IALANA: Offener Brief an Bundeskanzler Scholz zum Krieg in der Ukraine

Hinweis: Ich veröffentliche hier den Offenen Brief an Bundeskanzler Scholz zum Krieg in der Ukraine, der mich heute von der IALANA erreichte:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,

dieser Krieg in Europa hätte verhindert werden können und hätte verhindert werden müssen!

Mit der fehlenden ernsthaften Bemühung, über die von Russland am 17. Dezember 2021 vorgelegten Vertragsentwürfe über Sicherheitsgarantien substanzielle Verhandlungen zu führen, haben Sie es gemeinsam mit den USA und den NATO-Partnern versäumt, einen wirksamen Versuch zu unternehmen, den Frieden für die Ukraine und für Europa zu bewahren.

Nun ist die „militärische Spezialoperation“ im Gang – welch ein zynischer Begriff für den von Russland entfesselten Angriffskrieg gegen die Ukraine – und ein Ende von Tod, Zerstörung und Flucht ist nicht abzusehen. Russland hat mit der großrussisch nationalistischen Haltung seines Präsidenten, wonach es sich bei der Ukraine nicht um einen souveränen Staat, sondern um „Kleinrussland“, mithin einen Teil Russlands handele, den Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Mitglieder der Vereinten Nationen in Art. 2 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen verletzt.

Der militärische Angriff auf die Ukraine stellt einen Verstoß gegen das absolute Gewaltverbot nach Art. 2 Abs. 4 der Charta der VN dar. Russland hat auch keine Beweise dafür vorzulegen, dass der Angriff zur Abwendung eines Völkermords der Ukraine an der russischen Minderheit in den ostukrainischen Verwaltungs-bezirken von Donezk und Lugansk gerechtfertigt ist.

Es spricht für sich, dass Russland am 07. März 2022 der mündlichen Verhandlung vor dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag ferngeblieben ist, wo die Gelegenheit bestanden hätte, hierzu vorzutragen. Der einstweiligen Anordnung, die der IGH am 16.03.2022 auf Antrag der Ukraine gegen Russland erlassen hat, wonach alle Kampfhandlungen sofort einzustellen sind, wird von Russland missachtet.

Der russische Präsident trägt für die Entfesselung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs ebenso die persönliche Verantwortung wie für die Vielzahl von unterschiedslosen Angriffen auf die Zivilbevölkerung durch den Beschuss von Wohngebieten, die Verletzungen des humanitären Völkerrechts darstellen. Hinzu kommt die Androhung der Anwendung von Atomwaffen durch den russischen Präsidenten und den Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrats, die nach dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 08.07.1996 gegen das Völkerrecht verstößt.

Sollte am Ende dieses Krieges im Rahmen einer Verhandlungslösung ein neutraler Status der Ukraine herauskommen, werden die Menschen in der Ukraine zu recht die Frage stellen, warum sie unbeschreibliches Leid und die Zerstörung ihrer Städte und ihrer Heimat ertragen mussten für ein Ergebnis, das man auch schon zuvor auf dem Verhandlungsweg hätte erzielen können, ohne bewaffneten Konflikt.

Warum sollte denn der Einwand, den die Bundesregierung gemeinsam mit der französischen Regierung im April 2008 auf der NATO-Ratstagung in Bukarest gegen den Beitritt der Ukraine erhoben hat, im Dezember 2021 nicht mehr zutreffend sein? Ein Verstoß gegen russische Sicherheitsinteressen hieß es damals, auf deren Berücksichtigung die NATO sich bei aller grundsätzlichen Anerkennung der souveränen Rechte jedes Staates, sich frei für ein Bündnissystem zu entscheiden, gegenüber Russland verpflichtet hatte. Hatte Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung vom 18.12.2013 mit Blick auf den sich zuspitzenden Konflikt in der Ukraine nicht gesagt: „Wir müssen aus dem Entweder – Oder herauskommen“, wonach sich die Ukraine zwischen der Europäischen Union und Russland entscheiden müsse. „Hieran werden wir sicherlich weiter intensiv arbeiten.“ Warum haben Sie als Bundeskanzler diesen Faden nicht aufgenommen?

Wieso haben Sie darüber hinaus den Rat erfahrener deutscher Diplomaten, Militärs und Friedensforscher in den Wind geschlagen, die in ihrem Appell „Raus aus der Eskalationsspirale“ vom 05.12.2021 dazu aufgerufen haben, ein Moratorium für alle Truppenverlegungen, Aufrüstungsmaßnahmen und militärischen Manöver vorzuschlagen, um in einem Zeitraum von zwei Jahren gemeinsam mit Russland eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa auszuhandeln? Das hätte bedeutet, Gorbatschows Vorschlag für ein gemeinsames Haus Europa und Putins Vorschlag für einen gemeinsamen Wirtschafts- und Sicherheitsraum von Lissabon bis Wladiwostok beim Wort zu nehmen.

In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 25.09.2001 hatte er gesagt: „Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbstständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturressourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird.“ Dafür war er mit stehenden Ovationen aller Fraktionen bedacht worden.

Was folgte, war weitere Politik des politischen und militärischen Containments Russlands durch die Osterweiterung der NATO, die Stationierung von Truppen an der russischen Grenze im Baltikum und den Bau von Raketenabschussrampen in Polen und Rumänien.

Neben dem Status der Ukraine hätte es in den von Russland vorgeschlagenen Verhandlungen auch um atomare Abrüstung gehen sollen. Vorgeschlagen war unter anderem, dass sowohl Russland als auch Amerika Kurz- und Mittelstreckenraketen in einer solchen Entfernung voneinander stationieren, dass sie von den Stationierungsorten aus den anderen nicht erreichen können.
In diesem Zusammenhang erinnern wir daran, dass die Beendigung der Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen auf deutschem Boden zum Zweck der nuklearen Teilhabe von den vorangegangenen Bundesregierungen und zuletzt auch von Frau Bundesaußenministerin Baerbock von dem Ergebnis von Paketlösungen in atomaren Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und Russland abhängig gemacht wurde.

Warum hat die Bundesregierung im Rahmen der NATO im Dezember nicht darauf gedrängt, in solche Abrüstungs-verhandlungen einzutreten? Dies versäumt zu haben, stellt einen Verstoß gegen Artikel VI des Nichtverbreitungsvertrags dar, wonach die Signatarstaaten dazu verpflichtet sind, mit dem ernsthaften Willen über Schritte zu einer vollständigen nuklearen Abrüstung zu verhandeln.

Stattdessen haben Sie sich dazu entschieden, im Rahmen Ihres 100 Milliarden Euro Aufrüstungsprogramms für die nukleare Teilhabe Deutschlands nun in den USA die modernsten verfügbaren atomaren Trägerwaffen, F 35 Tarnkappenbomber, zu kaufen.

Sie wissen sehr gut, dass sowohl die USA als auch Deutschland in dem Augenblick, in dem die Piloten des Jagdgeschwaders 33 in Büchel die dort stationierten US-amerikanischen Atomwaffen übernehmen, den Nichtverbreitungsvertrag verletzen würden. Denn den USA ist es nach dem Nichtverbreitungsvertrag verboten, Atomwaffen an einen Nichtatomwaffenstaat zu übergeben. Ebenso ist es Deutschland als Nichtatomwaffenstaat verboten, Atomwaffen von einem Atomwaffenstaat anzunehmen.

Die von Ihnen geplante Anschaffung der F 35 Tarnkappenbomber für den Einsatz von Atomwaffen dient somit nicht einer regelbasierten Außen- und Sicherheitspolitik. Vielmehr wird damit ein Bruch des Völkerrechts vorbereitet.

Schließlich sind die von Ihnen veranlassten Lieferungen von Waffen an die Ukraine und die Finanzierung ukrainischer Waffenkäufe mit dem akuten Risiko einer Ausweitung des Krieges verbunden. Sie bringen unser Land damit in Gefahr, in den Krieg verwickelt zu werden.

Zwar ist es gemäß Artikel 51 der UN-Charta völkerrechtlich zulässig, einem angegriffenen Land im Rahmen kollektiver Verteidigung zu Hilfe zu kommen. Hierzu bedarf es keiner speziellen Bündnisverpflichtung wie etwa durch den NATO-Vertrag. Man muss sich aber entscheiden, ob man im Rahmen einer solchen kollektiven Verteidigung den angegriffenen Staat mit Waffen beliefern und damit selbst zur Kriegspartei werden will  oder ob man neutral bleiben möchte. Mit dem Status eines neutralen an einem bewaffneten Konflikt unbeteiligten Staat ist aber die Lieferung von Waffen wie die von Deutschland an die Ukraine übergebenen  1.000 Panzerabwehrwaffen, die 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ sowie 2.700 Flugabwehrraketen vom Typ „Strela“ und die Finanzierung von Waffenkäufen in Milliardenhöhe unvereinbar. Trotz aller Bekenntnisse dazu, dass die NATO keine Kriegspartei werden will, kommt es darauf an, ob Russland ein Land in völkerrechtlich vertretbarer Weise als am Krieg beteiligt einstuft. Dies kann spätestens dann virulent werden, wenn die Gasimporte aus Russland eingestellt werden sollten.

Herr Bundeskanzler Scholz, wir appellieren an Sie:

  1. Stoppen Sie die Waffenlieferungen an die Ukraine! Verhindern Sie, dass aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ein unkontrollierbarer Flächenbrand und am Ende ein III. Weltkrieg wird! Unsere ganze Unterstützung der Ukraine muss der humanitären Hilfe für die vom Krieg betroffenen Menschen und den diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges gehören!

  2. Setzen Sie sich gegenüber der Regierung der Ukraine dafür ein, dass die ukrainischen Städte zu „offenen Städten“ im Sinne des Art. 59 Abs. 1  des 1. Zusatzprotokolls zu den Rotkreuzabkommen erklärt werden, die vom Krieg zu verschonen sind. Es muss verhindert werden, dass die Kampfhandlungen in die Städte getragen und die zivile Bevölkerung noch mehr in Mitleidenschaft gezogen wird. Nur so kann eine noch schlimmere humanitäre Katastrophe und eine weitere Massenflucht vermieden werden!

  3. Setzen Sie sich bei beiden Kriegsparteien ein für einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen. Einen militärischen Sieg kann es für keine der beiden Seiten geben. Eine Lösung des Konflikts und einen Interessenausgleich gibt es nur am Verhandlungstisch. Deutschland kann zu einer Verhandlungslösung einen wichtigen Beitrag leisten – allerdings nur als ehrlicher Makler bei Wahrung militärischer Neutralität.

  4. Treten Sie einer um sich greifenden Russenfeindlichkeit entgegen! Die Menschen in Russland können ebenso wenig etwas für die Entscheidung des russischen Präsidenten wie die russischen Familien, die als nationale Minderheit in der Ukraine leben. Dies gilt auch für alle Sanktionsmaßnahmen. Ebenso wie vom Krieg sind auch von Sanktionen überwiegend diejenigen betroffen, die nichts mit den getroffenen Entscheidungen zu tun haben! Erst Recht gilt dies für Künstler, Wissenschaftler und Sportler und den Austausch auf dem Gebiet der Wissenschaften, der Kultur und des Sports. Dies muss bei jeder Sanktionsentscheidung bedacht werden. Ein totaler Sanktions- und Wirtschaftskrieg schadet den Energieinteressen Deutschlands und den auf russische Getreidelieferungen angewiesenen Menschen in aller Welt. Er erschwert den friedlichen Neuanfang der Beziehungen, der am Ende jedes Krieges stehen muss.

  5. Kehren Sie um von Ihrem Weg der Aufrüstung und der Anschaffung von F 35 Atombombern. Die von Ihnen gewählte Politik des militärischen Containment, des Wirtschaftskriegs und der Isolierung Russlands wird die Konfrontation in gefährlicher Weise weiter eskalieren. Das Friedensgebot des Grundgesetzes und der Charta der Vereinten Nationen fordert friedliche Streitbeilegung!

RA Otto Jäckel. Foto C. Stille

Otto Jäckel (Vorsitzender der IALANA). Foto: C. Stille.

Mit freundlichen Grüßen

Otto Jäckel

Im Namen des Vorstands von IALANA Deutschland e.V.

Quelle: IALANA

Beitragsbild: Otto Jäckel

Diplomatie statt Kriegsvorbereitung. Den aufgeheizten Konflikt um die Ukraine friedlich lösen!

Ein Appell von IPPNW und IALANA

In dem aktuell gefährlichen Konflikt zwischen der NATO und Russland fordern wir die Bundesregierung auf, aktiv dazu beizutragen, die Eskalation zu stoppen und eine friedliche Lösung zu suchen. Dabei sollen alle bestehenden wechselseitigen völkerrechtlichen Verpflichtungen genutzt werden, um gegenseitige Sicherheit zu erreichen. Dauerhafte Sicherheit kann nicht gegeneinander, sondern nur miteinander erreicht werden.

