„Richtigstellung!“ von Michael Ballweg, Ralf Ludwig – Rezension

Erinnern Sie sich noch? Wir Menschen sind ja bekanntlich ziemlich vergesslich. Auch wenn wir alle nicht Olaf Scholz heißen und einen auf Cum und ex machen.

Drum noch einmal, um die Erinnerung(en) wachzurufen:

«Die drei Jahre Corona-Zeit waren düster und beängstigend. Nicht nur weil man uns seitens der Regierung und ihr als servile Komplizen gedient habende Medien – die auch noch Staatsknete (unser Steuergeld!) – dafür kassierten, um uns tagtäglich rund um die Uhr Angst vor einem vermeintlich schlimmen Killervirus zu machen. Das gelang schon deshalb, weil ein Virus nun einmal unsichtbar ist. Da ließen wir uns freilich von sogenannten Experten entsprechende Horrorgeschichten erzählen, die es ja wissen mussten und uns dies glauben machen konnten. Gestandene Fachleute hingegen – etwa ein Professor Sucharit Bhakdi, der in seiner Laufbahn zirka 11 000 Ärzte ausgebildet hat – oder ein frühzeitig kritischer und warnender Wolfgang Wodarg wurden als Schwurbler diffamiert.

Diese Zeit konnte durchaus Anklänge eines möglicherweise heraufziehenden Totalitarismus ahnen lassen. Das schrieb ich in Reaktion auf eine im pad-Verlag erschienene Broschüre mit dem Titel „Corona. Legenden und Wahrheit“ von Klaus-Dieter Rückauer.«

Und weiter: «Menschen, darunter wirkliche Experten, die die teils irren, widersinnigen und wirren, zwecks Bekämpfung dieses Virus und dem angeblichen Schutz davor in Anschlag gebrachten Maßnahmen von Anfang kritisierten (und fachlich wie sachlich begründeten) wurden beiseite geschoben. Manche verloren sogar ihre Stellen.

Man kann es so sehen: Der Staat hatte die grimmige Maske des Leviathans aufgesetzt. Leviathan bezeichnet in der politischen Theorie von Thomas Hobbes (1588–1679) den allmächtigen Staat und Souverän, der in der Lage ist über ein bestimmtes Territorium, Städte und Dörfer und die dortige Bevölkerung zu herrschen.

Angeblich ging es um unseren Schutz. Der Kognitionsforscher Rainer Mausfeld sagte kürzlich in der Diskussion nach einem seiner Vorträge: „Um Gesundheit ging es nicht.“«

Gesslerhüte!

Doch halt! In unseren momentanen Zeiten müssen immer diverse Gesslerhüte gegrüßt werden. Das gilt, wenn man sich zum völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine äußert und selbstredend galt und gilt es auch, wenn wir uns zur Corona-Krise zu Wort melden.

Also: Klar ist, dass eingangs der Corona-Pandemie (die ja nur hat zur Pandemie hat erklärt werden können, weil die WHO 2009 die Kriterien dafür entsprechend geändert, sprich: verschärft hat) niemand wusste wie gefährlich das Corona-Virus für uns ist.

Somit war zunächst Vorsicht geboten.

Allerdings gab es schon bald Hinweise darauf, dass man, um dem Virus zu begegnen das Kind nicht gleich mit dem Bade ausschütten musste. Doch genau dies geschah mittels der dann von der Bundesregierung auf den Rat sogenannter Experten hin ins Werk gesetzten Maßnahmen gegen die Pandemie. Noch dazu war zu diesem Behufe ein Gremium geschaffen worden, welches in unserem demokratischen Staatswesen gar nicht vorgesehen ist: Die „Ministerpräsidentenrunde“.

Dann trafen uns die ganzen Maßnahmen mit voller Härte. Versammlungsverbote, Maskenpflicht sowie Pflichtabstände und anderes mehr wurden uns verordnet. Unsere Alten in Pflegeheimen durften nicht mehr besucht werden. Auch die Kinder in Kindergärten und Schulen traf es hart. Die Folgen für die Zukunft der Betroffenen können noch gar nicht abgeschätzt werden. Es wurde ein Fall publik wo ein Polizeihubschrauber rodelnde Kinder auseinander trieb und über die Piste jagte. Viele der Verordnungen widersprachen sich sogar, waren. Gastronomen wurden schwer geschädigt, weil sie nicht öffnen durften oder ihre Gäste dahingehend zu überprüfen hatten, ob die die entsprechenden Auflagen erfüllten, um eingelassen werden zu können. Grundrechte waren quasi suspendiert. Auch Demonstrationen waren verboten.

Rechtsanwalt Ralf Ludwig erreichte 2020, dass Demos wieder möglich wurden

Rechtsanwalt Ralf Ludwig erreichte 2020 per Klage, dass wieder Demonstrationen möglich wurden. Allerdings unter Auflagen. Je nach Kommune wurden die Demonstrationen nicht selten erschwert, meist im Vorfeld von der Politik und den Medien übel diffamiert oder manchmal zunächst erlaubt, dann aber mit mehr oder weniger fadenscheinigen Begründungen abgebrochen.

Michael Ballweg wollte eigentlich aus dem Hamsterrad aussteigen

Dann kam Michael Ballweg ins Spiel, den gewiss niemand auf den Zettel hatte. Der selbstständige Software-Entwickler hatte gut verdient, hatte viele Autos, teure Hobbys und teure Urlaube gehabt. Er wollte aus dem Hamsterrad raus. Mit dem Rucksack. (S.17)

„Und zwei Tage vor dem ersten Lockdown 2020 in China waren die Verträge mit Bosch unterzeichnet.“ Ballweg wollte aussteigen und das Produkt verkaufen.

Aus der geplanten Rucksackreise wurde also nichts. „Ja, stimmt“, antwortete Michael Ballweg dem Journalisten Mathias Bröckers, „aber ich hatte viel Zeit, und es kamen die ersten Bilder aus China, wo Leute einfach umfallen, In Wuhan, sehr spooky.“

Ballweg: „Da hab ich mich gefragt: Wie funktioniert denn Demokratie eigentlich, wenn jede Kritik gelöscht wird, und draußen darf ich mich auch nicht mehr versammeln?

Ballweg sah die Videos von Professor Bhakdi, die Ansprache von Bundeskanzlerin Merkel, und Videos von Wolfgang Wodarg und anderen. Erlebte, wie die Widersprüche von wirklichen Fachleuten einfach weggewischt wurden. „Da hab ich mich gefragt: Wie funktioniert denn Demokratie eigentlich, wenn jede Kritik gelöscht wird, und draußen darf ich mich auch nicht mehr versammeln? Dann gab es noch diese Bilder aus Berlin, vor der Volksbühne wurde demonstriert und die Demo wurde aufgelöst, und eine junge Frau stand da mit dem Grundgesetz in der Hand, und der Berliner Polizist sagte, Grundgesetz brauchen wir jetzt nicht mehr.“

Ballweg wollte auf legalem Weg das Demonstrationsrecht durchsetzen

Ballweg wollte auf legalem Weg das Demonstrationsrecht durchsetzen. Er wurde auf den Anwalt Ralf Ludwig aufmerksam und sagte ihm, dass die Stadt Stuttgart seine Anmeldung einer Demonstration einfach nicht annehmen wolle.

Ludwig riet eine weitere Demonstration anzumelden. Aber die Stadt nahm keine Anmeldungen an. Letztlich gingen sie zum Bundesverfassungsgericht. Ralf Ludwig zur Antwort des Verfassungsgerichts: „Eine Versammlung kann man nicht von vornherein verbieten. Das Verfassungsgericht hat 2020 noch das Versammlungsrecht hochgehalten, ein Fundament der Demokratie schlechthin, und gesagt, dass man es nicht einfach aushebeln darf.“

Und erlaubte die relativ kleine Demo in ihrem Sinne. Was Ballweg zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen konnte: Später würde er auf die größte Demo seit Jahrzehnten in der BRD, stattgefunden in Berlin, zurückblicken können.

Michael Ballweg: „Das war meine allererste Demo, also sowohl als Besucher als auch als Veranstalter.“ (S.21) Querdenken 711 bekam dann zahlreiche Ableger in anderen Regionen. Querdenken entwickelte eine Eigendynamik.

Interviewer Bröckers fragt Ballweg: „Wann und wie kamst du dafür auf den Begriff «Querdenken«?

Das gehe, so Ballweg, auf den Arzt Bodo Schiffmann zurück, „der hatte schon die «Querdenkerbommel« erfunden, „eine kleine Alubommel, mit der wir uns lustig darüber gemacht haben, als Aluhut bezeichnet zu werden. Ein Aluhut in klein, als Erkennungszeichen, dass man sich erkennt – mit ebendieser Querdenkerbommel“. (S.26)

Querdenker war Ballweg schon immer

Das war’s! Ballweg: „Und da ich dachte, Querdenker war ich schon immer, ich wurde ja für die Beratungsprojekte bei den Großkonzernen immer gut bezahlt, weil ich Querdenker war und über den Tellerrand der Konzerne hinausschauen konnte. Und weiter dachte ich, das passt doch, wir haben einfach eine andere Meinung zu dem Corona-Narrativ.“

Damals war freilich nicht zu ahnen gewesen, dass der Begriff zur Diffamierung benutzt werden und dazu dienen würde, kritische Menschen, die sich erlaubten eine andere Meinung zu haben als jene die das Corona-Narrativ vertreten, zu beschimpfen.

Dabei galt ja bis dahin der Begriff Querdenker geradezu als Auszeichnung! Kopernikus, Darwin, Freud und Albert Einstein wurden als Querdenker postuliert, bzw. empfanden sich selbst als solche.

Vorwort von Mathias Bröckers

In seinem Vorwort schreibt Journalist und Autor Mathias Bröcker: „Michael Ballweg, IT-Unternehmer und Gründer der Querdenken-Bewegung, wurde im Juni 2022 verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Vorgeworfen wurden ihm Betrug und Geldwäsche: Er hätte Schenkungen, die ihm für Querdenken zugeflossen waren, privat vereinnahmt. Der Nachweis, dass er für die Organisation der Querdenken-Demonstrationen mehr ausgegeben als über Schenkungen eingenommen hat, half ihm genauso wenig wie die Tatsache, dass keiner der über 9 000 Schenker sich geschädigt gefühlt und ihn angezeigt hat. Wegen «untauglichem versuchten Betrug« war er neun Monate in der JVA Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft und wurde Anfang April 2023 entlassen. Kurz zuvor hatte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Stuttgart Klage eingereicht, die aber am 6. Oktober 2023 abgewiesen wurde. Die 10. Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart konnte in diesem Fall weder Betrogene noch einen Betrüger erkennen und will kein Strafverfahren eröffnen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Nichteröffnung beim Oberlandesgericht Beschwerde eingelegt.“ Ballwegs Vermögen bleibt bis heute arrestiert.

Bröckers: „Da hat einer die größten Demonstrationen einer außerparlamentarischen Opposition seit Bestehen der Bundesrepublik auf die Beine gebracht, die nicht mehr einforderten als ihre von fragwürdigen Corona-Verordnungen außer Kraft gesetzten Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit – und wandert dafür ins Gefängnis? Das kann eigentlich nicht sein, weshalb offensichtlich mit anderen Mitteln versuchten wurde, Ballweg aus dem Verkehr zu ziehen: mit einer Anklage wegen versuchten Betrugs, die auf «untauglichen versuchten Betrugs« umgetextet wurde, weil es weder Betrogene noch einen Betrüger gibt.“

Zeit für eine Richtigstellung

Es wurde also Zeit für eine „Richtigstellung!“. So heißt das kürzlich erschienene Buch von Michael Ballweg und Ralf Ludwig. Im September 2023 hat sich Mathias Bröckers mit Michael Ballweg und seinem Rechtsanwalt Ralf Ludwig getroffen, um sich diese deren unglaubliche Geschichte anzuhören.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, werden während bei Lektüre des Buches gewiss öfters den Kopf schütteln, mit den Ohren schlackern oder die Faust in der Tasche ballen …

Mathias Bröckers gibt weiter zu bedenken: „Hat sich ein solcher Mensch der «Delegitimierung der Demokratie« schuldig gemacht, wie der Verfassungsschutz wähnt, oder ist er nicht eher einer ihrer vorbildlichen Verteidiger? Ist er einer der «gefährlichsten Anführer« der Querdenken-Bewegung Deutschlands, wie «Die Zeit« im August 2023 schreibt, oder stellen nicht sie und die anderen Großmedien, die unisono die Tödlichkeit des Virus und den Infektionsschutz durch Impfung beschworen, die viel größere Gefahr dar? Braucht eine echte Demokratie, brauchen ihre Medien und ihre Politik, nicht mehr Querdenker wie diesen Michael Ballweg, oder sollen diese – die nächste «Pandemie« kommt bestimmt – am besten schon vorsorglich aus dem Verkehr gezogen und mundtot gemacht werden? Eine neue Normalität dieser Art kann sich niemand wünschen, dem Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit am Herzen liegen?“

Wir Leser erfahren viel über den Lebensweg von Michael Ballweg. Auch über dessen Spiritualität. Und ahnen, dass dessen wirtschaftlicher Erfolg sich auch sein Stück weit dessen Naivität verdankt. Fühlen wir doch einmal in uns hinein: Hätten wir Lösungen wie er für die Wirtschaft zustande gebracht? Ja, Ideen hätten wir womöglich auch entwickelt. Aber diese umsetzen ist schon eine ganze andere Sache. Die meisten von uns hätten doch jedes auf uns zukommende Hindernis bereits vor unserem inneren Auge auf uns zukommen sehen und doch ein ausgedachtes Vorhaben schon nach wenigen Metern aufgegeben.

