Von der „Was tun! NRW“ Konferenz in Dortmund

„Was tun NRW!“ ist laut Selbstauskunft eine außerparlamentarische Sammlungsbewegung von in der Partei Die Linke tätigen Funktionsträgern, darunter Kreissprecherinnen beziehungsweise Kreissprechern, kommunalen Mandatsträgern und Mitgliedern von Sprecher*innenräten von Landesarbeitsgemeinschaften. „Viele von uns“, heißt es weiter, „sind in der SL NRW (Sozialistische Linke; C.S.) organisiert. Bei uns wirken aber auch noch ehemalige Mitglieder der Partei Die Linke mit, welche in kommunalen Parlamenten tätig waren beziehungsweise jetzt parteilos sind. Auch haupt- und ehrenamtliche Gewerkschaftsmitglieder arbeiten bei uns mit.

Unsere Intention ist es, uns aktiv für eine neue starke linke politische Kraft in Deutschland und NRW zu engagieren.

Themenschwerpunkte unserer Arbeit sind Soziales, Friedenspolitik und eine Umweltschutzpolitik, welche nicht zu Lasten der Lohnabhängigen, Erwerbslosen und des Mittelstandes erfolgt.

Sahra Wagenknecht und ihren politischen Ansätzen stehen wir in diesem Kontext sehr positiv gegenüber.“

So stand es in der Einladung zur am vergangenen Samstag stattgefunden habenden „NRW-weiten Was tun! – Konferenz“ im Bürgerhaus Pulsschlag in Dortmund zu lesen.

Wer „Was tun NRW!“ ist

Auf der Website von „Was tun NRW!“ stellt man sich so vor: „Wir sind ein politischer Zusammenschluss in Nordrhein-Westfalen, der sich aktiv für die dauerhafte Existenz einer starken linken, sozial- und friedenspolitisch orientierten politischen Kraft einsetzt. Eine optimistische sowie zukunftsorientierte Kraft, welche unter anderem Persönlichkeiten wie Sahra Wagenknecht verbunden ist. Und die sich natürlich auch für in einen in einem sozialen Kontext eingebetteten Umweltschutz, Antifaschismus und eine gerechte Kommunalpolitik ganz konkret vor Ort mit Mut und Menschlichkeit engagiert.“

Über die Veranstaltung

Die Eröffnung und Begrüßung des Treffens hatte Ingo Meyer übernommen.


Evelyne Sukup (li), Ingo Meyer (Mitte; Moderation) und Dennis Deutges (re; Technik)

Es gehe darum, im außerparlamentarischen Bereich wieder eine starke linke Kraft zu etablieren, erklärte er. Meyer beklagte den politischen Einflussverlust der Partei DIE LINKE. Man sehe gerade in Arbeitervierteln und dort wo besonders viele Erwerbslose und arme Menschen leben, dass die AfD hauptsächlich da zunehmend an Stimmen gewinne.

Meyer gab aber zu verstehen, man dürfe nicht den Fehler machen das den Menschen, die die AfD wählen, anzulasten und sie zu beschimpfen. Denn es gebe unter der AfD-Wählern viele Menschen, die diese Partei aus Protest wählten, aber gar nicht wüssten, was diese Partei will und dass sie vorallem auch neoliberale Programmpunkte der AfD gar nicht kennen.

Ingo Meyers Appell: „Diese Menschen müssen wir wieder erreichen und sie dazu bringen sich wieder links zu engagieren bzw. links zu wählen“.

Was man nur tun könne, wenn man den Menschen zuhört und auf sie zugeht.

Der Politiker beklagte, es gebe in der Partei DIE LINKE zunehmende Tendenzen diese Menschen abzustempeln und auch ganz oben im Karl-Liebknecht-Haus höre man Meinungen, der Art, es habe gar keinen Sinn diese Menschen erreichen zu wollen.

Bei denen, die so dächten, handele es sich meist um sogenannte Lifestyle-Linke bzw. Pseudolinke – wie das etwa auch Sahra Wagenknecht bereits kritisiert hat. Man wolle sozusagen „grüner als die Grünen“ sein.

Ingo Meyer: DIE LINKE ist für mich „ein totes Pferd“

Ingo Meyer vertritt die Meinung, dass die Partei DIE LINKE zunehmend darin versagt, wirklich linke Politik – im traditionellen Sinne – für die Benachteiligten in dieser Gesellschaft zu machen.

Meyer: „Ich persönlich bin der Auffassung, dass es tatsächlich zu einer neuen Partei kommen wird. Und, dass es auch wichtig und notwendig ist, dass dies geschieht.“ DIE LINKE sei für ihn inzwischen „ein totes Pferd“. Weshalb so einige schon aus der Partei ausgetreten seien.

Er machte den Vorschlag mit anderen Bewegungen, die ähnliche Positionen vertreten, zusammenzuarbeiten. Als Beispiele nannte Meyer „Die Unbeugsamen“, oder auch die Aufstehen-Bewegung, die es ja noch immer gebe.

Es gehe allerdings darum menschlich miteinander zu diskutieren und sich solidarisch zu verhalten.

Moralinsaure Argumentationen und Menschen betreffs ihrer kritischen, anderen Meinung als rechtsoffen, böse oder gar als zu Nazi bezeichnen seien kontraproduktiv und müssten konsequent abgelehnt werden.

Eine solche fragwürdige Art der Diskussionskultur erlebe man zunehmend auch in der Linkspartei.

Es sei auch ein Unding, dass man mittlerweile als rechts gelte, wenn man sich für Frieden und für eine Verhandlungslösung betreffs der Beendigung des Ukraine-Kriegs einsetze, skandalisierte Ingo Meyer als „Infamie“. Dies dürfe nicht unwidersprochen bleiben.

Gedanken zur Friedenspolitik von Isabelle Casell

Ein Referat in Sachen Friedenspolitik von Isabelle Casell brachte Ingo Meyer dann zu Gehör, weil die Referentin verhindert war.

Unter anderen machte Casell darin deutlich, dass es eine Friedenspolitik nur mit und nicht unter Ausschluss Russlands geben könne. Sie wies daraufhin, dass auch gesehen werden müsse, dass Europa nicht nur aus den EU-Mitgliedsstaaten, sondern aus 40 Staaten bestehe. Die Europäische Union leide unter einen Mangel an Demokratie, Legitimität und Transparenz. Es gebe keine klare Gewaltentrennung von Exekutive, Legislative und Judikative. Das Europäische Parlament müsse das gesetzliche Vorschlags- und Mitentscheidungsrecht in allen Politikfeldern erhalten. Auch das exklusive Recht die Kommission und ihre einzelnen Mitglieder zu wählen und abzuwählen. Nötig sei die Demokratisierung aller Bereiche. Das Festhalten an Völkerrecht und Grundgesetz müsse Grundlage politischen Handelns sein. Die zunehmende Militarisierung der EU, so Casell, sei mit großer Sorge zu betrachten.

Auch spricht sie sich für eine gerechte Umverteilungs- und Steuerpolitik aus. Nötig seien Kürzungen des Militärhaushalts. Sowie ein Stopp der Produktion von Kriegswaffen. Ein Ende von Rüstungsexporten fordert Casell ebenfalls. Sie kritisierte, dass sich das Recht des Stärkeren in der Politik immer mehr durchsetze.

Sie fordert eine umfassende und objektive Medienberichterstattung. Geschehnisse müssten mindesten von drei Seiten betrachtet werden. Desgleichen wendet sie sich gegen Zensur- und Abhörmaßnahmen.

Robert Schwedt zu Sozialpolitik, allgemeiner „relativer Armut“ und der skandalösen Kinderarmut im Lande

Robert Schwedt befasste sich in seinem interessanten Vortrag mit Sozialpolitik und der skandalös hohen Kinderarmut hierzulande. Er macht anhand von Beispielen deutlich, was „relative Armut“ in einem der reichsten Länder der Welt, was Deutschland ja ist, für die einzelnen Menschen bedeutet. Was ja auch mit Vereinsamung verbunden ist, weil man sich oft gar nicht mehr mit Freunden und Bekannten treffen könne. Dass führt überdies zu Scham. Jeder Cent muss ja mehrmals umgedreht werden. Man habe etwa 17 Prozent Armut in Deutschland. Jeder fünfte Mensch hierzulande sei von Armut betroffen, jedes vierte Kind arm!

Im Nachklapp ergänzt Robert Schwedt heute und präzisiert auf der „Was tun NRW!“-Facebook-Seite: «Ich war am Samstag auf einem Treffen der „Was tun NRW“ Gruppe und habe ein Referat zum Thema Armut, mit dem Schwerpunkt Familienarmut gehalten.

Auf dem Treffen gab es drei Schwerpunktthemen, Frieden, Ökologie und Armut.

Als ich das Ganze noch mal Revue passieren habe lassen, habe ich gemerkt, dass wir alle zu kleinteilig gedacht haben und den Hauptschuldigen nicht benannt haben, das möchte ich jetzt nachholen.

Die Gier des Kapitals wird nicht durch den Besitz gestillt, sondern durch den Erwerb!

Daher treibt es uns in immer neue Kriege um im ersten Schritt an den Waffen und im zweiten Schritt durch den Aufbau Profite zu erzielen.

Es schickt auch nicht seine Kinder in den Krieg, sondern unsere, um für seine Gier zu sterben.

Das Kapital durchwühlt unsere Welt auf der Suche nach der letzten Schaufel verwertbaren Dreck und zerstört damit unsere Lebensgrundlage und die unserer Kinder und merkt nicht einmal, dass es sich damit selbst das Wasser abgräbt, da es von seiner Gier geblendet ist.

Es erzeugt Armut um sich an dieser zu bereichern und geht dabei nicht nur sprichwörtlich, sondern ganz real über Leichen, denn, Armut tötet und diese Toten nimmt das Kapital in kauf um seine unersättliche Gier zu stillen.

Somit muss man das Kapital und dem ihn hörigen Regierungen als Feind der Menschheit ansehen, da sie uns in immer neue Kriege treiben unsere Umwelt zerstören und uns in Armut verkommen lassen und uns dann noch einreden wollen, das wir kollektiv an all dem Schuld sind.

Nein, nicht wir sind schuld, sondern die unstillbare Gier des Kapitals ist es, die die Schuld trägt!«

Grußwort von Dr. Alexander Neu

Ein Grußwort hielt Dr. Alexander Neu (Ex-MdB der Linksfraktion). Die Videoübertragung über das Internet, über welche er zugeschaltet wurde, war nicht stabil. Aber schließlich gelang es den Vortrag von Neu über Smartphone und und Saalmikrofon dem Auditorium zu Gehör zu bringen.

Neu sagte, der Bedarf an einer neuen Partei wachse. Zu viele Parteien im Bundestag „seien auf Linie“. Die Politik der Partei der DIE LINKE sei quasi zunehmend unbefriedigend. Da fehle es einfach an zufassender Oppositionspolitik.

Alexander Neu sprach sich gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine sowie für Friedensverhandlungen aus. Die Ukraine habe sicher das Recht sich gegen den Krieg Russlands zur Wehr zu setzen. Für einen Siegfrieden sei er nicht und machte deshalb geltend, dass auch die ukrainische Regierung eine Verantwortung für ihre Menschen und der eigenen Gesellschaft gegenüber trüge und eigentlich alles unternehmen müsse, um noch mehr Tote zu vermeiden.

Er wies zustimmend auf die Friedensüberlegungen von Ex-General Kujat, Peter Brandt und anderen in den entsprechenden Papieren hin, denen man nachgehen und diese unterstützen solle. Hart schalt er die „Sofastrategen von Grünen, über FDP bis SPD und CDU (Kiesewetter!)“, die vorm Fernseher säßen „und die Ukraine auffordern bis zum letzten Mann, bis zur letzten Maus zu kämpfen“. Das zeuge von reinem Russenhass.

Dr. Neu mahnte eine vernünftige Sozialpolitik an. Es brauche eine Partei, die Contra gibt gegen die jetzige Politik der Ampel.

Wer erlebten eine Außenpolitik in der Tradition des Kuschens, des Abtauchens und der Abhängigkeit von US-Politik, beklagte Dr. Alexander Neu.

Überlegungen zu Umweltschutz und Energiesicherheit

Interessante Überlegungen waren zum Themenbereich „Sozialverträglicher Umweltschutz“ von den Referenten Thomas Strobel und Hans Baur zu vernehmen. Dabei ging es um Fragen des Energiebedarfs.

Hans Baur beim Vortrag.

Austausch der Vernetzungsgruppen

Im Anschluss wurden Arbeitsgruppen zu den Themen Frieden, Kinderarmut, und Umweltpolitik gebildet. Es kam zu lebhaften und engagierten Diskussionen. Ein Austausch mit den als Gäste anwesenden Vernetzungsgruppen schloss das interessante Treffen ab. Bleibt noch zu erwähnen, dass an der Veranstaltung auch einige völlig parteiunabgängige Linke teilgenommen haben.

Evelyne Sukup, Ingo Meyer und Dennis Deutges (v.l.n.r) Foto via Facebook Oliver Gericke

„Lauterbach ./. Bauer – Die Rückkehr der Majestätsbeleidigung oder die Freiheit der Kunst“ (Rezension)

«Der US-Politiker Robert F. Kennedy sagte 1966 bei einer Ansprache in Kapstadt:

Es gibt einen chinesischen Fluch, der da lautet: ‘Möge er in interessanten Zeiten leben!’ Ob wir es wollen oder nicht – wir leben in interessanten Zeiten…“
(„There is a Chinese curse which says, ‘May he live in interesting times.

Journalisten griffen diesen Gedanken auf und verbreiteten ihn. So kam es, dass dieses angeblich chinesische Sprichwort den meisten Chinesen nicht bekannt ist.

(Quelle: Ostasieninstitut)

Wie auch immer. Ich behaupte, wir leben in Zeiten, die uns grausen machen (sollten).

Wer hat uns wann, wie und warum verflucht?

Heftig aufmerken lassen sollte uns – neben so einigen anderen fragwürdigen Geschehnissen und Ereignissen der letzten Jahre – der Fall Professor Rudolph Dr. Bauer.

Um was es da geht, darüber setzt uns die Pressemitteilung „Hausdurchsuchung wegen politischer Kunst“ (Abbildung via weltnetz.tv) des Betroffenen, welche das Magazin „Hinter den Schlagzeilen“ am 14. August 2023 veröffentlicht hat, ins Bild (Auszug):

«In den frühen Morgenstunden des 10. August 2023 (Donnerstag der 32. Kalenderwoche) wurde in der Wohnung des Bremer Künstlers und Politikwissenschaftlers Rudolph Bauer eine fünfköpfige Hausdurchsuchung durchgeführt. Die Durchsuchungsbediensteten waren teils bewaffnet und mit Schutzwesten ausgestattet. Gegen Professor Dr. Bauer wurde auf Beschluss des Amtsgerichts Bremen ein Ermittlungsverfahren des Kommissariats Staatsschutz bei der Direktion Kriminalpolizei des Landeskriminalamts Bremen eingeleitet.

Die Hausdurchsuchung erfolgte „wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen u. a.“. Anlass sind vier von über tausendfünfhundert Bildmontagen, die der Künstler unter dem Hashtag #bauerrudolph auf Instagram als politische Kunst mit der Kennzeichnung #politicalart veröffentlicht hat.

Bei der Hausdurchsuchung wurden als „Beweismaterial“ Bauers Smartphon und fünf Kunsthefte der Edition Kunst des Bergkamener pad-Verlags sichergestellt. Durchsucht wurden sämtliche Räume, Nebenräume, Schränke und Schubladen, auch die der Frau des Künstlers, sowie Dokumente und persönliche Unterlagen. Die 120 Regalmeter der umfangreichen Bibliothek des Wissenschaftlers wurden fotografisch festgehalten.« (…)

Mit der kürzlich veröffentlichten Broschüre „Lauterbach ./. Bauer. Die Rückkehr der Majestätsbeleidigung oder die Freiheit der Kunst“ hat nun seinerseits der pad-Verlag, welcher ja Kunsthefte von Rudolph Bauer in seiner Edition Kunst veröffentlicht hatte, auf den schier unfassbaren Vorfall reagiert.

Auch hier auf meinem Blog wurde auf die künstlerischen Arbeiten von Rudolph Bauer eingegangen.

In der soeben erschienen Broschüre schreibt Angelika Gutsche: «Der kleine pad-Verlag hat in seiner Reihe „Edition Kunst“ inzwischen fünf Kunsthefte von Rudolph Bauer veröffentlicht, unter anderem 2023 die pad-Edition Kunst #2 mit dem Titel „Charaktermasken“. Der Autor wurde nun vom Gesundheitsminister Karl Lauterbach wegen Beleidigung angezeigt, woraufhin das Amtsgericht Stuttgart Rudolph Bauer umgehend einen Strafbefehl in Höhe von Euro 3.000 zustellen ließ. Und auch die Verfahrenskosten in nicht angegebener Höhe seien vom Autor zu tragen.

Die Broschüre, die an Michael Ballweg adressiert war, wurde von der JVA Stuttgart-Stammheim an Karl Lauterbach weitergeleitet.“ (S.8)

Der Querdenken-Gründer Ballweg saß damals noch in Untersuchungshaft in der erwähnten JVA. Inzwischen ist er wieder auf freiem Fuß.

