„Israel – Vom Opfer zum Täter zum Opfer – ein Hin und Her seit 80 Jahren“ – Eine Broschüre von Peter Hänseler und René Zittlau. Rezension

Der Krieg Israels in Gaza nach dem Überfall der Hamas auf das Land am 7. Oktober 2023 mit inzwischen ca. 30.000 getöteten palästinensischen Menschen (davon ca. 12.000 Kindern!), einem nahezu komplett zerstörten Gazastreifen, 1,7 Millionen Vertriebenen, nach Jahrzehnten der Apartheid , hinterlässt eine von Hungersnot bedrohte Bevölkerung. Die seitens israelischer Politiker offen geäußerte genozidalen Absichten der rechtsextremen Regierung in Tel Aviv sind ein erbärmliches Schreckenszeugnis.

Seit über 128 Tagen wird Gaza zerbombt. 50% aller Häuser sind zerstört, darunter Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Bäckereien usw. Der Zugang zu Wasser, Nahrungsmittel und Strom ist unterbrochen. Hunderte Ärzte, Medizinpersonal, Krankenwagen und Apotheken können ihre Arbeit
nicht mehr fortsetzen.

Fast 70.000 Menschen sind verwundet, mehrere tausend Körper liegen unter Trümmern und können nicht bestattet werden. Menschen die schon mehrmals in den letzten 75 Jahren aus ihren Dörfern oder Flüchtlingslagern vertrieben wurden, sind wieder auf der Flucht. Es wurde viel Leid, Zerstörung, Angst und Hass gesät. Bis jetzt sind mehr als 17.000 Kinder zu Waisenkindern geworden.

Massenmord in Gaza

Wie anders soll man das bezeichnen, was da in Gaza stattfindet – als Massenmord? Zudem kommt noch ein rigoroses Plattmachen der dortigen Infrastruktur. Auch vor Moscheen und Kirchen wird kein Halt gemacht. Die noch am Leben gebliebenen Palästinenser werden Richtung Rafah vertrieben. Aber auch dort sind sie keinesfalls sicher. Es fehlt allenthalben am Nötigsten zum Leben. Eine zweite Vertreibung der Palästinenser. Ist es da falsch von einer weiteren Nakba (Katastrophe) sprechen, die im Gange ist?

Israel will sich offenbar der Palästinenser endgültig entledigen. Will man sie in die Wüste, nach Ägypten treiben? Dies wird Kairo aus verständlichen Gründen nicht hinnehmen. Auch würde ja Israel diese Vertriebenen nie wieder in deren Heimat zurücklassen.

Die ethnische Säuberung Palästinas“

Von Ilan Pappe stammt das Buch „Die ethnische Säuberung Palästinas“, welches zu lesen ich unbedingt empfehle. Ilan Pappe ist der Sohn deutscher Juden, die als Folge der Machtergreifung Adolf Hitlers nach Palästina gekommen waren.

„Ihre Lebensgeschichte“ schreibt er im Vorwort zur aktuellen deutschen Ausgabe seines Buches, seine Eltern betreffend, „und das, was mit ihren Familienangehörigen geschah, ist einer der Hauptgründe für die tiefgehende Verpflichtung, die ich empfinde, die Geschichte der Nakba auch deutschen Lesern zu vermitteln.“

Und weiter «Aber auch jenseits meiner persönlichen Geschichte fühle ich, dass die Geschichte der Nakba auf Deutsch eine besondere Bedeutung hat. Wie schon der palästinensische Intellektuelle Edward Said sagte, sind die Palästinenser „die Opfer der Opfer“. Deshalb gibt es eine besondere deutsche Verantwortung für das, was die zionistische Bewegung und später der Staat Israel den Palästinensern angetan haben.«

Es sei seine Absicht gewesen, so Pappe, „zu verdeutlichen, dass die ethnischen Säuberungen von 1948 und vergleichbare israelische Aktionen bis heute das Ergebnis der siedlerkolonialistischen Ideologie ist, die in der indigenen Bevölkerung keine gleichwertigen Menschen sieht“. Und: „Die Dehumanisierung der Palästinenser ist ein wichtiger Bestandteil der zionistischen Ideologie (nicht von Anfang an, sondern erst ab dem Augenblick, an dem die zionistischen Führer Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts beschlossen, dass der einzige Weg sich des europäischen Antisemitismus zu erwehren, die Kolonisation Palästinas sei). Der einzige Weg, die Kolonialisierung zu vollenden, so wie es in Nordamerika geschah, in Australien und Süd-Afrika, war, sich der ursprünglichen Bevölkerung zu entledigen.“

Israel – Vom Opfer zum Täter zum Opfer – ein Hin und Her seit 80 Jahren“

Ähnlich sehen es auch die Autoren Peter Hänseler und René Zittlau – fußend auf ihren akribischen Recherchen – in der soeben im pad-Verlag erschienen Broschüre „Israel – Vom Opfer zum Täter zum Opfer – ein Hin und Her seit 80 Jahren“.

Zu dieser Broschüre lesen wir:

«Die Menschen in Palästina sind im übertragenen Sinn Opfer der jüdischen Opfer des verbrecherischen NS-Regimes. Das Versprechen einer Zwei-Staaten-Lösung wird von Israel und seinen Verbündeten sabotiert. Der Krieg in Gaza ist nicht ein Krieg zwischen zwei Staaten, sondern zwischen Besatzern und Besetzten. Die Blockade jeglicher Zufuhr von Energie, Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenten nach Gaza, die Zerstörung humanitärer und lebensnotwendiger Infrastruktur wie Krankenhäuser und Schulen nimmt bewusst die Zivilbevölkerung ins Visier und verantwortet deren totale Ausrottung. Der Krieg gegen Gaza ist ein Genozid. Die Gleichsetzung von Jüdinnen und Juden mit Israel, die Enthistorisierung eines langen schwelenden Konfliktes wird durch das undemokratische Konstrukt von „Staatsraison“ und „bedingungsloser Solidarität“ zur Teilhabe an Kriegsverbrechen.

Deutschland macht sich in doppelter Weise mitschuldig am Verbrechen des Völkermordes: durch den geschichtlichen Holocaust an den Jüdinnen und Juden, sowie beim gegenwärtigen Genozid an den Palästinenserinnen und Palästinensern und deren Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat.«

Und weil sich Deutschland in doppelter Weise mitschuldig am Völkermord in Gaza macht, stellte Jürgen Todenhöfer kürzlich Strafanzeige gegen die Bundesregierung:

„Ich habe heute Strafanzeige gegen Mitglieder der Bundesregierung wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen nach §8 und §11 Völkerstrafgesetzbuch erstattet. Die Regierung Netanyahu begeht in Gaza schwerste Kriegsverbrechen. Die Ampel leistet hierzu politisch und militärisch Beihilfe. Unter anderem durch eine Verzehnfachung ihrer Rüstungsexporte an Israel seit Kriegsbeginn. Diese Beihilfe zu Kriegsverbrechen ist strafbar. An der Strafanzeige beteiligt sich ein aus Gaza stammender Deutscher, der bei einem der Angriffe Israels auf Gaza einen Großteil seiner Familie verloren hat. Vertreten werden wir bei unserer Strafanzeige durch die Berliner Strafrechtskanzlei Buse, Herz und Grunst. Als langjähriger Bundestagsabgeordneter, als ehemaliger, kurzzeitiger Strafrichter in einem Terrorismus-Prozess und als deutscher Staatsbürger erwarte ich eine Grundsatz-Entscheidung der deutschen Gerichte zu dieser zentralen juristischen und moralischen Frage der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Das Grundgesetz verlangt von allen Deutschen, „dem Frieden der Welt zu dienen“. Und nicht den Kriegen westlicher oder pro-westlicher Staaten, die erkennbar mit Selbstverteidigung nichts zu tun haben. Der Generalbundesanwalt steht vor einer schwierigen juristischen und auch politischen Aufgabe. Er darf dem zu erwartenden Druck der Bundesregierung nicht nachgeben. Auch er hat „dem Frieden der Welt zu dienen.“ Zusammen mit dem Bundesverfassungsgericht ist er unsere wichtigste Hoffnung bei der Verteidigung unseres ausdrücklich friedliebenden Grundgesetzes und unserer rechtsstaatlichen Demokratie. Die einschlägigen Bestimmungen des Völkerstrafgesetzbuchs haben folgenden Wortlaut. Ihre Klarheit lässt keine Zweifel an der Rechtswidrigkeit der israelischen Kriegsführung aufkommen: „§ 11: Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung (1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt 1. mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen, 2. mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, solange sie durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind, namentlich Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder entmilitarisierte Zonen sowie Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten, 3. mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht, [Grundsatz der Verhältnismäßigkeit]… wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.“ Soweit der Wortlaut des Völkerstrafgesetzbuches. Klarer kann man nicht formulieren. Und klarer als die Regierung Israels und Deutschlands kann man nicht gegen das Völkerstrafgesetzbuch verstoßen.“ Quelle: Jürgen Todenhöfer auf X

Was unbedingt zu bedenken ist, wenn wer auch immer sich zum Nahostkonflikt äußert, lesen wir in der Einleitung der Autoren zu ihrer Broschüre

«Es ist erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit sich Medien und Exponenten, welche sich gerne als Experten sehen, in ein unsägliches moralisch-emotionales Bad begaben, nur um in Kürze von Fakten überholt zu werden, welche dieselben Exponenten dann zu einer Kehrtwende zwingen. Teilweise ist dies bereits geschehen.

Wir nahmen uns die Zeit, umfassend zu recherchieren und nachzudenken, bevor wir zur Feder griffen; ein Privileg, das News-Medien nicht haben.

Wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, Partei zu ergreifen und Exponenten zu verurteilen, sondern Fakten zu ordnen, zu analysieren und so eine Basis für eine Diskussion zu erarbeiten, welche einen Ausweg aufzeigen könnte, auch wenn er nicht – wie so oft – beschritten wird.

Analysen, welche die historischen Fakten, die zur gegenwärtigen Situation führten, ausser Acht lassen, greifen zu kurz.

Die Uniformität der in den westlichen Medien und auf den Bühnen der westlichen Politik vertretenen Standpunkte findet ihren Ursprung nicht nur in politischem Kalkül oder verkrusteten Wertvorstelllungen, sie sind vielmehr ein klarer Hinweis auf das fehlende Verständnis für die Komplexität der Materie.

