IALANA-Medientagung in Kassel mit toll verhandelten, wichtigen Themen war ein Erfolg

Gestern ging die dreitägige IALANA-Medientagung mit dem Thema „Krieg und Frieden in den Medien“ in Kassel zu Ende. Vorweg: Die Tagung war ein Riesenerfolg! Laut Veranstalter waren 350 interessierte BesucherInnen da und folgten aufmerksam dem dichten und hochinteressanten Programmteilen mit vielen äußerst informativen Referaten kompetenter Gäste, welche die Veranstalter eingeladen hatten. Es ging um das Thema „Krieg und Frieden in den Medien“ und die Frage: Kann man ein Leitbild „Friedensjournalismus“, der Wahrheit verpflichtete und deeskalierende Berichterstattung etablieren? Anlass für die Tagung war nicht zuletzt auch die unumstößliche Tatsache, dass das Vertrauen in die Berichterstattung der deutschen Medien zweifelsohne nachgelassen hat. Auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise im Jahre 2014 machte sich der wachsende Unmut der Medienrezipienten besonders stark Luft.

Jede Menge Kompetenz und Engagement – Die Referenten und Diskutanten

Auf der Tagung sprachen bzw. diskutierten Daniela Dahn (Journalistin und Autorin), Max Uthoff (Kabarettist u.a. Die Anstalt und Jurist), Dr. Sabine Schiffer (Institut für Medienverantwortung), Prof. Dr. Günther Rager (TU Dortmund), Maren Müller (Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtliche Medien e.V.), Markus Fiedler (Lehrer, Autor u.a. von „Die dunkle Seite der Wikipedia“), Prof. Dr. Ulrich Teusch (Autor), Dr. Kurt Gritsch (Institut für Zeitgeschichte Innsbruck), Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz (ehem. ARD), Albrecht Müller (Herausgeber der NachDenkSeiten), Dr. Uwe Krüger (Universität Leipzig), Ekkehard Sieker (u.a. Team Die Anstalt), Prof. Dr. Jörg Becker (Politikwissenschaftler), Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer (ehem. ARD und NDR; Programmbeschwerden), Jens Berger (Redakteur NachDenkSeiten), Pascal Luig (Chefredakteur WeltnetzTV), Jens Wernicke (RUBIKON)) Dr. Ute Finkh-Krämer ((EX-MdB), Reiner Braun (Co-Präsident IPB) und Tilman Wörtz (Peace Counts). Einen musikalischen Höhepunkt setzte zum Abschluss des zweiten Tagungstages Konstantin Wecker mit einem Konzert für die TeilnehmerInnen. Alles in allem: jede Menge Kompetenz und Engagement.

Begrüßung durch Otto Jäckel

Otto Jäckel, Vorsitzender der IALANA. Fotos: C. Stille

Otto Jäckel, Vorsitzender der IALANA), befand in seiner Begrüßungsansprache: „Der Zustand einer Gesellschaft ist umso demokratischer je mehr Menschen sich an dem demokratischen Prozess beteiligen. Dazu gehört nicht nur wählen zu gehen, sondern sich überall einzumischen. Am Arbeitsplatz, dem Wohnumfeld, in kommunalen und regionalen Angelegenheiten und erst recht in Fragen die von Bedeutung sind für das ganze Land.“ Es ginge auch darum Gefahren abzuwenden. „Und die größte Gefahr für die Gesellschaft ist immer der Krieg, wo auch immer er geführt wird“, unterstrich Jäckel. Der demokratische Prozess ist somit das Immunsystem der Gesellschaft, ihr Reparaturbetrieb und zugleich der Motor für gesellschaftliche Veränderungen.“ Es gelte das Friedensgebot des Grundgesetzes und das Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen durchzusetzen. „Das können wir den Regierenden keinesfalls allein überlassen. Darum müssen wir uns selbst kümmern“, sagte Otto Jäckel unter dem Applaus der Anwesenden. Und es ginge in der Tagung nicht zuletzt darum, wie man diesbezüglich friedensengagiert mediale Verbreitung finden könne. Otto Jäckel zollte Dr. Peter Becker (Co-Präsident der internationalen IALANA), der „bis in die letzten Tage und mit viel Herzblut und über Tage und Stunden für das Zustandekommen dieser Tagung gekämpft hat hohen Respekt. Er sei ein „Solitär als Anwalt und ganz Großer unter den deutschen Verwaltungsrechtlern“ und großer Verfechter für das Völkerrecht, so Jäckel.

