Der mit 5000 Euro dotierte taz-Panter Preis wird von der tazPanter Stiftung vergeben – zum dritten Mal in Folge an Menschen, die sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Klimakrise engagieren. Dieses Jahr geht es unter dem Motto „Klima für Gerechtigkeit“ um einen Klimaschutz, der sozial gerecht gestaltet wird.
Der Jury-Preis 2022 wurde am gestrigen Abend in Berlin an Peter Emorinken-Donatus vergeben. Der Geehrte schrieb auf Facebook, er habe den Preis gern stellvertretend für #KenSaroWiwa und die anderen 8 Ogoni-Aktivisten (die sogenannten Ogoni Nine) übernommen, die am 10.11.1995 in Nigeria hingerichtet worden waren, weil sie gegen ökologische Verwüstung ihres Landes durch #Shell protestierten.
Taina Gärtner schreibt ebenfalls auf Facebook: „Peter Donatus hat den taz-Panterpreis gewonnen! Absolut berechtigt nach jahrzehntelangen Kampf auch aus dem Exil heraus gegen Ölmulti Shell, welcher aus dem Nigerdelta das größte Umweltdesaster weltweit geschaffen hat.“
„Peter Emorinken-Donatus hat große Ziele: Er will, dass Umweltverbrechen international als solche anerkannt werden. Mit einigen Rechtsexpert:innen bereitet er gerade eine Klage gegen den Shell-Konzern vor. Der hat in seiner Heimat Nigeria die Lebensgrundlage in ganzen Regionen vernichtet. Emorinken-Donatus will auch erreichen, dass Ökozide als Verbrechen gegen den Frieden international anerkannt werden. Und darüber hinaus will er, dass Umweltverbrechen endlich als Fluchtgrund in die Genfer Flüchtlingskonvention aufgenommen werden.
Seit 1990er Jahren berichtete Donatus regelmäßig über Umweltverbrechen und Korruption in Nigeria. 1995 wurde Ken Saro-Wiwa vom nigerianischen Regime zusammen mit acht weiteren Aktivisten hingerichtet. „Ich kann meine Lebensgeschichte nicht ohne diese Kämpfe schreiben“, sagt Donatus. „Es ist eine Lebensaufgabe.“
In Nigeria organisierte Emorinken-Donatus 1989 einen Generalstreik, wurde inhaftiert, gefoltert – und floh schließlich nach Deutschland. Das hielt ihn nicht davon ab, Kampagnen gegen Shell zu starten, aus dem Exil unterstützte er Opposition und Umweltaktivisten in seiner Heimat – allen voran den Alternativen Nobelpreisträger Ken Saro-Wiwa, der den Widerstand der Ogoni gegen die Ölkonzerne organisierte.
1999 wurde Nigeria demokratisch. International waren seitdem mehrere Klagen gegen Ölkonzerne erfolgreich, Shell musste sich aufgrund des öffentlichen Drucks aus dem Ogoni-Land zurückziehen. „Doch das sind nur Fortschritte im Einzelfall“, sagt Donatus. Nach wie vor versickern in Nigeria jeden Tag riesige Mengen Öl im Boden, durch das Abfackeln von Gas wird die Atmosphäre weiter verseucht. „Wir wollen, dass die massive Zerstörung, der ökologische Vandalismus durch multinationale Konzerne beendet wird.“
Doch wie kann das erreicht werden? Ein wichtiger Schritt wäre, Umweltverbrechen, die die Lebensgrundlagen ganzer Regionen zerstören, auf höchster Ebene zu kriminalisieren. Mit anderen Worten: Ökozide sollen als Verbrechen gegen den Frieden in das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs aufgenommen werden. 2021 zählte Emorinken-Donatus zu den Gründer:innen des Bündnisses Ökozidgesetz, dessen Sprecher er auch ist. Das Bündnis setzt sich dafür ein, dass der Ökozid den gleichen Rang erhält wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.
Dass Konzernmanager nach wie vor straffrei davonkommen und Menschen, die ihr Leben vor gravierender Umweltzerstörung retten müssen, sieht Donatus als ein koloniales Erbe an. Aufgewachsen ist Peter Emorinken-Donatus in Nigerias Hauptstadt Lagos, seine Eltern stammen aus dem Nigerdelta – und genau dort haben internationale Ölkonzerne über Jahrzehnte die Umwelt zerstört. Das Land ist übersät mit undichten Pipelines.“ Quelle: Facebook
Zudem ist Emorinken-Donatus eine dekoloniale Perspektive auf die Umweltzerstörung wichtig. „Die Verbrechen werden meist von westlichen Firmen und Regierungen begangen“, sagt er. „Was die Europäer anderen Völkern vor 500 Jahren angetan haben, das haben wir nicht erlebt. Aber wir erleben, was heute passiert: Praktisch alle Regionen, die als Rohstoffreservoir für Europa dienen, sind von Zerstörung betroffen.“
Umweltzerstörung als Fluchtgrund
Und das bringt Emorinken-Donatus direkt zum nächsten Anliegen: Er setzt sich dafür ein, dass Ökozid auch als Fluchtgrund in die Genfer Konvention aufgenommen wird. Kriege seien zwar ein wichtiger Fluchtgrund. „Aber noch mehr Menschen werden durch Umweltzerstörung in die Flucht getrieben. Und wenn sie das Massengrab Mittelmeer überleben, werden sie hier als Wirtschaftsflüchtlinge disqualifiziert.“
Hinzu kommt: Laut UN-Angaben stammen weltweit 90 Prozent der Geflüchteten aus jenen Ländern, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Deshalb müsse die UN-Flüchtlingskonvention dringend aktualisiert werden. „Die Genfer Konvention entstand als Reaktion auf einen Weltkrieg, den Deutschland angezettelt hatte. Es ging damals um die Versorgung europäischer Flüchtlinge. Wir“, und damit meint Donatus die Bewohner des Globalen Südens, „wir waren ja gar nicht gemeint.“
Das UN-Umweltprogramm zog 2011 den Schluss, dass Shell und andere Konzerne das rund 1.000 Quadratkilometer große Ogoniland, einen Teil des Deltas, bis zu einer Bodentiefe von fünf Metern verseucht hatten. Das zu sanieren, so damals der Bericht, würde 30 Jahre dauern. Doch bis heute ist das nicht geschehen.
Und was würde Emorinken-Donatus mit dem Preisgeld machen, sollte er gewinnen? „Es wäre eine sehr große Unterstützung“, die seiner Kampagnenarbeit zugute kommen würde, sagte er. Denn diese werde allein durch „private Mittel und Spenden“ finanziert – und letztere fließen derzeit nur spärlich.
Hinweis: Meinen sehr verehrten Leserinnen und Lesern möchte ich einen früheren Beitrag von mir empfehlen, worin Sie mehr über den Menschenrechtsaktivisten und Journalisten Peter Donatus erfahren, welcher sich seit mehr als 30 Jahren mit den Umweltsünden des Shell-Konzerns in Nigeria befasst. Dort können Sie auch eine Videoaufzeichnung von seinem seinerzeit in Dortmund gehaltenen Vortrag sehen.
Peter Emorinken-Donatus erinnerte auf der Veranstaltung daran, dass Nigeria von der wohl größten Flutkatastrophe, die das Land je erlebte, heimgesucht wurde. Er beklagte, dass die hiesigen Medien so gut wie keine Notiz davon genommen haben. Er ruft dringend zu Spenden auf:
Sehen Sie eine Aufzeichnung von der Preisverleihung am gestrigen Abend:
Für diesen Sonnabend ruft die African Black Community, ABC, zum Gedenkmarsch für die Opfer der »Maafa« auf. Der Begriff stammt aus dem Kiswahili und bedeutet so viel wie »die große Zerstörung« in Afrika, also Verbrechen wie Versklavung, Kolonialismus, Genozide. Warum gehen Sie nun in Berlin auf die Straße?
Schon seit 16 Jahren fordern die ABC und das Komitee für ein afrikanisches Denkmal in Berlin, KADIB, dort ein Mahnmal. Wir haben uns ganz bewusst für die deutsche Hauptstadt als Standort entschieden, aufgrund der kolonialgeschichtlichen Verantwortung dieses Landes und dessen Verwicklung in die aktuellen Miseren Afrikas. Unser Protest richtet sich gegen koloniale Kontinuitäten, Rassismus auf allen Ebenen sowie die tödliche EU-Migrationspolitik. Der Gedenkmarsch erinnert an die von Reichskanzler Otto von Bismarck initiierte sogenannte Westafrika-Konferenz in Berlin. Die endete am 26. Februar 1885 damit, dass europäische Großmächte den afrikanischen Kontinent wie einen Kuchen unter sich aufteilten. Die Folgen spüren wir bis heute – auch in Form von Gewalt, die Neonazis gegen die Black Community anwenden.
Aufruf
„Wir wollen die Rehabilitierung der Geschichte #Afrika|s. Deswegen rufe ich Euch alle, massiv an dem Gedenkmarsch teilzunehmen.“
Moctar Kamara. Foto: C. Stille
– Moctar Kamara
[Langjähriger #PanAfrican|Aktivist, Ex-Vorsitzender des Zentralrats der afrikanischen Gemeinde in Deutschland, des Afrika-Rats Berlin Brandenburg, Gründungsprecher des Migrationsrats Berlin Brandenburg, Mitglied des #African Black / Community, ABC, des Komitees für ein afrikanisches Denkmal in Berlin, #KADiB etc.]
26.02. (11 Uhr), Berlin (Wilhelmstraße 92)
16. Gedenkmarsch zu Ehren der afrikanischen / Schwarzen Held*innen und Opfer der #Maafa
„Wir brauchen eine Erweiterung der Erinnerungskultur. Man kann die Singularität der Shoah herausstellen und trotzdem sagen: es gibt Vorläufer auch im Kolonialismus.“
– Prof. Jürgen Zimmerer (Globalhistoriker, Universität Hamburg)
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„Hinter der Behauptung vom angeblichen Tabu des Vergleichs steht das Interesse, die Besonderheit des Holocaust im Verhältnis zu anderen Verbrechen des 20. Jahrhunderts einzuebnen.“
– Prof. Sybille Steinbacher (Historikerin, Universität Frankfurt)
„Es heißt, solange die Löw*innen ihre Bücher nicht selber schreiben und ihre Erinnerungen nicht selber erzählen, werden die Jagdberichte immer zum Ruhm der menschlichen Jäger geschrieben werden“, das schrieb 2015 Marianne Ballé Moudoumbou, Pan-African Women’s Empowerment Organisation (PAWLO) e. V.
Das Thema „Koloniales Erbe“ bleibt hierzulande aktuell, rassismuskritisch brisant, außenpolitisch und vor allem für die Betroffenen in Afrika und anderen kolonisierten Gebieten des sog. Globalen Südens existentiell wichtig. Die deutsche Erinnerungskultur ist diesbezüglich jedoch sehr selektiv. Um einen Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu spannen und in Anlehnung an die Forderungen des Komitees für ein afrikanisches Denkmal in Berlin (KADiB) und des Netzwerks African / Black Community (ABC), fordere ich mit dieser Petition die Einrichtung eines zentralen Denkmals in Berlin als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus.
534 Jahre nach Beginn der Maafa in Afrika. 500 Jahre nach Beginn der Transatlantischen Versklavung. 137 Jahre nach Besiegelung der Transformation von Versklavung in Kolonialisierung Afrikas (Berliner Afrika-Konferenz). 117 Jahre nach den unbeschreiblich grauhaften Genoziden der Deutschen an den Herero und Nama im heutigen Namibia. 77 Jahre nach der Zwangsrekrutierung und Zwangsbewirtschaftung Afrikas im Zweiten Weltkrieg und der Internierung und Ermordung von Schwarzen in KZ’s in Deutschland – ausgetrickst, ausgegrenzt, ausgebeutet, missbraucht und getötet, undokumentiert und vergessen. 92 Jahre nach der historischen antikolonialen und antirassistischen Aba-Frauenrevolte (auch als „Frauenkrieg“ genannt) im Südosten des heutigen Nigerias. 60 Jahre nach der Ermordung von Patrice Lumumba im Kongo. 57 Jahre nach der Ermordung von Malcolm X (USA) und 54 Jahre nach der Ermordung von Martin Luther King (USA). Mehr als 45 Jahre nach dem Soweto-Massaker im Apartheidsüdafrika. 31 Jahre nach dem Mord an Amadeu Antonio in Eberswalde. 21 Jahre nach der Hinrichtung des Umweltaktivisten Ken Saro-Wiwa (Nigeria) und acht seiner Mitstreiter. 17 Jahre nach der Ermordung von Oury Jalloh in Dessau. 13 Jahre nach der Ermordung von Marwa El-Sherbini in Dresden. 11 Jahre nach dem Mord an Christy Schwundeck im Jobcenter Frankfurt am Main. Acht Jahre nach Lampedusa. Drei Jahre nach der Ermordung von Marielle Franco in Rio de Janeiro, Rita Awour Ojungé in Hohenleipisch und des Psychiatriepatienten William Tonou-Mbobda in Hamburg-Eppendorf. Mehr als eineinhalb Jahre nach der Ermordung von George Floyd in Minneapolis (USA), fordern wir auch in diesem Jahr die Einrichtung eines zentralen Denkmals in Berlin als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus.
