„20 Jahre Whistleblower-Preis“. Das Buch wurde gestern in Bremen vorgestellt

Auf einer Hybridveranstaltung wurde am gestrigen Abend im „Goldenen Saal“ der Villa Ichon in Bremen das Buch „20 Jahre Whistleblower-Preis. Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen?“ (Hrsg. Gerhard Baisch, Hartmut Graßl, Bernd Hahnfeld und Angelika Hilbeck) vorgestellt.

Der Whistleblower-Preis

«Zur Ehrung mutiger WhistleblowerInnen wird seit 1999 alle zwei Jahre der Whistleblower-Preis gemeinsam von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) und der IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht gestiftet. Der Preis wird vergeben an Persönlichkeiten, die – häufig unter Inkaufnahme beträchtlicher Risiken für Arbeitsplatz und Karriere – Missstände aufdecken und nach außen bekannt machen, welche ihnen in ihrer dienstlichen oder amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Der Whistleblower-Preis soll eine Form des Zuspruchs, der Anerkennung, der Ermutigung und der Solidarität zum Ausdruck bringen, die Bürgerinnen und Bürger mit großer Zivilcourage brauchen, wenn sie die zahlreichen Belastungen und Schwierigkeiten im privaten und beruflichen Umfeld sowie die Anfeindungen und Zumutungen im öffentlichen Raum nicht nur auf sich nehmen, sondern auch aushalten und ohne dauerhafte Beschädigung durchstehen wollen.« (Quelle: Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW)

Die Whistleblower-Preisträger finden Sie hier, liebe Leser.

Nach den einleitenden Worten von Gerhard Baisch wurde an den 2019 verstorbenen Juristen Dr. Dieter Deiseroth erinnert, ohne den es sicher denn Whistleblower-Preis nicht gegeben hätte. Aus dem Nachruf des VDW seinerzeit: «Als engagiertes VDW-Mitglied, Initiator und Treiber des Whistleblower-Preises sowie der Whistleblower-Publikationen bleibt Dieter Deiseroth uns in lebendiger Erinnerung. Seine Expertise, Präzision und Aufrichtigkeit haben dem Whistleblower-Preis das Format der unantastbar gültigen Entscheidung geschenkt.«

Vorgestellt wurde das Buch von Prof. Wolfgang Däublerunter dem Thema „Whistleblower – Helden oder Verräter?“.Anschließend fand eine Diskussion mit den Herausgebern statt.

Die Veranstaltung von IALANA Deutschland e.V. – Vereinigung für Friedensrecht, deutsche Sektion der IALANA – International Association of Lawyers against Nuclear Arms – gemeinsam mit der VDW – Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. wurde unterstützt vom Bremer Friedensforum.

Seit 1999 haben IALANA und VDW jeweils alle zwei Jahre herausragende Whistleblowern mit dem Whistleblower-Preis geehrt. Dadurch sollte ihnen öffentlich Anerkennung für ihr mutiges Handeln ausgesprochen und gezeigt werden, dass die Gesellschaft auf Menschen wie sie angewiesen ist, um geheim gehaltene Fehlentwicklungen und Missstände zu erkennen und um deren Behebung einzufordern oder anzugehen. Geehrt wurden insgesamt 18 Whistleblowern, u.a. Alexander Nikitin (nukleare Verseuchung des Nordmeers), Margrit Herbst (BSE-Skandal), Daniel Ellsberg (Pentagon-Papiere zum Vietnam-Krieg), Brigitte Heinisch (Altenpflegemängel), Liv Bode (Borna-Virus), Rainer Moormann (Kugelhaufen-Reaktor), Chelsea Manning (US-Kriegsverbrechen), Gilles-Eric Seralini (Gesundheitsgefahr durch Glyphosat), Edward J. Snowden (Prism), Can Dündar (Erdoğan unterstützt IS mit Waffen) und Martin Porwoll (Krebsmedikamente ohne Wirkstoff).

Anbei mein Bericht über die Whistleblower-Preisverleihung 2017.

Das Buch enthält selbständige Beiträge zu den einzelnen Preisträgern, meist mit Interviews und ergänzenden Darstellungen der Folgen ihres Whistleblowings. Es folgt eine Genese des Hinweisgeberschutz-Gesetzes, das Anfang Juli 2023 in Kraft getreten ist.