Daniela Dahn lieferte Grundgedanken zum Tagungsthema

Journalistin und Autorin Daniela Dahn.

Die Grundgedanken („keynote speech“) zum Thema der Tagung trug die Autorin Daniela Dahn am Freitagabend vor. Sie sprach davon, dass wir eine „weißgewaschene Kriegsberichterstattung“ erlebten. Aktuell in „besonders empörenden Fall, was sich die Türkei hier leistet“. Dahn meinte den aktuellen völkerrechtswidrigen Angriffs der Türkei auf die Kurden in Syrien. Eine kritische Berichterstattung erlebe man nur von „wenigen linken Nischenjournalisten“. Angesichts dessen müsse sich niemand darüber wundern, dass Medien an Vertrauen einbüßten. Der „Grundkonflikt in den Medien“ sei „der alte“. Auf dem rechtspolitischen Kongress der SPD vor über vierzig Jahren habe der spätere Bundesverfassungsrichter Wolfgang Böckenförde, so Dahn, gesagt: Es gebe keine akzeptable Vorschläge wie die Pressefreiheit unter der Dominanz von Privateigentum zu sichern sei. Und habe die Schwierigkeiten Machtbegrenzungen und Freiheitssicherung im Medienbereich zu verwirklichen beschrieben. Die privatrechtliche Organisation der Medien führe zu einer

Kumulation von wirtschaftlicher Macht und Kommunikationsmacht. Sie erinnerte damit daran, dass über die Anstellung auch von politisch oder anders orientierter Redakteure befände allein der Verleger oder Konzern in dessen Eigentum sich die Redaktion befindet. Auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten unterlägen keiner wirklich demokratischen Kontrolle. (Update vom 9. Februar 2018: Die Videoaufzeichnung des Vortrags von Daniela Dahn; Quelle: Weltnetz.TV)

Selbst der einstige Bundespräsident Horst Köhler habe den Presserat seinerzeit mit einem Marx-Zitat überrascht: „Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein“. Dahn: „’Deine Freiheit ist nicht meine Freiheit, ruft die Presse den Gewerbe zu‘, hatte Marx in der Rheinischen Zeitung ergänzt“. Und sie beschied: „Doch die Freiheit des Gewerbes hat gesiegt. Medien sind Kommerz.“ Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sollten, daran erinnerte die Rednerin, eigentlich von Gewinnüberlegungen frei sein: „Aber davon ist wenig zu merken.“ Um ihrer TV-Kritik Ausdruck zu verleihen, zitierte Daniela Dahn Peter Scholl-Latour, der befunden habe: „Wir leben im Zeitalter der medialen Massenverblödung“. Die Aufklärungsarbeit der durch Quellen fundierten ZDF-Kabarettsendung „Die Anstalt“ (die Arbeit macht, die Journalismus leisten müsste; C.S.) strich Dahn indessen heraus.

Freilich gebe es noch kritischen, aufklärenden Journalismus in TV-Beiträgen („auf der Mitternachtsschiene“) „von Redakteuren, die nicht aufgegeben haben“, aber sie seien zu marginal, um Oskar Negts These von der „unterschlagene Wirklichkeit“ zu widerlegen. „Die Angst der unbequemen Journalisten vor dem Elfmeter in der Redaktionssitzung kommt hinzu“, gab die Autorin zu bedenken. Angesichts exzessiver Sparpläne und Redaktionsverkleinerungen sei „eher Selbstgleichschaltung angesagt“. Profiliert hätten sich „die Journalisten, die problemlos auch zu Regierungssprechern werden können“.

Um zu verdeutlichen, wie Meinungsbeeinflussung und Desinformation organisiert werden kann, informierte Dahn darüber, dass allein für das Pentagon in den USA 27 000 PR-Spezialisten mit einem Jahresbudget von fünf Milliarden Dollar arbeiten. (Anbei empfehle ich noch einen Bericht des  RUBIKON zum Vortrag von Daniela Dahns Impulsreferat)