Um was ging es? Angelika Gutsche zur Post, welche der Untersuchungshäftling Ballweg bekommen hatte: «Fündig wurden die Beamten in der Postsendung vom 07.02.2023 von Rudolph Bauer an Michael Ballweg, denn darin befanden sich zwei der Edition Kunst-Broschüren, die Rudolph Bauer zum Thema Corona-Maßnahmen verfasst hatte. In dem am 12. Juli zugegangenen Strafbefehl heißt es dazu wortwörtlich: „Der Brief enthielt zwei Bände mit zahlreichen Fotomontagen, mit denen Feindbilder aus dem Coronaleugner-/Impfgegner-Milieu bedient wurden, der […] enthielt auf S. 12 eine Fotomontage, bei der ein Foto von Prof. Dr. Lauterbach derart verändert worden war, dass zum einen ein Hitlerbart hinzugefügt und zum anderen ein angewinkelter Arm in einer Weise eingefügt worden war, die an die von Adolf Hitler seinerzeit üblicherweise verwendete Erwiderung auf den Hitlergruß erinnert“. Damit hätte Rudolph Bauer seiner Missachtung gegenüber Karl Lauterbach ausdrücken wollen. Eine interessante inhaltliche Interpretation eines künstlerischen Werkes von dafür bestimmt hervorragend qualifizierten Personen.«

Und Gutsche fährt fort: «Rudolph Bauer stellt zu Recht fest: „Ein dubioses Verfahren, bei welchem von einer Gewaltenteilung kaum noch die Rede sein kann. Im Gegenteil: Justiz, Justizvollzug, Staatsanwaltschaft, Ermittlungsbehörden und Politik kollaborieren im vorliegenden Fall zu Lasten eines Bürgers, der an einen nicht verurteilten Untersuchungshäftling, für den immer noch die Unschuldsvermutung spricht, Post geschickt hat.“ (S.9)

Gutsche ist folgender Meinung: «Wenn Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens karikiert werden, kann das niemals eine „persönliche Beleidigung“ sein, sondern es werden mit dem Stilmittel der Karikatur gesellschaftliche und politische Missstände, die sich an der öffentlichen Funktion qua eines Amtes festmachen, an den Pranger gestellt. Dies kann durchaus in provokativ-überspitzter Form geschehen. Dass Rudolph Bauer seine Fotomontagen als künstlerischen Ausdruck versteht, ist explizit und deutlich kenntlich gemacht.

Bei Überschreiten der Grenzen des künstlerischen Erlaubten wäre der korrekte juristische Weg, durch einen richterlichen Beschluss die Schwärzung der betreffenden Bildmontage zu verfügen oder gleich die ganze Broschüre einstampfen zu lassen. Nachdem aber unser Grundgesetz die Kunstfreiheit garantiert, wäre einem entsprechenden juristischen Vorgehen wohl kaum Erfolg beschieden.« (S.10)

Die inkriminierte Bildmontage finden Sie im rundum sehr treffenden Text von Uli Gellermann (Journalist und Herausgeber des Online-Magazins „Rationalgalerie“, welcher die hier besprochene Broschüre mit dem Titel „Hitler – Lauterbach – Bauer“. Gericht will Grundgesetz außer Kraft setzen“ (S.7) einleitet. Oder direkt im Netz auf dem Portal „Rationalgalerie“, wo der Text am 19.7.2023 erschienen war.

Ich empfehle hier ausdrücklich auch den Erwerb der Broschüre, welche die Bildmontage enthält: Rudolph Bauer: Charakter-Masken. Bildmontagen. Bergkamen: pad Verlag 2023 (= pad Edition Kunst #2), 84 Seiten, 9.00 Euro.
Bestelladresse (direkt):
pad-Verlag@gmx.net

Das Vorgehen gegen den Künstler Rudolph Bauer könnte auch nach hinten losgehen

Empfehlenswert, weil in ihm der vorliegende Fall sehr genau und tief lotend analysiert und kunstgeschichtlich eingeordnet wird, der Beitrag in der hier vorzustellenden Broschüre von Holger Platta (ab S.11).

Nicht zuletzt deshalb, weil Platta Bauers Arbeiten durchaus in der Tradition John Heartfield (Beispiel „Der Sinn des Hitlergrusses; entstanden 1932)“ (S.28) und George Grosz (S.25; Beispiel: Gemälde „Stützen der Gesellschaft“; entstanden 1926) sieht. Lesen Sie dazu Holdger Plattas Text im Unterkapitel „Personalisierung“ in der Kunst – zweiter Teil: zwei kunstgeschichtliche Beispiele, die es in sich haben (S.24)

Sehr einleuchtend und kaum abzustreiten in Bezug auf Bauers inkriminierte Bildmontage auch Plattas Aussage: «Politik lässt sich – gerade in der Bildenden Kunst – oft gar nicht anders darstellen und kritisieren als in der Gestalt von Politikern, die Politik betreiben. Insofern ist Bildende Kunst sehr oft zur „Personalisierung“ gezwungen, wenn sie – eigentlich – Politik kritisieren will (was ihr gutes Recht ist!) Aus dieser „Personalisierung“ den juristischen Schluss zu ziehen, damit würden automatisch auch die Personen selber kritisiert, missversteht grundlegend politische Kunst, man könnte auch sagen: der hat politische Kunst schlicht nicht begriffen! (…) Bauer hat mit seiner Bildmontage Politik kritisiert, Politik, die unter den Zwängen der sozialökonomischen Verhältnisse betrieben wird (so Bauers Auffassung), nicht aber eine Privatperson oder das Individuum oder Subjekt Karl Lauterbach.«

Holdger Platta informiert, dass Prof. Dr. Bauer inzwischen Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hat. Es wäre denkbar, dass die Strafsache demnächst ohne weitere Folgen eingestellt wird. Werde der Einspruch jedoch verworfen, stehe dem Bremer Künstler das Rechtsmittel der „sofortigen Beschwerde“ zu. (S.35) In der Folge könne zu einer Hauptverhandlung am Stuttgarter Landgericht kommen.

Abschließend teilt Platta mit:

«Es ist durchaus möglich, dass im vorliegenden Fall sogar Klage erhoben werden könnte gegen die Stuttgarter Staatsanwaltschaft mitsamt des zuständigen Gerichts wegen Amtsmissbrauchs nämlich! Ich bin sicher, dass Rudoph Bauers Anwalt auch dieses prüfen wird, die Frage nämlich, ob nicht „Rechtsbeugung“ (§ 339 StGB) oder „Verfolgung Unschuldiger“ (§ 344 StGB) das Verhalten der Stuttgarter Behörden überprüft werden muss. Und gegebenenfalls kommt auch Absatz 4, Punkt 2 des Nötigungsparagraphen 240 StGB in Betracht.«

Das Vorgehen gegen den Künstler Rudolph Bauer könnte auch nach hinten losgehen.

Aber Sie wisssen ja auch, liebe Leserinnen und Leser: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.

Zustimmen könnte man Platta ohne Weiteres hier (S.37):

«Schon seit längerem existiert der Bedarf, das Grundgesetz vor manchen seiner Verteidiger verteidigen zu müssen. Seit längerem schon handelt es sich bei dem Grundgesetz um einen Text, der sozusagen links vom allgemeinen Bewusstsein angesiedelt ist. Allen Ernstes meine ich jedenfalls: die Freiheit der Kunst in Artikel 5, Absatz 3, GG, würde heute mit Sicherheit nicht mehr so einschränkungslos beschlossen werden wie im Jahre 1949, am 23. Mai.« (…)

Sehr informativ betreffs des künstlerischen Anspruchs des Lyrikers Rudolph Bauer und sehr aussagekräftig was dessen Persönlichkeit anlangt, ist das Interview welches Eugen Zentner mit ihm geführt hat. (S.42)

Die Broschüre schließt mit der Veröffentlichung von Rudolph Bauers „Pressemitteilung zum Strafbefehl gegen den Absender von Post an Michael Ballweg“. (S.47)

Ein wichtige und hoch informative Broschüre zur „Causa Rudolph Bauer“ aus dem kleinen pad-Verlag, der immer wieder wichtige Autoren zu Fragen der Zeit zu Wort kommen lässt.

Der Verlag über die Broschüre:

«Wenn in gut geschmiert funktionierenden Einwickeldemokratien Staatsbürger ihre primäre Souveränität an Gewählte abgeben, werden aus Parlamenten Kollektivmonarchien. Und in schlechter deutscher Untertanentradition finden sich immer wieder Helfershelfer – auch und vor allem in der Beamtenschaft -, die deutlich machen: das besondere Treueverhältnis des Beamten zum Staat geht einher mit einem speziellen Untreueverhältnis zur Demokratie.


Nachdem drei Jahre Coronaplandemie mit gravierenden Grundrechtseinschränken exekutiert worden sind und eigentlich eine demokratische Aufarbeitung („Vergangenheitsbewältigung“) nötig ist, wird sie verdrängt. Auch die nicht mehr zu verschweigenden Impfschäden erfordern endlich eine Aufarbeitung und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, die in Politik und Ärzteschaft millionenfach sehenden Auges gegen den ,,Nürnberger Kodex“ verstoßen haben.


Der Konflikt Lauterbach ./. Bauer, die Umstände seines Zustandekommens: bewaffnete Wohnungsdurchsuchung, Handybeschlagnahme und mehr bedeuten nicht nur weitere Grundrechtsverletzungen. Sie sind auch auf dem Hintergrund der Machterweiterung der WHO, einem zunehmend immer größer werdenden pharamazeutisch-industriellen Komplexes Vorboten für die Wiederauflage eines hysterischfaschistoiden Hygienestaates.«

Wir sind in der Tat in wahrhaft „interessanten Zeiten“ angekommen! Erschreckend. In einem Deutschland, das nach Aussage einer bestimmten Dame, das beste sei, in welchem wir jemals lebten. Besten Dank auch!


INHALT:

Peter Rath-Sangkhakorn (Hrsg.)
HITLER – LAUTERBACH – BAUER. Gericht will Grundgesetz außer Kraft setzen (Uli Gellermann) / Lauterbach gegen Bauer oder Die Freiheit der Kunst (Angelika Gutsche) /Straftatbestand Grundgesetz? Was allem Anschein nach die Staatsanwalt Stuttgart von unserer Verfassung hält (Holdger Platta) | WIDERSTAND & SYSTEM.Fallbeispiel Lauterbach: Zur Attacke auf die Meinungs- und Kunstfreiheit (Gunter Sosna) / DIE VERANTWORTUNG DER KUNST(Eugen Zentner interviewt Rudolph Bauer) / Post-Covid-„Majestätsbeleidigung“: Eine Stuttgarter Justizposse? (Rudolph Bauer)

Schriftenreihe FORUM GESELLSCHAFT UND POLITIK e.V.

pad-Verlag

Bestelladresse direkt: pad-Verlag@gmx.net

Die Seite im Netz: http://www.pad-Verlag.de


ISBN: 978-3-88515-364-1
<6.00>

Gesichter des Krieges

Ein bewegender Überlebensbericht aus dem Donbass gibt dem abstrakten Kriegsgeschehen in der Ukraine ein konkretes Gesicht.

Der Krieg im Donbass hat viele Gesichter, die eines verbindet: Tod und Leid. In den Medien liest man meist aber nur von Frontberichten, von Selenskyj und Putin, von anderen namhaften Politikern, den Generälen, manchmal sogar Geschichten von einzelnen Soldaten. Die Geschichten von den eigentlichen Opfern dieses Wahnsinns werden viel zu selten erzählt. Die Opfer werden meist nur thematisiert, wenn sie zu Propagandazwecken genutzt werden sollen, ansonsten sind sie bestenfalls eine Statistik. Aber jedes „Element“ dieser Statistik hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Erlebnisse, die sich unauslöschlich in das Gedächtnis des betroffenen Menschen eingebrannt hat.

von Andrea Drescher

Der Verein Friedensbrücke Kriegsopferhilfe e. V. ist seit 2015 im Donbass aktiv und unterstützt diese Menschen mit humanitärer Hilfe. Anfangs beidseits der Demarkationslinie; nach kurzer Zeit wurde das aber seitens der Regierung in Kiew unterbunden.

Seitdem kommt diese Hilfe nur noch im östlichen Teil des Kriegsgebiets an — ein Faktum, das dazu führte, dass dem Verein die Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Bis heute ist dies jedoch rechtlich nicht umgesetzt worden, da die Frist seitens des Finanzamtes abgelaufen ist, nachdem der Verein Einspruch eingelegt hat. Inzwischen wurde dem Verein auch schon insgesamt sechs Mal das Konto gekündigt, und die Vorsitzende landete auf der ukrainischen Seite „Mirotworez“.

Laut Wikipedia handelt es sich bei Mirotworez „um die Webpräsenz der ukrainischen, nichtstaatlichen Organisation Zentr Mirotworez (Центр Миротворець, Zentrum Friedensstifter), die sowohl Verbindungen zum ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU als auch zum Innenministerium der Ukraine hat“. Gehostet wird die Seite wohl in den USA, in den Ukraine-kritischen Kreisen wird sie auch als Todesliste bezeichnet, da eine große Zahl an Menschen, die dort gelistet waren, inzwischen „verstorben wurden“.

Friedensstifter agieren anders. Friedensstifter wollen dem Leid, dem Schrecken für die Menschen ein Ende setzen. Um das schreckliche Geschehen greifbar zu machen, aber auch um sicherzustellen, dass das Leid der Kriegsopfer nicht unter den Teppich gekehrt werden kann, sammelt die Friedensbrücke Geschichten von Menschen aus dem Kriegsgebiet, die sie selbst erzählen. Diese sollen zukünfig in einem Buch zusammengefasst und veröffentlicht werden.

Yulia aus der Stadt Fokino bei Mariupol erzählt ihre Geschichte, die sie in das Flüchtlingslager Brjansk in Russland brachte. Dort wird sie vom Verein Friedensbrücke betreut wird. Yulia schrieb die Geschichte auf Russisch, Freiwillige haben sie übersetzt. Manche sprachliche Eigenwilligkeit ist dieser Konstellation geschuldet. Aber ihre Geschichte ist auf jeden Fall eines: authentisch.

Als ich sie das erste Mal las, musste ich weinen. Mein erster Hund hieß Jessy und war ein Schäferhund-Mix. Auch Yulias Hund hieß Jessi. Jessi hat nicht überlebt, Yulia hat es schwer verletzt geschafft. Und nachdem sie mit ihrer Familie wieder vereint war, ist es ihr auch gelungen, ihre Lebensfreude wiederzufinden. Gerade dieser Mut zum Leben macht es in meinen Augen so wichtig, dass die Geschichte von anderen gelesen wird.

Die Geschichte von Yulia

Als ich im 4. Stadtkrankenhaus von Mariupol lag, von Granatsplittern zerschrammt, mit gebrochenen Beinen, versprach ich mir und meinen Kameraden in Ehren, dass ich die Ereignisse meines Aufenthalts beschreiben würde. Aber dann … das Wiedersehen mit meinen Kindern und Enkelkindern im TAC (Abkürzung für die Einrichtung für vorübergehende Unterbringung von Flüchtlingen aus dem Donbass und befreiten Gebieten) im Gebiet Brjansk … geriet alles irgendwie in den Hintergrund.

Es ist nicht sehr angenehm, sich an die Qualen des Schmutzes, des Hungers und der Kälte zu erinnern. Um mich herum eine Menge Menschen, die nicht weniger unangenehme Dinge erlebt haben. Und meine derzeitige Situation, „Leben im Rollstuhl“, stimmte mich nicht gerade optimistisch.

Aber gestern kamen die Nachtwölfe ins TAC. Nachdem ich Zeit mit diesen erstaunlichen Menschen verbracht hatte und nach den Ferien, die sie für Kinder und Erwachsene gemacht haben, beschloss ich, meine Geschichte zu erzählen.

22. Februar 2022

Es war mein Geburtstag, sogar ein runder — ich wurde 60 Jahre alt. Ich lud eine große Napoleontorte und zwei Tüten Saft in ein Taxi und fuhr zu meinem Arbeitsplatz in Toothy’s Restobar.

Unser liebes Personal gratulierte mir, die Geschäftsleitung überreichte mir einen Umschlag mit einem Geschenk — das ist bei uns Tradition —, danach wurde ich von meinem Schwiegersohn Vita aus dem Restaurant abgeholt, und nachdem wir im nächstgelegenen Supermarkt alles Notwendige gekauft hatten, gingen wir nach Hause zu den Kindern, um den Geburtstag zu feiern.

Meine Tochter Nastenka hatte bereits den Tisch gedeckt, meine Schwester Ksyukha, die Freundin meiner Tochter Marina und die Heiratsvermittlerin Valentina kamen vorbei. Auch dabei waren die Enkelkinder, die älteste, Sonechka, und die jüngste, die kleine Sashenka.

Die Heiratsvermittlerin schimpfte: „Warum hast du teure Lebensmittel gekauft? Es wäre besser gewesen, Mehl, Zucker und verschiedene Getreidesorten auf Vorrat zu kaufen!“ In Anbetracht der jüngsten Ereignisse rechnete man mit dem Schlimmsten, aber nicht so sehr; in den letzten acht Jahren haben wir Granatenbeschuss außerhalb der Stadt gehört. Darum sagte ich: „Meine Lieben, wer weiß, was morgen mit uns geschieht!? Lasst uns zusammensitzen und plaudern, wer weiß, wann wir alle wieder zusammenkommen können!“

Am 24. Februar begannen sie mit dem Beschuss der Stadt.