Seit mehreren Jahrzehnten fordern afrikanische / Schwarze Verbände, Organisationen, Initiativen, Aktivist*innen und ihre Unterstützer*innen die Errichtung eines zentralen Denkmals in Berlin als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus. Auch in diesem Jahr gehen wir wieder auf die Straße (Berlin, Wilhelmstraße 92), wohlgemerkt zum 16. Mal in Folge, um, u.a., dieser Forderung Nachdruck zu verleihen: 16. Gedenkmarsch zu Ehren der afrikanischen / Schwarzen Held*Innen und Opfer der Maafa („Maafa“ stammt aus dem Kiswaheli und bedeutet „Die Große Zerstörung“, sprich: Versklavung, Kolonialismus und Genozide, Neokolonialismus und Ökozide, Nazismus und Rassismus). Wir protestieren ebenso gegen Koloniale Kontinuitäten, gegen den Rassismus auf allen Ebenen aber auch gegen die rassistische und tödliche Migrationspolitik Europas gegenüber Afrika.
Anlässlich diesjährigen Gedenkmarsches bitte ich Sie darum, uns zu helfen, mit Ihrer Unterschrift, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen zur Errichtung eines zentralen Denkmals in Berlin als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus und zur Aufarbeitung des deutschen kolonialen Erbes rasch und inklusiv umzusetzen – inklusiv, weil: alles über uns, ohne uns, ist gegen uns!
Aus dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, S. 125, Kapitel VI, Abschnitt „Koloniales Erbe“):
„Um die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte voranzutreiben, unterstützen wir auch die Digitalisierung und Provenienzforschung des kolonial belasteten Sammlungsgutes und dessen Zugänglichmachung auf Plattformen. Im Dialog mit den Herkunftsgesellschaften streben wir Rückgaben und eine vertiefte ressortübergreifende internationale Kooperation an. Wir unterstützen insbesondere die Rückgabe von Objekten aus kolonialem Kontext. Außerdem entwickeln wir ein Konzept für einen Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus.“
Die neue Bundesregierung muss ernsthafte Taten erkennbar folgen lassen. Wir brauchen keine Beruhigungspillen! Denn: Wir fürchten aus mehr als 500 Jahren Erfahrung doch, dass solche Ankündigungen wie die der neuen Bundesregierung am Ende nur Lippenbekenntnisse bleiben.
Schon der Initiator des Komitees für ein afrikanischen Denkmals in Berlin (KADIB), Prof. Kapet de Bana† (RIP) mahnte: „Wenn es sich darum handelt, wechselhafte Geschichtsvorfälle von mehr als fünf Jahrhunderten, wie Genozidverbrechen wiedergutzumachen, welche zur geistigen, kulturellen, religiösen Verfremdung, zur wirtschaftlichen Beherrschung, Militärbesetzung, Plünderung der Naturschätze, Marginalisierung der versklavten Bevölkerungen geführt haben, werden Sie begreifen, dass es eine ganze Generation, sogar Generationen bedarf, um die Herausforderung anzunehmen.“
Prof. Kapet de Bana mahnte stets an das Recht auf Erinnerung und die Pflicht zur Erinnerung: „Während wir marschieren, werden die Gebeine unserer Vorfahren und die Artefakte, die unsere Kulturen und kulturellen Reichtümer bewahrt haben, immer noch in deutschen / europäischen Museen ausgestellt. Wir fordern die Rückführung von allem, was von Deutschland aus Afrika gestohlen wurde.“
Die Ankündigung der Bundesregierung über die längst fällige Rückführung geraubter („heiliger“) sog. Benin-Artefakte nach Nigeria ist begrüßenswert. Auch wenn diese Entwicklungen nur als „ein Anfang“ betrachtet werden müssen, erkennen wir sie an als ein unverkennbares Etappenergebnis unserer unermüdlichen und unnachgiebigen jahrzehntlangen antikolonialen / antirassistischen Widerstandskämpfe in diesem Lande aber auch im Mutterland Afrika. Dennoch lagern tausende Gebeine unserer Vorfahren und viele unserer spirituellen Artefakte, Schätze und Statuen afrikanischer Glaubenssysteme und Kunstwerke, wie die Ngonso-Skulptur, die den Ursprung des Nso-Volkes aus Kamerun darstellt, noch immer in Kellern in Berlin und anderswo in Deutschland. Auch in Anlehnung an die Forderungen des Komitees für ein afrikanisches Denkmal in Berlin (KADiB) und des Netzwerks African / Black Community (ABC), fordere ich daher die unverzügliche und bedingungslose Rückführung aller geraubten sog. „Kolonialgüter“ sowie die Überreste unserer Vorfahren (ein Zeugnis deutschen Völkermords) nach Afrika.
Im Sinne der Agenda 2025 der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) und der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft (2015-2024) fordere ich auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit institutionellem und strukturellem Rassismus.
#AfrikaIsBleeding: Burkina Faso, Kamerun, Kongo, Elfenbeinküste, Eritrea, Äthiopien, Guinea-Conakry, Guinea-Bissau, Libyen, Mali, Namibia, Nigeria, Somalia, Südafrika, Sudan, Tunesien, Uganda, Simbabwe, um einige zu nennen.
Einladung zum Gedenkmarsch:
Der diesjährigen Gedenkmarsch zu Ehren der afrikanischen / Schwarzen Held*Innen und Opfer der Maafa findet am 26. Februar 2022, von 11:00 bis 16:00 Uhr statt. Kommt gerne vorbei. Hier findet Ihr die Facebook-Veranstaltung zum Gedenkmarsch.
Der jährliche Gedenkmarsch selbst findet in der Regel jedes Jahr am letzten Samstag des Monats Februar statt, in Anlehnung an das Ende der Berliner Afrika-Konferenz, die 1884/85 auf Einladung des Deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck stattfand (Reichskanzlerpalais Wilhelmstraße 77). In diesem Jahr ist der letzte Samstag im Februar tatsächlich der 26. Die Berliner Afrika-Konferenz begann am 15.November 1884 und endete am 26. Februar 1885. Träger des jährlichen Gedenkmarsches ist das „Komitee für ein afrikanisches Denkmal in Berlin“ (KADiB), vertreten durch das Netzwerk „African / Black Community“ (ABC).
Peter Emorinken-Donatus (ein Sprecher der African Black Community (ABC) wurde von der Zeitung junge Welt interviewt:
Peter Emorinken-Donatus. Foto: C. Stille
„Für diesen Sonnabend ruft die African Black Community, ABC, zum Gedenkmarsch für die Opfer der »Maafa« auf. Der Begriff stammt aus dem Kiswahili und bedeutet so viel wie »die große Zerstörung« in Afrika, also Verbrechen wie Versklavung, Kolonialismus, Genozide. Warum gehen Sie nun in Berlin auf die Straße?
Schon seit 16 Jahren fordern die ABC und das Komitee für ein afrikanisches Denkmal in Berlin, KADIB, dort ein Mahnmal. Wir haben uns ganz bewusst für die deutsche Hauptstadt als Standort entschieden, aufgrund der kolonialgeschichtlichen Verantwortung dieses Landes und dessen Verwicklung in die aktuellen Miseren Afrikas. Unser Protest richtet sich gegen koloniale Kontinuitäten, Rassismus auf allen Ebenen sowie die tödliche EU-Migrationspolitik. Der Gedenkmarsch erinnert an die von Reichskanzler Otto von Bismarck initiierte sogenannte Westafrika-Konferenz in Berlin. Die endete am 26. Februar 1885 damit, dass europäische Großmächte den afrikanischen Kontinent wie einen Kuchen unter sich aufteilten. Die Folgen spüren wir bis heute – auch in Form von Gewalt, die Neonazis gegen die Black Community anwenden.“ (…)
Vor 17 Jahren verbrannte Oury Jalloh in einer Zelle der Dessauer Polizei. Wurde verbrannt, muss es wohl eher richtig heißen. Denn es gab mehrere Brandversuche, Feuerexperimente, unternommen von internationalen Brandexperten – zuletzt 2021, hier mein Bericht, die sehr nahe legen, dass Jalloh sich nicht selbst angezündet haben kann. Als Schuldige kämen dann nur Polizeibeamte in Betracht. Hier finden Sie alle meine bisherigen Berichte zum Fall Oury Jalloh.
Bild von einem früheren Gedenkmarsch in Dessau. Foto: Peter Donatus
Alljährlich wird zum Protest nach Dessau aufgerufen. Am 7. Januar 2005 verbrannte Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau. An Händen und Füßen an eine Matratze gefesselt. Angeblich habe er sich mit einem Feuerzeug selbst angezündet. So kann das aber nicht gewesen sein, haben bisherige Versuche gezeigt. Und wo überhaupt kam das Feuerzeug her – wie konnte es trotz Untersuchung des in polizeiliches Gewahrsam genommenen Mannes aus Sierra Leone in die Zeller gelangen? Auch nach langen 17 Jahren ist sein Tod bis heute nicht aufgeklärt. Das ist eine Schande! Jalloh, wurde nur 36 Jahre alt. Er war Vater, Freund – ein Mensch aus Sierra Leone, der mit Duldungsstatus in Deutschland lebte.
Nach dem letzten Brandgutachten werden Forderungen nach einer Wiederaufnahme der Untersuchen laut. Warum wurde all die Jahre soviel vertuscht?
Empörend: die Polizei wie auch der Staat haben in diesem Fall versagt. Ähnlich wie im NSU-Komplex und bei den Ermittlungen zum Berliner Weihnachtsmarkt-Attentat. Und noch viel früher beim Anschlag auf das Münchner Oktoberfest. Da wird vertuscht und gelogen, um Schaden vom Staat abzuwenden. Aber genau das Gegenteil tritt ein, wenn keine abschließende und letztlich aufklärende Ermittlung und die Bestrafung der Täter erfolgt.
Im Fall Oury Jalloh wurde bislang lediglich der Dienstgruppenleiter jener Nacht, in welcher Jalloh im Dessauer Polizeirevier in Gewahrsam war in der ersten Revision 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von knapp 11.000 Euro verurteilt wurde. Ihm wurde vorgeworfen, er hätte Jalloh hätte besser überwachen müssen. Stattdessen hatte er diese abgestellt, so dass der Brand erst zu spät bemerkt werden konnte.
Diejenigen, welcher morgen in Dessau des Todes von Oury Jalloh gedenken und gegen die empörende Nicht-Aufklärung protestieren und klagen weiter an: „Oury Jalloh – das war Mord“. Siebzehn Jahre nach dessen Tod werden sie nicht müde, akribische Aufklärung und Bestrafung der Täter zu fordern.
Im Lichte der aktuellen Bestandsaufnahme sowie des jüngsten Brandgutachtens steht zum 17. Todestag Jallohs nun erneut die Forderung nach einer Wiederaufnahme der Mordermittlungen auf der Tagesordnung.
Informationen über Anreisemöglichkeiten nach Dessau für den 7. Januar 2022 hier.
Die Internationale Unabhängige Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Tod des Oury Jalloh
Offener Brief
von Mouctar Bah, Freund von Oury Jalloh, an Generalbundesanwalt, Justizminister und Innenministerin
Anlässlich des 17. Todestag von Oury Jalloh fordert Mouctar Bah, enger Freund von Jalloh und Aktivist, von der neuen Bundesregierung eine lückenlose Aufklärung. Sein Einsatz ist unermüdlich und unentbehrlich. Ohne ihn und die Aktiven der Initiative Oury Jalloh wäre sein Fall heute sicher kein Thema mehr. Seinen offenen Brief, mit dem er nach einem neuen Gutachten erneut appelliert, haben zahlreiche, namenhafte Personen und Organisationen aus Wissenschaft, Kultur, Medien und Zivilgesellschaft unterschrieben.