Wie ist es erst recht mit Demonstrationen. Wie Michael Ballweg zuvor waren die meisten von uns doch auch noch nie auf einer Demonstration – geschweige denn haben eine angemeldet und durchgeführt!

Aufgeben war die Sache Michael Ballwegs nicht. Er hat es als durch die Umstände notwendig gewordene Herausforderung betrachtet. Und eben einfach gemacht. Wie er Softwareentwicklungen einfach in Angriff genommen zur Reife gebracht hatte nach der Methode trial und error.

Querdenken nahm seinen Lauf und erhielt weiter Zulauf von Menschen. Die Presse schoss von Anfang an dagegen. Michael Ballweg: „Es gab von Anfang an den Vorwurf, es wären Reichsbürger, Pegida-Anhänger, Verschwörungstheoretiker, Aluhut-Träger, Irre und Wirrköpfe, die sich auf der Cannstatter Wasen versammeln. Wobei man hinzufügen muss: Die Presse hatte richtig Angst, weil zum einen weiß man ja, was zumindest den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betrifft, dass die keine Informationshoheit mehr haben, bei den jungen Menschen.“ (S.30) Doch Ballweg und Mitstreiter ließen sich nicht beirren.

Ballweg weiter: „Ich habe da auch erstmals verstanden, wie die Mainstream-Medien funktionieren, nämlich gar nicht so, wie die man sich das vorstellt. Eigentlich haben die Mainstream-Medien dadurch, wie sie berichtet haben und wie sie reagiert haben, die Demonstrationen erst groß gemacht. Ich kenne viele Menschen, die auf der Demonstration auf dem Cannstatter Wasen waren und sagten, was das für eine großartige, friedliche Demo war, was für tolle Redner, was für Argumente. Und die haben sich abends ins Auto gesetzt, das Radio angemacht und erwartet, da kommt jetzt ein Bericht darüber, und hören dann: Das sind alles verrückte Nazis.“ (S.31)

Nach Ballwegs Einschätzung ging es da betreffs der Demonstranten kreuz und quer. Die Menschen hätten sich hauptsächlich aus der bürgerlichen Mitte zusammengesetzt. Es seien „ganz normale Menschen“ gewesen.

Die 40 Initiativgruppen oder Querdenkengruppen hätten sich lediglich dem von Michael Ballweg erarbeiteten Manifest unterordnen müssen. Der kleinste gemeinsame Nenner: „die Grundrechte, Überparteilichkeit und Friedlichkeit“. „Und so haben wir die Gruppen massiv unterstützt beim Aufbau, wir haben das Logo vorbereitet, also die grafische Arbeit gemacht, wir haben geholfen, ihre Webseite einzubinden, ihre Telegram-Gruppen anzulegen usw.“ (S.36)

Querdenken 231 selbst erlebt

Als die erste Querdenken-Demo in Dortmund (Querdenken 231) angekündigt worden war, fasste ich – neugierig geworden – den Entschluss – den avisierten Demo-Ort, den Hansaplatz – aufzusuchen.

Querdenken-Demo in Dortmund. Foto: C. Stille

Schon vorher hatte die Lokalpresse verbal gewaltig gegen die Demo geschossen. Was gewiss auch damit zusammenhing, dass auf einer anderen Demo in Dortmund gegen die Corona-Maßnahmen ein paar Neonazis einen Fotografen angerempelt hatten. Entsprechend mit gemischten Gefühlen ging ich hin. Vorher fragte ich noch die Redaktion des Mediums für welches ich damals noch schrieb an, ob ich einen Bericht über die Demo schreiben soll. Nein, nicht nötig, wurde mir beschieden, es sei schon jemand anderes dafür vorgehen. Vertraute man mir also nicht? Als ich dann erfuhr wer den Bericht machen würde war mir alles klar. Es handelte sich um ein WDR-Journalisten, der schon öfters die „richtige“ Haltung bewies. Meinen Bericht schrieb ich dann halt doch und veröffentlichte ihn auf meinem Blog (hier). Daraus ein Ausschnitt:

«Im Vorfeld kündigten einige Medien die Veranstaltung auf dem Hansaplatz in Dortmund dementsprechend – in diffamierender Weise an, damit die Leser*innen gleich wussten, was sie über die Demo zu denken hatten. Im Wesentlichen war davon die Rede, dass sich in Dortmund „Coronaleugner“ treffen wollten. Wie dann die Nachberichterstattung ausfallen würde, konnte man sich auch ausmalen. Und so kam es. Es ist inzwischen auch u.a. hier zu lesen. Auch der hetzerisch tönende Bericht der WDR-Lokalzeit Dortmund (…) folgt dieser Ideologie. Und da beschwert sich der WDR-Mann in seinem Stück darüber, dass die Menschen auf dem Platz so ablehnend gegenüber dem Reporter auftraten? Ich muss schon sehr bitten! Den Vogel schoss mal wieder ein Blogger (…) ab. Er wirft den Demonstranten in dieser WDR-Lokalzeit vor, einen Umsturz im Sinne zu haben, wovon doch nur rechte Kräfte profitieren würden. Wer nur einen Hammer hat, sieht eben überall nur Nägel.«

Ein Wermutstropfen: Der Besuch beim „König von Deutschland“ war allerdings skandalös

Im Buch spricht Mathias Bröckers „den «Skandal«, der in den Medien eine große Rolle gespielt hat“ an. (S.46)

Für mich war das wirklich ein Skandal. Und zwar ganz ohne Anführung.

Da geht es darum, dass sich Michael Ballweg mit dem sogenannten „König von Deutschland“ in dessen Restaurant, «Hacienda Mexicana«, „die irgendwie zu diesem «Königreich« gehörte“ in Saalfeld traf.

Im Buch machen es sich m.E. Michael Ballweg und Ralf Ludwig etwas zu einfach, was die Erklärung zu diesem Treffen angeht.

In alternativen Medien erfuhr ich später, dass die Querdenker, die Ballweg zu einem Arbeitstreffen nach Saalfeld eingeladen hatte, im Vorfeld nicht in Kenntnis gesetzt worden waren, wen sie dort treffen würden.

Ich schrieb einen Beitrag zu dem mich beunruhigt habenden Vorfall und zitierte dort Hermann Ploppa (hier ein Ausschnitt):

Bestürzt nahm ich am gestrigen Abend folgenden Post des Politologen, Aktivisten und Autoren Hermann Ploppa (zuletzt veröffentlichte der dass Buch „Der Griff nach Eurasien“) auf Facebook zur Kenntnis:

«Leute, morgen wird die Mainstreampresse Vernichtendes über unsere Demokratiebewegung berichten. Die führenden Personen von Querdenken haben sich am Sonntag, dem 15.11.2020 mit dem „König von Deutschland“, Peter Fitzek, getroffen. Im thüringischen Ort Wöhlsdorf. Fitzek hat, so heißt es, den Führungsleuten von Querdenken einen zweieinhalbstündigen Vortrag über sein Königreich gehalten. Danach sollen einige Führungspersönlichkeiten von Querdenken die Versammlung empört verlassen haben. Jedoch sind sie in eine Falle getappt: das Haus von Fitzek war von gigantischen Polizeieinheiten umstellt. Das Ganze wurde gefilmt und wird dann zeitnah zum Mittwoch in den Mainstream-Medien als Bombe platzen. „Seht her! Wir hatten doch immer Recht, dass das alles Reichsbürger sind!“

Dummheit oder Perfidie? Unsere Bewegung ist schwer angeschossen.«[…]

Damals richtete ich eine Anfrage an Querdenken 711. Die Pressemitteilung (hier in meinem Beitrag unten nachzulesen), welche mich dann erreichte, befriedigte mich indes nicht.

Fakt ist: Der Besuch beim König, der einst Koch war, schadete der Demokratiebewegung. Da hatte Michael Ballweg dessen ihm sonst durchaus so nützliche Naivität wohl einen bösen Streich gespielt.

Dies nur der Vollständigkeit halber. In meinen Augen schmälert dies das ursprüngliche, richtige Anliegen Michael Ballwegs nur unwesentlich. Aber es bleibt sozusagen ein Wermutstropfen. Besser aber, man hätte auf das Treffen mit einer schillernden Person wie es Peter Fitzek nun einmal ist, verzichtet. Denn so mancher Anhänger von Querdenken zog sich gewiss nach Bekanntwerden des Treffens verschnupft zurück.

Ein hochwichtiges Buch

Das vorliegende Buch, diese unumwunden notwendig gewordene „Richtigstellung!“, ist allerdings hochwichtig. Es sollte von vielen Menschen gelesen werden. Egal, ob man nun Michael Ballweg mag oder nicht. Zeigt der Umgang mit Michael Ballweg doch, dass es Fragen bezüglich unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats gibt, die nach Beantwortung geradezu schreien! Denn wie der Staat und in Komplizenschaft mit ihm ein Großteil der Medien mit Andersdenkenden und Kritikern umging muss jede Bürgerin, jeder Bürger nicht nur beunruhigen sondern heftig empören. Ich beispielsweise hätte das zuvor nicht für möglich gehalten.

Die Vorwürfe seitens Staatsanwälten, Ballweg hätte die Querdenken-Proteste zum Behufe des Profits und des Geldverdienens in eigener Sache ins Werk gesetzt, sind in höchstem Maße absurd. Wie Rechtsanwalt Ralf Ludwig erklärt, wurde Ballweg wegen „versuchter Steuerhinterziehung“ angeklagt. Eine Farce für sich – weil er während der Untersuchungshaft seine Steuererklärung nicht abgegeben hatte! Die Anklage ist noch immer nicht zurückgezogen. (S.191)

Die wird sich wohl dank hervorragender steuerlicher Berater bald erledigt haben.

„Der Nichteröffnungsbeschluss des Landgerichts ist sehr, sehr gut argumentiert, ich kann mir kaum vorstellen, dass das Oberlandesgericht das anders sehen sehen wird“, findet Ludwig.

Und: „Denn wenn das Ganze tatsächlich in ein Hauptsacheverfahren geht und dann möglicherweise am Bundesgerichtshof endet, wird es ein Desaster für das Land Baden-Würrtemberg.“

Ludwig meint, Ballweg habe sicherlich einen Schaden in Millionenhöhe erlitten. „Weil er diese 279 Tage in Haft war, ist seine Firma kaputt. So wie auch eine weitere, an deren Aufbau er arbeitete.“

Die Haftentschädigung werde dann sicherlich nicht die 75 Euro am Tag, wie nach deutschem Strafrechtsentschädigungsgesetz vorgesehen, sondern wohl eine erheblich höhere Summe nach den Maßstäben der Europäischen Menschenrechtskonvention betragen.

Mit einem Dank des Ministerpräsidenten von Baden-Würrtemberg an Michael Ballweg für seinen Einsatz für die Grundrechte rechnet Ralf Ludwig eher nicht.

