Eine weiteres hoch beachtetes Referat auf der IALANA-Medientagung am vergangenen Wochenende in Kassel hielt der Diplom-Journalist, Medienwissenschaftler und Autor („Meinungsmacht“), Dr. Uwe Krüger (Universität Leipzig). Sein Thema: „Woran man Propaganda erkennt.“
Mit den zehn „Prinzipien der Kriegspropaganda“ nach Lord Arthur Ponsonby, dem britischen Politiker und Diplomaten stieg Krüger sofort harte ein:
Wir wollen den Krieg nicht.
Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung.
Der Führer des Gegners ist ein Teufel.
Wir kämpfen für eine gute Sache.
Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen.
Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich.
Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm.
Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache.
Unsere Mission ist heilig.
Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter.
Uwe Krüger: Propaganda ist häufig ein reiner Kampfbegriff
Angelehnt an den Friedensforscher Johan Galtung merkte Krüger an, dass Frieden ja nicht allein die Abwesenheit von personeller Gewalt, sondern auch jene von struktureller Gewalt ohne explizite Kriegshandlungen – gemeint ist Propaganda, die es auch dazu brauche – sei.
Propaganda, so Uwe Krüger, würde „häufig als reiner Kampfbegriff“, als „polemischer Begriff, verwendet. Als aktuelles Beispiel führte der Referent die Reaktion neulich in der Bildzeitung auf den Tatort /(„Die Faust“) aus Wien, der die westliche Unterstützung für Opposition in der Ukraine (Stichwort: Farbrevolutionen), in damaligen Jugoslawien und anderen Ländern thematisierte und wo auch eine Verbindung zur CIA hergestellt wurde. Bild dazu: „Wie viel Russenpropaganda steckt im Tatort?“
Auf was geht also das Wort Propaganda zurück?
Krüger ging dazu an die Wurzel und ins Herkunftswörterbuch. Dort finde man das Wort „propagare“, was nichts anderes als verbreiten, ausdehnen oder fortpflanzen heiße.
Später im Ersten Weltkrieg sei Propaganda zur „Herrschaftstechnik“ geworden. Und Edward Bernays, der „Vater der Public Relations“, habe im Folgenden auch die Produktwerbung befeuert und festgestellt, ob man nun eine Waschmaschine oder einen Krieg verkaufen wolle sei egal und letztlich dasselbe. Durch die Nazis habe der Begriff einen äußerst negativ konnotierte Bedeutung bekommen. Heute gehe man halt davon aus, dass es in liberalen Demokratien keine Propaganda, sondern höchstens Public Relations gebe. Selbst in der Kommunikationswissenschaft sei der Begriff Propaganda nahezu verschwunden, bzw. habe diesen, kritischer ausgedrückt, „marginalisiert“.
Propaganda muss wieder Thema universitäre Studien werden
Florian Zollmann, der eine Doktorarbeit über sogenannte „humanitäre Einsetze und wie sie in bestimmten Medien dargestellt werden, geschrieben hat, sei inzwischen jemand, der sich wieder dafür einsetze, dass der Begriff „Propaganda“ wieder Thema von universitären Studien werden möge. Uwe Krüger zitierte Zollmann: „Das Verschwinden der Propaganda aus der Studien über liberale Demokratien und ihren Nachrichten, Medien und Kommunikationssystemen stellt selbst einen Triumph der Propaganda dar.“
Propaganda, erfuhren die TagungsteilnehmerInnen, kann viele Gesichter haben
Da werden bestimmten Rahmungen („Frames“) zu Ereignissen und Personen, oder deren Dämonisierung (etwa gegnerischer Staatschefs oder von Positionen im eignen Land) benutzt oder bestimmte Hintergründe unerwähnt gelassen oder in ein gänzlich anderes Licht gerückt und so weiter. Fakten oder Statements würden durch deren Platzierung in den Medien heruntergespielt. „Es werden Etiketten verteilt, die nicht zur Faktenlage passen“, etwa „Hitler-Vergleiche“, die unpassend sind.
„Oder, dass man Gräueltaten unserer Gegner betont oder übertreibt. Auch bei unsicherer Faktenlage.“ Dazu: „Wir erwarten unkritische Akzeptanz von bestimmten Prämissen, wenn es um uns und unsere Freunde geht – etwa, dass wir Frieden und Demokratie wollen, Terrorismus bekämpfen und die Wahrheit sagen – Prämissen, die bei Feindstaaten nicht angenommen werden.“
Andersherum jedoch, „wenn dasselbe von uns oder unseren Freunden ausgeht, das also da das genaue Gegenteil passiert“. Dies heruntergespielt werde.
Doppelte Standards. Zweierlei Maß
Uwe Krüger ging auf das Propagandamodell des US-amerikanischen Sprachwissenschaftlers Noam Chomsky und des Ökonomen Edward Herman ein.
„Ihre wichtigste These“, meinte Krüger, „lautet, dass die Medien nicht alle Opfer von staatlicher Repression und Gewalt gleichbehandeln“. Wenn also „Gewalt ausgeht von den USA und ihren Vasallenstaaten, dann sind die Opfer dieser Gewalt wertlos in dem Sinne, dass sie nicht betont werden, sie heruntergespielt werden oder eben nur kurz erwähnt werden. Während, wenn die eigenen Feinde sozusagen Gräueltaten begehen und Gewalt ausüben, dann sind die Opfer dieser Gewalt wertvoll für unsere Sache und sie werden prominent platziert.“ So werde Mitleid und Empörung hervorgerufen. Es werde westlicherseits behauptet: „Wir sagen immer die Wahrheit. Wir sind für prinzipiell für Frieden und Demokratie.“ Während das bei unseren Gegner erst mal überhaupt nicht angenommen werde. Sondern zunächst , „das Böseste unterstellt“ wird.
Beispiel betreffs Bombardierungen etwa von Krankenhäusern in Syrien durch russische Flugzeuge und Bombardierungen von Krankenhäusern in Afghanistan durch US-amerikanische Flugzeugen Bei Ersteren ist Putin schuld. Im zweiten Fall ist Obama nicht schuld gewesen, obwohl der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte war.