Wolfgang Däubler legte in Bremen dar, ob und inwieweit die neuen Regelungen Whistleblower tatsächlich schützen können. Er und seine Mitdiskutanten waren sich allerdings darin einig, dass das Hinweisgeberschutz-Gesetz in seiner derzeitigen Fassung nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Lesen Sie dazu einen kritischen Artikel von Peter Nowak im neuen Deutschland: «Hinweisgeberschutzgesetz: Zu wenig Hilfen für Whistleblower«

Nichtsdestotrotz machte Wolfgang Däubler potentiellen Whistleblowern Mut sich mit aller Vorsicht bemerkbar zu machen.

Er schlug etwa vor sich an zuverlässige und vertrauensvoll agierende Journalisten zu wenden, welche den Whistleblowern Anonymität und Schutz zusichern. Eigentlich für Journalisten ein Muss. Diese Journalisten könne man noch immer finden.

Allerdings ließen andere Wortmeldungen auf der Veranstaltung gewisse Zweifel daran aufkommen. Zumindest kommen die einen eingedenk des Zustands des heutigen Journalismus (der Vierten Gewalt!) und der sogenannten „Qualitätsmedien“.

Das Buch eröffnet insbesondere durch die Interviews einen Blick auf die oft schweren Schicksale, welche die geehrten Whistleblower:innen nach ihrem Alarmgeben erlitten haben. Bewundernswert ist, dass fast alle ihr Handeln nicht bereuen, sondern wieder so handeln würden. Ihre Schilderungen legen auch bloß, an welchen Punkten der nötige Schutz erweitert werden muss.

Hier die Videos von der Veranstaltung

Teil 1
Teil 2

Zum Buch

20 Jahre Whistleblower-Preis

Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen?
Herausgeber: Baisch, Gerhard; Hilbeck, Angelika; Hahnfeld, Bernd; Graßl, Hartmut

Machen Mitarbeiter:innen Fehlverhalten in Betrieben, Behörden und Regierungen öffentlich, ist das oft ein Wendepunkt in ihrem Leben. Diese Whistleblower oder Hinweisgeber, seit 1999 im zweijährigen Rhythmus mit dem Whistleblower-Preis vom deutschen Flügel der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) ausgezeichnet, berichten in Interviews über ihr Leben nach der Preisverleihung. Was ist aus den weltweiten Plänen für Kugelhaufenreaktoren geworden, sind Maßnahmen zur besseren Kontrolle von Apotheken für Krebsmedikamenteergriffen worden, ist Glyphosat verboten, die unkontrollierte Überwachung durch Geheimdienste gestoppt, der Pflegenotstand gemildert worden? In den Interviews durch Jurymitglieder sagen fast alle Preisträger:innen, dass sie sich trotz der oft andauernden Anfeindungen wieder so verhalten würden. Das Buch schließt mit einer kritischen Beurteilung des Weges hin zu einem Hinweisgeberschutzgesetz in Deutschland und ist dem Initiator des Whistleblower-Preises, Dr. Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht, gewidmet.

Produktdetails

Preis: 49,00 €

  • Wissenschaft in der Verantwortung Nr.7
  • Verlag: BWV Berliner-Wissenschaft / Berliner Wissenschafts-Verlag
  • Artikelnr. des Verlages: 700005550
  • Seitenzahl: 396
  • Erscheinungstermin: 27. Juli 2023
  • Deutsch
  • Abmessung: 227mm x 154mm x 27mm
  • Gewicht: 590g
  • ISBN-13: 9783830555506
  • ISBN-10: 3830555504
  • Artikelnr.: 6835179

Whistleblower-Preis während einer Festveranstaltung in Kassel an Maria Klein, Martin Porwoll und Can Dündar verliehen

(Kassel. Eigenber.) Am vergangenen Freitag standen auf der Bühne im Anthroposophischen Zentrum in Kassel drei Whistleblower im Rampenlicht. Besonderes intensiv wurde das Blitzlichtgewitter der Pressefotografen und BesucherInnen, als Can Dündar, ehemaliger Chefredakteur der ältesten Zeitung der Türkei, der Cumhuriyet, den Saal und später die Bühne betrat. Es stand die feierliche Verleihung des Whistleblower-Preises 2017 zum insgesamt zehnten Mal an. Zur Ehrung mutiger WhistleblowerInnen wird seit 1999 alle zwei Jahre der Whistleblower-Preis gemeinsam von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) und der IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht gestiftet. Ausgezeichnet mit dem Preis sollen Menschen werden, die „Alarm schlagen“.