Von Mathias Bröckers gefragt, ob das Ganze nur ein «normaler« Justizirrtum oder ein politischer Fall ist, antwortet Ballweg: „Ich glaube, dass es politisch motiviert war, weil sich die Querdenken-Bewegung als außerparlamentarische Bewegung so rasant entwickelt hat.“

Bedenkenswerte Worte von Rudolph Bauer

Das Buch schließt ab mit einem bedenkenswerten Text von Rudolph Bauer ab: „Deserteur, Mönch, Digitalaktivist, Igel und Karlspreisträger“ (S.195)

Bauer schreibt. „Inzwischen sind drei bzw. bald vier Jahre vergangen seit Beginn der Querdenken-Bewegung gegen die weitweit inszenierte Hygienediktatur. Zurück liegt ebenso der Zeitpunkt der rechtswidrigen Festnahme und neunmonatige Einkerkerung – beschönigend als Untersuchungshaft bezeichnet – eines medial wohl bekanntesten ihrer Begründer. Vor diesem Hintergrund kommt dem Gespräch von Mathias Broeckers mit Michael Ballweg und seinem Anwalt Ralf Ludwig eine besondere Bedeutung zu. Dieses Gespräch lässt beispielhaft und blitzartig Neues und Überraschendes erkennen.“

Das unterstreiche ich!

Bauer informiert: „Michael Ballweg erhält den nach Karl Marx benannten Karlspreis der Neuen Rheinischen Zeitung. Diese Auszeichnung ist nicht nur ad personam verdient. Sie gilt all jenen, die sich dem Regime des Corona-Terrrors widersetzt haben und sich der aktuellen Kriegshetze widersetzen. Sie soll ein Ansporn sein, dass eine politischen Bewegung wie Querdenken viele weitere Menschen motiviert, sich als digitale Aktivisten mit Mut, Leidenschaft und Ausdauer für die wahre Demokratie, für eine gerechte Gesellschaft und gegen die kriegerischen Militarismus einzusetzen.“

Übrigens geriet Rudolph Bauer ebenfalls in die Mühlen der Justiz. In der soeben erschienen Broschüre schreibt Angelika Gutsche: «Der kleine pad-Verlag hat in seiner Reihe „Edition Kunst“ inzwischen fünf Kunsthefte von Rudolph Bauer veröffentlicht, unter anderem 2023 die pad-Edition Kunst #2 mit dem Titel „Charaktermasken“. Der Autor wurde nun vom Gesundheitsminister Karl Lauterbach wegen Beleidigung angezeigt, woraufhin das Amtsgericht Stuttgart Rudolph Bauer umgehend einen Strafbefehl in Höhe von Euro 3.000 zustellen ließ. Und auch die Verfahrenskosten in nicht angegebener Höhe seien vom Autor zu tragen.

Die Broschüre, die an Michael Ballweg adressiert war, wurde von der JVA Stuttgart-Stammheim an Karl Lauterbach weitergeleitet.“ Zur Causa Bauer hier mein Artikel.

Lesen und weiter empfehlen!

Unbedingte Leseempfehlung! Legen Sie, liebe Leserinnen und Leser dieses Buch auf den weihnachtlichen Gabentisch und empfehlen es bitte weiter. Als Teil der Aufarbeitung der schlimmen Zeit ist es aus meiner Sicht unverzichtbar. Aber es kann nur einer der Anfänge sein, all die in der Corona-Zeit stattgefundenen Skandale samt der mannigfaltigen Einschüchterungen von Menschen ans Tageslicht zu bringen, um daraus zu lernen. Denn sie zeigen, dass wir aus der Vergangenheit offenbar wenig bis nichts gelernt haben.

Diese Zeit konnte durchaus Anklänge eines möglicherweise heraufziehenden Totalitarismus ahnen lassen, schrieb ich eingangs. Bedenkt: Es kann wieder geschehen.

Und liebe Leser, macht euch einmal klar, das, was Michael Ballweg widerfahren ist, geschehe Menschen, die nicht auf eine freundschaftliche Hilfe und anwaltliche Unterstützung pro bono rechnen können. Michael Ballweg besaß ja zwar Vermögen, doch die Justiz hatte es arrestiert. Wie muss es erst Menschen ergehen, die weder das nötige Geld besitzen, um ein langes Verfahren durchzustehen, oder mit einem Pflichtverteidiger vorlieb nehmen müssen, der vielleicht gerade einmal das Nötigste oder nicht einmal dies für sie tut, noch mit solidarischer Hilfe anderer Menschen rechnen können. Da unterschreiben manche Leute vielleicht schon einmal ein Geständnis oder lassen sich auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft ein, in der Hoffnung nach nicht allzu langer Zeit aus dem Gefängnis zu kommen.

Der Verlag zum Buch

Weil er schon immer „Querdenker“ war, wurde Michael Ballweg als selbstständiger Software-Entwickler sehr gut bezahlt. Denn er konnte, wie viele in der Arbeitswelt hoch geschätzte Menschen dieses Typus, die organisatorische Probleme großer Konzernen erkennen und dafür kreative wie interdisziplinäre Lösungen entwickeln. Genau das definiert die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Querdenker“. Doch als er diese Kompetenzen auf die Organisation der Corona-Maßnahmen anwendete, zum „Querdenken“ aufrief und sich für Versammlungs- und Debattenfreiheit einsetzte, wurde Michael Ballweg verhaftet. Und „Querdenker“ zur Diffamierungsvokabel Nr.1. Michael Ballweg hat die wohl größte außerparlamentarische Opposition der Bundesrepublik auf die Straße gebracht: für den Erhalt der Demokratie und des Grundgesetzes, gegen diktatorische Hygieneverordnungen, für die offene Debatte fragwürdiger Maßnahmen und gegen die Total-Desinfizierung des Meinungskorridors. Dafür hat ihn die Staatsanwaltschaft Stuttgart unter der fadenscheinigen Anklage des Betrugs verhaftet, für neun Monaten in Untersuchungshaft gehalten und sein gesamtes Vermögen arrestiert. Es ist dies die Geschichte eines „Unpolitischen“, der noch nie auf einer Demonstration war, bis er die erste seines Lebens selbst anmeldete, eines mündigen Bürgers, der das fundamentale Grundrecht der Versammlungsfreiheit bis zum Verfassungsgericht einklagt und der Millionen ansteckt, ihre demokratischen Grundrechte ebenfalls einzufordern. Und der deshalb zum Staatsfeind Nr. 1, zum „gefährlichsten Querdenker“ (Die Zeit, August 2023) der Republik gemacht wird. Das Landgericht hat Anfang Oktober sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen und will kein Strafverfahren eröffnen. Es gibt keine Betrogenen und keinen Betrüger. Doch nicht nur die Staatsgewalt hat Michael Ballweg mit falschen Vorwürfen schikaniert, auch die Medien haben mit Falschbehauptungen und Diffamierungen operiert. Genug für mehr als nur eine „Richtigstellung“ – und für einigen längere Unterredungen, die Mathias Bröckers mit Michael Ballweg und seinem Anwalt Ralf Ludwig geführt hat.

Michael Ballweg, Mathias Bröckers, Ralf Ludwig

Richtigstellung!

Es war noch nie falsch, quer zu denken!

Softcover

24,00 €*

Michael Ballweg

Michael Ballweg (* 23. November 1974 in Wertheim) ist ein deutscher Unternehmer aus Stuttgart. Er gründete 2001 die Softwarefirma media access GmbH, mit deren Software weltweit agierende Unternehmen hochspezialisierte Fachkräfte im Ruhestand für bestimmte Projekte reaktivieren können. Im Februar 2020 verkaufte er das Hauptprodukt seiner Firma, um eine lang ersehnte Weltreise anzutreten. Die ausgerufene Pandemie kam nicht nur ihm in die Quere – und Ballweg begann Proteste gegen die Einschränkungen der Grundrechte (u. a. Versammlungsverbote) in Deutschland, zuerst in Stuttgart, dann auch in Berlin und anderen deutschen Städten zu organisieren. Dazu gründete er im April 2020 die Gruppe Querdenken-711 und vernetzte sie bundesweit mit gleichartigen Initiativen. Im Juni 2022 nahm die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ballweg mit dem Vorwurf des Betrugs und der Geldwäsche im Zusammenhang mit Querdenken-711 fest. Mehr als 9.000 Menschen hatten Michael Ballweg Geld für ihn und die Querdenken-Bewegung geschenkt; und kein Einziger von ihnen fühlte sich geschädigt. Nach 9 Monaten Haft (davon 6 Wochen in Isolationshaft) wurde Ballweg entlassen, nachdem sich die Vorwürfe seit November 2022 nur noch auf einen „untauglichen versuchten Betrug“ reduzierten und neue Vorwürfe wegen Steuerhinterziehung erfunden wurden – im Oktober 2023 lehnte dann das Landgericht Stuttgart die Eröffnung eines Hauptverfahrens wegen versuchten Betruges und Geldwäsche ab, da kein hinreichender Tatverdacht bestehe. Die Anklage zum Vorwurf der Steuerhinterziehung besteht noch, da Ballweg während seines Haftaufenthaltes keine Steuererklärung machte.


Mathias Bröckers

Mathias Bröckers ist Autor und freier Journalist. Seine Werke „Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.“ (2002) sowie das mit Paul Schreyer verfasste „Wir sind die Guten – Ansichten eines Putinverstehers“ (2014) wurden internationale Bestseller. Zuletzt erschien „Mythos 9/11 – Die Bilanz eines Jahrhundertverbrechens“ (2021) im Westend Verlag. Er lebt in Berlin und Zürich und bloggt auf broeckers.com.

Ralf Ludwig

Ralf Ludwig (geb. 21. Juli 1972 in Osterode am Harz) ist seit 2005 Rechtsanwalt. Er ist spezialisiert auf Sozialrecht, Verwaltungsrecht und Verfassungsrecht. Seit jeher hat er sich für die Schwachen und Schutzlosen in der Gesellschaft eingesetzt. Er hat zu Beginn der Coronapandemie über das Bundesverfassungsgericht erwirkt, dass Demonstrationen auch in Krisenzeiten nicht pauschal verboten sein dürfen. Er hat die große Querdenkerdemonstration am 29. August 2020 an der Siegessäule vor den Verwaltungsgerichten durchgesetzt. Er gehörte zum Verteidigerteam von Querdenkengründer Michael Ballweg in dessen Haftzeit. Im Juni 2021 hat er das Zentrum zur Aufarbeitung, Aufklärung, juristischen Verfolgung und Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschheit aufgrund der Corona-Maßnahmen (ZAAVV) gegründet.

Hinweis: An diesem Beitrag nahm ich am 17.12.2023 Korrekturen vor.

Walter van Rossum spricht mit Michael Ballweg

Russischer Botschafter Sergej J. Netschajew in junge Welt: „Absurde Faktenverdrehung“

Zur Anerkennung der Hungerkrise in der Ukraine 1932/33 als »Völkermord«. Gastbeitrag des russischen Botschafters in der Bundesrepublik, Sergej J. Netschajew in der Tageszeitung junge Welt.

Von Sergej J. Netschajew

Russische Botschaft

Bitte auf junge Welt weiterlesen.

Hier geht es zum Beitrag in der Zeitung junge Welt.

Anbei: NATO – Akte via Druschba FM

Der große Knacks. Oder: Kommen Sie gut durch den Reset!

Prolog

Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass mir dieser Tage plötzlich Roger Willemsens „Der Knacks“ in den Sinn kam. So der Titel des vielleicht persönlichsten Buches des unvergessenen, viel zu früh verstorbenen Autoren. Ich las es vor einigen Jahren mit großem Interesse. Und es berührte mich sehr.

Roger Willemsen schrieb zu seinem Buch:

In jedem Leben kommt der Augenblick, in dem die Zeit einen anderen Weg geht als man selbst. Man lässt die Mitwelt ziehen.“

Der Verlag dazu:

Als mein Vater starb, war ich 15, sah aus wie Janis Joplin und war gerade in der Schule sitzengeblieben“, erinnert sich Roger Willemsen an den Urknacks seinen eigenen Lebens. „Der Knacks“, das ist der Moment, in dem das Leben die Richtung wechselt und nichts mehr ist wie zuvor. Aber mehr noch als die großen Brüche interessieren Willemsen die fast unmerklichen, namenlosen Veränderungen: die feinen Haarrisse in einer Beziehung, das Altern von Menschen, Städten, Kunstwerken, die Enttäuschung, der Verlust, die Niederlage – die unaufhaltsame Arbeit der Zeit. Mal autobiographisch erzählend, mal beobachtend und reflektierend schreibt Roger Willemsen sein vielleicht persönlichstes Buch.“

Als mein Vater im Jahre 1967 starb, war ich 10 Jahre alt. Das war mit ziemlicher Sicherheit mein Urknacks. Auf dem Heimweg von der Schule kam mir ein Krankenwagen der Marke B 1000 entgegen. Ohne aufgesteckte Rotkreuzfahne. Also nicht im Noteinsatz. An unserer Haustüre angelangt, empfing mich eine ältere Hausbewohnerin. Sie bewohnte zusammen mit ihrem Ehemann das Parterre eines hinter dem Haupthaus gelegenen Hinterhauses. Über der Wohnung des Ehepaares lag der sogenannte Wäscheboden. Dort hinauf führte unweit des Waschhauses – Waschmaschinen besaß damals (abgesehen von einer Beamtenwitwe, die über eine einfache, elektrisch betriebene Holzbottichwaschmaschine verfügte) niemand der Mieter unseres Hauses – eine rot angestrichene lange Holztreppe.