Obwohl die Truppenkonzentration bedrohlich wirkt, will Russland erklärtermaßen keinen Krieg, sondern einen Vertrag, der seine Sicherheit gewährleistet und hat dazu zwei detaillierte Entwürfe vorgelegt, die in der Öffentlichkeit allerdings weitgehend unbekannt sind. Einige der Vorschläge enthalten weitgehende Maximalforderungen und Verhandlungsmasse für ein neues europäisches Sicherheitskonzept. Andere Vorschläge in den Vertragsentwürfen für gegenseitige Sicherheitsgarantien zwischen Russland und der NATO sowie zwischen Russland und den USA  sind einigungsfähig, z.B. zur Einrichtung von Telefon-Hotlines, für eine wechselseitige Unterrichtung über militärische Übungen und Manöver und die jeweiligen Militärdoktrinen (Art. 2, Vertragsentwurf NATO-Russland) oder der Vorschlag eines Verbotes einer Stationierung von landgestützten Mittel- und Kurzstreckenraketen in Gebieten, die es ermöglichen, das Gebiet der anderen Vertragsparteien zu erreichen (Art. 5).  Weitere zielen auf die Beendigung der nuklearen Teilhabe und den Abzug der US-Atomwaffen aus Europa (Art. 7 des Vertrags mit den USA). Im Artikel 1 heißt es: „Die Vertragsparteien lassen sich in ihren Beziehungen von den Grundsätzen der Zusammenarbeit, der gleichen und unteilbaren Sicherheit leiten. Sie werden ihre Sicherheit (….) nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen Vertragsparteien stärken.“

Die Bundesregierung hat eine besondere rechtliche Verpflichtung gegenüber Russland: Am 9. November 1990 haben Kohl und Gorbatschow einen „Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“ geschlossen, der unverändert noch gilt. Art. 7 lautet: „Falls eine Situation entsteht, die nach Meinung einer Seite eine Bedrohung für den Frieden oder eine Verletzung des Friedens darstellt oder gefährliche internationale Verwicklungen hervorrufen kann, so werden beide Seiten unverzüglich miteinander Verbindung aufnehmen und bemüht sein, ihre Positionen abzustimmen und Einverständnis über Maßnahmen zu erzielen, die geeignet sind, die Lage zu verbessern oder zu bewältigen.“ Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Gespräche im Sinne dieser Verpflichtungen zu intensivieren.

Wichtige einzuhaltende völkerrechtliche Verpflichtungen für die Lösung des aktuellen Konflikts ergeben sich insbesondere aus den Grundsätzen der UN-Charta zur friedlichen Streitbeilegung (Art. 2 Ziff. 3) und zum Gewaltverbot (Art. 2 Ziff. 4). Sie folgen auch aus der NATO-Russland-Grundakte vom 27. Mai 1997. Demnach unterliegt die dauerhafte Stationierung von substanziellen Kampftruppen in den neuen Nato-Ländern in der Mitte und im Osten Europas völkervertraglichen Beschränkungen. Die jetzt praktizierte lückenlose Rotation von NATO-Truppen an der NATO-Ostgrenze unterläuft Verpflichtungen des Abkommens. Forderungen der neuen NATO-Länder, die NATO solle sich darüber hinwegsetzen, muss widersprochen werden. Zu Recht erinnert Russland an die Formulierung im Schlussbericht des OSZE-Gipfels von 1999 in Istanbul, wonach jeder Teilnehmerstaat bei Änderungen seiner Sicherheitsstrukturen die Rechte aller anderen Staaten achten und seine Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen wird. Diese Zusage haben die NATO-Staaten beim OSZE-Gipfel im Dezember 2010 in Astana bekräftigt.

Wir appellieren an die Bundesregierung, die anstehenden Verhandlungen mit Respekt und unter Anerkennung der gegenseitigen Sicherheitsinteressen und unter Beachtung der bestehenden Sicherheitssysteme zu führen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Russland seit 1990 zunehmend seine Sicherheit an der Westgrenze durch die NATO bedroht sieht. Der Verzicht auf die Osterweiterung der NATO ist zwar nicht völkerrechtlich bindend vereinbart worden, war aber wiederholt Gegenstand von Gesprächen und Verhandlungen mit Vertretern der russischen Regierung.

Wir fordern die Bundesregierung auf, im folgenden Rahmen zu verhandeln:

  • verschärfte Bemühungen, das Waffenstillstandsabkommen Minsk II durchzusetzen und die Parteien davon abzuhalten, die territorialen Streitigkeiten hinsichtlich der Krim und des Donbass militärisch zu beenden.
  • Aktivierung aller noch bestehenden Gesprächskanäle zwischen Russland und NATO, um eine friedliche Lösung zu finden, die sowohl westliche als auch russische Sicherheitsbedenken anerkennt.
  • Stopp aller Maßnahmen, die gegenwärtig eine militärische Auseinandersetzung befördern. Dazu gehören der Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine, die Beendigung aller Truppenkonzentrationen beidseits der ukrainischen Ostgrenze, die Einrichtung eines Sicherheitsbereichs beiderseits der ukrainischen Ostgrenze, in dem alle Truppenbewegungen ab Divisionsstärke (= 5.000) der Gegenseite vorab gemeldet werden sowie die Unterlassung von Manövern in diesem Sicherheitsbereich.
  • rote Telefone insbesondere im Atomwaffenbereich; keine Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa sowie ein beidseitiger Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen.
  • Verhandlungen im Rahmen der OSZE über den russischen Vertragsentwurf mit dem Ziel einer europäischen Sicherheitsstruktur und einer Neubestimmung des Verhältnisses Russland-NATO im Geist der früheren Abkommen über gegenseitige Sicherheit.
  • Förderung aller Formen des kulturellen Austauschs und persönlicher Kontakte zwischen den Völkern von Russland und Deutschland, die in ihrer großen Mehrheit jeden Krieg in Europa ablehnen, sondern friedlich miteinander leben wollen.

Herausgeber:
Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in soziale Verantwortung (IPPNW)
Deutsche Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA)

Erstunterzeichner*innen:

Franz Alt, Journalist, Dr. Bernd Asbrock, Richter i.R.; Dr. Till Bastian, Publizist; Prof. Dr. Helga Baumgarten, Politikwissenschaftlerin; Ralf Becker, Koordinator Initiative „Sicherheit neu denken“;  Peter Brandt, Historiker und Publizist; Reiner Braun, International Peace Bureau; Dr. med. Angelika Claußen, IPPNW-Vorsitzende; Daniela Dahn, Schrifststellerin, Prof. Dr. Wolfgang Däubler; Ina Darmstädter, Vorstand Friedensfestival Berlin e.V.; Prof. Dr. Jost Eschenburg, pax christi, Bistum Augsburg; Annegret Falter, IALANA Beiratsmitglied; Ulrich Frey, Mitglied im Vorstand der Martin-Niemöller-Stiftung e.V.; Dr. Heiner Fechner, Vorstände der IALANA, VDJ und EJDM; Prof. Dr. i. R. Albert Fuchs, Dr. Rolf Gössner, Jurist und Publizist; Dr. Peter Gerlinghof, Initiative Erinnern und Gedenken Sangerhausen; Prof. Dr. Ulrich Gottstein, IPPNW-Ehrenvorstandsmitglied; Ulrike Guérot, Prof. Europapolitik; Bernd Hahnfeld, IALANA, Gert Heidenreich, Schriftsteller und ehem. PEN-Vorsitzender West, Gisela Heidenreich, Buchautorin, Prof. Dr. i.R. Helwart Hierdeis, Erziehungswissenschaftler; Uwe-Karsten Heye, Journalist, Diplomat und Autor, Otto Jäckel, Rechtsanwalt, Vorsitzender der IALANA e.V.; Michael Karg, Propst i.R., Vorsitzender der Martin-Niemöller-Stiftung e.V., Joachim Kerth-Zelter, Rechtsanwalt, Bundesvorsitzender der  Vereinigung Demokratischer Jurristinnen und Juristen; Gerold König,
Pax christi Bundesvorsitzender; Karl-Wilhelm Lange, Regierungspräsident i.R.; Prof. Mohssen Massarrat, wiss. Beirat der IPPNW; Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands und Parl. Staatssekretär a.D.; Prof. Dr. Götz Neuneck, deutscher Pugwash Beauftragter der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler; Prof. Dr. Norman Paech, Völkerrechtler; Florian D. Pfaff, Major a.D., Sprecher des Arbeitskreises „Darmstädter Signal“; Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums; Dr. med. Lars Pohlmeier, IPPNW-Vorsitzender, Rüdiger Postier, Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.; Konrad Raiser, Theologe, ehem. Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen; Rainer Rehak, stellv. Vorsitzender der Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FifF), Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes; Pamela Rosenberg, ehem. Intendantin der Berliner Philharmoniker, Prof. Dr. Jürgen Scheffran, Physiker und Geograph; Thomas Schmidt, Co-Generalsekretär EJDM Europäische Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt e.V.; Prof. em. Dr. Dr.h.c. Dieter Senghaas, Friedens-, Konflikt- und Entwicklungsforscher; Amela Skiljan, stellvertretende Vorsitzende IALANA, Prof. Dr. i.R. Gert Sommer, Prof. für Klinische Psychologie und Konfliktforschung, Dr.h.c. Graf Sponeck, Beigeordneter UNO Generalsekretär a.D.; Prof. Johano Strasser, Politologe und Schriftsteller, ehem. Präsident des PEN-Zentrums Deutschland; Antje Vollmer, Bundestagsvizepräsidentin a.D., Peter Vonnahme, Richter am Bayer. Verwaltungsgerichtshof i.R., Mitglied von IALANA; Prof. Dr. Herbert Wulf, Burkhard Zimmermann „Initiative Neue Entspannungspolitik jetzt!“, Andreas Zumach, Journalist

 

Quelle: ippnw

Die IALANA zum Jahresende

Als Juristinnen und Juristen wissen wir, dass man erfolgreiche Verhandlungen zwischen Konfliktparteien nur führen kann, wenn man ihre wechselseitigen Interessen kennt und berücksichtigt. Nur so gelangt man zu einem Interessenausgleich. Im Verhältnis zu Russland scheint dies etwas aus dem Blick geraten zu sein. Ansonsten würden wir uns jetzt nicht in einer bedrohlichen Eskalationsspirale befinden, die fast schon an die Kuba-Krise 1962 erinnert. Damals hatten die USA der Sowjetunion mit einem Atom-Krieg gedroht, falls diese nicht die auf Kuba stationierten Atomraketen wieder abziehen würden. Als Gegenleistung für den Abzug der Raketen unmittelbar vor dem amerikanischen Festland handelte die Regierung in Moskau den Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen aus Incirlik in der Türkei aus, von denen sie sich ihrerseits bedroht fühlte. Für ein entsprechendes Verhandlungsmoratorium haben sich nun eine Vielzahl ehemaliger deutscher Botschafter und Diplomaten und Militärs in einem gemeinsamen Appell ausgesprochen, darunter Klaus Naumann, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und ranghöchste deutsche NATO-General. Da diese eindringlichen Stimmen der Vernunft in der deutschen Presse kaum Gehör gefunden haben, fügen wir den Appell in der Anlage für Sie bei.

Weiterhin beigefügt finden Sie den Appell der IALANA an die alte und die neue Bundesregierung, für den wir über 300 prominente Erstunterzeichner gewinnen konnten und der von über 3000 weiteren Unterzeichnern unterstützt worden ist. Mit diesem Appell zu einem Umdenken in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik und einer Beendigung der nuklearen Teilhabe haben wir gezeigt, dass die IALANA als wichtige Stimme der deutschen Friedensbewegung auch in den Zeiten der COVID 19 Pandemie kampagnenfähig sein kann.

Leider enthält der Koalitionsvertrag der Ampel im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik nur wenig Licht und viel Schatten. Erfreulich ist, dass Deutschland bei den Überprüfungskonferenzen zu dem Atomwaffenverbotsvertrag einen Beobachterstatus einnehmen will. Dies ist allerdings ein sehr kleiner Schritt auf dem noch weiten deutschen Weg zur Unterzeichnung und Ratifizierung des Vertrags. IALANA Deutschland hat mit dem beigefügten ersten Kommentar zu den Bestimmungen des Atomwaffenverbotsvertrags, der von Prof. Manfred Mohr gemeinsam mit dem Schweizer IALANA Juristen Daniel Rietiker verfasst worden ist, einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung des Interesses und des Verständnisses zu dieser wichtigsten Initiative zu nuklearer Abrüstung seit der Unterzeichnung des Nichtverbreitungsvertrags einen fundamentalen Beitrag geleistet.

Enttäuschend ist das Festhalten an der nuklearen Teilhabe und die Entscheidung, die dafür geplante Neuanschaffung von 45 atomwaffenfähigen Jagdflugzeugen, die zum Ende der vergangenen Legislaturperiode lange umstritten war, jetzt umzusetzen. Warum es aus verfassungsrechtlicher und völkerrechtlicher Sicht geboten ist, sich von der nuklearen Teilhabe zu verabschieden, hat unser Vorstandsmitglied Bernd Hahnfeld in dem für Sie beigefügten Papier aktuell zusammengefasst.