Am 28. Februar wurde der östliche Bezirk, in dem ich wohnte, schwer beschossen. Alle Fenster in meinem Haus wurden herausgesprengt, die Türen gingen zu Bruch, eine nicht explodierte Granate steckte im 9. Stockwerk.

Mein Schwiegersohn mietete ein Taxi, und ich wurde zum Haus meiner Kinder gebracht. Es gab noch Strom und Wasser, und der Beschuss war weniger intensiv. Zu dieser Zeit hatten meine Kinder und Enkelkinder große Angst vor dem Geräusch der Explosionen.

Ab dem 2. März gab es keine Kommunikation, kein Wasser und keinen Strom mehr.

Die Menschen, die in der Nachbarschaft blieben, versteckten sich im Keller der nächsten Schule. Ich konnte nicht in den Keller gehen. Unsere Jessi, der deutsche Schäferhund, war im Hof angebunden. Ich konnte sie nicht losbinden, wie es viele Leute taten, und sie freilassen, das ging nicht. Und ich hatte keine Kraft — sie kam auf die Hinterbeine, die Vorderbeine umarmten meinen Hals, ich fiel. Fremde ließ sie nicht an sich heran. Ich konnte nicht rausgehen. Ich konnte auch nicht vor das Tor gehen, sie wimmerte, weinte, sie hatte Angst, allein zu sein.

Am 19. März wärmte ich morgens in der „Burzhuyka“ Futter für den Hund auf und wartete auf das Ende des Beschusses. Um genau 8:00 Uhr morgens öffnete ich die Tür des Hauses, Jessi sprang aus dem Zwinger … Sie war die Erste, die starb. Dann gab es weitere Explosionen auf den Stufen der Veranda, auf denen ich stand. Ich wurde zurück ins Haus geschleudert, das Dach stürzte ein, Glas fiel herunter, ich wurde ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, war mein erster Gedanke: „Oh, mein Gott, ist es das? Ist es das? Oh mein Gott, ist es wirklich so einfach?“

Als ich merkte, dass ich keine Beine mehr hatte — unterhalb der Knie waren sie wie zerkaute Lappen—, stoppte ich die Blutung, indem ich einen Gummistreifen von einem zerbrochenen Fenster über die Knie zog.

Gegen 10 Uhr morgens kam mein Nachbar Sasha — seinen Nachnamen weiß ich schon lange nicht mehr — mit einer Axt und einem Brecheisen zu mir. Er zog mich heraus mit einem Schock. Von dort aus brachten mich Freiwillige in das städtische Krankenhaus Nr. 4, das schon ziemlich ramponiert war.

Für mich war das Schlimmste nicht einmal die Beschießung und die Entbehrungen — es war hart aufgrund der Ungewissheit und ohne Zigaretten —, sondern die Tatsache, dass ich nichts über das Schicksal meiner Angehörigen, meiner geliebten Kinder und Enkelkinder wusste. Mein Herz sank vor Angst um sie. Wo sind sie? Sind sie am Leben?

Also das Krankenhaus. Ich wurde in der Notaufnahme untersucht. Eine Krankenschwester und eine Schwesternhelferin haben auf Anweisung des einweisenden Arztes mein linkes Bein geröntgt und einen Verband angelegt. Das Röntgenbild war nicht brauchbar. Ein Krankenhaus ohne Fenster und Türen, ohne Medikamente, kein Essen, kein Wasser. Drei Tage lang lag ich im 4. Stock, sie gaben mir ein paar Mal Wasser aus einer Spritze. Ich war durstig, ich hatte viel Blut verloren. Ich habe sehr viel Blut verloren. Ich bettelte einen betrunkenen Pfleger um einen Becher mit Wasser an.

Am 3. Tag gab es ein Bombardement, das die Station, in der ich lag, beschädigte. Ein mit Linoleum verschlossenes Fenster und ein Teil der Wand stürzten ein. Die Pfleger kamen, um die Leichen zu holen. Sie nahmen zwei von ihnen und trugen sie in Säcken in den Keller — es ist eiskalt draußen und die Leichenhalle ist voll. Mich wollten sie auch einpacken, ich war oft bewusstlos. Aber ich bin aufgewacht, als sie versuchten, die Decke von mir zu nehmen. Aber ich bekam eine andere Decke von der Nachbarin des Toten, so war es wärmer.

Am 4. Tag wurde ich in den 3. Stock verlegt, auf den Korridor des Traumazentrums. Es waren viele Leute da. Hier erfuhr ich, dass am 20. März alle Ärzte des Krankenhauses geflohen waren und alle Lebensmittel, Medikamente und Instrumente mitgenommen hatten. Sie haben sogar den Safe des Chefarztes demontiert. Nur ein Psychologe oder Psychotherapeut und seine Familie blieben bei uns.

Ich möchte gesondert über die Menschen berichten, die uns geholfen haben, zu überleben.

Sergei Nichai, ein Mann um die 30, 35 Jahre alt. Er brachte seine verletzte Mutter in das Krankenhaus. Er blieb über Nacht im Keller und kümmerte sich tagsüber um seine Mutter. Die Mutter hat nicht überlebt. Mehrmals am Tag wurden die Fenster aufgebrochen; er hat sie mit Brettern und Linoleum zugenagelt, sogar die Türen eingebaut.

Witaly Shemetun, er ist älter, etwa 40, 45 Jahre alt. Er versorgte uns mit Schlamm und Wasser. Er fuhr sein Auto unter Beschuss zu den Häusern der Überlebenden. Er fuhr zu den Häusern der Überlebenden und bat die Menschen um Essen. Es war eine Zeit des Hungers, aber die Leute gaben ein paar Kartoffeln, Karotten und Getreide für die Patienten des Krankenhauses.

Einmal am Tag bekamen wir etwas zu essen: einen Löffel Haferbrei und 150 ml Wasser. Das Wasser war besonders schlecht. Auf dem Dach des Krankenhauses gab es Auffangbehälter für Regenwasser.

Sie schossen auf jeden, der das Krankenhaus verließ oder betrat. Sie erschossen eine ganze Familie: eine Mutter, einen Vater und zwei kleine Kinder. Zwei kleine Kinder. Viele Menschen wurden erschossen, viele lagen im Sterben. Der Keller war voll von Leichen.

Die „Asowtsy“ hatten es auf das Krankenhaus abgesehen, eine Art von Rache.

Wir wurden von einem Flugzeug aus bombardiert. Da wurde mir klar, was „Das Lied vom Sturzbomber“ bedeutet. Die Wände des Krankenhausgebäudes gingen zu Bruch, Fenster flogen heraus. Großmütter hielten ukrainische Soldaten auf, die durch den Korridor gingen, und flehten sie an, mit dem Beschuss aufzuhören, zu stoppen: „Söhne! Habt Mitleid mit den Kindern!“ Diese Bastarde antworteten: „Das sind keine Kinder, sondern ‚wyblyadki‘ (Freaks), denn ich habe Kinder zu Hause.“

Das Schlimmste für mich war das Unbekannte, die Angst um meine Kinder und Enkelkinder. Jede Nacht träumte ich von meiner Enkelin Sonechka. Sie kommt auf mich zu und sagt: „Oma, ich bin so hungrig!“ Mein Herz blutete.

3. April 2022

Das Gebäude hatte einen Riss, sodass die traumatologische Abteilung nur noch eine Plattform im Flur hatte, die Wände waren weg. Ich wurde bei dem Angriff ans andere Ende des Korridors geschleudert. Unsere Freiwilligen Witaly und Sergey begannen schnell damit, alle Lebenden in den Keller zu tragen. Die Evakuierung dauerte bis Mitternacht. Ich wurde später entdeckt. Sie hoben mich auf ein ganzes Bett, deckten mich mit Kissen und Decken zu und blieben bei mir.

Witaly sagte, wir sollten bis zum Morgengrauen warten, und am nächsten Morgen würden sie mich in den Keller bringen. Am nächsten Morgen versprachen die Asowschen, den Rest des Gebäudes in die Luft zu sprengen. Am Morgen brachten sie mich in den Keller. Ein schmaler Korridor, in der Mitte ein undichter Abwasserkanal. Sie bauten eine Tür für mich auf dem Boden, eine Bettmatratze, ein Kissen und eine Decke. Die hohe Decke wackelte von den Explosionen und überschüttete uns mit altem Gips.

Witaly und Seryozha gaben uns noch drei Tage lang etwas zu essen. Am Tag darauf kamen russische Soldaten zu uns. Wir weinten vor Freude, es gab Hoffnung, zu überleben. Die Jungs sagten, sie würden uns rausholen, aber wir mussten helfen, die Faschisten vom Ort der Evakuierung vertreiben.

6. April 2022

Man begann, 2 bis 3 Personen auf einmal herauszuholen und auf APCs zu bringen. Wir wurden in der Siedlung Winogradnoye ausgeladen. Fast alle unsere Krüppel waren bereits hier. Sie setzten mich auf eine Chaiselongue, sie boten mir einen Teller mit Nudeln und Wasser an. Ich lehnte die Nudeln ab; wegen des Durchfalls hatte ich Angst, ich wollte nicht ins Krankenhaus gehen und mich blamieren. Ich trank das Wasser und bat um eine Zigarette.

Es war fast ein Glück: die Sonne sehen, die Spatzen zwitschern hören!
Ich hatte vergessen, dass es neben dem Krieg noch einen Frühling auf der Welt gibt!

In Donezk, im städtischen Krankenhaus Nr. 9, kamen wir mit einem kleinen Bus um ein Uhr nachts an. Wir wurden vom gesamten Personal des Krankenhauses empfangen. Wir wurden zum Röntgen geschickt, dann in die Wäschekammer — können Sie sich vorstellen, in welcher Form wir aus dem Keller gekrochen sind? Ich kam auf die Station Nummer 11. Nach den Kellerplatten — auf einem Bett mit sauberer Bettwäsche! Man bot uns auch heißen Tee mit Keksen und Süßigkeiten an. Am Morgen schliefen wir ein.

7. April 2022

Kurzer Schlaf, Aufwachen um 8 Uhr, Beginn der Visite. Nachdem Dr. Ewgeny Iwanowich, ein Militärchirurg, die Röntgenbilder untersucht hatte, schlug er vor, mein linkes Bein zu amputieren. Er sagte, es gäbe nichts mehr zu retten. Ich versprach, es mir zu überlegen. Ich konnte sehen, dass es anzuschwellen begann — die ganze Zeit war es in der Kälte, und hier gab es Heizkörper und Hitze —, aber das war mir egal. Wenn meine Kinder nicht mehr am Leben sind, will ich so ein Leben nicht.

10. April 2022

Der Morgen begann mit der Visite, ich lehnte die Operation erneut ab. Nach der Visite kamen ein Mann und eine Frau in unser Zimmer und riefen meinen Namen. Ich antwortete. Es waren die Freiwilligen Masha und Sergey, Mann und Frau.

Sie suchten mich auf Bitten meines Neffen Dima Albutow. Er war ebenfalls in Mariupol und lag in einem Krankenhaus in Donezk. Mein Herz stand still, als Sergey anrief und ich die Stimme von Dimochka hörte. Ich hatte große Angst, dass er schlechte Nachrichten über die Kinder überbringen würde. Aber er ist ein kluger Junge, und seine ersten Worte waren:

„Tante Yulia, mach dir keine Sorgen, Nastya, Witalik und Sonya und Sasha geht es gut. Sie sind in Bezymennoye — ein Dorf in der Nähe von Mariupol — im Flüchtlingslager, lebendig und gesund. Ich werde ihnen deine Telefonnummer geben, und sie können mit dir sprechen.“

Diejenigen, die keine geliebten Menschen verloren haben, die nicht jede Minute, jede Sekunde an sie gedacht haben und plötzlich eine Nachricht von ihnen erhielten, werden die Explosion meiner Gefühle nicht verstehen. Tränen, Rotz, freudiges Lachen. Ich war wie verrückt. Hätte ich Beine gehabt, hätte ich an die Decke springen können.

Eine Stunde später sprach ich mit meiner Tochter. Meine Freude war grenzenlos. Ich versprach Nastja, dass ich der Operation zustimmen würde. Ich hatte einen Grund, zu leben. Der 10. April ist nun mein zweiter Geburtstag. Ich hatte keine Angst vor der Operation, nur ein klein wenig. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, war ich sicher, dass mir nichts Schlimmes passieren würde.

13. April 2022

Ich wurde operiert, alles verlief gut. Ich wurde von meiner Familie und vielen Fremden unterstützt. Mein Neffe Dimochka und seine Frau Yulenka gaben mir Geschenke, notwendige Medikamente und Verbandsmaterial. Die Freiwilligen Mascha und Sergey kamen jeden Tag vorbei, brachten Leckereien, notwendige Dinge (Unterwäsche, Hygieneartikel und so weiter).

Wir haben viel geredet, Nachrichten von der Front besprochen, in der Zuversicht, dass bald alles mit einem Sieg enden wird. Denn die Wahrheit liegt hinter Russland! Und am 9. Mai werde ich durch die Stadt gefahren, halte im Park an. Ich feiere den „Tag des Sieges“, so wie ich es einst in der Sowjetunion getan hatte.

18. April 2022

Ich bin aus dem Krankenhaus entlassen worden. Es ist nun möglich, mit meinen Kindern wieder vereint zu sein. Sie sind viel gereist, und diese Reise war schrecklich: Beschuss, schmutzige Keller und vieles mehr. Schließlich kamen sie in der Region Brjansk, in der Stadt Fokino, in einem provisorischen Unterkunftszentrum für Flüchtlinge an.

Meine Freunde Sergey und Mascha brachten mich von Donezk in die Region Rostow zum Zentrum für Notsituationen. Am Abend waren etwa 20 Personen hier. Ein Bus kam, um uns abzuholen. Und in Begleitung eines Polizisten auf einem Motorrad wurden wir nach Taganrog in ein temporäres Unterbringungszentrum für Flüchtlinge gebracht. Was war dieses TAC? Zwei riesige Turnhallen. Darin befanden sich viele, viele Feldbetten. Es gab Männer und Frauen, Kinder und Tiere.

Es gab sogar Käfige mit Vögeln. Die Menschen flohen vor dem Beschuss und nahmen ihre wertvollsten Besitztümer mit. Aber es hat Spaß gemacht. Eine große Gruppe von Freiwilligen kümmerte sich um uns. Diejenigen, die es brauchten, begleiteten uns zum Duschen, zur Toilette, brachten uns Essen aus der Kantine. Die Menschen sind sehr warmherzig.

Als der ältere Freiwillige von meinen Kindern die Bestätigung erhielt, dass sie auf mich warteten und mich abholen würden, kaufte er mir ein Zugticket nach Brjansk in einem Luxusabteil für Behinderte. Sie versorgten mich mit leckerem Essen für die Reise und setzten mich in Rostow in den Zug.

Ich werde mich mein ganzes Leben lang mit Dankbarkeit und Herzlichkeit an sie erinnern.

Überhaupt habe ich auf meinem Weg von Mariupol nach Fokino TAC sehr gute Menschen getroffen, freundlich und sympathisch. Es gibt mehr von ihnen als von den schlechten. Jemand hat gesagt, dass in Zeiten der Not, wie im Krieg oder bei Naturkatastrophen, der Mensch sein wahres Gesicht zeigt. Es kommt vor, dass äußerlich gewöhnliche Menschen zu Helden werden und dass diejenigen, die man für gute Menschen hielt, sich als seltene Bastarde erweisen.

Freiwillige Helfer holten mich am Bahnhof in Brjansk ab und brachten mich zum TAC, zu meinen Kindern und Enkeln. Meine Verwandten begrüßten mich, wir redeten viel und umarmten uns.

In Fokino habe ich viele Freunde und Freundinnen gefunden. Bald werde ich nach Mariupol zurückkehren, ich werde viele Dinge und Menschen vermissen. Es ist noch nicht klar, was mit meinem Bein passieren wird, ob ich jemals eine Prothese haben werde. Aber ich weiß, dass meine Kinder und Enkelkinder, meine geliebten Jungen und Mädchen mir nahe sein werden. Und wir werden mit dem Rest zurechtkommen, und das ist die Hauptsache!

Ich habe nur meine Geschichte beschrieben. Viele Menschen, die ich getroffen habe, haben Geschichten, die ereignisreicher, wahrscheinlich interessanter sind. Aber wenn ich alle Kameraden beschreiben würde, wäre es keine Beschreibung, sondern ein richtiger Roman. Ich fürchte, das kann ich nicht tun.

Hier sind ein paar Zeilen aus meinem früheren Leben.

Ich werde dir zulächeln
Wenn in den ungemähten Wiesen
Der Abend müde eintauchen wird
Mit rosa Nebel in meinen Füßen.
Wenn die Birkenzweige des Baches
Mit kristallenem Tau
Wenn die süße Betäubung der Rosen

Pascal Yulia/Паскаль Юлия


Wer die Flüchtlinge im Lager in Russland oder die Kriegsopfer im Donbass unterstützen möchte: Auf www.fbko.org findet man die aktuelle Möglichkeit zu spenden. Das Geld kommt zu 100 Prozent den Menschen zugute.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Autorin Andrea Drescher, deren Artikel zuerst auf MANOVA erschien.

