„Wem diente Jeffrey Epstein?“ Von Tahir Chaudry. Rezension

Am Morgen des 10. August 2019 wird Jeffrey Epstein in seiner Gefängniszelle eines New Yorker Hochsicherheitstraktes tot aufgefunden. Offizielle Todesursache: Suizid. Aber es bleiben Fragen offen. Ein erfahrener Rechtsmediziner wirft sie auf. Ohne Konsequenzen. Es fehlen Kameraaufzeichnungen, bzw. wurden vernichtet. Immerhin befürchtete man Selbstmordgefahr bei Epstein und hatte deshalb ein spezielles Überwachungsregime für den Gefangenen angeordnet. Es versagte letztlich. Zufall? Schlamperei? Oder gar Absicht?

„Seitdem“, lesen wir zum Buch, „ranken sich wilde Spekulationen um den Tod Epsteins. Denn sein Einfluss reichte bis in die höchsten Kreise von Politik, Wirtschaft und Kultur. Epstein war weit mehr als ein millionenschwerer Sexualstraftäter, der bewiesenermaßen diesen Kreisen auch minderjährige Sexualpartner zuführte.

Er war Träger und vor allem Beschaffer schmutziger Geheimnisse über mächtige Leute. Könnte es sein, dass Epstein sterben musste, weil er durch sein Wissen zu gefährlich wurde? Wenn ja, was sollte verborgen bleiben? War er ein strategischer Akteur im Dienste westlicher Geheimdienste? Das Buch »Wem diente Jeffrey Epstein? Das System aus Macht, Kontrolle und Erpressung« von Tahir Chaudhry berichtet ausführlich davon, dass Jeffrey Epstein weitaus mehr war als ein gut vernetzter, pädophiler Multimillionär.“

Ein nach intensiver Lektüre augenscheinlich gut recherchiertes Buch. Doch letztendlich offenbart es zwar den unglaublich schmutzig-schmierigen Sumpf, in welchen sich die Superreichen, Schönen und Einflussreichen tummeln, sich das Leben versüßen und andere „Mitbewerber“ mehr oder weniger galant, mit Riesensummen ausstechen oder vielleicht (wenn es sein muss) auch ins Jenseits befördern (lassen?) – allerdings war es freilich auch Tahir Chaudry unmöglich dahin vorzustoßen, um ans Tageslicht bringen zu können, was verborgen bleiben sollte. Andernfalls müsste er wohl auch selbst um sein Leben bangen. Der Leser Phantasie sind allerdings keine Grenzen gesetzt, sich selbst Gedanken über die Dinge und Personen zu machen, welche im Verborgenen bleiben sollen.

„Dieses Buch berichtet ausführlich davon, dass Jeffrey Epstein nicht nur seinen persönlichen Neigungen nachging, sondern als Werkzeug für die mächtigsten Akteure unserer Zeit diente“, so der Verlag.

Dass sich auch die Geheimdienste – besonders die CIA und der Mossad – für Jeffrey Epstein interessierten, sich um ihn bemühten, um so an Informationen zu kommen und sich ihrer dann auch bedienten, liegt nicht fern. Einmal soll Epstein sogar selbst angedeutet haben für den Geheimdienst tätig zu sein. Immerhin ist kaum zu glauben, dass ihnen das Tun Epsteins entgangen sein könnte.

Vor einigen Jahren konstatierte Oskar Lafontaine einmal, nie habe der Satz „Geld regiert die Welt“ so sehr gestimmt, wie derzeit. Nichts Neues allerdings. Höchstens in potenzierter Weise. Geld bedeutet nun einmal Macht. Damit können andere Menschen korrumpiert und geködert werden. Und auch „Frischfleisch“ (so drückt sich Florian Homm mit Verweis auf die alten Römer und Griechen aus, wo das schon Usus war) half schon immer Menschen, die zu etwas Bestimmten nütze sein könnten, zu leiten, oder gefügig zu machen. Oder einfach nur seinen Spaß zu haben. Homm: „Der sexuelle Missbrauch hat nie wirklich aufgehört.“ So lief es auch bei Epstein. Und er hat denn auch für dementsprechend kompromittierende Aufnahmen gesorgt.

Schon als Epstein eine Zeitlang als Lehrer arbeitete, wurden ihm allzu enge Kontakte zu seinen Schülerinnen nachgesagt.

Tahir Chaudry unternahm sogar eine Reise zur berühmt-berüchtigten Insel Little Saint James, die lange im Besitz von Epstein war und ein zentraler Ort der pädophilen Umtriebe war. Er mietete sich eigens ein Jet-Ski und Funktionskleidung, um die Insel näher in Augenschein zu nehmen. Sicherheitsleute veranlassten ihn jedoch wieder umzukehren.

Das Buch liest sich spannend, teilweise wie ein Thriller.

Dass das Vorwort zum Buch von Florian Homm geschrieben wurde, erweist sich als Glücksfall. Homm, eine schillernde Persönlichkeit, mit 22 schon Millionär, schreibt: „Ich war ein Großhai, der in seinem Becken kleine Haie herangezüchtet hat, die alle selbst und gierig werden wollten.“

Sicher, im Vergleich zu Jeffrey Epstein ist Homm letztlich nur ein kleinerer Fisch, aber in der „dekadenten Welt der Elite“, wie Homm schreibt, in welcher Epstein lebte, kennt er sich aus.

Florian Homm: „Tahir Chaudry deckt im Fall Epstein Netzwerke und Systeme auf, die in der Finanzbranche alles andere als eine Ausnahme sind. Solche schmutzigen Spielchen kenne ich seit fast fünfzig Jahren. Kundenbindung läuft über sogenannte «Fickpartys«, meistens in luxuriösen Anwesen oder durch organisierte Besuche in Nobelbordellen und Escort-Services, Manager und Vermögensverwalter verbringen ihre Zeit mit jungen, teils minderjährigen in edelsten Umgebungen. Das bindet die Kunden, die sich solche Ausschweifungen selbst kaum leisten könnten eng an die Banken. Die Vermögensverwalter und Broker haben dadurch ein hohes Erpressungspotential. Das Leid der Opfer spielt dabei überhaupt keine Rolle – sie werden als nichts anderes als Nutzvieh betrachtet.“

Ich empfehle das Buch. Lesen Sie es und empfehlen es ihrerseits gern weiter. Es offenbart ein Blick in eine Szene, die immer da ist und immer weiter arbeitet. Ohne, dass die meisten von uns Gedanken über deren Existenz machen. Die Köpfe und Namen darin kennen die Wenigsten. Und, die, welche wiederum hinter denen stecken bleiben erst recht nicht. Sie bleiben uns aus gutem Grund verborgen. Nur die Akteure wechseln, verlassen bisweilen die Bühne, um anderen Platz zu machen. Money makes go around heißt es. Doch Viele bleiben dabei auch auf der Strecke.

Vergessen Sie nicht Kapitel 11 „Freunde, Komplizen und Mitwisser“ (Es folgen Kurzporträts der wichtigsten Akteure aus dem Netzwerk Jeffrey Epstein) zu lesen. Es hebt übrigens mit keinem Geringeren als Donald Trump an.

Dem Buch vorangestellt ist ein Zitat von Seymour Hersh, 87, Reporter-Legende, Pulitzer-Preisträger. Beherzigen Sie es.

«Sie sollten sich immer daran erinnern, dass zwei plus zwei gleich vier ist. Seien sie also vorsichtig. Epstein ist ein schwarzes Loch!«

Aber schauen Sie mal hinein …

Zum Autor:

Tahir Chaudhry, geboren 1989 in Rendsburg, ist ein deutsch-indischer Journalist und Filmemacher. Er studierte Philosophie und Orientalistik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Nach Hospitanzen bei FAZ.net, Zeit Online sowie dem Focus Magazin absolvierte er ein Redaktionsvolontariat bei der Süddeutschen Zeitung. Er ist Gründer des Online-Magazins „Das Milieu“ und des YouTube-Kanals „Grenzgänger Studios“, wo er u.a. vielbeachtete Recherchen über die Kriege in der Ukraine und Gaza veröffentlichte. Tahir Chaudhry hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in der Nähe von Frankfurt am Main.

Tahir Chaudhry

WEM DIENTE JEFFREY EPSTEIN?

Vorwort von Florian Homm

Softcover

304 Seiten

Auflage

1

Verlag

Fifty-Fifty

Autor

Tahir Chaudhry

erschienen am

04.11.2024

ISBN-10

3-946778-39-9

ISBN-13

978-3-946778-39-4

Abmessungen

21,5 x 13,5 cm

Lieferstatus

verfügbar

Preis

25,00 €*

Flavio von Witzleben spricht mit Tahir Chaudry

 

Ex-Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker (Schwerpunkt Cum-Ex-Verfahren) kommt auf Einladung von DGB und Attac zu einer Veranstaltung nach Dortmund

im Rahmen der Sonderveranstaltungen „10 Jahre – 100 Vorträge“ ist es DGB
Dortmund und Attac gelungen, die bekannte ehemalige Staatsanwältin Anne Brorhilker nach Dortmund zu holen. Sie war als Kölner Oberstaatsanwältin und
Leiterin der Steuerabteilung zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung mit dem Schwerpunkt Cum-Ex-Verfahren. Experten sprechen dabei vom „größten
Steuerraub der Nachkriegsgeschichte“, der Gesamtschaden für den
deutschen Staat wird auf etwa 40 Milliarden Euro geschätzt. Anne
Brorhilker ließ 2014 mit großem Fahndungserfolg eine Razzia in 14
Ländern durchführen. Von den Verfahren gegen bundesweit 1800
Beschuldigte führten bis Ende 2023 alle bereits erfolgten Anklagen zu
Schuldsprüchen (wikipedia). Die Frankfurter Allgemeine Zeitung beschrieb sie als die „mächtigste Staatsanwältin in Deutschland“.

Experten sprechen bei Cum-Ex vom „größten Steuerraub der Nachkriegsgeschichte“, der Gesamtschaden für den deutschen Staat wird allein bei CUM-EX auf mindestens zwölf Milliarden Euro geschätzt.
12 Milliarden entsprechen, dies nur nebenbei, in etwa der Lücke, die der Haushaltsentwurf der mittlerweile geplatzten Ampel für das Jahr 2025 am Ende noch aufwies.
Der aus Cum-Cum-Geschäften seit 2001 in Deutschland entstandene Steuerschaden beläuft sich nach Angaben von Wirtschaftswissenschaftlern sogar auf rund 50 bis 80 Mrd. Euro, je nach Höhe der fälligen Kapitalertragsteuer.

Aufsehen erregte ihre überraschende Kündigung aus dem Staatsdienst mit Aufgabe ihrer Pensionsansprüche im April diesen Jahres und ihr Wechsel zur
Bürgerbewegung Finanzwende.

[Attac-do] Thema: nächsten Montag: Anne Brorhilker: CUM-EX, CUM-CUM und andere Finanzverbrechen – Wie sich der Staat von der Finanzelite schröpfen lässt

Herzliche Einladung und sagt es bitte weiter:

Montag, 18. November 2024
19:00 Uhr
Auslandsgesellschaft, Steinstr. 48, 44147 Dortmund

Beitragsbild via Wikipedia CC-BY-SA-4.0

Nur die richtige Meinung ist frei. Von Danghong Zhang – Rezension

Das erste Mal, dass ich etwas über die am 1. Oktober 1949 gegründete Volksrepublik China erfahren habe, kann in der vierten oder fünften Klasse zu DDR-Zeiten in meiner Polytechnischen Oberschule gewesen sein. Und zwar in einer Geographiestunde. Die VR China war damals sehr arm. Ein Entwicklungsland. Nicht bewusst war uns Schülern damals, dass China ein Land mit tausenden von Jahren Geschichte und einer hochentwickelter Kultur ist. Welches durch westliche Interventionen und Zerstörungen in der Entwicklung weit zurückgeworfen worden war.

Unser Lehrer erzählte uns damals, dass sich China unter Mao Zedong anschickte Stahl in kleinen Hinterhofhochöfen zu produzieren.

«Die Stahlproduktion galt neben der Getreideproduktion für die chinesische Führung als „Hauptkettenglied“ für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Erhöhung der Stahlproduktion galt deshalb als ein entscheidendes Element für den Erfolg des Großen Sprungs« (1).

Unsere hiesigen Medien verbreiten über Jahre hinweg meist die immer gleichen Klischees über China und stellen in erster Linie ständig durch Peking verletzte Menschenrechte in den Vordergrund ihrer Berichterstattung oder kritisieren eine die angebliche exorbitante Umweltverschmutzung in China. Es wird in der Regel ein allgemeines China-Bashing geritten Dabei sind die allermeisten deutschen Journalisten, die über die Volksrepublik China schreiben weder je dort gewesen und schon gar nicht beherrschen sie die Landessprache. Noch dürften sie einen blassen Schimmer von der mehrere tausend Jahre alten Kultur Chinas haben. Mag sein, es handelt sich bei vielen von ihnen um „Sitzjournalisten“. So bezeichnet der Politikwissenschaftler, Publizist und last but not least, erfahrene langjährige Journalist Patrik Baab diejenigen Schreibtischtäter, welche in der mehr oder weniger komfortablen Redaktionsstube vorm Computer sitzen und aus dem, was da heraus poppt eine Story zusammenkloppen. Negativer Höhepunkt in letzter Zeit bezüglich China: Völlig undiplomatisch entblödete sich unsere Außenministerin Baerbock nicht den chinesischen Staatschef Xi als „Diktator“ zu bezeichnen. Was Peking so sehr verstimmte, dass der deutsche Botschafter einbestellt wurde.

Ich kann nur empfehlen zunächst einmal die westliche Brille wegzuwerfen, wenn wir uns angemessen und unvoreingenommen über die VR China informieren wollen. Persönlich waren mir zu diesem Behufe Bücher von Wolfram Elsner Das chinesische Jahrhundert (2) und Rolf Geffken Mein China (3) sowie ein Vortrag Egon Krenz, beruhend auf dessen China-Buch CHINA. Wie ich es sehe (4) sehr dienlich.

Dass die VR China seit den Wirtschaftsreformen 1978 mehr als 850 Millionen Menschen aus der Armut befreit hat – was in der Weltgeschichte seinesgleichen sucht – , hören wir dagegen eher selten hierzulande. Es passt wohl nicht ins Narrativ.

Da hängen sich die Medien und Politiker schon eher an der fehlenden Meinungsfreiheit in China auf.

Diesbezüglich gibt es sicher Kritikpunkte. Besonders wenn Kritik an der Partei- und Staatsführung Chinas geäußert und verfolgt wird.

Aber wie sieht es eigentlich hierzulande damit aus? Wir sind doch angeblich die Guten in nahezu jeder Beziehung. Weshalb wir gerne andere Länder, die nicht zum „Wertewesten“ gehören, oberlehrerhaft belehren. Da steht bei uns China ganz vorn auf der Liste. Welch Hybris! Wie ich finde, sollten wir uns der Redewendung „Hochmut kommt vor dem Fall“ besinnen.

Die in China geborene Journalistin Danhong Zhang, die lange Zeit in der China-Redaktion der Deutschen Welle arbeitete, hat das Buch „Nur die richtige Meinung ist frei“ geschrieben. Es ist soeben bei Fiftyfifty erschien. Der Verlag dazu:

«Leben wir in einem Land mit Meinungsfreiheit? Die allermeisten würden die Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten und den in der Frage implizierten Zweifel mit Empörung beiseiteschieben. Hier kann jeder seine Meinung kundtun, ohne im Gefängnis zu landen. Wir haben doch keine chinesischen Verhältnisse. China dagegen hat den Ruf, keine freie Presse zu haben und auch die Meinungsfreiheit nicht einzuhalten. Doch ausgerechnet eine chinesischstämmige Journalistin ist sich da nicht so sicher,was Situation in Deutschland angeht. Nach ihren eigenen Erlebnissen zu urteilen, ist der Unterschied zu China vielleicht ein quantitativer, und aber nicht unbedingt ein qualitativer.Immerhin: laut einer aktuellen Allensbach Umfrage glauben nur noch 40 Prozent der Deutschen ihre politische Meinung frei äußern zu können. Da fällt es besonders ins Auge, dass eine chinesischstämmige Journalistin der deutschen Mainstream-Medien ihre Stelle bei der Deutschen Welle nach dreißig Jahren kündigt, weil sie den Maulkorb der ausgesprochenen und unausgesprochenen Regeln der deutschen Medien abschütteln will. Dass sie nach China zurückkehrt, um frei über ihre Erfahrungen schreiben zu können, statt wie die Kollegen Kritik an China zu üben, scheint noch überraschender.
Nach dem Erfahrungsbericht der Journalistin Danhong Zhang, der am31.Septemberunter dem Titel Nur die richtige Meinung ist frei Deng erschienen ist, stellt sich durchaus die Frage: Entspricht das Bild des bösen China und der gerechten und freien öffentlich-rechtlichen Medien nicht so vollumfänglich der Realität, wie die Berichterstattung uns glauben lässt?«

Auf Frau Zhangs Buch war ich gespannt. Allein schon der Titel triggerte mich. Schließlich musste ich – der ich aus der DDR komme und von dort aus immer den in der BRD gängigen Meinungspluralismus geschätzt hatte – etwa ab 2014 mit zunehmendem Erschrecken und enormer Ent-Täuschung konstatieren, dass der Journalismus in Deutschland zunehmend auf den Hund kam, beziehungsweise gebracht wurde. Als vierte Gewalt spielt er im Grunde genommen die ihm diesbezüglich zugedachte Rolle nicht mehr.

Danhong Zhang ist weit davon entfernt ihre Heimat nur in rosarotes Licht zu tauchen. Lebte sie doch in ihre Kindheit in den Wirren der Kulturrevolution. Sie erinnert sich: «Ein Nachbarjunge wurde für mehrere Monate in ein Arbeitslager gesteckt, weil er versehentlich aus einer Zeitschriftenseite mit dem Konterfei von Mao ein Schiffchen gebastelt hatte. Öffentliche Kritik am Großen Vorsitzenden mussten etliche Chinesen mit dem Leben bezahlen. Von der Meinungsfreiheit war China soweit entfernt von Peking zum Mond und wieder zurück.«

Weiter schreibt sie: «Da ich von der Gnade der späten, aber nicht zu späten Geburt profitierte, durfte ich während meiner Studienzeit Mitte der 1980er Jahre das liberalste China der letzten Jahrzehnte erleben. Von 1983 bis 1988 studierte ich Germanistik an der Peking-Universität. Damals lenkte der Reformpolitiker Deng Xiaoping die Geschicke Chinas.« (S.12) Der süße Duft der Freiheit und auch der Meinungsfreiheit wehte und zog Zhang in die Welt.