Der Whistleblower-Preis

Der Preis wird vergeben an Persönlichkeiten, die – häufig unter Inkaufnahme beträchtlicher Risiken für Arbeitsplatz und Karriere – Missstände aufdecken und nach außen bekannt machen, welche ihnen in ihrer dienstlichen oder amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Der Whistleblower-Preis soll eine Form des Zuspruchs, der Anerkennung, der Ermutigung und der Solidarität zum Ausdruck bringen, die Bürgerinnen und Bürger mit großer Zivilcourage brauchen, wenn sie die zahlreichen Belastungen und Schwierigkeiten im privaten und beruflichen Umfeld sowie die Anfeindungen und Zumutungen im öffentlichen Raum nicht nur auf sich nehmen, sondern auch aushalten und ohne dauerhafte Beschädigung durchstehen wollen. Der Preis ist mit 3000 Euro dotiert. Durch Zustiftungen konnten die Preise in diesem Jahr vervierfacht werden. Das teilte Prof. Dr. Dr. mult. h.c. Hartmut Graßl, Vorstandsvorsitzender des VDW, dem Publikum mit.

Can Dündar: Whistleblower-Preis großer Ausdruck der Solidarität mit allen Journalisten, die in der Türkei um Pressefreiheit ringen

Der seit letztem Jahr im Berliner Exil lebende Journalist Can Dündar nahm den Preis in gewohnt bescheidener Art und Weise aber zugleich auch mit großer Dankbarkeit an. Denn er bezog dabei gleichzeitig die vielen inhaftierten oder nur noch unter großen Schwierigkeiten arbeiten könnenden Kollegen in seinem Heimatland in seinen Dank ein. Dündar:

„Der Whistleblower-Preis ist ein großer Ausdruck der Solidarität mit allen Journalisten, die in der Türkei um Pressefreiheit ringen“. Dündar erhielt am Ende seiner Rede einen lang anhaltenden, warmen Applaus des Publikum, welchen er ergriffen entgegennahm.

Dündar saß nach einem Bericht über eine Waffenlieferung des türkischen Geheimdienstes MIT an islamistische Milizen in Syrien (die Information war der Zeitung zugespielt worden) in der Türkei im Gefängnis. Präsident Recep Tayyip Erdogan höchstpersönlich hatte die gerichtliche Verfolgung Dündars eingefordert. An einem der Prozesstage – als Dündar wieder auf freiem Fuß war – war ein Mordanschlag auf den Ex-Chefredakteur verübt worden.

Can Dündars Mitpreisträger sind Martin Porwoll & Maria-Elisabeth Klein

Dipl.-Volkswirt Martin Porwoll (Bottrop) und an die Pharm.-Techn. Assistentin Maria-Elisabeth Klein (Bottrop) erhielten den Whistleblower-Preis

Nach der Preisverleihung (v.ln.r.) Otto Jäckel, Martin Porwoll, Maria Klein, Can Dündar und Hartmut Graßl.

für ihre im Herbst 2016 erfolgten Verdachts-Enthüllungen über die in der „Alten Apotheke“ in Bottrop (NRW) jahrelang praktizierte illegale Panscherei mit Anti-Krebsmitteln (Zytostatika) und über die dadurch bewirkte Schädigung mehrerer Tausend schwer- und oft todkranker KrebspatientInnen in fünf oder sechs Bundesländern.