Beitragsbild: Verein ZukunftDonbass

„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist am Ende. Aber ein Ende ist nicht in Sicht“ Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam (Rezension)

Es war einmal … So fangen Märchen an. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk jedoch ist Realität. «In seinen Anfangsjahren“, heißt es auf dem Buchrücken des hier zu besprechenden Buches, „genoss der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der jungen Bundesrepublik Deutschland beträchtliches Ansehen. Damals galt er noch als elementar für die freie und unabhängige Meinungsbildung einer demokratischen Gesellschaft und ging seiner Aufgabe – öffentlichkeitswirksame Kontrolle der Politik – tatsächlich überzeugend nach.«

Westradio und Westfernsehen – einst ein Korrektiv für mich

Und viele Menschen in der DDR, wo ich geboren wurde und 33 Jahr gelebt habe, konnten das weitgehend nachvollziehen. Denn sie – Außer der Region Dresden (spöttisch für ARD; weil dort im Grunde genommen kein Westfernsehen zu empfangen gewesen war), weshalb man diesbezüglich sarkastisch vom Tal der Ahnungslosen sprach – sahen und hörten via Äther regelmäßig nach Westdeutschland herüber. Denn in der DDR waren die Nachrichten und so manche andere Sendung auch in der Regel mit dröger bis nervender rot gefärbter (obwohl unter der Hand zu hören gewesen war, rote Druckerfarbe werde längst zur Mangelware) Propaganda vollgepfropft. Ergo holte man sich die Nachrichten aus Westradio und Westfernsehen in die DDR-Wohnungen. Und hatte so ein Korrektiv zum mit sozialistischer Ideologie überfrachteten DDR-Funk. Während die 19.30 Uhr begonnene Aktuelle Kamera des DDR-Fernsehens gleichzeitig an ihr Ende gekommen war – flimmerte ab 20 Uhr regelmäßig die ARD-Tagesschau über die Mattscheiben der Fernsehgeräte in den DDR-Wohnzimmern.

Ich schalte hier ein: Auch im Westfernsehen war nicht immer alles Gold, was glänzte und ohne Ideologie. Ich denke nur an Lothar Loewe. Allerdings waren etwa die Politikmagazine in der Regel Spitze. Was hatte nicht MONITOR für einen Stellenwert auch bei den Bürgern der DDR. Heute dagegen ist davon nur ein klägliches, pardon: „Restle“ übrig, das ich mir inzwischen schenke.

Auf dem Buchrücken lesen wir in Fortsetzung des obigen Zitats: «Davon kann heute keine Rede mehr sein. Er betreibt inzwischen weitgehend Beeinflussung im Interesse der politischen „Eliten“. Sein Nachrichtenangebot ist nicht mehr kritisch-distanziert, sondern anbiedernd-konformistisch. Er ist durchsetzt von Meinungsmache, einer trügerischen Mixtur aus Halbwahrheiten, Weglassung und Schönfärberei bis hin zur Falschdarstellung. Der Bruch mit „anerkannten journalistischen Grundsätzen“ [wie sie der Medienstaatsvertrag fordert] ist nicht mehr zu leugnen.«

Ich ergänze aus meiner Sicht: Die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen bieten zunehmend keine Informationen mehr anhand derer Rezipienten in die Lage versetzt würden, sich eine eigene Meinung zu bilden – wie es doch eigentlich sein sollte – sondern sagen uns was bzw. wie wir zu denken haben. Sagen, was ist … Das war einmal. Der Anspruch, proklamiert einst von Rudolf Augstein betreffs des (inzwischen ehemaligen) Nachrichtenmagazins Der Spiegel ist auch dort längst perdue.

Wie journalistische Grundsätze mit Füßen getreten werden, konnte einmal mehr bei Anne Will mit Entsetzen erlebt werden

Journalistische Grundsätze werden seit Jahren auch in den von den öffentlich-rechtlichen Anstalten verantworteten Talkshows schamlos mit Füßen getreten. Ein akutelles Negativbeispiel aus jüngster Zeit kommentiert Tobias Riegel auf den NachDenkSeiten (vom 19. September 2023): „Die Talkshow von Anne Will am Sonntag hat die bisherige Meinungsmache zum Ukrainekrieg zu einem neuen Höhepunkt geführt. Vor allem Anne Will selber hat ihre Rolle als Moderatorin in dieser Sendung missbraucht – das ist nichts Neues, aber in dieser deutlichen Form dann doch bemerkenswert. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich vom Anspruch der Ausgewogenheit endgültig verabschiedet, es wird nicht mal mehr versucht, den Anschein zu erwecken. Respekt gebührt Wagenknecht: Sie führt sie alle vor.

Die ARD-Talkshow von Anne Will am Sonntag sticht heraus – auch wenn man von den öffentlich-rechtlichen Sendern schon viel gewohnt ist bezüglich einer unangemessenen Verteidigung der Regierungspolitik. Mit dem Ukrainekrieg hat sich diese bereits zuvor bestehende Tendenz der Anbiederung an die Macht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) nochmals zugespitzt.“

Dazu passend

Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer, die das äußerst empfehlenswerte, hier zu besprechende Buch „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist am Ende“ geschrieben haben, notieren mit Blick auf die Produktionskosten von Talkshows: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der Heilige Gral der Informationsgesellschaft, ist voll dabei, sich selbst zu kommerzialisieren. Fast zur Hälfte hat er es bereits geschafft. […]

Selbst produzierte Talkshows gelten seit jeher als preisgünstiges Programmformat. Die Produktionskosten pro Fernseh-Sendeminute der einfach un genügsam gestalteten NRD-Sendung DAS! liegen bei 600 Euro. Meistens ist nur ein Gast im Studio, was aber dem Unterhaltungs- und Informationswert durchaus zugutekommt, weil das nicht reizüberflutet ist.

Talkshows, die der NDR für das ARD-Programm zuliefert und externen Firmen herstellen lässt, kosten das Vier- bis Achtfache. Günther Jauch verlangte für sich und seine Produktionsfirma 4600 Eure pro Sendeminute. Waaaas?

Doch, doch. Anne Will bekommt mindestens 2400 Euro.“ (Stand 2011)“

Der aktuelle Aufwand werde geheim gehalten.

Weiter: „Als Unternehmerin soll sie jetzt pro Jahr 7,85 Millionen Euro kassieren. Mit ihrer Produktionsfirma erwirtschaftete sie im Jahr 2020 einen Bilanzüberschuss von 1,6 Millionen Euro.

Noch einmal zum Nachschmecken: Eine Talkshow in Eigenproduktion würde dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk höchstens 1000 Euro pro Sendeminute kosten. Eine Talkshow, die von einem Kommerzbetrieb für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hergestellt wird, kostet bis zu 4600 Euro pro Sendeminute.

Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt.“ (S.24/25)

„Grundsätzliche Unterschiede zu den privatwirtschaftlichen Rundfunk- und Fernsehbetrieben sind im Programm kaum noch feststellbar. Die enormen Summen – mehr als 4 Milliarden Euro! -, die aus den Rundfunkbeiträgen schon heute der Privatwirtschaft zufließen, sind bereits entscheidend für die Existenzsicherung der kommerziellen Medienbranche. Ohne diese Geld, beispielsweise nach einer Auflösung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, käme es zu einer Pleitewelle“, so die beiden Autoren.

Ein absurder Zustand, dass mit Zwangsbeiträgen nicht nur öffentlich-rechtliche, sondern auch profitorientierte kommerzielle Rundfunkbetriebe am Leben erhalten werden.“

Klinkhammer und Bräutigam machen am Ende dieses Unterkapitels keinen Hehl aus ihrer Empörung: „Und dass ein ehrloser, unwürdiger, staats- und wirtschaftsfrommer Journalismus sowohl die Grundlage dafür herstellt als auch Begleiterscheinung dazu ist.“

Im nächsten Kapitel „Was tun?“ bringen die beiden Autoren einen „verblüffend einfachen Vorschlag“ des Medienwissenschaftler Michael Meyen, einen Lehrstuhlinhaber der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), ins Spiel:

«Damit sich dieser neue öffentlich-rechtliche Rundfunk vom alten unterscheidet, müssen die Anbieter von den Menschen kontrolliert werden, denen sie gehören. Das sind wir, Rundfunkräte können entweder direkt gewählt werden – oder ausgelost. Für diesen Vorschlag sprechen zum Beispiel das Ideal der athenischen Demokratie … oder die Laien-Gerichtsbarkeit in den USA, bei der Geschworene per Los bestimmt werden.« (S.26)

Zu diesem Vorschlag möchte ich empfehlen auch meinen Beitrag „Michael Meyens Traum von einem neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Medienqualität für zwei Euro“ zu lesen.

Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk knarzt es an allen Ecken und Enden

„Die Pensionäre Bräutigam und Klinkhammer investieren jeden Tag sechs bis acht Stunden in ihre Tagesschau-Kritik“ schreibt Michael Meyen auf seinem Medienblog im Jahre 2021.

In ihrem nun vorliegendem Buch finden sie Folgendes „offenkundig“: „Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk knarzt es an allen Ecken und Enden. Besonders frappierend ist, dass er journalistische Mindeststandards nicht einhält, obwohl er gegenüber den kommerziellen Medien diesbezüglich im Vorteil ist: Seine Finanzierung mittels Beitragspflicht macht ihn unabhängig von den Zwängen des «Marktes« und dessen Orientierung.“

In ihrem Buch zeigen sie anhand einiger ihrer Artikel, „auf welch eklatante Weise die Berichterstattung der Tagesschau guten Journalismus vermissen lässt.“

„Neben dem Pressekodex könnte hier auch die Münchner Ethik-Charta (oder Erklärung der Pflichten und Rechte von Journalisten) als Maßstab herangezogen werden. Sie verlangen neutrale und umfassende Berichterstattung («Sagen, was ist«), Widerstand gegen Zensurversuche sowie Distanz zu den Mächtigen.“

Bei der einseitigen, zu Propaganda verkommenen Berichterstattung über den Ukraine-Krieg wird der sogenannten „Wertewesten“ über den grünen Klee gelobt. Russland dagegen wird als das Böse dämonisiert mit Putin an der Spitze als personifizierten neuen Hitler. Was dabei von den Medien geflissentlich unter den Tisch fallengelassen wird ist Folgendes:

„Insgesamt sind die USA seit dem Zweiten Weltkrieg wegen ihrer martialischen Überfälle auf andere Länder für den Tod von schätzungsweise 20 bis 30 Millionen Menschen verantwortlich. Allein in den vergangenen 20 Jahren hat unsere westliche «Wertegemeinschaft« vier Millionen Muslime umgebracht, vom Neugeborenen bis zum Greis; angeblich um den weltweiten Terrorismus auszurotten. Baerbocks «Wertepartnerschaft« erinnert wahrlich streng an Goethes Aphorismus über den Charakter:

«Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann,« (S.194/195; in „Mörderischer Tradition“)

Artikel der Autoren auch auf publikumskonferenz.de zu finden

Hinweis der Autoren: „Die Artikel wurden von Maren Müller auf publikumskonferenz.de dokumentiert und können dort weiterhin eingesehen werden.“

Schauen wir genau hin

Unter dem Kapitel „Zensur“ (S.28) lesen wir:

«Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film wird gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.« Das geht auf den Artikel 5 des Grundgesetzes zurück, den die Autoren als Kernparagraphen unserer Demokratie bezeichnen.

„Ohne freie Berichterstattung kann sich der Bürger (und damit die Wähler) kein eigenes Bild machen. Er muss sich frei informieren können, um (s)eine Entscheidung zu treffen. Sofern dahingehend Einschränkungen vorgenommen werden, bewegen wir uns in einer demokratischen Schieflage. Bei jedem Medienschaffenden, der ordentlichen Journalismus betreiben will, sollten die Alarmglocken läuten, wenn ein Medium verboten wird.“

Dazu passend folgt der Artikel „Ene mene muh und raus bist du: RT DE“ (erschienen am 31.12.2021)

Die Autoren empfehlen genau hinzuschauen, „warum und wie begründet der Sender Russia Today in Europa verboten wurde.“

Klinkhammer/Bräutigam: „Auf den ersten Blick möglicherweise gerechtfertigt wegen des Vorwurfs, ein Staatsmedium von Präsident Putin zu sein, kann man erhebliche Zweifel daran anmelden, wie dieses Verbot zustande kam.“

Wie konnte die zwangsweise Abschaltung eines bereits in Betrieb befindlichen Senders ohne ein rechtsstaatlich einwandfreies und öffentlich einsehbares Verwaltungsverfahren ohne Absprache mit dem Lizenzgeber Serbien über die Bühne gehen?

Tja, wie du mir, so ich dir: Kaum war RT DE in Deutschland verboten, schloss Russland das Moskauer Büro der Deutschen Welle, die man bisher hatte gewähren lassen, obwohl sich der Staatssender auf unverschämte Weise in russische Politik eingemischt hatte.

Immerhin gibt es nach wie vor die Möglichkeit RT DE via Internet zu nutzen. Für alle, die sich ihren Informationsanspruch nicht von deutschen Regulierern und Qualitätsjournalisten begrenzen lassen wollen“, wie die Buchautoren anmerken. (S.36)

Was ich beispielsweise auch nach wie vor tue.

Wenn es auch nicht hundertprozentig vergleichbar ist: RT DE wurde für mich zum Korrektiv zu journalistisch heruntergekommenen bundesdeutschen Medien und Zeitungen. Wie in meinen DDR-Jahren „Westradio“ und „Westfernsehen“ ein Korrektiv zu den propagandaträchtigen DDR-Medien gewesen waren. Wobei ich stets auch die Westmeldungen kritisch rezipierte. Überhaupt erachte ich es für wichtig sich über die Nutzung einer Vielzahl an unterschiedlichen Medien – die immer auch kritisch geschehen muss – mit Informationen zu versorgen, um sich dann eine eigene Meinung zu bilden. Wie es auch der Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser schon lange empfiehlt.

Wovon nicht mehr gesprochen werden kann

Liebe Leserinnen und Leser gewärtigen sie das, was auch aus einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1969 zitiert wird:

Dem Einzelnen soll ermöglicht werden, sich seine Meinung auf Grund eines weitgestreuten Informationsmaterials zu bilden. Er soll bei der Auswahl des Materials keine Beeinflussung durch den Staat unterliegen. Die Informationsfreiheit … auch dazu bestimmt ist, ein Urteil über die Politik der eigenen Staatsorgane vorzubereiten, muss diese Staatsorgane weitgehend bewahrt werden.“

Davon kann man nicht (mehr) sprechen. Zu eng sind inzwischen Politik und öffentlich-rechtlicher Rundfunk miteinander verwoben.

Klinkhammer und Bräutigam: «Der „Qualitätsjournalismus“ dieser Nachrichtenanbieter sichert den Bestand unserer USA-NATO-EU-BRD-regelbasierten Werteordnung und nicht die ungehinderte Meinungsbildung des Einzelnen. Indem sie sich damit in krassen Widerspruch zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts setzen, schaufeln sie sich selbst ihr Grab. Ihre Impertinenz wird vielleicht eines Tages auch die geduldigen Karlsruher Richter aus der roten Robe fahren lassen.“

Ist darauf wirklich zu hoffen, frage ich. Schließlich ist auch das Bundesverfassungsgericht ist nicht mehr das, was es (vielleicht) einmal war.

Bedenken wir aber auch die Worte eines Nobelpreisträgers:

„Der englische Dramatiker Harold Pinter erinnerte in seiner Rede zur Verleihung des Nobelpreises 2005 an das «weitverzweigte Lügengespinst, von dem wir uns nähren«. Damit die Macht der herrschenden Eliten «erhalten bleibt, ist unabdingbar, dass die Menschen unwissend bleiben, dass sie in Unkenntnis der Wahrheit leben.«“ S.195)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist am Ende. Aber ein Ende ist nicht in Sicht

Wäre das zu überwinden?

Warum die Nachrichten eine oft fragwürdige politisch-ideologische und einseitige Färbung aufweisen hat nicht zuletzt auch damit zu tun, das die „Redaktion ARD-aktuell, zuständig für Tagesschau, Tagesthemen, Nachtmagazin, tagesschau.de und Tageschau24“ seit Jahren Selbstzensur übt, wie die Autoren des Buches finden. (S.9)

„Sie verarbeitet nämlich ausschließlich Material der westlichen Nachrichtenagenturen:

  • AP (Associated Press, USA, kommerziell, aber unter starker staatlicher Kontrolle
  • TRI (Thomson Reuters, Kanada, kommerziell)
  • AFP (Agence France Presse, Frankreich, halbstaatlich)
  • dpa (Deutsche Presseagentur, kommerziell, kooperiert mit AP)
  • sid (Sport Informationsdienst, kommerziell)

Nicht bezogen werden Agenturen Russland (ITAR-TASS, Interfax, APN), China (Xinhua, CNS), Indien (Asien News International unter anderem), Afrika (SAPA unter anderem) und Lateinamerika (teleSUR unter anderem).