Ich hatte gerade den Haustürschlüssel gezückt, um ihn ins Schloss zu stecken, da trat mir die besagte Hinterhausbewohnerin entgegen und bat mich unter einem Vorwand (der mir entfallen ist) mit zu ihr über den Hof in ihre Wohnung zu kommen. Natürlich spürte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Sogleich fiel mir der Krankenwagen des Deutschen Roten Kreuzes wieder ein, welcher an mir vorbeigefahren war. Eine Beunruhigung befiel mich. Angekommen in der Hinterhauswohnung, platzierte mich die Frau auf einem Sofa. Ihr Ehemann brachte mir ein Glas mit roter Limonade. Man beruhigte mich: ich könne bald in unsere Wohnung. Meine Beunruhigung verflog aber nicht. Andererseits fehlte mir aber der Mut, Fragen zu stellen, um Näheres zu erfahren.

Als ich schließlich am frühen Nachmittag meiner Mutter in unserer Wohnung an mit einer Wachstuchdecke bedeckten Küchentisch gegenübersaß, bemerkte ich ihre rotgeweinten Augen. Der Vati, eröffnete sie mir mit leiser Stimme, sei gestorben. Nun seien wir nur noch zu zweit und müssten gut zusammenhalten. Was ich ihr in die Hand versprechen musste. Ob ich damals weinen musste, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls war es dann eine Weile bedrückend still. Und ich fühlte einen schweren Druck auf meiner Brust lasten. Da muss mir unweigerlich klar gewesen sein, dass nun nicht mehr so sein würde wie bisher. Zweifelsohne war das mein Urknacks.

Genaueres, als, dass es meines Vaters Herz war, dass aufgehört hatte zu schlagen, erfuhr ich an diesem 27. September des Jahres 1967 nicht. Natürlich machte ich mir in Abständen viele Gedanken um seinen Tod. Das mit dem Herzen konnte ich mir schließlich damit erklären, dass mein Vater um Einiges älter gewesen war als meine Mutter. Wurde ich von Klassenkameraden gefragt wo mein Vater arbeitet, sagte ich immer, er sei tot, an einem Herzinfarkt gestorben. Das Grübeln, seinen Tod betreffend, zog sich über mehrere Jahre hin. Immer neue Erinnerungen kamen mir in den Sinn. In letzter Zeit vor meines Vaters Tod hatten meine Eltern sich öfters gestritten. Worüber, daran erinnerte ich mich nicht. Hatte ich es verdrängt? Mein Vater hatte sich tagsüber oft auf die Couch gelegt. Er war krank. Ging seiner Arbeit als Fleischer im Schlachthof (diese Arbeit war schwer und gewiss machte sie ihn nicht glücklich – immerhin war dereinst selbstständiger Fleischermeister gewesen) nicht mehr nach. Was hatte er? Hatte er nicht manchmal geweint? Warum? Er war gereizt. Einmal musste ich ihn mit irgendetwas gereizt haben. Da hatte er den Rohrstock genommen und mich geschlagen.

Eines Tages, als ich eine in der selben Stadt wohnende Tante besuchte, zu welcher ich ein gutes vertrauensvolles Verhältnis hatte, erlitt ich einen weiteren Knacks. Irgendwie kamen wir auf meinen Vater zu sprechen. Plötzlich trafen mich die Worte meiner Tante an diesem schönen Sommertag wie ein Schlag. Sie eröffnete mir – wohl in der Annahme, sich sei eingeweiht – wie traurig es doch sei, dass mein Vater sich das Leben genommen hatte. Lange erholte ich mich nicht davon. Eines Tages – ich stritt mich mit meiner Mutter – warf ihr vor, mir nichts von dem Suizid des Vaters erzählt. Ein weiterer Knacks in meinem Leben. Unbewusst warf ich der Mutter das seither vor. Mir waren wieder in den Sinn gekommen, dass sich vor seinem Tod oft gestritten hatten. Mein Vater weinte dann oft. Erst viel später fand ich in einem Karton nach dem Tod meiner Mutter im Jahre 2010 das Schreiben einer Psychiaterin, die meinem Vater darin eine endogene Depression bescheinigte …

Warum nur kam mir das jetzt alles wieder in den Sinn?

Das Jahr 2020 brachte einen neuen Knacks mit sich. Nicht nur für mich, sondern für uns alle – für die ganze Gesellschaft. Der Knacks trägt sogar einen Namen: Covid-19, SARS COV 2.

Das ganze Jahr 2020 ist sozusagen im Eimer. An diesem neuen Virus kann man – wenn auch viele Erkrankungen leicht verlaufen – schwer erkranken und leider auch sterben. Das Virus ist also da und reell. Hier soll Weiteres nicht näher erläutert werden. Denn wir hören rund um die Uhr Meldungen, die damit im Zusammenhang stehen. Das macht regelrecht Angst. Und man kann mittlerweile durchaus den Eindruck gewinnen, dass das gewollt ist. Gewollt deshalb, um die von Staats wegen ergriffenen Corona-Maßnahmen (so widersinnig sie bisweilen auch erscheinen mögen) zu rechtfertigen. Ich möchte hierzu nur noch einmal das geleakte Dokument aus dem Bundesinnenministerium in Erinnerung rufen, bei dessen Lektüre es gewiss nicht nur mir eiskalt den Rücken herunterlief.

Die Gesellschaft ist mit Corona noch gespaltener als eh schon

Politik und Medien verbreiten tagtäglich Angst und Schrecken, dass es einen graust und der Blutdruck in die Höhe schnellt. Unterdessen trommeln sie was das Zeug hält für Impfungen, die womöglich noch nicht ausreichend getestet wurden und nun rasch an die Frau und an den Mann gebracht werden sollen. Auch dazu nimmt man Bilder – etwa einen in ein Krankenhaus einfahrenden Leichenwagen – und Berichte her, die Angst machen, so womöglich zur Impfung animieren. Das alles ist unerträglich. Die eh schon vor Corona gespaltene Gesellschaft ist nun noch gespaltener. Kritiker der Corona-Maßnahmen werden von Menschen angegriffen, die diese als noch zu lasch empfinden und noch härtere befürworten.

Kürzlich blaffte mich ein Mann auf einem Straßenstück an, der nicht zur Einkaufsstraße gehörte wo somit keine Maskenpflicht gilt: „Maske an.“ Nicht nur das, er bezeichnete mich als Penner und drohte mir an mich in die „Kiefernabteilung“ zu bringen. Ja, wo leben wir denn? Wo soll das noch hinführen? Blockwartmentalität feiert fröhliche Urständ. Und unkritische Staatsgläubigkeit – besonders gar unter Linken (!) lässt mich an Menschen denken, die vom Stockholm-Syndrom verfasst sind. Die Ordinate sind, wie Albrecht Müller (Herausgeber der NachDenkSeiten) in vielerlei Hinsicht – auch zwischen links und rechts – angemerkt hat, verschoben.

Der Riss geht durch Familien.

Prof. Dr. Martin Schwab, Rechtswissenschaftler an der Universität Bielefeld: „Der Inzidenzwert ist aktuell Null“ Ketzerische These?

Auch mit Zahlen werden wir geradezu traktiert. Und verwirrt. Etwa mit denen des Robert-Koch-Instituts, die einmal so und einmal so interpretiert werden. Was es beispielsweise mit den Inzidenz-Zahlen auf sich hat und warum gerade ein Richtwert von 50 plötzlich ausschlaggebend sein soll, um bestimmte Maßnahmen einzuleiten, dürfte bislang auch den wenigsten von uns klargeworden sein. Prof. Dr. Martin Schwab von der Universität Bielefeld hat sich dazu Gedanken gemacht (hier).

Schon sehr früh – als erste Einschränkungen unseres Lebens bis hin zu Beschränkungen von Grundrechten durch bloße Verordnungen aus einem „Corona-Kabinett“ , die sich nicht selten als verfassungswidrig herausstellen, wirksam wurden – machte ich mir ernste Gedanken.

Mir kamen nämlich Warnungen von Finanzexperten wie z.B. Ernst Wolff in den Sinn, wonach das Weltfinanzsystem nach der Finanzkrise 2007/2008 abermals in Schwierigkeiten zu kommen drohe. Zumal man nach besagter Finanzkrise so gut wie nichts unternommen hatte, um künftige Crashs zu vermeiden. Drohte also nun ein exorbitanter nächster Crash – gar ein finaler und damit irreparabler?

Was schwere Verwerfungen in unseren Gesellschaften mit vielleicht millionenfacher Arbeitslosigkeit mit sich bringen könnte. Diese Befürchtungen speisten sich aus Ereignissen an den Finanzmärkten, die im September 2019 Experten ins Auge fielen (im hier beigegebenen Vortrag des Journalisten und Buchautoren Paul Schreyer auf Video wird darauf eingegangen).

Wird die Corona-Krise als willkommenes Ereignis hergenommen, ein noch viel dickeres Ding zu verdecken und um nachher als Ursache für die kommende Katastrophe vors Loch geschoben zu werden?

Als nun die Corona-Krise ins Laufen geriet, kamen mir diese mich zuvor alarmiert habenden Informationen wieder in den Sinn. Und ich konnte mir durchaus vorstellen, dass diese Pandemie mit einer realen Krankheit später benutzt werden würde, um einen wie auch immer gearteten Crash mit empfindlichen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unser aller Leben als Vorhang, hinter welchem der sich entwickelnde Finanzcrash abgeschirmt abspielt, benutzt werden könnte. Um dann die Krankheit und deren Auswirkungen durch sie selbst und die gegen sie ergriffenen Maßnahmen sozusagen vors Loch zu schieben. Um dann zu regierungsamtlich zu erklären: Corona hat uns so in die Bredouille gebracht. Konnte man ja nicht ändern, ist ja ein Virus, der all das machte. Eine Verschwörungstheorie?

Ach, was: wir wissen, dass den wirklich (nicht von uns gewählten) Mächtigen in unserem neoliberal verschärftem Kapitalismus, die den von uns gewählten Regierenden ohnehin folgen würden. Zu groß ist der Druck dieser Mächtigen. Und die Regierungen sind unterdessen quasi dermaßen ohnmächtig, bzw. haben sie sich über Jahrzehnte selbst so ohnmächtig gemacht, dass sie auch machtlos sind.

Dazu passt ein Zitat von Horst Seehofer: „Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.

Wären so nicht auch die Lockdowns zu verstehen und die hohe Verschuldung des Staates – Olaf Scholz mit Bazooka und Bums? Die Wirtschaft herunterfahren, bis es kracht. Dann kämen andere Mittel, Wege und Kräfte zum Zuge.

Man muss doch nur seinen gesunden Menschenverstand – oder Hausverstand, wie man in Österreich zu sagen pflegt – benutzen, um eines erkennen: es wird nächstes Jahr schwere wirtschaftliche und damit einhergehenden soziale Verwerfungen geben. Es dürfte eine enorme Insolvenzwelle (die Insolvenzmeldepflicht ist nur noch bis zum 31.12.2020 ausgesetzt!) durch das Land rollen. Mit 800.000 Pleiten wird gerechnet. Kleine Läden, kleine und mittlere Unternehmen und die vielen von Zwangsschließungen ihrer Firmen Betroffenen werden den Bach heruntergehen. Nicht zu vergessen, die vielen vom Quasi-Berufsverbot betroffene Selbstständigen, Freischaffenden und Künstler etc. sind in der Bredouille und quasi finanziell am Ende. Die Kosten für Miete, Strom, Gas u.s.w. laufen dagegen weiter. Schon steigt die Zahl der Selbstmorde. Die Reichen, die großen Player wurden in der Krise noch einmal reicher.