In ihrer zweiten Heimat Deutschland wurde ihr Kindheitstraum, Journalistin zu sein, wahr. Ernüchtert zieht sie Bilanz: «In den dreißig Jahren meiner journalistischen Laufbahn, von 1989 bis 2019, wurde ich jedoch Zeugin eines besorgniserregenden Prozesses, bei dem der Korridor für die «Meinungsfreiheit immer weiter verengt wurde.« (S.13)

Weiter: «Kurz nach meiner Rückkehr nach China kam, aus heiterem Himmel, die Corona-Pandemie, gefolgt vom Ukraine-Krieg. Die Berichterstattung der Mainstream-Medien fiel von einem Tiefgang zum nächsten. Der Riss in meinem Glauben an die Meinungsfreiheit wurde zu einem riesigen Loch.«

Folgendes sollte uns allen – aber vor allem den Journalisten hierzulande – wirklich zu denken geben und endlich zum Handeln bringen. Danghong Zhang:

«Inzwischen hege ich ernsthafte Zweifel, ob die von der Verfassung garantierte Meinungsfreiheit überhaupt noch das Papier wert ist, auf dem sie steht. Mit diesem Buch möchte ich einen winzigen Beitrag leisten dieses hohe Gut zu verteidigen, bevor es zu spät wird.«

Frau Zhang, die dreißig Jahre lang Journalistin bei deutschen Mainstream-Medien war, hat die beklagte Diskursverengung am eigenen Leib gespürt.

Zhang stellt heraus: «Dass ich von der „Causa Zhang“ und anderen Anekdoten aus der Deutschen Welle berichte, soll nicht als Abrechnung mit meinem damaligen Arbeitgeber verstanden werden. Ich schreibe dieses Buch, weil mir durch meine Biografie und meinen Journalistenberuf die Meinungsfreiheit besonders ab Herzen liegt.« (S.12)

Dass das so ist, atmet jede Zeile ihres interessanten Buches. Mit der Kündigung bei der Deutschen Welle, schreibt sie, habe sie ihre Rede- und Meinungsfreiheit wiedergewonnen. Und, dass Frau Zhang davon gebraucht machte, davon profitieren wir, indem wir ihr Buch lesen.

Danhong Zhang hilft uns dankenswerterweise auf die Sprünge:

«Was ist überhaupt die Meinungsfreiheit? Wie ist sie definiert?
Werfen wir einen Blick ins Grundgesetz. In Artikel 5 steht:

(I) «Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.«

Will man von der Meinungsfreiheit Gebrauch machen, gibt Donhang Zhang zu bedenken, müsse man freilich erst einmal eine Meinung haben.
Also muss man sich informieren. Zumeist täten wir das über die Massenmedien.

Zhang zitiert den Soziologen und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann: «Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.«

Aus diesem Grund, so die Autorin, setze sie sich in ihrem Buch mit den Medien und deren Machern auseinander. Sie ging deshalb folgenden Fragen nach:

«Können wir uns auf die Medien verlassen? Ist das, was wir durch die Medien erfahren, tatsächlich die Wirklichkeit? Oder ist sie verzerrt, verformt oder gar verfälscht? Und was ist mit der Meinung? Wird die Breite des Meinungsspektrums in unseren Medien gespiegelt? Anscheinend nicht.« Sie ruft Worte des Kabarettisten Dieter Nuhr auf. Diesem sei aufgefallen, dass er mit der Bemerkung «Nie war die Differenz zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung so groß wie heute« seinen sichersten Szenenapplaus habe.

Dank ihres Fleißes und des dadurch erreichten hohen Niveaus im Beherrschen der deutschen Sprache hatte es Zhang bald zu einer Festanstellung bei der Deutschen Welle gebracht. Was sie zu recht stolz machte. Die Eltern waren zunächst nicht begeistert, da ja der deutsche Staatssender in China als „Feindsender“ gesehen worden war.

In Deutschland war sie mit dem oft negativ gezeichneten Bild seitens der Mainstream-Medien über China konfrontiert. Sie wusste, dass westliche Medien grundsätzlich kritisch berichten: «Nur bad news sind good news.« (S.36)

Nach der Frühgeburt ihren zweiten Tochter war Danghong Zhang fast drei Jahre nicht in China gewesen. Erst 2006 kam sie wieder in ihre Heimat. Und sie fand ein so ganz anderes Land vor als es die deutschen Medien gezeichnet hatten: „Die Medienlandschaft war vielfältig, die sozialen Missstände wurden schonungslos angesprochen. Den meisten Menschen ging es materiell besser.“ Selten sah sie unzufriedene Menschen.

Die Reise hatte sie sehr nachdenklich gemacht. Sie konstatierte: «Die deutschen Medien haben es geschafft, dass sogar eine gebürtige Chinesin ihr eigenes Land durch deren Brille betrachtete.«

Danghong Zhang: «Nach meiner Heimatreise 2006 habe ich mich entschlossen, gegen den Strom zu schwimmen und das schiefe Bild über China in Deutschland zurechtzurücken.« (S.37)

Am Anfang ihrer journalistischen Karriere ahnte sie nicht, dass sie sich an der Verbreitung von Fake-News beteiligt hatte. Es war die Zeit der irakischen Invasion Kuweits. Die Rede ist von der sogenannten «Brutkastenlüge« im Ersten Golfkrieg. (S.26) [dazu (5), Quelle: Wikipedia; C.S.]

Mit der Zeit bekommt Zhang mit wie es um die Meinungsfreiheit in der BRD bestellt ist: Solange man im Einklang mit den gängigen Narrativen schreibt, fährt man als Journalist ganz gut. Aber wehe man weicht ab. Mit der steiler werdenden Karriere spürt sie bald, dass dann auch die Fallhöhe steigt.

Bloß nicht allzu positiv über die Entwicklungen in China berichten! Selbst dann nicht, wenn diese Entwicklungen zweifelsohne der Wahrheit entsprechen. Das Negativ-Narrativ bezüglich Chinas darf ja keine Kratzer bekommen und muss hochgehalten werden! Im Kapitel „«Expertin lobt Chinas KP« – die Kampagne kommt ins Rollen“ (S.56) lesen wir, was passiert, wenn man journalistischen Grundsätzen folgt. Die Lektion lernen freilich auch in Deutschland geborene Journalisten in der Regel recht schnell. Blitzen sie mit Artikelvorschlägen vielleicht dreimal beim Redaktionsleiter ab, haben sie verstanden. Sie schreiben wie gewünscht. Meist sogar ohne, dass der Redakteur ihnen das sagen muss. Schließlich brauchen sie ihre Stelle, haben vielleicht Familie und ein Haus abzuzahlen. Ob sie damit glücklich werden, ist eine andere Frage. Es kommt auf den jeweiligen Charakter an.

Manche Journalisten haben sich diesen Beruf aber womöglich ganz anders vorgestellt. Während sich die einen quasi erst rundlutscht werden müssen – bringen wiederum andere schon von Hause aus (die meisten deutschen Journalisten kommen aus gut situierten Haushalten) einen entsprechenden Stallgeruch und die passende Denke mit) und spuren. Manch ehrlichere Naturen mögen womöglich auch zur Flasche greifen müssen.

Einschub: Mir fällt da nebenbei bemerkt ein Kulturredakteur eines Parteiorgans aus DDR-Zeiten ein. Der hatte sich immerhin in die Nische des Kultur- und Kunstjournalismus gerettet, wo er wohl nicht ganz zu Unrecht glaubte, weniger der obligatorischen Parteipropaganda verpflichtet zu sein. Dennoch schien er nicht so recht glücklich zu sein. Was mir damals durch Gespräche mit ihm mehr oder weniger deutlich durchschien. Bei Premierenfeiern nach Theateraufführungen, über welche er Kritiken zu schreiben hatte, schoss er sich regelmäßig mit Alkohol ab. Was wohl aus ihm geworden sein mag? Neben anderen aufkommenden Bedenken beim mir gab übrigens dessen Beispiel den Ausschlag für meine Entscheidung, den zunächst verlockendem Vorschlag der Lokalredaktion, mich zu einem Journalistik-Studium zu delegieren, dankend, aber schweren Herzens, abzulehnen. Als schließlich die DDR gefallen war – ich hatte mich bereits zuvor über Ungarn und Österreich in die BRD verabschiedet -, schrieb ich einmal auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz eine Karte an die Kollegen der Lokalredaktion in meiner Heimatstadt und beglückwünschte sie dazu, nun endlich ehrlichen und kritischen Journalismus betreiben zu können. Ein bisschen schäme ich mich heute dafür. Denn da war ich wohl doch etwas zu naiv.

«Die Aufgabe des Journalismus in der DDR war vorbestimmt durch die herrschende Politik in der DDR. Die Journalisten waren die Hand der Partei auf dem Gebiet der politischen Propaganda und Agitation«, bemerkt Karl-Heinz Röhr, der bis zum Ende der DDR Journalisten an einem Institut der Leipziger Universität ausbildete. (6)

DDR-Journalisten bekamen eine hervorragende Ausbildung, mussten aber linientreu im Sinne der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zu sein. Kurzum: Sie hatten sich als Parteijournalisten zu verstehen.

Seit einiger Zeit ist hierzulande der sogenannte Haltungsjournalismus in Mode kommen, dem sich nicht wenige Journalisten verpflichtet sehen. Das tönt Danhong Zhang in ihrem Buch auch kritisch an. Für mich selbst hat dieser Haltungsjournalismus ein Geschmäckle. Was nicht heißen soll, dass Journalisten keine Haltung haben sollten. Doch dieser Haltungsjournalismus ist meines Erachtens ein ähnliches Übel wie der Parteijournalismus zu DDR-Zeiten. Denn auch er verpflichtet Journalisten auf eine bestimmte Linie. Was sich mit den Grundsätzen eines ordentlichen Journalismus beißt. In schlimmer Ausformung erlebten wir das in der Corona-Zeit und nun wieder in Sachen Ukraine-Krieg. Wer da nicht die „richtige“ Meinung hat, ist schnell weg vom Fenster. Danghong Zhang orientiert sich wohl eher an Hanns Joachim Friedrichs Credo:

 „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er Distanz zum Gegenstand seiner Betrachtung hält; dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er immer dabei ist, aber nie dazugehört.“

Zum Haltungsjournalismus schreibt Zhang: «Jeder Journalist weiß, was eine gute Haltung ausmacht: Die Grünen loben – hui, die AfD für einen Gesetzesvorschlag lobend erwähnen – pfui; Willkommenskultur hochhalten – hui, Probleme der Migration ansprechen – pfui; China für alles anprangern – hui, Fortschritte in der chinesischen Gesellschaft würdigen – pfui. Haltungsjournalismus beginnt schon bei der Themenauswahl. Denn Themen, die nicht ins Weltbild der Mainstream-Journalisten passen, fallen einfach weg.« (S.108)

Zhang lehnt den Begriff „Lügenpresse“ vehement ab. Sie neigt realistisch – nämlich aus eigener Erfahrung – eher der Einschätzung des Politikwissenschaftlers und Sachbuchautors Ulrich Teusch zu, der stattdessen den Begriff „Lückenpresse“ prägte.

Im Abschnitt „Cursor-Journalismus – Wissen wo der Cursor steht“ (S.112) verweist die Autorin auf den Philosophen Richard David Precht und den Soziologen Harald Welzer, die den Begriff „Cursor-Journalismus“ prägten. Ihnen zufolge, so Zhang, habe «das Links-Rechts-Muster sowohl bei den Parteien also auch im Journalismus längst ausgedient. Alle tummeln sich in der unscharf definierten Mitte. Das ist der Schwarm. Dazu muss man gehören.“

Danhong Zhang musste erkennen, dass in Deutschland eine Mehrheit der Medien, respektive der Journalisten rotgrün ticken. Sie schreibt: «Meine Kollegen waren mehrheitlich rot und grün« (S.27)

Sie erlebte das sogar in optischer Form, als eine rotgrüne Koalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder nach der Bundestagswahl ans Ruder abzeichnete. Da hätten sich nach der Bundestagswahl sogar Kolleginnen und Kollegen am nächsten Tag erfreut in entsprechend gefärbter Kleidung gezeigt.

Donghang Zhang aber blieb sich treu, gegen das hierzulande verbreitete schiefe Bild über ihr Heimatland anzuschreiben. Sie schrieb auch gegen das schräge Bild an, was anlässlich der in China stattfindende Olympischen Spiele hierzulande verbreitet wurde. Wobei sie aber nie berechtigte Kritik aussparte. Berichte, welche China entlasten, sagte ihr einmal ihr Chef, wolle niemand lesen. Zhang verfuhr nach journalistischen Kriterien, wonach stets beide Seiten angehört werden müssten und eine Nachricht mindestens auf zwei Quellen basieren muss.

Deutsche Medien hätten oft Vorwürfe von chinesischen Dissidenten ungeprüft wiedergegeben. In der China-Redaktion sei das gängige Praxis gewesen, „nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. So werden chinesische Dissidenten automatisch zu Verbündeten der westlichen Staaten. Leider wird dabei übersehen, dass ein Anti-Kommunist noch längst kein Freund der Demokratie sein muss. Aber das ist für manche deutsche Kollegen zu kompliziert. Dass dadurch Unwahrheiten verbreitet werden können, kümmert die meisten Kollegen ebenfalls nicht.“ (S.42)

Danhong Zhang arbeitete weiter nach journalistischen Kriterien, so gut es eben ging. Freilich rief das Gegner aus unterschiedlichen Ecken auf den Plan. Entsprechend ideologisch gestrickte – und in Deutschland gern zitierte chinesische Dissidenten, sowie treu das Böse-Narrativ bezüglich Chinas befördernde Journalisten oder Politiker schossen verbal gegen sie. Manche von ihnen werfen ihr vor, Propaganda für die Volksrepublik China zu machen oder gar ein verkapptes KP-Mitglied zu sein. Das schlägt Wellen in Politik und Medien. Es erscheinen offene Briefe, die die Journalistin der Deutschen Welle quasi auf eine Anklagebank setzten. Es gab eine – wie sonst sollte man es nennen? – Gesinnungsprüfung (ein Abgeordneter hatte Zhang zu diesem Behufe in Begleitung des Intendanten der Deutschen Welle eingeladen), der die Journalistin Zhang unterzogen wurde. Ein Mikrofon-Verbot und die Enthebung von ihrer damaligen Leitungsfunktion (bei Beibehaltung des Gehalts) wurden ins Werk gesetzt. Sie wurde in die Wirtschaftsredaktion versetzt. Wurde Frau Zhang zu Vorträgen oder Podiumsgesprächen eingeladen, musste sie sich erst die Erlaubnis der Intendanz einholen. Diese Zeit erlebte sie als „weichen“ «Hausarrest«. Dieser dauerte ganze drei Jahre. (S.93)

All das roch nach Zensur. Die ja in unserem Land laut Grundgesetz nicht stattfindet. Dafür sprach sich aber dem zum Trotz ein offener Brief eines Autorenkreises aus.

Unfassbar! Nicht in China fand das statt, sondern im angeblich ach so freien Deutschland.

Es wurden jedoch auch Widerworte laut und öffentlich. Und zwecks Unterstützung und Verteidigung für die angegriffene Journalistin wurde am 16. Oktober 2008 ein offener Brief von über hundert China-Wissenschaftlern, Publizisten und Politikern unterschrieben. Zhang: «Die größte Überraschung war für mich Günter Grass.« Nach eingehender Recherche hatte er, so äußerte er sich damals, seine Unterschrift unter den offenen Brief gesetzt. [Quelle (7): Böll-Stiftung]

Sogar kam es zu einer Anhörung (ohne Publikum) im Deutschen Bundestag. Zur „Causa Zhang“ hat sich Volker Bräutigam, der dieser Anhörung beiwohnte (und danach Danghong Zhang darüber in Kenntnis setzte), geäußert. [Quelle: (8)]

Bräutigam hatte die Kampagne gegen die Deutsche Welle seinerzeit aus rundfunkrechtlicher Sicht zerpflückt. (S.83)

Einen Tag vor der Bundestagsanhörung hatte Intendant Bettermann seinen Freund, Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert, gebeten, den Fall Zhang zu übernehmen. Dessen in einen Bericht eingeflossene Recherchen bedeuteten einen hundertprozentigen Befreiungsschlag für Danghong Zhang.

Sie notierte: „Ulrich Wickert und Hans Leyendecker (er berichtete in Süddeutsche Zeitung; Anm. C.S.), zwei Lichtgestalten des deutschen Journalismus, haben mich freigesprochen. Eine Freundin von mir sagte: «Den Bericht kannst du in Gold einrahmen lassen und an die Wand hängen.«“ (S.85)

Danghong Zhang hätte freilich diesem Ärger aus dem Weg gehen können. «Herdenjournalismus – mit dem Strom schwimmen ist am sichersten« (S.106) schreibt sie.

Im Kapitel 5 gibt Danhong Zhang zu bedenken: «Der Weg nach China ist kürzer, als man denkt« (S.175)

Ein Kollege der Journalistin sagte auf einer Redaktionskonferenz des chinesischen Programms der Deutschen Welle: «Wir werfen China jeden Tag seine fehlende Presse- und Meinungsfreiheit vor. Nun hat Danghong einen Maulkorb verpasst bekommen, weil sie China in Schutz genommen hat. Sind das nicht chinesische Verhältnisse? Redaktionsleiter Matthias von Hein konterte: „Nein, da gibt es einen großen Unterschied. Im Gegensatz zu China droht Danghong hier keine Gefängnisstrafe.“

Das ist tatsächlich ein Unterschied, aber ein wesentlicher?« Im Buch bringt Zhang ein Sprichwort an: «Fünfzig Schritte lachen über hundert Schritte.« Das geht auf den Gelehrten Meng Ke zurück. Der erzählte dem König die Geschichte von zwei Deserteuren: Zwei Soldaten ergreifen die Flucht nach einer verlorenen Schlacht. Derjenige, der fünfzig Schritte gelaufen ist, macht sich lustig über den anderen, der hundert Schritte zurückgelegt hat.«

Was bedeute: «das über dem Beklagen von Defiziten anderer die eigenen Probleme übersehen werden. Tatsächlich stellen die Defizite anderer und die von einem selber nur einen quantitativen Unterschied und keinen qualitativen dar. In den Bezug auf den Vergleich von zwischen Deutschland und China in Sachen Presse- und Meinungsfreiheit eine sehr gewagte These?«

Danghong Zhangs ehrlichen Erfahrungsbericht kann ich nur viele Leserinnen und Leser ans Herz legen. Mögen darunter viele Journalisten sein! Und zu empfehlen, so sie denn den Mut dazu aufbringen, ist dieses Buch auch jungen Menschen, die sich damit tragen, den Beruf des Journalisten zu ergreifen. Nicht etwa zur Abschreckung, sondern, um sich zu befragen, ob sie dazu bereit sind, die Kraft aufzubringen in ihrer künftigen Laufbahn wieder journalistische Kriterien in den Vordergrund ihrer Arbeit zu stellen.