Die Konsequenz: selbst verschuldete Einseitigkeit. Die Nachrichtengestaltung trieft vor eurozentristischer Arroganz und USA-höriger Gefolgschaftstreue.“

Noch Fragen, liebe Leserinnen und Leser?

Fazit der Autoren

„Die Diskrepanz zwischen dem, was berichtet wird, und dem, was ist, würde (und wird) bei Verbleib auf diesem Kurs immer größer werden. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“

Möge er das bald tun, denn es ist m. E. bereits jetzt so unerträglich, dass man sich diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk kaum mehr antun mag!

Für mich persönlich gilt schon lange, dass der deutsche Journalismus insgesamt auf den sprichwörtlichen Hund gekommen ist.

Ein markanter Punkt, geradezu ein ideologischer, den absoluten Kipppunkt, verorte ich im Jahre 2014 mit dem Maidan-Putsch in Kiew.

Ein in brillantem Stil, mit scharfen Federn und bei hellwachem Verstand, saftig pointiert geschriebenes Buch, das ich unbedingt empfehle und welchem ich eine hohe Verbreitung wünsche.

Zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei noch einmal Michael Meyen zitiert (Medienrealität; „Das Elend der Medien” ist da; 27.5.2021):

«Diese Anstalten gehören uns allen. Wir zahlen dafür sehr viel Geld. Deshalb ist die Kritik hier besonders heftig – in Thüringen und Sachsen genauso wie in Oberbayern. „Betrug am Zuschauer“, sagt Volker Bräutigam, der gut 400 Programmbeschwerden geschrieben hat und noch nie Recht bekam. Die „Gegenöffentlichkeit“, die Bräutigam und sein Mitstreiter Friedhelm Klinkhammer genau wie Maren Müller (Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien) herstellen, ist das eine (Müller: wie „eine Mücke im Schlafzimmer“) […]«

Den beiden unermüdlich im öffentlichen Interesse tätigen Autoren, deren Texte ich stets auch gerne auf meinem Blog veröffentliche, möge weiterhin viel Kraft beschieden sein, um weiterhin „eine Mücke im Schlafzimmer“ zu sein. Um die Menschen aufzustören, sie aufzuklären und im besten Falle ins Handeln zu bringen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist am Ende

Fifty-Fifty Verlag

Friedhelm Klinkhammer, Volker Bräutigam

Friedhelm Klinkhammer (li.) und Volker Bräutigam (re.) während einer Medienkonferenz der IALANA in Kassel. Foto: Claus Stille
Erscheinungstermin:04.09.2023
Seitenzahl:284
Ausstattung:Klappenbroschur
Artikelnummer:9783946778455

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Verdi-Spitze steuert auf Kriegskurs – Mitglieder wehren sich

Die Führungsspitzen im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) schwenken auf den antirussischen Kriegskurs der Regierung ein. Auch der Verdi-Vorstand will sich beim Bundeskongress mit einem Leitantrag für Waffenlieferungen gegen die Basis durchsetzen – Mitglieder wehren sich dagegen.

Von Susan Bonath

Mit einer Petition „gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden“ wehren sich Gewerkschafter gegen den aktuellen Versuch der Verdi-Chefetage, die in der Satzung verankerten friedenspolitischen Grundsätze der Organisation auszuhebeln. Hintergrund ist ein Leitantrag des Bundesvorstandes unter dem irreführenden Titel „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch“, der auf dem bis Freitag tagenden Verdi-Bundeskongress beschlossen werden soll.

Antirussisch, kriegerisch – regierungstreu

Die Petenten beklagen darin zunächst den regierungstreuen antirussischen Kriegskurs des SPD-nahen Dachverbandes ihrer Gewerkschaft. Die DGB-Bundesspitze habe sich bereits 2022 für Waffenlieferungen in die Ukraine ausgesprochen. Dies verstoße klar gegen die Satzungen der Mitgliedsgewerkschaften. Nun schwenke auch die Verdi-Führung auf diesen gefährlichen Kurs für eine „Kriegslogik“ ein, die …

„… unter dem Deckmantel eines sogenannten ‚umfassenden Sicherheitsbegriffs‘ ausdrücklich ‚militärische Sicherheit‘, indirekt ‚Auf- und Hochrüstung‘ und Kriegseinsätze auch deutscher Soldaten befürwortet, ‚was zum Erfüllen ihrer Aufgaben in der Landes- und Bundesverteidigung erforderlich ist‘ – und das alles unter einer den wahren Kern verschleiernden Überschrift“.

Ukraine und NATO als angebliche Unschuldslämmer

In der Tat strotzt der Leitantrag des Verdi-Vorstands nur so von politischen Propaganda-Begriffen. Er zeichnet wie derzeit viele Medien das Zerrbild von einer angeblich völlig unschuldigen ukrainischen Führung, die ganz ohne eigenes Zutun von Russland angegriffen worden sei und nun vermeintlich „völkerrechtlich zulässig“ von der NATO bei ihrer „Verteidigung“ unterstützt werden müsse.

Dabei verbreitet die Verdi-Spitze auch die Lüge, Russland wolle damit lediglich „einem großrussischen Reich wieder mehr Geltung verschaffen“ und just „gewaltsam Grenzen verschieben“. Dazu beschwören die Antragsteller „die westliche Staatengemeinschaft“ mit dem Militärbündnis NATO als vermeintlich einzig und allein an „Frieden und Sicherheit interessierte“ Unschuldslämmer.

Zwar kritisiert der Verdi-Vorstand, dass dem der Bundeswehr gewährten „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro auf der anderen Seite soziale Kürzungen gegenüberstehen. Dennoch müsse die deutsche Armee zur „Landes- und Bündnisverteidigung“ aufgerüstet und die Ukraine „mit militärischem Material wie Waffen aus den Reihen der NATO-Mitglieder“ unterstützt werden, um die „territoriale Integrität“ der Ukraine wieder herstellen zu können.

Interessen der Basis ignoriert

Die Petenten aus der Verdi-Basis sprechen von einem „finalen Kniefall vor militaristischer Logik“ ihrer Führung. Der Leitantrag verstoße auch gegen die Satzung, die klarstelle, alle militaristischen Tendenzen zu bekämpfen, sowie gegen die Grundsatzerklärung von Verdi für Abrüstung und den Schutz aller Menschen vor Verfolgung, Folter und Krieg.

Der Vorstand ignoriere somit die Interessen der gewerkschaftlichen Basis, bekräftigte die Initiatorin der Petition, Hedwig Krimmer, in einem aktuellen Interview mit der linken Tageszeitung Junge Welt. Denn mittels Leitantrag beerdige die Führung praktisch viele anderslautende Anträge aus der Basis. Diese würden damit zu bloßem Arbeitsmaterial degradiert. Krimmer beklagt einen Anpassungskurs an die Regierung unter SPD-Kanzler Olaf Scholz, der auch auf der Rednerliste des Bundeskongresses steht.

Politik des Burgfriedens mit dem Kapital

Der Hauptgrund für den DGB-Kurs ist zweifellos seine historische Anbindung an die SPD. Wie die Petenten richtig erläutern, befand sich diese schon vor mehr als 100 Jahren auf opportunistischem Abweg. „Wir haben nicht vergessen, was 1914 geschah“, schreiben sie, und weiter: „Die Gewerkschaftsführungen in ganz Europa schickten unter Bruch aller vorherigen Beschlüsse ihre Mitglieder in den Krieg.“ Auch damals wurde Russland als Feindbild aufgebaut. Die SPD hatte zuvor den sogenannten Kriegskrediten zugestimmt.

In der Weimarer Republik, mehr noch nach 1945, kehrte die SPD dem Klassenkampf immer mehr den Rücken. Über die unversöhnlichen Interessenkonflikte zwischen Kapital und Arbeit legte die selbsterklärte Arbeiterpartei den Schleier der vermeintlichen „Sozialpartnerschaft“ samt streng reglementiertem, zahnlosem Streikrecht, das vor allem privilegierteren Arbeiterschichten zugutekommt. Diese Art des „Burgfriedens“ mit dem Kapital werde nun, wie einst 1914, erneut auf die Spitze getrieben, so die Kritiker.

Petenten: „Stehen an der Seite der Arbeiter“

Die Petenten stellen schließlich ihre eigenen Forderungen gegen den Kurs der Verdi-Führung auf. Für sie könne es „als Lehre aus der eigenen Geschichte nur einen Beschluss geben“, nämlich:

„Unsere Zukunft ist nicht an der Seite der deutschen Regierung oder irgendeiner anderen Kriegspartei. Unsere Zukunft ist an der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter, die (…) gegen Waffenlieferungen kämpfen, und an der Seite der Kolleginnen und Kollegen (…) weltweit, die immer wieder gegen den Krieg und die Abwälzung der Kosten auf uns alle streiken. Unsere Solidarität gehört den Arbeitern, Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und Flüchtlingen (…).“

Verrat an den Lohnabhängigen

Die Fokussierung auf die „territoriale Integrität der Ukraine“ ist aus Sicht der Autorin ein klassisches Beispiel für eine Umdeutung von Kapital- als vermeintliche Arbeiterinteressen. Seit ihrer Abspaltung von der früheren Sowjetunion 1991 hat die Ukraine eine der höchsten Armutsquoten in Europa. Große Teile der Arbeiterklasse leiden seither unter Verelendung und Perspektivlosigkeit, vielen bleibt nur die Arbeitsmigration.

Eine fiktive „Rückeroberung“ der an Russland angeschlossenen Gebiete im Osten durch die ukrainische Armee würde am Leben der einfachen Arbeiter nicht das Geringste verbessern. Wohingegen die durch die NATO und ukrainische Führung vorangetriebene Fortsetzung des Krieges das Elend mit jedem Tag vergrößert sowie den Mehrheitswillen der arbeitenden Bevölkerung im Osten des Landes völlig ignoriert.

Verdi und der gesamte DGB ignoriert also mit seiner Haltung ausgerechnet das Interesse der Arbeiterklasse, welches sie doch angeblich verteidigen. Sie hetzen die einfachen Soldaten an der Front weiter gegeneinander auf. Wieder einmal machen sich die deutschen Gewerkschaften so zum verlängerten Arm der herrschenden Klasse und ihrer Politik – und zu Verrätern der Lohnabhängigen.

Quelle: RT DE

Anbei: Update vom 18.9.2023

ÜBER ZYNISMUS IN ZEITEN DES KRIEGES

Liebe Unterstützer:innen,

Wie versprochen haben wir heute die Delegierten des 6. Ordentlichen ver.di-Bundeskongresses in Berlin vor dem Kongresshotel Estrel begrüßt und mit ihnen unser Anliegen besprochen.

Unterstützt von Kolleg:innen  des Netzwerk für eine kämpferische ver.di, dem ver.di-Friedensnetzwerk, der IGM und der EVG konnten wir mit ca. 350 Kolleg:innen bei ihrer Anreise direkt ins Gespräch kommen. Dabei haben wir ganz viel positive Resonanz für unsere Initiative erhalten. Und einige der Delegierten waren dabei, die erkennbar nicht erfreut waren darüber, dass wir sie mit ihrer schwerwiegenden Entscheidungsfrage nach einer langen Anreise und noch vor dem Zutritt an den Tagungsort konfrontierten…. Menschlich verstehbar; inhaltlich konnten wir das den Kolleg:innen trotzdem leider nicht ersparen (Photostrecke).

Und als dann um kurz vor 13:00 der Bundeskanzler eintraf, da wurde er von ca. 100 Kolleg:innen vor dem Hotel Estrel lautstark und gebührend empfangen…: „Es gibt kein ruhiges Hinterland!“

Darüber hinaus gelang es ca. 100 Kolleg:innen trotz der Verbunkerung unseres Kongresses und dessen Abriegelung gegen die Basis als Hochsicherheitszone ihren Protest auch bei der Rede des Kriegskanzlers erkennbar zu machen (Photostrecke).

Wie weit es mittlerweile gekommen ist, wird daran deutlich, dass im Lifestream des Kongresses kein einziges Bild des Protestes zu sehen war… Geht`s noch?!

Neben vielen Dingen, die Herr Scholz erzählte, zu denen wir ihn beim Wort nehmen sollten (Tariftreue, menschenwürdiger Mindestlohn, Notwendigkeit starker Gewerkschaften, etc.), hat er dann zum Schluss seiner Rede – wie erwartbar – übelst vom Leder gezogen: Zynisch seien diejenigen, die sich angesichts des `russischen Angriffskrieges` der Lieferung von immer mehr und krasseren Waffen entgegenstellten. Eine `Grenzverschiebung mit militärischer Gewalt` dürfe es niemals wieder geben, da sonst jeder Maßstab fiele… Schon vergessen? Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der NATO auf Jugoslawien 1999!  Alles nur eine Frage danach, wer jeweils wen überfällt…?! Wer noch Fragen zum Thema `Zynismus` hat, die/der möge präzise zuhören.

Rosa Luxemburg schrieb angesichts des industrialisierten Massenschlachtens des Ersten Weltkrieges schon 1916: „„Die Dividenden steigen, und die Proletarier fallen. Und mit jedem sinkt ein Kämpfer der Zukunft, ein Soldat der Revolution, ein Retter der Menschheit vom Joch des Kapitalismus ins Grab.

DAS ist zur Sache gesprochen. Das galt vor über 100 Jahren und hat sich bis heute nicht geändert… Umso mehr gilt es: SAGT NEIN! 

Trotz Alledem:
Wir sind guter Dinge, dass unser aller Engagement die Dinge noch bewegen wird. 

Der heutige Tag gibt uns Mut, dass sich der Kongress doch noch zu einem NEIN! gegen KRIEG, MILITARISMUS UND BURGFRIEDEN entscheiden wird, denn wir haben die besseren Argumente auf unserer Seite.

Wer, wenn nicht wir?!
Wann, wenn nicht jetzt?!
Wo, wenn nicht hier?!

Wir bleiben dran und halten Euch auf dem Laufenden.
Morgen ab 08:00 vor dem Estrel!


Gewerkschaft, das sind wir!
NEIN! ZU KRIEG, MILITARISMUS UND BURGFRIEDEN!

Wir sind und bleiben
BUNT und INTERNATIONAL!


Für den Initiator:innekreis
Hedwig Krimmer           Andreas Buderus

Quelle: change.org

„Die Konsensfabrik“ von Herman/Chomsky erstmalig auf Deutsch – Rezension

Da ist es nun endlich, 35 Jahre nach der Veröffentlichung in den USA – und zwar erstmalig auf Deutsch. Keine Ahnung warum es so lange dauern musste bis es in deutscher Übersetzung erschien. Der Titel: „Die Konsensfabrik“. Herausgegeben vom Westend Verlag. Michael Schiffmann hat es übersetzt. Nachdem er früher bereits Angela Davis und Noam Chomsky ins Deutsche übertragen hat. In einem dreiviertel bis einem Jahr sei es ihm gelungen, die Übersetzung fertigzustellen, erzählt Schiffmann in einem Video des Westend Verlags.

Wie einer der Herausgeber der deutschen Ausgabe, der Medienwissenschaftler Uwe Krüger im Video über das Buch sagt: „Ein ziemlicher Wälzer. Ein ordentlicher Ziegelstein.“ Ein blauer Ziegelstein, 704 Seiten stark und schwer. Aber bitte nicht gleich davor zurückschrecken, lieber Leserinnen und Leser. Nehmen Sie sich die Zeit – die Lektüre lohnt.

«Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media ist eine Monographie von Edward S. Herman und Noam Chomsky, die 1988 erstmals veröffentlicht wurde. 2002 wurde das Buch mit einem neuen Vorwort neu aufgelegt. 2023 erschien mit Die Konsensfabrik. Die politische Ökonomie der Massenmedien die deutschsprachige Übersetzung«, heißt es auf Wikipedia.

«Mit „Manufacturing Consent“ haben die beiden großen Intellektuellen im Jahr 1988 ein umfassendes Werk zur Funktionsweise der Massenmedien in kapitalistischen Demokratien vorgelegt, das heute als eine der meistgelesenen Studien zum Thema gilt und nun am im September 2023 endlich und erstmals auf Deutsch erscheint«, schreibt der Westend Verlag, dem größter Dank für die eigentlich längst überfällig gewesene Herausgabe in deutscher Sprache gebührt. Und weiter:

«Fein und detailliert zeigen die Autoren, wie die Medien einen gesellschaftlichen Konsens herstellen, der den herrschenden wirtschaftlichen und politischen Interessen folgt. Diese Einflussnahme erfolgt aber nicht durch dunkle, verschwörerische Mächte im Hintergrund, sondern durch die ökonomischen Bedingungen der Medienlandschaft, die Chomsky und Herman analysieren und dabei Themen in den Blick nehmen wie: Eigentumsverhältnisse, Anzeigengeschäft, Quellenabhängigkeit, die Grenzen des Sagbaren und politische Einflussnahme sowie implizite gesellschaftliche Ideologien. Sie zeigen auf, wie Fragen formuliert und Themen ausgewählt werden, und machen die Doppelmoral sichtbar, die der Darstellung freier Wahlen, einer freien Presse und staatlicher Unterdrückung zugrunde liegt.«

Sie werden hier schon aufmerken, liebe Leserinnen und Leser, weil hier quasi schon ins Auge springt, dass die Studien in keiner Weise veraltet sind. Ganz im Gegenteil! Die darin dargelegten Erkenntnisse sind umso wichtiger für die heutige Generation, um zu verstehen, wie Medien arbeiten und deren Rezipienten beeinflusst werden. Zumal ja heute zusätzlich die sozialen Medien ein nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Nicht zu vergessen auch die Einmischung sogenannter „Faktenchecker“ (m. E. ein Übel unserer Zeit, wohinter auch wiederum bestimmte Interessen stecken) auf die dort veröffentlichten Inhalte. Wobei der Eindruck zu gewinnen ist, dass diese Faktenchecker Sendungen beispielsweise öffentlich-rechtliche Medien weniger stark – sprich: unkritischer – in den Blick nehmen. Obwohl die ja auch schon so manchen Bock geschossen haben.