Dessen sind wir uns bewusst und daher haben sich René Zittlau und ich dafür entschieden, den in dieser Broschüre veröffentlichten Text als gemeinsame Artikel gemeinsam zu schreiben – zu viele Fakten mussten untersucht werden, um innert nützlicher Frist unseren Lesern einen Überblick zu verschaffen. Die einzelnen Teile eröffnen wir regelmässig mit der geschichtlichen Aufarbeitung. Und so beginnen unsere Betrachtungen mit dem Ersten Weltkrieg, da bis 1917 zwischen den Arabern und Juden Frieden herrschte. Es wird keinen unserer Leser verwundern, dass es des Auftauchens des damaligen Imperiums bedurfte, um Zwietracht zwischen Völkern zu säen.«

Welche Absichten hatte der israelische Staat bereits von Anfang an?

Im Kapitel „Grossisrael – keine Verschwörungstheorie“ (S.32)“ lesen wir: «Grossisrael reicht vom Euphrat bis zum Mittelmeer und umfasst aus heutiger Sicht folgende Staaten: Israel inklusive sämtliche Palästinensergebiete, der südliche Teil Libanons, Syrien, Jordanien und Teile Ägyptens, inklusive Alexandria und Port Said.

Laut Wikipedia ist der Wunsch und die Absicht Israels, Grossisrael zu schaffen, eine Forderung von wenigen Extremisten und wird als Verschwörungstheorie abgetan.

«Die Eretz-Israel-HaSchlema-Ideologie hat zu verschiedenen Verschwörungstheorien geführt, die besagen, ein Streben nach einem Grossisrael vom Euphrat bis zum Nil sei das Ziel des Zionismus und israelische Staatsdoktrin.« (Quelle: Wikipedia)

Aussagen des Staatsgründers David Ben Gurion

Interessant sind die Aussagen des Staatsgründers Ben Gurion. Etwa diese in deutscher Übersetzung (Originalquelle: Quelle: David Ben-Gurion, 21. Mai 1948, an den Generalstab. Aus Ben-

Gurion, A Biography, von Michael Ben-Zohar, Delacorte, New York 1978, S. 130.)

«Verschwörungstheorien werden nicht von Staatsoberhäuptern verkündet.»

«Die Archillesferse der arabischen Koalition ist der Libanon. Die muslimische Vorherrschaft in diesem Land ist künstlich und kann leicht gestürzt werden. Ein christlicher Staat sollte dort errichtet werden, mit seiner südlichen Grenze am Fluss Litani. Wir würden einen Bündnisvertrag mit diesem Staat unterzeichnen. Dann, wenn wir die Stärke der Arabischen Liga gebrochen und Amman bombardiert haben, könnten wir Transjordanien auslöschen; danach würde Syrien fallen. Und wenn Ägypten es immer noch wagen sollte, gegen uns Krieg zu führen, würden wir Port Said, Alexandria und Kairo bombardieren. Damit würden wir den Krieg beenden und die Rechnung mit Ägypten, Assyrien und Chaldäa im Namen unserer Vorfahren begleichen.»

Auch dieses Zitat ist über die Maßen unmissverständlich in seiner Aussage.

Die Autoren der Broschüre schreiben (S.34): „Ein weiterer interessanter Hinweis auf die wahren Absichten Israels findet sich in einem Tagebucheintrag Ben Gurions vom 18. Juli 1948 wie folgt:

«Wir müssen alles tun, um sicher zu gehen, dass sie [die Palästinenser] niemals zurückkommen. … Die Alten werden sterben, die Jungen werden vergessen»

QUELLE: DAVID BEN-GURION, IN SEINEM TAGEBUCH, 18 JULI 1948, ZITIERT IN

NAKBA – DIE OFFENE WUNDE. DIE VERTREIBUNG DER PALÄSTINENSER 1948

UND IHR FOLGEN. VON MARLÈNE SCHNIEPER, ISBN 978-3-85869-444-7

„Die als Verschwörungstheorie abgetane Aussage, es sei die Absicht Israels, ein Grossisrael zu schaffen, ist somit widerlegt. Verschwörungstheorien werden nicht von Staatsoberhäuptern verkündet.“

Es folgt im weiteren Verlauf der Broschüre ein wichtiger, unverzichtbarer geschichtlicher Abriss von Ereignissen und Taten, der gekannt werden muss, will man sich zum heutigen Konflikt äußern.

Zunächst gilt es zu wissen: „Palästina, das die heutigen Staaten Israel und Jordanien sowie den Gaza-Streifen und das Westjordanland umfasste, kam durch den Zerfall des Osmanischen Reiches 1920 unter britische Verwaltung, so wie im Geheimabkommen Sykes-Picot von 1916 geplant.

Ab 1917 kam es in der Zeit des britischen Mandats zu einer starken jüdischen Zuwanderung nach Palästina, die durch die Judenverfolgung ab 1933 beschleunigt wurde.

Das Siedlungsverhalten der Juden war nicht selten von Rücksichtslosigkeit und Gewalt gegenüber der palästinensischen Bevölkerung gekennzeichnet, was von der britischen Verwaltung geduldet wurde.

Auf Grund dessen und der schieren Masse an jüdischen Zuwanderern kam es wiederholt zu bewaffneten Unruhen und Aufständen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde durch die UNO eine Zweistaatenlösung herbeigeführt, da die entstandenen Probleme anders nicht mehr beherrschbar erschienen. Im Ergebnis erhielt die jüdische Minderheit 56,47% des Mandatsgebiets (ohne Transjordanien) zugesprochen.

Dieses Gebiet entsprach im Wesentlichen den Territorien, die sich die jüdischen Siedler im Laufe der Zuwanderung angeeignet hatten. Bis zur Teilung gab es dort jedoch keine jüdische Bevölkerungsmehrheit.

David Ben Gurion scherte sich jedoch nicht um UNO-Resolution 181 und nahm das Ende des britischen Mandats am 14. Mai 1948 zum Anlass, am darauffolgenden Tag Israel als Staat auszurufen. Dies im Widerspruch zur von der UNO auferlegten Zweistaatenlösung. Der Staat Israel betrat die Weltbühne und gleichzeitig hörte das historische Palästina auf zu existieren.“ (S.20)

Die Autoren schätzen ein:

„Die Gründung des Staates Israel widersprach dem Ansinnen der Weltbevölkerung, welche sich in der UNO Resolution 181 widerspiegelte und unmissverständlich eine Zweistaatenlösung forderte.

Damit legte der neue Staat den Grundstein für das heute seit bald 80 Jahren dauernde Chaos mit der palästinensischen Bevölkerung, die mit allem Recht für einen eigenen Staat kämpft.

Die Suez-Krise zeigte, dass sich Israel zuerst von Grossbritannien – später von den USA – durchaus einspannen lässt, falls es einen geopolitischen Vorteil für sich erkennt.“ (S.30)

Liest man diese interessante Broschüre, wird von Seite zu Seite immer deutlicher, was der israelische Historiker Moshe Zuckermann einmal in einem Gespräch auf dem You Tube-Kanal International ausführte: «Zuckermann bezeichnet die Besatzung der den Palästinensern zustehenden Gebiete durch Israel als die eigentliche Ursache für den Konflikt. Er kritisiert, dass diese Frage sowohl in Israel aber auch in der internationalen Debatte weitgehend tabuisiert ist: „Israel wollte nie Frieden, die israelischen Eliten bevorzugten seit vielen Jahrzehnten eine Politik der Besatzung und der Apartheid.“«

Die Aufzeichnungen der Autoren „beruhen ausschliesslich auf Fakten, nicht auf Thesen und Theorien“

Die Autoren der vorliegenden Broschüre bekräftigen: «Unsere Aufzeichnungen beruhen ausschliesslich auf Fakten, nicht auf

Thesen und Theorien. Wir analysierten die Ereignisse, lasen und

hörten, was die Mächtigen Israels tatsächlich sagten oder ihrem Tagebuch anvertrauten. Diese Quellen erachten wir als zuverlässig. Es gibt keine faktenbasierten Argumente, welche das Ziel Israels widerlegen, ein Grossisrael zu schaffen und sich dabei der indigenen Bevölkerung dieses Landes zu entledigen und Nachbarn zu berauben. Dies tat und tut Israel ohne jede Rechtsgrundlage. Religiöse Schriften sind keine Rechtsgrundlage und auch keine Basis für seriöse geopolitische Analysen. Darüber hinaus zeigt die Geschichte: Religiös fundiertes politisches Handeln führt zwangsläufig zu Unrecht.« (…) „Ein Krieg folgt dem Drehbuch Ben Gurions.“

Ein menschenwürdiges Leben für die nichtjüdische Bevölkerung ist in den besetzten Gebieten nicht möglich

Mit der nichtjüdischen Bevölkerung geht Israel nicht selten schlimmer als nach Gutsherrenart um: „Israel sperrt den Zugang zu den besetzten Gebieten nach Belieben, von Freizügigkeit kann keine Rede sein. Israel bestimmt, was dort erlaubt ist oder nicht, egal ob es sich um medizinische Versorgung, um Grundversorgung mit Nahrungsmitteln, oder um Wasserrechte handelt. Ein menschenwürdiges Leben für die nichtjüdische Bevölkerung ist in den besetzten Gebieten nicht möglich. Die UNO beschreibt laut einem

Bericht der FAZ bereits am 12. Juli 2017 den Gazastreifen als unbewohnbar.“

„In israelischen Gefängnissen sitzen Tausende nichtjüdische Einwohner der besetzten Gebiete, darunter viele Kinder. Ohne Anklage, ohne Gerichtsurteil“, erfahren wir aus der Broschüre.

Es genügt die sogenannte Administrativhaft über sie zu verhängen: „Das israelische Militär kann Administrativhaftbefehle von bis zu sechs Monaten ausstellen, um Palästinenser*innen in Gewahrsam zu nehmen, wenn es «vernünftige Gründe» dafür gäbe, dass eine Person eine Gefahr für die «Sicherheit des Gebiets» oder die «öffentliche Sicherheit» darstelle.“ (Quelle:Amnesty International )

Bezüglich der Alleinverantwortlichkeit Israels“ (S.66) informieren die beiden Autoren: „Ein Staat, der über staatsfremdes Gebiet die absolute Kontrolle ausübt, ist infolge dieser Macht für alles verantwortlich, was in diesen staatsfremden und besetzten Gebieten geschieht. Der Besatzer kann sich nicht freisprechen von irgendeiner Gewalt, die er gegen andere ausübt oder die gegen ihn ausgeübt wird. Es spielt dabei auch keine Rolle, welcher Nation oder Religion die unterdrückte Bevölkerung angehört. Denn der Besatzer herrscht per se illegal auf fremdem Gebiet. Somit sind sämtliche seiner erlassenen Regeln ebenfalls illegal, da ohne Rechtsgrund.

Es ist weltweit ein natürliches Recht der Besetzten, sich als Unterdrückte gegen fremde Gewalt auf eigenem Grund und Boden zu wehren.