Uwe Krüger stellte klar: Das sei „sozusagen eine These“, aber nicht immer so. Aber es sei „ein Schema, eine Brille, ein Werkzeugkassen mit dem man auf Berichterstattung schauen kann – auch als Normalbürger“. Es müsse stets auch auf die Nachrichtenquellen geschaut werden.
Propaganda zu erkennen ist harte Arbeit
Um Propaganda zu erkennen, gestand Krüger ein, liege eigentlich noch eine harte Arbeit vor der Kommunikationswissenschaft. Und gab zu bedenken, dass „es sich ziemlich absurd ist, dass wir viele Steuern zahlen, damit das Bundespresseamt oder EU-Behörden unsere Meinungen beeinflussen. Böse gesagt: uns manipulieren oder selektiv informieren“. Es aber im Gegenzug keine Steuermittel gebe, um solche Manipulationen, Ideologien oder Propaganda systematisch aufzuklären – also aufklärerische Kommunikationswissenschaft zu machen.“
Positiv beschied Uwe Krüger die Tatsache, dass sich im letzten Jahr ein „Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft“ (Bericht von Kerem Schamberger) an der Universität München gegründet habe. Man habe gespürt, dass „es eine Sehnsucht nach Ideologiekritik, nach einer besseren Welt und Frieden, nach einer globalen Gerechtigkeit vor allem unter Nachwuchswissenschaftlern gebe.
Hinweis: Das Video, siehe weiter oben, (Quelle: WeltnetzTV) mit der Aufzeichung des Vortrags von Dr. Uwe Krüger wurde als Update am 26. Februar 2018 hinzugefügt.
Gestern ging die dreitägige IALANA-Medientagung mit dem Thema „Krieg und Frieden in den Medien“ in Kassel zu Ende. Vorweg: Die Tagung war ein Riesenerfolg! Laut Veranstalter waren 350 interessierte BesucherInnen da und folgten aufmerksam dem dichten und hochinteressanten Programmteilen mit vielen äußerst informativen Referaten kompetenter Gäste, welche die Veranstalter eingeladen hatten. Es ging um das Thema „Krieg und Frieden in den Medien“ und die Frage: Kann man ein Leitbild „Friedensjournalismus“, der Wahrheit verpflichtete und deeskalierende Berichterstattung etablieren? Anlass für die Tagung war nicht zuletzt auch die unumstößliche Tatsache, dass das Vertrauen in die Berichterstattung der deutschen Medien zweifelsohne nachgelassen hat. Auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise im Jahre 2014 machte sich der wachsende Unmut der Medienrezipienten besonders stark Luft.
Jede Menge Kompetenz und Engagement – Die Referenten und Diskutanten
Otto Jäckel, Vorsitzender der IALANA. Fotos: C. Stille
Otto Jäckel, Vorsitzender der IALANA), befand in seiner Begrüßungsansprache: „Der Zustand einer Gesellschaft ist umso demokratischer je mehr Menschen sich an dem demokratischen Prozess beteiligen. Dazu gehört nicht nur wählen zu gehen, sondern sich überall einzumischen. Am Arbeitsplatz, dem Wohnumfeld, in kommunalen und regionalen Angelegenheiten und erst recht in Fragen die von Bedeutung sind für das ganze Land.“ Es ginge auch darum Gefahren abzuwenden. „Und die größte Gefahr für die Gesellschaft ist immer der Krieg, wo auch immer er geführt wird“, unterstrich Jäckel. Der demokratische Prozess ist somit das Immunsystem der Gesellschaft, ihr Reparaturbetrieb und zugleich der Motor für gesellschaftliche Veränderungen.“ Es gelte das Friedensgebot des Grundgesetzes und das Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen durchzusetzen. „Das können wir den Regierenden keinesfalls allein überlassen. Darum müssen wir uns selbst kümmern“, sagte Otto Jäckel unter dem Applaus der Anwesenden. Und es ginge in der Tagung nicht zuletzt darum, wie man diesbezüglich friedensengagiert mediale Verbreitung finden könne. Otto Jäckel zollte Dr. Peter Becker (Co-Präsident der internationalen IALANA), der „bis in die letzten Tage und mit viel Herzblut und über Tage und Stunden für das Zustandekommen dieser Tagung gekämpft hat hohen Respekt. Er sei ein „Solitär als Anwalt und ganz Großer unter den deutschen Verwaltungsrechtlern“ und großer Verfechter für das Völkerrecht, so Jäckel.
Daniela Dahn lieferte Grundgedanken zum Tagungsthema
Journalistin und Autorin Daniela Dahn.
Die Grundgedanken („keynote speech“) zum Thema der Tagung trug die Autorin Daniela Dahn am Freitagabend vor. Sie sprach davon, dass wir eine „weißgewaschene Kriegsberichterstattung“ erlebten. Aktuell in „besonders empörenden Fall, was sich die Türkei hier leistet“. Dahn meinte den aktuellen völkerrechtswidrigen Angriffs der Türkei auf die Kurden in Syrien. Eine kritische Berichterstattung erlebe man nur von „wenigen linken Nischenjournalisten“. Angesichts dessen müsse sich niemand darüber wundern, dass Medien an Vertrauen einbüßten. Der „Grundkonflikt in den Medien“ sei „der alte“. Auf dem rechtspolitischen Kongress der SPD vor über vierzig Jahren habe der spätere Bundesverfassungsrichter Wolfgang Böckenförde, so Dahn, gesagt: Es gebe keine akzeptable Vorschläge wie die Pressefreiheit unter der Dominanz von Privateigentum zu sichern sei. Und habe die Schwierigkeiten Machtbegrenzungen und Freiheitssicherung im Medienbereich zu verwirklichen beschrieben. Die privatrechtliche Organisation der Medien führe zu einer
Kumulation von wirtschaftlicher Macht und Kommunikationsmacht. Sie erinnerte damit daran, dass über die Anstellung auch von politisch oder anders orientierter Redakteure befände allein der Verleger oder Konzern in dessen Eigentum sich die Redaktion befindet. Auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten unterlägen keiner wirklich demokratischen Kontrolle. (Update vom 9. Februar 2018: Die Videoaufzeichnung des Vortrags von Daniela Dahn; Quelle: Weltnetz.TV)
Selbst der einstige Bundespräsident Horst Köhler habe den Presserat seinerzeit mit einem Marx-Zitat überrascht: „Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein“. Dahn: „’Deine Freiheit ist nicht meine Freiheit, ruft die Presse den Gewerbe zu‘, hatte Marx in der Rheinischen Zeitung ergänzt“. Und sie beschied: „Doch die Freiheit des Gewerbes hat gesiegt. Medien sind Kommerz.“ Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sollten, daran erinnerte die Rednerin, eigentlich von Gewinnüberlegungen frei sein: „Aber davon ist wenig zu merken.“ Um ihrer TV-Kritik Ausdruck zu verleihen, zitierte Daniela Dahn Peter Scholl-Latour, der befunden habe: „Wir leben im Zeitalter der medialen Massenverblödung“. Die Aufklärungsarbeit der durch Quellen fundierten ZDF-Kabarettsendung „Die Anstalt“ (die Arbeit macht, die Journalismus leisten müsste; C.S.) strich Dahn indessen heraus.