Ich fürchte: da ereilt uns im kommenden Jahr ein gewaltiger Knacks. An dem wird zu beißen sein. Wird ein Jahr dazu reichen?

Klaus Schwab: „Der große Umbruch“ – Stolpern wir in eine Dystopie?

Nichts wird also mehr wie vorher sein. Und dafür eine „neue Normalität“? Was kommt mit einem „Great Reset“ (das Buch auf Deutsch: „Der große Umbruch“, welchen der geschäftsführenden Vorsitzende des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum), Klaus Schwab, propagiert, auf uns zu? Winken uns da goldene, sorgenfreie Zeiten? Oder dräut uns eher eine Dystopie?

„Der Gründer des World Economic Forum, Klaus Schwab, hat kürzlich gesagt, dass die vierte industrielle Revolution im Rahmen des „Great Reset“ „zu einer Verschmelzung unserer physischen, digitalen und biologischen Identität führen“ werde. Dieser transhumanistische Ansatz der Eliten wurde von der Öffentlichkeit bisher immer als Verschwörungstheorie abgetan.“ (Deutsche WirtschaftsNachrichten)

Da kann einem nur himmelangst und bange werden. Dazu auch Hermann Ploppa im „Rubikon“: „Der große Reset“

Die Eliten wollen Corona nutzen, um in einem Akt „schöpferischer Zerstörung“ eine schöne neue Techno-Welt errichten.“ Hier lesen.

Verdienterweise hat auch die „Luftpost“ ein PDF eines aus dem Englischen übersetzten Artikels von Peter Koenig unter dem Titel „Die Welt nach COVID-19, das teuflische Projekt des WEF: „Resetting the Future of Work Agenda“ mit dem „Great Reset“ Ein schreckenerregender Plan für die Zukunft“ veröffentlicht.

Paul Schreyer: Pandemie-Planspiele – Vorbereitung einer neuen Ära?

Ohne behaupten zu wollen, diese Pandemie, sei eine „Plandemie“, wie zuweilen von Demonstranten dieses Jahr auf Plakaten behauptet wurde, schließlich gibt es keinerlei Beweis dafür – muss es einem ja doch ziemlich stutzig machen und verwundern, dass es Pandemie-Planspiele gegeben hat. Real. Sie sind dokumentiert. Noch viel mehr nimmt einen wunder, wenn man diese Pandemie-Planspiele in internationalen Runden recherchiert und dabei feststellt: Die Reaktion der Staaten auf die Corona-Pandemie entspricht nahezu 1 : 1 den in den Planspielen diskutierten und empfohlenen! Was immerhin erklären könnte, warum die gegen Corona ergriffenen Maßnahmen im Grunde weltweit und so durchgeführt werden wie in den Übungen besprochen wurde.

Dazu hat der Journalist und Autor Paul Schreyer akribisch recherchiert und das Buch „Chronik einer angekündigten Krise“ dazu im Westend Verlag veröffentlicht, das ich hier sehr empfehle. Zur Thematik erschien vor Kurzem auch ein Vortrag von Paul Schreyer, der nicht weniger aufschlussreich ist. Er trägt den Titel „Pandemie-Planspiele – Vorbereitung einer neuen Ära?“ und ist auf dem Kanal von WIR – Wissen ist relevant auf You Tube erschienen.

Epilog und Fazit

Ich hätte sehr gern Unrecht. Jedoch befürchte ich, dass uns auch das kommende Jahr 2021 eine harte Zeit bringen wird und kein Ende des derzeit grassierenden Wahnsinns. Statt des „Großen Umbruchs“ von Onkel Klaus Schwab, könnten wir in etwas hineinrutschen (schlafwandeln!), das wir später, so wir dieses Später erleben werden bzw. imstande sind uns noch in irgendeiner Form zu äußern, als „Der große Knacks“ bezeichnen. An einen „Reset“ bin ich bereit durchaus zu glauben. Nur – fürchte ich – wenn hernach die Kiste wieder hochgefahren werden wird, werden einige Funktionen mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr verfügbar sein. Und was wird mit den überflüssigen Menschen geschehen? Werden die durch Maschinenwesen ersetzt oder verschwinden sie ganz?

Zwar meint Klaus Schwab nach dem großen Reset wird es allen besser gehen und wir werden auch nichts mehr besitzen und glücklicher sein. Kann man das wirklich glauben? Glaube ich etwa noch an den Weihnachtsmann oder ziehe mir die Hosen mit der Kneifzange an? Diese ganze, schöne neue Welt (warum denke ich da Aldous Huxley?) haben sich nämlich die Reichsten und Mächtigsten dieser Welt ausgedacht. Sind aus denen plötzlich Sozialisten oder gar Kommunisten geworden? Denken Sie mal drüber nach.

Einen guten Rutsch ins Jahr 2021 wünscht Ihnen

Claus Stille

PS: Kommen Sie gut durch den „Reset“!

Jörg Kronauer referierte zum Thema: „Machtkampf gegen Russland“. Fazit: Wir müssen die Aggression des Westens stoppen

Gesehen 2015 in Dortmund. Foto: Claus-Dieter Stille

Deutschland und Russland. Sollen sie zueinander nicht kommen? Weil eine enge Verbindung erheblichen Potential hätte? Schauen wir zurück:

Zweimal hat Deutschland gegen Russland, respektive die Sowjetunion Krieg geführt – mit furchtbaren Folgen für ganz Europa. Seit geraumer Zeit rüstet die Bundesrepublik erneut gegen den östlichen Nachbarn auf mit der Begründung, sich gegen angeblich drohende russische Aggressionen zu verteidigen. Was ist dran an dieser medial breit gestreuten Darstellung? Welche Motive stecken tatsächlich hinter den eskalierenden Spannungen zwischen den NATO-Staaten einerseits und Russland andererseits?

Machtkampf gegen Russland“ – Thema des Vortrags des Sozialwissenschaftlers und Journalisten Jörg Kronauer

Jörg Kronauer. Fotos: C. Stille

Kürzlich referierte der Sozialwissenschaftler und Journalist Jörg Kronauer (hier und hier) auf einer Veranstaltung von Attac und Friedensforum Dortmund in der Auslandsgesellschaft Dortmund. Sein spannendes Thema : „Machtkampf gegen Russland“.

Seinen Vortrag leitete Kronauer mit einem projizierten Foto der Bildzeitung ein, dass bei einem russischen Manöver aufgenommen wurde. Man sieht Panzer, die Krieg üben. Die Bildzeitung über das Manöver: „Russland trainiert Krieg gegen die Nato in Europa.“ Bild stützte sich auf westliche Geheimdienste – „bekanntlich besonders zuverlässige Quellen“, wie Jörg Kronauer süffisant anmerkte – bezüglich ihrer Aussage: Russland trainiere in diesem Manöver, erklärte Bild seinen Leser*innen weiter, wie man in wenigen Tagen die baltischen Staaten erobern und dann sogar Deutschland bombardieren kann.

Transportierter Tenor: Wie hier in Europa werden von Russland angegriffen. Die meisten großen Medien in Deutschland, so Kronauer, vermittelten im Grunde dieses Narrativ.

Jörg Kronauer hat sich die Mühe gemacht, zu ergründen, ob an diesem Narrativ etwas dran ist.

Beantworten könne man das, in dem man sich mal anschaue, wie die aktuellen Spannungen zwischen den westlichen Ländern und Russland zustande gekommen sind.

Kronauer: „Eine aktuelle Lage kann wirklich nur dann in ihrer Bedeutung erfassen, wenn man weiß, wie sie entstanden ist“

Kronauer spiegelte dem Publikum in einem kurzen Rückblick in die geschichtlichen Ereignisse ab seit den Jahren um1990 herum noch einmal wider.

Das Treffen Genscher und Kohl und Gorbatschow am 16. Juli 1990 – wer kennt nicht das berühmte „Strickjackenbild“, worauf Gorbatschow und sein Gast Kohl in lockerer Atmosphäre, bekleidet mit Strickjacken, im Kaukasus auf Baumstümpfen zu sehen sind? „Strickjackendiplomatie“. Das Bild wurde

per Projektion in Erinnerung gerufen. Auf diesem Treffen wurde ja letztlich besprochen, wie man den Kalten Krieg beilegen wollte. Es ging bald die Rede von einer „Friedensdividende“.

Boris Jelzin dachte gar daran, Russland in die NATO zu führen

Kronauer erinnerte im Folgenden an den Zerfall der Sowjetunion und die umfassende Verarmung großer Teile der ihrer Bevölkerung, nachdem wenige – die späteren Oligarchen – sich große Teile der sowjetischen Wirtschaft unter den Nagel gerissen hatten.

Anfangs habe Moskau die Idee gehabt, mit dem Westen zusammenzuarbeiten. Sogar – heute mag das naiv tönen – habe die russische Regierung unter Boris Jelzin daran gedacht, ob es nicht möglich sei, Russland in die NATO zu führen.

Kronauer: In Moskau hätte man nur einen Blick auf die US-Außenpolitik werfen müssen

Allerdings – führte Kronauer ins Feld – hätte man sich in Moskau nur die US-Außenpolitik anschauen müssen, um zu erkennen, dass dieses Denken von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen ist.

Schließlich habe ja der einflussreiche, ehemalige nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzezinski, schon in seiner Monografie „The Grand Chessboard“ (deutsche Übersetzung des Buches unter dem Titel „Die einzige Weltmacht“ erschienen) folgendes anzustrebende Ziel vorgeben. Nämlich „im Hinblick auf Eurasien eine umfassende und in sich geschlossene Geostrategie zu entwerfen“. Die USA als „erste, einzige wirkliche und letzte Weltmacht“ müsse nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Vorherrschaft auf dem „großen Schachbrett“ Eurasien kurz- und mittelfristig sichern, um so langfristig eine neue Weltordnung zu ermöglichen. Anvisiert waren natürlich die großen Rohstoffreserven, die Eurasien lagern, auf die des die USA abgesehen hatten.

Der Westen, die NATO, rückte an Russland heran. Putin aber reichte dem Westen die Hand

Was eben ins Werk gesetzt wurde, um diesem Ziel (den Rohstoffen) näherzukommen, sei nicht zuletzt die NATO-Osterweiterung – ein Heranrücken des Westens an Russland gewesen, so Jörg Kronauer.

Auch habe der (völkerrechtswidrige) NATO-Kovovokrieg Serbien, dessen einziger Verbündeter Moskaus in der Region sei, geschwächt.

Russland sei also nicht der Aggressor gewesen, sondern die NATO, die sich immer mehr nach Osten ausgedehnt habe.

Putin habe indes dem Westen, einer veränderten Strategie folgend, die Hand ausgestreckt. Gerade die deutsch-russischen Beziehungen, auf deren lange und vielfältige Geschichte zum Nutzen beider Staaten Putin im Bundestag verwies, betreffend.

Man müsse nur an dessen Rede 2001 im Bundestag denken, die Putin übrigens auf Deutsch hielt.

Putins ausgestreckte Hand wurde vom Westen ausgeschlagen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2008 zog Putin die Notbremse

Doch das Ausstrecken der Hand Putins wurde nicht gewürdigt. Jahre später zog Putin, Klartext sprechend, bereits die Notbremse: Auf der sogenannten Sicherheitskonferenz in München 2008 sagte er klar und deutlich, dass Russland nicht bereit sei solche und ähnliche aggressive westliche Provokationen, sowie völkerrechtswidrige Kriege seitens der USA auf Dauer hinzunehmen. Das trat dann schon mit der Provokation Georgiens in Südossetien ein. Russland reagierte.

Dennoch trieben es die EU und vornweg Deutschland weiter, meinte Kronauer. Was man besonders an den Vorgängen in der Ukraine (und dem geplanten Assoziierungsabkommen mit der EU) sehen kann. Es kam zum Maidan-Putsch (Aktion) und im Gegenzug zur Abspaltung der Krim (Reaktion) von der Ukraine.

Sanktionen des Westens folgten. Die Beziehungen Berlins zu Moskau kühlten ab.

Der militärische Aufmarsch der NATO mit Blick gen Russland wird fortgesetzt

Der militärische Aufmarsch an der Ostgrenze zu Russland sei weitergegangen, erinnerte Kronauer.