Es geht um die Interessen einer mächtigen Minderheit

Die Medienwissenschaftler Uwe Krüger, Holger Pötzsch und Florian Zollmann haben eine ausführliche Einführung zur deutschsprachigen Ausgabe verfasst über das Propagandamodell von Chomsky und Herman und seine heutige Bedeutung. Außerdem sind in dem Buch die beiden Vorworte der englischen Ausgabe von 1988 und 2002 enthalten.

In ihrer Einführung machen die Autoren klar, dass keine andere Theorie der Journalismusforschung so hart und unversöhnlich mit den kommerziellen Nachrichtenmedien ins Gericht gehe wie das Propaganda-Modell von Edward S. Herman und Noam Chomsky. Ihnen nach „haben die etablierten Medien in liberalen Demokratien eine Hauptfunktion, nämlich «Propaganda« zu betreiben. Das meint: Sie versuchen, etablierte Machtverhältnisse zu stabilisieren und in der Bevölkerung einen Konsens zu einer Politik und einem Wirtschaftssystem herzustellen, die vor allem den Interessen einer mächtigen Minderheit dienen.“ (S.7)

Sie verweisen darauf, dass „der öffentliche Raum in Deutschland seit etwa 2014 in den sozialen Netzwerken und oft auch auf den Straßen voll von Medienzynismus, Journalistenverachtung und Verschwörungsideologien á la Lügenpresse ist: Journalisten seien gekauft; Redaktionen seien von Politik, Geheimdiensten und Hochfinanz gesteuert und würden zusammen mit der Regierung die Bevölkerung manipulieren – solche Vorstellungen sind recht weit verbreitet (vgl. Krüger 2021; Schultz et al. 2023).“

Sie fragen. „Wozu dann dieses Buch, das vermeintlich in dieselbe Kerbe schlägt, jetzt auf Deutsch?“

Weiter: „Sollte man die Medien in Krisenzeiten wie diesen nicht eher die Medien in Schutz nehmen und eine Verteidigungsschrift der liberalen Demokratie inklusive der Infrastruktur ihrer Öffentlichkeit verfassen, anstatt die Gesellschaft weiter zu spalten?“

Die Autoren der Einleitung stehen für eine andere Meinung: „Tatsächlich ist, davon sind wir überzeugt, dieses Buch ein Mittel gegen die Spaltung der Gesellschaft, denn die Erosion des Vertrauens in demokratische Institutionen und Prozesse hat tiefere Ursachen als Verschwörungsfantasien und Twitter-Trolle. Ergebnisse aus der Forschung zu Medienvertrauen deutschen darauf hin, dass wirtschaftliche Ungleichheiten und neoliberale Postdemokratie-Verhältnisse politischen Ohnmachts- und Entfremdungsgefühle erzeugen (vgl. Krüger & Seiffert-Brockmann 2018), gegen die das vorliegende Buch gerade antritt.“ (S.9)

Diese Einleitung enthält wichtige Einordnungen und Gedanken, die auch die Gegenwart in den Blick nehmen. Deshalb empfehle ich den Text der drei Autoren unbedingt zu lesen und nicht zu überspringen.

Wichtig zu wissen ist, dass das sich von Herman/Chomsky skizzierte Propagandamodell die Ungleichheit von Reichtum und Macht und die vielfältigen Auswirkungen konzentriert, die sie auf die Interessen und Entscheidungen derer hat, die über Massenmedien bestimmen. Es werden die Mechanismen verfolgt, mittels derer Geld und Macht in der Lage sind, die Nachrichten herausfiltern «die es wert sind gedruckt zu werden«. Abweichende Meinungen werden unterdrückt oder abgeschwächt – als wertlos – dargestellt. Im Gegenzug ermöglicht man herrschenden staatlichen und einflussreichen privaten Interessen ihre Botschaften unters Volk zu bringen.

Dem Propagandamodell zufolge müssen Nachrichten fünf Nachrichten-«Filter« durchlaufen bevor sie in den Medien landen

Um darzustellen, wie die Berichterstattung trotz formaler Pressefreiheit beeinflusst wird, nennen Edward S. Herman und Noam Chomsky fünf Filter. Diese stellen die wirtschaftlichen und politischen Einflussfaktoren dar, die bestimmen, ob und wie eine Nachricht vermittelt wird. Dieser Prozess geschieht oftmals nicht öffentlich und von journalistischer Seite nicht einmal bewusst. Weshalb der Eindruck von Pressefreiheit, unabhängigen Medien und sowie eines auf der Demokratie fußenden Konsenses in der Bevölkerung in der Regel nicht in Zweifel gezogen wird.

Filter 1: Die Eigentümer und deren (finanziellen) Interessen im Sektor Massenmedien. Unbequeme Meinungen und Positionen werden aussortiert

Die Besitzerinteressen spielen bei der Berichterstattung ihrer Medien selbstredend eine Rolle. Beispielsweise gehörte der große US-Fernsehsender NBC bis 2009 zu 100 % und bis 2013 zu 49 % dem Großkonzern General Electric. Dieser Misch-Konzern war aber nicht nur in der Medienbranche tätig, sondern unter anderem auch in der Rüstungsindustrie. General Electric (GE) versuchte somit die Berichterstattung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Der Sender musste tendenziell potentielle Kriege unterstützen und negative Berichterstattung über Konflikte, in denen mit GE Waffen gekämpft wird, zurückhalten.

Die Besitzverhältnisse werden besonders durch zwei Faktoren geprägt werden. Erstens benötigt man enorm viel Geld, um ein Medium mit relevanter Reichweite zu gründen. Weshalb die Medienlandschaft hauptsächlich von großen Konzernen geprägt wird. Zweitens kann man einen Prozess der Medienkonzentration beobachten. Der normale Mediennutzer mag an eine scheinbare Medienvielfalt glauben. In Wirklichkeit besitzen einige wenige große Unternehmen die Mehrheit an Zeitungen, TV- und Radiosendern. Herman und Chomskys Analyse beschränkt sich zwar nur auf den US-Markt, sie gehen aber davon aus, dass diese Punkte für alle entwickelten Demokratien gelten.

Filter 2: Die Einnahmequellen: Werbung macht Inhalt

Um als Medium langfristig erfolgreich sein zu können, reicht es nicht, vermögende Besitzer zu haben. Diese wollen nämlich auch Profite sehen. Zeitungen decken beispielsweise ihre Kosten längst nicht mehr durch den Verkauf, sondern machen ihre Gewinne vor allem mit den Inseraten. Allerdings sind hierzulande die Anzeigeneinnahmen mittlerweile rückläufig.

Fernsehsender leben fast ausschließlich von TV-Spots. Um gewinnbringend wirtschaften zu können, ist man also von den Werbeeinnahmen und damit von anderen Unternehmen abhängig. Die inserierenden Konzerne bestimmen dadurch die Auswahl und Vielfalt der Medieninhalte wesentlich mit. Diese Abhängigkeit führt auch dazu, dass die Medien stark dazu neigen, von vornherein werbetaugliche Inhalte zu publizieren.

Banalisierung der Inhalte

Formate werden also für die Werbetreibenden erstellt und nur in zweiter Linie für die Rezipienten der jeweiligen Medien. Dadurch kommt es unter anderem zu einer Banalisierung des Angebotes. Unternehmen meiden beunruhigende oder kontroverse Inhalte als Plattform für ihre Produkte, da sie die Kaufstimmung beeinträchtigen könnten. Somit werden eher leichte Programminhalte produziert, da diese billiger zu erzeugen sind und vor allem auch mehr Werbeeinnahmen generieren.

Selbstzensur: Die Schere im Kopf

Eine weitere Auswirkung ist die Selbstzensur der Medien. Um Werbekunden nicht zu vergraulen, wird bewusst auf Inhalte verzichtet, die ihnen schaden würden. So wird ein Medium einen Bericht über vermehrte Fettleibigkeit unter Kindern eher zurückhalten, wenn ein großer Sponsor ein Fast-Food Konzern ist. Diese Einflussnahme auf die Blattlinie erfolgt oftmals ohne direktes Einwirken der Werbenden und wird durch vorauseilenden Gehorsam automatisch durchgeführt. Dieser Mechanismus wird auch „die Schere im Kopf“ genannt.

Filter 3: Quellen: Wer produziert die Nachrichten?

Medien brauchen für ihre Arbeit vor allem eines: Informationen. Der steigende Kostendruck in der Branche führt zu einer Ausdünnung der Redaktionen und somit nimmt der Anteil der selbst recherchierten Meldungen ab. Die Hauptzulieferer von Informationen sind heute PR- und Nachrichtenagenturen.
Wir erleben eine Professionalisierung der Pressearbeit von Unternehmen und politischen Gruppen, wobei auch hier gilt: Je finanzstärker diese sind, desto erfolgreicher können sie PR-Arbeit leisten.

Win-Win-Situation „Copy & Paste“

Oftmals übernehmen JournalistInnen einfach Meldungen, die sie auf Pressekonferenzen oder durch Pressemitteilungen erhalten, damit verwandeln sie PR-Berichte in vermeintlich journalistische Fakten. Für die PR-Arbeiter ist dies der optimale Fall, weil der Absender seine Argumente 1:1 und ohne Widerspruch ans Publikum bringt. Das Medium wiederum erspart sich Recherche und wirkliche Bearbeitung des Themas.

Beispiel: „Laut einer Untersuchung des britischen Journalisten Nick Davies gehen gerade mal 12 Prozent der Artikel in britischen Qualitätsmedien auf tatsächliche Eigenrecherche von Redakteuren zurück. 41 Prozent beinhalteten PR-Material und 13 Prozent unterschieden sich nur unwesentlich von PR-Texten. Zeitungssterben und Profitlogik haben auch die Arbeitsbedingungen in den Redaktionen verschlechtert: Journalisten haben heute um zwei Drittel weniger Zeit als noch in den 1980er Jahren. Während die Zahl der Redakteure leicht abgenommen hat, hat sich die Menge an Texten, die sie produzieren müssen verdreifacht. Dazu kommt, dass mittlerweile mehr Menschen dafür bezahlt werden, die öffentliche Meinung im Sinne der Unternehmen und Politiker zu beeinflussen als es Journalisten gibt.“

Die Rolle der Nachrichten-Agenturen

Die zweite wesentliche Nachrichten-Quelle sind wenige große Nachrichtenagenturen. Ein guter Teil aller Zeitungs-Nachrichten besteht lediglich aus mehr oder weniger gekürzten Agentur-Meldungen. Die Leser werden das oft gar nicht bemerken.

Unter anderem sind die Agenturen bei ihrer Arbeit sehr auf die Kooperationsbereitschaft von Regierungen und Konzernen angewiesen. Zudem sortieren sie Meldungen aus, die sie als wenig relevant oder nicht medientauglich erachten. Insgesamt schaffen es also vielfach Nachrichten nur in die Öffentlichkeit, wenn Institutionen ein Interesse daran haben und wenn sie den medialen Verwertbarkeitskriterien entsprechen.

Filter 4: «Flak« als Bestrafung für Abweichung: Öffentliche Kritik oder Geldentzug

Berichte oder Sendeformate, die den politisch und wirtschaftlich Mächtigen unangenehm sind, werden systematisch mit negativen Reaktionen beantwortet. Das können von PR-Agenturen gesteuerte negative Leserbriefe, Anrufe oder Forenkommentare sein, aber auch persönliche Drohungen, Beschwerden oder Werbekunden, die mit dem Stopp von Inseraten drohen.

Herman und Chomsky benutzen hier den Begriff «Flak« (nach der deutschen Abkürzung für Flugabwehrkanone). Auch kann man diese Praktik „Störfeuer“ nennen. «Flak« ist also ein Mittel zur Disziplinierung der Medien.

Filter 5: «Antikommunismus« als nationale Religion und als Kontrollmechanismus

Noam Chomsky und Edward S. Herman haben ihr Propaganda-Modell unter den Eindrücken einer bipolaren Welt im Kalten Krieg entwickelt. Darum nannten sie folgenden Filter erst Antikommunismus, später aktualisierte Herman den Begriff auf Antiideologie bzw. Neoliberalismus. Später noch: Krieg gegen den Terror vorgeschlagen. Starke Ideologien, die es jeweils erlauben die Welt in Gute und Böse aufzuteilen.

Im Wesentlichen geht es hierbei um das Setzen von Grenzen akzeptabler Meinungen. Darf etwa eine bestimmte Religion oder Religion an sich abgelehnt werden? Wie viele Wirtschaftsjournalisten haben während der Griechenland-Krise die fetischhafte Kürzungspolitik Deutschlands kritisiert? Werden in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen steigende Aktienkurse und Gewinne mit damit verbundenen gesellschaftlichen Entwicklungen und sozialen Kennzahlen verglichen?

All das interagiert miteinander und verstärkt sich so

Sind all die Filter durchlaufen, soll ein gesäuberter Rest übrigbleiben, der «es wert ist, gedruckt zu werden«.

Die Herrschaft der Elite über die Medien und die Marginalisierung von Vertretern abweichender Meinungen ergeben sich auf diese Weise. Die in den Medien tätigen Journalisten, die häufig vollkommen integer und guten Willens ihre Arbeit tun, können sich gar einreden, dass die Nachrichten «objektiv« sind sie die und aufgrund rein professioneller Standards auswählen und interpretieren. Wohl auch, weil sie innerhalb der durch Filter auferlegten Grenzen dann tatsächlich oft objektiv, aber die Beschränkungen sind so mächtig und so gut in das System integriert, dass alternative Kriterien der Nachrichtenauswahl oft nicht einmal vorstellbar sind.

Hochinteressante und spannende Kapitel seien genannt und besonders empfohlen für eine jüngere Leserschaft, die diese Zeit und die damit verbundenen Nachrichten nicht selbst erlebt haben.

(3) Legitimierende und bedeutungslose Wahlen in der Dritten Welt: El Salvador, Guatemala, Nicaragua (S.274)

(4) Das Komplott des KGB und Bulgariens zur Ermordung des Papstes: Marktwirtschaftliche Desinformation als «Nachrichten« (S.362)

(5) Die Indochinakriege: Vietnam (S.405)

(6) Die Indochinakriege: Laos und Kambodscha (S.545)

Dazu auch: die US-Einmischung in die Wahlen in El Salvador, die US-Einmischung in Wahlen in Guatemala, die Einmischung der USA in die Wahlen in Nicaragua, die angebliche Verschwörung des KGB und Bulgariens zur Ermordung des Papstes, der Vietnamkrieg: Vietnam, Kambodscha und die Herrschaft von Pol Pot, Laos.

Wertvolle und wertlose Opfer

Die Leser sollten sich auch intensiv mit dem Kapitel (2) Wertvolle und wertlose Opfer (S.194) beschäftigen.

Das Blut kocht einem, zu lesen, wie unterschiedlich Opfer in den Medien gewichtet werden. Die Opfer „unserer“ Kriege werden in den Westmedien im Grunde genommen als wertlos und unwichtig behandelt. Etwa die durch Saudi Arabien zu verantwortenden Opfer im Jemen. Was an Zynismus nicht zu übertreffen ist. Die Opfer in unseren Feindstaaten dagegen werden als wertvoll behandelt. Sie bekommen eine prominentere Berichterstattung.

Seinerzeit wurde etwa über den durch Leute des polnischen Staatssicherheitsdienstes während des 1984 in der Volksrepublik Polen verhängten Kriegsrechts auf fürchterlicher Weise ermordeten Priesters Jerzy Aleksander Popiełuszko lang und ausführlich über Tage hinweg berichtet. An prominenter Stelle in der New York Times und anderen Leitmedien in den USA. Darüber wurde viel mehr berichtet als über die ganzen religiösen Opfer, darunter Erzbischof Romero von San Salvador.

Über die Folterung, Ermordung von Linken, Gewerkschaftern und Nonnen unter Diktaturen in Mittel- und Südamerika in den 1980er Jahren, die unter dem Einfluss der USA stehend – bis hin zur direkten Unterstützung der Terror ausübenden Diktaturen durch Washington – dagegen wurde, vornehm ausgedrückt, nur zurückhaltend berichtet. 200 000 Opfer sind damals zu beklagen gewesen. In den Indochinakriegen der USA waren es dann schon Millionen von Menschen, die deren Kriegen zum Opfer fielen. Im Buch wird darüber ein statistischer Nachweis geführt – vor allem im Kapitel über Mittelamerika.