Mouctar Bah Freund von Oury Jalloh und Aktivist in der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh Dessau, 6.1.2022
BREAK THE SILENCE – OFFENER BRIEF
An Herrn Generalbundesanwalt Peter Frank, an Herrn Justizminister Marco Buschmann, an Frau Innenministerin Nancy Faeser,
Unser Bruder Oury Jalloh wurde am 7. Januar 2005 von deutschen Polizisten in einer Polizeizelle in Dessau-Roßlau verbrannt. Er wurde ohne Gerichtsbeschluss festgehalten und an Händen und Füßen an eine feuerfeste Matratze gefesselt. Fast 17 Jahre sind seit seinem grausamen Tod vergangen. Doch von Beginn an stellte die ermittelnde Polizei und staatliche Behörde die Lüge auf, er habe sich selbst angezündet. Noch heute halten sie trotz gegenteiliger Evidenz an dieser Behauptung fest. Daher kämpfen wir, Oury Jallohs Familie, Freund*innen und viele Aktivist*innen seit fast 17 Jahren für Aufklärung, Gerechtigkeit und dafür, die Wahrheit aufzudecken. Mit diesem offenen Brief wende ich mich anlässlich des Todestags daher heute an Sie.
Neues, unabhängiges Gutachten
Im November 2021 wurden die Ergebnisse eines weiteren, unabhängigen forensischen Gutachtens veröffentlicht, das von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh organisiert wurde. In Zusammenarbeit mit internationalen Expert*innen aus Film, Performance und Wissenschaft wurde dabei tatortgetreu die Zelle 5 des Dessauer Polizeireviers rekonstruiert. Die durchgeführten Bewegungs- und Brandversuche bestätigten erneut, dass Oury sich nicht selbst angezündet haben kann.
Im Einzelnen führen die Versuche zu folgenden Schlüssen:
● Oury Jalloh hatte in der Vier-Punkt-Fixierung nicht den ausreichenden Handlungsspielraum, um die feuerfeste Matratze selbst anzuzünden.
● Es wurde mit Sicherheit Brandbeschleuniger verwendet (möglicherweise ca. 2,5l Benzin).
● Die Zellentür muss offen gestanden haben, um eine ausreichende Luftzufuhr für die tatsächlich Branddauer von einer halben Stunde zu gewährleisten.
Nur unter diesen Parametern war es möglich, das Brandbild des Tatorts vom 07.01.2005 zu rekonstruieren. Dies untermauert die auf forensisch-wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen Fakten: Oury Jalloh wurde in der Zelle 5 in der Dessau-Roßlauer in Polizeigewahrsam gefoltert und umgebracht.
Struktureller Rassismus
Spätestens seit den Black Lives Matter-Protesten wurde die Dimension von Anti-Schwarzem Rassismus auch hierzulande stärker thematisiert. Doch eine verstärkte Solidarisierung mit Oury Jalloh blieb seitens der Politik weiterhin aus. Wer in Deutschland #JusticeforGeorgeFloyd fordert, ohne die Aufklärung für ihn und weitere Schwarze Menschen zu fordern, verkennt die Realität gesellschaftlicher Macht- und Ungleichheitsverhältnisse in Deutschland.
Auch der Afrozensus, die erste statistische Befragung zu Schwarzen Lebensrealitäten in Deutschland, verdeutlicht den unzureichenden Schutz und Umgang mit Rassismus als eines der größten gesamtgesellschaftlichen Probleme in Deutschland. Die BI_PoC Communities in Deutschland und alle aktiven Unterstützer*innen wissen: Rassismus in Deutschland ist allgegenwärtig.
Bei der unabhängigen, selbstorganisierten Recherche- und Aufklärungsarbeit konnte die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh darüber hinaus feststellen, dass die ermittelnden Behörden, Gerichte und Politiker*innen neben dem Mord an Bruder Oury Jalloh (2005) auch die Morde an Hans-Jürgen Rose (1997) und Mario Bichtemann (2002) im selben Polizeirevier in Dessau-Roßlau übersehen und vertuschen wollten. Um die Dimension der Fälle zu verdeutlichen, wird seit der Veröffentlichung dieser Erkenntnisse im Oktober 2018 deshalb vom „OURY- JALLOH-KOMPLEX“ gesprochen.
2017 haben UN-Expert*innen in ihrem Bericht die rassistischen Strukturen in Deutschland stark problematisiert und zum Aufbau unabhängiger Ermittlungsstrukturen geraten. Hier wurde auch die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh genannt. Mit großer Sorge wurde neben dessen Ermordung auch die ungeklärten Todesfälle weiterer Schwarzer Menschen in Deutschland wie Christy Schwundeck, Laye-Alama Condé oder N’deye Mariame Sarr adressiert. Seit der Einberufung der „UN- Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft 2015-2024“ ist jedoch wenig geschehen.
Die Strukturen innerhalb von Justiz, Politik und Polizei sind Teil des Problems
Die Ermittlungen im Fall von Oury Jalloh wurden 2017 von der Staatsanwaltschaft Halle eingestellt und 2018 von der Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg bestätigt. Zudem lehnte 2019 nicht nur der Landtag Sachsen-Anhalt einen Untersuchungsausschuss im Fall von Oury Jalloh, sondern auch das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg den Antrag auf Klageerzwingung von der Rechtsanwältin der Familie Oury Jallohs ab. Sie wird daher Anzeige gegen die zuständigen Oberstaatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg wegen Strafvereitelung im Amt stellen, und fordert sogleich die sofortige Wiederaufnahme der Ermittlungen wegen Mordes gegen die bereits namentlich bekannten Polizeibeamten des Dessauer Reviers.
OURY JALLOH – DAS WAR MORD! – BREAK THE SILENCE!
Mouctar Bah
Bei weiteren Fragen zur unabhängigen Aufklärung, wenden Sie sich bitte an: Initiative in Gedenken an Oury Jalloh Pressekontakt: de/en +49 152 10792107 https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/ Mail: initiative-ouryjalloh@so36.net
Mitunterzeichnungen
Zusammen mit der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und vielen Unterstützer*innen stehe ich hinter der Familie.
Die bisherige Bundesregierung hat die Wahrheit nicht aufgeklärt, sich aktiv dagegen gestellt und damit an der Behauptung der Selbstanzündungsthese mitgewirkt und diese aufrechterhalten. Es ist klar, dass die Morde und polizeiliches Verschulden und Vertuschen aufzudecken und anzuerkennen, weitreichende politische Konsequenzen hätte. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung heißt es jetzt, dass die Arbeit gegen Rassismus, insbesondere den gegen Schwarze Menschen gestärkt werden soll. Diese Erklärung ist bindend und bedeutet auch, den Fall Oury Jallohs nun endlich aufzuklären.
Es führt kein Weg daran vorbei: Die Generalbundesanwalt und Politiker*innen der neuen Bundesregierung, müssen sich der Verantwortung stellen. Denn wer dafür sorgt, dass der OURY-JALLOH-KOMPLEX von staatlicher Seite unaufgeklärt bleibt, und die wissenschaftlich bestätigten Faktenlage nicht anerkennt, ist Teil des Problems!
Unterzeichner*innen:
Personen
Achan Malonda, Musikerin & Aktivistin
Aidan Riebensahm, Expert:in für dekoloniale und postkoloniale Theorien und Strategien
Ciani-Sophie Hoeder, Journalistin, Gründerin Rosa Mag
Dr. Daniel Loick, Philosoph, Amsterdam
David Mayonga, Moderator
Deborah Krieg, Bildungsreferentin
Dr. Céline Barry, Vorstandsmitglied des FG DeKolonial e.V
Dr. Felix Axster, Koordinator Standort Berlin des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt
Dr. Jeanette Ehrmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Politische Theorie und Ideengeschichte am Institut für Politikwissenschaft der Justus- Liebig-Universität Gießen
Dr. Mahret Ifeoma Kupka, Kuratorin
Dr. Manuela Bauche, Historikerin, Freie Universität Berlin
Dr. Maria Alexopoulou, Historikerin, Zentrum für Antisemitismusforschung (TU Berlin)/ Universität Mannheim
Dr. Mariam Popal, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Universität Bayreuth
Dr. Marion Kraft, Autorin
Dr. Miriam Schroer-Hippel, Sozialwissenschaftlerin
Mirrianne Mahn, Stadtverordnete, Frankfurt
Dr. Noa K. Ha, postkoloniale Stadtforscherin
Dr. Onur Suzan Nobrega, Soziologin
Dr. Sina Arnold, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin
Dr. Patrice G. Poutrus, Historiker, Universität Erfurt
Pearl Hahn, Stadtverordnete Die Linke. Fraktion im Römer
Prof. Dr. Annita Kalpaka, Professorin für Soziale Arbeit, HAW Hamburg
Prof. Dr. Encarnación Gutiérrez Rodríguez, Soziologin, Justus-Liebig-Universität Gießen
Prof. Dr. Iman Attia, Professorin für Critical Diversity Studies, Alice Salomon Hochschule Berlin
Prof. Dr. Jin Haritaworn, Associate Professor, York Universität, Kanada
Prof. Dr. Karim Fereidooni, Rassismus- Bildungsforscher, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Manuela Bojadžijev, Migrationsforscherin, Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Natasha A. Kelly, Kommunikationswissenschaftlerin, Kade Gastprofessur Colorado College USA
Prof. Dr. Naika Foroutan, Sozialwissenschaftlerin, HU Berlin
Prof. Dr. Susanne Spindler, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, Hochschule Düsseldorf
Prof. Dr. Sabine Hess, Universität Göttingen, Vorstandsmitglied des Rats für Migration
Raul Krauthausen, Schauspieler, Aktivist
Refpolk, Musiker
Ria Cheatom, Mitbegründerin von ADEFRA e.V.
Ridal Carel Tchoukuegno, Journalist
SchwarzRund, Autor*in und Wissenschaftler*in
Sebastian Fleary, Diplom-Pädagoge, Theaterpädagoge, freier Trainer für Empowerment, politische und politisch-historische Bildungsarbeit
Heute, am 8. Mai, jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 76. Mal. Es ist ein Tag der Befreiung und ein Tag der Niederlage des deutschen Faschismus.
„Uns alle mahnt der 8. Mai dazu“ , schreibt Alexander Neu (MdB DIE LINKE) auf Facebook, „wachsam zu bleiben und uns jeden Tag aufs Neue für Frieden und gegen Ausgrenzung, rechte Ideologien, Faschismus und Gewalt einzusetzen.
Auch darum muss der 8. Mai bundesweit zum Feiertag erklärt werden.
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“
In unseren Tagen nun fordert die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano seit 2020 unermüdlich:
„Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Wie viele andere aus den Konzentrationslagern wurde auch ich auf den Todesmarsch getrieben. Erst Anfang Mai wurden wir von amerikanischen und russischen Soldaten befreit. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.
Und dann können wir, dann kann ein Bundespräsident vielleicht irgendwann sagen: Wir haben aus der Geschichte gelernt. Die Deutschen haben die entscheidende Lektion gelernt.“ (Hier dazu mein Beitrag mit dem Wortlaut des Offenen Briefs Bejaranos an Bundespräsident und Bundeskanzlerin)
Falls man dem Menschen die Möglichkeit geben will, aus der Geschichte zu lernen, wäre die erste Voraussetzung, dass er sich dieser Geschichte erinnert. Aber leider vergisst er so leicht, und oft vergisst er gerade die entscheidenden Lektionen.
(Lukas Bärfuss, Büchner-Preis-Rede 2019)
10. MAI 2021 — Esther Bejarano erinnert an ihren „zweiten Geburtstag“ und bekräftigt ihre Forderung den 8.Mai 2022 endlich zum Feiertag zu machen
„Am 3. Mai vor 76 Jahren bin ich in dem kleinen mecklenburgischen Städtchen Lübz befreit worden, befreit von den amerikanischen und den sowjetischen Truppen. Auf dem Marktplatz haben die Soldaten ein Hitlerbild verbrannt. Alle haben gefeiert, lagen sich in den Armen und ich habe dazu Akkordeon gespielt.“ – Holocaust-Überlebende Esther Bejarano erinnert sich an ihren „zweiten Geburtstag“
Am 3. Mai hat Esther Bejerano (*1924) anlässlich ihrer Befreiung auf dem Todesmarsch von Ravensbrück im kleinen mecklenburgischen Städtchen Lübz durch sowjetische und amerikanische Soldat:innen, ihre Forderung bekräftigt, den 8. Mai ab 2022 endlich zum Feiertag machen!
Seitdem haben in den letzten Tagen mehr als 20.000 neue Unterstützer:innen die Petition unterschrieben.
Auch der nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Thomas Kutschaty fordert jetzt, den 8. Mai bundesweit zum gesetzlichen Feiertag zu machen
SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag, Vorsitzender der NRW-SPD Thomas Kutschaty.