Freilich gebe es noch kritischen, aufklärenden Journalismus in TV-Beiträgen („auf der Mitternachtsschiene“) „von Redakteuren, die nicht aufgegeben haben“, aber sie seien zu marginal, um Oskar Negts These von der „unterschlagene Wirklichkeit“ zu widerlegen. „Die Angst der unbequemen Journalisten vor dem Elfmeter in der Redaktionssitzung kommt hinzu“, gab die Autorin zu bedenken. Angesichts exzessiver Sparpläne und Redaktionsverkleinerungen sei „eher Selbstgleichschaltung angesagt“. Profiliert hätten sich „die Journalisten, die problemlos auch zu Regierungssprechern werden können“.
Um zu verdeutlichen, wie Meinungsbeeinflussung und Desinformation organisiert werden kann, informierte Dahn darüber, dass allein für das Pentagon in den USA 27 000 PR-Spezialisten mit einem Jahresbudget von fünf Milliarden Dollar arbeiten. (Anbei empfehle ich noch einen Bericht des RUBIKON zum Vortrag von Daniela Dahns Impulsreferat)
„Wie Kabarettisten auf Krieg und Frieden in den Medien schauen“
Der Höhepunkt des Freitagabends wurde über interessante Kabarett-Video-Präsentationen aus Auftritten von Georg Schramm „Afghanistan“, Volker Pispers „Bis neulich“ sowie Max Uthoff (Die Anstalt) „Verstrickungen deutscher Medien“ und „Syrien“ angesteuert: Der Programmpunkt „Wie Kabarettisten auf Krieg und Frieden in den Medien schauen“. Mit Max Uthoff (Die Anstalt). Fragen in dieser Runde wurden gestellt von Daniela Dahn und Dr. Peter Becker (IALANA) sowie aus dem Publikum. Schauen Sie dazu, liebe LeserInnen, die Aufzeichnung der KollegInnen von WeltnetzTV via You Tube an. Max Uthoff warnte davor die Wirkung von Kabarett zu überschätzen: „Wenn Kabarett etwas verändern würde, wäre es wahrscheinlich verboten.“
„Krieg in den Medien – Wie wird berichtet, warum wird es so berichtet?“ Beiträge von Dr. Sabine Schiffer und …
Dr. Sabine Schiffer (Institut für Medienverantwortung Erlangen).
Der zweite Tag der Medientagung galt zunächst dem Thema „Krieg in den Medien – Wie wird berichtet, warum wird es so berichtet?“
Dr. Sabine Schiffer ging zu diesem Behufe den Fakt der Medienkonzentration und der Frage „Wer beherrscht die Medien?“ nach. Sie zitierte eingangs einen Text der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Die Medienkonzentration und ihre Rolle als politischer Akteur sind ein drängendes Problem für Lateinamerika.“ Schiffer: „Das ist nicht nur richtig. Das trifft auch außerhalb Lateinamerikas zu. Auch bei uns.“
Dr. Sabine Schiffer stellte bezüglich eines eingeblendeten Bildchens eines Puppenspielers, welcher die Medien quasi wie Marionetten führt, vorweg eines unmissverständlich klar: „Einen Drahtzieher, der das alles kontrolliert und steuert den finden wir nicht. Den würden wir uns in den Medienwissenschaften manchmal sogar gerne wünschen.“ Dann wäre alles einfach. „Aber, es ist alles sehr komplex.“
Der Vortrag machte deutlich, wie vielfältig Medienverflechtungen (und gegenseitige Beteiligungen an den Medienerzeugnissen) inzwischen sind, ohne dass den LeserInnen dies womöglich bewusst ist. Eine angenommene Medienvielfalt komme heute eher inszeniert daher. Wie kann man etwa erklären, dass ein Nikolaus Blome von der Bildzeitung zum Spiegel wechselt oder umgekehrt? Das habe halt damit zu tun, „dass die teilweise ein Haus sind“.
Dem System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bescheinigte Schiffer „kein schlechtes Konstrukt zu sein“ – es fehle ihm jedoch hier und da die Staatsferne. „Als Dozentin des Internationalen Medienvergleiches“ wolle sie jedoch trotzdem für dieses System werben: „Es ist eine Perle mit Defekten.“ Es mangels Alternativen – wie man im Ausland sehen könne – nicht nur „erhaltenswert sondern auch ausbaunotwendig“.
Ein unabhängiger Journalismus müsse nachhaltig sein. Dr. Schiffer zitierte Eckart Spoo, der immer dafür plädiert habe: „Keine Demokratie ohne Demokratisierung der Medien“. Es sei durchaus anzudenken, das öffentlich-rechtliche System auf Print und Internet auszuweiten. Die Änderung der Rundfunkstaatsverträge sollten geändert und Publikumsräte von allen Mediennutzern gewählt und ein Ombudssystem eingerichtet werden, um von der „Blackbox“ wegzukommen und eine öffentliche Debatte zu ermöglichen. Dazu die „Erlanger Erklärung“ des Publikumsrats.