Um ein Abkommen nicht zu verletzen, habe man zu einem Trick gegriffen. Da die ständige NATO-Präsenz in den baltischen Staaten nicht erlaubt ist, lasse man die Truppen „rotieren“ – heißt, sie werden sie in gewissem Abstand ausgetauscht. Praktisch sei das NATO-Militär jedoch dort ständig präsent.

Inzwischen finden Verlegungen von US-Truppen im Rahmen des Manövers Defender 2020 statt. Ein neuralgischer Punkt – darauf machte der Referent aufmerksam – sei die russische Enklave Kaliningrad. Die, respektive die sogenannte Suwalki-Lücke habe die NATO schon lange im Visier. Konfrontationen von NATO und russischer Armee sind dort nicht ausgeschlossen.

Des Weiteren sei in Rostock ein Marinehauptquartier im Entstehen. Von dort aus will die Marine die deutschen Seestreitkräfte steuern.

Durch die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen gestärkt, fühlte sich die deutsche Wirtschaft dazu ermuntert, zum Krieg gegen Russland zu drängen

Jörg Kronauer tauchte tief in die Geschichte ein, um seinem interessierten Publikum diese deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen zu referieren. Deutsche Elektrokonzerne seien etwa an vielfältigen Elektrifizierungen im zaristischen Russland beteiligt gewesen. Die damals gemachten „irrsinnigen Gewinne“ hätten damals beträchtlich zur Stärkung des Deutschen Reiches und seiner Wirtschaft beigetragen, informierte Jörg Kronauer.

Schon damals sei aber die deutsche Wirtschaft an den russischen Bodenschätzen interessiert gewesen, weshalb sie auch aufgrund ihrer gewachsenen Stärke letztlich zum Krieg (Erster Weltkrieg) gegen Russland gedrängt hätten.

Die Deutsche Reichswehr umging die Einschränkungen durch den Versailler Vertrag, indem sie heimlich ihre Luftwaffe in der Sowjetunion weiterentwickelte

Nach dem Ersten Weltkrieg habe Walter Rathenau versucht wieder Kontakte zur jungen Sowjetunion zu knüpfen. Es gelang schließlich über den Vertrag von Rapallo (1922) – Deutschland und die Sowjetunion taktierten schlau – auch ins Werk zu setzen. Das Deutsche Reich hatte als Aggressor und Verursacher des Ersten Weltkriegs nur noch eingeschränkte Rechte (Versailler Vertrag). Vor allem was die Rüstung betraf. Das umging Deutschland, indem die Reichswehr heimlich in der Sowjetunion etwa die Luftwaffe weiterentwickelte und Flugzeuge dort testete. Sogar Giftgastests wurden durchgeführt u.v.a.m.

1933 habe es mit Hitlerdeutschland zunächst einmal wieder Einschnitte in den Beziehungen beider Staaten gegeben.

Abermals nutzte auch Deutschland unter Hitler die Zusammenarbeit, diesmal mit der Sowjetunion, um selber stärker zu werden. Das führte in den nächsten Krieg

Aber es gab den Hitler-Stalin-Pakt (mit seinem geheimen Anhängen zum Schaden von Nachbarländern). Und dann kam es wieder zu einer Aufnahme der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen. Deutschland ließ sich aus der Sowjetunion u.a. Rohstoffe (Öl etwa für den Feldzug gegen Frankreich) liefern. Berlin lieferte z. B. im Gegenzug moderne Werkzeugmaschinen in die Sowjetunion. Bis in den Juli 1941 hielten diese Beziehungen! Kurz vor dem Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion sei sogar noch die letzte Rohstofflieferung über die deutsch-russische Demarkationslinie im besetzten Polen nach Deutschland gegangen.

Indes sei bekannt gewesen, dass der Krieg gegen die Sowjetunion längst in Vorbereitung gewesen war. Kronauer: Parallelen zu Vorgängen vor dem Ersten Weltkrieg ließen sich durchaus herstellen.

Wieder habe Deutschland die Zusammenarbeit mit diesmal der Sowjetunion benutzt, um selber stärker zu werden und dann sei das entstandene gestärkte Machtpotential dazu genutzt, um die Sowjetunion zu überfallen …

Einig mit seinem Dortmunder Publikum war sich Jörg Kronauer, dass der Machtkampf des Westens mit Russland den Frieden gefährdet. Der gebündelte Aufmarsch gegen Russland berge große Gefahren in sich. Im Rahmen des Manövers Defender 2020 kommen 20.000 US-Soldaten nach Europa. Über deutsche Verkehrswege werden sie gen russische Grenze rollen. Auf Tagesschau.de war zu lesen:

„Über das Großmanöver „Defender 2020“ informieren Schelleis und sein US-Kollege, Generalmajor Andrew Rohling, in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin. Richtig sichtbar würden die Truppenbewegungen in Deutschland ab Ende Februar. Es ist eine amerikanische Übung zusammen mit 18 NATO-Partnerländern. Rohling betont, man richte sich nicht gezielt gegen irgendein Land, sondern es gehe vor allem um einen Test strategischer Bereitschaft, darum, wie man auf eine Krise reagieren könnte.“

Wer kann das glauben, wenn wir die Stoßrichtung von Defender 2020 kennt: „ Rohling betont, man richte sich nicht gezielt gegen irgendein Land.“

Und übrigens: Defender heißt Verteidiger. Verteidiger, wer hat uns angegriffen?

Beängstigend auch das, was Jörg Kronauer zu berichten wussten: An bestimmten Orten in Europa, nahe des Ostens sei bereits Militärgerät eingelagert. Die dazugehörigen Soldaten aus den USA brauchen also im Ernstfall nur noch eingeflogen werden. Schon kann es losgehen an die Front!

Transporte von Militärgerät im Rahmen von Defender 2020 dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch über Schienen- und Straßenwege des Ruhrgebiets laufen und somit auch Dortmund tangieren.

Entschlossen zeigten sich in Dortmund nach dem Vortrag von Jörg Kronauer Publikum und Referent: Wir müssen die Aggression des Westens stoppen.

Inwiefern es auch Blockaden der Militärtransporte im Ruhrgebiet kommen werde, könne noch nicht gesagt werden.

Information: Eine Mahnwache in Dortmund unter der Überschrift „NEIN zu Kriegsmanövern! Stopp Defender 2020. JA zu Frieden, Entspannungspolitik und Abrüstung“ gegen das Großmanöver findet am 26. Februar 2020 von 16 – 17 Uhr vor der Reinoldikirche im Zentrum von Dortmund statt.

Danach ist ab ca. 17.30 Uhr im Biercafé West, Langestr. 42 ein offenes Treffen statt. Dort wird über NRW-weit geplante Aktionen gegen Defender 2020 berichtet und über Pläne beratschlagt, welche Aktionen für Dortmund infrage kommen können.

Aktuelle Informationen hier.

Informationen

Jörg Kronauer ist Autor mehrerer Bücher mit den Schwerpunkten Rechtsradikalismus/deutsche Außenpolitik, Revanchismus und Imperiale Politik.

Kronauer hat Bücher zu verschiedenen politisch „heißen“ Themen veröffentlicht (Ukrainekonflikt, Griechenlandkrise, „zweiter Kalter Krieg“).

Der bekannte Journalist und Buchautor referierte aus Anlass des größten Manövers von Landstreitkräften in Europa seit Ende des Kalten Krieges, „defender“ (Defender 2020, DEF 20; Anmerkung C..S.; Quelle: IMI) die medial breit gestreute Darstellung eines aggressiven Russlands hinterfragen.

Defender 2020

Auf Dortmunder Pflaster 2015. Foto: Stille

Im April und Mai 2020 plant die NATO mit DEFENDER (Verteidiger!) 2020 eines der größten Manöver von Landstreitkräften in Europa seit Ende des Kalten Krieges. Mit insgesamt 37 000 Soldatinnen und Soldaten aus 16 NATO-Staaten sowie aus Finnland und Georgien wird eine neue Dimension militärischer Aktivitäten erreicht. Bis zu 20 000 US- GIs mit entsprechend schwerem Gerät werden über den Atlantik und anschließend quer durch Europa an die russische Grenze transportiert. Ziel des Manövers ist neben der Zurschaustellung militärischer Überlegenheit die Demonstration einer blitzschnellen Verlegung kampfstarker Großverbände aus den USA an die NATO-Ostflanke. (Quelle: Attac Dortmund)

Anti-Defender-Schnaderhüpferl

Interessante Literatur

Hermann Ploppa: Der Griff nach Eurasien

Halford John Mackinder: Der Schlüssel zur Weltherrschaft

Cyril Moog: Der neue Mensch

Reiner Braun am 15. Februar 2020 auf der #Antisiko-Demo in München: Nein zu den Provokationen gegen Russland! Quelle. Nuit Debout Munich

Hermann Ploppa: „Der Griff nach Eurasien“. Ein „Aufrüttler“ im Sinne des Kantschen Sapere aude

Geschichtsunterricht wie wir ihn in der Schulzeit erlebten oder Historie uns durch die Medien vermittelt wird – all das ist immer auch von dem System in welchem wir leben und somit von den Interessen der jeweils Herrschenden geprägt. Da wird Ereignissen viel Raum gegeben, andere Geschehnisse aber werden wiederum nicht selten eher ausgeblendet. Offenbar weil sie nicht ins jeweilige ideologische Korsett passen. Auch in Fernsehdokumentationen – Ausnahmen bestätigen die Regel – wird uns nicht immer alles nahe gebracht, was eigentlich dazu gehörte, um das große Ganze zu verstehen. Erst recht nicht bei den Filmchen eines gewissen Guido Knopp im ZDF. In unseren Tagen müssen wir sogar Geschichtsklitterung erleben, das die Schwarte nur so kracht. Da werden ganz und gar Staaten wie die Sowjetunion, die im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Tote durch das Toben des Hitlerfaschismus in ihrem Land hatte beklagen müssen – ein glasklares Opfer des Hitlerregimes also -, je weiter die Zeit voranschreitet, unverblümt fast zum Täter „umgerubelt“. Wohl um das heutige Russland unter Putin zu dämonisieren.

Schwarzweiß ist Geschichte selten

Oft bekommen wir ein Schwarzweißbild präsentiert, das anscheinend – auf den ersten (unkritischen) Blick zumindest stimmig ist: Da die Bösen, hier die Guten. Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Mondgesicht. Doch so einfach verläuft Geschichte nicht. Da gibt es Querverbindungen. Lernt man mit der Zeit. Es gibt nämlich immer Interessen. Um die von Staaten. Und die von einzelnen Personen. Sowie die von großen Konzernen und Banken. Diese Beziehungen bestehen gar nicht selten immer auch sogar noch weiter, wenn einzelne Länder Krieg miteinander führen. Da wird es dann schon schwerer, zu sagen, wer hier der Böse, wer der Gute ist. Und in Geschichtsbüchern macht sich so manches halt dann furchtbar schlecht, wie man sich vielleicht denken kann. Deshalb wird Geschichte gerne „geglättet“. Geschehnisse werden „eingeordnet“. Von wem ist da die Frage. Schreiben doch – wie es nicht falsch heißt – die (jeweiligen) Sieger die Geschichte.

Egon Bahr wusste das aus eigener, großer politischer Erfahrung Schüler*innen mitzuteilen. Und raubte ihnen damit womöglich Illusionen:

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“

Heute ist das nicht anders.

Wenn das eigene Weltbild erschüttert wird

Wenn man dann im Verlaufe der Zeit etwas erfährt, was nicht so recht in das einen von Schule und Medien und Politik vermittelte Geschichtsbild passt, kann zweierlei passieren: Man macht entweder sofort die Schotten dicht, um nicht das eigene Weltbild, das einen übergeholfen, eingelernt wurde, erschüttern – wenn nicht gar beschädigen zu lassen. Oder es kommt zu einem Aha-Effekt, der einen neugierig werden lässt, mehr zu erfahren. Und man öffnet sich den neuen Informationen mit offen stehendem Mund. Wenn auch zunächst vielleicht mit leichter Skepsis. Letzteres traf auf mich zu. Zweifel zu haben – an allem und jeden – ist ja durchaus nie verkehrt, sogar in jeder Sache angebracht. Riet nicht schon Karl Marx einst seinen Töchtern: An allem ist zu zweifeln?