„Wir müssen den 8. Mai zu einem Tag gegen Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung in jeglicher Form machen“, sagte Kutschaty am Freitag, dem 7.Mai 2021 in Düsseldorf. (Westfälische Rundschau)
Anbei gegeben sei hier noch ein Beitrag über eine Veranstaltung der Kölner DGB-Jugend, an der Esther Bejarano vor einigen Jahren teilnahm.
In der BRD war vom „Tag der Befreiung“ zu sprechen bis zu einer historischen Rede von Richard von Weizsäcker verpönt
In der DDR war der 8. Mai von 1950 bis 1967 und einmalig im Jahre 1985 als „Tag der Befreiung“ gesetzlicher Feiertag.
In der BRD hingegen war vom Tag der Befreiung zu sprechen lange verpönt bis unerwünscht. Weshalb es nahezu wie ein Paukenschlag durch Westdeutschland hallte, als im Mai 1985 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte: „Es war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ (hier via Heinz Hammer/You Tube ein Ausschnitt der Rede) Richard von Weizsäcker benutzte im Mai 1985 eine klare Sprache, eine befreiende Sprache für das, was 40 Jahre zuvor geschehen war.
Befremdlich: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble lehnt Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion ab
Via Sevim Dagdelen
Heute, im Jahr 2021 muss es vor diesem Hintergrund und eingedenk der Tatsache, dass Zeitzeugen, Überlebende des blutigen Terrors des Hitlerfaschismus allmählich kaum noch zur Verfügung stehen werden, um darüber zu sprechen, schon einigermaßen befremdlich anmuten, dass – wie Sevim Dagdelen (MdB DIE LINKE) berichtet und kritisiert:
„Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble lehnt die Initiative der Fraktion DIE LINKE für eine gemeinsame Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestages zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni ab. Ich finde das zutiefst beschämend und respektlos angesichts der 27 Millionen Kriegstoten in der UdSSR. Die Journalistin Christine Dankbar kommentiert in der Berliner Zeitung dazu richtig: „Die Sowjetunion hat wie kein anderes Land in diesem Weltkrieg Leid und Tod erfahren. Das darf nicht vergessen oder auf private Initiativen abgeschoben werden – ganz egal, welche politischen Probleme die Bundesrepublik aktuell mit Russland haben mag.“
Dagdelen informiert:
„DIE LINKE im Bundestag wird jetzt am 21. Juni selbst in würdiger Weise an die grausamen Verbrechen des faschistischen Raub- und Vernichtungskriegs und die daraus resultierende Verantwortung Deutschlands für eine Verstetigung der Versöhnung mit Russland heute erinnern. Im Deutschen Bundestag. Ich freue mich, die Veranstaltung im Auftrag meiner Fraktion gemeinsam mit meiner Kollegin Gesine Lötzsch federführend vorzubereiten.“
Der 8. Mai hat für das sowjetische Volk und die Völker des heutigen Russland eine große Bedeutung
Der Stellvertretende russische Generalkonsul verneigt sich am Ehrenmal.
Welche Bedeutung der 8. Mai u.a.für das sowjetische Volk hat brachte der Stellvertretende Generalkonsul der Russischen Föderation Wladimir Kuzmin während einer Gedenkveranstaltung im vergangenen Jahr auf dem Internationalen Friedhof in Dortmund am sowjetischen Ehrenmal zum Ausdruck. In einer kurzen Ansprache nannte Kuzmin den 8. Mai einen besonderen Tag für das sowjetische Volk und die europäischen Völker. Er bedankte sich herzlich bei den am sowjetischen Ehrenmal erschienen Menschen für deren Gedenken und dafür, dass sie die Erinnerung an das im Zweiten Weltkrieg Geschehene weitertragen. (Hier mein Beitrag dazu)
Eine bewegende Rede des Schauspielers und Gewerkschafters Rolf Becker am sowjetischen Obelisken in Stukenbrock
Schauspieler Rolf Becker während seiner engagierten Rede.
Vor zwei Jahren hielt der Schauspieler und engagierte Gewerkschafter Rolf Becker eine bewegende und mahnende Rede am sowjetischen Obelisken, der an im Stalag 326 Senne (Stammlager für sowjetische Kriegsgefangene der Nazis) in Stukenbrock die ich in meinem Bericht über das Gedenken hier widergebe. Hier ein Ausschnitt:
„Dank Ihnen und Euch, Dank allen im Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“ für die jahrzehntelange Arbeit zur Entwicklung und zum Erhalt dieser Gedenkstätte, Dank, dass ich hier bei Euch und mit Euch sein darf – in gemeinsamer Teilnahme und Sorge.
Sorge, weil – wie bereits angesprochen – ein weiterer Krieg droht, der die Unermesslichkeit des in den zwei Weltkriegen Erlittenen noch zu übersteigen droht – Folge auch der Tatsache, dass sich die deutschen Nachkriegsregierungen einer konsequenten Aufarbeitung des vermeintlich Vergangenen verweigert haben und bis heute verweigern.“
Christa Wolf:
„Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd.“ (…)
Eugen Drewermann: „das nie mehr wiederkommen darf und soll, verbunden mit dem Wunsch, dass das, was wir hier tun, bundesweit zu einer Pflicht wird“
Eugen Drewermann.
Ein Jahr später sprach Eugen Drewermann an gleicher Stelle beim Gedenken „Blumen für Stukenbrock“. Man erinnere mit diesem Gedenken an ein Ereignis, so hob Drewermann an, „das nie mehr wiederkommen darf und soll, verbunden mit dem Wunsch, dass das, was wir hier tun, bundesweit zu einer Pflicht wird.“
Eugen Drewermann mahnte, das wir Deutsche 27 Millionen zu Tode gekommene Sowjetbürger zwischen 1941 und 1945 zu verantworten haben:
„Für keinen einzigen hat die Bundesrepublik bis heute irgendetwas an Wiedergutmachung oder Bedauern gegeben oder geäußert.“
Die BRD sei 1949 als Aufmarschgebiet im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion gegründet worden. „Es war kein Ort des Friedens. Wir waren vereinnahmt als Befreite – im Grunde den Krieg zu Ende zu führen, damit Stalin gestürzt würde.“ (Hier mein Bericht über die Veranstaltung)
Kriegsveteran David Dushman: „Krieg macht aus Menschen wilde Tiere
David Dushman referiert vor Dortmunder Gymnasiasten; Fotos: C.-D. Stille
David Dushman, der im Zweiten Weltkrieg einen T-34-Panzer lenkte undeiner der Befreier des KZ Auschwitz war, feierte im April dieses Jahres seinen 98. Geburtstag. „Der Kriegsveteran aus der ehemaligen Sowjetunion, der seit einem Vierteljahrhundert in München eine neue Heimat gefunden hat“, berichtete die Jüdische Allgemeine, „wurde zum Ehrenmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern ernannt.“ Nur eine von vielen Ehrungen, welche dem Kriegsveteran zuteil wurden. Über seine Zeit im Krieg sagte er vor einigen Jahren in Dortmund (mein Bericht):
„Eine schreckliche Zeit. Ich hoffe, dass werden Sie nie mehr sehen“, sprach Dushman zu den Schülerinnen und Schülern. Und schob nach: „Viel besser, wenn wir zusammen Bier trinken. Krieg macht aus Menschen wilde Tiere“
Peter Donatus erinnerte an „Die vergessenen Befreier“
Peter Emorinken-Donatus. Foto: C. Stille
Ein Jahr zuvor schrieb an dieser Stelle mein Kollege und Freund Peter Donatus einen Gastbeitrag über „Die vergessenen Befreier“. Auch daran sei an dieser Stelle noch einmal erinnert. Denn viele Menschen wissen darüber nichts:
Die heutigen Erkenntnisse zeigen, dass die Befreiung Europas und der Welt von der faschistischen Troika (Deutschland, Italien und Japan) ohne den Beitrag Afrikas nicht möglich gewesen wäre. De Gaulles Befreiungsarmee des Freien Frankreichs bestand beispielsweise bis zu 65 Prozent aus Afrikanern.“
Heute finden bundesweit Veranstaltungen – im Rahmen der Corona-Bedingungen – zum Tag der Befreiung statt. Und: Fragen wir uns an diesem Tag der Befreiung, der nun endlich einer gesetzlicher Feiertag werden sollte, haben wir wirklich etwas aus der Geschichte gelernt? Jede/r von uns sollte sich das heute und darüber hinaus immer wieder fragen und für sich beantworten.
Anlässlich des 25.Jahrestages der Ermordung des nigerianischen Schriftstellers, Umweltaktivisten, Trägers des Alternativen Nobelpreises und bekennenden Shell-Kritikers, Ken Saro-Wiwa und acht seiner Mitstreiter, veranstaltet der Verein PAY DAY AFRICA INTERNATIONAL in Kooperation mit folgenden Organisationen:
Video via CGTN Africa/You Tube
•Seebrücke Köln •BIPoC Referat der Uni Köln •Fridays For Future Köln •Die Linke •Die linke SDS – Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband •Gesellschaft bedrohter Völker •Bündnis 14 Afrika •Die Urbane. Eine Hip Hop Partei
nun, eine Gedenkveranstaltung vor der Geschäftsstelle Shell an der Venloer Straße.
Die Vorbereitung der morgigen Mahnwache (16 Uhr) vor der Kölner Shell-Tankstelle auf der Venloer-Strasse (166) ist in vollem Gange . Wir sind bereit!
In Vorbereitung auf die Mahnwache, findet bereits am 08.11.2020 um 19 Uhr, ein Online-Vortrag von Peter Donatus in der explizit über die Thematik informiert wird.
Mit diesem Link gelangen Sie zu unserer Online-Veranstaltung.
HINTERGRUND
Am 10. November 1995 ließ das nigerianische Militär, unter der Führung des inzwischen verstorbenen blutrünstigen Diktators General Sani Abacha, den Schriftsteller, Umweltaktivisten und alternativen Nobelpreisträger Kenule Beeson Saro-Wiwa, sowie acht seiner Ogoni-Mitstreiter erhängen. Bei den acht ermordeten Ogoni-Mitstreitern handelt es sich um:
Barinem Kiobel, Saturday Dobee, Paul Levura, Nordu Eawo, Felix Nuate, Daniel Gbokoo, John Kpuinen und Buribor Bera.
Trotz massiver Appelle, weltweiter Proteste und Sanktionsandrohungen der internationalen Staatengemeinschaft, konnte man das Regime nicht daran hindern, die Aktivisten hinzurichten. Eine Machtdemonstration ohne Nebenwirkung.
Unter der Führung von Saro-Wiwa kämpfte das Ogoni-Volk im Niger-Delta (Nigeria) Anfang der 90er Jahre friedlich und gewaltfrei gegen den Shell-Konzern und die massiven Umweltverschmutzungen dort. Er gründete die Organisation „Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes (MOSOP)“ und schaffte es mit Erfolg, das Anliegen seines Volkes auf die internationale Bühne zu bringen. Die friedlichen Proteste der Ogonis richteten sich vor allem gegen den Ölmulti Shell, der die seit 1958 andauernde Zerstörung der Umwelt und der Lebensgrundlagen im ganzen Niger-Delta hauptsächlich zu verantworten hat. Bei diesen Protesten ging es auch um den friedlichen Kampf gegen politische und soziale Marginalisierung und um die Teilhabe am Reichtum des eigenen Volkes.
Um die aufflammenden Proteste zu unterdrücken, bat Shell das Militärregime um den Einsatz des gefürchteten Sondereinsatzkommandos, das sog. „Kill and Go – Kommando“. Dieses richtete schreckliche Massaker im Ogoniland an, auch mit Hilfe deutscher Waffen, die Shell an nigerianische Sicherheitskräfte lieferte. Es entstanden Horrorszenarien im Ogoniland. Bei den o. g. Auseinandersetzungen wurden vier hohe Ogoni-Volksvertreter (Chiefs) ermordet, die sich mit Shell verbündet hatten und sich somit gegen ihr eigenes Volk stellten.
Das Militärregime nutzte die Gunst der Stunde und machte Saro-Wiwa und seine Mitstreiter für diese Morde verantwortlich und ließ diese im Mai 1994 inhaftieren. Nach einer monatelangen Incommunicado-Haft ohne Anklageerhebung, verurteilte ein Militärgericht die Aktivisten am 31. Oktober 1995 in einem inszenierten Schauprozess, wegen angeblicher Anstiftung zum Mord, zum Tode. Die Internationale Staatengemeinschaft bescheinigte den Prozess als unfair und als politisch motiviert, da u. a. Beweise manipuliert, Zeugen bestochen und rechtsstaatliche Prinzipien von Grund auf missachtet wurden.