… Prof. Dr. Günther Rager
Prof. Dr. Günther Rager, TU Dortmund
Günther Rager widmete sich der Frage „Wer führt Regie auf der medialen Bühne?“ und sprach zur Inszenierungsleistung des Printjournalismus und zur inneren Pressefreiheit“ auch aus der Sicht der Ausbildungspraxis von Journalisten. Viele der Absolventen der Journalistenausbildung an der TU Dortmund seien heute in führenden Positionen in den Medien und unterlägen auch der Kritik. Bei aller berechtigten Kritik an den Medien geschehe es dann doch schon mal, dass in Nachrichten auf ungesicherte Quellenlagen hingewiesen würde und es Journalisten gebe, die sensibel und möglichst fair über Kriegsparteien berichten. An die Mediennutzer gerichtet sagte Rager: „Und es liegt auch an uns als Publikum einzufordern, dass die Berichterstattung nicht nur aus einer Perspektive inszeniert wird, um die Medien zu unterstützen die das versuchen“. Darüber hinaus merkte Rager an: „Dass die Zeitungen so sind wie sind ist nicht nur den ‚bösen‘ Verlegern geschuldet, sondern auch uns als Lesern, die nicht bereit sind den Preis, den vollen
Preis für die Information bezahlen“. (Update vom 9. Februar 2018: Videoaufzeichnung von Günther Ragers Referat via Weltnetz.TV)
Das hart auf Kante „genähte“ – nicht eine Sekunde langweilige – Tagungsprogramm am Samstag nahm sich schließlich noch der Strukturen der Rundfunk- und Fernsehmedien sowie der neuen digitalen Medien an. Da wurden Personalproporze, Kontrollgremien und Inhalte in den Fokus genommen und der Frage nachgegangen „Wer sitzt wofür im Rundfunkrat der öffentlich-rechtlichen Sender?“ und die Auswirkungen von deren Arbeit analysiert. Dies war Aufgabe von Maren Müller (Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtliche Medien e.V.)
Unbehagen mit Wikipedia
Markus Fiedler, Autor.
„Die dunkle Seite der der Wikipedia“ beleuchtete Markus Fiedler. Der Blick ins innere der alles andere als demokratisch funktionierenden Online-Enzyklopädie dürfte bei manchem – der die Arbeit Fiedlers und seinen Mitstreitern noch nicht kannte – einiges Unbehagen ausgelöst haben. Dazu auch ein Artikel der NachDenkSeiten (Update vom 4. Februar 2018)
„Innerer und äußerer Frieden als Aufgabe der Medien“
Das Thema „Innerer und äußerer Frieden als Aufgabe der Medien“ war dem Autor („Lückenpresse“) Ulrich Teusch (Videoaufnahme seines Vortrages via Weltnetz.TV) gestellt worden.
„Der Kosovo-Krieg. Eine gesteuerte Debatte“
Dr. Kurt Gritsch brachte schwere Verfehlungen von Politik und Medien mit seinem
Dr. Kurt Gritsch.
Vortrag „Der Kosovo-Krieg. Eine gesteuerte Debatte“ in Erinnerung.
„Illegale Kriege und ihre Behandlung in den Medien“
„Illegale Kriege und ihre Behandlung in den Medien“ kamen in Form einer Video-Präsentation eines Auftritts von Daniele Ganser (SIPER) auf Tapet.
„Die Konfrontationspolitik gegenüber Russland und die Medien“
Großes Publikumsinteresse erfuhr die frühere ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz mit dem von ihr ausgearbeiteten Beitrag „Die Konfrontationspolitik gegenüber Russland und die Medien“. Schon vor ihrem Vortrag musste die Autorin
Gabriele Krone-Schmalz.
zahlreiche am Veranstaltungsort angebotene Bücher signieren.
„Was lernen wir? Wie mit Propaganda umgehen?“ –
Maren Müller informierte über die Arbeit der Ständigen Publikumskonferenz e.V. (Video via Weltnetz.TV)
Podiumsdiskussion
, Podiumsdiskussion: Gabriele Krone-Schmalz, Andreas Zumach, Manfred Deiseroth (Moderation), Ekkehard Sieker und Albrecht Müller (NachDenkSeiten).Nach einer kurzen Kaffeepause stand am frühen Abend noch eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Was lernen wir? Wie mit Propaganda umgehen?“
Liedermacher Konstantin Wecker beschloss den Samstagabend ohne einen Soundcheck machen zu können – alles lief dennoch bestens – mit einem unvergesslichen Konzert mit nachdenklichen, sensiblen und engagierten forschen Lieder. Das Publikum, das gleich zu Anfang bei seinem „Willy“-Lied voll dabei gewesen war, erklatschte noch mehrere Zugaben. Ein praller Abend. Ein in jeder Hinsicht gelungener Tag im Gemeindesaal der CROSSjugendkulturkirche Kassel am Lutherplatz samt nicht weniger begeisterndem Abend, welcher mit einem kleinen Empfang beschlossen wurde.
Update vom 26. Februar 2018: Referat Ekkehard Sieker ((„Die Anstalt“, Monitor):
Konstantin Wecker
Fazit und Kritik
Abschließend sei die Tagung, die den Veranstaltern gewiss viele Anstrengungen gekostet hat, sei diese zunächst einmal in höchsten Tönen gelobt. Sie hat die an sie gestellten Erwartungen sicher für viele BesucherInnen er- und wenn nicht gar übererfüllt. Das Programm ließ eigentlich nichts zu wünschen übrig. Vielleicht dann doch etwas, dass aber den Organisatoren nicht angelastet aber dennoch auch von ihnen bedacht werden sollte:
Kritische, bedenkenswerte Worte eines „bemoosten Karpfens“
Zu diesem Behufe möchte ich die kritischen Worte von Prof. Dr. Peter Grottian zitieren, welcher der Sozialwissenschaftler am Ende der Veranstaltung aus dem Saal heraus zu bedenken gab: Er habe bei 350 Teilnehmerin nur vier oder fünf junge Leute unter 23 Jahren ausgemacht.