Eine Besatzungsmacht hingegen hat kein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Besetzten, wie das Israel aktuell massiv für sich in Anspruch nimmt und vom politischen Westen und den Mainstreammedien unhinterfragt und uneingeschränkt unterstützt wird und zwar mit höchst unappetitlichen Mitteln, wie wir in «ARD – Glossar rechtfertigt Genozid – Dr. Goebbels wäre stolz»* ausgeführt haben.“ *Verweis in Broschüre auf einen Beitrag auf Voice from Russia.

Wobei hier – um Missverständnisse auszuschließen – allerdings angemerkt sei, dass die Autoren an keiner Stelle und in keinem Fall den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 rechtfertigen.

Wenn die Broschüre ab dem Kapitel Der 7. Oktober 2023 – ein Land versinkt in den Abgründen seiner Geschichte

Israel – ein Land politisch gefangen zwischen dem Gründungsmythos seiner Unabhängigkeitserklärung, der zionistischen Agenda und Realitäten, die nicht auszuräumen sind“ (ab S.66) auf deren Ende zuläuft, ist beim Leser noch einmal höchste Konzentration erforderlich.

Ich pflichte den beiden Autoren unbedingt bei: „Ohne Kenntnis der Geschichte sind die Ereignisse um Gaza und das Westjordanland nicht zu verstehen.“ Sie beleuchten und erörtern die Ursachen des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren. Sie machen noch einmal unmissverständlich deutlich: „Nur Fakten können unseres Erachtens die Grundlage dafür sein, der Wahrheit näher zu kommen.“

Was die Berichterstattung der Medien angeht, sind sie zu folgender Ansicht und Meinung gekommen, die aufmerksame Zeitgenossen durchaus teilen werden:

„Die öffentlich-rechtlichen Medien und die grossen privaten Medienunternehmen im Westen sind einer Meinungsoligarchie verpflichtet. Eine neutrale Berichterstattung zum Thema Israel wird dadurch unmöglich. Auf diese Problematik verwiesen wir im Artikel „ARD–Glossar rechtfertigt Genozid – Dr. Goebbels wäre stolz“, der anhand eines ARD-internen Glossars speziell zur Nahost-Berichterstattung die Mechanismen offenlegt, mit Hilfe derer eine ausgewogene Information – wie laut Rundfunkstaatsvertrag verpflichtend vorgegeben – gezielt verunmöglicht wird.

Das interne Glossar enthält eine Liste von Experten, die von den Exponenten der betroffenen Fernsehstationen heranzuziehen sind – das sind keine Vorschläge. Die Adressaten des Glossars sind verpflichtet ausschliesslich diese Experten heranzuziehen.“

Nebenbei bemerkt haben sich auch die NachDenkSeiten mit dem Glossar beschäftigt: Hier.

Zum Ablauf des 7. Oktober 2023

Besondere Aufmerksamkeit ist in der Broschüre dem Ablauf des 7. Oktober 2023 gewidmet. Zum Einen wird die israelisch-westliche Darstellung in den Fokus genommen. (S.70):

«Bevor der Sachverhalt von unabhängigen Quellen erörtert werden konnte, gaben die Israelis der Welt vor, was sich abspielte und wie diese „Fakten“ zu bewerten seien. Dem folgten die westlichen Medien in pflichtwidriger Vernachlässigung ihrer Sorgfaltspflicht und die westlichen Regierungen in Verfolgung ihrer politischen Agenden.

Bis heute hat sich folgende Geschichte im Bewusstsein der westlichen Öffentlichkeit eingebrannt:

Am 7. Oktober 2023 überfielen ein paar tausend Hamas-Terroristen das friedliche Israel, ermordeten Zivilisten, vergewaltigten Frauen und köpften zahllose Babys, zerstörten brandschatzend israelische Siedlungen und nahmen Geiseln – und dies an einem hohen jüdischen Feiertag, dem Simchat Tora.

Diese Darstellung hält einer faktenbasierten Prüfung nicht stand. «

In ihrer Analyse verwendeten die Autoren „soweit möglich israelische und amerikanische Quellen.«

Unabhängige amerikanische Medien und die israelische Zeitung Haaretz hätten jedoch ein anderes Bild gezeichnet. Als einer der ersten habe der amerikanische Journalist Max Blumenthal auf seinem Blog „The Grayzone“ über die Abläufe und Aktionen berichtet.

Westliche Horrorgeschichten seien letztlich widerlegt worden.

Unfassbarer Höhepunkt dessen sei „die Mär von den 40 enthaupteten israelischen Babys“ gewesen. Wir lesen: „Selbst Präsident Biden hielt es für nötig zu behaupten, Fotodokumente dazu gesehen zu haben. Eine Geschichte, die inzwischen unter dem Faktendruck des tatsächlichen Geschehens stillschweigend kassiert wurde. Fehlen durften auch nicht die inzwischen zum westlichen journalistischen Standard-Repertoire gehörenden „Informationen“ über Massenvergewaltigungen.“

Dieser Nahostkonflikt könnte sich im schlimmsten Falle zu einer Katastrophe entwickeln, die die ganz Region erfasst. Israels Reputation in der Welt hat aufgrund dieses in Gaza verübten Massenmords schon jetzt beträchtlich gelitten. Man kann durchaus einschätzen, dass sich Israel längst mehr schadet, als seine es Feinde tun. Leider erkennt Israel diese Gefahr offenbar selbst nicht.

Es wäre an der Zeit, dass die Weltgemeinschaft dem Leid ein Ende setzt. Dafür trägt die EU eine besondere Verantwortung. Wie Deutschland sich verhält ist eine Schande. Berlin muss seine Stimme erheben und Israel in den Arm fallen, wenn es sich nicht ein weiteres Mal schuldig machen will. Erst recht, wenn es ein Freund Israels sein will. Deutschland muss sich unmissverständlich für die Rechte der Palästinenser einsetzen.

Die Menschen in Palästina und Israel, vor allem Kinder und Neugeborenen haben ein besseres Leben verdient. Leben in Frieden und Gerechtigkeit muss möglich
sein.

Ich finde diese Broschüre ist für all die Menschen, die sich ernsthaft für die behandelte Thematik interessieren, unverzichtbar. Meine Hoffnung: Wer die mit großer Sorgfalt aufgrund von tief gehenden Recherchen verfassten Texte gelesen und verstanden hat, wird sich künftig nicht mehr in unbedachter Weise über diesen Konflikt äußern. Die Broschüre ist auch insofern höchst empfehlenswert, weil sie auf 80 Seiten über alle wichtigen Geschehnisse innerhalb eines geschichtlichen Zeitraums von 100 Jahren informiert. Noch dazu ist zu einem Preis zu erwerben, der für viele Menschen erschwinglich sein dürfte.

Der Philosoph Slavoj Žižek hat auf Freitag.de einen eindringlichen Videokommentar veröffentlicht.

In Gaza zeige sich gerade die zerstörerische Kraft des Fortschritts, und die Kehrseite der europäischen Aufklärung. Der slowenische Philosoph, Psychoanalytiker und Kulturkritiker Slavoj Žižek kommt zum Schluss: Europa muss stärkeren Druck auf Israel ausüben sich auf humanitäre Werte zurückzubesinnen. Im Interesse der Palästinenser, Europas und zuletzt der Sicherheit jüdischen Lebens selbst. Er sagt: „Ich bin ein Pessimist. Ich denke Europa ist zu Ende.“ Seine Hoffnung sei ein Wunder.

Zu den Autoren

Peter Hänseler

betreibt den dreisprachigen (deutsch, englisch, russisch) geopolitischen und geo-ökonomischen Blog voicefromRussia.com.

Er ist Schweizer und lebt in Moskau. Er studierte Jura in Zürich (lic. Iur. 1989), (Dr. iur. 1991) und Washington, D.C. (LL.M., Georgetown University 1994) und arbeitete als Rechtsanwalt (Patent 1993) in Zürich

(Bär & Karrer 1994-1997) und New York (Townley & Updike 1994) bevor er in die Geschäftsleitung der Marc Rich Gruppe eintrat, wo er unter anderem für Russland verantwortlich war (1997-2001). Danach leitete er Immobilienfonds in Russland (PHI Group 2001-2012).

Schon seit Jahren beschäftigt sich Peter Hänseler mit Geopolitik und Geoökonomie und publizierte ab 2008 vor allem in der Weltwoche. 2022 gründete er VoicefromRussia.com. Peter Hänseler publiziert weiter in der Weltwoche, auf ZeroHedge.com, im BloomDoom&Gloom Report des

Schweizer Investment-Guru Dr. Marc Faber und in weiteren geopolitischen Blogs. Er hat sich aus allen geschäftlichen Aktivitäten zurückgezogen, um sich auf seine Arbeit als Publizist zu konzentrieren.

René-Burkhard Zittlau

lebt in Deutschland. Er studierte in den 1980-er Jahren Sprachen

(Russisch und Tschechisch) an der Universität Leipzig mit dem

Abschluss Diplom-Sprachmittler.

Anfang der 1990-er Jahre wechselte er vom Staatsdienst in die private Wirtschaft. Für deutsche mittelständische Unternehmen sehr verschiedener Branchen baute er Tochterunternehmungen in Mittel- und Osteuropa auf und leitete sie teilweise.

Mit Geschichte und Geopolitik beschäftigt er sich bereits seit seinen Studienzeiten. Schreibt u.a. in GlobalBridge und infosperber und vor allem in voicefromRussia.com.

Was ist die Stimme aus Russland?

In diesem dreisprachigen Blog berichtet Peter Hänseler, ein Schweizer der in Moskau lebt, über geopolitische und geoökonomische Themen. Peter Hänseler unterscheidet sich von Mainstream-Journalisten dadurch, dass er Themen aus westlicher und östlicher Sicht betrachtet und bewertet – und somit auch über Themen schreibt, über welche im Westen schwerpunktmässig nicht berichtet wird. Da er in diesem Blog Journalist, Redaktor undHerausgeber in einer Person ist, sieht er sich zudem keinem Einfluss einer Redaktion oder eines Verlags ausgesetzt.

Peter Hänseler ist politisch und journalistisch unabhängig, geht in Russland keiner kommerziellen Tätigkeit nach und bezieht keinerlei Mittel vom Staat oder anderen Organisationen. Der Blog ist für die Leser kostenlos. Spenden sind willkommen.

Seit drei Jahren wohnt er aus privaten und kulturellen Gründen wieder in Moskau. Zuvor lebte er in der Schweiz, den USA, Spanien und Thailand.

Was möchte ich mit diesem Blog?

Die derzeitige Gesprächskultur lässt Gegenmeinungen immer weniger zu – seien sie noch so rational und begründet. Dies betrifft nicht nur politische,

sondern immer mehr auch wirtschaftliche Themen.