Ein Schlüsselerlebnis: Die USA torpedieren seit über 100 Jahren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland

Nicht zuletzt ließ mich um 2014 herum die Entwicklung der Ukraine-Krise aufhorchen. Irgendwann dann stieß ich nämlich im Netz auf den Vortrag von George Friedman (Beratungsinstitut Stratfor). Ein Schlüsselerlebnis für mich. Friedman hielt am 4. Februar 2015 einen einstündigen Vortrag (Video mit deutscher Übersetzung via You Tube) vor dem Chicago Council on Global Affairs und plauderte ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen aus dem Nähkästchen. Kernaussage: Die USA torpedieren seit über 100 Jahren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Frei von der Leber weg sagte Friedman auch warum: Deutschland hat das wissenschaftlich-technische Knowhow, Russland ist äußerst reich an Bodenschätzen. Und, wenn die beiden Ländern zusammenarbeiten … Den Rest kann man sich einleuchtend ausmalen.

Halford John Mackinder: Wer das Herzland beherrscht, beherrscht die Welt“

Untermauert und somit unmissverständlich kristallklar werden diese Äußerungen George Friedmans durch die „Heartland-Theorie“ von Halford John Mackinder“. Einem erstmals vor nunmehr 115 Jahren verfasstem Text „The Geographical Pivot of History“ und von Mackinder vor der Geographical Society in London referierten und im April 1904 erstmals in „The Geographical Journal“ (London) veröffentlichtem Beitrag. Mackinders historischer Text ist in seiner Bedeutung nach wie vor hochgradig aktuell. Weshalb es dem Westend Verlag hoch anzurechnen ist, diesen Text nun wieder und auf Deutsch veröffentlicht (mit einem Vorwort von Willy Wimmer) zu haben. Dazu meine Rezension.

Nach Mackinder heißt es: „Wer das Herzland beherrscht, beherrscht die Welt.“ Um zum Kern dieser Aussage vorzudringen, müssen wir uns nur vorstellen, was sich allein in diesem geografisch umrissenen Gebiet für eine Menge an Bodenschätzen befinden. Hinzu gedacht die immense strategische Bedeutung für diejenige Macht, welche das Gebiet beherrscht!

Nun müssen wir nur noch die derzeitige politische Lage und die aktuellen weltpolitischen Ereignisse ins Kalkül ziehen und uns wird manches wie Schuppen von den Augen fallen.

Mackinders „Der Schlüssel zur Weltherrschaft. Die Heartland-Theorie“ als Ouvertüre zur Lektüre von Hermann Ploppas „Der Griff nach Eurasien“

Meiner Meinung nach kann es nicht von Schaden sein, „Der Schlüssel zur Weltherrschaft. Die Heartland-Theorie“ von Mackinder vor dem neuesten Buch von Hermann Ploppa „Der Griff nach Eurasien“, das ich hier besprechen will, zu lesen. Als Ouvertüre gewissermaßen. Übrigens hat Ploppa das Buch Julian Assange gewidmet.

Aufwendige, akribische Recherchen, die man Hermann Ploppas Buch anmerkt

Vorweg: Hermann Ploppa ist sehr für das Schreiben dieses Buch zu danken, das über viele Jahre aufwendiger Recherche bedurfte, nach und nach reifte und schließlich als ein sehr umfassendes Kompendium wichtiger geschichtlicher Ereignissen inklusive Analyse mit den dazugehörigen von Ploppa akribisch aufgeführten, aufgehellten Hintergründen erschien.

Vorsicht! Dieses Buch könnte Sie verunsichern

Wie schon das Buch „Hitlers amerikanische Lehrer“, ist auch dieses neue Buch von A bis Z wieder ein Buch, dass Aha-Effekte en masse bei uns Leser*innen auslöst. Sicher aber auch Kritik der üblichen Verdächtigen nach sich ziehen dürfte. Und aus diesem kühlen Grund von gewissen Medien wohl verschwiegen werden wird. Sei’s drum: Das Buch wird seinen Weg machen. Denn dieser neue Ploppa rüttelt kräftig an jahrzehntelang festgefügten Geschichts- und Weltbildern, indem er Zusammenhänge ins Licht rückt, die manchem nicht genehm sein werden, weil er sie nicht auf dem Zettel bzw. ausblendet hatte, weil sie nicht zur jeweiligen ideologischen Haltung bzw. nicht zur veröffentlichten Geschichtsschreibung passt. In diesem Sinne muss den Leser*innen der Hinweis zugerufen werden: Dieses Buch könnte sie unter Umständen verunsichern!

Aufwachhilfe

Andererseits muss aber auch dick unterstrichen gesagt werden: Das Buch hilft beim Aufwachen, um zu verstehen, was momentan schon wieder an Bedenklichem, den Weltfrieden Bedrohendem geschieht. Seien wir nicht länger Schlafschafe – lesen wir dieses Buch im Sinne von Kants Sapere aude: Befreien wir uns aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Melden wir uns hernach zu Wort!

Hermann Ploppa führt in diesem Buch sehr deutlich aus, das Eurasien schon immer das Objekt der Begierde von Machtstrategen war und geblieben ist. „Der Krieg“, lesen wir im Klappentext, „gegen Russland bzw. die Sowjetunion als Kernland Eurasiens findet sein über 100 Jahren statt. Man erinnere sich an die anfangs erwähnten Herren Mackinder und Friedman! Bei der beabsichtigten Eroberung Eurasiens spielte Deutschland eine entscheidende Rolle. Denn weder England noch die USA können ohne einen kontinentalen Juniorpartner die eurasische Kontinentalplatte aufrollen.

Unter diesem Aspekt ordnet Ploppa die Nazidiktatur als „Subunternehmer“ der Westmächte ein.

Mit Jelzin glaubte man die Russen (und dessen Bodenschätze) in der Tasche zu haben, doch Putin „drehte das Ruder wieder energisch herum“

Und es stimmt: „Der Griff nach Eurasien“ enthüllt bislang weitgehend unbekannte Kriegspläne gegen die Sowjetunion. Atomar wollte man sie sozusagen auslöschen. Nicht lange nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, da das Land nach der Hitler-Invasion geschwächt in Schutt und Asche und am Boden lag.

Nach zwei heißen Weltkriegen und einem Kalten Krieg schienen die USA und England in der Ära Jelzin endlich am Ziel ihrer Wünsche angekommen zu sein. Doch Putin drehte das Ruder wieder energisch herum. Dennoch steht die NATO heute wenige hundert Kilometer vor Moskau.

Und auch betreffs des kommenden Manövers „Defender20“ – dessen Stoßrichtung doch eindeutig gen Osten und damit nach Russland weist, will man uns weismachen, es richte sich gar nicht gegen Russland. Ja, haben wir denn die Hosen mit der Kneifzange angezogen?!

Es gab und gibt immer noch Alternativen zur Konfrontation mit Russland“

Aber Ploppa geht noch tiefer in der Geschichte zurück. „Es gab und es gibt immer noch Alternativen zur Konfrontation mit Russland. Ploppa erinnert an die heute längst vergessene Geschichte der Zusammenarbeit von Frankreich, Deutschland und der damaligen Sowjetunion. Es begann mit Rapallo. Es folgten ernsthafte Versuche de Gaulles, Chruschtschows, Adenauers oder Ehrhards, die künstliche Spaltung Europas friedlich zu überwinden.“ Nicht zu vergessen die Entspannungspolitik Willy Brandts zusammen mit bereits hier genanntem Egon Bahr. „Und die deutsch-russische Zusammenarbeit war mit der Annäherung von Kohl und Gorbatschow noch lange nicht zu Ende.

Hermann Ploppa plädiert dafür, sich der gerade entstehenden neuen Weltordnung mit China, Indien und Russland als neuen großen Akteuren zu öffnen und konstruktiv an einer demokratischen und humanistischen Welt mitzuarbeiten.“

Fürchtet euch nicht! Wir könnten aus der Nummer herauskommen

Klar: Das Geschichtsbuch von Hermann Ploppa öffnet einen nicht nur gehörig die Augen – es mag durchaus auch dazu beitragen, enttäuscht darüber, wie wir von anderen, von den Medien, Geschichtslehrer*innen und herrschender Politik nicht in Gänze informiert worden sind, leicht deprimiert zurückbleiben. Doch, fürchtet euch nicht! Aus diesem Grunde – uns verzagt zu machen – hat Ploppa das Buch nämlich nicht geschrieben. Im abschließenden Kapitel „Und wie kommen wir jetzt aus dieser Nummer heraus?“ (S.354) beschönigt er zwar nichts: „Denn in ihrer Uneinsichtigkeit in die Vergänglichkeit aller Weltreiche sind die USA durchaus in der Lage, uns in ihrem Sterbenskampf noch mit in den Sarg zu zerren. Konkret heißt das: sie könnten einen atomaren Erstschlag ausführen, wenn sie merken, dass ihre Zeit abgelaufen ist.“

Und, gibt er zu bedenken: „Wir in Deutschland sind abgetrennt von unseren natürlichen Verbündeten, den Russen. Zwischen ihnen und uns befinden sich die Intermarium-Staaten. Und die sind offenkundig noch weit entfernt von jener heilenden Erleuchtung, dass sie im Falle eines Krieges die ersten sind, die möglicherweise ausgelöscht werden.“ Zum Intermarium („Zwischen den Meeren“) hier mehr.

Ploppa hält aber auch Vorschläge bereit, wie Alternativen aussehen könnten bzw. seiner Meinung nach aussehen müssten. So müsse darauf hingearbeitet werden, dass unsere „Regierung endlich eine Politik der Blockfreiheit anstrebt“ (S.355). Des Weiteren sei es dringend erforderlich, „dass sich Denkfabriken bilden, die eine alternative Politik entwickeln.“ Denn immer wieder demonstrieren „und dann nach Hause gehen“ habe in den vergangenen Jahrzehnten „zwar etwas gebracht, aber letztlich fehlte es immer an einer schlagkräftigen Strategie, die für Nachhaltigkeit sorgt“.

Ploppa appelliert an uns: „Wir müssen aus der NATO und aus der Europäischen Union austreten, bevor die Panzer gen Osten rollen.“ Auch scheute er – das mag von der Wirkung her – umstritten sein, „den Dexit zu fordern, also den Austritt Deutschlands aus der EU.“ Aus seinen Ausführungen im Buch geht hervor, dass die EU seiner Meinung nach eine Top-Down-Veranstaltung“ mit demokratischen Defiziten ist, die „uns ohne jede Legitimation aufgezwungen wurde, und die nicht uns dient sondern den Konzernen aus Übersee.“ Hermann Ploppa sieht die Nation „mitnichten“ als „obszönes rechtes Projekt“ und beugt so gewiss aufkommenden Anwürfen vor. Ploppa:

„Wir müssen uns kurzschließen mit den Ländern, die ein zivilisatorisches Konzept verfolgen. Wir sollten aus der leidvollen Geschichte lernen. Wir haben in Zentraleuropa eine Kultur des Miteinanders, der Rücksichtnahme und des Humanismus geerbt. Wir haben die Verpflichtung, uns dieses großartigen Erbes zu besinnen. Dieses Erbes selbstbewusst gegen die marktradikale und militaristische Offensive zu verteidigen.“

Ploppa meint hoffnungsvoll: „Wenn wir uns selber wieder lieben lernen, können wir auch andere wieder lieben und eine liebevolle Welt erschaffen.“

Möge das – wie ich finde – wichtige Buch als „Aufrüttler“ dazu beitragen. Denn womöglich ist dementsprechendes Handeln eilends angesagt!

Das Buch schließt mit vielen Anmerkungen sowie Quellen- und Literaturhinweisen ab. Sie machen deutlich, was das Buch für eine unglaubliche Fleißarbeit gewesen sein muss. Diese Anmerkungen können auch online eingesehen werden.

Das Buch:

Der Griff nach Eurasien. Von Hermann Ploppa

Mit großer Beunruhigung sehen wir, wie die Kriegsvorbereitungen gegen Russland gnadenlos vorangehen. Truppen sind unablässig auf den Weg zur russischen Grenze. Währenddessen sollen die Atomwaffen, die im deutschen Büchel gelagert werden, erneuert und ausgetauscht werden. In diesem Zusammenhang wird oft eine Abkehr von der guten alten Entspannungspolitik beklagt. Damit sind wir bereits auf ein irreführendes Narrativ hereingefallen. Die sogenannte Entspannungspolitik war auch nur eine Kriegsführung mit subtileren Mitteln.“ Hermann Ploppa

ISBN 978-3-9812703-4-1    Achtung Preisänderung durch Verlag ! 24,00 €  Portofrei  

Der Autor (Informationen via Rubikon)

Hermann Ploppa ist Politologe und Publizist. Er hat zahlreiche Artikel über die Eliten der USA veröffentlicht, unter anderem über den einflussreichen Council on Foreign Relations. 2008 veröffentlichte er „Hitlers Amerikanische Lehrer“, in dem er bislang nicht beachtete Einflüsse US-amerikanischer Stiftungen und Autoren auf den Nationalsozialismus offenlegte. Sein Bestseller „Die Macher hinter den Kulissen – Wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern“ sorgt nach wie vor für angeregte öffentliche Diskussionen.