„Die Mittelalterlichen und wir als bemooste Karpfen scheinen nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein, unsere Kinder, Enkelkinder, Nichten und Neffen zu so einer tollen, wichtigen Tagung zu gewinnen. Wo ist denn der Kassler Studienrat mit seiner Abiturklasse und die fünf Studierenden einer Hochschullehrerin der Gesamthochschule Kassel? Wo die ganze aufmüpfige Zivilgesellschaft von Attac und Greenpeace? Und wo sind denn hier irgendwelche Leute von irgendwelchen angeblichen Jugendorganisationen? Das verweist auf ein strukturelles Problem. Für unsere hier verhandelten und toll verhandelten Themen haben wir keinen demokratischen Nachwuchs. Die junge Generation ist zwar interessiert. Aber eine Zwei-Tage-Tagung tun sie sich nicht an. (…) Die Generation der 14-29-jährigen die sage und schreibe zehn Stunden mit allen sozialen Medien durchschnittlich jeden Tag verbringt. Wo ist denn da noch Platz für eine IALANA-Tagung?“ Das sei „einer der Gründe, warum Demokratie lautlos vor die Hunde geht. Denn wenn das so ist, dann ist die junge Generation offenkundig eine, die den Lebensalltag so anders organisiert, dass für das Verständnis für uns bemoosten Karpfen nach politischen Widerstand und Selbstorganisation einfach gar kein Platz mehr ist.“
Im Publikum hob nach dieser Wortmeldung ein leichtes Murren an. Das aber sollte im Sinne von Grottians Worten in ein Nachdenken oder gar Handeln münden, meine ich. Selbst dann, wenn bedenken muss: Die junge Generation gibt es sicher nicht.
Wo blieben die richtigen Medien auf dieser Medientagung?
Noch etwas fragt man sich: Wo blieben die richtigen, die etablierten Medien, wie sich
Albrecht Müller (sehen Sie sich dessen Impulsreferat – Aufnahme via Weltnetz.TV – an) ausdrückte, auf dieser Medientagung? Der Organisatoren, hieß es, haben sie und auch die öffentlich-rechtlichen Medien eingeladen. Gesehen hat man sie nicht. Möglicherweise waren Zeitungsleute da? Schade. Die elektronischen Medien haben etwas verpasst. Immerhin war neben den Team von WeltnetzTV Russia Today (RT Deutsch) mit einem Kamerateam dabei. Hoffentlich kreidet man das den Veranstaltern nicht negativ an. Man hat ja schon Pferde vor der Apotheke …
Update vom 1. Februar 2018: Das Video von RT Deutsch mit der Berichterstattung über die IALANA – Medientagung
Egon Bahr meinte wir lebten in Vorkriegszeiten. Papst Franziskus sieht den Dritten Weltkrieg bereits begonnen. Fakt ist: Der Frieden war lange Zeit nicht so schwer bedroht wie gegenwärtig. Und zwar auch hier in Europa. Wie konnte es dahin kommen? Jürgen Wagner, Vorstand der Informationsstelle Militarisierung e.V., hielt kürzlich einen Vortrag beim Evangelischen Bildungswerk im Kirchenkreis Aachen. Welcher auf seinem Buch „NATO Aufmarsch gegen Russland oder wie ein neuer Kalter Krieg entfacht wird“ fußt.
Darin lässt er die verhängnisvolle Entwicklung von 1990 nach dem Ende der Blockkonfrontation bis in die unmittelbare Gegenwart Revue passieren.
Eskalation nach dem Ende des Kalten Krieges. Die Stoßrichtung ist klar eine alte
Wagner beleuchtet in seinem Vortrag drei Phasen. Gleich nach dem Ende des Kalten Krieges setzte die Eskalation der NATO ein. Er nennt das Weltgewaltmonopol von 1990 bis 2005 unter alleiniger US-Führung. Für die Zeit von 2005 bis 2014 Transatlantische Krisensymptome. Und ab 2014 die neue Militarisierungsdynamik während der Ukraine-Krise samt dem NATO-Aufmarsch gegen Russland.
Keine neue Stoßrichtung der NATO. Freilich hieß das ins Fadenkreuz genommene Land da einst noch Sowjetunion. Wagner zitiert den ersten NATO-Generalsekretär Lord Ismay:
„Die NATO hat die Aufgabe die Russen aus Europa raus, die Deutschen unten und die USA in Europa drin zu halten.“
Nicht viel anders lässt sich in unseren Tagen George Friedman vom Thinktank Stratfor vernehmen – handelt sich doch offenbar um eine viel ältere Strategie der USA Russland (Rohstoffe) und Deutschland (technisches Knowhow) nicht zusammenkommen zu lassen.
Nach der Russland quasi umzingelnden NATO-Erweiterung und dem Regime Change in der Ukraine war für Moskau die allerletzte rote Linie überschritten
Russland soll einer Eindämmung unterzogen werden. Zu diesem Behufe sollte das Filetstück Ukraine dem Einfluss Russlands entzogen werden. Der Westen unterstützte den Regime Change. Hier sah nun Russlands Putin die allerletzte rote Linie überschritten. Er unterstützte die gegen Kiew widerständigen Regionen in der Ostukraine und die Sezession der Krim von der Ukraine. Aber schon zuvor war genug passiert, was sich gegen Russland richtete.
Allein die ganze NATO-Osterweiterung! Die stracks vorangetrieben wurde, obwohl man einst Gorbatschow (leider nur mündlich) versprochen hatte, die NATO nicht an die Grenzen der damaligen UdSSR heranzuführen.
Und was geschah stattdessen? Man schaue auf die Karte: Russland ist heute beinahe von NATO-Staaten umzingelt!
An der Eskalationsspirale wird weiter gedreht
Die USA wollen ihre Atomwaffen – auch die hier uns stationierten – modernisieren, und sie einsatzfähiger (sic!) zu machen. Selbst die Arktis könnte zur Kampfzone werden. Schließlich könnte sie, dem fortschreitenden Klimawandel geschuldet, bald genügend eisfrei werden, um an dort schlummernden Rohstoffe zu kommen.
Hochgerüstete Situation kann aus dem Ruder laufen
Jürgen Wagner sieht weder, dass die NATO nun einen Krieg mit Russland im Auge hat, noch, dass Russland die baltischen Staaten überfällt. Doch die hochgerüstete Situation, so sagt er, könne aus dem Ruder laufen. Immerhin habe es schon 67 Beinahezusammenstöße mit Russland gegeben. Das rote Telefon aber sei, um Russland zu bestrafen, abgeschafft worden!