Denn es steht außer Frage, dass der Journalismus im vergangenen Jahrzehnt hierzulande größtenteils auf den Hund gebracht wurde. Wachhund sein, sich als vierte Gewalt zu verstehen die die Herrschenden kontrolliert, das erleben wir kaum noch. Stattdessen, Haltungs- und „Cursor-Journalismus“ sowie Beteiligung an der Einengung des Meinungskorridors und unkritische Verbreitung von Regierungspropaganda, wie er es schlimm in der Corona-Zeit erlebten und weiter konstatieren müssen betreffs des Ukraine-Kriegs.

Danghong Zhang hat das alles am eigenen Leibe erfahren. Als sie nach China zurückgekehrt war, warf man ihr auf Twitter vor, eine Diktatur vorgezogen zu haben. „Aber“, so schreibt sie. „China ist nun mal auch meine Heimat. Ein chinesisches Sprichwort besagt, dass gefallene Blätter zum Baumstamm zurückkehren. Ich fühle mich noch nicht wie ein gefallenes Blatt. Aber Heimat ist Heimat. Den Duft der Pfirsichblüten in Peking kann ich endlich wieder einatmen.“

Und, fährt sie fort: „In Peking habe ich dem Deutschlandmythos den Kampf angesagt. In Kurzvideos erkläre ich den Chinesen, wie das Land im Herzen Europas von innen wirklich aussieht. Seit 2024 baue ich den Chinesen eine Brücke nach Deutschland. Im Kant-Jahr habe ich natürlich mit Immanuel Kant angefangen. Sein Appell an die Menschen «Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen« ist heute immer noch hochaktuell, sowohl für die Deutschen als auch für die Chinesen. Ich hoffe, dass viele der Botschaft zuhören.“

Sich des eigenen Verstandes zu bedienen, das empfehle ich auch den Lesern und Leserinnen meines Blogs. Und zwar täglich!

Dieses hier besprochene Buch empfehle ich ohne Einschränkungen. Geschrieben von einer verantwortungsbewussten klugen Journalistin, die aus einem anderen Kulturkreis stammt, aber in unserem dreißig Jahre tätig war, vermag es auch den Blick auf unser eigenes Land zu schärfen. Wir hier mittenmang sehen womöglich oft den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und ein deutscher Journalismus, der inzwischen vielfach verkommen ist, lässt sich leider dazu missbrauchen, dass es auch weiterhin so bleibt. Möge das Buch zum Nachdenken anregen.

Danhong Zhang

NUR DIE RICHTIGE MEINUNG IST FREI

Erfahrungsbericht einer Journalistin

SOFTCOVER

24,00 €*

 Neuerscheinung / Neuauflage Oktober 2024

Links/Quellen:

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Anbei: Walter Van Rossum hat mit Danhong Zhang gesprochen:

Danhong Zhang spricht mit Walter van Rossum.

„Trümmer und Hoffnung“ – ein Gedichtband zeitloser Lyrik. Von Anja Buschner. Rezension

Mit Gedichten ist es ja so eine Sache. Wer erinnert sich nicht an die Schulzeit, wo Gedichte zuweilen auswendig gelernt und vor versammelter Klasse – unter Lampenfieber – vorgetragen werden mussten?

Klar, es mochte sich die eine oder der andere dann womöglich auch zu Schulzeiten der Liebe wegen an das Verfassen eigener Gedichte – welche gewiss mehr oder weniger gelungen waren – gemacht haben.

Für Viele war jedoch nach Abschluss der Schule dann auch Schluss mit Gedichten.

Wie viele von uns haben später schon einmal Lyrik in Buchform erworben? Selbst habe ich schon ein paar Bücher mit Lyrik im Regal stehen. Auch in Zeitungen und Zeitschriften lese ich ab und zu einmal das eine oder andere Gedicht. Freilich ist auch bei mir in Sachen Rezeption von Lyrik noch Luft nach oben.

Wer Lyrik schreibt, wird in der Regel nicht reich davon und kann schon gar nicht allein davon leben. Dennoch drängt es zu allen Zeiten Menschen, in denen eine Dichterin, ein Dichter wohnt, immer wieder dazu, herauszubringen, was da aus ihnen hinaus will – ja: muss!

Zu dieser Spezies dürfte Anja Buschner gehören. Deren Gedichte fielen mir auf Facebook auf, wo sie sie nahezu jede Woche, manchmal täglich veröffentlicht.

Sie berührten und berühren mich tief.

Nun kam mir Anja Buschners Büchlein (91 Seiten) „Trümmer und Hoffnung“ mit dem Untertitel „ein Gedichtband zeitloser Lyrik“ (Band 1) in die Hände.

Ich war neugierig und gespannt. Enttäuscht wurde ich nicht. Die Gedichte fesseln, ziehen mich in ihren Bann.

Kaum ein Bereich aus Gesellschaft und menschlichem Leben und deren Widrigkeiten, welche uns auf unserem Weg begleiten, lässt der Gedichtband aus

Kaum ein Bereich aus Gesellschaft und menschlichem Leben und deren Widrigkeiten, welche uns auf unserem Weg begleiten, das nicht seinen lyrischen Niederschlag in den vierzig abgedruckten Gedichten fände.

Es geht um die menschlichen Erfahrungen, den Sinn des Lebens, um Wahrheiten und Lügen und den Schwierigkeiten sie erkennen zu können. Durchaus um vieles, was uns im Leben begleitet. Das ging schon Generationen vor uns in vielerlei Hinsicht so. Die Menschen mussten und müssen sich stets zurechtfinden und versuchen die Fährnisse des Lebens zu bestehen. Früher war das so und heute ist es unter manch anderen Umständen ebenfalls so. Vielleicht sogar noch schwerer, weil alles komplexer ist heute.

Und nicht zuletzt geht es im Gedichtband um Krieg und Frieden.

Er ist allein deshalb letztlich auch hochaktuell und dessen Inhalt sozusagen gedichtet ist am Puls unserer Zeit. Ohne die Vergangenheit außer Acht zu lassen.

Haben wir denn wirklich nichts aus den vergangenen großen Kriegen gelernt?

Was erschreckt. Uns förmlich aufschreckt. Haben wir denn wirklich nichts aus den vergangenen großen Kriegen gelernt, die Millionen von Toten, sowie physisch und seelisch Verkrüppelte zurückließen?

Davon müssen wir so – fast zu Tode erschrocken – unumwunden davon ausgehen, wenn wir aktuell erleben müssen, wie uns offenbar von allen guten Geistern verlassene Politiker und Journalisten mit Worten und der Forderung nach immer mehr Rüstung und Waffenlieferungen für die Ukraine auf eine Rutschbahn führen, die die Menschheit holterdiepolter in den Dritten Weltkrieg führen kann. In die Vernichtung!

Apropos Journalisten! Journalist und Autor Patrik Baab sagt im Interview mit den NachDenkSeiten zu seinem neuen Buch „Propaganda-Presse – Wie uns Medien und Lohnschreiber in Kriege treiben“ :

„Mit Blick auf die journalistische Ethik könnte man sagen: In diesem Krieg zeigt sich der vollständige moralische Bankrott der Medien. Über die Toten, die Verstümmelten, die Traumatisierten wird kaum berichtet. Ich habe 1999 im Kosovo im Krankenhaus von Prizren zwei Jugendliche gesehen, zwölf und 14 Jahre alt. Sie wollten sich am Fuß kratzen. Aber sie hatten keinen Fuß mehr: Sie waren oberschenkelamputiert, weil sie auf eine Mine getreten waren – Phantomschmerz. Die Menschen in der Ukraine wollen Frieden, aber redaktionelle Schreibtischbewohner reden vor allem über Waffenlieferungen und plädieren für eine Verlängerung des Krieges. Wer aus der redaktionellen Behaglichkeitszone in der Kaffeetasse rührend andere in den Tod schickt, zeigt, dass er moralisch vollständig verkommen ist. Die Ukrainer werden behandelt wie Kanonenfutter.“ Und er sagt auch: „Wenn die Kinder dieser Großmäuler an die Front müssten, wäre der Krieg morgen vorbei“

(Quelle: NachDenkSeiten)

Da fällt mir ein Zitat aus Shakespeares Drama König Lear ein: „Das ist die Seuche dieser Zeit – Verrückte (Narren) führen Blinde“!

„Kriegstüchtig“ sollen wir werden, wie der deutsche Verteidigungsminister – ein Sozialdemokrat! – fordert. Man glaubt nicht richtig zu hören. Müssten wir stattdessen nicht friedenstüchtig werden? Kaum ein Wort davon. Und wenn doch, dann wird es niedergebrüllt. Überdies besteht sogar die Möglichkeit eines Atomkriegs. Die Weltuntergangsuhr (Doomsday Clock) wurde auf 90 Sekunden vor Mitternacht gerückt!

Das mutet düster an. Im Vorwort zum Buch schreibt Anja Buschner: «In einer Welt, die oft von Chaos und Zerstörung gezeichnet ist, suchen wir alle nach einem Funken Hoffnung, der uns durch die Dunkelheit führt.«

Und weiter:

«Dieser Gedichtband ist eine Reflexion über die menschliche Erfahrung in all ihren Facetten von den Trümmern vergangener Kriege bis hin zur leuchtenden Hoffnung auf eine bessere Zukunft.«

Diese Hoffnung atmet dieser Gedichtband auch wirklich. Was wäre die Menschheit ohne Hoffnungen auf eine bessere Zukunft zu hegen? Anscheinend ausweglose Situationen haben Menschen jeder Generation schon erlebt und manches Mal sogar überwunden.

Die Autorin setzt ihr Vorwort so fort:

«Trotz der Dunkelheit, die in einigen Gedichten beschrieben wird, ist dieses Werk letztendlich eine Ode an die Hoffnung. Denn selbst in den schwierigsten Zeiten können wir in der Menschlichkeit, im Mitgefühl und im Streben nach Veränderung eine Quelle der Hoffnung finden.

Mir fiel an der Stelle das Lied Brüder, zur Sonne, zur Freiheit ein und davon die erste Strophe, der deutschen Nachdichtung eines russischen Arbeiterlieds durch Hermann Scherchen (1891-1966):

Brüder, zur Sonne, zur Freiheit,
Brüder zum Licht empor!
|: Hell aus dem dunklen Vergangnen
leuchtet die Zukunft hervor. 😐 (Quelle: Liederarchiv.de)

Ebenfalls kam mir Die Hundeblume, eine Erzählung des deutschen Schriftstellers Wolfgang Borchert in den Sinn. Die Erzählung handelt von einem jungen Gefangenen, der beim täglichen Hofgang eine Hundeblume auf dem Gefängnishof entdeckt. In seinem tristen Alltag wird die Blume zum Objekt seiner Sehnsucht und Begierde. (Quelle: Wikipedia)

Den letzten Satz des Vorworts richtet die Autorin explizit an die Leserinnen und Leser:

«Möge „Trümmer und Hoffnung“ nicht nur ein Gedichtband sein, sondern auch ein Begleiter auf Deiner eigenen Reise durch das Leben. Möge er Dich inspirieren, zu reflektieren, zu fühlen und letztlich die Hoffnung zu finden, die uns alle antreibt.«

In meinem Falle hat er dies getan. Begierig auf das jeweils nächste Gedicht schlug ich Seite für Seite auf. Liebe Leserinnen und Leser, ich verspreche, auch ihnen wird es so ergehen.

Das Gedicht welches dem Gedichtband den Namen gibt, „Trümmer und Hoffnung“, finden Sie auf Seite 53. Es ist eines Soldaten Trauerlied. Mitten in einer kriegszerstörten Stadt fragt er sich bang, ob es noch Hoffnung gibt. „Hoffnung auf die große Wende. Hoffnung auf ein schnelles Ende.“

Sehnen tut er sich nach Eltern, nach Frau und nach Kind. Er betet, dass sie alle noch am Leben sind.

Und die Schlussstrophe geht so:

«Was hat denn alles dies gebracht?

Zum Mörder hat man ihn gemacht“

Mit dieser Schuld muss er nun leben,

Absolution? Wird es sie geben?«

Das geht einem sehr zu Herzen, treibt einem fast die Tränen in die Augen. Man sollte (nicht nur) dieses Gedicht aus Anja Buschners Band Leuten wie Herrn Pistorius, Frau Strack-Zimmermann, Toni Hofreiter, Herrn Kiesewetter und anderen Kriegsgurgeln schicken!

Ein weiteres Gedicht von Anja Buschner („Weiße Taube“; S.71) erinnerte mich an das 1949 in Nordhausen zu DDR-Zeiten von der damaligen Kindergärtnerin Erika Schirmer gedichtete DDR-Kinderlied „Kleine weiße Friedenstaube“. Erika Schirmer hatte sich von der Friedenstaube von Pablo Picasso inspirieren lassen. (dazu: ein Arte-Bericht)

Neben diesem Gedicht (wie übrigens zu allen anderen Gedichten des Bandes auch) finden wir ein Bild, welches den Text illustriert: In den Trümmern einer Stadt liegt eine kleine weiße Friedenstaube:

Kleine weiße Friedenstaube.

Liegst im Trümmerfeld der Stadt.

Wagst es nicht mehr aufzustehen,

abgekämpft bist du und matt.

Blut durchtränkt dein weiß’ Gefieder. (1. Strophe)

Die vierte und letzte Strophe schließt so:

Hoffnung ist nicht mehr zu sehen,

Zeit scheint plötzlich stillzustehen,

Kleine Taube kämpfe weiter!

Hilf uns Menschen in der Not!

Bring uns endlich wieder Frieden,

sonst vergehen wir im Tod.“

Die letzten Sätze sollten wir als Appell auch an uns selbst begreifen. Wir erinnern uns: Die Weltuntergangsuhr steht bereits auf 90 Sekunden vor Mitternacht!

Das Gedicht „Fehler im System“ (S.25) sprach mich ebenfalls sehr an.

Dessen 1. Strophe geht so:

Im Gleichschritt immer weiter gehen,

den Blick nach vorn und nie zurück.

Wehe einer bleibt mal stehen.

Nein, das brächte ihm kein Glück.“

Und in der letzten Strophe steht etwas, das wir – wenigstens ab und an – anstreben sollten:

Ich bin das Steinchen im Getriebe,

ein kleiner Fehler im System.

Dass ich nicht im Tritt marschiere,

macht mich äußerst unbequem.“

Weil es die Leserinnen und Leser sicher neugierig gemacht hat, ein Hinweis von der Autorin am Ende ihres Gedichtbandes:

Neben den Texten spielen auch Bilder eine wichtige Rolle. Es ist mir wichtig zu erwähnen, dass ich die Bilder für dieses Projekt nicht selbst gezeichnet, sondern sie mithilfe von KI und Photoshop erstellt habe.


Als Schriftstellerin liegt mein Fokus natürlich auf den Worten und der kreativen Gestaltung von Texten. Doch um meinen Gedichten eine visuelle Dimension zu verleihen, habe ich mich entschieden, auch Bilder einzubinden. Da meine Fähigkeiten im Bereich der Erstellung von Handgezeichneten Bildern begrenzt sind, habe ich auf Technologie zurückgegriffen, um meine Vision zum Leben zu erwecken.


Dank künstlicher Intelligenz und den Möglichkeiten von Bildbearbeitungssoftware konnte ich meine Ideen umsetzen und die passenden Bilder zu meinen Gedichten illustrieren. Dies ermöglichte mir, eine umfassendere und ansprechendere Erfahrung für meine Leser zu schaffen.


Anja Buschner

So viel sei gesagt: Die Bilder sind grandios, faszinierend, äußerst aussagekräftig und berührend im Ausdruck.

Was aber bereits auf die Gedichte selbst zutrifft. Man schaue sich nur das Bild eines ängstlich dreinblickenden Jungen (S.50) zum Gedicht „Sommernacht“ (S.51) an, während die Mutter schrie: „Die Bomben fallen!“

Oder die Illustration zum Gedicht „Der General“ (S.43). Daneben der Mann mit Schmerz im Blick und amputiertem Bein im Krankenbett (S.42). In der dritten Strophe heißt es:

Im Krieg kann’s nur Verlierer geben!

Die einen büßen ein ihr Leben,

die anderen, Arme, Beine, Hand.

Und jeder schließlich den Verstand!“

Als Rezipienten erleben wir noch einmal eine Verstärkung der an sich schon aussagekräftigen Dichtung. So ging es mir.

Nun mag es Menschen geben, die sagen: ihnen reichten eigentlich die Gedichte selbst. Sie wollten sich auf die Bilder verlassen, welche ihnen beim Lesen der Gedicht selbst im Kopf erscheinen.

Jeder wie er mag.

Fazit

Bemerkenswerte Gedichte voller Mitgefühl und Menschlichkeit. Tief lotend. Und mit wichtiger Gesellschaftskritik, welche den Gedichten innewohnt. Wo Traurigkeit aufkommt, keimt auch Hoffnung. Leseempfehlung! Weiter empfehlen!