Die Preisträger haben aufgrund ihres Insider-Wissens mit ihrem Whistleblowing wesentlich dazu beigetragen, dass die zuständige Staatsanwaltschaft dem Verdacht schwerer Straftaten eines Cyto-Apothekers, die strukturell nur schwer aufzudecken sind, überhaupt nachgehen und aufgrund ihrer umfangreichen Ermittlungen Anklage gegen ihn vor einem unabhängigen Strafgericht erheben konnte. Ferner haben beide Whistleblower damit einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung künftiger weiterer Zytostatika-Panschereien mit schwersten Lebens- und Gesundheitsgefahren für eine unbekannte Vielzahl schwerkranker Krebs-PatientInnen geleistet. Ihr Whistleblowing ist zugleich ein wichtiger Beitrag zur Aufdeckung von strukturellen Missständen in einem besonders kostenintensiven Bereich unseres Gesundheitswesen mit einem Jahresumsatz von ca. 4 Milliarden Euro, der sich auf ca. 50 Hersteller- und Vertriebsunternehmen; ca. 1200 Onkologen und ca. 250 Zytostatika-Apotheken verteilt: Durch das Whistleblowing wurde eine skandalöse defizitäre Kontrollpraxis der staatlichen Aufsichtsbehörden („Apothekenaufsicht“ durch die Amtsapotheker bei Gesundheitsämtern sowie bei der Bezirksregierung und im zuständigen Landesministerium) offenbar; hier ist ein großes Umsteuern erforderlich.

Bezüglich der Whistleblower erinnerte Otto Jäckel, Vorsitzender der IALANA, an Tantalos, einen Sohn des Zeus. Dieser hatte den Menschen

Geheimnisse der Götter verraten. Nach der griechischen Mythologie verurteilten sie ihn zu ewigen Qualen im Reich des Hades. Qualen aller Art, Gewissensbisse, schlaflose Nächte, Stress durch Gerichtsverfahren, Verlust der beruflichen Existenz, soziale und berufliche Isolation, Haftstrafen und Flucht ins Exil, selbst Mordanschläge hätten die ausgezeichneten Whistleblower auf sich genommen. „Sie alle verbindet Eines: sie sind ihrem Gewissen gefolgt und haben schwerste Missstände und kriminelle Handlungen von großer allgemeiner gesellschaftlichen Bedeutung – von denen wir sonst nie erfahren hätten – unter Inkaufnahme persönlicher Risiken an das Licht der Öffentlichkeit gebracht. Statt des Verlustes ihres Arbeitsplatzes und gesellschaftlicher Ächtung oder gar den Verschwinden in einer Gefängniszelle gebührt ihnen gesellschaftliche Anerkennung und öffentliche Ehrung.“

In Vertretung des Oberbürgermeisters von Kassel sprach Bürgermeisterin Ilona Friedrich zu den Preisträgern und Gästen. Sie forderte u.a. eine verbesserte Kontrolle betreffs der Vergabe von Zystatika. Sie lobte Can Dündars Mut: er verdiene allerhöchste Anerkennung.

Herzliche, schnörkellose Laudatio, vorgetragen von David Schraven

Die Laudatio für die Preisträger Maria-Elisabeth Klein und Martin Prowoll hielt David Schraven vom Recherchezentrum Correctiv. Schraven, selbst aus Bottrop stammend, berichtete von den drei Schritten, welche die beiden Geehrten überwinden mussten, „um heute hier zu sitzen“. Der erste Schritt sei gewesen, wenn man merkt, da läuft etwas schief. Ein Verbrechen eventuell liegt vor. Schraven spielte auf das kalte Wetter am vergangenen Freitag an. Schlimmer noch sei es für die Preisträger gewesen. Als sei ihnen der eiskalte Schneeregen ins Gesicht geweht. Nachts, morgens und mittags. „Dat“, sagte der Journalist im schnörkellosen, herzlichen Ruhrpottslang, „ist das Gefühl, wenn man merkt, da stimmt was nicht“. Hundert Menschen, die in der „Alten Apotheke“ in Bottrop hätte weggeschaut oder hätten gekündigt. Die Preisträger nicht. Sie hätten quasi gegen die ganze Stadt gestanden. Der Besitzer der Apotheke habe neben vielen Immobilien auch viel Macht und Einfluss auf die Politik gehabt. „Wie ein Patriarch eine Stadt beherrscht.“ Einfach zur Polizei zu gehen (der zweite Schritt) und die Sache läuft – so einfach sei das nicht gewesen. Der dritte Schritt sei in Schravens Augen gewesen ans Rampenlicht zu gehen und als Zeugen den Skandal offen ausgesprochen. Schließlich seien den Beiden andere Bottroper beigesprungen. Correctiv habe eigens ein kleines Büro in Bottrop aufgemacht, wo sich die Menschen melden konnten. „In Bottrop kam es