Jürgen Wagner: NATO-Kurswechsel wäre ohne Deutschland so nicht möglich gewesen
Wagner ist der festen Überzeugung, dass der verhängnisvolle Kurswechsel der NATO ohne Deutschland so nicht möglich geworden wäre. Was mit der Nichtbeteiligung Deutschlands am Libyen-Krieg zu tun habe. Das hätte, so sähe es wohl Berlin, Deutschlands Ruf geschadet. Erschrocken sei er, Wagner, gewesen, als er vor Jahren in der FAZ die Überschrift „Deutschlands militärisches Erwachen“ gelesen habe.
Aus der Einsicht nach dem Zweiten Weltkrieg „Nie wieder Krieg!“ sei wohl nun die Entscheidung „Nie wieder Krieg ohne uns“ geworden.
Zeichen gegen hochgefährliche NATO-Politik setzen!
Jürgen Wagner gab zu bedenken, dass der NATO-Aufmarsch gen Osten, sprich: Russland, komplett über Deutschland verläuft und uns im Ernstfall dadurch zur Zielscheibe eines Gegenangriffs mache.
Zum bevorstehenden NATO-Gipfel gelte es Zeichen gegen diese hochgefährliche Politik zu setzen.
Egon Bahr meinte wir lebten in Vorkriegszeiten. Wie recht er hatte. Es muss aber nicht zum Krieg kommen. Es liegt in unseren Händen.
Liebe Leserinnen und Leser, schauen Sie sich den interessanten Vortrag von Jürgen Wagner im WeltnetzTV-Video an.
Das Buch
Buchcover via IMI.
BEBUG Berlin, 2. aktualisierte und erweiterte Auflage März 2017, 224S.) veröffentlicht, das zum Preis von 9,99 Euro (inkl. Porto) unter imi@imi-online.de bestellt werden kann.
Willi Hoffmeister auf dem Weg zum Gedenken am Karfreitag in die Bittermark. Foto: Stille
Mit der Bitte um Verständnis, weil der ursprünglich geplante Referent abgesagt hat, weißt der Verein Bildung für Frieden e. V. sehr kurzfristig auf eine interessante Veranstaltung heute Abend in Dortmund hin. Eingesprungen ist dankenswerterweise das „Urgestein der Friedensbewegung in Dortmund“, Willi Hoffmeister.
In der Pressemitteilung heißt es:
FRIEDENSFRAGEN – mit dem Urgestein der Friedensbewegung in Dortmund
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NOVEMBER – Gast am 8.11.2016 um 19:00 – 21:00 Uhr ist Willy Hoffmeister
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Friedensfragen:
– ist eine Talkrunde mit einem oder mehreren Gästen
– ist öffentlich, jedem zugänglich und kostenlos
– ist interaktiv und es können vor Ort auch Fragen gestellt werden
– ist eine monatliche Veranstaltung – jeden ersten Dienstag des Monats
ORT: Auslandsgesellschaft Dortmund (direkt hinter dem HBF, Nordausgang) Raum V2
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Wie man auf Deutsch so schön sagt, gehört Willi zu den Urgesteinen der
Friedensbewegung und Gewerkschaftsarbeit. Da der Frieden derzeit nicht
allzu viel Verteidiger besitzt, ist es wohl mehr denn je wichtig, sich
für ihn einzusetzen.
Daher werden Fragen nach dem Unterschied von Früher zu Heute, zur
aktuellen Welt und Eskalationspolitik bis hin ‚ zu was kann ich selbst
tun ‚ unsere Diskussion beherrschen.
Im Anschluss des Gespräches gibt es wie immer die Gelegenheit dem
Referenten Fragen zu stellen. Gerade weil Frieden in den Medien kaum
noch vorkommt finden wir es umso wichtiger einem Menschen der sich
zeitlebens dafür eingesetzt hat, persönlich zu begegnen und mit ihm die
eigenen Ansichten und Fragen besprechen zu können.
‚ Wenn ich nicht die Hoffnung hätte, dass sich die Menschheit eines
Tages von all den Ungerechtigkeiten, von all den eigenen
Unzulänglichkeiten befreien wird, würde ich heute meinen Einsatz dafür
aufgeben ‚,
sagte Willi Hoffmeister fast schon trotzig. Er kämpft weiter für einer
gerechtere und friedlichere Welt.
Am Dienstag dieser Woche war in der Reihe „Friedensfragen #5“ Frieder F. Wagner zu Gast in der Auslandsgesellschaft NRW in Dortmund. Wagner ist Filmemacher und hat u.a. „Todesstaub – Deadly Dust“ gedreht. Organisiert wurde die Veranstaltung von INWO (INITIATIVE FÜR NATÜRLICHE WIRTSCHAFTSORDNUNG) und dem Verein für Bildung für Frieden in Kooperation mit Regenbogentv.de.
Rund um das Thema Todesstaub Atomwaffen, Uranmunition und die Folgen für die Menschen befragte Moderator Mark Brill den Gast. Über den Film „Todesstaub – Deadly Dust“ wird geschrieben:
Diese Dokumentation von Frieder Wagner erzählt von einem
Kriegsverbrechen: dem Einsatz der Uranmunition im Irak, im Bosnienkrieg und im Kosovo. An diesem Abend sollte der Frage nachgegangen werden, welche Entwicklung es in den letzten 9 Jahren, nachdem der Film veröffentlicht wurde, gab.
Licht setzender Kameramann, das war ihm zu wenig
Der Filmemacher Frieder F. Wagner. Fotos: C.-D.Stille
Zu seiner Person führte Wagner aus, dass er als Kamera-Assistent habe und 1971/72 als freier, Licht setzender Kameramann gearbeitet habe. Bis ihm das zu wenig gewesen sei. So begann er ab 1980/81 eigene – meist sozialkritische – Themen zu recherchieren. Viel hat er mit seiner argentinischen Frau auch in Lateinamerika gedreht.
Als verantwortlicher Kameramann für viele Dokumentationen erhielt Frieder F. Wagner für eine Dokumentation „Ausländer raus?“ 1982 seine ersten Adolf-Grimme-Preis in Gold. Bereits vorher hatte er für eine Langzeitdokumentation den Grimme-Preis in Silber erhalten. Wagner ist auch Träger des Europäischen Fernsehpreises.