Zur Autorin

Anja Buschner wurde am 4. April 1977 in Berlin-Staaken, geboren. Während ihrer Schulzeit an der Polytechnischen Oberschule entdeckte sie ihre Liebe zur Poesie. Nach ihrem Abschluss absolvierte sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Anja Buschner ist verheiratet und hat zwei (fast) erwachsene Kinder. Im Jahr 2023 begann sie damit, ihre ersten Gedichte auf Facebook zu veröffentlichen, um ihre kreativen Werke einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Quelle: Verlag / vlb“

„Mein Name ist Anja Buschner ich bin die Autorin der Gedichtbandes „Trümmer und Hoffnung “ Meine Gedichte widmen sich den tiefgreifenden Themen des Krieges und der Gesellschaftskritik. Sie sind ein Spiegel unserer Welt, geprägt von Herausforderungen, aber auch von Hoffnung und Menschlichkeit. Neben den Texten spielen auch Bilder eine wichtige Rolle. Die Illustrationen erstelle ich selbst mithilfe von KI und Photoshop.“


Zum Buch

Trümmer und Hoffnung

ein Gedichtband zeitloser Lyrik

Anja Buschner

Klassiker & Lyrik

  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎94 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎3759720331
  • ISBN-13 ‏ : ‎978-3759720337
  • Abmessungen ‏ : ‎17.5 x 1 x 17.6 cm

Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt

Erscheinungsdatum: 20.05.2024

Sprache: Deutsch

24,99 Euro

„Der Fall Ulrike Guérot“. Von Gabriele Gysi (Hg). Buchbesprechung

Oft taten einem die Hände weh. Wie oft mussten wir dennoch in den vergangenen Jahren immer wieder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Und die Angst vor einem bleibenden Schleudertrauma ging nicht weg: Wie viele Male haben wir in letzter Zeit und auch gegenwärtig wieder weiter besorgt und wütend und mit Unverständnis mit dem Kopfe geschüttelt!

Wie geriet unsere Gesellschaft nur dahin wo sie sich inzwischen befindet? Was verdammt noch mal ist mit uns los? Wo soll das noch hinführen? Bekommen wir das nicht nur angehalten sondern auch endlich aus der Welt geschafft? Fragen über Fragen.

Artikel 5 GG

In einer Demokratie müssen wir erwarten unsere Meinung frei sagen zu können. Doch damit nicht genug.

Im Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes (GG) werden wir fündig, er schützt in Abs. 1 fünf eigenständige Grundrechte, nämlich die die Meinungs-Informations-Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit (sogenannte Kommunikationsgrundrechte).[1] Beschränkt werden diese Rechte gem. Art. 5 Abs. 2 durch die allgemeinen Gesetze sowie den Jugendschutz und das Recht der persönlichen Ehre (Ehrenschutz).

Art. 5 Abs. 3 schützt außerdem die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie die Kunstfreiheit. Hierbei handelt es sich um weitere Formen der Kommunikation, die das Grundgesetz als besonders schutzwürdig erachtet. Daher können diese Grundrechte lediglich durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden. (Quelle: Wikipedia)

Artikel 5 GG (1) sagt klar und deutlich: «Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. «

Das hört sich gut an. Papier ist geduldig. Heutzutage allerdings muss man hinzudenken: Du darfst dich freilich nach diesen Grundsätzen. Aber du musst halt auch mit den entsprechenden Konsequenzen rechnen und leben.

Das hat vor allen Dingen die Zeit der Corona-Pandemie gezeigt. Und es zeigt sich nun wieder im Ukraine-Krieg. Wer sich kritisch jenseits staatlicher oder andere Narrative äußert, kriegt rasch einen auf den Deckel. Grundgesetz hin oder her.

Wer es dennoch tut gilt nämlich rasch als „umstritten“ oder bekommt es obendrein mit der unseligen Cancel Culture zu tun. Das kann einem sogar den Job oder das eigene Bankkonto kosten. Oder sogar den gesellschaftlichen Tod für die betroffene Person bedeuten.

Eingeschränkter Meinungskorridor

Der Meinungskorridor wurde immer mehr eingeschränkt. Wie passt das zur Demokratie – zum Artikel 5 des Grundgesetzes? Immer mehr Menschen – hauptsächlich solchen, welche bereits in der DDR gelebt hatten – kommt das nicht geheuer vor. Manches erinnert sie nicht von ungefähr an Erscheinungen in der DDR. Dergleichen hatten sie in der BRD mit ihrer freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGO) nicht für möglich gehalten.

Heute gelten Personen die nicht auf Linie sind als „umstritten“ bzw. als Schwurbler oder Verschwörungstheoretiker. Menschen die in der DDR von der ideologischen Linie abwichen, gegen die wurde mit mit unterschiedlichen Mitteln vorgegangen. Im schlimmsten Falle juristisch. Sie konnten ihre Arbeitsstelle verlieren, wenn sie nach Ansicht von Partei und Staat ideologisch dort nicht tragbar waren. Rasch galten sie als Staatsfeinde, die dem Klassenfeind im Westen zuarbeiteten. Künstler etwa drohte der Verlust ihrer Engagements. In Rundfunk, Fernsehen oder in der Presse kamen sie dann halt nicht mehr vor. Oder es wurde zumindest versucht sie klein zu halten. Dann konnten sie vielleicht noch in irgendwelchen Nischen in kirchlichen Räumlichkeiten auftreten. Oder es blieb ihnen nur noch übrig einen Ausreiseantrag ins westlichen Ausland zu stellen.

Was trifft, trifft zu“

Zu DDR-Zeiten schrieb ich ab und an als ehrenamtlicher Journalist (Volkskorrespondent) für eine Bezirksparteizeitung der SED, die ironischerweise den Titel „Freiheit“ (gegründet 1946, da war der Titel gewiss treffend) trug.

Oft suchte ich mir die Themen über die ich schreiben wollte selber aus. Und das wurde von der Redaktion zumeist goutiert, gern genommen und gedruckt. Doch einmal, als ich über einen Auftritt des bekannten Journalisten, Dichters, Satirikers und Kabarettisten Hansgeorg Stengel schreiben wollte, redete mir der von mir angesprochene Redakteur das aus. Beziehungsweise riet mir: „Einen kurzen Bericht kannste machen.“ Aber ich sollte bloß nicht zu sehr ins Detail gehen. Wenn ich verstünde was er meine. Höchstes ein Bonmot zitieren. Eines freilich, das nicht allzu kritisch mit negativen Erscheinungen im Arbeiter- und Bauernstaat ins Gericht ging. Ich verstand. Was der Redakteur meinte war mir klar. In der Regel waren Stengels Texte nämlich äußerst ausgefeilt, treffend und scharfzüngig. Was freilich nicht allen gefiel. Vor allem manchem SED-Funktionär nicht. Denn er griff Defizite im sozialistischen Staat auf und nahm sie auf sie aufs Korn. Wie sagte doch Karl Kraus: „Was trifft, trifft zu.“ Was ja gerade das Großartige an seinen Texten war. Dafür liebten die Leute ihn. Ich verzichtete.

Meinungsvielfalt? Fehlanzeige. DDR 2.0?

So manch kritisch denkender Mensch, der mit offenen Augen und Ohren am Leben beteiligt ist, spricht oder schreibt, wir hätten es heute in mancher Beziehung mit so etwas wie einer DDR 2.0 zu tun. So ganz abwegig finde ich diese Ansicht nicht. Obwohl man nicht alles 1:1 vergleichen kann.

Aber in der alten BRD stand es um die Meinungsfreiheit schon einmal wesentlich besser als das dies heute der Fall ist. Es gab ganz linke und linke Blätter, aber als Gegenstücke auch stramm konservative. Man hatte eine große Auswahl, fand ein Meinungspluralismus vor. Auch im Rundfunk und beim Fernsehen gab es ein breites Spektrum. Das ist heute längst nicht mehr so. In vielerlei Beziehung haben wir es mit einer Selbstgleichschaltung zu tun. Und sogenannte Haltungsjournalisten bevölkern die Redaktionsstuben. Dafür gibt es einige Gründe, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Meinungsvielfalt? Fehlanzeige. Der Meinungskorridor wird immer mehr verengt.

Das auch im damaligen Westdeutschland nicht alles Gold war was glänzte, war mir schon als noch in der DDR lebender Bürger klar. So naiv bin ich nicht. Wir empfingen ja Westfernsehen und rezipierten mit großem Interesse kritische Politmagazine wie beispielsweise Monitor oder Panorama. Tempi passati – leider.

Fälle wo Menschen diffamiert, gebasht und gecancelt wurden haben sich in der Corona-Zeit gehäuft. Und diese fürchterlich Unart, die einer wirklichen Demokratie unwürdig seid, wird weiter verfolgt und trifft nunmehr Menschen, welche sich in Zeiten des Ukraine-Kriegs für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen einsetzen.

Kennen Sie den „Fall“ Ulrike Guérot?

Im Westend Verlag ist jetzt ein Buch erschienen, welches den Titel „Der Fall Ulrike Guérot. Versuche einer Hinrichtung“ trägt. Herausgegeben von Gabriele Gysi. Vom Verlag heißt es dazu:

«Der Artikel 5 des Grundgesetzes sagt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“ Das gilt auch für Forschung und Lehre: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Wie ist es in der Realität? Wer die zum Teil mit großem, exzessivem Eifer vorgebrachten Anwürfe an Ulrike Guérot einordnen will, sollte deren politischen Hintergrund kennen: In einer prominenten Talkshow sprach sich Ulrike Guérot dafür aus, dass Diplomatie und Politik vor allem darauf abzielen sollten, die Möglichkeit nach Friedensverhandlungen im aktuellen Krieg in und um die Ukraine auszuloten. Am Tag nach der Ausstrahlung der Sendung wurden mit zunehmendem Verfolgungseifer Plagiatsvorwürfe laut, obwohl ihr Buch „Wer schweigt, stimmt zu“ [anbei meine Rezension; C.S] seit dem frühen Frühjahr auf dem Markt und allgemein erhältlich war, wochenlang die Spiegelbestellerliste in oberen Rängen besuchte und in etlichen Medien besprochen wurde. Angebote von Frau Guérot an Kritiker, sich zu einem Austausch, öffentlich oder nichtöffentlich, zu treffen, wurden ausgeschlagen, die Universität Bonn ist mit Ulrike Guérot derzeit in einem Rechtsstreit, die weitere Verhandlung ist für den 10.1.2024 in Bonn angesetzt.

Der Band „Der Fall Ulrike Guérot. Versuche einer öffentlichen Hinrichtung“, herausgegeben von Gabriele Gysi, zeichnet diese Geschehnisse nach und zeigt: Wer stört, wird mundtot gemacht. Oder wie Paul Valéry es ausdrückt: „Wer den Gedanken nicht angreifen kann, greift den Denkenden an.“ Wehren wir diesen Anfängen.«

Pressestimmen zum Buch:

„Die Wissenschaftsfreiheit ist nicht die geringste der Freiheiten. Im Gegenteil: Mit ihr beginnt die Geschichte der Demokratie in Deutschland.“
Prof. Dr. Heribert Prantl

„Die Bezeichnung „umstritten“ dient heutzutage dazu, Andersdenkende zur moralischen Diskreditierung, sozialen Ausgrenzung und institutionellen Bestrafung freizugeben. Wer erfahren will, warum und wie Ulrike Guérot zur „umstrittenen“ Wissenschaftlerin erklärt und abgestraft wurde, der lese dieses Buch.“
Sandra Kostner

Zum Vorwort der Herausgeberin

Gabriele Gysi setzt sich in ihrem Vorwort mit dem Stempel „Umstritten“ auseinander. Sie fragt: „Wer ist umstritten und in wessen Augen? Worüber wird überhaupt gestritten? Und warum sind immer nur Personen umstritten und nicht Sachverhalte oder empirische Beobachtungen? Warum gelten umstrittene Aussagen an Universitäten nicht als Neugier, dem Denken und Nachdenken förderlich? Wie kann ein Begriff auf solch merkwürdige Weise zur Diskreditierung von Menschen genutzt und akzeptiert werden?

Und sie stellt fest: „Das Nichtwissen ist die Voraussetzung unseres Denkens.“

Und Gysi fragt: „Wie kann eine Gesellschaft das Nachdenken auf Faktenchecker abwälzen? Wann ist dieser Irrsinn ausgebrochen? Wer erklärt hier wem den Krieg?

Für jeden Schauspieler ist der Versuch, etwas zu verstehen, die Grundlage der lebendigen Simulation von Leben. Vielleicht waren gerade die Schauspieler mit ihren Szenen im Rahmen der #allesdichtmachen-Aktion zum Lockdown so erfolgreich, witzig und genau, weil sie die Erfahrung und nicht die «umstrittene Ansicht« schildern.“

Sei meint: „Eine einzige Wahrheit wird postuliert und bis in die Unkenntlichkeit wiederholt. Das wäre das Ende der Aufklärung und tragische Vorgang für die westliche Welt. Aber es gibt Menschen, die sich diesem Verlauf in den Weg stellen, die Umstrittenen. Und es gibt Räume, die den Widerspruch fordern sollten. Es gibt einen Ort, der explizit zum Verstehen, nicht zum Rechthaben, als eine zivilisierte Leistung entwickel wurde, die Universität.“

Gabriel Gysi dankt dem Westend Verlag für das Verlegen dieses Buches. Und: „Aber vor allem bedanke ich mich bei den #Umstrittenen für ihre Klugheit und ihren Mut.“

Heike Egner und Anke Uhlenwinkel befassen sich den Angriffen auf die Wissenschaftsfreiheit

In einer Studie über die Entlassung und Degradierung von Professorinnen und Professoren haben die beiden Damen 50 Fälle erfasst. Diese Erscheinung hat ja in letzten Jahren, etwa ab 2018 zugenommen und hatte ihren Höhepunkt im Jahre 2019 und setzt sich seitdem im mittleren Bereich fort.

Es wird klar wie wenig frei die Lehre an den Universitäten inzwischen ist. Ob es Förderungen und Drittmittel für bestimmte Forschungen gibt hängt immer öfters von Zielen ab, die von den Geldgebern gewünscht werden.

Man sehe sich oft mit einer Wissenschaft konfrontiert, die von der Politik gestaltet wird.

Im Fall Ulrike Guérot argumentieren Egner und Uhlenwinkel man müsse ja nicht unbedingt die inhaltlichen Standpunkte der Professorin teilen, um über den Umgang mit ihr empört zu sein.

Es handele sich um einen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit. „Höchst erstaunlich ist daher das sehr laute Schweigen aus den Reihen der Wissenschaft selbst.“ Haben die Kollegen womöglich selbst Besorgnis in die Kritik und „in den vernichtenden Fokus der Medien zu geraten? Man hat ja einiges zu verlieren.“

Die durchaus unterschiedlichen Gründe für erfolgte Entlassungen von Professoren sind im Beitrag aufgeführt. Sicher gibt es auch Fälle, wo dies eine entsprechende Grundlage hatte.

Dem Außenstehenden drängst sich die Frage auf, ob es den Betreibern dieser Entwicklung darum geht, eine möglichst in deren Interessen stromlinienförmige Professorenschaft zu schaffen. Ganze 73 Prozent der befragten Professoren gaben an, dass ihnen in ihren Verfahren die gebotene Vertraulichkeit nicht zugestanden worden sei.

Die beiden Autorinnen warnen bei einem weiteren fortschreiten von Cancel Culture und ideologischer Beeinflussung, um etwa eine „Legitimation aktueller Politik“ zu befördern. „Dann würde Wissenschaft nicht nur in der Mittelmäßigkeit versinken, wie Max Weber dies konstatierte, sondern sie schaffte sich selbst vollständig ab.“

Christoph Lövenich hat den Beitrag „Das «Plagiat« – eine (wissenschaftliche) Betrachtung“ eingebracht

Und Lövenich fragte sich was dran sei an den Plagiatsvorwürfen gegen Ulrike Guérot. Weswegen die Universität Bonn die Professorin kündigte.

„Al Capone wurde auch wegen Steuerhinterziehung weggesperrt und nicht wegen seiner Morde“ habe ein Twitterer am 24. Februar 2023 geschrieben nachdem die Kündigung bekannt geworden war.

Neben anderen hatte sich auch Redakteur Lars Wienand von t-online (das zu Stroer gehört), „ein Medium, das häufig <umstrittene< Persönlichkeiten ins Zielfernrohr seiner gefärbten Berichterstattung nimmt“ nicht entblödet ebenfalls diese Analogie zu benutzen. Der Redakteur des oft zur Diffamierung benutzten Portals schmierte: «Guérot dürfte wegen unwissenschaftlichen Unfugs nicht beizukommen gewesen sein, da hat man ihre Plagiate genutzt.«

Christoph Lövenich: „Es kaum anzunehmen, dass sich Wienand – schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt – mit irgendwelchen Details der Vorwürfe auseinandergesetzt hatte. Das hinderte ihn allerdings nicht an Verdachts- und Framings-Journalismus.“

Die in der Kritik stehenden Bücher von Guérot geht es nicht um wissenschaftliche Veröffentlichungen.

Das focht die Uni Bonn jedoch nicht an.

Gleichwohl gibt es einige Schnitzer in den Veröffentlichungen.

Im Wesentlichen Bagatellen.

Der Westend Verlag teilte mit, aus seiner Sicht genügten für künftige Auflagen: „Vier Anführungszeichen an zwei Sätzen im Text wurden ergänzt und die Quellen benannt.“

Fazit von Lövenich: „Bei den betroffenen Büchern Ulrike Guérots handelt sich nicht um Plagiate als solche.“

Lediglich ihr Buch Wer schweigt, stimmt zu“, das von ihr während ihrer Angestelltentätigkeit an der Uni Bonn geschrieben habe, als für das Arbeitsverhältnis „kontrafaktisch relevant gewertet werden würde, hätte dies, wenn überhaupt, eine Abmahnung nach sich ziehen können, aber keineswegs gleich eine Kündigung“.

Lövenich liegt wohl richtig, wenn er abschließend feststellt: „Tatsächlich soll eine Unbequeme bestraft werden – wohl auch in der Absicht, andere abzuschrecken.“

Da fällt mir das Mao Zedong zugeschriebene Zitat ein: „Bestrafe einen, erziehe hunderte.“

Roberto De Lapuente beleuchtet den „Fall «Ulrike Guérot« noch einmal genauer und blickt dazu auch in die Vergangenheit

Roberto De Lapuente beleuchtet den „Fall «Ulrike Guérot«: Versuche einer Hinrichtung“ noch einmal genauer. Auch vom Ablauf der einzelnen Diffamierungen und deren Abkunft her. Er richtet dazu seinen Blick zurück auf den «Radikalenerlass« aus den 1970er Jahren, der damals zum Berufsverbot und Verbannung Andersdenkender aus dem öffentlichen Dienst führte.

Und sein Blick kehrt wieder zurück ins Heute. Zu Zuständen, die zum Himmel schreien. Wir verstehen, es geht immer gegen Menschen von denen der Staat bzw. die Herrschenden glauben, das von ihnen eine Gefahr für sie und den Bestand der herrschenden Meinung ausgeht. Sie werden zumalen gar zu Staatsfeinden gestempelt. Die es gilt mundtot zu machen. Die unrühmlichste und deshalb zutiefst zu verdammende Rolle spielen dabei heute die Medien (die Mainstream-Medien, die sich selbst gleichgerichtet haben und zu Lautsprechern bzw. Propagandisten der Herrschenden geworden sind). Welche ja im Sinne der Vierten Macht die Regierenden eigentlich kontrollieren und im Interesse der Demokratie mit ihren Mittel zur Ordnung rufen sollen.