Zweierlei Maß halt und eine an den Interessen der USA ausgerichteten Medienberichterstattung.

Die Medien werden nach Herman und Chomsky ganz grundsätzlich von den Eliten als Instrument zur Sicherung ihrer Macht und Interessen missbraucht. Während die Eliten in totalitären Staaten Gewalt zu ihrer Legitimierung nützen, wird in Demokratien die Berichterstattung systematisch beeinflusst, um so Konsens im Interesse der Oberschichten zu erzeugen. Noam Chomsky selbst fasst das mit diesem Zitat zusammen:

„Ohne Knüppel, ohne Kontrolle durch Gewalt, muss man das Denken kontrollieren.
Dazu greift man zu dem, was in ehrlicheren Zeiten Propaganda genannt wurde.“

Das Buch ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Dennoch: absolute Leseempfehlung

Das Buch ist alles in allem eine gute und wichtige Analyse von Chomsky und Herman. Im Wesentlichen auf die USA bezogen. Aber sie ist auch für uns hier – obwohl wir einen viel größeren öffentlich-rechtlichen Mediensektor haben – hoch interessant und hat auch keineswegs an Aktualität verloren.

Chomsky meinte später, es gebe durchaus Möglichkeiten bezüglich der Medien und deren Berichterstattung Veränderungen zum Positiven zu erreichen. Propaganda verfehle heute oft ihre Wirkung. Gibt es also Hoffnungen? Gibt es tatsächlich auch in den Redaktionen heute eine größer Sensibilität und denkt man dort daran verschiedene Haltungen abzubilden?

Ich persönlich – schaue ich mir die heutige Medienrealität an – glaube daran eher nicht. Ist nicht eher das Gegenteil der Fall?

Meiner Meinung nach ist allein der Journalismus in der Bundesrepublik Deutschland – von viel zu wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – heftig auf den Hund gekommen. Auf einem schmerzenden Tiefpunkt angelangt. Nicht zuletzt erfüllt der Journalismus so nicht mehr die in einer Demokratie (welche nebenbei angemerkt – meinem Eindruck nach – auch immer mehr absandelt) unverzichtbare Aufgabe einer Vierten Gewalt.

Betrachten wir doch nur einmal das Agieren unserer Leitmedien und das der Öffentlich-Rechtlichen seit mindestens 2014, so erleben wir gerade in Zeiten des Ukraine-Krieges eine fürchterliche Zurichtung auf eine zunehmend immer unerträglichere Propaganda.

Das vorliegende Buch ist freilich nicht vergnügungsteuerpflichtig. Und mit über 700 Seiten nicht mal soeben weg gelesen. Trotzdem empfehle ich es unbedingt meinen Leserinnen und Lesern. Nicht zuletzt sollte es von angehenden oder bereits im Beruf stehenden Journalistinnen und Journalisten gelesen werden.

Selbstverständlich sollte das Buch reflektiert und mit auf vollen Empfang geschaltetem Verstand rezipiert werden.

Chomsky und Herman haben es zwar mit Blick auf die US-Verhältnisse geschrieben. Doch können wir ihre Studien ohne Weiteres auf unsere Verhältnisse herunterbrechen, verstehen und unsere Schlüsse daraus ziehen.

Letztlich sollten Journalisten und Leser ein hohes Interesse an kritischem, gutem Journalismus, welcher nicht den Interessen von einflussreichen Konzernen und Eigentümern untergeordnet ist, haben und diesen einfordern und befördern.

Klar: Gut gebrüllt Löwe, werden Sie ausrufen. Das Einfache, das schwer zu machen ist. Aber alles so laufen lassen wie momentan ist eben auch keine Lösung.

Der Autor:

Noam Chomsky, geboren 1928, ist Professor emeritus für Sprachwissenschaft und Philosophie am M.I.T. Er hat die moderne Linguistik revolutioniert und zahlreiche Bestseller verfasst. Chomsky ist einer der weltweit bekanntesten linken Intellektuellen und seit jeher ein prominenter Kritiker der amerikanischen Politik wie auch des globalen Kapitalismus.

Edward S. Herman, geboren 1925 war ein US-amerikanischer Ökonom und Medienanalyst, der zuletzt als Professor emeritus of Finance an der Wharton School der University of Pennsylvania beschäftigt war.

Aus dem Buch:

Die Massenmedien fungieren als ein System zur Kommunikation von Botschaften und Symbolen an die Bevölkerung als Ganzes. Sie sollen belustigen, unterhalten und informieren sowie dem Einzelnen die Werte, Meinungen und Verhaltensweisen vermitteln, die sie in die institutionellen Strukturen der Gesamtgesellschaft integrieren. In einer Welt, in der der Reichtum bei Wenigen konzentriert ist und in der gravierende Interessenskonflikte zwischen den Klassen bestehen, können sie diese Rolle nur durch systematische Propaganda ausfüllen.

Über das Buch

Erstmals auf Deutsch: Der Klassiker zur massenmedialen Meinungsmache

Die Medien haben die Macht, einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, der den herrschenden wirtschaftlichen und politischen Interessen folgt – und nutzen sie. Diese Einflussnahme erfolgt jedoch keinesfalls durch verschwörerische Mächte im Hintergrund, sondern durch die ökonomischen Bedingungen der Medienlandschaft, die Chomsky und Herman schonungslos analysieren. Mit Manufacturing Consent legten sie ihr heute weltberühmtes Werk zur Medienkritik vor, das als der Klassiker zum Thema gilt – und nichts an Aktualität verloren hat. Die Autoren zeigen auf, auf welche Weise in den Medien Themen ausgewählt und besprochen werden, und machen so die Doppelmoral und die auf den Status quo ausgerichtete Voreingenommenheit sichtbar, die den Darstellungen der so viel gepriesenen „freien Presse“ zugrunde liegen.

Edward S. Herman, Noam Chomsky, Uwe Krüger, Holger Pötzsch, Florian Zollmann

Die Konsensfabrik

Die politische Ökonomie der Massenmedien

704 Seiten

Klappenbroschur

Artikelnummer: 9783864893919

44,00 €

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Gespräch Michael Schiffmann mit Uwe Krüger:

Neue Studie nährt brisanten Verdacht: Stammen alle Corona-Varianten aus dem Labor?

Japanische Forscher haben die Entwicklung der Omikron-Varianten nachvollzogen. Mit brisantem Ergebnis: Wichtige evolutionäre Zwischenschritte, die für einen natürlichen Prozess typisch wären, fehlten. Demnach könnten alle Erreger von Alpha bis Omikron im Labor entstanden sein.

Von Susan Bonath

Dass ein künstlich manipuliertes Virus für die Corona-Pandemie verantwortlich ist, halten renommierte Wissenschaftler seit Längerem für wahrscheinlich. Doch möglicherweise stammt nicht nur der ursprüngliche Virustyp, der zuerst Ende 2019 aus der chinesischen Stadt Wuhan gemeldet wurde, aus einem Labor, sondern auch nachfolgende Corona-Varianten.

So haben japanische Virologen von den Universitäten Osaka und Kyoto bei den verschiedenen Virustypen, die sich im Laufe der Zeit teils weltweit verbreitet hatten, ungewöhnliche Mutationen entdeckt, die nach ihrer Einschätzung nicht auf einen natürlichen Ursprung der Erreger zurückgeführt werden können. Ihre Forschungsergebnisse stellten Atsushi Tanaka und Takayuki Miyazawa in einer noch nicht von der Fachwelt begutachteten Studie Anfang August vor.

Die Virologen hatten versucht, die Entstehung der Omikron-Varianten anhand von Virussequenzen in den Datenbanken nachzuvollziehen. Dabei stießen sie auf Ungereimtheiten bei der Art der Mutationen und der Chronologie ihrer Verbreitung.

Wichtige Entwicklungsschritte fehlen

Demnach fanden die Forscher bei Dutzenden Omikron-Varianten derart ungewöhnliche genetische Veränderungen, dass sie daraus schlussfolgerten, „dass keine dieser Mutationen das Ergebnis zufälliger Versuch-Irrtum-Entwicklungen in der Natur war“. Weiter führen sie aus:

„Unsere Analyse kommt zu dem Schluss, dass die Omikron-Varianten durch einen völlig neuen Mechanismus gebildet wurden, der mit bisheriger Kenntnis der Biologie nicht erklärt werden kann.“

Die Forscher untermauern ihre Erkenntnis vor allem mit dem Fehlen wichtiger, evolutionärer Zwischenschritte, ohne die eine Entstehung der sich vom Ursprungstyp massiv unterscheidenden Omikron-Varianten, aber auch von dessen Vorgängertypen Alpha, Beta und Delta nicht erklärbar sei.

So vermehren sich Viren durch das Duplizieren des genetischen Codes mithilfe der Wirtszellen, in die sie eindringen. Dabei treten immer wieder spontane Veränderungen auf, die sich im Laufe der Zeit häufen, aber nur äußerst selten einen Einfluss auf die Protein-Sequenz des Virus selbst haben, sondern vielmehr lediglich der Anpassung an den Wirt dienen. Und auch die seltenen, das Virus verändernden Mutationen sind dem Erreger oft nicht nützlich und verschwinden deshalb wieder.

Zu wenige „stille Mutationen“

Diese für das Virusprotein belanglosen genetischen Veränderungen bezeichnen die Forscher als „stille“ oder „synonyme Mutationen“. Sehr viele davon seien nötig, um eine tatsächlich bleibende Protein-Veränderung zu erzeugen, wie sie bei den einzelnen Corona-Varianten aufgetreten war, erklären die Forscher in der Studie.

Doch genau diese synonymen Mutationen fehlten weitgehend in der Evolutionskette von SARS-CoV-2 bis hin zu den verschiedenen Omikron-Varianten, die das Team um Tanaka und Miyazawa nachvollziehen konnte.

Die Autoren hatten die öffentlichen Datenbanken für Virussequenzen durchforstet, um die Evolutionsgeschichte der merkwürdig vielen, nämlich 37 Mutationen nachzuvollziehen, die das Spikeprotein von Omikron BA1 verändert hatten. Dieses Protein findet sich an der Hülle des Virus und wird von Wissenschaftlern für schwerwiegende Krankheitsfolgen verantwortlich gemacht. Bis auf eine waren demnach alle Veränderungen vollständig neu. Es sei „unmöglich“, dass derart viele Mutationen in einem Virusstamm auf natürliche Weise entstehen können, berichten die Forscher.

Dass sich Omikron aus der Delta- oder anderen Vorgänger-Varianten gebildet haben könnte, sei aufgrund fehlender Zwischenschritte „unvorstellbar“, so die Autoren.

Omikron zirkulierte bereits 2020 in den USA

Zudem stießen die Forscher auf chronologische Merkwürdigkeiten, die ihre Laborthese zu stützen scheinen. Offiziell tauchte die erste Omikron-Variante im November 2021 in Botswana auf und verbreitete sich anschließend massiv in Südafrika. Dort habe sie die sogenannte Delta-Variante innerhalb von nicht einmal einem Monat nahezu verdrängt. Wenig später tauchte sie in anderen Teilen der Welt mit ähnlichen Folgen auf.

Die Wissenschaftler fanden nun in den Datenbanken allerdings Belege, wonach Omikron bereits im Jahr 2020 zirkulierte, und dies ausgerechnet auf dem Gebiet der USA. Sie schreiben:

„Demnach waren in Puerto Rico im Jahr 2020 bereits 204 Abstammungslinien [Anmerkung: von Omikron] verbreitet, wobei 15 Isolate die vollständige Omikron BA-Genetik aufwiesen.“

Weitere Virus-Isolate hätten perfekt mit anderen, offiziell noch später aufgetauchten Omikron-Varianten übereingestimmt. Das Fazit der Studienautoren ist bemerkenswert:

„Das Vorhandensein dieser Isolate widerlegt die Etablierung von Omikron-Stämmen durch einen kontinuierlichen Evolutionsprozess durch Anhäufung von Mutationen. … Die Isolate BA. 1, BA. 1.1. und BA. 2 waren keine Produkte einer Genomentwicklung, wie sie in der Natur beobachtet wird.“

Starke Indizien für Labor-Ursprung aller Varianten

Schließlich stellen die Forscher zu Diskussion, ob der wahrscheinlich unnatürliche Ursprung der Omikron-Varianten nicht auch den Blick auf die Vorgänger-Virustypen von Alpha bis Delta schärfen müsse. Auch bei diesen Viren spreche viel für eine künstliche Erzeugung. Dazu gehörten beispielsweise Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit der sogenannten Furin-Spaltstelle, mit der der Erreger an die menschliche Zelle andockt.

So seien auch die früheren Corona-Varianten bereits bei ihrem Auftauchen ungewöhnlich infektiös gewesen, ohne dass der dafür notwendige Evolutionsweg nachvollziehbar sei. Die anschließend aufgetauchten Mutationen zeigten eine Art umgekehrte genetische Entwicklung im Vergleich dazu, wie sie in der Natur zu erwarten gewesen wären. Viren derart zu verändern, sei in der Virusforschung üblich. Es sei wahrscheinlich, so die Autoren, dass das Spikeprotein im Labor verändert wurde. Die Forscher schreiben weiter:

„Das stützt die Hypothese, dass jede Virus-Variante künstlich synthetisiert wurde. … Die Art und Weise der SARS-CoV-2-Mutationen muss zu einer Neubewertung der Pandemie führen.“

Hinweise seit Beginn der Pandemie

Dass das neue Corona-Virus ein Produkt genetischer Labor-Experimente sein könnte, vermuteten einige renommierte Wissenschaftler schon kurz nach der Ausrufung der Pandemie durch die WHO. Der Anfang 2022 verstorbene Entdecker des HIV-Erregers, Luc Montagnier, meldete sich bereits im April 2020 zu Wort. Er erklärte damals, dass der Erreger Sequenzen enthalte, die nicht natürlich in Corona-Viren vorkämen. Darüber berichtete der Autor Mathias Bröckers im Online-Portal Telepolis. Montagnier war nicht der Erste, der Auffälligkeiten dieser Art feststellte.

Zuvor hatten indische Forscher eine ähnliche Entdeckung gemacht: Sie fanden für Corona-Viren unübliche Gensequenzen im Spikeprotein, die eher denen in HI-Viren ähnelten. Ihre Studie hatten sie bereits am 2. Februar 2020 veröffentlicht, das Papier dann aber zurückgezogen, nachdem sie anscheinend unter Druck geraten waren.

Fast genau ein Jahr später, im Februar 2021, sorgte der Hamburger Nanowissenschaftler Roland Wiesendanger für Aufsehen: Alle Hinweise und Indizien deuteten seiner Einschätzung nach auf einen Labor-Ursprung des Virus hin, wie auf der Webseite der Universität Hamburg nachzulesen ist. Ein weiteres Jahr darauf zeigte sich Wiesendanger laut Infosperber noch überzeugter: Demnach erklärte er der Neuen Zürcher Zeitung Anfang 2022:

„SARS-CoV-2 stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus einem Labor in Wuhan – und zwar keinem der höchsten Sicherheitsstufe. Es gibt zudem Hinweise, dass auch die Omikron-Variante in einem Labor erzeugt wurde.“

Somit kommen die neuen Ergebnisse der japanischen Virologen nicht völlig unerwartet. Allerdings muss ihre Studie noch von Forscher-Kollegen im sogenannten Peer-Review-Verfahren begutachtet werden. Sollte sie diesen akademischen Prüfungen auch nur in Teilen standhalten, wäre dies ein erster Beleg für ungeheuerliche Machenschaften hinter den verschlossenen Türen biologischer Forschungseinrichtungen.

Quelle: RT DE

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht unbedingt meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

„Das Erste Hilfe-Büchlein gegen Propaganda“ von Caitlin Johnstone. Rezension

Die kleine Streitschrift „Empört euch!“, welche Stéphane Hessel seinerzeit mit 93 Jahren vorlegte, bewegte die Welt. Inzwischen, scheint mir, ist es darum wieder stiller geworden. Dabei gibt es gegenwärtig weitaus mehr Grund zur Empörung wie zur Zeit da die Streitschrift erschien.

Und ja: nicht jeder Mensch hat die Zeit Gründe zu suchen, über die er sich empören könnte (müsste!) beziehungsweise findet den Mut dann tatsächlich zur Empörung zu schreiten. Ein Sprichwort sagt: «Unter jedem Dach wohnt ein Ach«. Will heißen: Jeder Mensch hat irgendwelche Probleme oder Sorgen, welche ihn naturgemäß zunächst selbst beschäftigen und somit binden. Dabei liegen eigentlich doch die Gründe, um sich zu empören auf der Hand!