Am frühen Morgen des 10. November 1995 wurden Saro-Wiwa (54) und die acht anderen Verurteilten, trotz internationaler Proteste und Sanktionsandrohungen, gehängt. Die Hinrichtung von Saro-Wiwa konnte erst nach dem fünften Versuch erfolgreich durchgeführt werden. Medienberichten zufolge hatte er die Henker immer wieder unterbrochen gefragt:
„Warum behandeln Sie mich so. Was ist das für ein Staat.“
Die letzten Worte bevor er starb, waren:
„Mein Herr, nimm meine Seele zu Dir, aber der Kampf geht weiter.“
Die Hinrichtungen lösten weltweite Proteste und eine Welle der Empörung aus. Die internationale Staatengemeinschaft verhängte daraufhin zwar einige kosmetische Sanktionen gegen Nigeria, wie die Suspendierung aus dem Commonwealth, das eingeschränkte Waffenembargo und Einreiseverbot für Angehörigen des Regimes, jedoch wurden diese Sanktionen nicht ernsthaft verfolgt. Die Förderung der nigerianischen demokratischen Opposition nach dem Ölembargo konnte nicht durchgesetzt werden, wegen der Blockade der USA und einiger europäischer Staaten, darunter auch Deutschland – offensichtlich aus eigenen Wirtschaftsinteressen. So konnte das nigerianische Militär, samt Gefolgsleuten, seine mörderischen Repressalien noch vier weitere Jahre ungehindert fortsetzen. Bis heute wurde keiner der Akteure des damaligen Henkerregimes für seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft gezogen.
Der Ölmulti Shell trägt eindeutig eine große Mitschuld an der Hinrichtung der Aktivisten, u. a. weil er sich weigerte, seinen sonst so großen Einfluss in Nigeria zu nutzen, um somit das Leben der zum Tode Verurteilten zu retten.
Hierzulande setzen die nigerianische Opposition und diverse Umwelt- und Menschenrechts-verbände bzw. Initiativen den Ölmulti Shell durch Boykottaufrufe unter massiven Druck. Doch der Konzern weiß sich zu helfen und versuchte stets die deutsche Öffentlichkeit mittels massivem Asbach-Journalismus medial zu manipulieren und zu verunsichern und die Kritiker durch systematischen Rufmord und durch rechtliche Schritte zum Verstummen zu bringen.
Der Konzern musste seine Fehler unfreiwillig einräumen. Zum Beispiel: Um einer Verurteilung durch ein US Gericht wegen Menschenrechtsverletzung und somit eine riesige Blamage zu entgehen, einigte sich der Konzern mit den Angehörigen der Hingerichteten außergerichtlich auf eine Entschädigungszahlung in Höhe von 15 Millionen US Dollar. Für die Angehörigen der Hingerichteten, Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten und Shell-Kritiker ein unverkennbares Zeichen der Schuld.
In einer bahnbrechenden Entscheidung verurteilte ein niederländisches Gericht den Ölmulti Shell am 30.01.2013 zu Entschädigungszahlungen in einem Fall, da Shell seine Pipelines nicht ausreichend gegen Sabotageakte schützt, so das Gericht. Dies war das erste Mal, dass Shell für seine Machenschaften in Nigeria gerichtlich zur Verantwortung gezogen wurde.
Wie sieht die Lage im Ogoniland und im gesamten Niger-Delta aus, 25 Jahren nach der Hinrichtung der Umweltaktivisten?
Wenngleich das Land momentan von einer demokratisch gewählten Regierung regiert wird, hat sich die Lage nicht verbessert. Die Verseuchung des Niger-Deltas ist katastrophaler als je zuvor. Die Ölförderung im hinterlässt weiterhin dort verseuchten Ackerland, Flüsse und Meer. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen braucht man mehrere Jahrzehnte, um die bereits entstandenen Umweltschäden zu beseitigen. Doch jährlich verseuchen rund 13 Millionen Barrel Erdöl das Delta vom Niger weiterhin, und ein Ende ist nicht in Sicht.
Mit rund 208 Mio. Einwohnern ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Nigeria ist auch der größte Erdölförderer Afrikas und der achtgrößte Erdölexporteur der Welt. Mehr als 80 % der Staatseinnahmen stammen aus Erdöl und Erdgas. Trotz seines Reichtums leben fast zwei Drittel der Bevölkerung in absoluter Armut, während wenige korrupte Eliten, also Staatsräuber, die Staatskassen plündern, nach dem
Motto: „Wer am Zoll sitzt, ohne reich zu werden, ist ein Dummkopf.“
Umweltexperten schätzen die Zahl der Ölunfälle der letzten 1958 auf mehrere Zehntausende, mit mehreren Milliarden Litern ausgelaufenes Rohöl – das einstige Naturparadies Nigerias wurde in eine Hölle auf Erden verwandelt. Das Grundwasser ist so massiv verseucht, dass die konventionelle Wasserversorgung nicht mehr gewährleistet werden kann. Im Jahr 2011 stellte die WHO eine extrem hohe Konzentration von C02 und Benzol im Grundwasser fest, mehr als 900 Mal höher als die international erlaubten Grenzwerte, und 1.000 Mal mehr als die vom Staat selbst festgelegten Grenzwerte. Mehrere Millionen Tonnen CO2 werden jährlich durch das offene Abfackeln von Gas in die Atmosphäre freigesetzt, während die globale Erderwärmung den Menschen weltweit existentielle Sorgen bereitet. Luftverschmutzung ist nicht nur lästig, sie ist auch gesundheitlich höchst gefährlich, wie ein Bericht der WHO darlegt. Demnach ist die Luftverschmutzung eine der Hauptursachen für Krebserkrankungen bzw. Krebstodesfälle weltweit.
WIR KLAGEN AN! Wir fordern ein sofortiges Ende der ausbeuterischen Aktivitäten von Shell, den sofortigen Beginn von Wiederherstellungsarbeiten und dass der von Shell begangene Ökozid klar und deutlich als Straftat deklariert und entsprechend verfolgt wird!
Payday Africa International möchte über die Geschehnisse auf dem afrikanischen Kontinent aufklären und das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit für panafrikanische Ausbeutung schärfen.
Anlässlich des 25. Jahrestags der Hinrichtung des nigerianischen Umweltaktivisten Ken Saro-Wiwa und acht seiner Mitstreiter
Anbei ein älterer Beitrag von mir zur Thematik mit einem Interview mit Umweltaktivist und Journalist Peter Donatus plus Vortrag„Ökozid im Nigerdelta“ via WeltnetzTV
Das zweitägige, von Pay Day Africa 2020 initierte Event anlässlich des Welttags gegen Sklaverei am 22. & 23.August 2020 (hier mein Bericht vom ersten Tag) in Köln war ein Erfolg. Weshalb es die neue internationale Bewegung PAY DAY AFRICA zu weiteren Aktionen inspirierte. Im Rahmen des diesjährigen Akwaaba-Festivals 2020 veranstaltete Pay Day Africa am vergangenen Samstag zunächst eine Mahnwache vor dem Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, um für die bedingungslose Rückführung kolonialer Raubkunst aus dem Museum zu protestieren. In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden – wie es Serge Palasie (Eine Welt Netz NRW) letzten Samstag vor dem Rautenstrauch-Joest-
Museum in Köln tat -, dass das Deutsche Reich den ersten großen Völkermord in seiner afrikanischen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) an den Herero und den Nama zu verantworten hat. Die Angehörigen von deutschem Militär ermordeter Menschen waren gezwungen worden, die Schädel der Toten auszukochen. Sie wurden dann nach Deutschland verbracht und pseudowissenschaftlichen Tests unterzogen. Diese sollte beweisen, dass Afrikaner Europäern in jeder Hinsicht unterlegen seien. Noch heute lagern in bundesdeutschen Museen Gebeine afrikanischer Ahnen der heute dort lebenden Menschen Derzeit bis zu 97 Raubkunstobjekte aus dem Königreich Benin im Kölner Rautenstrauch-Joest Museum? Aktuell sollen bis zu 97 Raubkunstobjekte aus dem uralten Königreich Benin im heutigen Nigeria im Besitz des Kölner Museums lagern. Auf der Homepage des 2012 mit dem Museumspreis des Europarates ausgezeichneten Rautenstrauch-Joest-Museums ist u. a. zu lesen:
„Wichtige Teile der frühen Afrika-Sammlung stellen wertvolle Metall- und Elfenbeinobjekte aus dem Königtum Benin im heutigen Nigeria dar. Sie wurden von der Familie Rautenstrauch in London erworben, nachdem eine englische Strafexpedition 1897 Benin geplündert hatte und man durch den Verkauf der erbeuteten Metall- und Elfenbeinobjekte die Kosten der Militäraktion abdecken wollte.“ (hier mehr)
Tatsächlich hatten die Briten 1897 das historische Königreich Benin überfallen, geplündert und in Brand gesetzt. Bei dieser Invasion der Briten wurde der König, Oba Ovonramwen, festgenommen, entmachtet, entwürdigt und nach Calabar (auch im Niger-Delta Nigerias) abgeschoben. Er starb dort im Exil. Eli Abeke Batemona Bündnis Africa 14
Hehlerei ist strafbar! Bis zu 6.500 Kunstschätze der Benins, auch religiöse Objekte, wurden gestohlen und befinden sich immer noch in zahlreichen Museen in Groß-Britannien, Deutschland, den USA und anderen Teilen der Welt, unter anderen auch im Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln. Nach §259 des deutschen Strafgesetzbuchs ist Hehlerei – selbst der Versuch – strafbar:
„Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Köln ist multikulturell, weltoffen und antirassistisch – „kein Veedel für Rassismus!“ Die noch andauernde Beschlagnahmung unrechtmäßig erworbener fremder Eigentürmer im Rautenstrauch-Joest-Museum widerspricht ganz klar diesem Image der modernen weltoffenen Domstadt. Peter Donatus „Menschen werden abgeschoben, aber die Kunst wollt ihr behalten?“
Peter Donatus vom Bündnis Pay Day Africa machte in seiner emotionalen Rede darauf aufmerksam, dass die Weißen, die afrikanische Reiche unterwarfen zu dieser Zeit selbst noch in der Barbarei lebten. Und sich in Afrika über zivilisatorische Fortschritte – über die sie seinerzeit selbst nicht verfügten – erstaunt zeigten. Das Bündnis Pay Day Africa fordert: Die bedingungslose Rückführung der Raubkunstobjekte aus Benin (Nigeria) sowie die Rückführung aller anderer kolonialen Raubbeute aus Afrika. Die Errichtung moderner Museen mit Einbruchdiebstahlschutz in Benin City und anderen Orten Afrikas – dies ist nicht als sogenannte „Entwicklungshilfe!“, sondern als Ansprüche auf RESTITUTION anzusehen. Einen Runden Tisch zur Aufarbeitung des kolonialen Erbe Kölns. Des Weiteren startet Pay Day Africa demnächst diesbezüglich eine Online-Petition sowie eine Petition beim Kölner Stadtrat. Nanette Snoep, Direktorin des Museums nannte diesen Tag historisch!
Offenbar tut sich etwas Vielversprechendes in Köln. Die Museumsdirektorin Nanette Snoep zeigte Verständnis für die Anliegen der Teilnehmer der Mahnwache. Sie versprach am Samstag in einen Dialog mit Pay Day Africa auf Augenhöhe einzutreten. Anscheinend rückt die Einrichtung eines Runden Tischs nach der erfreulichen Erklärung der Museumsdirektorin nun näher. Olabisi Olusoga „When black lives matter?“ (Englisch)
Bündnis Pay Day Africa fordert: Die bedingungslose Rückführung der Raubkunstobjekte aus Benin (Nigeria) sowie die Rückführung (#BringBackOurTreasures) aller anderer kolonialen Raubbeute aus Afrika. Aktion vorm Rautenstrauch-Joest-Museum am kommenden Samstag in Köln Hinweis 1: Pay Day Africa ist in Social Media vertreten: Facebook, Instagram, Twitter, YouTube
Hinweis 2: Da ich am Samstag nicht selbst in Köln sein konnte, entstand dieser Beitrag nach Informationen und Videos von Pay Day Africa. Danke dafür!