Dokumentation der öffentlichen Hetze und eine Chronologische Auswahl der Hetzartikel

Im Anhang zum Buch schließt sich eine „Dokumentation der öffentlichen Hetze“ (S.76) an sowie eine „Chronologische Auswahl der Hetzartikel und sonstige Berichte über Ulrike Guérot“ an. (S.77)

Lesen wir dieses Buch, vergessen wir niemals was nicht nur Ulrike Guérot an übler Diffamierung angetan wurde, wie aus vielen publizistischen Rohren auf verabscheuungswürdigste Weise auf sie geschossen wurde. Ihr Beispiel steht für viele Einzelfälle, kritische Personen, die sich in der Corona-Zeit und nun wieder im Ukraine-Krieg mutig hervorgewagt haben, weil sie spürten, dass da einiges nicht stimmt und mit ihrer Meinung nicht hintan gehalten haben. Ihnen gebührt Dank und Hochachtung. Und ja: Wer nicht mit allem, was diese Menschen geäußert haben d`accord meint sein zu können, sollte sich unbedingt dafür einsetzen, dass es gesagt oder geschrieben und veröffentlicht werden kann. Wir alle müssen uns dafür einsetzen, dass ein für alle mal Schluss ist mit üblen Diffamierungen und der fürchterlichen Cancel Culture. Wir müssen uns für einen demokratischen Diskurs starkmachen. Für eine Wiederöffnung des Meinungskorridors. Im Sinne von Johannes Raus Postulat: „Versöhnen statt Spalten“.

Anmerkung: Der Gerichtstermin des Bonner Arbeitsgerichts für die Verhandlung über die Kündigung der Politikprofessorin Ulrike Guérot ist vom 10. Januar auf den 24. April 2024 verschoben worden.

Gabriele Gysi

Der Fall Ulrike Guérot

Versuche einer öffentlichen Hinrichtung

Heike Egner, Anke Uhlenwinkel, Christoph Lövenich, Roberto J. De Lapuente, Herausgegeben von Gabriele Gysi

Erscheinungstermin:08.01.2024
Seitenzahl:96
Ausstattung:Klappenbroschur
Artikelnummer:9783864894503
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Anbei:

Oberstarzt a.D. Reinhard Erös mit hochinteressantem Afghanistan-Vortrag in Dortmund

Afghanistan. Ich war sofort angetriggert. Das Land trat – wenn ich mich richtig erinnere – 1979 in mein Bewusstsein. Was in erster Linie damit zu tun hatte, dass die Sowjetunion im Dezember 1979 militärisch in einen innerafghanischen Konflikt intervenierte. Was mich und viele andere in der DDR damals schockierte. (1)

Über Afghanistan wussten wir damals bis dato praktisch nichts.

Was sich ändern sollte. Nicht nur über Nachrichten, die man dann zu sehen bekam. Ein für uns zunächst quasi weißer Fleck auf der inneren Weltkarte bekam nach und nach Konturen. Für mich nicht zuletzt deshalb, weil ein junger Afghane an meinem Theater als Beleuchter anfangen sollte. Farid war mit seiner Frau Nagiba in die DDR gekommen, um zu studieren. Mit ihm hatte es im Gegensatz zu seiner Frau an der Uni nicht geklappt. Nun hatte man ihn – der in Kabul beim Fernsehen gearbeitet hatte – in ein Praktikum in die Beleuchtungsabteilung des Theaters vermittelt, mit der Aussicht im Anschluss seinen Beleuchtungsmeister zu machen. Was er übrigens dann auch wurde.

Farid brachte uns sein Heimatland über Bildbänder (mit herrlichen Natur- und anderen Bildern) sowie über Erzählungen nahe. Farid tat das mit einer sehr leisen Stimme. Öfters wurden wir, seine Kollegen, ins Studentenheim, wo er mit seinen Landsleuten wohnte, eingeladen. Sie musizierten mit ihm. Wir tranken Tee zusammen.

Wir lernten, dass Afghanistan ein Land mit schöner Natur, aber teils auch ein karges Land mit hohen Bergen, mit vielen Ethnien und freundlichen, gastfreundlichen Menschen ist. Welches jedoch auch eines der ärmsten Länder der Erde ist, dass seit Jahrzehnten keinen Frieden kannte.

Afghanistan erlebte bis heute 40 Jahre Krieg.

Dass Dr. med. Reinhard Erös, welcher für vergangenen Donnerstag von der Auslandsgesellschaft in Dortmund angekündigt worden war, um zum Thema „Afghanistan 2023 – die politische und soziale Lage unter dem neuen Taliban Regime“ zu referieren, versprach interessant zu werden.

Reinhard Erös, Oberstarzt der Bundeswehr a.D., kennt das Land am Hindukusch seit 35 Jahren. Und er hatte in der Tat viel Interessantes zu erzählen.

Quo vadis Afghanistan?

Der studierte Arzt übersetzte das erst einmal aufs Medizinische. Brach die Frage auf das Verhältnis Arzt – Patient herunter. Und fragt somit bezüglich Afghanistan: Wie geht es dir? Wo gehst du hin? Wohin entwickelst du dich? Und er musste sich demzufolge zunächst fragen, wie kamst du dahin, wo du jetzt stehst?

Erös hält die Berichterstattung über Afghanistan für eine Katastrophe. Demnächst käme wieder so ein Artikel eines FAZ-Journalisten, der das Land kürzlich besucht hatte. Eine Katastrophe seien etwa 95 Prozent der Artikel über das Land. „Nicht weil die dumm sind, die Journalisten oder gar bösartig. Sondern weil sie halt überhaupt keine Ahnung haben vom Land. Ihnen fehlen die Sprachkenntnisse und Sprachführungskenntnisse, wie sie für Afghanistan unabdingbar wären. „Und natürlich die generelle Kulturkompetenz.“ Das betreffe auch Politiker und Bundeswehrgeneräle. Sie könnten sich eben so kein reales Bild vom Land zu machen. „Sie sind halt dann blind, taub und stumm.“

Wichtig zu wissen: Afghanistan war nie eine Kolonie und hat sich nie domestizieren lassen.

Erös hat in den 1970er Jahren Medizin und Politik studiert. Und er war fünf Jahre bei der Bundeswehr und dort bei den Fallschirmjägern. Er war für Hilfsorganisationen, u.a. die Nato, die EU, die WHO, das IKRK und das Auswärtige Amt in Sachen Entwicklungshilfe in Kriegs- und Krisengebieten unterwegs.

Warum der Afghanistan-Einsatz nicht nur für die Bundeswehr in die Hose ging

Warum sind also die letzten zwanzig Jahre in Afghanistan nicht nur für die Bundeswehr in die Hose gegangen? Reinhard Erös: „Die Bundeswehr wurde rausgeschmissen!“

„Diese Barfußsoldaten, diese Taliban mit Waffen aus dem Mittelalter haben die größte Militärmacht der Welt, das größte Militärbündnis der Welt, mit den bestens ausgebildetsten Soldaten, mit dem besten Material der Welt, vernichtend geschlagen und vertrieben!“

Das sei bei uns auch nicht so richtig in die Köpfe reingegangen, was damals passiert ist.

Da hätten bei den ganzen Islamisten der Welt sozusagen „überall die Sektkorken geknallt“.

Bei unseren Medien sei das damals auch nicht so richtig dargestellt worden.

Überhaupt kenne er keinen einzigen Journalisten in Deutschland, der vom Militär eine Ahnung hat. Der letzte sei Peter Scholl-Latour gewesen.

Allenfalls kannte man den „Schwarzen Afghanen“

Erös selbst habe zu Studentenzeiten auch nichts über Afghanistan gewusst. Allenfalls kannte man den „Schwarzen Afghanen“. Erös selbst habe das Kraut nie konsumiert: „Ich komme aus Bayern, das raucht man nicht.“ Das Kraut war teuer hierzulande. Weshalb damals zehntausende junge Leute aus Europa nach Afghanistan sich auf den sogenannten Hippie Trail begaben. Dort habe das Kraut so gut wie nichts gekostet.

In der Sterbehäusern von Kalkutta bei Mutter Teresa

Erös` erster Einsatz sei in Kalkutta in Slums des Molochs von Stadt bei Mutter Teresa gewesen. Wo er in den sogenannten „Sterbehäusern“ als Arzt gearbeitet habe. Jeden Tag seien dort bis zu vierhundert Kranke gekommen, weil bei man bei den „Sisters of Charity“ kostenlos behandelt wurde. Das wäre kaum zu bewältigen gewesen. Etwa sechzig Patienten habe er da am Tag zu behandeln geschafft. Wenn er abends nach Hause ging seien dort zehn, zwanzig Tote vor der Tür gelegen.

Thema der nächsten Jahrzehnte: Massenmigration

Damals hatten die Leute ja kein Internet und Fernsehen vielleicht auch nicht. Inzwischen fragten sich die Leute in der Dritten Welt, warum sie in ihrer Not bleiben sollten. Erös: „Die sind doch nicht bescheuert!“ Und so käme es massenweise zu Flucht. Das Migrationsthema werde das beherrschende Thema der nächsten Jahrzehnte sein. Ein britischer Migrationsforscher habe veröffentlicht: Wir müssen damit rechnen, dass wir in Europa – allein wegen der Probleme, die der Klimawandel verursacht – in den nächsten 30 Jahren bis zu 150 Millionen aus diesen Ländern an Migranten bekommen. Das werde er, so Erös, auch am nächsten Tag den Schülerinnen und Schülern an einem Dortmunder Gymnasium sagen und anmahnen: „Interessiert euch für Politik. Mischt euch ein!“

Afghanistan lässt sich nicht domestizieren

Nun wieder zu Afghanistan. Dort können man so momentan so sicher und frei wie vermutlich nirgends auf der Welt bewegen.

Das Ausland interessiere die Taliban überhaupt nicht. Da hätten sie keine Interessen.

Erös: „Es sei denn, das Ausland mischt sich wieder in Afghanistan ein.

Das britische Imperium hat das 1842 spüren müssen. Ihre Armee von 18.000 Mann sei damals in einer Schlucht in einen Hinterhalt geraten und von den Paschtunen aufgerieben und vernichtend geschlagen worden. Übrig seien nur ein Offizier, ein Arzt, sowie ein Hund des Bataillions wieder lebend aus Afghanistan herausgekomme. Der Hund wurde später von den Briten zusammen mit dem Major ausgezeichnet. Erös: „Das war das Stalingrad der britischen Armee.“ Theodor Fontane hat dazu das Gedicht „Das Trauerspiel von Afghanistan“ geschrieben.

Auch die Sowjetunion habe 1989 schmählich abziehen müssen.

Und auch die USA und die Nato hätten diese Erfahrung am 31. August 2021 machen müssen. Die „Barfußsoldaten“ hätten sie aus dem Land geworfen.

9/11 als Kriegsgrund – dabei hatte kein Afghane etwas mit dem Anschlag zu tun

Hätten die USA mal nach 9/11, machte Erös klar, daran gedacht! Stattdessen habe man sich von dem „dummen Bush“ in dieses Fiasko führen lassen. Den Briten war durch ihre fürchterliche Niederlage 1842 klar: In solche Länder geht man besser nicht. Ich erinnere mich auch, dass einstige Offiziere der Sowjetunion die USA damals warnten, als sie in Afghanistan einfielen.

Die Taliban hätten überhaupt nichts gewusst von dem Anschlag, meinte Reinhard Erös. Kein Afghane sei an dem Anschlag beteiligt gewesen. Keine Polizei der Welt und die CIA hätten einen einzigen Afghanen ermittelt, der an 9/11 beteiligt gewesen wäre. Aber Afghanistan musste herhalten!

Auch ein deutscher Bundeskanzler habe dann da mitgemacht und die Bundeswehr geschickt, sprach von „uneingeschränkter Solidarität“ mit Washington, kritisierte der Referent. „Uneingeschränkt heißt auf Deutsch, egal was du machst, ich mache mit.“ Etwa 60 Bundeswehrsoldaten ließen ihr Leben in Afghanistan.

Am Ende hätten auch die Deutschen abziehen müssen. Ein deutscher General hätte vorher noch gesagt, die afghanische Armee sei nun gut aufgestellt und könne das Land selbst verteidigen. Der Einsatz des Westens sei erfolgreich gewesen! Da rief Erös die Zeitung an, wo dieser Sager des Generals erschienen war. Der Mann war nüchtern gewesen, versicherte der Chefredakteur.

Ähnliches hätte nämlich ein General der sowjetischen Armee gesagt, obwohl der Einsatz Moskaus am Hindukusch ein einziger GAU gewesen sei. Eine Lüge. Nun log ein Bundeswehrgeneral in gleicher Weise.

Immerhin habe ein US-General ehrlich gesagt, ihre Erfolgsbilanz Afghanistan sei „beschissen“. Ungefähr 3500 US-Soldaten starben für Bushs Abenteuer.

Wie viele Afghanen getötet worden, könne nicht gesagt werden.

Auch nicht wie viele Kinder ums Leben gebracht wurden.

Allerdogs die Nachrichtenagentur AP recherchierte vor Ort über getötete Kinder und fand heraus: 346 in einem Jahr!

In keiner deutschen Zeitung habe das gestanden, skandalisierte Erös dies. Als er selbst das veröffentlichte, wurde er angegriffen.

Afghanistan wurde der Bayer Erös zur zweiten Heimat

Dem Bayer Erös ist Afghanistan zur zweiten Heimat geworden. Gründe: das Land geografisch, topografisch und historisch betrachtet. Und die Menschen.

In Afghanistan in vielerlei Beziehung komplex. Allein 50 ethnische Gruppen gibt es. Die sich untereinander nicht verstehen, so sie nicht die Sprache des anderen sprechen. Beziehungsweise wenn sie kein Paschtun (dem Persischen verwandt) sprechen.

Die Mehrheit der Afghanen sind Sunniten aber es gibt auch eine Minderheiten von Schiiten.

Das höchste Rechtsgut der Afghanen ist die Gastfreundschaft

Erös: Das höchste Rechtsgut in Afghanistan ist die Gastfreundschaft. „Wenn ich Gast eines Afghanen bin und er mich als solcher deklariert hat, dann tut der alles, damit es mir gut geht. Dann tut er alles, damit mir kein Leid geschieht.“ So wird auch niemand, der als Gast deklariert ist an eine andere Macht ausgeliefert.“ Das sei auch der Grund dafür gewesen, dass die Taliban Osama bin Laden seinerzeit nicht an George Bush ausgeliefert wollten.

Das zwei höchste Rechtsgut ist die Blutrache

Habe man etwa jemand in einem Dorf einen Mensch umgebracht, oder die Tochter einer anderen Familie vergewaltigt, gelte die Blutrache. Ein Gericht wie bei uns, gebe es in Afghanistan nicht. Dann käme bei den Paschtunen die Dorf-Schura, der Rat des Dorfes, mit dem Verdächtigen zusammen. Irgendwann werde ein Urteil gefällt. In der Schura hat das letzte Wort – so es noch lebt – das Opfer oder die Familie des vergewaltigten Opfers. Die könnte sagen: den Täter müsse man eigentlich aufhängen. „Aber wir kennen seine Familie. Vielleicht seit Jahrzehnten. Eigentlich sind das anständige Leute.“ Sie könnten sagen, der Täter müsse der Opferfamilie zehn Kühe und zehn Schafe geben. Und er muss die hässlichste Tochter dieser Familie heiraten. „Dann gilt dieses Urteil.“

Außerhalb des Hauses spielen nur die Männer eine Rolle

Ob es uns das nun gefalle, bei den Taliban sei es halt so, dass die Frau außerhalb des Hauses keine Rolle spielen. Das ist den Männern vorbehalten.

Unter den Taliban gibt es – wie vorher durch die Besatzer eingeführt – nun keine Berufe für Frauen wie beispielsweise TV-Moderatorinnen oder andere Tätigkeitsfelder und schon gar nicht in Machtpositionen – wie das von der Sowjetunion und der westlichen Besatzung gefördert worden war – mehr.

Verstoßen Frauen gegen die islamischen Kleidungsvorschriften, würden die nicht etwa wie im Iran ausgepeitscht oder ins Gefängnis gesteckt. Nein, in Afghanistan werden die männlichen Verantwortlichen, die Väter oder Brüder zunächst wegen des falschen Verhaltens der Ehefrauen oder Schwestern „zur Brust genommen“, verwarnt und bei Wiederholung mit Knast bestraft.

Was nicht heiße, so Reinhard Erös, dass die Taliban die Frauen mögen – nein: Sie hielten sie halt wie Kinder einfach für zu dumm, um diese Vorschriften zu befolgen.

Allerdings, so der Referent, habe er letztens in Kabul auf der Straße neunzig Prozent der Frauen gesehen, die kein Kopftuch trugen. Und schon gar keine mit einer Burka. Was freilich auf den Lande anders sei. Da sei das schon sei 500 Jahren so.

Korruption ist eine westliche Erscheinung

Was interessant ist: Afghanistan ist in puncto Korruption auf Platz 15 – 20 heruntergegangen. Erös: „Korruption ist eine westliche Erscheinung.“

Der Afghanistan-Krieg ist der teuerste Krieg in der Geschichte der Menschheit

Von den vielen Milliarden Dollar bzw. Euro, die nach Afghanistan gegangen seien, sei viel versickert, jedenfalls wäre es nicht den Afghanen zugute gekommen. Tausendzweihundert Milliarden Dollar habe der Westen in zwanzig Jahren in Afghanistan ausgegeben. Für Militär! „Es ist der teuerste Krieg in der Geschichte der Menschheit“, sagte der Referent. Nicht einmal zehn Prozent seien für zivile Infrastruktur ausgegeben worden.

Während „unserer Präsenz“ wurden 9000 Tonnen Opium produziert

Opium-Produktion habe es in Afghanistan immer schon gegeben. In 2001 habe die Produktion von Rohopium 180 Tonnen betragen. In „unseren Präsenz“, so Reinhard Erös, waren daraus 9000 Tonnen geworden. Wie Heroin hergestellt wird, hätten die USA in 1980er Jahren den Afghanen in ihrer Botschaft in Kabul erst beigebracht. Damit könne viel Geld verdient werden, sagte sie ihnen, dass man im Kampf gegen die Sowjets verwenden könne.