Die veröffentlichte Meinung gilt heute oftmals als einzige Wahrheit. Andere Meinungen werden zunehmend angefeindet oder ausgeschlossen. Diese Entwicklung hemmt meines Erachtens die freie Meinungsäusserung und den Diskurs in Gesellschaft, Medien und Politik. Darunter leidet die im Westen von Politik und Medien zu Recht hochgehaltene individuelle Freiheit und eine liberale Weiterentwicklung der Gesellschaft. Derzeit verbannen selbst die privaten weltumspannenden sozialen Medien durch Einsetzung von Zensoren mit woken Begründungen und ohne gesetzliche Grundlage User und Quellen; als ob das Publikum nicht fähig wäre, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Anbei empfohlen:

Homepage: https://voicefromrussia.ch/

Via International/YouTube

Zur Broschüre

INHALT: Die Nahost-Problematik versteht man nur, wenn man

die Geschichte und die gegenwärtige geopolitische Lage kennt –

Emotionen helfen nicht / In Feuer geboren – von der Ausrufung

des Staates Israel bis zur Suez-Krise. Die Basis zum Verständnis

der heutigen Situation / Die westliche Beurteilung der

Politik Israels sind Ansichten, welche mit der Realität nichts gemein haben – wir präsentieren die Fakten / Von Camp David bis

Libanon 1982 – Apartheid und Kolonialismus in Israel / Wie der

Vertrag von Oslo zu Hamas und Hisbollah führen musste / Der

7. Oktober 2023 – ein Land versinkt in den Abgründen seiner

Geschichte

Israel – Vom Opfer zum Täter

zum Opfer – ein Hin und Her

seit 80 Jahren

Peter Hänseler / René Zittlau

80 Seiten, mit zahlreichen farbigen Karten,
8.-€*

* Staffelpreis bei Direktbestellung ab 5 Expl.: 7 .– €/St.

pad-verlag – Am Schlehdorn 6 – 59192 Bergkamen – E-Mail: pad-verlag@gmx.net

Schriftenreihe des Forum Gesellschaft & Politik e.V.

Redaktion: Peter Rath-Sangkhakorn

unsere Seite im Netz: http://www.pad-verlag.de

E-Mail: pad-verlag@gmx.net

Die in dieser Broschüre zusammengefassten Beiträge wurden in

einer Israel-Reihe über mehrere Monate auf

https://voicefromrussia.ch

erstveröffentlicht. In den einzelnen Artikeln wurden alle externen

Dokumente, auf die in der Broschüre verwiesen wird, verlinkt.

Es lohnt schon aus diesem Grund ein Besuch. Ebenso finden die

Leser dort alle Artikel, die in der Broschüre an verschiedenen

Stellen als eigene Quellen benannt werden.

Hinweis: Wenn Sie, lieber Leserinnen und Leser, in Wörtern in der von den Autoren der von mir zitierten Sätzen statt eines „ß“ die Schreibweise „ss“ finden, so ist das Schreibweise in der Schweiz geschuldet.

Anbei empfohlen:

Thomas Stimmel spricht mit Iris Hefets.
Thomas Stimmel spricht mit Abed Hassan.

Update am 13.4.2024: İnteressantes neues Video von Dr. Michael Lüders:

Dr. Michael Lüders

IPPNW: Im Sturm den Friedenskurs halten, Hamburger Erklärung

Prolog zur Hamburger IPPNW-Erklärung

Düstere Zeiten. Sind wir schon im dritten Weltkrieg? Mag sein. Schlimm genug, der Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine hat einen Krieg entfacht. Menschen finden den Tod. Menschen werden schwer verletzt. Städte und Dörfer werden schwer beschädigt. Wer es wissen will, kann erfahren, dass dieser Krieg nicht erst am 24. Februar 2022 begann. Jeder Krieg hat eine Vorgeschichte. So auch dieser. Im Grunde genommen begann er mit dem vom Westen – hauptsächlich den USA – unterstützten Maidan-Putsch 2014. Aber auch schon davor lassen sich Anzeichen entdecken, dass sich da etwas Unheilvolles zusammenbraute. Darauf soll hier jetzt nicht eingegangen werden. Das lässt sich anderswo lesen.

Dieser Krieg aber läuft nun. Anscheinend unaufhaltbar weiter und weiter. Ich frage mich nun täglich, warum von keiner Initiative zu hören und zu lesen ist, die sich das Ziel gesetzt hat zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Was gewiss nicht einfach ist. Aber versucht muss es doch werden!

Wie sagte Helmut Schmidt einst so richtig: »Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen«

Und wäre nicht Deutschland angesichts seiner auf ihm lastenden Geschichte mit Verantwortung scher an zwei Weltkriegen nicht prädestiniert diese Vermittlerrolle zu übernehmen? Selbstverständlich!

Was aber riechen wir stattdessen: 1914!

Weil eben das Gegenteil geschieht. Da wird einseitig auf Russland eingeschlagen, nahezu alle noch vorhandenen Brücken zwischen unseren beiden Nationen abgebrochen, und die Ukraine soll mit schweren Waffen ausgerüstet werden? Wir haben zum Unglück eine (grüne! [sic!]) Außenministerin, die von einem Journalisten kürzlich als „Handgranate ohne Splint“ bezeichnet worden war. Das trifft es! Eine Politikerin, die offenbar keine Ahnung von Diplomatie hat und noch dazu jegliches Fingerspitzengefühl vermissen lässt.

Die seinerzeit wegweisende Ost- und Entspannungspolitik der Regierung Brandt wird verdammt und zum Fehler erklärt. Von politischen Schwergewichten wie Brandt, Schmidt und anderen – ja selbst Kohl muss hier mit benannt werden – ist weit und breit keine Sicht mehr. Was nicht nur für Deutschland sondern traurigerweise für die gesamte EU gilt. Alle agieren quasi als Kolonien der USA. Und anscheinend kriegsgeile Politiker würden, hat man den Eindruck, eher heute als morgen gen Moskau ausrücken lassen – denn selbst wären sie wohl zu feige dazu an die Front zu ziehen.

Von der unsäglichen Presse, die augenscheinlich von jeglicher Geschichtskenntnis ungetrübt gegen Russland hetzt und Russland nicht nur in jeder Hinsicht einseitig sich dabei hauptsächlich ukrainischer Propaganda bedienend, niederschreibt und diffamiert, ganz zu schweigen. Sie agiert gleich wie in der Corona-Krise als Antreiber der Politik. Pazifisten und Friedensbewegten wird die Pest an den Hals gewünscht. Gleichgerichtet im Grunde sind unsere Medien. Um das böse andere Wort nicht zu gebrauchen. Aus eigenem Antrieb gleichgerichtet, wie zu vermuten steht. Was m.E. viel schlimmer ist, als wären sie von irgendwem dazu gezwungen. Diejenigen, die kriegsgeil den Stift erheben, sind offenbar „Haltungsjournalisten“, wie man das heute nennt. Aus gut bestalltem Haushalten stammend. Wer sonst kann es sich heute noch leisten, Journalist zu werden? Und gewiss hier und grün angehaucht.

Neulich bezeichnete Jürgen Todenhöfer die Grünen auf einer Demonstration m.E. zu Recht als Kriegspartei.

Was also machen? Wir müssen wieder auf einen Friedenskurs einschwenken! Dazu gibt es keine Alternative.

FLYING COLUMN des Dortmunder Künstlers Leo Lebendig, darin die Friedensbotschaft. Foto: C. Stille

Die IPPNW (Die Organisation IPPNW (Abkürzung für International Physicians for the Prevention of Nuclear War; Name der deutschen Sektion IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.) ist ein internationaler Zusammenschluss von Human-, Tier- und Zahnärzten, die sich unter anderem vor allem für die Abrüstung atomarer Waffen einsetzt.) hat diesbezüglich zum Jahreskongress 2022 eine „Hamburger Erklärung“ abgegeben

Claus Stille

IPPNW-Pressemitteilung vom 02.05.2022

Im Sturm den Friedenskurs halten, Hamburger Erklärung

Friedensnobelpreisträger-Organisation IPPNW verabschiedet Resolution zum Jahreskongress 2022

02.05.2022 Die deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) forderte die Bundesregierung am Wochenende bei ihrem Jahreskongress in Hamburg dazu auf, die Anstrengungen für eine Waffenruhe in der Ukraine ins Zentrum des politischen Handelns zu stellen. Anstatt Waffen zu liefern und aufzurüsten, müssten diplomatische Wege für einen Waffenstillstand, Friedensverhandlungen und perspektivisch eine neue pan-europäische Sicherheitsarchitektur geschaffen werden. „Der russischen Regierung Brücken zu bauen, bedeutet kein Einverständnis mit ihrem Tun. Wir müssen vielmehr einen Ausweg aus einer Situation finden, die sonst eine europäische, wenn nicht gar eine globale atomare Eskalation zur Folge haben könnte“, hieß es in der verabschiedeten Resolution.

„Es ist schwer auszuhalten, dass sich noch kein Verhandlungsdurchbruch abzeichnet. Aber eines ist klar: In einen globalen Rüstungswettlauf einzutreten, manövriert uns in eine Eskalationsspirale, die für die Welt in einen Atomkrieg enden könnte. Aufrüstung schafft keinen nachhaltigen Frieden, sondern bindet finanzielle Ressourcen, die wir nicht bezahlen können und intellektuelle Ressourcen, die wir an anderer Stelle benötigen. Der Kampf gegen den Klimawandel müsste als verloren abgeschrieben werden. Deshalb müssen wir eine andere Lösung finden. Das ist nicht naiv. Es ist einfach ohne Alternative“, unterstreicht der IPPNW-Vorsitzende Dr. med. Lars Pohlmeier.
 
In diesem Sinne forderten die Mediziner*innen auf Ihrem Jahreskongress einen sofortigen Verzicht der NATO und Russlands auf einen Erstschlag von Atomwaffen sowie einen Waffenstillstand und Verhandlungen über den Status der Ostukraine und der Krim. Um einen Atomkrieg zu verhindern sei internationale Diplomatie und sofortige Deeskalation die einzige Option. Auch diplomatische und zivilgesellschaftliche Kontakte auf allen Ebenen müssten erhalten bleiben, um Lösungen im Sinne der Friedenslogik, Konfliktanalyse und zivile Konfliktbearbeitung zu ermöglichen.
 