Update am 24.9.2020: Video-Botschaft von Dr. Karamba Diaby (MdB, SPD)ausHalle
Das Bündnis Pay Day Africa meldet: „Es geht weiter!“
Nach dem gelungenen zweitägigen Event anlässlich des Welttags gegen Sklaverei am 22. & 23.August 2020 (hier mein Bericht vom ersten Tag) geht die neue internationale Bewegung PAY DAY AFRICA in die nächsten Phasen. Im Rahmen des diesjährigen Akwaaba-Festivals 2020 veranstaltet Pay Day Africa eine Mahnwache vor dem Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, um für die bedingungslose Rückführung kolonialer Raubkunst aus dem Museum zu protestieren.
Bündnis14 Afrika, Pamoja Afrika e.V., Awernes, Volkshochschule Köln, Rautenstrauch-Joest-Museum Köln und DTVK e.V.
Aktuell sollen bis zu 97 Raubkunstobjekte aus dem uralten Königreich Benin im heutigen Nigeria im Besitz des Kölner Museums sein. Auf der Homepage des 2012 mit dem Museumspreis des Europarates ausgezeichneten Rautenstrauch-Joest-Museums ist u. a. zu lesen:
„Wichtige Teile der frühen Afrika-Sammlung stellen wertvolle Metall- und Elfenbeinobjekte aus dem Königtum Benin im heutigen Nigeria dar. Sie wurden von der Familie Rautenstrauch in London erworben, nachdem eine englische Strafexpedition 1897 Benin geplündert hatte und man durch den Verkauf der erbeuteten Metall- und Elfenbeinobjekte die Kosten der Militäraktion abdecken wollte.“ (hier mehr)
Tatsächlich hatten die Briten 1897 das historische Königreich Benin überfallen, geplündert und in Brand gesetzt. Bei dieser Invasion der Briten wurde der König, Oba Ovonramwen, festgenommen, entmachtet, entwürdigt und nach Calabar (auch im Niger-Delta Nigerias) abgeschoben. Er starb dort im Exil.
Bis zu 6.500 Kunstschätze der Benins, auch religiöse Objekte, wurden gestohlen und befinden sich immer noch in zahlreichen Museen in Groß-Britannien, Deutschland, den USA und anderen Teilen der Welt, unter anderen auch im Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln. Nach §259 des deutschen Strafgesetzbuchs ist Hehlerei – selbst der Versuch – strafbar:
„Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Köln ist multikulturell, weltoffen und antirassistisch – „kein Veedel für Rassismus!“ Die noch andauernde Beschlagnahmung unrechtmäßig erworbener fremder Eigentürmer im Rautenstrauch-Joest-Museum widerspricht ganz klar diesem Image der modernen weltoffenen Domstadt.
Daher fordert Bündnis Pay Day Africa:
Die bedingungslose Rückführung der Raubkunstobjekte aus Benin (Nigeria) sowie die Rückführung aller anderer kolonialen Raubbeute aus Afrika.
Die Errichtung moderner Museen mit Einbruchdiebstahlschutz in Benin City und anderen Orten Afrikas – dies ist nicht als sogenannte „Entwicklungshilfe!“, sondern als Ansprüche auf RESTITUTION anzusehen.
Einen Runden Tisch zur Aufarbeitung des kolonialen Erbe Kölns.
Des Weiteren startet Pay Day Africa demnächst diesbezüglich eine Online-Petition sowie eine Petition beim Kölner Stadtrat.
Information: Pay Day Africa ist in Social Media vertreten: Facebook, Instagram, Twitter, YouTube
Mahnwache zur Rückführung kolonialer Raubkunstvor dem Rautenstrauch-Joest-Museum
Quelle: Pressemitteilung Bündnis Pay Day Africa Köln
Pay Day Africa zu Besuch bei „Köln stellt sich quer“: “ I have a Dream“ Kundgebung am Neumarkt. Die Veranstaltung war am 28.08.20 und es ging um Rassismus. Es spricht Peter Donatus
Es war der Aufstand gegen die europäische Sklavenwirtschaft durch afrikanische Sklaven in Saint-Domingue (heute Haiti) in der Nacht vom 22. auf den 23. August 1791, der den Weg für die Abschaffung des Transatlantischen Sklavenhandels ebnete. Dem zufolge erklärte die UNESCO 1997 den 23. August eines jeden Jahres zum INTERNATIONALEN TAG DER ERINNERUNG AN SKLAVENHANDEL UND DESSEN ABSCHAFFUNG – auch WELTTAG GEGEN SKLAVENHANDEL genannt.
Zur Geschichte
Wie der Aufstand in Saint Domingue seinerzeit organisiert werden konnte, obwohl die Sklaven im Land und auf den dazugehörigen Inseln weit verstreut waren, erzählte gestern auf der Eröffnungsveranstaltung des Events PAY AFRICA DAY 2020 in Köln Mukhtar Bakakary Kamara, Vorsitzender des Zentralrats der afrikanischen Gemeinde in Deutschland e.V. (ZAGD e.V. ):
Die Sklaven baten ihre Besitzer um eine Möglichkeit sich zu vernetzten. Sie hätten vor, sich einmal im Jahr bei ihren Herren für deren „gute Behandlung und Fürsorge“ alle gemeinsam mit Tänzen zu bedanken. Mittels dieser List konnte der Aufstand seinen Lauf nehmen. Moctar Kamara sprach davon, dass es da heraus zur „Haititianischen Revolution“ gekommen sei. Die erste Republik Lateinamerikas wurde dann 1804 gegründet.
Moctar Kamara. Foto: C. Stille
Kamara erinnerte daran, dass der biblische Kanaan als Vorfahre der Schwarzen interpretiert worden sei. Demnach könne man diese Menschen mit niedrigem Status auch versklaven: „Eine religiöse Ideologie.“ Die Sklavenhalter hätten auf die Bibel zurückgegriffen, um die Haltung schwarzer Sklaven zu rechtfertigten.
„In Teilen der afrikanischen Communitys wird vor allem ein Thema immer noch diskutiert: der Ham-Mythos. Im Alten Testament (Heilige Schrift der Christen) wie auch in der jüdischen Thora verflucht Noah seinen Sohn Ham wegen einer Respektlosigkeit. Von nun an sollen er und seine Nachkommen seinen Brüdern dienen. Noah, so erklärt der Historiker Amadou Lamine Sarr, gilt in beiden Religionen als Stammvater. Und Hams Sohn Kanaan wurde später als Vorfahre der Schwarzen interpretiert. Die Konsequenz: Mit Verweis auf diesen Bibelvers rechtfertigten sich etwa amerikanische Sklavenhalter. In ihrer Argumentation war die Haltung schwarzer Sklaven dadurch legitimiert.“
Das Übrige hätten auch die Philosophen – auf der religiösen Ideologie aufsetzend – dazu beigetragen. Kamara nannte beispielsweise die von uns bis heute mit nach ihnen benannten Straßen geehrten Philosophen Kant, Hegel, Rousseau sowie Voltaire – die Philosophen der „so genannten Aufklärung“. Sie hätten die ideologische Begründung für die Versklavung von schwarzen Menschen geliefert. Denn diese stünden ja – religiös wie ideologisch begründet – so die Philosophen, als Menschen auf der untersten Stufe, seien im Grunde ja gar keine Menschen.
Am Sonntag, den 23.08. findet der PAY DAY AFRICA 2020 eine Fortsetzung auf dem Kölner Neumarkt. Von 14:00 bis 18:00 Uhr soll dort eine stille Mahnwache in Gedenken an alle versklavte Menschen stattfinden.
Hintergrund
Bevor die Europäer*innen kamen, waren die Araber (fast alle männlich!) längst da: der Trans-Sahara-Sklavenhandel. Schätzungsweise wurden bereits bis zu 17 Millionen Afrikaner*innen in die arabische Sklaverei verkauft. Dann kamen die Europäer*innen, übernahmen die Sklavenhandelsstrukturen der Araber in Afrika und bauten diese aus. Ungefähr so könnte man die Entstehung des Transatlantischen Sklavenhandels der Europäer*innen mit wenigen Worten erklären. Also, vor dem Transatlantischen Sklavenhandel, gab es den Trans-Sahara-Sklavenhandel, der heute in verschiedenen Formen ungehindert fortgesetzt wird.
Vor 576 Jahren (1444) fand in Lagos, Portugal, die erste öffentliche Ausstellung und der Verkauf afrikanischer Sklaven statt. 1518 begann die erste direkte Verschiffung afrikanischer Sklaven nach Amerika. Die Sklavenhandel-Überseereise des Briten, John Hawkins, im Jahre 1562 markierten den Beginn des Transatlantischen Sklavenhandels in Großbritannien. Portugal und Großbritannien kontrollierten nicht weniger als 70 % der afrikanischen Sklaven, die nach Amerika verschifft wurden. Zwischen 1640 und 1807 wurde Großbritannien jedoch zum größten und mächtigsten Sklavenhändler der Welt.
1833 verabschiedete das britische Parlament den historischen ‚Slavery Abolition Act‘ (Gesetz über das Verbot des Sklavenhandels), das die Sklaverei in den meisten Kolonien des Britischen Empires abschaffte. Das Gesetz trat am 1. August 1834 in Kraft. Durch dieses Verbot regte sich bei Sklaven- und Plantagenbesitzern zunächst massiver Widerstand. So wurde eine Vereinbarung getroffen, um die Sklavenbesitzer zu entschädigen, die an dem Jahrhunderte praktiziertes kollektives Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu Profit Zwecken der Menschheit beteiligt waren: der Transatlantische Sklavenhandel.
Um das Entschädigungspaket für Sklavenhändler und Sklavenhalter in Höhe von 20 Millionen Pfund zu finanzieren, erhielt Großbritannien einen Kredit in Höhe von 15 Millionen Pfund von zwei der damals berühmtesten Banker Europas, Nathan Mayer Rothschild und Moses Montefiore: 5 Million Pfund stammte aus Eigenmitteln der britischen Regierung. Es ist wichtig, zu erwähnen, dass dieser Kredit einer der größten Kredite ist, die Großbritannien je aufgenommen hat; erst 2015 zahlte Großbritannien endlich diesen Kredit ab.
Das Gesamtvolumen des o. g. Entschädigungspakets machte etwa 40 % der gesamten Staatseinnahmen und 5 % des Bruttoinlandsprodukts des Landes aus, etwa 145 bis 300 Milliarden Pfund, gemessen an heutigem Geldwert.
Kein einziger Pfennig wurde als Entschädigung an die Versklavten, an ihre Nachkommen oder/ und an Afrika ausgezahlt. Um der offenen Wunde noch Salz drauf zu streuen, halfen die Versklavten und ihre Nachkommen, die im Vereinigten Königreich und in anderen Ländern des gesamten Commonwealths lebten, direkt oder indirekt mit, den Kredit zurückzuzahlen. Dies geschah in Form von direkten Steuerzahlungen im Vereinigten Königreich, Kolonialsteuern sowie kolonialen Beuten von menschlichen und natürlichen Ressourcen und Schätzen. Aufgrund der oben dargelegten Hintergründe bzw. Umstände, hat das BÜNDNIS PAY DAY AFRICA beschlossen, diese historisch wichtige Veranstaltung in der Domstadt durchzuführen.
Auftaktveranstaltung am Samstag mit einer Mischung aus anspruchsvollen Musikbeiträgen und einer spannenden Podiumsdiskussion
Die samstägliche Auftaktveranstaltung des Zahltag Afrika 2020, die ich besuchte, bot eine interessante Mischung aus Redebeiträgen, Lesungen, Poetry und Live-Musik mit über 17 coolen und talentierten Acts. Am Rande waren Infopoints aufgebaut. Diverse Radiosender streamten die Veranstaltung live. Auch via Facebook und You Tube konnte das Event verfolgt werden. Ebenfalls übertragen wurde die zweistündige, interessante – nicht nur zurückblickende, sondern visionär in die Zukunft ausgerichtete Podiumsdiskussion. (Bitte schauen Sie das Video.)
Begonnen wurde Auftaktveranstaltung mit einer Zeremonie, wie sie in Afrika üblich ist. Bei der Zeremonie geht es darum der afrikanischen Ahnen und der Widerstandskämpfer und aller, die durch den Sklavenhandel und als Sklaven verstorben sind, zu gedenken Und aller zu gedenken, die durch den Kolonialismus gestorben sind. Wasser wurde auf den Bühnenboden gegossen, um die Verstorbenen teilhaben zu lasssen. Jeder auf der auf der Bühne versammelte Mensch sprach einen Namen dieser Widerstandskämpfer aus. Ihnen zu Ehren wurde eine Schweigeminute eingelegt.