Stéphane Hessel überschrieb ein Kapitel seiner Streitschrift so: «Das Schlimmste ist die Gleichgültigkeit«

Er gestand allerdings auch zu: „Die Gründe, sich zu empören, sind heutzutage oft nicht so klar auszumachen – die Welt ist zu komplex geworden. Wer befiehlt, wer entscheidet? Es ist nicht immer leicht, zwischen all den Einflüssen zu unterscheiden, denen wir ausgesetzt sind. Wir haben es nicht mehr nur mit einer kleinen Oberschicht zu tun, deren Tun und Treiben wir ohne weiteres verstehen.
Die Welt ist groß, wir spüren die Interdependenzen,
leben in Kreuz- und Querverbindungen wie noch nie. Um wahrzunehmen, dass es in dieser Welt auch unerträglich zugeht, muss man genau hinsehen, muss man suchen. Ich sage den Jungen: Wenn ihr sucht, werdet ihr finden. «Ohne mich» ist das Schlimmste, was man sich und der Welt antun kann.
Den «Ohne mich»-Typen ist eines der absolut konstitutiven Merkmale des Menschen abhanden gekommen: die Fähigkeit zur Empörung und damit zum Engagement.“

Und Hessel urteilte: „Am schlimmsten ist es, wenn man sagt: „Damit habe ich nichts zu tun. Das ist mir egal.«

Wer zu den «Ohne mich»-Typen gehört möge hier aufhören zu lesen und auch das hier zu rezensierende Buch von Caitlin Johnstone nicht in die Hand nehmen. Es könnte Sie verunsichern.

Sie entscheiden sich dann jedoch aus freien Stücken sozusagen hinter der Fichte zu bleiben, wo man Sie hin verleitet hat bzw. Sie selber – aus welchen Gründen auch immer – gingen und fanden, dass es für Sie gut sei.

Caitlin Johnstones „Erste-Hilfe Büchlein“ zur Unterstützung auf dem Weg zum Sapere aude

Wer jedoch frei nach Immanuel Kant wacker die Kraft aufbringen möchte, sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien. Der möge Johnstones „Erste-Hilfe Büchlein“ als Unterstützung auf dem Weg zur Umsetzung des Sapere aude – »Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!« zu nutzen.

Um nochmals Stéphane Hessel zu bemühen: „Wer befiehlt, wer entscheidet? Es ist nicht immer leicht, zwischen all den Einflüssen zu unterscheiden, denen wir ausgesetzt sind.“

Eben!

Über das Buch schreibt der Westend Verlag u.a.:

„Sind unsere Demokratien wirklich auf den Willen des Volkes ausgerichtet? Haben wir an der Wahlurne Gestaltungseinfluss, oder werden die wichtigen Entscheidungen nur noch durch Interessengruppen und Lobbys bestimmt?“

Können wir mittels unserer Demokratien – so sie wirklich welche im Sinne der Definition von Demokratie sind und nicht schon längst Postdemokratien (nach Colin Crouch) oder gar nur mehr noch manipulierte Fassadendemokratien sind – tatsächlich via Gang an die Wahlurnen alle vier Jahre etwas zum Wohle einer breiten Gesellschaft bewirken? Es mehrt sich die Anzahl der Menschen, welche diese Fragen inzwischen mit einem Nein beantworten. Sie wechseln aus Frust, Wut sowie aus Mangel an Alternativen die AfD, die allerdings auch keine ist, oder ins Lager der Nichtwähler. Die Parteifarben wechseln – die Politik bleibt dieselbe bzw. verschlimmert sich gar noch. Wie wir es durch das unsägliche Agieren der derzeitigen, schlechtesten Bundesregierung seit Gründung der BRD im Jahr 1949, bitter erfahren müssen.

Wo bleibt der große Aufschrei?

Warum kommt es nicht zum großen Aufschrei, der im Endeffekt imstande ist eine wirkliche Zeitenwende auszulösen? Ganz einfach: Weil wir nicht nur hierzulande sondern weltweit mittels geschickter Desinfornation hinter die Fichte geführt und via ausgeklügelter Propaganda bei der Stange und auf den Geleisen gehalten werden, die die Mächtigen für die breite Masse vorgesehen und ausgelegt haben und weiter auslegen? Allerdings zeichnet sich bei klar und vernünftig denkenden Menschen ab, dass – springen wir nicht ab – der Zug hart gegen die Wand fahren wird.

Da kommen wir der Sache schon näher.

Johnstone: „Westliche Nachrichtenmedien existieren, um Propaganda zu verbreiten“

Die wohl meisten Menschen unterliegen dem Irrtum, dass unsere westlichen Nachrichtenmedien ordentliche, nach journalistischen Maßstäben geprüfte und wahre Informationen verbreiten, auf die wir uns getrost verlassen können.

Diese Nachrichtenmedien beziehen jedoch in der Regel ihre Information über die wenigen Nachrichtenagenturen. Wenn man betrachtet, wem diese gehören bzw. von wem diese abhängig sind, muss man das von ihnen verbreitete Nachrichtenmaterial auch danach gewichten und entsprechend bewerten. Johnstone behauptet im ersten Kapitel: „Westliche Nachrichtenmedien existieren, um Propaganda zu verbreiten“

Propaganda machen nur andere. Dabei in der Mehrheit der Fälle „der Anruf aus dem eigenen Haus kam“

Das sei das „am meisten übersehene und unterschätzte Phänomen in unserer Gesellschaft“, speziell die Art und Weise wie „einheimische Propaganda dazu benutzt wird“, um „die Wahrnehmung und das Denken der westlichen Bevölkerung über ihre Welt zu formen“.

Wir nehmen das nicht als Propaganda wahr. Denn man macht uns weis, dass nur andere Länder dieses Mittel gegenüber ihren Bevölkerungen benutzen oder Teil ausländischer Beeinflussungsoperationen sind. Dabei sei in der Mehrheit der Fälle, in welchen wir in unserem täglichen Leben Propaganda erlebt hätten, so, dass „der Anruf aus dem eigenen Haus kam“.

Und Johnston belegt das mit Beispielen. Wenn das also so ist, dann verbreiten auch unsere Radio- und Fernsehnachrichten Propaganda, denn sie übernehmen heute – in immer größerem Ausmaß Meldungen von den wenigen einschlägigen Nachrichtenagenturen. Diese werden etwas zurechtgeschustert und dann in den Nachrichtensendungen oder Zeitungs- und Internetartikel der einzelnen Medien verwendet. Die Rezipienten nehmen das in der Regel gar nicht als Agenturmaterial wahr.

Als besonders negatives Beispiel nennt die Autorin darüber hinaus noch das sogenannte Recherchenetzwerk Bellingcat, eine, wie sie schreibt imperiale Propagandafirma (vom Imperium finanziert). Elon Musk habe diese Firma beschuldigt „Pyops“, psychologische Kriegsführung zu betreiben. Johnstone nennt Aaron Maté, welcher für The Grayzone erklärt habe, dass diese Anschuldigung „völlig angemessen und richtig ist“.

„Bellingcat wird von westlichen Regierungen dafür bezahlt, das Informationssystem-Ökosystem so zu manipulieren, dass es den Interessen des westlichen Imperiums dient, was genau das ist, was psychologische Kriegsführung ausmacht.“ Dies halte Massenmedien, so Caitlin Johnstone, welche Bellingcat häufig zitieren, nicht davon ab die Institution zu verteidigen.

Das verdeckte Imperium der USA

Kurz vor seinem Tod habe Daniel Ellsberg gesagt, dass die USA ein «verdecktes Imperium« betreiben. Johnstone hält das „für eine herausragende Art, auszudrücken, wie ein riesiger, weltumspannender Haufen von Nationen sich konsequent im Einklang mit dem Diktat Washingtons bewegt, wobei aber alle diese Nationen ihre offiziellen Flaggen und ihre offiziellen Regierungen behalten und das Ganze auf diese Weise nicht wie ein Imperium aussehen lassen, obwohl es in jeder Hinsicht wie eines funktioniert.“

Das ließe sich schon daran ablesen, „dass alle einflussreichen Medienplattformen im Besitz extrem reicher Leuten sind, deren Interesse darin bestehe, unsere Aufmerksamkeit auf Kulturkämpfe und Wahlen umzulenken, um uns von Klassenkämpfen und Protesten fernzuhalten“. Dieser Tatsache schenkten wir „wirklich nicht genug Aufmerksamkeit“, merkt die Autorin an.

Unter 4. schreibt die Autorin: „Das Dümmste, was uns das zentralisierte US-Imperium glauben machen will, ist, dass die militärische Einkreisung seiner beiden größten geopolitischen Rivalen eine Verteidigungsmaßnahme und kein Akt extremer Aggression ist.“ Unschwer werden Sie, liebe Leser, erkennen, dass es dabei um Russland und die VR China geht.

Caitlin Johnstone: „Die Manipulatoren, die über uns herrschen, verlangen von uns, dass wir viele wirklich unsinnige Geschichten glauben, aber ich denke, dass diese hier den Vogel abschießen könnte.“

15 Gründe, aus denen Mitarbeiter der Massenmedien wie Propagandisten handeln“

Johnstone nennt da zunächst einmal die Medienbesitzer. Deren Medien in der Regel „unter Kontrolle von Plutokraten sind, deren Reichtum und Macht auf dem Status quo beruhen, von dem sie profitieren“.

Dazu passen wiederum Journalisten, die heutzutage aus renommierten Universitäten bzw. Elternhäusern kommen – so gut wie nicht mehr aus unteren gesellschaftlichen Schichten stammen -, was sie letztlich schon so denken lässt wie die Eliten. Es dürfte also tatsächlich nicht so sein, dass irgendwer ihnen sagt, was und wie sie schreiben sollen.

Caitlin Johnson erwähnt einen statt gehabten Disput von einem britischen Journalisten mit Noam Chomsky. Der Journalist entgegnete Chomsky: «Woher wollen Sie wissen, dass ich mich selbst zensiere?“«

Chomsky darauf: «Ich sage nicht, dass Sie sich selbst zensieren. Ich bin sicher, Sie glauben alles, was Sie sagen. Aber ich sage, wenn Sie etwas anderes glauben würden, säßen Sie nicht hier.«

Johnstone zitiert aus einem 1997 von Chomsky verfassten Aufsatz, in welchem er hinzugefügt hatte: «Der Punkt ist, dass sie nicht dort wären, wenn Sie nicht schon bewiesen hätten, dass Ihnen niemand sagen muss, was sie schreiben sollen, weil sie sowieso das Richtige sagen werden.«

Lieber Leser, nun brechen Sie das einmal herunter, auf das, was Sie mitunter etwa in bei Interviews von Politikern in ARD und ZDF erleben.

Dazu passt III. «Journalisten lernen das Gruppendenken der Etablierten, ohne dass es ihnen gesagt werden muss«

In IV heißt es dann in logische Konsequenz: «Mitarbeiter der Massenmedien, die sich dem Gruppendenken nicht fügen, werden zermürbt und hinausgedrängt«

Andere „Mitarbeiter der Massenmedien, die zu weit aus der Reihe tanzen, werden entlassen“, lesen wir dann in V.

Daraus ergibt sich schon selbst, was Johnstone unter VI aufgeschrieben hat: «Angestellte der Massenmedien, die sich dem Diktat anpassen, können ihre Karriere vorantreiben«

Des Weiteren sollten Journalisten, die an spezielle Geschichten und Informationen aus Politikkreisen kommen wollen, mit diesen nicht allzu kritisch umgehen, sonst ist da plötzlich der Zugang versperrt oder Einladungen zu bestimmten Veranstaltungen kommen nicht mehr.

Dann ist da noch der Einfluss der Think Tanks, der sogenannten Denkfabriken. Welche nicht selten für eine bestimmte Regierungspolitik oder für Rüstungskonzerne lobbyieren. All das beeinflusst Journalisten im Hintergrund oder sogar direkt, in dem ihnen Artikel zu speziellen Themen zur Veröffentlichung angeboten werden. Nicht zu unterschätzen ist auch das Wirken der Geheimdienste bis in die Redaktionen hinein. Johnstone schreibt: „Zu Carl Bernsteins Zeiten musste die CIA die Massenmedien noch heimlich infiltrieren; heute stellen die Massenmedien offen Geheimdienstinsider ein und lassen sie in ihren Reihen arbeiten.“

Nichts ist unmöglich: „Die Massenmedien lassen auch häufig «Experten« zu Wort kommen, die direkt beim militärisch-industriellen Komplex angestellt sind, ohne ihre Zuschauer jemals über deren massiven Interessenkonflikt aufzuklären.“

So rennt das, würden die Österreicher sagt. Wer da als Journalist nicht mitmacht, muss halt draußen bleiben oder sich einen schlecht oder gar nicht bezahlten Job bei einem Alternativmedium suchen, wenn er etwas veröffentlichen will, das vom Mainstream und der herrschende Politik nicht goutiert wird. Doch wer kann sich das schon leisten?

Und wir Zuschauer sind letztlich betrogen und hinters Licht geführt.

Caitlin Johnstone: «Das größte Problem der westlichen Linken ist, dass es sie nicht gibt«

Ich möchte nicht versäumen auf Kapitel 20 hinzuweisen. Gerade, weil die Partei DIE LINKE in Deutschland aktuell auf den Abgrund zusteuert. Aber es betrifft die Linke als Bewegung im Grunde weltweit. Die Autorin hat erkannt: «Das größte Problem der westlichen Linken ist, dass es sie nicht gibt« (S.124)

Johnstone: „Ich meine echte Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten, die den Kapitalismus und den Imperialismus ablehnten und die drastischen, revolutionären Veränderungen anstreben, die diese Zivilisation dringend braucht. Diejenigen, die verstehen, dass das System nicht kaputt und reparaturbedürftig ist, sondern genauso funktioniert, wie es beabsichtigt ist und vollständig auseinandergenommen werden muss.“

Dieses Buch sollte zwecks Aufklärung von möglichst vielen Menschen gelesen werden und ja: Als „Erste-Hilfe-Büchlein gegen Propaganda“ verstanden und diesbezüglich reichlich Anwendung finden.

Scheuen Sie nicht vor der Lektüre diese Büchleins zurück – auch wenn es wahrlich nicht vergnügungssteuerpflichtig ist, ja geradezu düster daherkommt.

Caitlin Johnston: „Eine effektivere totalitäre Dystopie als die, in der wir uns gerade befinden, kann man nicht entwerfen. Eine, in der jeder durch Propaganda einer Gehirnwäsche unterzogen wird, ohne es zu wissen, in der jeder genauso denkt, handelt, wählt und einkauft, wie seine Herrscher es wollen, und dabei denkt, er sei frei.“

Mit der Autorin des Büchleins stimme ich darin überein, dass wir „durchaus ein glückliches Leben führen (können), mit dem Bewusstsein, was in unserer Welt wirklich vor sich geht“.

Ihr Rat beschließt das Buch:

„Sie müssen nur aufhören zu versuchen, Ihr Glück und Ihre Zufriedenheit dort zu suchen wo unsere Bullshit-Kultur es uns beigebracht hat. Und dann finden Sie sie überall. Überall.“

Der Verlag lässt das Buch mit diesem Tipp enden:

Wir empfehlen zum Schluss: Einen Schnaps zur Verdauung. Hilft bekannterweise nicht, aber was wären wir ohne Illusionen!

Der Verlag dazu: Das Hinzufügen der augenzwinkernden Empfehlungen am Ende eines jeden Textes erfolgte mit ebensolcher Erlaubnis der Autorin.

Das Vorwort zur deutschen Ausgabe hat übrigens Rainer Mausfeld verfasst

Mausfeld lobt die australische Journalistin dafür, dass sie sich mit ihren mutigen und kämpferischen Arbeiten den Propagandisten dieser Welt entgegenstellt.

Ich mache mir Mausfelds letzten Satz zu eigen und unterstreiche ihn: „Lesen Sie gründlich und nehmen Sie diese klugen und scharfsinnigen Texte zum Anlass, mit verstärkter Wachsamkeit und neuer Lust auf Veränderung in die Welt zu treten.“

Über das Buch

Anhand messerscharfer Beobachtungen fühlt Caitlin Johnstone dem Zustand westlicher Gesellschaften auf den Zahn: Sind unsere Demokratien wirklich auf den Willen des Volkes ausgerichtet? Haben wir an der Wahlurne Gestaltungseinfluss, oder werden die wichtigen Entscheidungen nur noch durch Interessengruppen und Lobbys bestimmt? Werden wir von klein auf durch eine breit ausgerichtete Propaganda geformt, die es immer schwieriger macht, sich eine eigene Meinung zu bilden? Durch Johnstones schonungslose Analyse der Methoden und Auswirkungen von Propaganda wird klar: Wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist. In Zeiten von Fake News und einer Künstlichen Intelligenz, die jede Information fälschen und für die eigenen Zwecke verändern kann, müssen wir unbedingt unsere Fähigkeiten zum selbstständigen Denken zurückgewinnen!

Hier das Quellenverzeichnis zum Buch herunterladen.

Die Autorin

Caitlin Johnstone ist eine unabhängige Journalistin, die sich auf amerikanische Politik, Finanzen und Außenpolitik spezialisiert hat. Johnstone studierte Journalismus an der Royal Melbourne Institute of Technology. Auf ihrem Blog schreibt sie unermüdlich und furchtlos zu den wichtigen Themen der Zeit und liefert dort scharfsinnige wie scharfzüngige Analysen, die – da ausnahmslos durch ihre Leser finanziert – erfrischend unbeeinflusst von Staat und Industrie sind. Ihre Artikel wurden u. a. in Inquisitr, Zero Hedge, New York Observer, MintPress News, The Real News und International Policy Digest veröffentlicht. Johnstone lebt in Melbourne.

Das Erste Hilfe-Büchlein gegen Propaganda

Erscheinungstermin:04.09.2023
Seitenzahl:144
Ausstattung:Klappenbroschur
Artikelnummer:9783864894282

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