Enttäuschend ist ebenfalls, dass die Koalition nun den Weg freimachen will für die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. Dieser Schritt ist umso mehr abzulehnen, als die New York Times in den letzten Tagen berichtet hat, dass bei den Drohneneinsätzen der USA in Afghanistan, Pakistan und im Nahen Osten eine noch viel größere Zahl unbeteiligter Zivilisten getötet wurde, als bisher angenommen. Es handelt sich dabei ganz offensichtlich um ein strukturelles Einsatzproblem. Von einem gezielten Einsatz gegen feindliche Kombattanten, die das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten bedrohen, womit für die Anschaffung bewaffneter Drohnen geworben wird, sind diese realen Erfahrungen mit deren Einsatz weit entfernt.

Auf der Zielgeraden befindet sich das von Gerhard Baisch federführend betreute Buchprojekt, das die IALANA gemeinsam mit der Vereinigung deutscher Wissenschaftler VDW zu dem Thema „Whistleblower Schutz“ bearbeitet. Dabei geht es um eine Evaluierung der Erfahrungen mit der 20-jahrigen Geschichte der Vergabe des Whistleblower Preises. Es wird insbesondere der Frage nachgegangen, wie sich der rechtliche und justizförmige Schutz von Whistleblowern entwickelt hat und welche Auswirkungen sowohl das Whistleblowing als auch die Preisverleihung auf das Leben der Preisträger hatte. Die Preisträger kommen dabei in Interviews selbst zu Wort. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland es versäumt hat, die Whistleblower Schutzrichtlinie der EU fristgemäß in einem Bundesgesetz umzusetzen, wird das Buch auch ein wichtiger Beitrag in der weiteren politischen und gesetzgeberischen Debatte sein.

Liebe Mitglieder und Freundinnen und Freunde der IALANA,

die COVID-19 Pandemie hat wie bei allen anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen auch bei uns dazu geführt, dass wir geplante Veranstaltungen vertagen mussten. Inzwischen nutzen wir jedoch erfolgreich die online-Kommunikation, wie wir mit unserem Webinar zu dem Thema  „Sind Atomwaffen illegal“, das auf großes Interesse gestoßen ist, gezeigt haben. Ebenso hat die Nutzung von Online Meetings dazu geführt, dass wir zwischen den Vorstandssitzungen in einem monatlichen Jour fixe und daneben in noch häufiger tagenden Arbeitsgruppen inzwischen noch intensiver untereinander kommunizieren, als dies vor der Pandemie der Fall war. Diese Kommunikation ist selbstverständlich für alle Mitglieder offen. Klinken Sie sich ein!

Ich möchte Sie an dieser Stelle herzlich darum bitten, uns weiterhin zu unterstützen, unsere Argumente und Expertisen zu verbreiten und uns auch finanziell durch Ihre Spende zu helfen. Sonst können wir solche Projekte wie das Whistleblower Buch und eine dringende Neugestaltung unserer Website, die in Zeiten der Online-Kommunikation noch wichtiger geworden ist, nicht stemmen.

Die aktuelle Eskalation des Konflikts in den Beziehungen zu Russland und China zeigt erneut: Frieden braucht Bewegung und zivilgesellschaftliches Engagement. Denken Sie an Ihre Überweisung an die IALANA! Die Spendenbescheinigung, mit der Sie Ihre Spende steuerlich vermindernd geltend machen können, folgt.

RA Otto Jäckel. Foto C. Stille

Otto Jäckel (Vorsitzender der IALANA). Foto: C. Stille.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien erholsame Feiertage und ein friedliches neues Jahr

Ihr Otto Jäckel

Über die IALANA

„Die Propaganda-Matrix“ von Michael Meyen – Rezension

Vorweg: Zeitungen interessierten mich schon früh. Meine Eltern hatten zu DDR-Zeiten in Halle die LDZ (Liberal-demokratische Zeitung), Organ der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) abonniert. Die las ich bereits in jungen Jahren tagtäglich. Ansonsten hörte ich den Deutschlandfunk auf Mittelwelle, Westfunk, und später, als endlich ein Fernsehgerät (schwarz-weiß) im Haushalt war und wir nicht mehr zum Gucken zur Nachbarin mussten, sahen wir ARD, das erste Programm. Und damit u.a. die Tagesschau. Sie war sozusagen ein Korrektiv zu den SED-propagandandistisch gefärbten Nachrichten in der DDR. Die Aktuelle Kamera, Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens, wurde eigentlich fast nie geschaut.

Mein Wunsch Journalist zu werden stand früh fest. Meine Mutter winkte ab. Was mich nicht abhielt, beim „Schulkurier“, einer von der Staatsbürgerkunde-Lehrerin an der in meiner Schule ins Leben gerufene Schulzeitung als Redakteur für Außerschulisches mit Freuden mitzuarbeiten.

Nach Berufsausbildung zum Elektromonteur und der Armeezeit stieg ich bei der SED-Bezirkszeitung Freiheit (heute Mitteldeutsche Zeitung) als Volkskorrespondent ein. Die Begeisterung für’s Reportieren und Schreiben war nicht eingeschlafen. Im Gegenteil! Schließlich unterbreitete mir mein Lokalredakteur die Offerte: Du kannst Journalist werden. „Wir delegieren dich.“ Fachschulstudium in Leipzig! Ich war geplättet, begeistert und dann aber bald auch hin- und hergerissen. Verbunden war die Offerte mit der Erwartung Kandidat und Mitglied der SED zu werden. Zwei Wochen haderte ich mit mir. Letztendlich schlug ich schweren Herzens dieses Angebot aus …

Im schicksalsträchtigen Jahr 1989 verschlug es mich über Ungarn in die BRD. Eines Tages traf mich mit Freunden, die der DDR ebenfalls den Rücken gekehrt hatten, in Koblenz. Hochdroben überm Deutschen Eck (!) in einem Restaurant auf der Festung Ehrenbreitstein schrieb ich eine Ansichtskarte an meine Lokalredaktion in Halle. Ich wünschte ihnen viel Glück für die neue Zeit nach der Wende. Nun, befand ich sinngemäß, könnten sie ja frei und frank von der Leber weg schreiben und eine gute Zeitungsarbeit machen. Ich weiß nicht, ob diese Ansichtskarte heute in Halle noch existiert. Allerdings schäme ich mich ein bisschen für diese Karte. Weiß ich doch längst: Waren es zu DDR-Zeiten ideologische Zwänge, die die journalistische Arbeit einschränkte, so haben Journalisten im Kapitalismus mit anderen Zwängen und hierzulande auch wieder mit welchen ideologischer Art zu tun, weshalb sie eben nicht immer frei von der Leber schreiben können. Die Publizistin Daniela Dahn formulierte es, glaube ich mich zu erinnern, einmal – das Allgemeine betreffend – so: Die Repressionen im jeweils anderem Staat waren andere, sind aber vielleicht in der Wirkung ähnlich.

Der Journalist Uli Gellermann (Rationalgalerie) zitiert Daniela Dahn: Auch deshalb muss die Schriftstellerin heute feststellen: „Ich wollte immer in einer Demokratie leben, aber nie im Kapitalismus“. Dahn war eine von denen, die in den Jahren 1989/90 versuchten, eine andere, eine bessere DDR zu erreichen. Wenn sie heute auf den kurzen, historischen Moment des „Wir sind das Volk“ zurückblickt, analysiert sie kühl: „Die Einheit war eine feindliche Übernahme auf Wunsch der Übernommenen. Für die Sieger war das schönste an der friedlichen Revolution, dass sie nichts revolutionierte. Das Neue bestand darin, den alten Spielregeln beizutreten.“ Und auch darin, dass „95 Prozent des volkseigenen Wirtschaftsvermögens in westliche Hände übergingen. Damit war über den Grad der Abhängigkeit der Neubundesbürger entschieden.“

Man verzeihe mir den kleinen Exkurs in die Vergangenheit. Nun aber zum Buch, das hier besprochen werden soll: „Die Propaganda-Matrix“ von Michael Meyen.

Auch jemand, der aus der DDR kommt. 1967 in Bergen auf Rügen geboren, wurde er bereits mit 11 Jahren Volkskorrespondent. Später schloss er ein Journalistikstudium an der Uni Leipzig ab. Seit 2002 ist er Professor für Allgemeine und Systematische Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Der Journalismus ist tot“

Vom Rubikon-Verlag heißt es einleitend zum Buch: „Der Journalismus ist tot. Mit oder an Corona gestorben, nach langem Siechtum. Schon vorher war die „vierte Gewalt“ schwer krank, hing arbeitsunfähig und durchseucht von Politik am Tropf der Industrie. Das Virus hat dem Patienten nur den finalen Schlag versetzt. Im Untergang bekämpft der Medien-Mainstream alle bis aufs Messer, die seinen Job übernehmen könnten. Es wird verboten, verleumdet, zensiert und gelöscht. Wer die falschen Fragen stellt, wird zum Schweigen gebracht. Michael Meyen sagt: Medienkritik war gestern. Hört auf, die News der Propagandamaschine als Fakes zu entlarven. Schimpft nicht länger auf Tagesschau, Claus Kleber, Spiegel und die Zensurmaschine Google. Dass wir beständig manipuliert werden, wussten schon die weisen Alten: Edward Bernays, Walter Lippmann, Noam Chomsky. Nun aber ist es an der Zeit, deren Wissen ins Hier und Jetzt zu überführen — um zu verstehen, was gerade geschieht, vor allem aber als Anleitung für die so dringend nötige Medienrevolution.

Michael Meyen zerstört den Mythos der Leitmedien, befreit uns aus der Propaganda-Matrix und macht all jenen Mut, die sich für eine bessere, gerechtere Welt engagieren: Freiheit ist möglich, braucht jedoch einen vollkommen neuen Journalismus.“

Ist der gehörig auf den Hund gekommene Journalismus noch zu retten? Ulrich Teusch: „Pure Zeitverschwendung“, Leitmedien „nicht mehr reformierbar“

Zustimmung! Für mich selbst war der Journalismus mindestens seit 2014 (Ukraine-Krise) gehörig auf den Hund gekommen. Schweres Versagen in Sachen „vierte Gewalt“. Aber ja: Schon vorher war der Journalismus krank, siechte in der Tat schon dahin, wurde immer mehr zur „Lückenpresse“ (Ulrich Teusch) [hier]. „Tagesschau und Tagesthemen, Süddeutsche Zeitung und Spiegel auf Fehler und Auslassungen hinweisen, in Artikeln oder in Briefen an die Redaktionen?“ schreibt Meyen (S.206) auf die Frage hin, was zu tun sei. „’Pure Zeitverschwendung‘, sagt Ulrich Teusch, ein Politikwissenschaftler, der auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet und vor ein paar Jahren das Schlagwort „Lückenpresse“ populär gemacht hat. Den Beweis erbrachten „Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer, beide hochbetagt, der eine früher Redakteur der Tagesschau der andere mehr als dreißig Jahre als Jurist beim NDR, haben ab 2015 gut vierhundert Briefe an die Rundfunkräte im Norden, an Intendant Lutz Marmor und an Kai Gniffke geschickt, der in Hamburg für Tageschau und Tagesthemen zuständig war. (…) In den Beschwerden geht es um ‚Faktenfinderei‘ (‚unter aller Sau‘), um ‚Kampagnen‘, um ‚dreckigen Journalismus‘. Dann geben die beiden Männer auf.“ Immer habe es geheißen, es liege keine Verstoß vor. Inzwischen ist sich Teusch sicher, dass die Leitmedien ’nicht mehr reformierbar sind’“

Mein Verhältnis zur einst geschätzten Tagesschau, „DIE MACHT UM ACHT“, längst einen Knacks bekommen (hier).

Michael Meyen schreibt in seiner Leseanleitung (S.8/9): „’Lügenpresse halt die Fresse‘: „Dieser Satz steht in meinem Buch Breaking News (C.S; hier meine Rezension) und doch habe ich auch schon 2018 wieder an einem Zeitgeist vorbeigedacht, der sich längst einig war, dass uns die Regierenden betrügen oder wenigstens die Nachrichten manipulieren. Der Krieg in der Ukraine, die Flüchtlinge, CO 2 und das Klima, Donald Trump, überhaupt das Bashing der ‚Populisten‘. Und ich kam mit dem Imperativ der Aufmerksamkeit und mit der Idee, dass Journalismus und Medien ganz anders wirken als bisher gedacht. In Kurzform: „Es kann schon sein, dass das, was wir sehen, hören, lesen, etwas mit den Gefühlen macht, mit Einstellung, Wissen, Handeln.“

Michael Meyen befindet: „Aus der Medien-Epidemie ist eine Medienkatastrophe geworden“

Meyen weiter: „‚Die Medien-Epidemie‘ stand über einen Text, den ich am 18. März 2020 in meinem Blog Medienrealität veröffentlicht habe. Zitat: ‚Corona hat die Medienrealität gekapert, ohne dass die Redaktionen sich wehren konnten, weil der Imperativ der Aufmerksamkeit in einem kommerziellen Mediensystem auch die gebührenfinanzierten Angebote regiert. Corona ist Medienlogik pur. Journalismus war schon immer Selektion.“

Eine Seite weiter befindet der Autor: „Aus der Medien-Epidemie ist eine Medienkatastrophe geworden.“ Meyen verspricht nicht zu viel: „Dieses Buch sagt, wie es dazu kommen konnte, und weist so über den Tag hinaus. Es greift dafür tief in die Theoriekiste. Noam Chomsky natürlich und Propagandaforscher wie Jaques Ellul. Dazu Ulrich Beck, Niklas Luhmann und Nick Couldry, Michael Foucoult, Pierre Bourdieu und Chantal Mouffe, Walter Lippmann und Edward Bernays.“

Empfehlenswerte Autoren mit wichtigen Werken wie. Keine Angst, die Leser müssen sie nicht alle kennen (bekommen aber möglicherweise Lust, das eine oder andere später zu lesen). Meyen setzt uns verständlich ins Bild.

