eindeutig darum Russland einzuzirkeln und einzugrenzen und China einzuzirkeln und einzugrenzen.“ Es gehe um nichts anderes als um eine westliche Dominanz in einer veränderten Welt zu bewahren. Das sei gefährlich, da sie zu einer Eskalationsspirale führe, zu der auch ein faktisch vertragsloser Zustand zwischen den großen Mächten gehöre. Das berge eine große Kriegsgefahr – sogar Atomkriegsgefahr – in sich. Dringend nötig sei ein Zurück zu „einer kooperativen Sicherheit, zu einer Politik der gemeinsamen Sicherheit, zu Abrüstung.“

Kathrin Vogler: Vogler: Wer Frieden wolle, muss „diese aggressive Nato“ überwinden

Die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler erinnerte an einen Vorschlag des einstigen Nato-Generalsekretärs Manfred Wörner, der im Mai 1990 vom Aufbau einer neuen europäischen Sicherheitsstruktur, die die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Paktes umfassen sollte, gesprochen habe.

Damals sei auch Wörner davon ausgegangen, dass das (leider Gorbatschow nicht schriftlich) gegebene Versprechen, die Nato würde sich nicht über die damalige „kleine“ BRD hin gen Sowjetunion ausbreiten, gelte. Der Status quo sehe heute bekanntlich ganz anders aus: „Die anfängliche Euphorie verflog, der Drang nach Osten blieb.“

Vogler steht heute auf dem Standpunkt, dass eine angenommen statt gehabte Einbeziehung Russlands in die Nato nicht zu einer Entspannung beigetragen hätte. Zu sehr sei das westliche Interesse an einer Kontrolle Russlands (und seiner Bodenschätze). Auch wäre das heute eine „unheimliche Provokation“ des aufstrebenden Chinas. Vogler: Wer Frieden wolle, müsse „diese aggressive Nato“ überwinden. Andere internationale Institutionen müssten genutzt werden, um Sicherheit in Europa zu garantieren. Der Nato nämlich wohne von Grund auf eine strukturelle Gewalt in der Interpretation des Friedensforschers Johan Galtung inne. Des Weiteren würden Wirtschaft und Militär als zwei Seiten einer Medaille eingesetzt.

Reinhard Lauterbach: „Die Nato war von Anfang an ein Bündnis, das auf den Rollback ausgerichtet war“

Journalist Reinhard Lauterbach. Fotos: Stille

Sehr aufschlussreich an diesem Sonnabend war der Vortag zum Thema „Nato und Russland – Konfrontation oder Koexistenz“ des Journalisten Reinhard Lauterbach (junge Welt, Ex-ARD-Journalist), eines ausgewiesenen Osteuropa- und Russland-Kenners.

Lauterbach brachte eingangs seines hochinteressanten Referats einen Ausspruch des ersten Nato-Generalsekretärs Lord Hastings Ismay in Erinnerung wonach nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs danach zu streben sei, die Amerikaner drin, Deutschen niederzuhalten und die Russen draußen zu halten. Die Nato habe von vornherein eine Stoßrichtung gegen Russland verfolgt, sagte Lauterbach.

Mit der keineswegs realistischen Annahme, die Russen (mit Bezug auf vom Westen fehlinterpretierten Äußerungen von Stalins) wollten (nach Europa) hinein. Lauterbach: „Die Nato war von Anfang an ein Bündnis, das auf den Rollback ausgerichtet war.“

Dieser sei aber jedoch durch eine militärischen Aufholprozess der Sowjetunion etwa durch die waffentechnische Überlegenheit relativiert und besonders durch die Brechung es amerikanischen Atomwaffenmonopols 1949 erschwert worden.