zu einer Demonstration! Vermute, dass war nach 1917 die erste …“

Preisträgerin Maria-Elisabeth Klein war außerordentlich gerührt. Sie und ihr Mitpreisträger Porwoll hätten mit so einer Auszeichnung nie gerechnet. Dieser Tag sei nicht nur ein Feiertag für sie, sagte Martin Porwoll, sondern auch mit der Hoffnung verbunden, die (unangekündigte!) Kontrolle der Apotheke werde endlich eingeführt. Leider, merkte er an, sei für Viele die Übersetzung für Whistleblower Nestbeschmutzer. Das sei „wie einen Menschen das Leben zu retten und zum Dank dafür von ihm verprügelt zu werden“. Maria Klein zeigte sich froh darüber von ihren Großeltern zur Aufrichtigkeit erzogen worden zu sein. Die aus ihrem Arbeitsverhältnis in Bottrop entlassene (und mit 1500 Euro! abgefundene) Frau bedankte sich bei ihren neuen Arbeitgebern, die am Abend anwesend waren. Hier die Begründung für die Preisverleihung.

Die Laudatio auf Can Dündar hielt Dr. Michael Lüders: „Wir ziehen den Hut vor dem Mut Can Dündars und seinem Lebenswerk“

Der u.a. via Medien als Nahostexperte bekannte Dr. Michael Lüders erinnerte in seiner Laudatio auf den Preisträger Can Dündar, dass man als

Whistleblower auf der einen Seite recht habe, auf der anderen Seite jedoch geschnitten werde. Wie bei den anderen beiden Preisträgern sei ihm auch

Die Laudatio auf Can Dündar hielt Dr. Michael Lüders.

bei Dündar aufgefallen, „dass zunächst einmal ihre Persönlichkeit sehr überzeugend ist, weil Herr Dündar ganz klar vermittelt, das macht ihn auch so sympathisch, dass er bei allem was ihm widerfahren ist immer die recht kritische Distanz bewahrt hat zur seiner eigenen Lebenssituation mit einer Coolness und Gelassenheit mit den Herausforderungen und Schwierigkeiten umgegangen ist, die man nur bewundern kann“. Lüders gab zu bedenken, dass Dündars Familie noch immer in der Türkei lebe und nicht abzusehen sei, ob er jemals in seine Heimat wird zurückkehren können. Immerhin gelte Dündar Erdogan nach Gülen als Staatsfeind Nummer 2. Dündar sei „in das Mahlwerk der Weltpolitik geraten, in die Maschinerie einer türkischen Justiz und einer türkischen Politik, die vor allem darauf beruht, die doch recht absolutistisch ausgeübte Macht des Präsidenten Erdogan um jeden Preis zu verteidigen.“ Lüders begrüßte Can Dündars Weiterwirken für eine bessere, demokratische Türkei im Berliner Exil und lobte des Rückgrat und wünschte ihm viel seelische Kraft. Eine besonders rosige Zukunft für die Türkei vermochte Dr. Lüders im Moment nicht sehen. Die Polarisation im Lande sei enorm. „Das Land ist quasi zwiegespalten.“ In Erdogan-Befürworter, die diesen Politiker quasi als Erlöser sähen und die, welchen ihn ablehnten. Vor diesem

Hintergrund könne man Can Düdar nur wünschen und hoffen, dass er den und viele andere Preise, die er erhalten hat, verstehen wird als Aufforderung sein Lebenswerk fortzusetzen, weiterhin eine hervorragende journalistischen Arbeit zu leisten, die unbestechlich und getragen ist von den Gedanken, in der Türkei bessere Verhältnisse zu schaffen. Auf dafür Sorge zu tragen, dass die Wahrnehmung der Türkei und des Islams hier in Deutschland eine differenzierte ist und nicht eine pauschalisierende.“ Lüders abschließend: „Wir ziehen den Hut vor dem Mut Can Dündars und seinem Lebenswerk.“ Hier die Begründung für die Preisverleihung.