Vor allem aber schreibe ich über die Arenen, in denen die Welt entsteht, in der der wir leben, und in die wir eintauchen können“

Michael Meyen (S.11): „Die Matrix, aus der wir nicht entkommen können und die wir verstehen müssen, wenn wir sie umschreiben wollen. Deshalb schreibe ich über Herrschaftsverhältnisse, die sich auf die Macht stützen, Realität zu definieren, über das Wahrheitsregime der Gegenwart, über Propaganda und über das Filtermodell. Vor allem aber schreibe ich über die Arenen, in denen die Welt entsteht, in der der wir leben, und in die wir eintauchen können. Wenn uns nicht gefällt, was dort passiert.“

Warum also Matrix?

Meyen nimmt sich den Inhalt des bekannten Wachowski-Film „Matrix“ zu Hilfe. Der Autor schränkt jedoch ein (S.13): „Ich bin nicht Morpheus. Mir fehlt der Glaube, dass es nur einen Auserwählten braucht, um die Matrix zu zerstören. Ich glaube nicht einmal, dass man die Matrix überhaupt zerstören kann. Es geht deshalb in diesem Buh auch nicht um Zerstörung, sondern um Aufklärung und um das, was aufgeklärte Menschen aus der Matrix machen können. Blaue Kapsel oder rote Kapsel: Sie haben sich schon entschieden. Sonst würden Sie dieses Buch nicht lesen.“ Da liegt der Autor völlig richtig! Jedenfalls bei mir. Weiter: „Sie wissen genau wie Neo, der Held in dem Action-Klassiker Matrix, dass mit der Welt etwas nicht stimmt, die wir für die Wirklichkeit halten müssen, und wollen verstehen, wo und wie die Realität produziert wird, die man uns rund um die Uhr ins Haus liefert.“

Was für die Fische das Wasser ist, sind für uns die Medien“

Eingangs verweist der Autor auf einen Kollegen aus Amsterdam: Mark Deuze (S.10): „Wenn Fische reden könnten, sagt Mark Deuze, dann würden sie über das Wasser sprechen. Und was machen wir? Wir unterhalten uns über Algen, Quallen und Heringe, Plastikpartikel, Boote und vielleicht über die Badehose, die dort hinten blinkt. Wasser lassen wir Wasser sein. Nicht einmal auf dem Gymnasium gibt es entsprechende Kurse. Was für die Fische das Wasser ist, sind für uns die Medien.“

Im Verlaufe des Buches wird Michael Meyen zum Hering, der scharfäugig über die Welt der Medien fliegt. Klar, wer sich etwas vom Objekt entfernt, erhebt, sieht mehr. Erkennt wichtige Verzweigungen und vor allem wichtige Zusammenhänge. Was er seinen Lesern bietet, die ja nicht nur Leute, die „was mit Medien machen“, sind, sondern hoffentlich auch viele Medienrezipienten, sind glasklare und bei genauerer Betrachtung, einsichtige Analysen. Wobei Meyen gewiss zu gute kommt, dass er sowohl den Medienbetrieb in der DDR als auch den im Westen geprägten, dann den in Gesamtdeutschland kennt und ins Verhältnis setzen kann. Er erkennt sogar zuweilen Ähnlichkeiten trotz der einst zwei unterschiedlicher Gesellschaftssysteme. Und nicht zu vergessen: Meyen hat Zusammenbruchserfahrung, erlebte bereits als Journalist mit, wie ein Land sozusagen abschmierte. Was vielen Westdeutschen halt fehlt und sie deshalb manchmal mit gewisser Hybris und ja: auch naiv-tapsiger Ahnungslosigkeit – unterwegs sind, wie ich meine. Nach dem Motto: Wir sind die Guten. Sie könnten einer Täuschung unterliegen.

Michael Meyen tastet sich – als fliegender „Hering“ – über so interessante Kapitel wie „Die Definitionsmacht der Medien“ (S.25), „Das Wahrheitsregime“ (41), „Warum ich von Propaganda spreche“ (S.63) und „Das Filtermodel“ (S.76) im Buch voran. Alles interessant, alles drin, was verstanden werden sollte.

Dann hat er (S.101) das „Zwischenspiel: Wie ich Antisemit und Verschwörungstheoretiker wurde“ eingeschaltet.

Via Meyens Blog Medienrealität: „Sie planen eine Veranstaltung zum Thema „Israel, Palästina und die Grenzen des Sagbaren“? Sie möchten dort diskutieren, welche Folgen es für die Gesellschaft hat, wenn Parlamente die BDS-Bewegung als antisemitisch einstufen und so de facto öffentliche Kritik an der israelischen Regierungspolitik einschränken? Ich rate Ihnen: Überlegen Sie sich das noch einmal. Überlegen Sie vor allem, was hinterher alles über Sie im Internet stehen wird. Ein Erfahrungsbericht.

Zur Erinnerung: Am 7. November 2018 gab es eine Veranstaltung mit genau diesem Titel, in der Reihe „Medienrealität live“. Gast: Andreas Zumach, Journalist, seit 1988 Korrespondent in Genf und fraglos einer der wichtigsten Experten in Sachen Völkerrecht und Nahost. Anlass war der Anti-BDS-Beschluss des Münchener Stadtrats von Ende 2017. In Kurzform: keine Zuschüsse und keine Räume mehr für Personen und Organisationen, die die Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ unterstützen (vgl. Humanistische Union 2018).“

Nebenbei bemerkt: In Dortmund gab es ein ähnliches Hickhack. Der eben gleiche Vortrag von Andreas Zumach wurde schon im Vorfeld von den üblichen Verdächtigen angefeindet. Schließlich erklärte sich eine Kirche bereit, die Veranstaltung aufzunehmen. Draußen Protestierende, die bis zum Schluss noch auf ein Verbot der Veranstaltung gehofft hatten, drinnen hielt die örtliche DGB-Chefin eine vorsichtige Ansprache und verlas ein vom DGB verfasstes „Positionspapier“. Ich hatte meiner Redaktion vorgeschlagen, darüber zu schreiben. Schon das wurde beargwöhnt. Stimmte dann aber zu. Der verantwortliche Redakteur kam am Abend persönlich mit düsterem Gesicht in die Kirche, um nach dem rechten zu sehen. Bloß niemand auf den Schlips treten! Es war ein überaus interessanter Abend. Woran sich nichts Antisemitisches finden ließ. Ich schrieb den Bericht, lieferte ihn ab. Es hieß dann, er könne „so nicht veröffentlicht werden“. Dahinter steckte wohl die Befürchtung die Jüdische Gemeinde oder sonst wer könnte daran Anstoß nehmen. Ich veröffentlichte dann den Bericht auf meinen Blog.

Kontaktschuld!

Michael Meyen musste auch die unschöne Erfahrung machen, was „Kontaktschuld“ bedeutet. Das erste Mal, schreibt er im Buch, habe er auf der IALANA-Medientagung 2018 in der Jugendkulturkirche am Lutherplatz in Kassel von diesem Begriff – der zum Abstempeln (sagen wir: zum Diskreditieren) benutzt wird – gehört. Wessen hatte er sich schuldig gemacht? Ein Flugblatt im Vorfeld der Veranstaltung mit Andreas Zumach hatte verkündet: „Der Veranstalter Michael Meyen gab dem Querfrontaktivisten Ken Jebsen ein Interview und schreibt für das Querfrontmedium Rubikon .“

Weiter schreibt Meyen (S.111): „Außerdem wird meine Rezension der IALANA-Tagung in Kassel erwähnt: ‚eine ganze Ansammlung des Who-Is-Who der Freunde alternativer Fakten’“.

Anmerkung: ich selbst war auf der Tagung anwesend und empfand diese als äußerst interessant: hier mein Bericht. Leider hatten alle von der IALANA eingeladenen Medienvertreter von Leitmedien oder öffentlich-rechtlichen Medien abgesagt.

Die vier Arenen in denen Propaganda-Matrix

Nach diesem „Zwischenspiel“ folgt der m.E. wichtigste Part des Buches: die vier Arenen in denen Propaganda-Matrix entsteht. „Arena 1: Diskurs-Ordnung (S.124)“, „Arena 2: Medienlogik“ (S.144), „Arena 3 Medialisierung (S.160) und „Arena 4. Das Journalistische Feld“ (S.176)

Wir brauchen anders aufgestellte Medien

Was lernen wir aus diesem wertvollen Buch? Viel. Wir brauchen anders aufgestellte Medien. Meyen (S.212): „Warum erlauben wir, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk von der Politik und Wirtschaftslobbys kontrolliert wird? Müsste es nicht umgekehrt sein? Warum bezahlen wir Leitmedien, die behaupten, neutral und unabhängig zu sein, aber permanent PR für das kreative urbane Milieu machen und alles demontieren, was diesem Milieu in die Quere kommt? Und sollte der Rundfunk nicht denen gehören, die ihn finanzieren (müssen)?

Die Debatte möchte Michael Meyen nicht vorwegnehmen „und damit auch nicht viel konkreter werden“.

Wo der Schlüssel für die Zukunft liegt

Nach Walter Lippmann sieht Meyen den „Schlüssel für die Zukunft in den Schulen, an den Universitäten sowie an den Journalismusakademien und damit an den Orten, die für das prädestiniert sind, was Jacques Ellul soziologische Propaganda nennt“ liegen. „Hier werden die Botschaften verbreitet, die alle für selbstverständlich halten und später einfach nachplappern, wenn sie Filme drehen, Leitartikel schreiben oder Nachrichten sortieren. Zu einer Medienausbildung muss deshalb mehr gehören als das Training von Denkvermögen und Sprachsensibilität. Es braucht die Fähigkeit, gewissermaßen von außen auf die eigene Gesellschaft zu schauen. Vielleicht bedarf es dafür sogar eine Zusammenbruchserfahrung. Das, was Walter Lippmann und Karl Bücher mit dem Ersten Weltkrieg widerfahren ist und mir 1989 mit dem Ende der DDR“, so Michael Meyen. Ich kann mir das gut vorstellen.

Der Autor gibt zu bedenken: „Wer auf einer der Demos war und seine eigene Wahrnehmung mit dem verglichen hat, was die Leitmedien hinterher daraus gemacht haben, dürfte für den Rest seines Lebens gegen Leichtgläubigkeit geimpft sein.“

Der Weg in die Freiheit

Anzeichen dafür optimistisch zu sein? Vielleicht zu früh. Meyen bremst etwas ab: „Sie wissen auch, dass die Gegner der Freiheit in jeder der vier Arenen schier übermächtig sind.“ Man könne also ahnen, „dass jeder Weg in die Freiheit nahezu zwangsläufig aus ‚herrschenden Machtordnung“ hinausführen muss“.

Bombastisch gut, das Buch! Praktischerweise folgen die Fußnoten immer sofort dem jeweiligen Kapitel. Nach der Lektüre sind wir wieder ein Stück klüger. Und zum Nachdenken regt das klug und aus reichlich Erfahrung schöpfend geschriebene Werk obendrein noch an. Und ein klasse Cover, das nicht nur gut ausschaut, sondern sich auch gut anfühlt! Beim Aufblättern fällt einen weiß auf schwarz der Satz ins Auge: „Die Zukunft gehört den Mutigen.“ So sei es! Michael Meyen sagt, was ist. Leitspruch von Rudolf Augstein für das ehemalige Nachrichtenmagazin Spiegel. Der tut das längst nicht mehr. Der macht Propaganda. Der Ausspruch „Sagen, was ist“ war nach Wikipedia bereits 1906 von Rosa Luxemburg als Paraphrase eines Ausspruchs von Ferdinand Lassalle 1862 geprägt worden: „Wie Lassalle sagte, ist und bleibt die revolutionärste Tat, ‚das laut zu sagen, was ist’“

Meyen lässt auch ein wenig durchblicken, was sein könnte. Doch momentan sind die Zeiten nicht so. Oder werden wir vielleicht doch bald einen Kipppunkt erleben und damit Zusammenbruchserfahrung gewinnen? Nachdem der Flutkatastrophe und dem Afghanistan-Desaster drängst sich fast so ein Gefühl auf …

Michael Meyen

Die Propaganda-Matrix

Der Kampf für freie Medien entscheidet über unsere Zukunft

  • Softcover
  • 224 Seiten
  • 1. Auflage
  • 20,5 cm x 13,5 cm
  • Erscheinungsdatum: 20.07.2021
  • Artikelnummer 978-3-96789-020-4
  • 18,00 Euro

Zur Person Michael Meyen

1992 Diplomjournalist, 1995 Promotion, 2001 Habilitation, alles in Leipzig. 2001/2002 Gastprofessur an der TU Dresden. Seit April 2002 Professor für Allgemeine und Systematische Kommunikationswissenschaft an der LMU. Schwerpunkte: Journalismus und Medienorganisation, DDR, Fachgeschichte der Kommunikationswissenschaft, qualitative Methoden (Short version in english – PDF). Best Paper Award der ICA, Communication History (2010 und 2015, jeweils mit Anke Fiedler). Co-Sprecher des bayerischen Forschungsverbundes „Fit for Change“ (Laufzeit 2013 bis 2017). Initiator und 2018 bis 2020 Co-Sprecher des bayerischen Forschungsverbundes „Zukunft der Demokratie“ (Laufzeit bis 2022), Sprecher des BMBF-Forschungsverbundes „Das mediale Erbe der DDR“ (2018 bis 2022). 