Im Jahre 2002 kam der Filmemacher zum Thema Uranmunition
Wagner gab zunächst zu bedenken, dass allein Plutonium eine Halbwertszeit von über 20.000 Jahren hat. Dann müsse man wissen, dass die ganzen etwa nach den US-Atombombenabwürfen in Japan bei großer Hitze freigesetzten Nanopartikelchen noch immer herumvagabundierten. „Und jederzeit von jemanden eingeatmet“ oder mit der Nahrung aufgenommen werden kann. Schließlich seien die hundertmal kleiner als ein rotes Blutkörperchen.
Darauf angesprochen, zeigte sich Wagner sicher, dass die etwa in Deutschland ca. 20 stationierten US-Atomwaffen – die nebenbei bemerkt im Ernstfall womöglich von deutschen Bombern („nukleare Teilhabe) eingesetzt werden müssten – längst modernisiert worden sein.
Uranmunition, erklärte der Gast aus Köln, sei aber keine Atomwaffe. Es handele sich dabei ein hochradioaktives Abprodukt der Atomindustrie. Das müsse bewacht und gepflegt werden. Was hohe Kosten erzeuge. Bestimmte Leute hätten sich dann eben mal ausgedacht, was man daraus machen könne. Abgereichertes Uran ist doppelt so schwer wie Blei. Man kam auf die Idee dies als Material für die in in Tragflächen von Jumbojets nötigen Ausgleichsgewichte zu verwenden. Das könnte war auch beim am 4. Oktober 1992 in Amsterdam abgestürzten israelischen Flugzeug dieser Reihe der Fall. Teile der Gewichte mussten verbrannt sein. Nanopartikel wurden frei. Später erkrankten in dem Unglücksviertel Menschen Krebs. Frauen gebaren missgebildete Babys. Seither dürfe kein Jumbojet mit diesen Ausgleichsgewichten mehr in Europa landen. Was zynisch ist: in Afrika dagegen schon.
22 Staaten besitzen Uranmunition
Später, so der Filmemacher, wären gleichzeitig in verschiedenen Ländern der Erde Militärs auf die Idee gekommen, abgereichertes Uran als Munition zu verwenden. Inzwischen besitzen 22 Staaten diese perverse Munition. Hergestellt werde sie in den USA, Großbritannien, Frankreich, in Russland, Australien und Pakistan. Eingesetzt haben es bislang nur die USA, die Franzosen, Großbritannien und die Israelis.
Die Wirkung
Diese Munition dementsprechend beschleunigt, und beispielsweise auf eine Panzerwand abgefeuert (oder kiloweise als Bombe abgeworfen) hat zur Folge, dass ein solches Geschoss quasi durch Panzerstahl wie ein heißes Messer durch Butter hindurchgehe.
Dabei entstehe ein unwahrscheinlich große Reibungshitze von zwischen 3000 und 5000 Grad Celsius. Gleichzeitig kommt es zu einem Abrieb. Dieser wird ins Innere der Tanks hinein gesogen. Es kommt zu einer explosionsartigen Verbrennung. Die Mannschaft darin verglüht in Sekundenbruchteilen. Nanopartikelchen werden frei. Als das Team um Frieder F. Wagner für den Film „Deadly Dust“ 2003 im Irak waren, hatte man Bodenproben und Proben von zerstörten Panzern genommen. Festgestellt wurde, dass darin auch Uran 236 sein kann. Das entstehe bei der Wiederaufbereitung von Brennstäben von Atommeilern. Ein tolle Altastbeseitigung, zynisch betrachtet, merkte der Moderator an dieser Stelle! Im Gegenteil, gab Wagner zurück: Man habe nämlich überhaupt nicht bedacht, dass diese Nanopartikel etwa durch Sandstürme im Irak auch dorthin transportiert würden, wo nie ein Urangeschoss eingeschlagen ist. Kleinkinder erkrankten nun dort an hoch aggressiven Krebsarten, die sonst nur bei alten Menschen auftreten. Die Babys scheiden kontaminierten Urin aus, wie es auch bei US-Soldaten der Fall ist, die im Irak eingesetzt gewesen waren. Offiziere hätten offenbar von der Gefahr durch Uranmunition gewusst. Erkrankte Soldaten hatten berichtet, oft hätten diese Schutzanzüge und Masken getragen, worüber man seinerzeit gewitzelt habe.
325.000 arbeitsunfähige GI’s und missgebildete Kinder
Nach dem ersten Golfkrieg 1991 – bei den Kämpfen kamen lediglich 300 Armisten ums Leben – starben 30.000 Soldaten nach ihrer Rückkehr in die Heimat an Krebserkrankungen. 325.000 zurückgekehrte GI’s sind arbeitsunfähig krank! Wagner: „Es interessiert niemanden.“
Immerhin, berichtete Wagner sei unterdessen eine Sammelklage von wohl 600 Betroffenen angestrengt, die nur für ihre missgebildeten Kinder klagen können. Der Filmemacher meint, irgendwann werde diese Klage von Erfolg gekrönt sein. Wie seinerzeit die Klage gegen die mächtige Tabakindustrie. „Dann ist das Land erledigt.“
Wer mit Uranmunition in Berührung gekommen ist, kann über die unsichtbaren Nanopartikelchen erkranken. Leider sei das auch bei Kindern geschehen, die kontaminierte Kartuschen mit nach Hause genommen, sie bemalt und als Puppen mit ins Bett genommen hätten.
Bis heute sind diese Waffen nicht geächtet
Bei den Vereinten Nationen sei die Zahl der Staaten, die diese Waffen geächtet werden auf 155 angewachsen. Die Abstimmung scheiterte jedoch stets an den USA, Frankreich und Großbritannien.
Deutschland habe früher immer für die Ächtung gestimmt, 2014 sich jedoch der Stimme enthalten, wie China und Russland.
Die Halbwertszeit von abgereichertem Uran beträgt 4,5 Milliarden Jahre!