Rezension: „Der neue Mensch“ von Cyril Moog – Da klatscht einem der Mantel der Geschichte um die Ohren

Das Buch ist ein Brummer. Es brummt darin nur so von Geschichte. Erzählt wird sie innerhalb des interessanten historischen Zeitraums von 1917 bis 1923 in dem vierhundert Seiten umfassendem Wälzer – welcher, dies sei schon mal verraten und von mir verbürgt: an keiner Stelle auch nur im Ansatz langweilig wird – anhand der unterschiedlichen Lebenswege zweier aber doch immer irgendwie verbundener junger Menschen namens Anna und Heinrich.

Apropos Geschichte: Potentielle LeserInnen dieses glänzenden, fesselnden Romans, die meinen, die Geschichte in- und auswendig zu kennen, sich ein bestimmtes Weltbild gezimmert haben oder selbiges sich auf die eine oder andere Weise haben zimmern lassen, seien vorgewarnt: Ihr Welt(Geschichts-)bild könnte Kratzer bekommen oder im schlimmsten Falle sogar einstürzen.

Bevor dieser Roman mit seiner brisanten Story völlig unerwartet in mein Leben trat (zugegeben: ich hatte weder von dem Buch selbst, noch seinem Autoren Cyril Moog zuvor je etwas gehört), kam der kürzlich im Westend Verlag als Nachdruck des vor über 100 Jahren von Halford John Mackinder gehaltene Vortragstext „Der Schlüssel zur Weltherrschaft. Die Heartland-Theorie“ (mit einem Lagebericht von Willy Wimmer) zur Rezension auf meinen Schreibtisch.

Das Brisante, das hinter der Herzland-Theorie („The Geographical Pivot of History“), vorgetragen von Mackinder am 25. Januar 1904 vor der Royal Geographical Society in London) steckt und auf durchaus erschreckende Weise heute bei geostrategischen Überlegungen bestimmter Mächte noch immer eine üble Rolle spielt, verarbeitete auch Cyril Moog in seinem Roman! Dahinter steht nämlich die nicht von der Hand zu weisende Überlegung: Wer dieses Herzland beherrscht, beherrscht die Welt. Und George Friedman sagte es ja vor ein paare Jahren frei heraus: Die USA ist sein hundert Jahren bestrebt zu verhindern, dass Russland und Deutschland gute Beziehungen haben.

Auch die Frage, ob Deutschland der Alleinschuldige am Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist, lässt sich nach der Lektüre nicht mehr so sozusagen wie aus der Pistole geschossen beantworten. Geschichte ist auch hier immer ein wenig komplexer, als es manches Geschichtsbuch – oft verkürzt und interessengeleitet – uns erzählt. Sowie ohnehin von den Siegern geschrieben.

Heinrich von Trott kommt aus eben diesem Ersten Weltkrieg. Dort hat er Schlimmes erlebt, dass ihn in immer wieder auch in Alpträumen verfolgt. Geradewegs sozusagen stolpert dieser junge Mann aus dem Welt- in einen aufziehenden Bürgerkrieg. In die Münchner Revolution. Die Räterepublik. Wieder gerät er ins Gefecht. Auf der Seite der Freikorps geht es gegen die „Novemberverbrecher“. Heinrich trifft auf Personen der Zeitgeschichte, die später auch in der Zeit des heraufziehenden Faschismus in Deutschland eine Rolle spielten. Unter anderen auf Adolf Hitler. Erlebt, wie dieser von manchem nicht ernst genommene Mann zum Führer aufgebaut wird. Revanchismus zieht herauf. Dahinein gerät der Kriegsheimkehrer Heinrich und erlebte die Vorgeschichte des Faschismus beim bayerischen Militärgeheimdienst.

Beide – Anna wie Heinrich – triggert sozusagen diese Münchner Räterepublik. Allerdings auf ganz unterschiedliche Weise. Heinrich ist voller Wut auf die „Bolschewisten“, die seiner Meinung nach ein Sowjetdeutschland offenbar nach dem Vorbild der Sowjetunion schaffen wollen und marschiert diesbezüglich angestachelt mit den Freikorps in den Häuserkampf.

Unter den Aufständischen trifft Heinrich auf einmal wieder auf Anna, an die er im Krieg stets hatte denken müssen. Beide kennen sich von Kindesbeinen an.

Anna ist ganz anders unterwegs. Sie glaubt, emotionalisiert in den Tagen Revolution, an einen Aufbruch in eine neue, bessere Zeit, ist begeistert von Anarchie und Avantgarde. Bald trennen sich Annas und Heinrichs Wege wieder.

Anna trifft mit den Revolutionären Ernst Toller und Gustav Landauer zusammen. Später am Lago Maggiore und anderswo trifft sie auf Künstler und lernt freie Lebensformen, frei ausgelebte Sexualität, sowie Frauen, die selbstbewusst ihre Rechte einfordern, kennen. Alles was mit Kunst und Literatur in Zusammenhang steht, saugt Anna begierig auf.

Der Verlag Zeitgeist fasst kurz und bündig zusammen: „Auf ihrem Weg von München über Berlin nach New York, Detroit“ (wo Heinrich auf Henry Ford trifft; C.S) und zurück kommt es zu überraschenden Wendungen, zudem begegnen ihnen zahllose Größen jener Zeit, etwa im Café Größenwahn, bei konspirativen Treffen diverse Bruderschaften, auf der 2. Internationalen Eugenik-Konferenz, im Harlemer Jazzclub oder auf dem Monte Veritá. Und langsam wächst bei beiden ein tieferes Verständnis von den Wirkmächten hinter dem Weltgeschehen, die auch ihre Geschicke zu lenken suchen …“

Apropos Eugenik! Beim Lesen der entsprechenden Stellen im Buch fiel mir Hermann Ploppas Buch „Hitlers amerikanische Lehrer“ ein. Dazu findet man – ohne freilich die einzigartigen Gräueltaten des faschistischen Hitler-Regimes in irgendeiner Weise damit entschuldigenn zu können oder zu wollen zum Buch Folgendes:

Ist tatsächlich der Nationalsozialismus mit all seinen schrecklichen Auswüchsen ein rein deutsches Produkt? Der Autor weist anhand von bislang unbekannten Dokumenten nach, dass viele Elemente des Nationalsozialismus aus Bestrebungen hervorgingen, die in den USA bereits seit der Wende zum 20. Jahrhundert Mainstream waren: z.B. die Ideologie der nordischen Herrenrasse oder die »Eliminierung Minderwertiger«. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurden in vielen Staaten der USA Gesetze zur Sterilisierung oder Kastration »Minderwertiger« in Kraft gesetzt.

Und nicht nur das: Im Jahre 1914 erarbeiteten US-Regierung, angesehene Stiftungen wie Carnegie oder Rockefeller sowie die besten Wissenschaftler amerikanischer Universitäten ein detailliertes Rassenaufartungsprogramm nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Menschheit. Nach diesem Plan sollten bis zum Jahre 1985 allein in den USA 45 Millionen »Minderwertige« »eliminiert« werden.

Adolf Hitler hat dieses Programm in Mein Kampf mit Eifer propagiert. Hitler hat auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er den US-Amerikanern Henry Ford, Madison Grant und Lothrop Stoddard entscheidende Anregungen verdankt.

»Wenn Amerika grundsätzlich dem Niedergang der Nationen entgehen will, muss es gute Amerikaner züchten. Eugenik muss unsere religiösen und moralischen Werte durchdringen.« Eugenics Record Office

»Die Gesetze der Natur verlangen die Auslöschung der Ungeeigneten. Und menschliches Leben ist nur dann wertvoll, wenn es für die Gemeinschaft oder die Rasse von Nutzen ist.« Madison Grant
»Entartung beeinträchtigt nicht bloß die Gesellschaft, sie bedroht ihre Existenz als Ganze . Entartung kann nur durch die Beseitigung der Entarteten ausgetilgt werden.«
Lothrop Stoddard

»So wie die Natur das schädliche Element im Fleisch in eine Zyste einbindet, indem sie eine Mauer drumherum baut; so haben es auch die Nationen passend gefunden, mit dem Juden zu verfahren. In der modernen Zeit jedoch fand der Jude Mittel, um die Mauer niederzureißen und das ganze nationale Gebäude in Verwirrung zu stürzen und in der Dunkelheit und dem Gerangel, das folgte, den Platz zu ergattern, den er schon so lange begehrte.« Henry Ford

»Ein Teil der eugenischen Politik würde uns endlich zu einem ausgiebigen Gebrauch der Tötungskammer führen. Eine große Anzahl Menschen müsste aus dem Leben gebracht werden, ganz einfach, weil es die Zeit von anderen Menschen vergeudet, sich um sie zu kümmern.« George Bernard Shaw“

Annas und Heinrichs Leben sind auf bestimmte Weise über ein unsichtbares Band verbunden. Ganz anders als sie es lange selbst vermutet hätten. Die Spannung wird aufrechterhalten. Mit Anna und Heinrich zusammen wird den LeserInnen klar, ob es wirklich Zufälle waren, die die beiden an unterschiedlichen Orte diesseits und jenseits der Großen Teichs zusammenführten.

Der Roman ist spannend von der ersten bis zu letzten Zeile. Die Kapitel sind meist nicht allzu lang. Doch nach jedem will man wissen wie es weiter geht und es fällt einen äußerst schwer die Buchdeckel zuzuklappen und die Lektüre längere Zeit zu beenden.

Cyril Moog hat nicht nur eine spannende, brisante und einen als Leser wirklich bis zum Romanende aufwühlende Geschichte geschrieben, sondern Historie, – in ihrer Tragweite bis ins Heute nachwirkend-, gekonnt in die mitreißende Handlung eingebettet, vor unseren Augen aufscheinen lassen.

Eine unglaublich umfassende Arbeit hat Moog da vorgelegt. Für „Der neue Mensch“, der Auftakt zu einer Romanreihe, hat der Autor sieben Jahre recherchiert. Und er hat zu diesem Behufe unfassbar viele Quellen (sie alle sind nachvollziehbar auf mehreren Seite am Ende des Buches aufgeführt) studiert. Cyril Moog hatte die klug zu nennende Idee die Geschichte in einem Roman zu verpacken. Durchaus vorstellbar ist, diesen Roman eines Tages zu verfilmen.

Für uns LeserInnen hat sich das gelohnt. Entstanden ist sozusagen (auch) ein wahres (in keiner Weise trockenes) Geschichtsbuch mit einer gekonnt erzählten, uns mitfühlen und mitleiden lassenden Lebensgeschichte zweier junger Menschen darin, inmitten der damaligen Wirren. Der Mantel der Geschichte umflattert uns: Klatscht uns manchmal schmerzlich mit den Buchseiten, die wir begierig umblättern, um die Ohren. Wir müssen hinterher auch überlegen, ob Teile der Geschichtsschreibung nicht eigentlich überdacht und hier und da neu erforscht werden müssten. Und nach der Lektüre blicken wir hinaus ins Heute: und müssen uns eigentlich aufgeschreckt fragen: Geschieht nicht gegenwärtig schon wieder Ähnliches? Geschichte mag sich nicht wiederholen. Dennoch kann man man sich durchaus an Egon Bahr erinnert fühlen. Zu SchülerInnen sagte der Sozialdemokrat 2013: „Ich, ein alter Mann, sage euch, dass wir in einer Vorkriegszeit leben.“ (Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung)

Das Buch ist ein wahrer Brummer! Und es brummt dessen Story und die Geschichte in einem gewissenmaßen nach.

Titel: Der neue Mensch
Untertitel: 1917–1923
Autor: Cyril Moog
Genre: Roman
Umschlag: Broschiert (mit Klappen)
Seiten: 504, mit 3 Abb.
Format: 13 x 21 cm
Erscheint am: 15. Feb. 2018
ISBN: 978-3-943007-13-8
Preis: 19,80 €

Anbei gegeben (via EingeschenktTV)