Can Dündar: Werde im Kampf für Demokratie und Pressefreiheit keinen Kompromiss machen

Can Dündar wurde vom Publikum mit langanhaltendem herzlichen Beifall empfangen. Nach ein Dankeschön auf Deutsch entschuldigte Dündar sich,

Can Dündar mit dem Autor des Berichtes vor der Veranstaltung.

dass er seine Rede auf Englisch halten würde. Er sei noch dabei Deutsch zu lernen. Seine Gedanke seien bei seinen Freunden im Gefängnis und denen die den Kampf für Pressefreiheit in der der Türkei weiterführten. Von Herzen dankte er für diesen Preis und dass sie diesen an einen „Terroristen“ wie ihn vergeben haben. Nie würde er diesen Tag vergessen. Can Dündar: „Die Türkei ist das größte Gefängnis für Journalisten auf der Welt.“ Die anderen, auf freiem Fuß befindlichen Journalisten seien großem Druck ausgesetzt. Er dankte für die große Solidarität hierzulande für ihn. Dafür stehe auch der an ihn vergebene Whistleblower-Preis. Er schwor vor dem Publikum, er werde in seinem Kampf für Demokratie und Pressefreiheit nie einen Kompromiss eingehen. Wieder langanhaltender Applaus für den Preisträger.

Kurzer Eklat am Rande

Ein kleiner Eklat während der Preisverleihung trübte die feierliche Stimmung im Großen Saal des Anthroposophischen Zentrums Kassel nur kurz: ein junger Mann im hinteren Teil verlangte auf Englisch lautstark auf die Bühne zu kommen, um Can Dündar und dem Publikum etwas zu sagen. Die Veranstalter lehnte das – mit der Bitte, die Zeremonie der Preisverleihung nicht zu stören – höflich aber bestimmt ab. Der junge Mann wollte das nicht akzeptieren und wurde aus dem Saal geführt. Wogegen sich kurzer Protest aus den hinteren Reihen des Saales erhob.

Quijote“ aus Chemnitz mit der Interpretation von anspruchsvollen Liedern umrahmte das Programm

Die musikalischen Beiträge im Programm der Whistleblower-Preisverleihung hatte die Gruppe „Quijote – Musik gegen Windmühlen“ aus Chemnitz

Die Gruppe „Quijote“.

übernommen. Sie interpretierten Lieder u.a. von Brecht/Weil sowie Mikis Theodorakis. Im Anschluss an die Preisverleihung und einem kleinem Empfang für die Gäste gab es noch ein Konzert mit „Quijote“ unter dem Titel „Ein Licht vom Rand der Seele“ – antifaschistische Lieder und Texte.

Die Whistleblower-Preisverleihung fand am Vorabend des bundesweiten und internationalen Kasseler Friedensratschlag vom 2. bis 3. Dezember 2017 (Berichterstattung demnächst hier auf dieser Seite; C.S.). statt.

Update zum Whistleblowing am 18. Januar 2018: RA Rolf Geffken zur Rechtslage

Whistleblower-Preis 2017 am 1. Dezember an Can Dündar, Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein

Am 1. Dezember ist es wieder soweit. Menschen, die „Alarm schlagen“, werden von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und der IALANA Deutschland mit dem Whistleblower-Preis ausgezeichnet.

Der Whistleblower-Preis

Zur Ehrung mutiger WhistleblowerInnen wird seit 1999 alle zwei Jahre der Whistleblower-Preis gemeinsam von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) und der IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht gestiftet. Der Preis wird vergeben an Persönlichkeiten, die – häufig unter Inkaufnahme beträchtlicher Risiken für Arbeitsplatz und Karriere – Missstände aufdecken und nach außen bekannt machen, welche ihnen in ihrer dienstlichen oder amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Der Whistleblower-Preis soll eine Form des Zuspruchs, der Anerkennung, der Ermutigung und der Solidarität zum Ausdruck bringen, die Bürgerinnen und Bürger mit großer Zivilcourage brauchen, wenn sie die zahlreichen Belastungen und Schwierigkeiten im privaten und beruflichen Umfeld sowie die Anfeindungen und Zumutungen im öffentlichen Raum nicht nur auf sich nehmen, sondern auch aushalten und ohne dauerhafte Beschädigung durchstehen wollen. Zu den Preisträgern:

Martin Porwoll & Maria-Elisabeth Klein

Dipl.-Volkswirt Martin Porwoll (Bottrop) und an die Pharm.-Techn. Assistentin Maria-Elisabeth Klein (Bottrop)erhalten den Whistleblower-Preis für ihre im Herbst 2016 erfolgten Verdachts-Enthüllungen über die in der „Alten Apotheke“ in Bottrop (NRW) jahrelang praktizierte illegale Panscherei mit Anti-Krebsmitteln (Zytostatika) und über die dadurch bewirkte Schädigung mehrerer Tausend schwer- und oft todkranker KrebspatientInnen in fünf oder sechs Bundesländern.