Michael Meyen (* 1967 in Bergen auf Rügen) ist ein deutscher Kommunikationswissenschaftler. Seit 2002 ist er Professor für Allgemeine und Systematische Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Quelle: Wikipedia

IALANA: Ächtung von Atomwaffen ist Einsatz für Menschenrechte und den Schutz der Umwelt

Das epochale Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Rechtswidrigkeit von Atomwaffen ist nach 25 Jahren aktueller denn je, sagen Otto Jäckel und Amela Skiljan von IALANA Deutschland aus Anlass des 25. Jahrestags der Veröffentlichung des Gutachtens am 08. Juli 1996.  
Der Einsatz von Atomwaffen und schon die Drohung damit stehen generell im Widerspruch zu den in einem bewaffneten Konflikt verbindlich anzuwendenden Regeln des internationalen Rechts, insbesondere den Regeln des humanitären Völkerrechts. Dies ist die zentrale Erkenntnis des wichtigsten Rechtsprechungsorgans der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag.

Eine Initiative der Zivilgesellschaft

Zur Erstattung des Gutachtens beauftragt worden war der IGH durch eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1994. Diesem Beschluss vorausgegangen war eine zivilgesellschaftliche Kampagne, initiiert von IALANA, IPPNW und dem von Bertha von Suttner gegründeten Internationalen Friedensbüro IPB, der sich weltweit über 2.000 Initiativen angeschlossen hatten und die dem Gericht im Friedenspalast von Den Haag über eine Million Unterschriften übergab.

Atomwaffenfreie Zonen und UN-Resolutionen

Das Gericht hatte sich bei seiner Untersuchung zunächst mit den bestehenden internationalen Verträgen und UN-Resolutionen beschäftigt, die sich mit Atomwaffen befassen und war zu dem Ergebnis gekommen, dass noch keine vertraglichen oder gewohnheitsrechtlichen Regeln bestünden, nach denen der Einsatz von Atomwaffen in jedem Fall erlaubt oder verboten sei. Ein Verbotsvertrag wie für biologische oder chemische Massenvernichtungswaffen bestand zu dieser Zeit noch nicht. Wegen der regionalen Begrenztheit der Verträge von Tlatelolco, Rarotonga, Bangkok und Kairo über die Errichtung von atomwaffenfreien Zonen in Südamerika, im Südpazifik, in Südasien und in Afrika sowie wegen der Gegenstimmen gegen die Vielzahl von Resolutionen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen, mit denen die Atomwaffenmächte zur Abrüstung aufgefordert worden sind, könne noch nicht von einer allgemeinen Rechtsansicht (opinio juris) gesprochen werden, wonach Atomwaffen per se rechtswidrig seien.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der militärischen Mittel

Das Gericht hatte sich sodann den im bewaffneten Konflikt einzuhaltenden Regeln der Charta der Vereinten Nationen und des humanitären Völkerrechts zugewandt und folgendes festgestellt. Das Recht auf Notwehr in Art. 51 UN-Charta, wonach jeder Staat das Recht hat, sich gegen einen bewaffneten Angriff zur Wehr zu setzen, bis der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sich der Sache angenommen hat, unterliege bestimmten Einschränkungen, die sich aus den Grundsätzen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergeben. Es gibt eine besondere gewohnheitsrechtliche Regel, wonach nur Maßnahmen gerechtfertigt sind, die zu dem bewaffneten Angriff im Verhältnis stehen und notwendig sind, um ihm zu begegnen (Ziffer 41 des Gutachtens).

Die Regeln des humanitären Völkerrechts

Darüber hinaus muss nach Ansicht des IGH jede der Verteidigung dienende Gewaltanwendung zugleich die für bewaffnete Konflikte verbindlichen Bedingungen des humanitären Völkerrechts erfüllen. Dazu zählen insbesondere das „Haager Recht“ über die Gesetze des Landkriegs, das die Mittel und Methoden beschränkt, den Feind in einem internationalen bewaffneten Konflikt zu schädigen, das „Genfer Recht“, das die Kriegsopfer schützt und darauf abzielt, das Leben kriegsunfähiger Angehöriger der Streitkräfte und unbeteiligter Personen zu schützen und schließlich das Recht, mit dem die Anwendung bestimmter Waffen wie erstickende Gase, Dumdum-Geschosse, die sich im Körper aufpilzen, biologische und chemische Waffen und Anti-Personen-Landminen verboten werden. Im Ergebnis gelangte er zu der Feststellung, dass Atomwaffen generell gegen das Humanitäre Völkerrecht verstoßen, weil deren Waffenwirkung nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten unterscheidet, sie durch ihre radioaktive Strahlung unnötige Qualen verursachen und zu Schäden an der Umwelt und den Lebensgrundlagen der Menschen für zukünftige Generationen führen.

Das Neutralitätsgebot

Zudem verstoßen Atomwaffen gegen das Neutralitätsgebot, wonach das Territorium neutraler Mächte unantastbar ist, wie es schon in Artikel 1 des Haager Übereinkommens über die Rechte und Pflichten  neutraler Mächte und Personen im Falle der Landkriegführung von 1907 hieß. Der Gerichtshof stellte klar, dass dieses Neutralitätsprinzip sich auch auf Schäden bezieht, die durch den Waffeneinsatz in einem kriegführenden Land  verursacht werden.

Eine fiktive Zusatzfrage der Atommächte, die der IGH unbeantwortet ließ

Die Nuklearmächte berufen sich stets darauf, dass der IGH im Tenor seines Gutachten auch erklärt hat, er könne angesichts der gegenwärtigen Lage des Völkerrechts und angesichts des ihm zur Verfügung stehenden Faktenmaterials nicht definitiv die Frage entscheiden, ob die Androhung oder der Einsatz von Atomwaffen in einer extremen Selbstverteidigungssituation, in der die Existenz eines Staates auf dem Spiel stünde, rechtmäßig oder rechtswidrig wäre. Aus dem Kreis der Atomwaffenstaaten war argumentiert worden, dass der Einsatz von Atomwaffen in einer extremen Notwehrsituation jedenfalls dann erlaubt sein müsse, wenn es sich bei den eingesetzten Atomwaffen um „saubere“ Atomwaffen mit niedriger Sprengkraft handele. Die Aussage des Gerichts hierzu war der Tatsache geschuldet, dass nach der Feststellung des IGH keiner der Staaten, die für die Rechtmäßigkeit der Anwendung von Atomwaffen eintreten, in dem Verfahren näher ausgeführt hatte, welche die genauen Bedingungen eines solchen ausnahmsweise zulässigen Einsatzes sein sollten und welche Eigenschaften angeblich „saubere“ Atomwaffen haben könnten.

Keine offene Hintertür für Nuklearmächte

Wie der seinerzeitige Präsident des IGH, Mohammed Bedjaoui, in einer Besprechung des Gutachtens erklärte, bekundete der Gerichtshof mit dieser Passage lediglich seine fehlende Information über die von den Atomwaffenstaaten behauptete mögliche Entwicklung von „sauberen“ Atomwaffen. Nach seiner Überzeugung sei gerade die bei der Explosion von Atomwaffen freigesetzte radioaktive Strahlung die typische Eigenschaft von Atomwaffen, die gegen das humanitäre Völkerrecht verstoße. „Saubere“ Atomwaffen, die keine radioaktive Strahlung verursachten, seien eben keine Atomwaffen mehr. Entscheidend bleibt somit, dass der IGH in den Gründen seines Gutachtens wiederholt betont hat, Notwehr sei nur mit Waffen erlaubt, deren Anwendung den Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts nicht widersprechen; der IGH hat erklärt, dass das Notwehrrecht nach Art. 51 UN-Charta durch das humanitäre Völkerrecht eingeschränkt ist, „welche Mittel der Gewalt auch eingesetzt werden.“ Damit ist Notwehr mit Atomwaffen grundsätzlich völkerrechtlich verboten, weil diese nach dem gegenwärtigen Stand der Waffentechnik nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheiden, vor allem durch ihre radioaktive Strahlung unnötige Qualen verursachen, die Umwelt und die Grundlagen zukünftigen Lebens zerstören und neutrale Staaten grenzüberschreitend in Mitleidenschaft ziehen. Zudem kann durch die ausdrückliche Erklärung des IGH, dass er über den Einsatz von Atomwaffen in einem bestimmten Szenario unter bislang unbekannten Bedingungen keine Entscheidung treffe, nicht der Schluss gezogen werden, er habe diese Frage in dem Sinne beantwortet, der Einsatz in diesem Szenario sei völkerrechtlich zulässig. Eine Frage offen zu lassen heißt eben gerade nicht, sie zu bejahen.

Die doppelte Pflicht, in gutem Glauben zu verhandeln und mit dem Ergebnis der vollständigen atomaren Abrüstung abzuschließen
 
Einstimmig vertrat der Gerichtshof schließlich die Rechtsauffassung, aus Artikel 6 des Nichtverbreitungsvertrags und aus den Regeln des humanitären Völkerrechts ergebe sich die Verpflichtung, Verhandlungen in gutem Glauben fortzusetzen und abzuschließen, die zu atomarer Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und effektiver internationaler Kontrolle führen.

Der Atomwaffenverbotsvertrag, die Bundesregierung und die „nukleare Teilhabe“

Die Tatsache, dass die Atommächte sich beharrlich weigern, ihrer Pflicht zur Verhandlung über eine vollständige nukleare Abrüstung nachzukommen, führte erneut die Zivilgesellschaft auf den Plan. Die Internationale Kampagne gegen Atomwaffen ICAN initiierte erfolgreich die Verhandlungen über den Abschluss eines Atomwaffenverbotsvertrags unter der Ägide der Vereinten Nationen. Der Vertrag trat am 22. Januar 2021 in Kraft. Die noch im Amt befindliche Bundesregierung folgte dem Aufruf der US-Regierung an alle NATO-Staaten, sich nicht daran zu beteiligen. In dem Jahresabrüstungsbericht 2020 von Außenminister Maas vom 04. Mai 2021 lesen wir dazu auf Seite 22: „Der Atomwaffenverbotsvertrag ist mit Deutschlands bündnispolitischen Verpflichtungen und insbesondere mit der nuklearen Teilhabe in der NATO unvereinbar“.

Dabei ist bezeichnend, dass die Bundesregierung in ihrem Bericht die Regeln des humanitären Völkerrechts in richtiger Weise präzise benennt, wenn es z.B. um das VN-Waffenübereinkommen geht, das das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes konventioneller Waffen zum Gegenstand hat, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (S. 40), bezüglich des Einsatzes von Atomwaffen diese Regeln jedoch völlig ignoriert.

Damit geht einher, dass die Bundesregierung sich mit den Jagdfliegern der Bundesluftwaffe auch im kommenden Herbst wieder an der Atomkriegsübung „Steadfast Noon“ beteiligen will.

Diese Haltung der Bundesregierung befindet sich im offenen Widerspruch zu ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Eine Auseinandersetzung der Bundesregierung mit dem humanitären Völkerrecht in der höchstrichterlichen Interpretation durch den IGH findet nicht statt. Wenn ihre Vertreter darauf angesprochen werden, flüchten sie sich im Zweifel mit dem Argument, Atomwaffen seinen ja nur „politische Waffen“, die niemand anwenden wolle, aus der Diskussion. Eine öffentliche Debatte  hierzu ist überfällig. Initiator dieser Debatte wird wiederum die Zivilgesellschaft sein müssen, so Otto Jäckel und Amela Skilian abschließend.



Otto Jäckel                                         Amela Skiljan

Otto Jäckel (Vorsitzender der IALANA). Foto: C. Stille.