Unter den neuen Taliban sei der Anbau von Opium seit anderthalb Jahren wieder verboten worden. Alle Drogen einschließlich Alkohol sind laut deren Interpretation des Korans verboten.

Das Hauptziel der Taliban sei in den Himmel, respektive ins Paradies zu kommen. Ansonsten interessiere sie nichts. Erös bezeichnete sie als „strohdumm“. Sie lernten das, was Erös in seinem Religionsunterricht einst lernte: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher kommt ins Himmelreich.

Ein hochinteressanter Vortrag!

Kompakt

Afghanistan 2023 – die politische und soziale Lage unter dem neuen Taliban Regime

Der Referent, Dr. med. Reinhard Erös, Oberstarzt der Bundeswehr a.D., kennt das Land am Hindukusch seit 35 Jahren. In den 80 er Jahren, während der sowjetischen Besatzung des Landes, hat er über fünf Jahre unter Kriegsbedingungen die Bevölkerung in den Bergdörfern ärztlich versorgt. Nach dem Sturz der Taliban gründete er 2001 mit seiner siebenköpfigen Familie die Stiftung Kinderhilfe Afghanistan. (2) Seither wurden in ehemaligen Taliban-Hochburgen im Osten des Landes und im Westen Pakistans u.a. 30 Schulen mit ca. 60.000 Schüler*innen, drei Berufsschulen, eine Universität, zwei Waisenhäuser und drei Mutter-Kind-Kliniken gebaut und ausgestattet. Alle Projekte werden ausschließlich mit privaten Spenden, unter Verzicht auf öffentliche Mittel, finanziert. Mehr als 2.000 Afghanen finden dort Arbeit und Lohn.
Erös lebt und arbeitet die Hälfte des Jahres vor Ort. Er spricht die Sprache der Menschen und begegnet ihnen mit Respekt und auf Augenhöhe. Seit seiner Pensionierung 2002 hat Erös Polizeibeamte, Offiziere der NATO, Hilfsorganisationen und Journalisten für ihren Einsatz in Afghanistan ausgebildet. Er hat das Auswärtige Amt und den Bundestagsausschuss „Entwicklungshilfe“ beraten und in mehr als 3.000 Veranstaltungen im In- und Ausland zu Afghanistan vorgetragen. Für seine Arbeit wurde Erös u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, dem Bayerischen Verdienstorden, sowie dem Theodor Heuss- und dem Europäischen Sozial-Preis ausgezeichnet.
In seinen beiden Bestsellern „Tee mit dem Teufel – als Arzt in Afghanistan“ und „Unter Taliban, Warlords und Drogenbaronen“ erklärt Erös Kultur und die jüngste Geschichte und schildert seine persönlichen Erfahrungen aus einem noch immer archaisch geprägten Land.

Fotos: C. Stille

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Krieg_in_Afghanistan

(2) https://www.kinderhilfe-afghanistan.de/

Bericht im ARD-Weltspiegel.

Schauspielerin Eva Herzig: „bin seit geraumer Zeit ziemlich am Ende meiner Kraft“

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

ich habe mich entschlossen diesen Hilferuf der Schauspielerin Eva Herzig von deren Facebook-Profil hier auf meinen Blog zu übernehmen. Wohlwissend, dass Corona-Unrecht viele Menschen aus den unterschiedlichsten Berufszweigen getroffen und sie in teils gravierende Nöte gestürzt hat. Aber der Fall von Eva Herzig bricht das auf eine kleine Familie herunter, was die kaum zu bewerkstelligenden Nöte anschaulich und verständlich werden lässt. Wer ihr oder anderen Betroffenen helfen kann, möge das tun. Letztlich ist aber die gesamte Gesellschaft und erst recht die Politik gefragt, die diese Nöte durch menschenverachtende Maßnahmen erst verursacht hat.

Hier der Hilferuf von Eva Herzig via Facebook:

„Liebe Menschen,
viele von euch sehen in mir eine mutige und starke Frau. Das bin ich. Gleichzeitig bin ich seit geraumer Zeit ziemlich am Ende meiner Kraft. Die letzten Jahre sind nicht spurlos an mir vorübergegangen. Mein Aufstehen gegen menschenverachtende Maßnahmen hat mir bis heute die Möglichkeit genommen, meinen Beruf so auszuüben, wie ich es die letzten dreißig Jahre mit Freude und Erfolg gemacht habe.
2020 während Pandemie- und Lockdownzeiten durfte ich noch drei Filme drehen – seit 2021 ist das vorbei, mit einer einzigen Ausnahme für Servus TV.
Es gibt keine Impfpflicht mehr, alles ist wieder zur „Normalität“ zurückgekehrt, meine beruflichen Möglichkeiten allerdings nicht.
Natürlich hab ich in den letzten Jahren versucht ,auf andere Weise Geld zu verdienen, hatte ein paar Jobs, unter anderem auch für Hörfunkaufnahmen (gerne mehr davon)…aber zu wenig ,um davon mit meinen Kindern leben zu können.
Im Moment (schon länger) fehlt mir die Energie, dass aus meinen Ideen Projekte werden, die mein Leben finanzieren.
Ich bin in die Knie gegangen, ich muss mir eingestehen, dass ich Hilfe brauche.
Es fällt mir nicht leicht, um Hilfe zu bitten, mich so zu zeigen. (Es schwingt auch Angst vor bösartigen Reaktionen mit.)
Ich weiß, dass sich mein Blatt wieder wenden wird, dass ich meine Kraft wiedererlangen werde, dass sich neue Projekte ergeben werden. Noch ist es nicht so weit.
2021 als „mein Fall“ publik wurde, hatten mir einige Menschen geschrieben, ich solle um Spenden bitten. Damals lehnte ich das ab ,es war mir zu peinlich, und ich war überzeugt, alles aus eigener Kraft meistern zu können.
Jetzt gestehe ich mir und euch ein, dass ich Hilfe brauche.
Vielleicht können manche von euch mich und meine Kinder durch eine kleine Spende unterstützen, vielleicht auch längerfristig durch ein paar Euro im Monat, bis ich wieder auf den Beinen bin.
Es fällt mir alles andere als leicht, darum zu bitten,aber das Leben hat mich an diesen Punkt geführt.

In Dankbarkeit ❤️🙏🏻❤️,

Eva Herzig

IBAN: AT41 1200 0242 2118 5100

BIC : BKAUATWW

P.S.: Dies ist meine Facebook Seite, es ist kein Fake, ich bitte im Moment wirklich um Hilfe.
Ihr könnt mich aber auch gerne über Messenger kontaktieren.“

Zum Fall der Schauspielerin Eva Herzig, die wegen Verweigerung der COVID – Impfung die Rolle der Chefin der Spurensicherung in der Serie „Steirerkrimi“ verlor, seinerzeit die Berliner Zeitung.

Dazu passend der Redebeitrag der Schauspielerin Philine Conrad auf einer Veranstaltung in Erfurt:

Passt dazu: Das Buch von Marcus Klöckner und Jens Wernicke „Man soll mit dem Finger auf sie zeigen“.

Hier die Website von Eva Herzig.

Beitragsfoto via Wikipedia

Anbei: Eva Herzig im Kontrafunk

https://kontrafunk.radio/de/sendung-nachhoeren/lebenswelten/gesellschaft-3-0/gesellschaft-3-0-filmen-nur-noch-fuer-geimpfte

Florian Warweg, Redakteur der NachDenkSeiten, sprach in Dortmund zum Thema: „Medien: Vierte Gewalt oder Meinungsmacher? Der Auftrag der Medien in der Demokratie und die Realität“

Wenn ich mich auch hier wiederhole – so ist es doch einfach eine Tatsache, die aufmerksamen Rezipienten unserer Print- und Onlinemedien über die letzten Jahre immer wieder aufgestoßen sein dürfte. Der Journalismus – gern immer wieder mit stolz geschwellter Brust als vierte Säule unserer Demokratie gepriesen – ist m. E. auf den Hund gekommen. Klar: Es gibt immer noch gut journalistische Beiträge und Medien. Aber diese vierte Säule trägt meiner Meinung nach längst nicht mehr wie tragen sollte. Und wenn das stimmt, dann müssten wir auch über den Zustand der Demokratie sprechen. Denn: Alles hängt mit allem zusammen.

Am vergangenen Montag hatte die Regionalgruppe von Attac Dortmund eine interessante Veranstaltung außer der Reihe anberaumt. Das Thema: „Medien: Vierte Gewalt oder Meinungsmacher? Der Auftrag der Medien in der Demokratie und die Realität“. Als Referent trat Florian Warweg, Redakteur und vielleicht bald – es steht am 29. Juli noch eine Gerichtsurteil aufgrund einer Klage gegen die als Verein firmierende Bundespressekonferenz an – Parlamentsbericht­erstatter (er war es schon einmal zuvor für RT Deutsch) des reichweitenstärksten linken Alternativ­mediums NachDenkSeiten in Erscheinung. Warweg arbeitete für amerika21, RT Deutsch und war im Nahen Osten und Lateinamerika tätig. Bei den NachDenkSeiten betreut er das Projekt Faktencheck und Faktenchecker. Warweg ist eine ganz beliebte Zielscheibe für Diffamierungen u.a. der Volksverpetzer oder der Süddeutschen Zeitung.

Über die sehr interessante Veranstaltung möchte ich hier Bericht erstatten. Da ich derzeit in meiner zweiten Heimat Izmir weile, konnte ich diese nur per Zoom verfolgen.

Aus der Ankündigung

«Wenn von der „4. Gewalt im Staat“ die Rede ist, sind die Aufgaben der Medien gegenüber staatlichem Han­deln angesprochen: Einerseits sollen Medien über das Handeln des Staates und seiner Institutionen informie­ren. Andererseits sollen sie das staatliche Handeln durch ihre Berichterstattung kontrollieren. Aktuelle Veröffentlichungen – insbesondere zu der Berichter­stattung zum Ukraine-Krieg (s. Literaturangaben)  – sprechen eine andere Sprache.

Die Leitmedien der Bundesrepublik ähneln seit mehre­ren Jahren eher einer Säule der Regierungsmacht und der ihr zuarbeitenden Funktionseliten als einer Säule der Demokratie. Machtstützend statt hinterfragend. Wie konnte es so weit kommen?

Der Referent wird in seinem Vortrag die wichtigsten Ergebnisse präsentieren, analysieren, welche Faktoren zu dieser existenziellen Krise des Journalismus führten und welche Einfluss-, Repres­sions- und Manipulati­onsmechanismen dabei ihre Wirkung entfalten.«

Aktuelle Literatur zum Thema:

Richard David Precht & Harald Welzer: Die vierte Ge­walt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist. S. Fischer, Frankfurt/Main 2022.

Marcus Maurer / Pablo Jost / Jörg Haßler: Die Qualität der Medienberichterstattung über den Ukraine-Krieg. Otto-Brenner-Stiftung, Frankfurt/Main 2023.

Harald Welzer & Leo Keller: Die veröffentlichte Meinung. Eine Inhaltsanalyse der deutschen Medienberichterstattung zum Ukrainekrieg. In: Neue Rundschau 2023/1

Florian Warweg: „Lasst mich meinen Vortrag mit einer Binsenweisheit beginnen: «Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit«

Warweg weiter: „Wenn dem so ist, dann befindet sich Deutschland spätestens seit dem 13. Juni 2022 zumindest im medialen Krieg gegen Russland.“

Warweg machte das an einem Beispiel aus der Tagesschau an diesem Junitag um 20 Uhr einen Beitrag mit Bildern von einem zerstörten Marktplatz in Donezk. Behauptet wurde immer wieder stünden zivile Ziele unter Beschuss der russischen Armee. Es wurde gefordert der Ukraine bitteschön schwere Waffen zukommen zu lassen. Allerdings hatte es sich bei diesem Angriff um einen ukrainischen Angriff gehandelt, wie etwa Reuters gemeldet hatte. Die Tagesschau habe den Bericht mit voller Absicht „umgeframt“. Diese Meldung sei bis heute nicht richtiggestellt worden, in dem Sinne, dass die ukrainische Armee als Täter genannt wurde. Es sei nach heftiger Zuschauerkritik lediglich eine redaktionelle Anmerkung eingefügt worden, dass es nicht vollständig erwiesen sei, dass es sich um einen russischen Angriff gehandelt habe. Diese Vorgehensweise sei in der deutschen Ukraine-Kriegsberichterstattung durchaus kein Einzelfall.

So sehe es auch im Fall des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja, welches im von Russland kontrollierten Teil der Südukraine liegt, aus.

Sollte es wirklich so sein, dass Russland das unter seiner Kontrolle stehende AkW beschießt? Moskau und Kiew beschuldigten sich immer gegenseitig des Beschusses. Es werde zwar letztlich offengelassen, wer da schieße, ließe jedoch letztlich den Eindruck entstehen, die Russen seien es.

Warweg: „Sagen, was ist – wenn es nicht die eigene Haltung bestätigt – hat schon längst in den meisten Redaktionsstuben der Republik ausgedient.“

Warweg verwies auf ein Konzept des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, das immer wieder Verwendung finde. „Doxa (altgriechisch δόξα dóxa ‚Meinung‘) beschreibt ein Konzept des französischen Soziologen Pierre Bourdieu. Doxa bezeichnet alle Überzeugungen und Meinungen, die von einer Gesellschaft unhinterfragt als wirklich oder wahr angenommen werden.“ (Quelle: Wikipedia)

In fast allen Redaktionen herrsche die Doxa. Was da nicht hineinpasse müsse halt entsprechend umgeframt werden.

Ähnlich verfahre man betreffs der Zerstörung des Staudamms in der Oblast Cherson.

Beispiele, warum das und wie diese Praxis funktioniere führte Florian Warweg an. Etwa das Buch von Michael Meyen „Die Propagandamatrix“. Es seien dort genannt: 1. Die herrschende Ideologie, 2. Die Medialisierung, 3. Die Medienorganisation und 4. Das journalistische Feld.

Am zielführensten als Erklärung von medialen Verfahrensweisen aber findet Warweg das 1988 von Noam Chomsky und Edward S. Herman veröffentlichte Buch „Manufacturing Consent“. Auf Deutsch als „Konsensfabrik“ übersetzt.

Einschub meinerseits:

Erstmals auf Deutsch: Der Klassiker zur massenmedialen Meinungsmache

Mit „Manufacturing Consent“ legten Edward S. Herman und Noam Chomsky im Jahr 1988 ein umfassendes Werk zur Funktionsweise der Massenmedien in kapitalistischen Demokratien vor, das heute als eine der meistgelesenen Studien zum Thema gilt. Fein und detailliert zeigen die Autoren, wie die Medien einen gesellschaftlichen Konsens herstellen, der den herrschenden wirtschaftlichen und politischen Interessen folgt. Diese Einflussnahme erfolgt aber nicht durch dunkle, verschwörerische Mächte im Hintergrund, sondern durch die ökonomischen Bedingungen der Medienlandschaft, die Chomsky und Herman analysieren und dabei Themen in den Blick nehmen wie: Eigentumsverhältnisse, Anzeigengeschäft, Quellenabhängigkeit, die Grenzen des Sagbaren und politische Einflussnahme sowie implizite gesellschaftliche Ideologien. Sie zeigen auf, wie Fragen formuliert und Themen ausgewählt werden, und machen die Doppelmoral sichtbar, die der Darstellung freier Wahlen, einer freien Presse und staatlicher Unterdrückung zugrunde liegt.
Mit „Die Konsensfabrik“ liegt der Klassiker von Chomsky und Herman erstmals auf Deutsch vor und hat nichts von seiner Aktualität verloren. « Quelle: Westend Verlag

Das Buch wird unter dem Titel „Die Konsensfabrik“ am 11.9.2023 im Westend Verlag erscheinen. Ich werde es dann hier rezensieren.

Eine handvoll von Konzernen und Verlagen beherrscht in Deutschland Presse und Newsmarkt

Der Referent wies daraufhin, dass in Deutschland etwas mehr als eine handvoll von Konzernen und Verlagen ein Großteil der privaten Presse und auch des Newsmarktes beherrsche. Axel Springer, Bauer Media Group, dann kommt Bertelsmann, Holzbrink Verlags Gruppe, Madsack Mediengruppe (wo die SPD mit der Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg)  mit 23 Prozent den größten Anteil hält) und Burda Media sowie die Funke-Medien-Gruppe. Diese sieben Konzerne dominierten nicht nur den Markt, sondern auch die journalistische Ausbildung in Deutschland. Aus dieser Art der Ausbildungsrealität gehe eine enorme Filterwirkung aus, so Warweg.

Journalisten neben Medizinern und Anwälten seien die Berufsgruppen, die sich am stärksten von Generation zu Generation weitergebe.

Warweg sprach auch das entsprechende Wahlverhalten von Journalisten an. In der Mehrzahl wählten sie die Grünen. Wie Umfragen ergaben. So tönten und agierten sie halt auch.

Werbeineinnahmen seien immer mehr gesunken, was zu einer größeren Abhängigkeit von den verbliebenen Werbepartnern führe. Und damit auch zu einem mutmaßlichen Anstieg der inneren Zensurschere. Auch eine Zunahme von staatlicher Querfinanzierung führe zu ähnlichen Konsequenzen. Einflussnahmen seitens der Politik fänden allenfalls subtil statt.

Warweg meinte es gebe auch so gut wie keine Journalisten mit gebrochenen Biografien mehr. Er führte als Beispiel etwa den großen Peter Scholl-Latour an. Der hätte wohl heute keine Chance mehr.

Der Einfluss der Nachrichtenagenturen

Der Referent beleuchtete auch die zentrale Rolle von Nachrichtenagenturen. Das zeige sich in der zunehmenden Übernahme von Texten der Agenturen seitens der Medien. Allenfalls würden sie einfach nur etwas umgeschrieben und passend gemacht. Oft gebe es eine hundertprozentige Übernahme von DPA-Artikeln. Die Deutsche Presse Agentur (DPA) habe ein De-facto-Monopol. Oft hätten dadurch viele Presseorgane fast oder völlig wortgleiche Überschriften.