In der Resolution heißt es abschließend: „Der Krieg in Europa ist eine Mahnung, an unsere eigenen internationalen Wurzeln zu denken. Wir sind im Kern zuallererst eine internationale Friedensorganisation, die blockübergreifend für die Verhütung eines Atomkrieges arbeitet. Wir streiten gemeinsam dafür, angesichts der unvorstellbar grausamen humanitären Folgen eines möglichen Atomwaffeneinsatzes deren Einsatz zu verhindern. Weiterhin gilt: Dies ist nur durch die kontrollierte Abschaffung aller Atomwaffen zu erreichen.“

Hier finden Sie die gesamte Resolution: www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Resolution_Im_Sturm_den_Friedenskurs_halten.pdf

Quelle: Pressemitteilung IPPNW

Epilog

Arno Luik schreibt in seinem Beitrag „Der 27. Februar 2022, oder: Ich kenne keine Parteien mehr“ auf dem NachDenkSeiten vom 3. Mai 2022:

„Und so blicke ich heute auf die Welt, wie vor einigen Jahren der alte und weise Historiker Eric Hobsbawm im Gespräch mit mir sie ausmalte“:

Alles ist möglich. Inflation, Deflation, Hyperinflation. Wie reagieren die Menschen, wenn alle Sicherheiten verschwinden, sie aus ihrem Leben hinausgeworfen, ihre Lebensentwürfe brutal zerstört werden? Meine geschichtliche Erfahrung sagt mir, dass wir uns – ich kann das nicht ausschließen – auf eine Tragödie zubewegen. Es wird Blut fließen, mehr als das, viel Blut, das Leid der Menschen wird zunehmen, auch die Zahl der Flüchtlinge. Und noch etwas möchte ich nicht ausschließen: einen Krieg, der dann zum Weltkrieg werden würde.“

Da fällt mir jetzt – ca. 3000 von einem offenbar irre gewordenen Deutschland ein, dass das äußerst interessante und wichtige Buch „Das Zeitalter der Extreme“ – bislang noch nicht einmal halb gelesen – zuhause in Griffnähe meines Schreibtisches liegt! Ich muss es unbedingt weiterlesen. Wenn ich nämlich Pech habe, dann lebe ich bald in der von Eric Hobsbawm ausgemalten Welt. In der Vorzeit sind wir ja schon mittendrin. Wie lautet ein Fluch der Chinesen: „Mögest du in interessanten Zeiten leben.“ Nun haben wir den Salat …

Hier das Interview, das Arno Luik einst für den Stern mit dem weisen Historiker Eric Hobsbawm in London führte.

Claus Stille

Anbei:

Susann Witt-Stahl im Gespräch.

Jürgen Todenhöfer trat aus der CDU aus und gründete die neue Partei „Team Todenhöfer“ – Gelingt ein dringend nötiger Politikwechsel?

Auf Wikipedia heißt es: „Politische Parteien in Deutschland sind nach dem Parteienprivileg wegen ihrer besonderen Bedeutung für das politische System der Bundesrepublik Deutschland mit einer erhöhten Schutz- und Bestandsgarantie ausgestattet (Parteiendemokratie). Art. 21 des deutschen Grundgesetzes bestimmt: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. […]“

Bei der Bundeszentrale für politische Bildung informiert: „Deutschland ist eine Parteiendemokratie. Viele sprechen auch von einem Parteienstaat, wobei dies oft mit Kritik an der zu großen Machtfülle der Parteien einhergeht. Unbestritten ist, dass die Parteien im politischen System eine zentrale Rolle spielen. Sie tun dies zum einen, weil die parlamentarische Demokratie mit dem Bundestag als zentralem Verfassungsorgan eine starke Stellung der Parteien begünstigt. Zum anderen, weil sie wie keine andere Organisation alle drei Bereiche des politischen Systems durchdringen und damit als Scharnier zwischen den Bereichen wirken: Ihre Mitglieder bilden einen wesentlichen Teil der politischen Bürgerschaft, ihre außerparlamentarischen Organisationen sind ein wichtiger Teil des so genannten intermediären Systems aus Parteien, Verbänden, Medien und sozialen Bewegungen, das vermittelnd zur politischen Willensbildung beiträgt, und durch ihre Fraktionen und Regierungsmitglieder beherrschen sie den wichtigsten Teil des Regierungssystems auf der Bundes- und Länderebene. Faktisch gilt dies weitgehend auch auf der kommunalen Ebene, denn auch lokale Bürgervereinigungen sind, wenn sie eine feste Organisation haben und an Kommunalwahlen teilnehmen, im politikwissenschaftlichen Sinne Parteien.“

Schon 1992 kritisierte der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker die Parteien, den Parteienstaat hart. Er warf ihnen „Machtversessenheit“ vor. All das konnte, wer genau hinsah, unterschreiben. Und hat sich etwas geändert seitdem? Im Gegenteil. Es ist alles noch viel schlimmer geworden! In mir persönlich ging schon öfters der Gedanke sozusagen spazieren, die Parteien endgültig fahren zu lassen. Erst recht jetzt in der Corona-Krise. Da haben doch die Parteien im Grunde alle versagt. Sogar Grundrechte sind eingeschränkt worden! Muckten die Parteien auf?

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Immerhin puckert offenbar in FDPlern wie Wolfgang Kubicki und selbst in FDP-Chef Christian Lindner noch etwas liberales Blut. Denn bei ihnen manifestiert sich ein ungutes Gefühl betreffs der von einem „Corona-Kabinett“ am Bundestag vorbei fabrizierten Corona-Maßnahmen zu Kritik und zu Forderungen, künftig das Parlament wieder mit solchen Entscheidungen zu befassen.Wie es sich gehört!

Doch bin ich damit wieder versöhnt? Nicht so recht. Mein Argwohn den Parteien gegenüber ist damit nicht verschwunden. Denn meine Hoffnungen, welche ich einst in Parteien gesetzt hatte, wurden im Laufe der Jahrzehnte (fast) alle zerstört. Man muss sich doch nur anschauen, wie bzw. wohin sich die einstigen so entschlossen, die Gesellschaft zum Positiven zu gestalten, gestarteten Grünen bewegt haben. Rundgelutscht seien die doch längst, sagte vor ein paar Jahren einmal ein emeritierte Professor auf einer Medientagung der IALANA in Kassel. Rundgelutscht, passend geformt (die müssen „entzaubert“ werden) – steter Tropfen höhlt den Stein – und die Neuen kommen nicht nur beim „Gang durch die Institutionen“ in die Jahre, sondern auch auf den Geschmack, was Mächtchen oder Macht anbelangt. Und bei Kriegen bzw. Auslandseinsätzen schreien die mindestens seit Befürwortung es Krieges gegen die Bundesrepublik Jugoslawien fast schon als erste hier! Als olivgrün muss man sie deshalb seither bezeichnen.

Nun weckt wieder eine gestern vorm Bundestag gegründete Partei Hoffnungen und damit Mut. Sogar #MUTZURMENSCHLICHKEIT, wie der von ihr kreierte Hashtag entschlossen in Versalien postuliert.

Gestern, an seinem 80. Geburtstag, ist der langjährige Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer aus der CDU, welcher er 50 Jahre angehörte, ausgetreten. Am Donnerstagnachmittag ist die Partei mit Namen „Team Todenhöfer“ gegründet worden.

Klar, Todenhöfer schließt freilich auch Koalitionen mit anderen Parteien – in einem Interview im Anschluss an die Veranstaltung nahm er die AfD davon aus – nicht aus. Nur, werden die künftigen Koalitionspartner das Programm des Teams Todenhöfer, das ich persönlich nur begrüßen kann – mitzutragen bereit sein?

Auslandseinsätze der Bundeswehr lehnt Todenhöfer entschieden. Das „Team Todenhöfer“ in Regierungsverantwortung würde alle Soldaten aus ihren Einsatzgebieten im Ausland abziehen. Die Parteineugründung bezeichnete Jürgen Todenhöfer als „gewaltfreie humanistische Revolution“. Er wolle sich für eine „ehrlichere“ Politik einsetzen, verkündete Todenhöfer. Großspenden an Parteien würden verboten, Rassismus müsse vehement bekämpft werden. Alle Menschen seien gleich.

In Medienberichten wurde an Todenhöfers Reisen nach Afghanistan – auch während der sowjetischen Besetzung – sowie in arabische Länder, darunter in Gebiete des Islamischen Staats erinnert. Und an desssen Bücher über den Nahen und Mittleren Osten. Der Tagesspiegel mokiert: „allerdings waren seine Thesen häufig umstritten“. Überhaupt gilt Todenhöfer als „umstritten“. Wo doch eigentlich dieses Prädikat als etwas Positives gelten müsste! Ich sage mir: Lieber umstritten als stromlinienförmig sollte ein Politiker sein. Aber so macht man freilich keine Karriere. Aber wir kennen das mittlerweile: Wer nicht die derzeitig hochgejazzten Narrative bedient, der gilt bei uns als „umstritten“. Und wenn das dann auch noch betreffs einer Person in Wikipedia steht – vielleicht noch zusätzlich wie manchen Menschen (nicht bei Todenhöfer) mit dem Etikett „Verschwörungstheoretiker“ versehen, werden diese Leute gleich fallengelassen wie eine heiße Kartoffel.

Jürgen Todenhöfer nannte die üblen Zustände unserer Zeit ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Besonders die Heuchelei unserer westlichen Politiker geißelte Todenhöfer hart. Er hat letztes Jahr auch ein Buch dazu veröffentlicht: „Die große Heuchelei: Wie Politik und Medien unsere Werte verraten“

Auf Facebook schreibt Jürgen Todenhöfer:

„Liebe Freunde,

ich werde häufig gefragt, warum ich nach 30 Jahren in die aktive Politik zurückkehre.

Die Antwort ist: es darf nicht mehr so weitergehen. Unsere Berufspolitiker fahren gerade unser Land an die Wand. Da kann ich nicht länger tatenlos zusehen.

Seit meinem 18. Lebensjahr lief, fuhr und flog ich immer wieder um die Welt. Ich bin mehrfach dem Tod und tiefster Not und Leid begegnet. Ich wurde beschimpft, verhaftet und beschossen. Auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Meine größten Feinde waren immer die Sofastrategen, die alles besser wussten, obwohl sie nichts wussten.

Ich habe mich jahrzehntelang mit Präsidenten, „Rebellen“ und Terroristen getroffen, und mit führenden Wissenschaftlern unseres Landes. Ich habe immer mit allen Seiten gesprochen. Ich wurde Zeuge von mehr als zehn grausamen Kriegen und berichtete darüber in mehreren Bestsellern. Es ging dabei nicht um mich. Es ging um meine, unsere Verantwortung für unser Land. Und für die Welt, in der wir leben.

Das Deutschland von heute wird weit unter Wert regiert. Das Deutschland von morgen wird deshalb den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen sein. Es sei denn wir denken endlich um. Wir brauchen eine gewaltfreie Kulturrevolution. Einen Aufstand der Anständigen gegen die Unanständigen. Wir müssen endlich alle Menschen so behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen. Das muss unsere Leitlinie werden.