Quelle: Pressemitteilung IALANA

IALANA fordert klare Stellungnahme und politische Schritte der Bundesregierung gegen die Pläne der israelischen Regierung, weite Teile des besetzten palästinensischen Westjordanlands zu annektieren

IALANA Rundbrief
Presseerklärung

Die neugebildete Koalitionsregierung unter Benjamin Netanjahu und Benjamin Gantz hält an den schon vorher von Netanjahu verkündeten Plänen fest, alle 128 Siedlungen und das Jordantal, den fruchtbarsten Teil Palästinas, zu annektieren. Das Wahlergebnis zeigt, dass diese Annexionspläne von dem größten Teil der nichtarabischen Bevölkerung Israels geteilt werden. Voraussetzung für diesen radikalen Schritt war die Zustimmung der USA, die US-Außenminister Pompeo am 25. April gegeben hat. Andere Regierungen sind offenbar nicht konsultiert worden, vor allem nicht die betroffenen Palästinenser.

Jede Annexion fremden Territoriums ist ein schwerer Verstoß gegen internationales Recht und daher illegal. Die Vereinten Nationen haben nie die Annexion Jerusalems und der Golan-Höhen anerkannt, der Internationale Gerichtshof hat die Annexion in seinem Gutachten zur Mauer von 2004 ausdrücklich als rechtswidrig und nichtig bezeichnet. Daran ändert auch nichts, dass US-Präsident Trump die Völkerrechtswidrigkeit der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik bestreitet und die syrischen Golan-Höhen und Ostjerusalem als integralen Teil Israels anerkennt. Beides ist nach internationalem Recht irrelevant und selbst ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht. Dies gilt auch für den sog. Nah-Ost-Plan der Trump-Administration, der auf der weitgehenden Enteignung und Annexion palästinensischen Territoriums aufbaut. Er zerstört damit endgültig die Zwei-Staaten-Lösung, die entsprechend zahlloser UNO-Resolutionen immer noch die Grundlage der internationalen Palästinapolitik bildet. Das Ziel eines palästinensischen Staates neben Israel, das seit der UNO-Resolution 181 aus dem Jahr 1947 immer noch gültig ist, wird aufgegeben und eine von den Palästinensern geplante Hauptstadt Ost-Jerusalem illusorisch. Für einen Staat Palästina mit eigenen Grenzen bleibt kein Territorium übrig. Die Reste Palästinas werden ohne eigene Selbstbestimmung und Souveränität faktisch der israelischen Willkür ausgeliefert – eine neue Art von Kolonie.

Ein Prozess der Zerstörung, Enteignung und Kolonisierung hat sich durch die Jahrzehnte vor allen Augen in den besetzten Gebieten vollzogen, ohne dass die internationale Gemeinschaft dagegen erkennbaren Widerstand geleistet hätte. Insbesondere die deutsche Bundesregierung hat nicht nur weitgehend geschwiegen, sondern im Rahmen der EU aktiv Initiativen verhindert, die Israel zum Stopp der Siedlungs- und Aufhebung der Besatzungspolitik bewegen sollten. Ihre gelegentliche und vorsichtige „Kritik“ konnten die israelischen Regierungen eher als Unterstützung denn als Ablehnung ihrer Politik auffassen. Zudem hat die Bundesrepublik Palästina die Anerkennung als Staat in der UNO verweigert, obwohl es über alle Merkmale eines Staates verfügt und von über 2/3 der Mitgliedstaaten in der UNO anerkannt wird. Sie hat sogar im jüngsten Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag , in dem es um die Klage gegen Israel wegen schwerer Kriegsverbrechen im Krieg gegen Gaza 2014 und Menschenrechtsverstößen in den besetzten Gebieten geht, versucht, das Verfahren zu verhindern. Allerdings vergeblich, da die Generalanklägerin Fatou Bensouda die Rechtssprechungskompetenz des Gerichtshofs über Palästina ausführlich begründet und anerkannt hat.

Die Situation ist dramatisch. Netanjahu will unbedingt die Annexion bis zu den nächsten Wahlen in den USA unter der Präsidentschaft von Trump durchführen und hat den 1. Juli als Termin festgesetzt. Es bleibt wenig Zeit, in der die internationale Gemeinschaft ihr ständiges Bekenntnis zum Internationalen Recht durch wirksame Maßnahmen unter Beweis stellen kann. Die Staaten können nicht den Widerspruch begründen, Russland wegen des Anschlusses der Krim mit Sanktionen zu belegen, Israel aber bei der Zerstörung der staatlichen Existenz eines Volkes durch die Annexion ihres Territoriums gewähren zu lassen. Insbesondere die Bundesregierung muss ihre Verantwortung, die sie immer nicht nur gegenüber Israel sondern auch gegenüber den Palästinensern betont hat, wahrnehmen und ihre legitimen Rechte schützen.

Sie kann sich dabei auf internationale Kritik stützen, die sogar aus Israel selbst kommt. 56 ehemalige Knesset-Abgeordnete haben die Annexion als einen „tödlichen Schlag für eine Friedensmöglichkeit und die Schaffung eines Apartheid-Staates“ abgelehnt. 300 ehemalige Generäle und Offiziere der israelischen Armee und Chefs des Mossad haben ebenfalls die Pläne der Regierung scharf kritisiert. In Großbritannien haben sich 127 ehemalige und gegenwärtige Parlamentarier aller Parteien an die britische Regierung gewandt und  Premier Minister Johnson aufgefordert, die Illegalität der Annexionen zu rügen und „ernsthafte Konsequenzen inklusive Sanktionen“ anzukündigen.

Die Deutsche Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Armement (IALANA) schließt sich dieser Kritik an und fordert die Bundesregierung auf, ihren Verpflichtungen aus dem Internationalen Recht nachzukommen und alles zu unternehmen, dass Israel von seinen Annexionsplänen Abstand nimmt. Insbesondere sollte sie auf die Aussetzung des EU-Israel Assoziierungsabkommens dringen, solange Israel nicht die in Art. Zwei des Abkommens geforderte Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts garantiert. Dazu gehört, jegliche Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit den illegalen israelischen Siedlungen zu untersagen und sicherzustellen, dass keine Geschäftsbeziehungen mit israelischen Unternehmen in den besetzten Gebieten unterhalten werden. Desgleichen sollte jeder Waffenhandel untersagt und die militärische Kooperation mit Israel gestoppt werden. Die Bundesregierung sollte sich für die strafrechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechen in Gaza und dem besetzten Westjordanland einsetzen, statt zu versuchen, das Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu verhindern. Dazu fordern wir, dass die Bundesregierung endlich den Staat Palästina völkerrechtlich anerkennt. Die Bundesregierung darf sich nicht mehr hinter der verbrecherischen Geschichte der Nazi-Herrschaft verstecken und aus falsch verstandener Verantwortung zum Komplizen einer offen völkerrechtswidrigen Politik machen. Sie muss gegen die Annexion Stellung beziehen und ein Ende der seit Jahrzehnte dauernden illegalen Besatzung fordern.

Otto Jäckel (Vorsitzender der IALANA). Foto: C. Stille.

RA Otto Jäckel     Prof. Dr. Norman Paech
Vorsitzender         Wissenschaftlicher Beirat

Quelle: IALANA-Presseerklärung

IALANA fordert eigene Initiativen der Bundesregierung zur Erhaltung des “Open-Skies-Abkommens”

IALANA-Rundbrief

Die USA kündigen derzeit wichtige völkerrechtliche Verträge in Serie. Erst das Atomabkommen mit dem Iran, dann den INF-Vertrag. Jetzt – wieder ohne jede Absprache mit den europäischen NATO-Partnern – den Vertrag über den offenen Himmel von 1992. Schließlich müsste der bilaterale New START-Vertrag zwischen Russland und den USA, der im Februar nächsten Jahres ausläuft, dringend für weitere 5 Jahre verlängert werden. Russland ist dazu bereit; aber die USA wollen offenbar auch diese letzte noch bestehende Begrenzung für die Aufrüstung mit neuen strategischen Atomraketen loswerden, indem sie die Einbeziehung Chinas fordern, das schon entschieden abgelehnt hat.

Der Vertrag über den offenen Himmel ist kein Abrüstungsvertrag und dennoch ein wichtiges Ergebnis aus der Zeit der Beendigung des Kalten Krieges: ein Vertrag, der für gemeinsame Beobachtungsflüge der bisherigen Gegner in Ost und West “dem jeweils anderen den Himmel öffnet”. Alle NATO-Staaten zuzüglich Schweden und Finnland und fast alle Nachfolgestaaten des Warschauer Pakts sind ihm beigetreten, so dass sein Vertragsgebiet heute praktisch die ganze nördliche Halbkugel der Erde umfasst, von “Vancouver bis Wladiwostok”.

Er basiert auf dem Konzept der kollektiven Sicherheit, gewährleistet wechselseitig Transparenz und Vertrauen. Er dient damit auch der Verifikation gemeinsamer völkerrechtlicher Abkommen. Alle beteiligten Staaten können nach kurzfristiger Ankündigung über den beabsichtigten Startflugplatz (3 Tage vorher) und Route (24 h vor Start) das Staatsgebiet eines anderen Vertragsstaates auf beliebiger Route überfliegen und dabei Aufnahmen anfertigen, die dann wiederum allen Vertragsstaaten zur Verfügung gestellt werden. Dabei fliegen jeweils Vertreter des überflogenen Staates mit und kontrollieren die Einhaltung der vereinbarten Bedingungen (z.B. Auflösung der Aufnahmen nicht unter 30 cm). Dazu werden die genutzten Flugzeuge mit den Beobachtungseinrichtungen auch vorab zertifiziert. Im Zeitalter hochauflösender Satellitenaufnahmen ist der Wert dieser Aufzeichnungen für die Weltmächte mit eigenen Satelliten begrenzt; anders aber für die vielen kleineren Staaten, die so an Bilder kommen, die auf anderem Weg für sie nicht erhältlich sind. Immerhin erlauben die eingesetzten Sensoren, Raketen, Kampfpanzer und Flugzeuge nach Typen zu unterscheiden.

Der Vertrag ist 2002 in Kraft getreten und seither erfolgreich praktiziert worden. Bisher wurden mehr als 1.500 Überflüge durchgeführt. Die USA behaupten jetzt, Russland verletze den Vertrag in mehrfacher Hinsicht und zwinge die USA zum Austritt.

Verletzt aber Russland den Vertrag wirklich? – Erhoben werden von den USA öffentlich drei Vorwürfe.

Zunächst wird allgemein behauptet, Russland nutze die Überflüge zur Spionage. So sei 2017 Washington überflogen und kritische militärische und politische Infrastruktur beobachtet worden. Da aber jeweils auch US-Militär mitgeflogen war und vorher das Equipment kontrolliert hatte, konnte ein nicht vertragsgemäßes Handeln nicht einmal substantiell behauptet werden. Zudem wurden die USA von Russland nur 70 Mal überflogen, Russland/Belarus dagegen 500 Mal, wobei Vertreter der USA in 200 Fällen unmittelbar mit an Bord waren.

Der zweite Vorwurf betrifft einen 10 km breiten Streifen Russlands an den umstrittenen Grenzen zu Georgien, wo Russland den Überflug nicht erlaubt. Hintergrund ist der ungelöste Konflikt um die von Russland anerkannte Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien. Da diese beiden Staaten nicht Vertragsstaaten im Open Skies-Vertrag sind, berief sich Russland auf die Vertragsbestimmung, den 10 km Streifen zum Nachbarstaat nicht zum Überflug freizugeben. Georgien verhindert im Gegenzug seit 2012 alle Überflüge Russlands.

Der dritte Vorwurf betrifft die nur 15.000 qkm große russische Enklave Kaliningrad. Hier hat Russland 2015 einseitig und damit vertragswidrig die erlaubte Flugstrecke auf 500 km begrenzt. Der Vertrag sah für die Enklave Kaliningrad keine gesonderte Begrenzung vor, so dass es als Teil des “westlichen Russlands” galt. (Für ganz Deutschland z.B. gilt eine Begrenzung von 1.200 km, für den gesamten westlichen Teil Russlands 5.000 km.) Hintergrund für das Vorgehen Russlands bei der Begrenzung ist aber, dass Polen im Jahr 2014 die volle Distanz für das westliche Russland von 5.000 km für einen stundenlangen mehrfachen Überflug ausschließlich des Gebiets von Kaliningrad ausnutzte. Der Vertragsbruch durch Russland ist zudem keine essentielle Vertragsverletzung: auch mit 500 km Flugstrecke kann das kleine Gebiet von Kaliningrad vertragsgemäß überwacht werden.

Die USA haben 2017 dann selbst den Vertrag gebrochen und einseitig Alaska und Hawaii vom Überflug durch Russland ausgeschlossen.

Im Herbst 2020 findet die nächste Überprüfungskonferenz des Open-Skies-Vertrags statt. Die entstandenen Differenzen in der Vertrags-durchführung könnten mit gutem Willen gelöst und die Kündigungsgründe der USA ausgeräumt werden.