Ab 1989 seien die Hoffnungen auf diesen Rollback wieder genährt worden. Und eine Ausweitung schon 1988 in den USA erwogen worden, bevor es den Machtwechsel in 1989 Polen hin zur Solidarnosc gegeben habe. Dadurch sei die DDR quasi zu „einem überreifen Apfel“ geworden. Die DDR sei dann schließlich meistbietend sozusagen an die BRD verschenkt worden.

Im Winter 1989/90 habe Helmut Kohl seinem „Strickjackenkumpel“ Michail Gorbatschow zugesichert, dass die Nato an die Sowjetunion hinan rücke. Gorbatschow habe damals allerdings nicht die Klugheit besessen, sich das schriftlich geben zu lassen. Kohl habe erwogen, Gorbatschow das schriftlich zu geben. Doch der damalige US-Präsident Bush der Ältere aber sei Kohl über den Mund gefahren und gesagt: Es könne doch wohl nicht sein, dass man der Sowjetunion erlaube im letzten Moment den Hals aus der Schlinge zu ziehen und ihre geostrategische Niederlage doch noch zu vermeiden.

Im Aufteilungskrieg Jugoslawiens habe sich die BRD insoweit eingemischt, indem sie Slowenien und Kroatien als selbstständige Staaten anerkannte. Sie habe diese Abspaltungen großzügig mit Militärgerät aus NVA-Beständen ausgestattet. Die Russen hätten dem hilflos zusehen müssen. Die Bombardierung Restjugoslawiens war der traurige Höhepunkt. Daraus u.a. resultiere eine Enttäuschung Moskaus, die bis heute fortdauere, meinte Lauterbach.

Aus diesen und andere Gründen hält Reinhard Lauterbach eine Annäherung Russlands an die Nato für äußerst unwahrscheinlich. Was ja ohnehin einen Teil der Gründungsintension der Nato (die Russen draußen zu halten) zuwiderlaufe. Auch dächte Moskau nicht daran sich den USA unterzuordnen.

Resultierend aus vielen Enttäuschungen, so Lauterbach, zeige Russland dem Westen (in Form von neuen Waffensystemen) inzwischen die Zähne, um den Westen vor unüberlegten Aktionen zu warnen.

Lauterbach ist sich sicher: die Nato ist derzeit von ihrer derzeitigen Konzeption nicht fähig mit Russland zu kooperieren. Die Nato ist und bleibe eben ein Konfrontationsbündnis.

Das Engagement der Nato in den baltischen Ländern nannte Reiner Lauterbach eine „ständige Provokation“. Ein Interesse Russlands auf das Baltikum zuzugreifen sieht der Journalist nicht.

Ein Kooperation zwischen der Nato und Russland sei an zwei Bedingungen geknüpft. Erstens käme da die hypothetische Annahme, dass deren Priorität Chinas gelte und Russland als den weniger gefährlichen Gegner einstufe, um Russland entgegenzukommen. Dies setze aber voraus, dass Russland in diese Falle hineintappe. Ein solches Szenerio sei zweitens unwahrscheinlich und langfristig nicht wirklich erfreulich. Eine alte Parole aus den 1980er gewönne wieder an Aktualität: „Kein Frieden mit der Nato“.

Andrej Hunko über die EU-Militarisierung und die Zurichtung der EU zu einem „imperialen Akteur“

Andrej Hunko (MdB DIE LINKE)

Andrej Hunko (MdB DIE LINKE) befasste sich mit dem Thema „EU-Militarisierung – Konkurrenz oder Partner der Nato?“

Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages sei zum ersten Mal in einigen Artikels dieses Vertrages, stieg Hunko in sein Referat ein, sozusagen die Perspektive einer EU-Militarisierung aufgemacht worden. Schließlich im September 2017 sei bereits im Lissabon-Vertrag erwähnte , kurz PESCO ((Permanent Structured Cooperation, deutsch: Ständige Strukturierte Zusammenarbeit) – heißt: bestimmte Staaten können ohne die anderen (vor allem auf den Militärbereich militärisch bezogen) voranschreitend zusammenarbeiten – aus der Taufe gehoben. Dazu gehöre auch die Entwicklung einer Euro-Kampfdrohne. Die Bundesregierung hat einen Leasingvertrag mit Israel zur Entwicklung einer Heron-Kampfdrohne geschlossen.