„Was bedeutet eine freie Presse wenn sie in den Händen der Herrschenden bleibt“

Den interessanten Vortrag schloss Warweg mit einem Zitat legendären Generalsekretärs der französischen Gewerkschaften

Vor ziemlich genau hundert Jahren im Juli 1913 nach einer Schmutzkampagne aller Pariser Tageszeitungen gegen die Gewerkschaftsorganisation einer umfassenden Streikbewegung sagte der legendäre Generalsekretär der französischen Gewerkschaft CGT Léon Jouhaux: „Was bedeutet eine freie Presse wenn sie in den Händen der Herrschenden bleibt.“ Mit diesem Zitat schloss Warweg und merkte an: „Und genau diese Frage müssen wir uns heute wohl genauso stellen. Gerade mit Sicht auf die extrem einseitige und fast immer die existierenden Hegemonialverhältnisse stützende Berichterstattung in diesem Land.

Ein hervorragender Vortrag und eine interessante Fragerunde

Ein hervorragender Vortrag, den Florian Warweg zugunsten von Diskussion und Austausch mit dem Publikum absichtlich kurz gehalten hatte.

Florian Warweg versprach Attac Dortmund den Vortrag schriftlich zur Verfügung zu stellen. Und Attac versprach, diesen dann auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Sobald das geschehen ist werde ich den Vortrag hier verlinken.

Es folgte eine interessante Runde mit klugen Fragen, Ergänzungen und Stellungnahmen aus dem Publikum.

Es ging z.B. um die Frage, inwiefern Geheimdienste Einfluss auf Journalisten nähmen. Ein Herr führte als Beispiel ein Interview mit dem inzwischen verstorbenen FAZ-Journalisten Udo Ulfkotte („Gekaufte Journalisten: Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken“) an, der dergleichen geäußert hätte. BND-Leute seien damals mehrmals in sein Büro gekommen und hätten einen bestimmten Text von ihm verlangt und gewartet bis er von Ulfkotte in den Computer getippt worden war. Florian Warweg hatte freilich darüber keinerlei Kenntnis, hielt aber das, was Ulfkotte einst geäußert hatte, durchaus für möglich, dass es ihm so geschehen sei.

Die Moderatorin stellte am Ende fest, der Referent sei ja „ordentlich ausgesaugt worden“. Wahrlich! Mit hohem Gewinn für das im Saal befindliche sowie das via Zoom zugeschaltete Publikum.

Es bleibt dabei: Der Journalismus hierzulande ist auf den Hund gekommen. Es kommt darauf an, ihn wieder zur Vierten Gewalt zu machen. Gefragt sind hauptsächlich die Rezipienten. Also wir. Widerspruch von dieser Seite, so Warweg, fruchte manchmal durchaus. Man muss allerdings auch die Altersstrukturen der Rezipienten beachten. Junge Leute läsen oft gar keine Zeitungen mehr. Oder seien gar nicht mehr in der Lage Informationen zu lesen, die länger als 1 Minute 50 (auf Tiktok) seien. Es gibt als viel zu tun.

Hier finden Sie den gestern in Dortmund gehaltenen Vortrag auf den NachDenkSeiten veröffentlicht.

„Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ von Dirk Oschmann. Rezension

Über dreißig Jahre nun liegt die Wiedervereinigung der beiden Deutschlands zurück. Dennoch existiert noch immer ein mehr oder weniger tiefer Graben, der Ost- und Westteil trennt.

Die Überstülpung des BRD-Systems auf die DDR war nicht von Pappe

Über vergossene Milch zu räsonieren bringt freilich nichts. Dennoch: Vielleicht war die Vereinigung beider deutscher Staaten 1990, so wie sie erfolgte, doch nicht der richtige Weg. Schließlich erfolgte ja der Beitritt der DDR nach Artikel 23 des westdeutschen Grundgesetzes. Das bedeutete von jetzt auf gleich ein Überstülpen aller Regeln und Vorgaben und Gesetze der alten Bundesrepublik auf die DDR. Was nicht von Pappe ist!

Irgendwer stellte einmal die freilich hypothetische Feststellung auf, wonach, wäre das umgekehrt der BRD statt der DDR geschehen von den Westdeutschen nicht verkraftet worden wäre. Aber den DDR-Bürgern verlangte man das Verkraften dieses Umrubelns mit der Abrissbirne wie selbstverständlich ab. Herrschte doch bei den Westdeutschen ganz selbstverständlich die Überzeugung vor (die man eben deshalb auch nicht gedachte hinterfragen zu müssen) stets auf der richtigen Seite gestanden – das „richtige“ Deutschland gewesen zu sein. Also nicht der Teil sein konnte, welcher sich zu ändern hatte. Punktum. Und so ging manch Westdeutscher auch später verbal mit Ostdeutschen um, sobald der großen Freudentaumel nach dem Fall der Mauer abgeklungen war.

Einschub:

Ich selbst war zu dieser Zeit bereits im September 1989 über Ungarn und Österreich in die BRD rübergemacht und erlebte Wende und Beitritt bereits im Westteil, wo man mich gewiss auch voll echter Freude herzlich als „Neudeutschen“ oder „Neubürger“ begrüßte, mich herzend und umarmend und mir auch schon einmal einen ausgab. Schließlich war ich ja dem bösen sozialistischen System entronnen und nun im „freien Westen“.

Wie die Meinung der Ostdeutschen geschickt gedreht wurde

Den zurückgebliebenen (sic!) DDR-Bürgern aber wurde die Westüberstülpung 1990 ohne mit der Wimper zu zucken zugemutet. Hatten die das nicht selbst gewollt, die Ossis? Als sie riefen: „Kommt die D-Mark nicht zu uns, kommen wir zu ihr“ und dergleichen mehr. Wir wissen heute etwa von Daniela Dahn, die das in ihren Büchern (u.a. in Tamtam und Tabu“ zusammen mit Rainer Mausfeld), gut recherchiert und herausgearbeitet hat: Die westdeutschen Eliten zusammen mit der Presse haben an den bei betreffs der von den Ostdeutschen verwendeten Slogans so gedreht, dass sie ins „richtige“ Bild passten. Beispielsweise war die Hindrehung des Slogans „Wir sind das Volk“ plötzlich wie durch „Zufall“ in „Wir sind ein Volk“ erfolgt. Dementsprechende Schilder und Transparente waren dann bei Nacht und Nebel aus dem Westen herangekarrt worden.

Dirk Oschmanns Buch ist eine wichtige Schrift

Dirk Oschmann, Literaturwissenschaftler, Professor in Leipzig, geboren in Thüringen, hat mit seinem Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ eine wichtige Schrift vorgelegt. Der Anstoß das Buch zu schreiben folgte einem Ruf an Oschmann, welcher nach seinem Beitrag mit selbigen Thema, welcher in der FAZ erschienen und stark beachtet worden war. Darin wird nichts neu erfunden. Wohl aber Vieles genauer gewichtet und uns der Blick für das Wesentliche geschärft. Geschrieben aus der Sicht eines Ostdeutschen, der es sozusagen auch in den Westen geschafft hat und sogar Professor wurde. Was nicht wenig ist.

So, hat Oschmann herausgefunden, wie es nämlich um die Vertretung und Beteiligung Ostdeutscher in Führungspositionen im vereinigten Deutschland bestellt ist:

„Ob das die Wissenschaft ist, die Wirtschaft, die Medien, da liegen die Prozentzahlen ja nicht bei 18 oder 19%, wie es dem Bevölkerungsanteil entsprechen würde, sondern sie liegen bei 2 bis 4% maximal. Im Militär liegen sie bei 0,0 Prozent. Da gibt es überhaupt keine Ostdeutschen in irgendwelchen Spitzenpositionen bei der Bundeswehr. Und das teilt sich natürlich der Gesamtgesellschaft mit als etwas, was bedeutet, dass man hier nicht mitmachen können soll.“

Es gibt einen bestimmten materiellen Wohlstand. Aber es gibt natürlich trotzdem ein scharfes Bewusstsein dafür, als Ostdeutscher nicht wirklich Teil dieser Mitgestaltung der Wirklichkeit zu sein in der Demokratie.“

Des Weiteren verweist Oschmann auf den immer noch bis zu 20 % bestehenden Lohnunterschied zwischen Ost und West ins Feld und auf die Tatsache, dass ostdeutsche Führungskräfte beispielsweise viel stärker in der Minderheit als Frauen seien.

Als die mit „Buschzulage“ versehenen Westler in den Osten kamen

Sicher bestand nach dem Anschluss eine gewisse Notwendigkeit Westbeamte in den Ostteil zu schicken. Um die Kollegen im Osten mit der westdeutschen Bürokratie vertraut zu machen. So hielten also Beamte und Verwaltungsangestellte aus Westdeutschland Einzug in ostdeutschen Verwaltungen und Einrichtungen. Um das den Westdeutschen schmackhaft zu machen zahlten man ihnen zum Gehalt einen Zustupf. Genannt „Buschzulage“. Mir wurde erst jetzt deutlich woher dieser Begriff herrührte:

«Ursprünglich war „Buschzulage“ eine redensartliche Wortschöpfung für die Zulage der kaiserlich-deutschen Beamten, die in die Kolonialländer Afrikas entsandt wurden – analog zu Wortbildungen wie Buschmann oder Buschmesser.[1][2]« (Quelle: Wikipedia)

Wie musste diese Bezeichnung auf die einstigen DDR-Bürger wirken – doch gewiss abwertend.

Und die Führungskräfte – wohl bemerkt nicht alle – die dann mit Buschzulage ausgestattet in den Osten kamen, waren nicht immer die Besten. In manchen Fällen handelt sich um die dritte oder vierte Garnitur. Ihnen fehlte es manchmal nicht nur an der entsprechenden Qualifikation sondern vor allem auch an Aufstiegsmöglichkeiten in Westdeutschland. Da kam eine winkende Stelle im Osten samt Aufstieg durchaus wie gerufen.

So geschehen auch im universitären Bereich. So gut wie jeder DDR-Professor wurde einer Evaluation unterzogen. Und wurde SED-Mitgliedschaft oder zu viel Nähe zur Partei festgestellt oder gar eine wie auch immer geartete Stasi-Verstrickung ruchbar, war der Lehrstuhl futsch. Frei für Nachrücker aus dem Westen. So manch Betroffener suchte den Freitod.

Oft hörte man auch aus Mündern von Westdeutschen Ungeheuerliches. Was sie sich entweder selbst so zusammengereimt hatten oder aus bestimmten Medien (vielleicht via Bildzeitung) verinnerlicht hatten. Die Ostdeutschen müssten erst einmal arbeiten lernen. Es hätte noch gefehlt, dass man ausgesprochen hätte, ihnen müsse erst einmal das Essen mit Messer und Gabel beigebracht werden.

Dirk Oschmann:

„Ich habe das Gefühl, dass sich die Zuschreibungen plötzlich zunehmend als normal anfühlen, dass der Osten eben zurückgeblieben ist, dass er unterentwickelt ist in allen möglichen Hinsichten, dass er sich vielleicht verhaltensauffällig zeigt, dass er sich pathologisch verhält, dass er Dinge anders versteht oder gar nicht versteht. Und das hat sich doch in einer Weise schematisiert, die das fast als zweite Natur erscheinen lässt.“

Und erst recht seit dem Erscheinen von Pegida in Sachsen und dann dem Aufkommen der AfD, war ausgemacht, dass der Ossi irgendwie dumpfbackig, rechts, ausländerfeindlich und eigentlich auch Nazi ist. Sigmar Gabriel schmetterte ihnen bei einem Besuch im Osten schon einmal verächtlich zu: Pack!

Alle Ostler wurden sächsisch gemacht

Nicht zuletzt, schreibt Oschmann, dass der in den Ohren vieler Westdeutscher fürchterlich tönende sächsische Dialekt dazu beitrage, dass da ein kaum wegzuwischendes schräges Bild vom Ostdeutschen entstehe. Was nicht zuletzt auch mit den Tonaufnahmen des mit Fistelstimme sächselnden einstigen DDR-Staatsratsvorsitzen Walter Ubricht zu tun haben könnte. Dabei werde nicht selten der ganze Osten als generell sächsisch abgestempelt. Dass es da auch andere Regionen und andere Dialekte gibt, wird schlicht missachtet, nicht wahrgenommen. Heute führt das nicht selten dazu, dass Ostdeutsche ihren Kindern versuchen etwa das Sächsische auszutreiben. Ihnen einschärfen, bloß nicht Dialekt zu sprechen – schon gar nicht bei einem Bewerbungs- oder Einstellungsgespräch.

Oschmann:

„Es geht nicht um den konkreten historischen, geografischen Osten mit den Millionen verschiedenen Menschen und verschiedenen Lebensentwürfen, sondern es geht darum, wie der Westen den Osten als monolithischen diskursiven Block zurichtet, von dem er schon immer meint zu wissen, was da vor sich geht. Die Leute werden ja überhaupt nicht mehr in ihrer differenzierten Individualität wahrgenommen, sondern, sie werden wahrgenommen als Ostdeutsche. Und dieser ganze semantische Raum, der mit Ost anfängt, ostdeutsch, Ossi, Osten und so weiter. Dieser ganze semantische Raum ist verseucht. Das ist im Grunde nicht mehr zu gebrauchen.“

Oschmann verwies in diesem Zusammenhang einmal auf die Spiegelausgabe vom August 2019. Vor den Wahlen in Brandenburg und Sachsen und 30 Jahre nach der friedlichen Revolution titelt das Magazin bescheidwisserisch: „So isser, der Ossi“.
 
Oschmann sieht darin das Indiz für eine westdeutsch dominierte Perspektive und, auf eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung verweisend, die Wahrnehmung des Ostens überwiegend als Abweichung von der westdeutschen Norm.

Paranthese:

Dominiert und definiert wird das Narrativ über die DDR, über den Osten und die Menschen dort vom Westen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Und es hält sich noch bestens konserviert Jahrzehnte nach dem Anschluss der DDR an die BRD. Ich selbst – schon im Westen lebend – musste mir von Westdeutschen oft anhören wie ich in der DDR gelebt hatte. Und dass, obwohl ich die DDR und das Leben dort nie als rosarot beschrieben und das Falsche dort benannt habe. Man beschied mir trotzdem: So und so war das doch bei euch. Eigentlich bin ich geduldig wie ein Schaf. Bis mir dann gegenüber einem so tönenden Kollegen einmal der Kragen geplatzt war. Was dann gesessen hatte. Der Kollege hielt sich von da an entsprechend zurück. Aber dachte vielleicht weiter so?

Das Leben der Ostdeutschen wurde entwertet

Wie schmerzlich musste dergleichen erst meine einstigen DDR-Mitbürger tief in der Magengrube treffen. Denn ihnen wurde ja sozusagen ein bitteres Zeugnis ausgestellt: Dein Leben war doch im Grunde nichts wert. Und das, obwohl die Leute in der DDR auch Spaß hatten, lebten und liebten und gar nicht so selten mit ihrem Betrieb verwachsen waren!

Nun ja, Dirk Oschmann schreibt nebenbei bemerkt auch vom Unrechtsstaat DDR. Da würde ich ihm Gregor Gysi andere Einschätzung entgegenhalten: „Die DDR war kein Unrechtsstaat“ (Quelle: Stern), aber in der DDR habe es auch Unrecht gegeben. Was stimmt.

Ein Leben in der DDR sollte nun nichts und erst rechts nichts wert gewesen sein? Manch einer war dann schnell mit dem Adorno-Satz „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ zur Stelle.

„Bei diesem Satz handelt es sich um eine Sentenz des deutschen Philosophen Theodor W. Adorno aus dessen Minima Moralia. Das geflügelte Wort gilt heute als sein berühmtester Satz, als sprichwörtlich gewordene Wendung.“ (Quelle: Wikipedia)

Der einstige Justizminister Klaus Kinkel hatte sogar die „Delegitimierung“ der DDR gefordert, angewiesen!

Dirk Oschmann hat ein wirklich wichtiges Buch geschrieben. Es sollte viele Leser – vor allem auch im Westen der Bundesrepublik – finden.

Der Leipziger Literaturprofessor schreibt von den frustriert Zufriedenen. Dirk Oschmanns Befürchtung ist, dass deren Unmut sich zunehmend ins Undemokratische auslagert.

Meine persönliche Beobachtung ist, dass die Demokratie ohnehin in Gesamtdeutschland bedenklich angeschlagen ist. Und die derzeit am Ruder stehende Bundesregierung gefährdet unsere Demokratie – ja sogar den Frieden – noch zusätzlich. Eine Feststellung, die uns alle dringend alarmieren sollte!

»Der Osten hat keine Zukunft, solange er nur als Herkunft begriffen wird«, lesen wir und sollten das unbedingt verinnerlichen.

Der Schriftsteller Ingo Schulze befindet: »Wer über den Beitritt und die Folgen sprechen will, wird um dieses Buch nicht herumkommen.«

Dirk Oschmann hat mit angesammelter, verständlicher Wut und bei blitzscharfem Verstand ein Buch geschrieben, auf das wir lange gewartet haben. Viel zu lange …

Der Ullstein Verlag zum Buch:

«Was bedeutet es, eine Ost-Identität auferlegt zu bekommen? Eine Identität, die für die wachsende gesellschaftliche Spaltung verantwortlich gemacht wird? Der Attribute wie Populismus, mangelndes Demokratieverständnis, Rassismus, Verschwörungsmythen und Armut zugeschrieben werden? Dirk Oschmann zeigt in seinem augenöffnenden Buch, dass der Westen sich über dreißig Jahre nach dem Mauerfall noch immer als Norm definiert und den Osten als Abweichung. Unsere Medien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden von westdeutschen Perspektiven dominiert. Pointiert durchleuchtet Oschmann, wie dieses Othering unserer Gesellschaft schadet, und initiiert damit eine überfällige Debatte.«

„Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung

Verlag: Ullstein

ISBN: 9788437201

Erscheinungstag: 23.02.2023

224 Seiten

Preise: D: 19,90 €/ E-Book: 16,99 €, A: 20,60 €

Dirk Oschmann, Literaturwissenschaftler, Uni Leipzig

Oschmann kommt aus dem thüringischen Gotha. Er hat Germanistik und Amerikanistik in Jena und New York studiert und ist einer der wenigen Ostdeutschen, die eine Professur haben. Üblicherweise beschäftigt er sich mit Benjamin und Kafka. Doch jetzt hat er eine Art Zornesausbruch geschrieben, einen Erfahrungsbericht mit dem pointierten Titel: „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“.