Wir brauchen menschliche, ehrliche und unabhängige Politiker. Politiker, die zuerst dem Volk dienen und nicht sich selbst.“

Die Aufzeichnung der gestrigen Veranstaltung kann auch via Facebook-Seite von Jürgen Todenhöfer angesehen werden: hier.

Fazit

Jegliche von Todenhöfer geäußerte Kritik ist nachvollziehbar und kann nur unterstrichen werden. Die politischen Ziele der Partei „Team Todenhöfer“ können nur begrüßt werden. Bleibt nur die Frage, ob diese Partei genügend Wähler*innen zu einer Stimmabgabe zu ihren Gunsten gewonnen werden können. Und gesetzt dem Fall, das gelänge und eine Koalition mit anderen Parteien käme nächstes Jahr zustande, stellt sich ebenfalls die Frage ob diese Bundesregierung dann gegen gewiss einsetzenden enormen Gegenwind seitens der mächtigen Gegner und der ihr wahrscheinlich nicht gut gesonnenen Leitmedien wird lange genug bestehen können. Einen Politikwechsel braucht dieses Land längst. So viel steht seit langem fest. Die uns Regierenden sollten recht bald den Hut nehmen. Denn die Bilanz dieser Bundesregierung, so Todenhöfer, sei desaströs. Viele von uns dürften die Lügen und die Heucheleien der „Sofastrategen“, wie Todenhöfer die regierenden Politiker nennt, die uns etwas von Menschenrechten und von einem Deutschland erzählen, das auch am Hindukusch verteidigt werde. Die nicht sagten, dass wir „unterwürfig amerikanischen Weltmachtinteressen“ dienen, sondern lögen, wir seien in Afghanistan, um westliche zivilisatorische Werte zu verteidigen und dafür, dass Mädchen zur Schule gehen könnten. Da gebe ich Todenhöfer unumwunden recht. Zumal die unter der Corona-Krise momentan (noch) recht und schlecht abgedeckte schwere Finanz- und Wirtschaftskrise mit vielen Arbeitslosen und Verlierern bereits vor der Türe steht. Da braucht es Lösungen. Etwa, wie Todenhöfer im Interview mit den Worten Mahatma Ghandis sagte, eine „barmherzige Marktwirtschaft“.

Video oben: via You Tube/Epoch Times Deutsch

Beitragsbild via Jürgen Todenhöfer

Bruno Schirra mit „ISIS – Der globale Dschihad“ in Dortmund: Hochinteressant aber auch widersprüchlich

Bruno Schirra (links) zur Lesung aus seinem Buch in Dortmund. Rechts im Bild Moderator Bastian Pütter (BODO e.V.; Foto: Claus-D. Stille

Bruno Schirra (links) zur Lesung aus seinem Buch in Dortmund. Rechts im Bild Moderator Bastian Pütter (BODO e.V.; Foto: Claus-D. Stille

Selbst Politikern und politischen Journalisten kommt es so vor, als sei der IS – der „Islamische Staat“ (vormals ISIS) plötzlich binnen weniger Monate oder in Jahresfrist entstanden. Sogar Al-Qaida hat der IS den Rang abgelaufen. Nicht nur weil dieser fürchterlich brutal zu Werke geht. Der IS verfügt inzwischen über große Gebiete, enorme Finanzressourcen, viele Kämpfer und moderne Waffensysteme. Für den Nahost-Experten Bruno Schirra dürfte diese besorgniserregende Entwicklung keine große Überraschung sein. Der Journalist recherchiert seit Jahren zu islamistischen Netzwerken. Bruno Schirra löste einst mit einem Artikel die sogenannte “Cicero-Affäre” aus. Schirra arbeitete für den Hörfunk, die ZEIT und Cicero. Derzeit schreibt er für die Weltwoche (Schweiz). Ein Blatt, das unter der Ägide von Chefredakteur Roger Köppel auch immer mal wieder durch rechtskonservative bis rechtspopulistischen Positionen auffiel.

Diese Woche weilte Bruno Schirra auf Einladung von Planerladen, Auslandsgesellschaft NRW e.V., der lokalen Alevitischer Gemeinde und dem Straßenmagazin BODO in Dortmund. Zwecks Lesung aus seinem Buch „ISIS – der globale Dschihad“ Die Moderation übernahm Bastian Pütter (BODO e.V.).

Bruno Schirra: Die Menschen haben die Lust am Leben verloren

Schirra erzählte von einem Telefonanruf eines NGO-Mitarbeiters aus Kairo. Dieser sprach voller Freute ins Telefon. „Endlich geschieht etwas!“ Das geschah als die Arabellion ins rollen kam. Menschenrechte, individuelles Denken, so seien plötzlich „zu fühlen“ gewesen. Doch Bruno Schirra blieb aus Erfahrung skeptisch. Aber er fuhr damals nach Kairo, wo er vier Tage auf dem Tahrir-Platz verbrachte. Dann aber sei nach Luxor „ins innere Exil“ gegangen. Weil er betreffs des Arabischen Frühlings zur Meinung gekommen war: „Das wird so nicht funktionieren.“ Schirra in Dortmund: „Die Geschichte hat mir Recht gegeben.“ Sodann liest er aus seinem Buch: „Es dauert lange, sehr lange einem Menschen den Kopf abzusäbeln.“ Und wenige Zeilen weiter: „Was in Gottesnamen treibt einen Menschen dazu, so etwas zu machen?“ Schirra weiß es nicht. Er erzählt vom Glühen der Augen der Kopfabschneider während der Tat. Und von „recht vielen“ Leuten in Alexandria, die diese grauenvollen Taten der IS-Verbrecher gejubelten. „Was bloß ist mit Alexandria und seinen Menschen geschehen?“, liest Schirra. Und rückblickend denkt er laut über das sich einst so weltoffen präsentierende, kosmopolitische Alexandria nach. Dort sei gelehrt und gelernt worden. Frauen flanierten auf den Straßen. Das Nachtleben „in all seiner deftigen Leichtigkeit“ pulsierte. Man lebte und liebte. Heute dagegen sei dieselbe Stadt, die Leute „im Würgegriff der Islamisten, sind im Dunkel des Dschihad“. Auch in anderen Ländern der arabischen Welt hat Schirra ähnliche Veränderungen festgestellt. Die Menschen hätten die Lust am Leben verloren.

Hat die sich die arabische Zivilisation wirklich alle Wunden selbst geschlagen?

Bruno Schirra sprach von einer einst blühenden Welt des Islam. Die auch ins damals im Dunkel liegende Abendland abstrahlte, wo man sozusagen noch auf den Bäumen saß. Die Wissenschaften, die Künste sorgten dafür. Von Bagdad redet der Autor als einer einst wunderbaren Stadt. Nun kenne man dort seit mehr als 35 Jahren nur Krieg. Nur Saddam Hussein trage die Schuld dafür, so Schirra in Dortmund. „Tatsächlich?“, schoss es mir da durch Kopf? Die Menschen der arabischen Welt blickten auf tiefe Wunden. Die Fähigkeit zur Selbstkritik aber, als erster Schritt zur Heilung jedoch, gehen ihnen ab. Die „arabische Zivilisation“ habe sich diese „Wunden selbst geschlagen.“ Erneute Zweifel bei mir: „Wirklich? Ausschließlich?“

Nicht der schreckliche Imperialismus, nicht der Kolonialismus, nicht der böse Kapitalisus und auch nicht die Juden seien am Unglück schuld. „Stimmt das so absolut? Was ist mit der Ausbeutung der einstigen Kolonialstaaten? Wie wirkten sich willkürliche Grenzziehungen westlicher Mächte in der Region auf die Völker und Stämme aus?“, ging es mir an dieser Stelle durch den Kopf. Der Westen also unschuldig? Immerhin räumte der Autor ein: Begangene Sünden des Westens hätten allenfalls als Katalysator in dieser verhängnisvollen Entwicklung gedient. Sie hätten diese beschleunigt. Nicht verursacht. Ist das nicht sehr vereinfacht ausgedrückt? Die Trümmer unter denen die frühere positiven Seiten der islamischen Welt lägen, meint der Autor, „müssen weggeräumt werden“. Damit die Menschen wieder leben lernten. Nicht die Amerikaner, noch die Staaten des Westens würden die Aufräumarbeiten in Angriff nehmen, so Schirra. Dies wollten und könnten und „dürften“ sie nicht. Aus diesen Zivilisationen selbst nur könnten die Antworten kommen. Momentan und auf sehr lange Sicht sei jedoch „ISIS diese Antwort“, breite sich aus. ISIS sei längst auch in Europa angekommen. Wir wissen ja um die jungen Leute, die in den Dschihad ziehen. Etwa 8000 Dschihadisten, selbt Mädchen und Frauen seien aus Europa ausgezogen, um in den Reihen des IS zu kämpfen. Schirra spricht nach wie vor von ISIS. Offenbar um sich diesen Begriff „Islamischer Staat“, diesem – so Bruno Schirra – „monströsem Etwas“ nicht zu einer Legitimität zu verhelfen. Das sei kein Staat, Weder gäbe es eine auf eine Verfassung gestützte noch eine religiöse Legitimität, auf das sich das Konstrukt stützen könne.

Einwurf: Unlängst äußerte eine italienische Journalistin, der IS könne sich irgendwann tatsächlich zu einem Staat entwickeln. Und würden nicht selbst die USA mit einem solchen zusammenarbeiten, wenn es in ihrem Interesse wäre?

Ängste ernst nehmen

3000 dieser Kämpfer seien wieder nach Europa zurückgekehrt: „Tickende Zeitbomben.“ ISIS werde Europa verändern; „ISIS wuchert.“ Das triebe auch hierzulande – Schirra bringt das Pegida-Beisspiel von Dresden – Zehntausende gegen die Islamisierung Europas auf die Straßen. Doch eine Islamisierung finde nicht statt. Wir seien vielmehr vom Terror bedroht. „Nicht von einer Religion.“ Die Demonstranten seien von der Angst vor dem Terror auf den Straßen. Das sei vom Demonstrationsrecht gedeckt. Sie als rechtspopulistisch „oder gar schlimmeres zu diffamieren“, sei kontraproduktiv. Man müsse deren Ängste ernst nehmen und helfen abzubauen. Auch an dieser Stelle stößt mir Vereinfachung auf. Wissen wir doch, dass die Motivationen der Pegidisten breit gefächert sind.