Hunko skandalisierte die kürzlich im Zusammenhang mit dem Drohnenangriff auf eine Ölanlage in Saudi Arabien die kürzlich von der Bundesregierung zusammen mit Großbritannien und Frankreich verkündete „uneingeschränkte Solidarität“ mit Saudi Arabien als „unfassbar“ und „erschreckend“. Vor allem deshalb, weil die Begründung (Iran sei für den Angriff verantwortlich) dafür „kein Bezirksgericht“ anerkennen würde.

Ein weiterer Skandal: Im EU-Haushalt sind Mittel vorgesehen, die für Militärisches eingesetzt werden sollen. Was eigentlich verboten ist, werde durch einen Trick gelöst: Dass 13 Milliarden Euro dort für einen sogenannten Verteidigungsfonds eingestellt sind, die unter „EU-Förderung“ (Industrieförderung) rubriziert sind. DIE LINKE findet das strittig und wird als Bundestagsfraktion, vertreten vom Völkerrechtler Andreas Fischer-Lescano, gegen diesen „Verteidigungsfonds“ klagen. Allerdings muss erst der EU-Haushalt beschlossen dann im Amtsblatt der EU veröffentlicht sein.

Andrej Hunko fürchtet, dass die EU immer mehr zu einem, wie er es nennt, zu einem „imperialen Akteur“, aufgebaut wird. Obwohl eine reale Bedrohung Europas etwa durch Russland oder den Iran nicht zu erkennen sei.

Warum „imperialer Akteur“? Hunko: Ein „imperialer Akteur“ unterwirft sich keinen internationalen Vereinbarungen (etwa dem Völkerrecht) – wie ja an der USA zu sehen sei. In allen Dokumenten der EU werde wohl Bezug auf die UNO genommen, dass aber die Formulierungen immer lauten: Man teile die Ziele oder den Geist der UNO usw.

Das sei selbst in der BRD zu konstatieren. Vor allem seitens von Außenminister Heiko Maas kaum vom Völkerrecht gesprochen werde, sondern stattdessen verwende man zunehmend einen Begriff, der sich „regelbasierte Ordnung“ nenne.

Auch gehe die ganze EU-Erweiterungspolitik Hand in Hand mit der Nato. Mal habe die EU die Nase, mal die Nato die Nase vorn.

Abschlussplenum

Der Journalist, UNO-Experte mit langjähriger Erfahrung, Andreas Zumach (Genf) nannte dort nannte fünf Herausforderungen: Das Ende des Kalten Krieges und der Blockaufteilung der Welt. Den sogenannten islamistischen Terrorismus und den darauffolgende global geführten sogenannten „Krieg gegen die Terrorismus“ unter Führung der USA mit all seinen schwerwiegenden Völkerrechtsbrüchen und innenpolitischen Verschärfungen. Den relativen Machtabstieg der USA, der seit dem Anfang der 1990er Jahre zu beobachten sei und sich seitdem beschleunigt hat. Und mit China der Aufstieg einer künftigen neuen Weltmacht. Und in diesem Zusammenhang die Forderungen politischer Parteien – außer der Linkspartei -, dass die EU nun auch ein globaler Player sein müsse. Wozu auch alle militärischen Instrumente gehören müssten. Dazu gehöre ein teilweises Konkurrenzverhalten zu den USA. Und die globale Erwärmung. Das schaffe neue Aufgaben für die Friedensbewegung.

Zumach warnte allerdings vor dem nicht selten gebrauchten (Ohnmachts-)Begriff der „neuen Unübersichtlichkeit“ – was ja wohl heißen solle: Man kann nichts mehr machen. Was nicht stimme. Denn alles könne durchaus klar benannt mit entwickelten Antworten bearbeitet werden.