Die Vermittlerrolle fällt vor allem Deutschland und Frankreich zu. Sie müssten sich zu Fürsprechern der europäischen Staaten machen, die den amerikanischen Alleingang bei der Aufkündigung von Open Skies nicht billigen, sondern am Vertrag festhalten wollen. Die Erklärung von Außenminister Maas vom 21.05.2020, Deutschland “ bedauere den Ausstieg der USA aus dem Abkommen, auch wenn man die Zweifel der USA an der Einhaltung der Vertragsklauseln durch Russland teile”, lässt leider wenig von der ansonsten beanspruchten neuen größeren deutschen Verantwortung in der Welt erkennen. IALANA Deutschland fordert die Bundesregierung daher dazu auf, eigene politische und diplomatische Initiativen zu ergreifen, um sich für die Erhaltung der Regelung über den offenen Himmel im Interesse der gemeinsamen Sicherheit in Europa und in der Welt einzusetzen.

Quelle: IALANA

IALANA: Erklärung zur nuklearen Teilhabe und zur geplanten Anschaffung neuer Trägerflugzeuge für den Atomwaffeneinsatz

IALANA Presseerklärung:

Obwohl alle Nicht-Atomwaffenstaaten in Art. II Nichtverbreitungsvertrag (NPT) und Deutschland zusätzlich in Art. 3 des sog. Zwei-Plus-Vier-Vertrages vom 12.9.1990 völkerrechtlich verbindlich auf jede unmittelbare und mittelbare Verfügungsgewalt über Atomwaffen verzichtet haben, wird innerhalb der NATO weiterhin die nukleare Teilhabe praktiziert. Zur nuklearen Teilhabe gehört insbesondere,

(1) dass Deutschland, die Niederlande, Belgien, Italien und die Türkei nach wie vor in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO mitwirken,

(2) dass in geheim gehaltenen Bunkern in Deutschland, den Niederlanden, Belgiens, Italiens und der Türkei nach wie vor eine unbekannte Anzahl Atomwaffen mit einer vielfachen Zerstörungskraft der in Hiroshima und Nagasaki eingesetzten Nuklearwaffen gelagert wird, die im Spannungs- oder Kriegsfall von den US-Streitkräften auch den Streitkräften dieser Nicht-Atomwaffenstaaten und damit auch den Einsatzkräften der Bundeswehr für den Abwurf auf feindliche Ziele entgegen den Regelungen in Art. II des NPT zur Verfügung gestellt werden sollen und

(3) dass die Bundeswehr – ebenso wie die Streitkräfte der anderen NATO-Nicht-Atomwaffenstaaten – nach wie vor Atomwaffenträger bereithält, und zwar die Tornado-Flugzeuge des in Büchel in der Eifel stationierten Jagdbombergeschwaders 33 (Teil der 2. Luftwaffendivision), mit denen sie regelmäßig Atomwaffeneinsätze übt.

Alle NATO-Staaten nehmen nach wie vor den sog. „Kriegsvorbehalt“ in Anspruch. Danach soll der Nichtverbreitungsvertrag dann nicht mehr gelten, wenn „eine Entscheidung, Krieg zu führen, getroffen wird“ („in welchem Zeitpunkt der Vertrag nicht mehr maßgebend wäre“). Wenn dieser öffentlich verschwiegene Kriegsvorbehalt völkerrechtlich wirksam wäre, würde er den Nichtverbreitungsvertrag und das in ihm enthaltene Verbot der Weitergabe von Atomwaffen an Nicht-Atomwaffenstaaten im Spannungs- und Kriegsfall praktisch gegenstandslos machen.

Belege für das völkerrechtlich wirksame Zustandekommen eines förmlichen Vorbehalts zu Art. II des NPT sind der Öffentlichkeit bislang nicht vorgelegt worden. Es bestehen gewichtige völkerrechtliche Einwände gegen seine Wirksamkeit, und zwar sowohl hinsichtlich des Verfahrens (fehlende nachgewiesene Kenntnisgabe an die NPT-Vertragspartner gem. Art. 23 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge WÜRV) als auch in materieller Hinsicht (Vereinbarkeit i.S.v. Art. 19 WÜRV mit Ziel und Zweck des NPT).

Gegenwärtig wird öffentlich der Kauf von Flugzeugen für die Bundeswehr diskutiert, welche die veralteten Tornado-Kampfflugzeuge ersetzen sollen. Mit diesen sollen im Einsatzfall Bundeswehrsoldaten nach einer erfolgten Freigabe des US-Präsidenten die in Büchel gelagerten US-amerikanischen Atomwaffen zu den Zielorten befördern und dort abwerfen. Damit wird für Deutschland zumindest eine mittelbare, im Kriegsfalle sogar eine unmittelbare Verfügungsge­walt über diese Atomwaffen in Anspruch genommen. Dabei haben sich alle Nicht-Atomwaffenstaaten in Art. II NPT (BGBl. 1974 II, S. 786) und Deutschland zudem in Art. 3 des 2+4-Vertrages (BGBl. 1990 II, 1318) völkerrechtlich verbindlich verpflichtet, „die Verfügungsgewalt“ über Atomwaffen „von nieman­dem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen“.

Irreführend wird von Politikern behauptet, die nukleare Teilhabe sei „ein wichtiger Baustein unserer Sicherheitsstruktur“ (Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion), die letzte Entscheidung über den Einsatz amerikanischer Atomwaffen von deutschen Boden aus liege „immer beim Bundeskanzler“ (Karl-Heinz Brunner, der sozialdemokratische Vorsitzende des Unterausschusses Abrüstung des Deutschen Bundestags).

Tatsache ist, dass über den Einsatz der Atomwaffen im Rahmen der NATO-Kriegsführung zunächst die Repräsentanten der Mitgliedsländer im NATO-Rat im Konsens zu beschließen haben. Über die Freigabe der Sicherungscodes für den Einsatz und den Einsatz selbst entscheidet allein der US-Präsident. Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass eine deutsche Bundeskanzlerin oder ein Bundeskanzler im Falle eines bewaffneten Konflikts nach einer solchen Konsens-Entscheidung im NATO-Rat unter deutscher Beteiligung anschließend den Befehl an die Luftwaffe der Bundeswehr erteilen wird, sich nicht an dem Einsatz der von dem US-Präsidenten freigegebenen Atomwaffen zu beteiligen.

Die Behauptung, die nukleare Teilhabe sei ein wichtiger Baustein der deutschen Sicherheitsstruktur und sei lediglich der „Bündnistreue“ geschuldet, widerspricht jeglicher menschlichen Einsicht.

Alle Konzepte und Strategien der nuklearen Abschreckung gehen davon aus, der potentielle Gegner könne von einem Angriff wirksam dadurch abgeschreckt werden, dass man ihm für diesen Fall einen vernichtenden Gegenschlag androht, der für ihn zu unannehmbaren Folgen und Schäden, wenn nicht zur vollständigen Vernichtung in einem nuklearen Inferno führen werde. Deshalb müsse die eigene Fähigkeit und Bereitschaft zu einer solchen Reaktion glaubwürdig demonstriert werden.

Notwendiger Bestandteil für ein „Funktionieren“ dieser Abschreckungs-„Logik“ ist dabei jedoch, dass man es mit einem rational kalkulierenden Gegner zu tun hat, der auf der Basis hinreichender und ihm auch zur Verfügung stehender Informationen ausschließlich rationale Entscheidungen trifft.

Das Abschreckungskonzept kann mithin schon nach seiner eigenen „Logik“ nicht funktionieren, wenn es um die Abschreckung eines „irrationalen“ Gegners geht. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn dieser für „rationale“ Argumente nicht oder nur schwer zugänglich ist, also wenn er – aus welchen Gründen auch immer – zur Benutzung rationaler Abwägungskalküle nicht imstande oder nicht willens ist. Historische Beispiele für solche „abschreckungsresistenten“ Gegner waren jedenfalls im 20. Jahrhundert, dem „Zeitalter der Extreme“ nicht gerade selten; man stelle sich vor, sie hätten über Atomwaffen verfügt. Die aktuelle Weltpolitik zeigt ähnliche Gefahren. In der aktuellen schweren Weltwirtschaftskrise können lokale bewaffnete Konflikte schnell zu einem militärischen Schlagabtausch zwischen Großmächten eskalieren.

Aber auch dann, wenn man es mit einem prinzipiell „rationalen Gegner“ zu tun hat, ist die Funktionsfähigkeit auch der nuklearen Abschreckung davon abhängig, dass diesem Gegner nach den konkreten Umständen hinreichende zeitliche und informatorische Kapazitäten zur Verfügung stehen, um kritische Entscheidungssituationen in dem erforderlichen Maß abschätzen und beurteilen zu können sowie hieraus in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit verantwortliche Folgerungen zu ziehen. Es ist äußerst fraglich und ungewiss, dass dies – wenn es für das Überleben der Menschheit darauf ankommt – der Fall sein wird.

Die Abschreckungs-„Logik“ funktioniert auch dann nicht und stößt an gefährliche Grenzen, wenn menschliche Fehleinschätzungen oder „technisches Versagen“ wirksam werden. Dies ist etwa der Fall, wenn sich elektronische Fehlinformationen in Kommunikationssysteme einschleichen oder andere Defekte dort wirksam werden, die es für die jeweils andere Seite angesichts extrem kurzer Vorwarnzeiten sehr schwer oder gar unmöglich machen, sicher zu diagnostizieren, ob in der konkreten Entscheidungssituation die z.B. aus den Computersystemen verfügbaren Daten auf einen gegnerischen Angriff schließen lassen oder nicht. In den vergangenen 70 Jahren gab es im Osten und im Westen – gut dokumentiert – zumindest zwanzig äußerst kritische Situationen, in denen die Welt am Rande eines nuklearen Infernos stand. Allein aufgrund glücklicher Umstände entging die Welt dabei einer nuklearen Katastrophe (Ex-US-Verteidigungsminster Robert McNamara: „We only lucked out“).

Das von den Fürsprechern der Atombewaffnung vorgebrachte Argument, dass Deutschland mit dem Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe das Mitsprache-Recht bei einem geplanten Atomwaffeneinsatz der NATO verliere, ist unzutreffend, weil der Nuklearen Planungsgruppe der NATO außer den Stationierungsländern auch die NATO-Mitgliedsstaaten Kanada und Griechenland angehören, die aus der nuklearen Teilhabe ausgestiegen sind und von deren Boden die USA ihre Atomwaffen abgezogen haben. Über einen etwaigen Atomwaffeneinsatz der NATO hat im Übrigen ohnehin der NATO-Rat zu entscheiden, dem alle Regierungen der Mitgliedsländer angehören.

Ein Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe der NATO ist auch deshalb geboten, weil die Regierung der NATO-Führungsmacht USA unter dem Präsidenten Trump von dem Kurs der begrenzten nuklearen Abrüstung des Vorgänger-Präsidenten Obama abgerückt ist und unverhohlen die Strategie verfolgt, dass ein Atomkrieg führbar und gewinnbar sei. Alle nuklearen Rüstungsbegrenzungs-Abkommen haben die USA gekündigt bzw. nicht verlängert, ihre strategischen Raketen werden nicht mehr in die NATO-Planung eingebracht, taktische nukleare „Mini-Nukes“ sind bereits auf US-Atom- Ubooten stationiert und können ohne Absprache mit den NATO-Verbündeten eingesetzt werden. Wenn aus der Sicht der Pentagon-Planer ein begrenzter Atomschlag in Europa möglich ist, besteht die Gefahr, dass Deutschland an einem solchen Völkerrechtsverbrechen mitwirken wird. Außerdem würde Deutschland das Schlachtfeld eines Nuklearkrieges werden – eine Gefahr, die mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation des „Kalten Krieges“ als beendet angesehen worden war.

IALANA widerspricht daher entschieden dem von der Bundesregierung erörterten Plan, für den Einsatz der in Büchel stationierten US-amerikanischen Atomwaffen neue Trägerflugzeuge anzuschaffen. Wir fordern, dass Deutschland umgehend die nukleare Teilhabe beendet Ein erster Schritt hierzu wäre es, den Übungsbetrieb des Jagdgeschwaders 33 in Büchel mit sofortiger Wirkung einzustellen. Die Bundesregierung ist in ihren Entscheidungen nicht frei, sondern gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz an Recht und Gesetz gebunden. Sie hat Entscheidungen zu unterlassen, die gegen bindendes Völkerrecht und das deutsche Recht verstoßen. Dementsprechend hat der Bundestag am 26. März 2010 fraktionsübergreifend mit breiter Mehrheit den Beschluss gefasst, die Bundesregierung aufzufordern, „sich bei der Ausarbeitung eines neuen strategischen Konzepts der NATO im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen.“ Ein Beschluss zur Modernisierung der Trägersysteme in Büchel und zum Ankauf von US-amerikanischen F 18 Jagdbombern wäre mit diesem Beschluss und den Geboten des Grundgesetzes und des internationalen Rechts unvereinbar.

Quelle: IALANA

IALANA fordert von den Regierungen der EU und der USA die sofortige Aussetzung aller Sanktionen gegen den Iran, die Liererungen von medizinischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Wege stehen

Pressemitteilung

IALANA fordert von Bundeskanzlerin Merkel, den Regierungen der EU und der USA: Setzen Sie sofort alle Sanktionen gegen den Iran aus, die Lieferungen mit medizinischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Wege stehen.