Ein deutscher Töter, auf Schwäbisch“

Er lese, bekennt Schirra, zweimal im Jahr den ganzen Koran. Und darin habe er nichts gefunden, worauf sich ein IS berufen könne. ISIS sei „schlicht und einfach eine Terrorbande“. Überall, auch hier in Europa verbreite ISIS Angst. Unsere Individualität, die Freiheit, unsere Werte seien durch diese Terroristen bedroht. Ende vergangenen Jahres hatte sich Schirra mit diesen Leuten getroffen.„Ein deutscher Töter, auf Schwäbisch“ inmitten der Wüste etwa 20 Kilometer von Erbil entfernt saß Bruno Schirra gegenüber und habe sich mit ihm unterhalten. Surreal! Ihm sei von jenem schwäbisch sprechenden Kämpfer auf die Frage, warum er hier sei „glasklar gesagt worden“: „Du bist hier, weil du ein nützlicher Idiot bist.“ Der Terrorist hatte sich zuvor bestens über Schirra informiert. Er als Journalist solle das Gedankengut des IS transportieren. Der Schwabe gab gegenüber dem deutschen Journalisten zu getötet und Viele getötet zu haben. Auf die Frage aber, ob er denn auch Kinder getötet habe, indes erntete Schirra Schweigen. Ein Ziel der ISIS-Leute sei es, erfuhr Schirra, die USA wieder zurück in den Irak zu bringen. Das sei gelungen. Der Kämpfer: Sie werden im Sumpf versinken. Aber auch nach Europa, ja: auch nach Deutschland werde der Terror kommen, wurde dem deutschen Journalisten versichert.

Der Mord an Osama bin Laden, ein guter?

Der Westen habe ISIS mehr oder weniger verschlafen. Man sei dort froh gewesen, „dass der dumme Krieg des George Walker Bush im Irak“ (Barack Obama) endlich zu Ende war. Und dass Osama Bin Laden getötet wurde. Das sei zwar Mord gewesen. Aber ein „guter Mord“, wie Schirra meint.

Aber, frage ich: Kann es für einen Demokraten, Befürworter und Verteidiger des Rechtsstaats, der Bruno Schirra gewiss ist, einen „guten Mord“ geben? Und antworte: Nein!

Bruno Schirra: Der Anführer des „Islamischen Staates“ ist ,„ein sehr kluger, Mensch“

Die USA hätten den Irak verlassen. Abu Bakr al-Baghdadi , der Anführer des „Islamischen Staates“,

,„ein sehr kluger, Mensch“ (Bruno Schirra) „hat sein Ziel taktisch und strategisch ausformuliert und durchexerziert“. Das Ergebnis sehe man heute. Es könne sein, erkennt Schirra völlig richtig, dass Abu Bakr al Baghadadi morgen getötet würde. Dann folge ihm schon bald ein neuer al Baghdadi.

Abermals ein Widerspruch in Bruna Schirras Denke: Meinte er nicht nur Minuten zuvor indirekt, mit der Beseitigung Osama bin Ladens sei quasi ein Problem gelöst?

Wir befinden uns im Krieg“

Das gegenwärtige Problem jedoch schätzt Schirra unzweifelhaft richtig ein: „Wir befinden uns im Krieg. Dies ist ein Krieg, der uns erklärt worden ist. Nicht wir haben ihn erklärt.“ Und: „Wir, Europa sei diesen Krieg hilflos ausgesetzt. Das ist meine These“, meint der Autor. Der globale Dschihad habe Europa fest im Visier. Aus sei dieser auf weiche Ziele. Es könne überall passieren. Auch in Dortmund. Wenn uns ein französischer oder deutscher Politiker erkläre, wir seien sicher, dann lüge der. Zweifellos hat Bruno Schirra auch damit recht. Denn absolute Sicherheit gibt es ohnehin nicht. Der Journalist bekennt: Die Freiheit möchte er nicht eingeschränkt wissen, um eine vermeintliche Sicherheit zu gewinnen. Und auch da liegt Schirra richtig: Die Wahrscheinlichkeit, dass ihm einiger der Wahnsinnigen Leute vom „ISIS“ den Kopf abschneide sei relativ gering. Einen Verkehrsunfall zu erleiden ist wesentlich höher.

Fragen

An dieser Stelle konnten aus dem Publikum Fragen gestellt werden. Und die wurden verständlich in großer Zahl gestellt.

Nun räumt Schirra ein: Der IS sei de facto ein Staat. Immerhin beherrsche das Konstrukt ein Territorium, das größer ist als ganz Großbritannien. Und sie würden zwar hin und wieder auch Gebiete verlieren, jedoch voraussichtlich lange ein großes Territorium beherrschen. Sie hätten Geld, haben Ressourcen. Und das Schlimmste: „Sie haben auch Unterstützung von den Menschen. Die Mehrzahl der Menschen in Mossul“ etwa, „mag ISIS“.

Plötzlich wieder ein Widerspruch in den Darlegungen Bruno Schirras: Sagte er eingangs noch, sei der IS sei kein Staat und könne sich auf keine religiöse Legitimität stützen, tönt er nun so: ISIS könne sich sehr wohl auf den Koran berufen: „Es steht geschrieben. Es ist überliefert in den Hadithen.“ Schirra spricht von der „Janusgesichtigkeit des Islams“.

Zwischenfrage in meinem Kopf: Ist „der“ Westen nicht auch janusgesichtig? Trotz Aufklärung und dem ständige Postulieren der Menschenrechte, während manche Staaten sie selbst verletzen – Stichwort: Guantanamo?

Schirra: Eine Veränderung muss aus den Reihen der Muslime kommen

Der Autor spricht vom „Islam“, meint aber wohl eher den Koran. Lamya Kaddor erklärte es letztes Jahr – ebenfalls in Dortmund so: Der Koran sei sehr offen gehalten, sodass er „gar nicht so konkret ist“, wie man gemeinhin immer meine. Heißt: Auch Terroristen können sich u.a. auf Koran-Stellen berufen. Viele können das. Wenn sie nicht zu differenzieren gelernt haben. Doch halt: Gerade Suren, in den Gewalt gegen andere vorkommt, müssen nicht zuletzt im Kontext auch der Zeit Mohammeds verstanden werden. Die eine Zeit der Kriege war. Wissen ISIS-Leute, dass es im Koran auch eine Stelle gibt, die den Propheten selbst kritisiert? Fakt ist, was Schirra ausführt: Der ISIS könne sich auf „theologische Grundlagen stützen“. Den ISIS differenziert nicht. Und der Koran ist unveränderbar. Gewiss: Das macht es schwer. Ja, Bruno Schirra, eine Veränderung muss aus der Gemeinschaft der Muslime kommen.

Und der Westen hat damit überhaupt nichts zu tun?

ISIS sei stark, beherrsche inzwischen auch 30 Prozent von Libyen. „ISIS hängt an einem nicht enden wollendem Tropf“, sagte Schirra. „Terror braucht Geld.“ Und das ist reichlich vorhanden. Alles richtig. So schlimm. So schlecht. Und der Westen hat damit überhaupt nichts zu tun? Wenig bis nichts darüber bei Bruno Schirra. Vielleicht in dessen Buch? Das habe ich noch nicht gelesen. Nichts darüber, dass einst nach dem Sturz Saddam Husseins dessen Armee so ziemlich komplett zerschlagen wurde. Ein großer Fehler. Enttäuschte und gedemütigte irakische Ex-Soldaten und Offiziere liefen nun teils mit Kriegsmaterial in die Reihen des IS über. Die Zerstörung der Staatlichkeit Libyens als Folge westlicher Ein- und Angriffe? Alles nichts damit zu tun? Haben die USA so rein gar nichts mit dem Entstehen des IS zu schaffen, bzw. haben die zumindest ein Auge zugedrückt? Nur Verschwörungstheorie? Man denke an Afghanistan, an die Unterstützung Washingtons der Mudschahedin gegen die Sowjetunion.

Vom Brandstifter zum Feuerwehrmann

Einen Widerspruch immerhin benennt Schirra: Engste Verbündete der USA seien „vom Brandstifter zum Feuerwehrmann“ gemacht worden. Länder wie Saudi-Arabien, Terrorunterstützer seit Jahren, auch Finanzier von IS, kämpft nun gegen eben diesen! Absurd. Schirra spricht Klartext: „Wenn der neue saudische König sage, er unterstütze keinen Terror, dann lügt der Mann.“ Und die Türkei, der Nato-Partner, wird benannt. Europäische IS-Aspiranten, das weiß man auch hier im Westen, brauchen nur nach Istanbul fliegen und Taxi oder Bus an die syrische Grenze fahren. Die Sicherheitsorgane lassen sie hinüber zum IS. Verwundete IS-Kämpfer werden in türkischen Krankenhäusern kurz hinter der Grenze – kostenlos! – behandelt. Ja, das ist ein Skandal!

Wie wäre der IS zu stoppen, fragt ein Zuhörer, durch Austrocknen der finanziellen Unterstützung? Die Antwort Schirras: Theoretisch ja, zum Teil. Praktisch, wirksam, kaum. Auf eine weitere Frage, ob sich aus dem Islam, respektive dem Koran, „über fünf Ecken“, eine Legitimierung der Taten des ISIS herauslesen lasse, sagte Schirra: „Wir reden nicht über das Problem des Islamismus. Wir reden über das Problem Islam.“ Der Dschihadist könne sich auf die Grundlagen des Islam berufen. Auch ein Terrorist? Womöglich. Wir erinnern uns an die Worte Lamya Kaddors. Fraglich dennoch.

Auslegungssache

Schirra, der mehrmals an diesem Abend betonte, er sei kein Christ, verweist auf das Christentum: Das gebe dem Christ keine Legitimierung etwa zum Verbrennen von rothaarigen Frauen. Die Grundlagen des Islam, der Koran, „I’m so much sorry, gebe ihm die Grundlage“, so Schirra, verpflichte mich sogar unter Umständen als gläubigen Muslim dazu. Eine Zuhörerin bat um eine Stelle aus de Koran, die das belege. Schirra inhaltlich aus dem Koran: „Und das sind die, die wider Allah und seinen Gesandten versündigen, sie müssen gekreuzigt und getötet werden.“ Da fange das spannende „Thema der Exegese“ an. „Oder der Kontextualisierung.“

Eben! Schirra sagte doch nur kurz vorher: Der Koran verpflichte mich sogar „unter Umständen“ Und das bedeutet doch zumeist in Kriegen und bei eigener Bedrohung, oder? Auslegungssache, gewiss.

Kulturimperialist

Wie aber nun den IS – oder ISIS, wie Schirra das Konstrukt bezeichnet – bekämpfen? Bruno Schirra bezeichnete sich als „Kulturimperialist“. Und die westlichen Werte hätten Standard in der Welt zu sein. Welch Hybris! „Der westliche Standard ist der richtige!“

Abgesehen von dieser fahrlässigen Überhebung: müssen wir uns nicht auch fragen, ob unsere so hochgepriesenen westlichen Werte überhaupt noch von uns selbst eingehalten werden? Ob da nicht eine reichliche Portion Heuchelei im Spiele ist? Meint Schirra nicht, dass das auch die Menschen in der islamischen Welt das westliche Doppelspiel durchschaut haben? Was freilich keine Entschuldigung für die Taten des IS sein kann. Ich empfehle betreffs des Zustandes unsere Werte die Worte Bazon Brocks. Sie wurden zwar in andere Sache gegeben, sagen aber doch einiges aus. Und das ist wenig rühmlich für den Westen.