Neue Abrüstungskonferenzen sollten seiner Meinung unter dem Dach der UNO in Genf ausgehandelt werden. Darauf müsse die Friedensbewegung auch die Bundesregierung drängen. Zumach warnte nachdrücklich vor einem möglichen Krieg mit dem Iran.

Der Friedensbewegung schlug er dringend vor, zu fordern, ein Verbot von Atomwaffenbesitz ins Grundgesetz zu schreiben. Schließlich gebe es ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, das kommt nämlich zu dem Schluss, dass eine Beteiligung an Atomwaffenarsenalen andere Länder Deutschland nicht verboten sei.

Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde, ging auf die Kriegsgefahren in der Zukunft ein. Es stelle sich nämlich die Frage der „ökologischen Selbstvernichtung der Menschheit“. Damit würden Konflikte und Gewalt ausgelöst, die heute schon schwer vorhersehbar seien. Wenn die Klimaveränderungen etwa in 30 bis 40 Jahren da sind, seien diese „nicht mehr veränderbar“. Müller: „Wir müssen heute handeln, um morgen Kriege zu verhindern.“ Dies sehe er nirgendwo auf der Welt im Moment.

Die Auswirkungen des Klimawandels, gab Müller zu bedenken, betreffen am meisten die, welche ihn am wenigsten verursachen.

Es gehe nicht allein um die Klimafrage. Vielmehr gehe es um einen Endpunkt einer bestimmten Form wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung.

Michael Müller: „Friedenspolitik muss heute wesentlich weiter als nur die Frage der Abrüstung und der Rüstungskontrolle gefasst werden.“

Die Friedensfrage werde zu einem zutiefst gesellschaftlichen Thema. Mit der Überwindung sozialer Spaltungen und dem Versuch eine globale Umweltkompatibilität zu erreichen. Müller: „Sonst legen wir heute die Wurzeln für Kriege in der Zukunft, deren Tragweite wir gar nicht überschauen können.“

Prof. Peter Brandt (Initiative „Neue Entspannungspolitik jetzt!“) erinnerte daran, dass durchaus an ein neues Sicherheitskonzept für alle Staaten gedacht worden sei. Zuletzt auch 1990 („Charta von Paris“. Stattdessen habe die Nato sich ausgeweitet. Brandt: „Russland befindet sich heute in einen

Von links: Michael Müller, Peter Brandt und Bernhard Trautvetter.

territorialen Status wie im 17. Jahrhundert.“ Er gab zu bedenken, dass die Grundlage von Entspannungspolitik mal gewesen sei, sich in den anderen hineinzuversetzen.

Peter Brandt dachte einen „realistischen Pazifismus“ (betreffs einer „defensiven Territorialverteidigung“ der EU) an. Das wiederum kritisierte Andreas Zumach: Setze das nicht einen konkreten Feind, eine potentielle Bedrohung voraus? Brandt betrachte seinen Vorschlag aber als Vorläufer einer europäischen Sicherheitsarchitektur.

Die Kampagne „Abrüsten statt Aufrüsten“, regte Michael Müller an, solle ergänzt werden. Und zwar in der Form, dass das Geld was für die Aufrüstung im Bundeshaushalt geplant ist, für den Klimaschutz ausgegeben wird. Es werde überlegt, im nächsten Jahr einen gemeinsamen der Kirchen, der Friedensbewegung, der Umweltbewegung und Gewerkschaften zu machen – zu Thema Arbeit, Frieden, Klima. Damit solle auf den Zusammenhang dieser Themen aufmerksam gemacht werden. Es komme auf eine breite Basis an: „Sonst haben wir alle keine Chance.“

Moderator Bernhard Trautvetter (Essener Friedensforum) kündigte nach dieser interessanten Tagung an, eine „Essener Erklärung“ auszuarbeiten.