Journalist Peter Donatus. Foto: C. Stille
Der Journalist Peter Donatus, einer der Organisatoren des PAY DAY AFRICA, machte zu Anfang der Veranstaltung klar, dass es angesichts des steigenden Rassismus und Antisemitismus im Lande kein aktuelleres Thema gebe. Donatus zum Rassismus: „Wir erleben das jeden Tag. Wir demonstrieren zu wenig. Es müsste eigentlich jeden Tag demonstriert werden.“
Aber eigentlich sei die Stimmung in der Gesellschaft doch so, stellte Donatus fest:
„Wir sollen die Geschichte der Sklaverei vergessen. Das sei doch schon über 400 Jahre her. Wir sollen nach vorne gucken. Aber wo ist Vorne?“
Die Zukunft werde doch blockiert durch die Gegenwart. Durch die Ausbeutung von Afrika. Durch Ausbeutung von Mensch und Natur in Afrika. Auch zu Finanzierung des Wohlstands hier in Deutschland und in Europa fuße darauf. Deutschland sei zwar Exportweltmeister. Aber der Wohlstand kommt nicht allein aus Deutschland heraus. Donatus gab zu Bedenken:
„Ohne Rohstoffe keine Arbeit. Ohne Rohstoffe keine Maschinen.“
Peter Donatus:
„Es kann nicht sein, dass 600 Jahre nach der brutalen Geschichte, dass wir immer noch darüber reden und darauf warten müssen, dass Deutschland und Europa zumindest sagt: I’am sorry. Was ist denn so schlimm daran?! Das hat man doch auch bei den jüdischen Schwestern und Brüdern gesagt“.
Serge Palasie. Foto: Stille
Serge Palasie (Eine Welt Netz NRW) antwortete Donatus, warum die Entschuldigung so schwer über die Lippen gehe: „Weil die Geld kosten könnte.“ (Für den ganzen Wortbeitrag schauen Sie bitte das Video.)
„Oury Jalloh, Oury Jalloh, Oury Jalloh – das war Mord!“
Foto: Peter Donatus
Bewegend auch der Auftritt von Mouctar Bah von der Oury Jalloh Initiative (zum Fall Oury Jalloh hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier mehr). Mouctar Bah war ein Freund von Oury Jalloh, der 2005 in Dessau in Polizeigewahrsam zu Tode gekommen war. Offenbar ermordet wurde. Denn wie sonst hätte Jalloh, gefesselt an Händen und Füssen, mit einem Feuerzeug seine Matratze angezündet haben können?
Zuvor empörte sich Peter Donatus: Es könne doch nicht sein, dass schwarze Menschen, wenn sie von der Polizei festgenommen würden, in deren Gewahrsam zu Tode kämen. Es wurde zusammen mit dem Publikum skandiert: „Oury Jalloh, Oury Jalloh, Oury Jalloh – das war Mord!“
Mukhtar Kamara skandalisierte, dass die Bundesregierung die von Deutschen im heutigen Namibia verübten Massaker an den Herero (80 Prozent von ihnen wurden brutal ausgerottet) und Nama zwar als Völkermord einstufe, sie jedoch daraus kein Anspruch auf Reparationen hergeleitet habe.
Erst vor Kurzem wurde gemeldet (hier in der Tagesschau), dass Namibias Regierung die inzwischen zehn Millionen als Wiedergutmachung gedachten Euro seitens Deutschlands für Verbrechen in der Kolonialzeit als „inakzeptabel“ ablehne. Grund ist dabei freilich nicht allein die Summe des angebotenen Geldes allein. Kamara machte deutlich, dass ein solches Verbrechen ohnehin – mit keinem Geld der Welt – wiedergutgemacht werden könne. Weshalb das Geld für Herero und Nama zunächst einmal zweitrangig sei. Mit ihnen sei ohnehin empörender Weise überhaupt nicht direkt verhandelt worden, sondern nur mit der namibischen Regierung. Was für die Herero und Nama freilich ein Affront darstellen musste. Die bundesdeutsche Regierung müsste zunächst einmal klipp und klar anerkennen, so forderte Kamara vehement, dass es sich bei der Vernichtung der Völker der Herero und Nama schlicht nicht – wie bislang behauptet – um „Kriegsfolgen“, sondern um ein Genozid gehandelt habe.
Interessante Podiumsdiskussion blickte nicht nur zurück auf die Vergangenheit, sondern es wurden auch visionäre Ideen aufgeworfen
Fraglos der Höhepunkt der Veranstaltung am Samstag war die gut zweistündige Podiumsdiskussion. Die Diskutanten blickten nämlich bei weitem nicht nur in die Vergangenheit zurück – was zwar wichtig ist, um die Gegenwart zu
Die Diskussionsrunde. Von llinks: Peter Donatus, Sista Oloruntoyin, Isabel Haase, Mirta Junco Wambrug, Mukhtar Kamara, Serge Palasie und Matilda theeGreat. Foto; Stille
verstehen – sondern wagten auch visionäre Blicke in die Zukunft. Etwa brachte Mukhtar Kamara brachte etwa seine Gedanken zu Vereinigten Staaten von Afrika, die Idee des Panafrikanismus, in die Diskussion ein. Was heute zwar noch sehr utopisch klingt, könne allerdings in Zukunft verhindern, dass einzelne afrikanische Staaten etwa von der EU untereinander ausgespielt werden. Es könne doch nicht sein, dass die EU mittels so genannter Freihandels- bzw. Partnerschaftsabkommen (EPA) durchsetze, dass sie ihre Produkte in die afrikanische Staaten liefern dürfe, diese aber in vielfacher Hinsicht daran gehindert werden, selbiges betreffs der EU zu tun. Auch der Abhängigkeit über den CFA-Franc (hier ein Beitrag der Deutsche Welle dazu) der einstigen aus französischen Kolonien hervorgegangenen afrikanischen Staaten von Frankreich müsse endlich ein Ende gemacht werden. Hierzu noch ein älterer Beitrag von mir.,
Gesprochen wurde auch darüber, was getan werden könnte, um etwas gegen Zwangsprostitution zu tun. Nicht wenige junge Afrikanerinnen werden nämlich in die EU und auch noch Deutschland gelockt, um hier – dazu gepresst – in der Prostitution zu arbeiten. Dazu leistete kompetent auch die Juristin Sista Oloruntoyin aus Hamburg einen Diskussionsbeitrag.
Schauen Sie, lieber Leser*innen das über siebenstündige Video, welches auch die Podiumsdiskussion enthält.
Die gut organisierte Veranstaltung setzte Akzente und gab sicherlich Impulse. Versöhnung wurde großgeschrieben, aber auch über Reparationen gesprochen.
Alle Künstler*innen und viele Mitwirkenden haben auf ihre berechtigten Gagen und Honorare verzichtet.
Den Beitrag mit meiner Vorberichterstattung zu PAY DAY AFRICA 2020 finden Sie hier.
Hier eine kleine Fotostrecke zum PAY DAY AFRICA 2020 am Köln-Deutzer Rheinufer
Zeremonie für die afrikanischen Ahnen.
Stets zum Kampf für die Rechte fest entschlossen. Foto: C. Stille
Pressemitteilung – Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
– 28.10.19
Neues forensisch – radiologisches Gutachten im Fall Oury
Jalloh
“Nach Begutachtung der Bilddateien der Computertomographie vom 31.03.2005 des Leichnams des Oury Jalloh sind Knochenbrüche des Nasenbeins, der knöchernen Nasenscheidewand sowie ein Bruchsystem in das vordere Schädeldach sowie ein Bruch der 11. Rippe rechtsseitig nachweisbar. Es ist davon auszugehen, dass diese Veränderungen vor dem Todeseintritt entstanden sind.” 1 Sowohl die schwere Kopfverletzung, als auch die klar erkennbare und durch punktuelle Gewalteinwirkung gebrochene 11. rechte Rippe, legen den dringenden Verdacht nahe, dass Oury Jalloh von Polizeibeamten vor seinem Tod körperlich schwer misshandelt worden sein muss. Als Oury Jalloh am Morgen des 7. Januars 2005 von den Frauen der Stadtreinigung angetroffen wird, weist er keine offenkundigen Verletzungen im Gesicht oder am Oberkörper auf. Auch im Rahmen der Untersuchung durch den Polizeiarzt Dr. Blodau zwischen 9:15 und 9:30 Uhr werden keinerlei solche Verletzungen oder Symptome der nunmehr festgestellten Verletzungen am Körper oder im Gesicht von Oury Jalloh beschrieben. Deshalb ist davon auszugehen, dass sowohl der Nasenbein- und Schädelbasisbruch als auch die gebrochene 11. Rippe rechts im Zeitraum zwischen der Untersuchung durch Dr. Blodau und dem Ausbruch des Feuers in Zelle Nr. 5 entstanden seinmüssen. Die Einwirkungen der Gewalt waren sowohl im Gesicht, als auch im Bereich der 11. Rippe in einer Art und Weise punktuell bzw. fokussiert heftig, dass eine Selbstverletzung oder ein Sturz weitestgehend ausgeschlossen werden können. Eine Beifügung dieser Verletzungen durch Dritte ist damit naheliegend wahrscheinlich. Der Zeitraum in welchem Oury Jalloh die beschriebenen Verletzungen durch externe Gewalteinwirkung zugefügt worden sind, ist eindeutig eingrenzbar und liegt zwischen: 9:30 Uhrund 12:05 Uhr. Auch der Kreis möglicher Täter*innen ist eindeutig einzugrenzen – er beschränkt sich auf die im Polizeirevier Dessau anwesenden Personen mit Zugang zu den Zellen im Gewahrsamstrakt.
1Prof. Dr. Bodelle, “Fachradiologisches Gutachten”, 18.10.2019, S.13.
Betroffene können nicht nur ein traurig Lied davon singen: sie leiden bisweilen an Traumata und fühlen sich ausgegrenzt und diskriminiert. Die Rede ist von Racial Profiling. Das bedeutet, dass Menschen aufgrund ihrer „Rasse“, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder nationaler Herkunft hauptsächlich von der Polizei etwa auf der Straße anlasslos herausgepickt und einer Kontrolle unterzogen werden. Nicht nur von Migrantenorganisationen wird die Polizei dafür kritisiert. Die Polizeibehörden wiegeln dann meist ab. Begründen ihr Vorgehen mit „normaler Polizeiarbeit“. Die Betroffenen freilich dürften das aus leidvoller Erfahrung heraus ganz anders empfinden. Dass die Kritik betreffs Racial Profiling offenbar nicht ganz unbegründet oder aus der Luft gegriffen ist, haben sogar die Vereinten Nationen festgestellt: Die UN spricht davon, dass racial profiling bei der deutschen Polizei weit verbreitet sei. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, kommentiert den Report der UN-Arbeitsgruppe „Menschen afrikanischer Abstammung“ zum Rassismus in Deutschland folgendermaßen: „Ich bekräftige erneut meine Forderung, eine unabhängige Beschwerdestelle für Fehlverhalten der Polizei einzurichten. Der Report zeigt in erschütternder Deutlichkeit das Rassismusproblem in Deutschland, insbesondere auch in den Behörden.“
Doch die deutsche Bundesregierung bleibt uneinsichtig, wie Ulla Jelpke informierte: Die Bundespolizei soll nach dem Willen der Bundesregierung auch künftig Personenkontrollen aufgrund der Hautfarbe vornehmen. Das geht aus den Antworten der Bundesregierung (PDF) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag hervor.
Vor einer Woche nun ereignete sich hierzulande abermals ein Vorgang, welcher den Verdacht auf Racial Profiling – diesmal seitens der Kölner Polizei – aufkommen lässt. Hier soll darüber informiert werden, was J. widerfahren ist. Er dokumentierte den Vorfall in einem ehrlichen Erlebnisbericht, der auch eigene Verfehlungen aus der Vergangenheit nicht verschweigt.
Der Erlebnisbericht von J.*:
Mein Name ist J. Ich bin ein Geflüchteter aus Burundi, lebe aber seit 15 Jahren in Deutschland. Ich treibe gerne sehr viel Sport (Boxing, Basketball, u. a.), auch aus psychotherapeutischen Gründen. Mehr dazu und zu meiner Person später.
Gegen 20.45 Uhr am Donnerstag, 03.05.2018 wurde ich von zwei Polizisten in einer Gruppe von Menschen auf einem Basketballplatz des Kölner Volksgartens herausgeholt und kontrolliert. Mir wurden keine nachvollziehbare Gründe genannt, warum ich aus einer Gruppe von Nichtschwarzen herausgepickt und kontrolliert wurde. Ich hatte dort lediglich Basketball mit Nichtschwarzen gespielt, mehr nicht. Diese Polizeiaktion ist nicht nur unfair, respektlos und sehr verletzend, sie ist auch rassistisch und somit sowohl moralisch als auch rechtlich falsch. Daher muss dieser unvorstellbar schmerzhafte Rassismus-Fall geklärt werden. Die beiden beteiligten Polizisten müssen rechtlich und auf der Verwaltungsebene zur Verantwortung gezogen werden. Denn, nach persönlicher Erfahrung und aus Erzählungen aus meinem Freundeskreis weiß ich auch, dass solche rassistischen Vorgehensweisen mittlerweile leider keinen Einzelfall, es ist Trend.