ISIS durch Krieg und mithilfe „westlichen Werten und Standards“ vernichten?

ISIS müsse, so Schirra entschlossen, müsse vernichtet werden. „Mit allem was dazu gehört. Und das heißt Krieg.“ Meiner Meinung nach liegt Schirra damit grandios falsch. Auf unsere Werte müssten wir stolz sein. Ach? Und diese verteidigen. Ich frage. Welche? Und auf welche Weise? Wir, so Bruno Schirra würden Anschläge in Europa und „israelische Verhältnisse“ bekommen. Ein Beispiel sollten wir uns deshalb an den Reaktionen der israelischen demokratischen Gesellschaft nehmen.

Mit Krieg und mithilfe von „westlichen Werten und Standards“ also gegen „ISIS“? Wenn das, wie jede US-amerikanischen Drohne, die irgendwo in der islamischen Welt in eine Hochzeitsgesellschaft und rauscht und tötet und jeder Palästinenser der unschuldig totbombardiert wird, nicht mal wieder ein – wie es Jürgen Todenhöfer klar benennt – ein „Terrorzuchprogramm“ wird?

Fazit

Nichtsdestotrotz: Ein hochinteressanter, aber in Teilen, betreffs des Gesagten als widersprüchlich zu bezeichnender Abend mit Bruno Schirra in der Dortmunder Auslandsgesellschaft.

Zum Buch:

Dennoch sei das Buch empfohlen. Vielleicht lösen sich bei dessen Lektüre – ich habe es noch nicht gelesen – die hier aufgezeigten Widersprüche auch auf?

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Kunduz-Massaker: Oberst Klein befördert, Hinterbliebene ohne Schadensersatz – Jürgen Todenhöfer zahlt aus eigener Tasche 10 000 €

Margot Käßmanns Einschätzung „Nichts ist gut in Afghanistan“ gilt nach wie vor. Sie erinnern sich an den im September 2009 vom deutschen Bundeswehroberst Georg Klein befohlenen Luftschlag bei Kunduz auf zwei von Taliban entführte Armeetanklaster? Als Kommandeur des Provincial Reconstruction Teams (PRT) hatte Klein den Luftschlag auf die auf einer Sandbank im Kunduz-Fluss festgefahrenen Tankfahrzeuge befohlen. Obwohl US-amerikanische Flieger, die die Stelle überflogen und auch Bilder davon sendeten, darauf hinwiesen, dass sich Zivilisten dort befanen, die Benzin aus den Tankfahrzeugen abzapften. Die US-Flieger, sonst nicht gerade für besondere Zimperlichkeit bekannt, fragten bei Kleins Team ausdrücklich an, ob sie die Stelle im Tiefflug überqueren sollten, um die Menschen zu warnen respektive zu vertreiben. Dies lehnte Oberst Klein jedoch ab und bestand auf Bombardierung. Dabei kamen 137 Zivilisten ums Leben. Darunter Kinder

Gegen Klein wurden von der Bundesanwaltschaft strafrechtliche Ermittlungen wegen möglichen Verstoßes gegen das humanitäre Völkerrecht geführt. Sie wurden eingestellt. Wie auch das ebenfalls gegen Klein angestrengtes Disziplinarverfahren.

Kurz vor Weihnachten: Deutsches Gericht lehnt Schadensersatz ab

Vor dem Landgericht Bonn klagten Hinterbliebene der am Kunduz-Fluss Getöteten auf Schadensersatz. Jürgen Todenhöfer hat sich sehr intensiv mit dem Fall beschäftigt. Auf Facebook notierte Todenhöfer am 5. Januar diesen Jahres: „Geklagt hatten der 42-jährige afghanische Bauer Abdul Hannan und die 38-jährige Witwe Qureisha. Abdul Hannan hatte bei dem von Oberst Klein befohlenen Bombardement zwei Kinder und einen Neffen verloren, Qureisha ihren Mann. Sie ist mittellos und muss ihre sechs Kinder jetzt alleine durchbringen. (…) Ich kenne die Geschichte Abdul Hannans ziemlich genau. Ich hatte sie monatelang recherchiert und in meinem Buch „Du sollst nicht töten“ ausführlich geschildert. Ich fühle mich Abdul Hannan persönlich verbunden. Sein Schicksal und das Qureishas sind symbolisch für das Leid unzähliger Afghanen.
Und leider auch für das bürokratische Versagen unseres Staates bei der Bewältigung der Tragödie von Kunduz.“

Kurz vor Weihnachten hat das deutsche Gericht die Schadensersatzklagen der Hinterbliebenen des „Massakers von Kunduz“ (Todenhöfer) abgewiesen. Sein Argument: Oberst Klein habe nicht gegen seine „Amtspflichten“ verstoßen. Obzwar Klein Aussagen von Vorgesetzten zufolge gelogen hatte! „Feindberührung“, wie von Klein zur Begründung ins Feld geführt, hatte nicht bestanden. Insofern war das mörderische Bombardement nicht gerechtfertigt.

Die Gerichtsentscheidung ist die eine Sache. Über das bisherige Handeln der Bundesregierung in dem Fall und erst recht die Reaktion auf den Ausgang des Gerichtsverfahrens kann man nur mit dem Kopf schütteln. Jürgen Todenhöfer beklagt: „Bis heute hat kein Mitglied der deutschen Bundesregierung die Opferfamilien von Kunduz besucht oder sich bei ihnen entschuldigt. Die in bitterer Not lebenden Familien haben lediglich 3.600 Euro erhalten. Bei Abdul Hanan waren das 1.200 Euro pro ermordetem, verkohltem Kind.“ Empörend! Bitter für die Zurückgebliebenen.

Statt Bestrafung Beförderung – Kann Georg Klein noch ruhig schlafen?

Wie entsetzt müssen die Hinterbliebenen der im September 2009 am Kunduz-Fluss ermordeten Menschen erst gewesen sein, als sie erfuhren, dass Oberst Klein inzwischen zum Brigadegeneral befödert worden war? „Wäre er auch zum General befördert worden, wenn er versehentlich 137 deutsche Zivilisten zu Tode gebombt hätte?“ fragt Jürgen Todenhöfer und schreibt dem nunmehrigen Brigadegeneral ins Stammbuch: „Wenn Klein ein Mann von Charakter wäre, hätte er die Beförderung abgelehnt. Doch Charakter scheint Glücksache zu sein.“ Und ich frage: Kann Georg Klein eigentlich noch ruhig schlafen?

Die Bunderegierung hätte nach geeigneten Möglichkeiten Ausschau halten können, den Hinterbliebenen zu helfen

Wie schon notiert: Der Ausgang des Gerichtsverfahrens ist die eine Sache. Aber hätten es dann nicht der normale Menschenverstand und der Anstand erfordert, dass die Bundesregierung wenigstens nach geeigneten Möglichkeiten Ausschau gehalten hätte, den Hinterbliebenen zu helfen? Die Menschen in Afghanistan registrieren nämlich sehr genau, wie mit diesem Fall von deutscher Seite umgegangen wird. Aber höchstwahrscheinlich haben kühl denkende Bürokraten, Juristen und Regierungsbeamte nur sorgsam darauf geachtet, dass bloß nichts unternommen wird, dass nach einem Schuldbekenntnis Deutschlands riechen könnte. Empörend!

10.000 Euro für Decken und Heizmittel

Immerhin hat Jürgen Todenhöfer gehandelt. Kurz vor Weihnachen hat er den in Frage stehenden afghanischen Familien aus seiner „eigenen Tasche 10.000 Euro überwiesen“. Bestimmt ist diese Summer für „Decken und Heizmittel“. Die Verteilung von Brennholz soll in diesen Tagen beginnen. Todenhöfer habe damit zeigen wollen, „dass die Bunderegierung mit ihrer harten Haltung nicht im Namen aller Deutschen handelt.“ Ein direkte und persönliche Überweisung wollten Adbul Hanan und Qureisha – „als demonstrative Geste für zwei Symbolfiguren Afghanistans“ (Todenhöfer) – nicht. Stattdessen baten sie mit dem Geld Heizmittel für alle Opferfamilien zu kaufen. Jürgen Todenhöfer zu dieser Entscheidung: „Was für tolle Menschen!“

Verteidigungsministerium blieb gewehrlaufkalt

Gerne würde man auch der Bundesregierung Lob für entsprechende Gesten gegenüber den Hinterbliebenen zollen. Doch in den zuständigen Ministerien hausen anscheinend nur trockene, seelenlose, aufs Funktionieren im Regierungsgetriebe programmierte Beamtenkörper in sachlich kühl gehaltenen Bürokratenstuben. Dem zu dieser Zeit noch amtierenden Verteidigungsminister de Maizière schickte Todenhöfer laut Facebook-Eintrag sein Buch „Du sollst nicht töten“. Und zwar ausdrücklich mit „der Bitte, die Schicksale der Opfer von Kunduz einmal in Ruhe zu studieren und seine Haltung zu überdenken“. Dort blieb man hart und kalt wie stählerne Gewehrläufe für gewöhnlich sind: Das Verteidigungsministerium hat die Annahme des per Kurier übersandten Buches verweigert, vermeldet Jürgen Todenhöfer und schließt folgendermaßen: „Wie erbärmlich!“ Menschlichkeit Fehlanzeige. Traurig. Ich empöre mich! Frau von der Leyen, übernehmen Sie! Ich fürchte allerdings auch von der Chefin des Bendler-Blocks ist da nicht viel zu erwarten. Oder hat jemand irgendwann einmal verspürt, dass diese Frau – im Fernsehen an einen eiskalten Engel gemahend – sonderliche Herzenswärme verströmte?

„Nichts ist gut in Afghanistan“

Ich trete dann mal empört weg. So geht man nicht mit Menschen um. Erst recht nicht mit Mordopfern. Die Nicht-Reaktion der Bundesregierung ist mehr als ein Armutszeugnis. Nicht in meinem Namen!

„Nichts ist gut in Afghanistan.“ Was wurde Margot Käßmann damals verbal verdroschen für diesen Satz. Aber er stimmt heute um so schlimmer. Erst recht, was den hier behandelten Fall angebelant. Jürgen Todenhöfer hat immerhin gezeigt: Es gibt noch ein anderes Deutschland neben dem offiziellen …