Frieder F. Wagner stellte der Problematik die Situation der Contergan-Betroffenen entgegen. Wenn diese Frauen oder Männer miteinander Kinder gezeugt hätten, „dann sind diese Kinder, weil ihr genetischer Code nicht geschädigt wurde, kerngesund“. Und weiter: „Wenn heute kontaminierte Soldaten aus Afghanistan nach Hause kommen“ und Kinder zeugten, geben sie ihre Kontamination an sie und ihre Kinder und Kindeskinder weiter. Er erkläre das immer so: Wenn ein farbiger US-amerikanischer Soldat mit einer weißen Frau Kinder gezeugt hat, würden die schön schokoladenbraun. Heirateten die nun wieder und wieder, könne es passieren, dass solche Nachfahren plötzlich eine weiße Hautfarbe haben. Die wiederum könnten sich mit Weißen paaren. Plötzlich könne dabei ein schokoladenbraunes Kind entstehen. Die Gene blieben erhalten.Auch in den Urangeschädigten blieben diese Gene erhalten.
Studien zur Uranmunition landeten im Giftschrank
Der Moderator des Abends (Mark Brill, links) mit dem Gast Frieder F. Wagner.
Mark Brill fragte, was eigentlich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unternehme. Nach Untersuchungen im Irak sei eine Studie entstanden, die hätte für entscheidende Aufklärung sorgen können. Stattdessen verschwand die Studie im Giftschrank. 2004 habe man erst davon erfahren, nachdem der Norweger, der für die Studie verantwortlich war, die Geschichte in Berlin an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Auch die folgenden 16 weiteren Studien sollten nie veröffentlicht werden. Es gebe nämlich ein Vertrag mit den USA, dass die Internationale Atomenergiebehörde sich mit der WHO in Verbindung zu setzen hat, wenn es bei Studien rundum die Folgen von Radioaktivität geht. Beide Organisationen seien verpflichtet, nur bei gegenseitigen Einverständnis einer Veröffentlichung zuzustimmen. Die Internationale Atomenergiebehörde stimmt aber in solchen Fällen nie zu. „Qui bono?“, fragte der Moderator. Man kann es sich denken.
Der Fall Dr. Siegwart-Horst Günther
Der deutsche Tropenarzt und Epidemiologe Dr. Siegwart-Horst Günther machte nach dem Golfkrieg 1991 als erster auf die verheerenden Folgen von solchen Urangeschossen aufmerksam.
Der Film „Deadly Dust“ begleitet ihn und seine amerikanischen Kollegen (z.B. Ted Waymen, Vizedirektor des medizinischen Uranforschungs-Institut in Toronto, Kanada) bei ihren Untersuchungen im Kosovo, in Bosnien und im Irak. Überall dort hatten amerikanische Truppen die gefährliche Uran-Munition eingesetzt.
Der Film zeigt bislang wenig bekannte Langzeitfolgen unter denen besonders die Kinder in den Kriegsgebieten zu leiden haben. Nach Ende
des jüngsten Irak-Krieges entdeckten die Experten in der Umgebung von Basra kontaminierte Kriegsschauplätze, deren radioaktive Verseuchung dienatürliche Erdstrahlung um das 20.000-fache übertrifft
Günther wurde, weil er so ein Uranmunitionsgeschoss mithilfe eines Diplomaten zwecks Untersuchung nach Deutschland geschmuggelt hatte, verhaftet. Und in Deutschland diskreditiert, verfolgt und beinahe psychiatrisiert.
Wagner: „Ein deutsches Gericht hat immerhin die Gefahr dieser Munition erkannt.“
Siegwart-Horst-Günther wurde zu einer Geldstrafe von 3000 DM verurteilt. Er weigerte sich zu zahlen. Es sei denn, Bush-Vater zahle für jedes verschossene Geschoss (ingesamt 320.000 Tonnen!) ebenfalls 3000 DM. Günther kam kurz ins Gefängnis, dann aber wieder frei.
Frieder F. Wagner erklärte zu seinem Erfahrungen mit den Medien, er habe damals mit dem SPIEGEL Redakteur Siegesmund von Ilsemann gesprochen, der sich vor ihn schon auf über 12 Seiten im SPIEGEL mit dem Thema Uranmunition befasst hatte. Dieser habe ihn um seinen Film beneidet, jedoch prophezeit, niemals wieder zu diesem Thema werde publizieren können. So sei es gekommen. Das Thema ist tabu (dazu auch hier).
Die Idee zu einem neuen Film ist da
Die Idee für einen neuen Film trägt Frieder Wagner mit sicher herum. 2018 wird sich der Absturz eines US-Kampfflugzeugs über Remscheid zum 30. Mal jähren. Damals wurde vermutet, auch dieses Flugzeug könnte Uran-Munition an Bord gehabt haben. Was aber offiziell bestritten wurde: Nur Übungsmunition wäre an Bord gewesen. Wagner blieb skeptisch. Er will recherchieren. Vielleicht ließen sich Zeitzeugen finde. Oder gar in einem Keller ein Geschoss, dass ein Einwohner damals beiseite brachte? Auch könne die Möglichkeit bestehen jemand aus der Verwaltung zu finden, der jetzt mittlerweile keinem Sprechverbot mehr unterliege.
Ein Abend voller auch überraschender Informationen und Aspekte, die es zu bedenken gilt
Einmal mehr ein hochinteressanter Abend in der Auslandsgesellschaft in Dortmund. Mark Brill konnte im Gespräch mit dem Filmemacher Frieder F. Wagner neben schon Bekanntem durchaus überraschende, neue Informationen zutage fördern. Darüber hinaus verstand es der Gast all dem – gewiss zusätzlich Fragen auslösen werdende – Aspekte hinzufügen, die es zu bedenken gilt.
Die Schwierigkeiten wegen entgangener Arbeitsaufträge an denen er durchaus zu knabbern hatte, habe er verwunden, sagte Wagner zum Schluss. Er sei aber froh gewesen, dass ihn niemand habe umbringen wollen. Bei Dr. Siegwart-Horst Günther sei das seinerzeit dreimal versucht worden. Vor allem darf man sich nach dieser leider nur spärlich besuchten Veranstaltung fragen, warum die Verantwortlichen für den Einsatz dieser perfiden Munition – über deren Wirkung und gesundheitliche bis tödliche Folgen sie ja im Bilde sein müssten – noch nicht vor einem Kriegsverbrechertribunal gelandet sind.
Der Film „Deadly Dust“ (Todesstaub) auf YouTube
Das Gespräch mit Frieder Wagner wurde auf Video aufgenommen und ist bei Weltnetz.tv zu sehen:
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