WAS IST GENAU PASSIERT?
Ich wollte an dem Tag eigentlich zum Boxtraining, hatte aber Muskelkater vom Training vom Vortag und wollte nicht mit Muskelkater ins Training gehen. Lust hatte ich dennoch, Sport zu machen. Daher bin ich mit dem Fahrrad zunächst einmal zum Park am Hans-Böckler-Platz gefahren, um dort Basketball zu spielen. Dort gibt’s nicht nur einen Basketballplatz, sondern auch die Möglichkeit, Mitspieler*innen vor Ort zu finden, ohne miteinander vorher befreundet bzw. verabredet zu sein. Außerdem ist der Park nicht weit von meiner Wohnung entfernt. Doch als ich den Basketballplatz am Hans-Böckler-Platz ankam, war der Platz rappelvoll, sodass ich nicht mitspielen konnte.
Ich bin dann mit dem Fahrrad weiter in die Südstadt gefahren, zum Volksgarten. Dort gibt es auch einen Basketballplatz. Bis jetzt war ich nicht so oft im Volksgarten: in diesem Jahr ungefähr drei Mal; insgesamt ca. 10 Mal in den letzten 15 Jahren, aber immer um Basketball zu spielen.
Am Spielplatz traf ich ein paar Nichtschwarze und wir spielten Basketball zusammen. Es war sehr schön. Plötzlich tauchten zwei Polizisten auf, nahmen mich zur Seite und fragten nach meinem Ausweis. Ich erzählte ihnen, dass ich meinen Ausweis zuhause vergessen habe, aber dass ich mich durch meine AOK-Karte ausweisen kann. Einer der beiden Polizisten nahm meine AOK-Karte entgegen und es folgte die Überprüfung per Funk. Sie durchsuchten mich, fanden nichts. Meine Papiere waren in Ordnung.
Dann fragte ich: „Was habe ich getan? Warum werden andere Mitspieler*innen auf dem Platz nicht kontrolliert? Warum nur ich? Weil ich schwarz bin?“ Ich bekam zunächst keine Antwort. Mittlerweile unterbrachen alle anderen Mitspieler*innen das Spiel und kamen zu uns.
Einige andere Leute im Park, die das Geschehen verfolgten, auch. Sie mischten sich ein. Ich bekam moralische Unterstützung. Diese Unterstützer*innen stellten ebenfalls ähnliche Fragen. Erst dann antwortete der Polizist auf die Frage, warum nur ich kontrolliert wurde:
„ER PASSTE NICHT INS BILD“
„Welches Bild denn?“ Das wollte nicht nur ich, sondern auch die Unterstützer*innen wissen. Darauf bekamen wir jedoch keine Antwort.
Ich erzählte den Polizisten, dass es sich hier um eine besonders krasse Form rassistischer Diskriminierung handelt und somit um einen massiven Eingriff in meine Grundrechte.
„Dagegen können Sie sich beschweren“, sagte einer der Polizisten.
Die Unterstützer*innen verlangten von den beiden Polizisten, sich bei mir „sofort“ für diese rassistische Behandlung und Äußerung zu entschuldigen. Darauf antwortete der Beamte:
„Wofür? Das ist kein Rassismus. Das ist gute Polizeiarbeit.“
Es war sehr verletzend. Damit komme ich immer noch nicht klar. Die erste Nacht und der darauf folgende Tag waren bis jetzt die Schlimmsten seit diesem Vorfall: Albträume in der Nacht. Ich konnte weder durchgehend schlafen noch tagsüber essen und wieder normal denken. Die Behauptung des einen Polizisten, ich passe nicht ins Bild, hat mich intensiv beschäftigt bzw. beschäftigt mich immer noch. Alte Trauma-Geschichten kochen hoch. In Burundi herrscht Bürgerkrieg. Ich bin deswegen aus meiner Heimat geflohen. Ich habe deswegen meine eigentliche Heimat verloren. Ich kam nach Deutschland, wo ich seit 15 Jahren lebe. Aber hier passe ich auch nicht ins Bild. Ich kämpfe mit den Gedanken: nirgendwo passe ich ins Bild. Hinzu kommen vermehrte Angstanfälle. Ich habe sogar Angst, diesen Platz wieder zu besuchen. Der Platz selbst ist leider jetzt ein traumatisch besetzter Ort geworden. Definitiv!.
Trotzdem bin ich den Unterstützer*innen sehr dankbar. Die Solidarität war bzw. ist beispielhaft. Bereits vor Ort forderten einige dieser Menschen die beiden Polizisten sogar dazu auf:
„Wir wollen auch kontrolliert werden“
Das hat mich sehr beeindruckt und ganz tief berührt. Das macht mir sehr viel Mut und holt mich gerade aus dem Motivationsloch heraus.
Nun werde ich Anzeige gegen die beiden Polizisten erstatten und hoffe dabei auf eine breite Solidarität der Öffentlichkeit. Die Anzeige wird gerade vorbereitet.
Einige der Unterstützer*innen wollen auch Anzeige erstatten, als Zeug*innen aussagen und / oder Dienstaufsichtsbeschwerde beim Polizeipräsidenten einreichen.
Ich bin fast 34 Jahre alt und kam 2002 nach Deutschland, wo ich seitdem lebe. In meinem Heimatland Burundi herrscht seit mehreren Jahrzehnten Bürgerkrieg, welcher mich zur Flucht gezwungen hat. Unmittelbar nach meiner Ankunft in Deutschland stellte ich einen Antrag auf Asyl. Dieser wurde abgelehnt. Es folgten ein bürokratisches Tauziehen und langwierige, schmerzhafte behördliche Schikanen. So lebte ich von 2002 bis 2016, also 14 Jahre lang, in ungeklärten Verhältnissen in einem Asylheim in Leverkusen (Sandstraße).
Ich leide sehr stark an Posttraumatische Belastungsstörung, aufgrund schmerzhafter Erlebnisse im Bürgerkrieg in meiner Heimat. Lange Zeit durfte ich nicht arbeiten. Ich wusste noch nicht mal, wie lange ich in Deutschland leben darf. Alles war unsicher. Zudem habe ich seit meiner Flucht bis heute keine Kontakte mehr zu meiner Familie. Das belastet mich immer noch sehr.
Aus Langeweile, Perspektivlosigkeit und wegen falschen Freunden im Asylheim fing ich an zu kiffen. Es war eine Betäubung der seelischen Schmerzen, das hat aber kein einziges Problem gelöst. Im Gegenteil: meine Situation wurde dadurch noch schlimmer. Denn, ich fing an, andere harte Drogen zu konsumieren, alle mögliche Drogen bis hinzu zu Kokain, Heroin etc. Ich habe jedoch nie damit gedealt, nur konsumiert. Ich wurde zwei Male mit Drogen erwischt:
1. Fall: 3 – 4g Marihuana. Ich bekam eine Geldstrafe i.H.v. ca. €400, die ich teils bar bezahlt und teils als Sozialstunden in einer gemeinnütziger Einrichtung geleistet habe.
2. Fall: 0,2g Heroin. Die Folge war ca. €500 Geldstrafe, die ich in Raten abbezahlte.
Auf einer freiwilligen Basis begann ich 2012 mit der Therapie in einer christlichen Einrichtung: Christliche Therapie Weidenhof im Märkischer Kreis in Sauerland. Diese dauerte ca. ein Jahr und war sehr erfolgreich. Danach folgte eine ebenfalls erfolgreiche viermonatige sog. Adaptionsmaßnahme, so erfolgreich dass ich 2013 eine Beschäftigung aufnehmen konnte und durfte. Ich arbeitete in einem Restaurant: „Nudelhaus am Dom“ in Köln. Nach neun Monaten habe ich selbst gekündigt, wegen Mobilitätsproblem. Ich wohnte noch in Leverkusen und manchmal arbeitete ich bis 2 Uhr und Busse und Bahnen fahren in dieser Zeit nicht.
2014 nahm ich eine weitere Beschäftigung bei der Zeitarbeitsfirma BPS (Bergischer Personalservice) als Lagerist / Produktionshelfer auf.
Zwischen 2015 und 2016 wurde ich mit meiner Drogensucht leider rückfällig. Seit Beginn meiner Therapie hatte ich die Behörden ständig darum gebeten, mich in eine andere Einrichtung zu verlegen, da sich mein altes Drogennetzwerk genau in diesem Asylheim in Leverkusen, wo ich noch wohnte, befand. Ich wollte nie mehr mit Drogen zu tun haben. Die Behörden hatten meine Bitten immer wieder abgelehnt. So ist der Rückfall zu begründen. Ich kündigte meine Beschäftigung beim BPS und befand mich wieder in meinem alten Drogensumpf. Das war nicht schön.
In März 2017 begann ich eine weitere Therapie, diesmal in einer staatlichen Einrichtung: „Johannesbad Fachklinik in Holthauser Mühle“ in Schmallenberg (Sauerland). Die Therapie dauerte sechs Monate, abschließend folgt wieder eine viermonatige Adaptionsmaßnahme.
Momentan bin ich arbeitsuchend und habe aktuell gute Chancen im Toom Baumarkt zu arbeiten, jedoch über eine Zeitarbeitsfirma.
Anmerkung:
Vier zum Zeitpunkt des Vorfalls vor Ort anwesende Personen (die Namen sind bekannt) waren dem von den zwei Polizisten kontrolliertem J. unterstützend beigesprungen. Sie fanden es offenbar merkwürdig, dass von den auf dem Baskettballplatz anwesenden Personen ausschließlich nur der farbige Mann kontrolliert wurde und vermuteten dahinter Racial Profiling.
Einen der Unterstützer erreichte ich telefonisch. Der Herr schilderte mir, dass die zwei Polizisten die Basketball spielenden Personen eine ganze Weile aus dem Streifenwagen heraus beobachtet hätten. Schließlich seien sie ausgestiegen und zielstrebig auf Herrn J. zugegangen, um ihn zu kontrollieren. Als sich die Polizisten nach erfolgter Kontrolle anschickten wieder abzufahren, erzählte mir der Herr am Telefon, habe er sie aufgehalten und gefragt, warum sie ausgerechnet und zielstrebig nur die farbige Person kontrolliert hätten. Der Herr vermutete hinter diesem Vorgehen nämlich ebenfalls Racial Profiling. Die Polizisten antworteten ihm, sie hätten Order gehabt, diese ihnen angeblich unbekannte Person zu kontrollieren. Von wem diese Order kam, erfuhr der Zeuge nicht von den Beamten.
Für einen anderen Zeugen des Vorfalls, Peter Donatus, sind Vorfälle wie diesen am 3. Mai 2018 in Köln nichts Neues. Er selbst ist Schwarzer. An diesem Tag kam er mit seinem Fahrrad dort vorbei und griff wie auch die anderen Personen ein. Wie er mitteilte, ist er darüber empört, dass sich immer wieder solche Vorfälle ereignen. Donatus ist u.a. in der sozialen Arbeit in Köln vielfach engagiert. Er hat etwa Unterstützung und Orientierungshilfe für Geflüchtete geleistet. Dem Betroffenen im vorliegendem Fall hat er nun ebenfalls seine Hilfe zugesichert. Die Antidiskriminierungsstelle in Köln wird informiert und mit ihr zusammen das weitere Vorgehen beraten. Peter Donatus ist ungehalten darüber, dass die Politik an der Praxis polizeilicher Personenkontrollen aufgrund der Hautfarbe festhalten will. Ungeachtet dessen wird er sich weiter gegen diese Praxis wenden. Selbst wenn die Hoffnung auf Abschaffung des ebenfalls von der UN als Racial Profiling kritisierten Verhalten der deutschen Polizei – erst recht unter einem Innenminister Horst Seehofer – mehr als gering sein dürfte.
Der Fall J. wird im Auge behalten. Über den Fortgang lesen Sie hier auf diesem Blog hoffentlich bald mehr.
*Der Name des Betroffenen J. ist dem Autor dieses Beitrags bekannt.
Wie es anders gehen könnte: „Ein bisschen Liebe verbreiten …“ – Ein Musikvideo der Kölnerin Leila Akinyi