Iran ist ein Brennpunkt der grassierenden Pandemie. Nach offiziellen Angaben sind bis jetzt bereits mehr als 3.450 Todesopfer zu beklagen.

Die Katastrophe trifft auf ein Land, dessen Bevölkerung seit Jahren unter den scharfen Sanktionen der USA und der EU leidet. Die Inflation ist auf 40% gestiegen. Für dieses Jahr werden zusätzlich 500.000 Arbeitslose erwartet.  Die Hoffnung im Iran auf eine wirtschaftliche Erholung und ein Ende der Sanktionen nach dem Abschluss des Iran-Atom-Abkommens im Juli 2015 trog: Die USA kamen der Verpflichtung zur Aufhebung ihrer Sanktionen nur teilweise nach, kündigten im Mai 2018 den Vertrag unter Missachtung des Sicherheitsrates völkerrechtswidrig einseitig auf und setzten nicht nur ihre bisherigen Sanktionen wieder voll in Kraft, sondern begannen eine Politik des  „maximalen Drucks“. Dazu verschärfte die US-Regierung die Sanktionen noch und installierte mithilfe einer Sperrung des internationalen Finanzsystems für alle Zahlungsvorgänge mit dem Iran eine nahezu totale Import- und Export-Blockade.  Staatliche iranische Auslandsguthaben über ca. 60 Mrd. US-Dollar sind ohnehin seit Jahren von den USA beschlagnahmt.  Durch die Sanktionen wird der Iran gehindert, Erdöl zu verkaufen und mit Hilfe der Devisen Medikamente und medizinisches Material zu importieren. Deutschland und die EU haben dieser US-Politik außer der Beteuerung, dass es beim Iran-Atom-Abkommen bleiben solle, nichts entgegengesetzt; das von ihnen installierte Ersatzfinanzsystem INSTEX hat in 15 Monaten nur eine einzige Transaktion abgewickelt. Ihre eigenen Sanktionen hat die EU sogar verlängert.

Die US-Regierung behauptet zwar, Medikamente seien von ihren Sanktionen ausgeschlossen. Da aber Banken sowie Transport- und Versicherungsunternehmen nicht das Risiko eingehen wollen, wegen Handels mit dem Iran sanktioniert zu werden, sind bestimmte lebenserhaltende Medikamente rar geworden. Auch können die zur Produktion erforderlichen Grundstoffe nicht importiert werden. Das hat zur Folge, dass auch die Herstellung vieler Medikamente im Iran selbst unmöglich geworden ist. Bereits im Herbst letzten Jahres konnten Epilepsiekranke und Krebspatienten nicht mehr versorgt werden. Die Gesundheit von Millionen Iranern war schon bedroht, ehe die Pandemie mit COVID-19 Iran erreichte. Human Rights Watch berichtete, US-Regierungsmitarbeiter hätten mehrmals erkennen lassen, dass das der iranischen Bevölkerung zugefügte Leid beabsichtigt sei; diese solle in die Revolte gegen ihre Regierung getrieben werden.

IALANA sieht die einseitigen extraterritorialen Wirtschaftssanktionen, mit denen die USA alle anderen Staaten auf ihren Kurs zwingen wollen, als eine nach der UN-Charta rechtswidrige Einmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten an. Davon betroffen sind auch Kuba, Syrien und jetzt Venezuela.   Die faktische Blockade der Lieferung lebensnotwendiger Güter wie Medikamente und medizinische Hilfsmittel in den Iran ist noch schwerwiegender: sie ist ein Menschheitsverbrechen. Sie gibt mit voller Absicht unschuldige Menschen dem Tod preis.

Im Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof um die Freigabe der iranischen Auslandsguthaben hat das Gericht im Oktober 2018  einstimmig – mit Unterstützung auch des von den USA benannten Richters –  eine bindende einstweilige Anordnung getroffen: die USA wurden verpflichtet, nicht nur die Sanktionen insoweit aufzuheben, als sie die freie Ausfuhr von Medikamenten, medizinischen Geräten, Lebensmitteln und Agrarerzeugnissen behindern, sondern auch den dafür anfallenden Zahlungsverkehr nicht zu beeinträchtigen.

Das hinderte die Trump-Regierung nicht daran, am 17.März 2020, während das Coronavirus im Iran schon wütete, neue Sanktionen gegen den Iran zu verhängen und die Einfuhrblockade für medizinische Produkte ausdrücklich aufrecht zu halten. Die EU, Deutschland, Frankreich und Großbritannien sandten über die WHO nur eine symbolische kleine medizinische Hilfslieferung in den Iran.

In der aktuellen Notlage hat die iranische Regierung erstmals seit 60 Jahren sogar den Internationalen Währungsfonds um Soforthilfe in Höhe von 5 Mrd. US-Dollar gebeten.  IWF-Direktorin Georgieva hatte vor wenigen Tagen mitgeteilt, es stünden flexible Notfallkredite im Volumen von 50 Milliarden Dollar zur raschen Verwendung für Schwellen- und Entwicklungsländer bereit, die unter der Corona-Krise leiden. Zehn Milliarden Dollar könne der IWF sogar zum Nullzins vergeben. Iran erfüllt die Kriterien fraglos. Es muss aber befürchtet werden, dass die USA dagegen ihr Veto einlegen werden.
Nur ein Mittel kann jetzt zuverlässig helfen:  die Iran-Sanktionen müssen umgehend aufgehoben oder zumindest in der Zeit der Pandemie für medizinische Hilfe ausgesetzt werden. Das fordern auch die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, der UN-Generalsekretär, António Guterres, und die Sicherheitsratsmitglieder Russland und China. Gefordert sind neben den USA auch die EU und Deutschland. Sie müssen nicht nur ihre eigenen Sanktionen aufheben, sondern den internationalen Druck gegen unilaterale Sanktionen der USA in der jetzigen Lage der Pandemie verschärfen und   humanitäre Hilfslieferungen an den Iran gewährleisten. Das gebietet die Befolgung der von dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag erlassenen Einstweiligen Anordnung und die menschliche Pflicht zur Abwendung einer humanitären Katastrophe.

Gleichlautend an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundesaußenminister Heiko Maas und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller.

Quelle: Pressemitteilung der IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht. Deutsche Sektion der „International Association of Lawyers against Nuclear Arms.

(Pressemitteilung) IALANA: Die Bundesregierung muss endlich gegen die fortgesetzten Verletzungen des Völkerrechts seitens der US-Regierung protestieren und die Verbrechen im Drohnenkrieg unter Nutzung der Air Base Ramstein unterbinden

Die Ermordung des iranischen Generals Kassem Soleimani und hochrangiger irakischer Milizenführer bei Bagdad waren illegale völkerrechtswidrige Hinrichtungen. Der Drohnenangriff war zugleich eine kriegerische Aktion sowohl gegen den Iran als auch gegen den Irak, dessen Souveränität durch den Angriff verletzt wurde.
Die Bundesregierung hat bisher ebenso  wie die Weltöffentlichkeit keine konkreten Informationen von der US-Regierung erhalten über eine angebliche Notwehr- oder Selbstverteidigungssituation, welche diesen Angriff rechtfertigen könnte. Das wurde den Medienvertretern auf der Bundespressekonferenz am 6. Januar 2020 bestätigt. Die vom US-Präsidenten und seinem Außenminister vorgebrachte Behauptung, von General Soleimani sei eine akute Bedrohung ausgegangen, kann daher nur als fadenscheinige Schutzbehauptung gewertet werden.

Schon seit 2013 ist durch den Whistleblower Brandon Bryant bekannt, dass die US-Luftwaffe alle Drohneneinsätze im Nahen und Mittleren Osten über die auf der US-Luftwaffenbasis in Ramstein installierte Relaisstation steuert. Dies gilt mit höchster Wahrscheinlichkeit auch für die Tötung von Soleimani am 3.Januar 2020. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat im letzten Jahr  festgestellt, dass die Bundesregierung verpflichtet ist, sich durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern, dass eine Nutzung der Air Base Ramstein durch die USA für bewaffnete Drohneneinsätze nur im Einklang mit dem Völkerrecht stattfindet, und die Bundesregierung erforderlichenfalls gegenüber den USA auf die Einhaltung des Völkerrechts hinwirken müsse. Die Bundesregierung dürfe sich nicht zufrieden geben mit der abstrakten Zusicherung der US-Regierung, sie werde bei allen Aktivitäten in Ramstein das deutsche Recht beachten. Die Verlautbarungen der Regierungssprecher in der Bundespressekonferenz am 6. Januar 2020 lassen jedoch darauf schließen, dass die Regierung bezogen auf die Hinrichtung von Soleimani keinerlei Erklärungen zur Rechtfertigung des Angriffs von der US-Regierung gefordert, geschweige denn gegen die dafür erfolgte Nutzung der Air Base Ramstein Protest erhoben hat.
Die Regierung verhält sich wie ein willfähriger Vasall nach dem Motto der drei Affen: nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Durch die kontinuierliche Verletzung ihrer Schutzpflichten im Hinblick auf die Nutzung der Air Base Ramstein ist sie mitverantwortlich für die dort begangenen Rechtsverletzungen der USA. Sie ist mitverantwortlich für die daraus resultierende kontinuierliche Aushöhlung des Völkerrechts sowie die ebenfalls daraus resultierenden Gefahren für den Frieden.
Unerträglich ist, dass die Bundesregierung bislang übergeht, dass die USA mutwillig unter Bruch des Völkerrechts das Iran-Atom-Abkommen von 2015 verlassen und ihre früheren Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt haben. Darüber hinaus haben die USA mit zusätzlichen Sanktionen einen totalen Wirtschaftsboykott installiert, um einen Zusammenbruch der Versorgung der Bevölkerung und der öffentlichen Ordnung im Iran hervorzurufen, letztlich mit dem Ziel, einen Regime-Change herbeizuführen und eine ihnen willfährige Regierung zu erreichen. Auch diese Sanktionen, bei denen die Bevölkerung in Geiselhaft genommen wird, sind völkerrechtlich nicht zulässig. Sie treffen vor allem die Zivilbevölkerung, deren Versorgung mit Lebensmitteln, mit Medikamenten und medizinischen Ersatzteilen und führten bereits zu hoher Arbeitslosigkeit, hoher Inflation und horrenden Lebenshaltungskosten. Sie verstoßen gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot und die elementaren Menschenrechte.
Statt gegen diese Handlungen der USA zu protestieren, wirft Außenminister Maas einseitig der iranischen Regierung vor, sie halte das Atom-Abkommen von 2015 nicht ein und sei für die Spannungen verantwortlich. Tatsache ist aber, dass die iranische Regierung sich bei den Verhandlungen im Sicherheitsrat vorbehalten hat, die Beschränkungen der Anreicherung nicht einzuhalten, falls Sanktionen unter Bruch des Abkommens wieder in Kraft gesetzt werden sollten. Davon hat der Iran nun Gebrauch gemacht, zugleich aber mehrfach seine Bereitschaft betont, alle im Vertrag übernommenen Verpflichtungen wieder zu erfüllen, sobald die USA ihre vertragswidrigen Sanktionen aufheben. Tatsache ist schließlich, dass die iranische Regierung weiterhin entsprechend dem NPT-Vertrag mit der Internationalen Atomenergie Organisation kooperiert und die Einhaltung des NPT-Vertrages prüfen lässt.
Zwar wollen Deutschland, Frankreich und Großbritannien trotz des Drucks des US-Präsidenten nicht ebenfalls vertragsbrüchig werden und aus dem Atomabkommen austreten. Sie haben jedoch bisher keine wirksamen Schritte unternommen, um die USA zur Aufhebung ihrer Sanktionen zu bewegen oder wenigstens diese Sanktionen zu umgehen. Das aber wäre der einzig richtige Weg zur dauerhaften Konfliktlösung.  Statt dessen haben sie nun den Schlichtungsmechanismus des Abkommens in Gang gesetzt, nicht gegen die vertragbrüchigen USA, sondern den Iran! Sie riskieren damit, dass bei Nicht-Einigung im Sicherheitsrat alle früheren Sanktionen wieder automatisch in Kraft treten, auch die des Sicherheitsrats und der EU.
IALANA Deutschland hat die Bundesregierung bereits im Mai des vergangenen Jahres aufgefordert, den völkerrechtswidrigen Kriegsdrohungen und aggressiven Handlungen der US-Regierung nicht untätig zuzusehen. Sie ist ebenso wie die Europäische Union durch Art. 3 Abs. 5 des EU-Vertrags verpflichtet, die USA „zur strikten Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“ anzuhalten. Das bedeutet zunächst, sich klar gegen die USA zu positionieren, zu verlangen, dass die USA ihre Politik des maximalen Drucks aufgeben und die erneut in Kraft gesetzten und die  zusätzlich verhängten Sanktionen gegen den Iran zurücknehmen. Die USA müssen die Ursache der aktuellen Krise beheben und das Atomabkommen mit dem Iran fortführen. Nur so kann eine drohende weitere Eskalation vermieden werden.

Quell: IALANA

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