Die Preisträger haben aufgrund ihres Insider-Wissens mit ihrem Whistleblowing wesentlich dazu beigetragen, dass die zuständige Staatsanwaltschaft dem Verdacht schwerer Straftaten eines Cyto-Apothekers, die strukturell nur schwer aufzudecken sind, überhaupt nachgehen und aufgrund ihrer umfangreichen Ermittlungen Anklage gegen ihn vor einem unabhängigen Strafgericht erheben konnte. Ferner haben beide Whistleblower damit einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung künftiger weiterer Zytostatika-Panschereien mit schwersten Lebens- und Gesundheitsgefahren für eine unbekannte Vielzahl schwerkranker Krebs-PatientInnen geleistet. Ihr Whistleblowing ist zugleich ein wichtiger Beitrag zur Aufdeckung von strukturellen Missständen in einem besonders kostenintensiven Bereich unseres Gesundheitswesen mit einem Jahresumsatz von ca. 4 Milliarden Euro, der sich auf ca. 50 Hersteller- und Vertriebsunternehmen; ca. 1200 Onkologen und ca. 250 Zytostatika-Apotheken verteilt: Durch das Whistleblowing wurde eine skandalöse defizitäre Kontrollpraxis der staatlichen Aufsichtsbehörden („Apothekenaufsicht“ durch die Amtsapotheker bei Gesundheitsämtern sowie bei der Bezirksregierung und im zuständigen Landesministerium) offenbar; hier ist ein großes Umsteuern erforderlich.

Can Dündar

Dr. Can Dündar, seinerzeit Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhüriyet“ (z.Zt. im Exil in Berlin) erhält den Whistleblower-Preis für seine Ende Mai 2015 und danach unter schwierigsten Repressionsbedingungen in der Türkei erfolgten Enthüllungen über ein illegales sogenanntes Staatsgeheimnis des autoritären Erdogan-Regimes; Gegenstand war die Anfang 2014 unter Verstoß gegen geltendes Völkerrecht unternommene Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung nach Syrien an terroristische Dschihadisten durch den Geheimdienst MIT des NATO-Mitgliedsstaates Türkei. Der Preisträger hat sich mit seinem Verhalten nicht nur als verantwortungsbewusster kritischer Journalist und Chefredakteur, sondern auch als couragierter Whistleblower erwiesen. Er war nicht nur „Medium“ für seinen Informanten. Sein mutiges und unerschrockenes Vorgehen unter den extremen Repressionsbedingungen des Erdogan-Regimes war schlechthin konstitutiv für das Öffentlichmachen und Verbreiten der auf dem ihm zugespielten Video-Stick enthaltenen Informationen. Im Rahmen dieses äußerst diffizilen Whistleblowing, an dem auch andere Personen beteiligt waren, war er (neben seinem bisher unbekannten Informanten) der zentrale Akteur und Protagonist. Sein aktives Handeln war letztlich entscheidend dafür, dass die brisanten Informationen nicht länger vom autoritären Erdogan-Regime unterdrückt werden konnten, sondern an die Öffentlichkeit gelangten und weltweit im Hinblick auf notwendige Konsequenzen diskutiert werden konnten.

Auführliche Begründungen für die Preisverleihung an die Preisträger des Jahres 2017 finden Sie hier.

Die diesjährige Preisverleihung findet am 1.12. ab 18 Uhr im Anthroposophischen Zentrum Kassel (Wilhelmshöher Allee 261, 34131 Kassel, unweit des ICE-Bahnhofs) statt.

Näheres zur Veranstaltung hier.

(Informationen via VDW und IALANA)

Hinweis: Ein Bericht über die Preisverleihung nächste Woche hier auf diesem Blog.