Sisyphos lässt grüßen. Die Leiden der Linken und das Leiden an der LINKEN. Von Ekkehard Lieberam. Rezension

Die Gründung der Partei DIE LINKE 2007 ließ Hoffnung aufflammen. Das war auch einmal bei der PDS nach einer längeren Durststrecke der Fall gewesen. Zuletzt aber war die PDS jedoch – wie soll man sagen nach einigen Erfolgen aus vielerlei Gründen: abgesandelt. Dann taten sich in der neu gegründeten DIE LINKE engagierte Linke aus PDS, SPD und den Gewerkschaften, vereint und entschlossen gegen die Agenda 2010 zusammen, um den «Stein« einer kämpferischen linken Partei – dabei gegen den Sozialabbau der Schröder-Fischer-Regierung anrennend – den Berg hinan zu rollen. Unterdessen rollt er längst wieder nach unten.

Ekkehard Lieberam hat „Das Leiden der Linken und Leiden an der LINKEN akribisch über viele Jahre verfolgt und akribisch analysiert

Zur anschaulichen Verdeutlichung hat Ekkehard Lieberam, angelehnt an die Legende vom altgriechischen tragischen Helden Sisyphos, für seine Broschüre den Titel „Sisyphos lässt grüßen“ gewählt. Darin er „Das Leiden der Linken und das Leiden an der LINKEN“ akribisch analysiert hat. Lieberam will uns die Analogie aufzeigen „zwischen der Geschichte linker Parteien im kapitalistischen Deutschland und der Legende vom altgriechischen tragischen Helden Sisyphus“. Lieberam: „Sisyphos befördert einen großen Stein den Berg hinauf. Der Stein rollte zurück. Er rollt ihn wieder den Berg hinauf. Und wieder rollt er zurück. Ähnliches geschieht im Parteien- und Parlamentssystem mit linken systemoppositionellen Parteien.“

Abschreckendes Beispiel: Die Grünen

Was nichts Neues ist. Auch in Zeiten der BRD nicht. Wir hatten Zeit das an den Grünen zu studieren. Wobei unterdessen die Frage aufscheint, ob diese Partei überhaupt jemals links gewesen war. Immerhin mischte sie, wie es auch in der Broschüre heißt, seinerzeit das politische System Westdeutschland gehörig auf. Was den Altparteien, die ja trotzdem sie – deutlich unterschiedliche Interesse und Wähler mehr oder weniger gut vertraten als das heute in der parteipolitisch-ideologischen Einheitssoße der Fall ist – ansonsten jedoch in einem gewissen gesellschaftlichen Konsens agierten, ganz und gar nicht schmeckte.

Was letztlich dazu führte, dass die Grünen vom System „rundgelutscht“ (wie es ein Dortmunder Professor einmal auf einem Friedensratschlag in Kassel nannte) wurden. Die Grünen selbst zudem gingen daran, einen „Marsch durch die Institutionen“ anzutreten“.

Eine „1967 von Rudi Dutschke artikulierte Methode , die eine langfristige politisch-strategische Perspektive der damals noch hauptsächlich studentisch geprägten Protestbewegung in einem inhaltlich linkssozialistisch gemeinten Sinn, den später ideologisch zunehmend heterogenen Konzepten der sogenannten Neuen Linken folgend, anmahnte“. (Quelle: Wikipedia)

Der von den Grünen gegangene Weg im weiterem Verlauf dürfte allerdings wohl kaum den Beifall von Rudi Dutschke gefunden haben. Denn dieser Weg war ein gefährlicher Holzweg, den die Grünen beschritten und der sie von Joschka Fischer angeführt (doppeldeutig) in den Jugoslawien-Krieg und abermaligen Bombardierung Belgrads durch eine deutsche Armee und zu Olivgrünen mutieren ließ.

Und mit Regierungsämtern und Staatssekretärposten mit (ver)lockendem Salär lässt sich manche/r still stellen.

Wer diese verhängnisvolle Entwicklung der Grünen verfolgt hat, mussten ob des Weges der Partei DIE LINKE eigentlich etliche rote Alarmlampen aufgeleuchtet haben.

Wollte man das diese nicht sehen? DIE LINKE hat inzwischen längst gewisse Programmierungen aus der Zeit ihrer Gründung 2007 sowie beim Erfurter Parteitag 2011 aufgegeben. Bemäntelt wurde das so: „Seitdem hat sich die Welt weitergedreht.“

Ekkehard Lieberam hat diese Entwicklung genau verfolgt und einige Schriften dazu verfasst. Aus ihnen ist zu erfahren warum DIE LINKE gewisse Drehungen vollzogen hat.

Man lutschte sich quasi selbst rund und zurecht, um besser dem parlamentarischen Politikbetrieb zu entsprechen. Die Medien lutschten wieder fleißig mit – wie weiland bei den Grünen.

Man machte Anstalten sich der NATO-Politik anzunähern. „Selbst die NATO-Mitgliedschaft sollte hingenommen werden, wenn irgend wann damit eine Regierungsbeteiligung im Bund erreicht werden kann (so ihr Bundestags-Fraktionschef Dietmar Bartsch Ende 2019).“ Auch gegenüber Russland und China verhärtete sich DIE LINKE. Erst recht nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine.

Erschreckend, ist ebenfalls, was Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen kürzlich in einem FAZ-Interview äußerte: „Putin hat vollzogen, was Hitler nicht geschafft hat.“ Der Westexport der Linkspartei, der sich auch als Christ begreift. Ein Linker? Der Ramelow-Sager geschah allerdings erst in diesem Jahr, somit erst nach dem Erscheinen der zweiten Auflage dieser Lieberam-Schrift.

Akute Existenzkrise der Partei

Grund für deren Erscheinen sind die bedenklichen „Entwicklungen der Linkspartei im Zeichen der Anpassung an die Außenpolitik der Ampel und einer akuten Existenzkrise der Partei“, wie es eingangs der zweiten Auflage heißt.

Nicht zu vernachlässigen ist dieser Aspekt ist: „Wichtig für das Voranschreiten der Anpassung in der LINKEN war die Ausschaltung von Sahra Wagenknecht als Franktionsvorsitzende im Bundestag nach zwei Jahren Mobbing.“ (S.39)

Es ist die Rede von einer Kluft zwischen einer Tagespolitik, die sich aufs Mitregieren orientiert und sich dabei immer mehr der der regierenden Parteien im Bund annähert, und einer Programmatik, die die Partei als kämpferische systemoppositionelle Partei der Lohnabhängigen und aller Prekarisierten gegen das Kapital versteht, tritt diese Krise allerdings schon seit einiger Zeit in Erscheinung. Zu bewältigen ist sie nunmehr nicht mehr.“

Und weiter: „Mit der Bundestagswahl 2021, dem Erfurter Parteitag im Juni 2022 und der anhaltenden Zereißprobe um die Bundestagsrede von Sahra Wagenknecht am 8. September 2022 ist ein «point of no return« überschritten. Die entgegen gesetzten Positionen zum Sanktionswahnsinn gegenüber Russland, zu den Waffenlieferungen an die Ukraine und überhaupt zur NATO unter Funktionsträgern und in der Mitgliedschaft sind unvereinbar geworden. Die Fähigkeit der Parteiführung zur Erneuerung ist dahin.“

Als sich die Delegierten anlässlich des 8.Parteitags der am 16.Juni 2007 gegründeten Linkspartei vom 24. bis 26. Juni 2022 versammelt hatten, wollte Festredner Gregor Gysi ein «rechter Glückwunsch« zum Geburtstag nicht einfallen. Im Gegenteil: Er sah die Partei in einer «existentiellen Krise«. „Es gehe um «Rettung oder «Versinken in der Bedeutungslosigkeit«.

Rechtsruck in der Partei

Als beängstigend empfindet Ekkehard Lieberam in der Broschüre (S.7), „dass der Parteitag den NATO-Freunden in der Linkspartei einen legitimen Platz in der Partei eingeräumt hat“. Kritik an USA, NATO sowie an der Sanktionspolitik gegenüber Russland und an den Waffenlieferungen an die Ukraine sei weiter abgeschwächt worden.

Es habe ein Rechtsruck stattgefunden: „Der rechte Flügel (um Bodo Ramelow, Benjamin Hoff, Katina Schubert und Wulf Gallert) meldete sich deutlicher als je zuvor zu Wort und er verstärkte seinen Einfluss auf den Kurs der Partei.“

Nach Wolfgang Abendroth entsteht mit dem politischen Erfolg der Partei in ihr eine «Sozialschicht« von «Berufspolitikern und Parteiangestellten«

Lieberam nach ist bei der Linkspartei nur das zu beobachten, „was zögerlich mit der SPD und dann zielstrebig unter den Bedingungen des Parteienstaates mit der PDS geschehen war: einem erfolgreichen Anlauf folgt eine existentielle Krise, die ihre wichtigste Ursache in einer Abkehr vom ursprünglichen politischen Kurs der Partei hat“.

Betreffs der Ursache verweist Ekkehard Lieberam in seiner Schrift mehrfach auf Wolfgang Abendroth, der das in der von ihm verfassten Geschichte der deutschen Sozialdemokratie aufgedeckt habe. Demnach entstehe mit dem politischen Erfolg der Partei in ihr eine «Sozialschicht« von «Berufspolitikern und Parteiangestellten«. Diese entwickle eigene Interessen, welche sich grundlegend von denen der Lohnarbeiter unterscheiden. Sie sei «Träger er Integrationsideologie« und beeinflusse in diesem Sinne ihre Mitglieder und bestimme immer mehr das politische Verhalten der Partei. Die Partei entwickle sich von einer Oppositionspartei zu einer Staatspartei. Lieberam: „Unweigerlich gerät sie in Konflikt mit ihren Wählern und vielen Parteiaktivisten.“

Im Kapitel „Der Thüringer Rechtsaußen-Putsch“ (S.23) lässt Lieberam abermals Wolfgang Abendroth mit drei interessanten Phänomenen zu Wort kommen (aus dem Interview «Ein Leben in der Arbeiterbewegung«):

« Neben denjenigen in der Partei, die für die Politik leben, treten diejenigen, die von der Partei leben. Das sind Tausende. Der Ausbau des Parteienstaates und die fortwährende Erhöhung, der finanziellen Mittel, die aus der Staatskasse in die Kassen der Partei fließen, erweitern und festigen diese Sozialschicht.

« Politische Intelligenz ist von den Vertretern dieser Sozialschicht, die Träger der Integrationsideologie und -praxis sind, nicht zu erwarten.

« Der Gegensatz zwischen den Interessen der Lohnarbeiter und den Kapitalinteressen bleibt in der SPD virulent, auch wenn sie zur systemkonformen Parteien geworden sind. Ihre Existenz als Partei hängt davon ab, dass ihre Selbstdarstellung als Vertreterin der Lohnabhängigen eine gewisse Glaubwürdigkeit behält.

Haben wir dies verinnerlicht, sollten wir uns Folgendes sozusagen auf der Zunge zergehen lassen:

Der Autor schreibt (S.38): „Die Linkspartei ist noch mehr als die PDS das Sprungbrett für eine berufliche Karriere:

„Etwa 2300 Abgeordnete, Partei,- Parlaments- und Stiftungsmitarbeiter leben heute von der Partei. Dazu kommen noch einige hundert, die als Beamte ihre Anstellung im Staat der Partei verdanken (Parteienstaat). Von den 44 Mitgliedern im Parteivorstand sind gut 70 Prozent Berufspolitiker; auf dem Leipziger Parteitag im Juni 2018 waren es 40 Prozent der Delegierten.“

Dazu kommen noch staatliche Zuwendungen an Mitteln für Wahlen.

Ist der neue Anlauf zu einer sozialistische Partei sinnvoll?

Der Autor betrachtet den neuen Anlauf zu einer sozialistischen Partei mit Massenanhang nur dann als sinnvoll, wenn diese ein Parteienkonzept vorsieht, das dem Integrationsdruck des parlamentarischen Systems zu widerstehen vermag. Er gibt zu bedenken: „Ohne eine marxistisch orientierte Programmatik und Politik wird das nichts.“ (S.13)

Wie aber eine Herausbildung einer «Sozialschicht« von Berufspolitiker zu verhindern wäre („wie die Begrenzung von Gehältern auf das Maß eines Facharbeiters“), schreibt der Autor nicht. Regeln sind gut und schön. Aber man kann sie halt brechen, gebe ich hier zu bedenken, wenn die Welt sich mal wieder weiterdreht.

Allerdings empfiehlt Lieberam Erfahrungen der Partei von der Arbeit in Belgien und der KPÖ in Graz (Österreich) daraufhin genauer auszuwerten.

Ob ein neuer Anlauf – anhand der wenig Hoffnung machenden – bisherigen Bemühungen und Drehungen der Linkspartei und mit (Rück-)Blick auf den schlimmen Holzweg der Grünen überhaupt lohnenswert bzw. zielführend ist betreffs einer Verwirklichung linker Politik ist bleibt äußerst fraglich.

Friedrich Wolff 2020: «Aber sind wir noch eine sozialistische Partei?

Schon 2020, lesen wir in dem Heft, habe Friedrich Wolff in der gesellschaftlichen Debatte der Linken angemerkt: «Aber sind wir noch eine sozialistische Partei? Nach unserem Programm sind wir das, unserer Tagespolitik merkt man es jedoch nicht an. Das ist unser Problem. Der Wähler erkennt unseren sozialistischen Charakter nicht mehr. Wir haben ihn versteckt. Das führt auf die Dauer zu unserem Untergang.« (S.26)

Wir schreiben unterdessen das Jahr 2023. Ist der sozialistische Charakter wieder aus dem Versteck heraus geholt worden?

Grund für Optimismus sieht Ekkehard Lieberam indes nicht.

Und dass, obwohl der globale Kapitalismus einer sich verschärfenden Krise der Kapitalverwertung gegenübersieht, der den globalen Kapitalismus in eine multiple politische Krise stürtzte. Weder hätten linke Politik noch linke Parteien davon profitieren können.

Außer die belgische Partei van der Arbeit. „Ganz im Gegenteil“: Die Linken zeichneten sich weltweit hauptsächlich durch «Zerfall und Konfusion» (Domenico Losurdo) aus. (S.47)

Im in der Broschüre veröffentlichten Einführungsstatement auf der Hamburger Strategie-Konferenz der Linken am 22.6.2019 schließt Lieberam so: „Wir dürfen uns nicht scheuen, die Regierenden immer wieder im Klartext anzuklagen: der Kumpanei mit Rüstungskonzernen, Kriegspolitikern und Kapitalinteressen. Hin und wieder müssen wir deshalb auch wie einst August Bebel mit Nagelschuhen über das politische Parkett zu gehen.“

Meine Frage: Ist das denn zu erwarten?

Nutzung der Linkspartei als «Operationsbasis« für linke Politik

Ekkehard Lieberam hat den Anpassungsprozess der Linkspartei seit vielen Jahren genau verfolgt. Er ist sicherlich kein Traumtänzer. Dennoch plädiert er im Sinne von Wolfgang Abendroth (hinsichtlich der SPD in den 1950er Jahren) für die Nutzung der Linkspartei als «Operationsbasis« für linke Politik.

„In den ausgewählten Texten dieser hier vorliegenden Artikelsammlung“, schreibt der pad-Verlag, „weicht er aber auch nicht der Frage aus, dass die abhängig Arbeitenden im 21. Jahrhundert eine Linkspartei brauchen werden, die tatsächlich diese verdient.“ Dem ist nicht zu widersprechen. Dass sie aber eine solche bekommen werden, daran bestehen m. E. erhebliche Zweifel.

Interessant ist Broschüre allemal. Denn sie enthält wichtige Analysen der Entwicklung der Linkspartei. Was aber fangen wir nun damit an? Und: wird sie von der Linkspartei selbst rezipiert und von selbiger zum Anlass genommen, die nötigen Schritte zu unternehmen? Schließlich habe es nach der letzten Bundestagswahl, wie Ekkehard Lieberam schreibt, zwar Stellungnahmen zu den Ursachen des schlechten Abschneidens der Linkspartei seitens der beiden Parteivorsitzenden gegeben, aber es sei „ein Verharren in Allgemeinplätzen nicht zu übersehen“ gewesen.

Das derzeitige Parteiensystem wurde von den Parteien trotz früher Warnung von Richard von Weizsäcker ruiniert

Überhaupt – wenn mir die Anmerkung erlaubt ist – betrachte ich das Parteiensystem, die Parteiendemokratie als letztlich von den Parteien selbst ruiniert. Im Grunde ist es gescheitert. Der einstige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte seinerzeit bereits gewarnt;

«Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat den Einfluss der Parteien in Deutschland kritisiert. Statt „um die Lösung der Probleme zu ringen“, instrumentalisierten sie diese für ihren Machtkampf, sagte Weizsäcker der „Bild“-Zeitung«. (Quelle: Spiegel)

Dazu gehört auch die Art wie die Kandidatenlisten in Hinterzimmern oder wo und wie auch immer ausgekungelt werden. Dies halte ich für mehr als fragwürdig. Dabei macht auch die Linkspartei leider keine Ausnahme.

Es sollte – wie es etwa es der frühere SPD-Bundesabgeordnete Marco Bülow aus Dortmund (inzwischen aus der SPD ausgetreten) sieht – mehr Direkte Demokratie und Bürgerräte geben. Anbei zu Marco Bülow hier und hier.

Auch sollten, so finde ich jedenfalls, Abgeordnete in Abständen gegenüber ihren Wählern Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen müssen. Und wenn sie darin offensichtlich versagt haben, sollten die Wähler sie abberufen können. So etwas ist meines Wissens sogar in der Republik Kuba möglich.

Ekkehard Lieberam
„Sisyphos läßt grüßen“
Die Leiden der Linken und das Leiden an der LINKEN
Bestellanschrift: pad-verlag@gmx.net, 6,00 Euro

Redaktion Thomas Kubo & Peter Rath-Sangkhakorn

Lebenslauf von Ekkehard Lieberam

Ekkehard Lieberam, 1937 geboren in Braunschweig, Mitglied der SJD-Die Falken und der SPD. Im März 1957 wegen Einberufung zur Bundeswehr Übersiedlung in die DDR. Bis 1962 Studium der Rechtswissenschaft in Leipzig. 1971 dort Dozent für Verfassungsrecht der BRD. 1978 Akademieprofessor für Staatstheorie und Verfassungsrecht in Berlin. Ab 1987 Hochschullehrer am Institut für Internationale Studien der Karl-Marx-Universität Leipzig. 1991-1999 Mitarbeiter bzw. Referent der PDS/Linke Liste im Deutschen Bundestag.

Quelle: Verlag / vlb

Anbei: Ein Interview, welches Peter Rath-Sangkhakorn 2016 mit Ekkehard Lieberam führte: „Was ist denn eigentlich bei der Linkspartei los“

Beitragsfoto: Carsten Weber  / pixelio.de