Wie Kabarettisten auf Krieg und Frieden in den Medien schauen“

Der Höhepunkt des Freitagabends wurde über interessante Kabarett-Video-Präsentationen aus Auftritten von Georg Schramm „Afghanistan“, Volker Pispers „Bis neulich“ sowie Max Uthoff (Die Anstalt) „Verstrickungen deutscher Medien“ und „Syrien“ angesteuert: Der Programmpunkt „Wie Kabarettisten auf Krieg und Frieden in den Medien schauen“. Mit Max Uthoff (Die Anstalt). Fragen in dieser Runde wurden gestellt von Daniela Dahn und Dr. Peter Becker (IALANA) sowie aus dem Publikum. Schauen Sie dazu, liebe LeserInnen, die Aufzeichnung der KollegInnen von WeltnetzTV via You Tube an. Max Uthoff warnte davor die Wirkung von Kabarett zu überschätzen: „Wenn Kabarett etwas verändern würde, wäre es wahrscheinlich verboten.“

Krieg in den Medien – Wie wird berichtet, warum wird es so berichtet?“ Beiträge von Dr. Sabine Schiffer und …

Dr. Sabine Schiffer (Institut für Medienverantwortung Erlangen).

Der zweite Tag der Medientagung galt zunächst dem Thema „Krieg in den Medien – Wie wird berichtet, warum wird es so berichtet?“

Dr. Sabine Schiffer ging zu diesem Behufe den Fakt der Medienkonzentration und der Frage „Wer beherrscht die Medien?“ nach. Sie zitierte eingangs einen Text der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Die Medienkonzentration und ihre Rolle als politischer Akteur sind ein drängendes Problem für Lateinamerika.“ Schiffer: „Das ist nicht nur richtig. Das trifft auch außerhalb Lateinamerikas zu. Auch bei uns.“

Dr. Sabine Schiffer stellte bezüglich eines eingeblendeten Bildchens eines Puppenspielers, welcher die Medien quasi wie Marionetten führt, vorweg eines unmissverständlich klar: „Einen Drahtzieher, der das alles kontrolliert und steuert den finden wir nicht. Den würden wir uns in den Medienwissenschaften manchmal sogar gerne wünschen.“ Dann wäre alles einfach. „Aber, es ist alles sehr komplex.“

Der Vortrag machte deutlich, wie vielfältig Medienverflechtungen (und gegenseitige Beteiligungen an den Medienerzeugnissen) inzwischen sind, ohne dass den LeserInnen dies womöglich bewusst ist. Eine angenommene Medienvielfalt komme heute eher inszeniert daher. Wie kann man etwa erklären, dass ein Nikolaus Blome von der Bildzeitung zum Spiegel wechselt oder umgekehrt? Das habe halt damit zu tun, „dass die teilweise ein Haus sind“.

Dem System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bescheinigte Schiffer „kein schlechtes Konstrukt zu sein“ – es fehle ihm jedoch hier und da die Staatsferne. „Als Dozentin des Internationalen Medienvergleiches“ wolle sie jedoch trotzdem für dieses System werben: „Es ist eine Perle mit Defekten.“ Es mangels Alternativen – wie man im Ausland sehen könne – nicht nur „erhaltenswert sondern auch ausbaunotwendig“.

Ein unabhängiger Journalismus müsse nachhaltig sein. Dr. Schiffer zitierte Eckart Spoo, der immer dafür plädiert habe: „Keine Demokratie ohne Demokratisierung der Medien“. Es sei durchaus anzudenken, das öffentlich-rechtliche System auf Print und Internet auszuweiten. Die Änderung der Rundfunkstaatsverträge sollten geändert und Publikumsräte von allen Mediennutzern gewählt und ein Ombudssystem eingerichtet werden, um von der „Blackbox“ wegzukommen und eine öffentliche Debatte zu ermöglichen. Dazu die „Erlanger Erklärung“ des Publikumsrats.

Prof. Dr. Günther Rager

Prof. Dr. Günther Rager, TU Dortmund

Günther Rager widmete sich der Frage „Wer führt Regie auf der medialen Bühne?“ und sprach zur Inszenierungsleistung des Printjournalismus und zur inneren Pressefreiheit“ auch aus der Sicht der Ausbildungspraxis von Journalisten. Viele der Absolventen der Journalistenausbildung an der TU Dortmund seien heute in führenden Positionen in den Medien und unterlägen auch der Kritik. Bei aller berechtigten Kritik an den Medien geschehe es dann doch schon mal, dass in Nachrichten auf ungesicherte Quellenlagen hingewiesen würde und es Journalisten gebe, die sensibel und möglichst fair über Kriegsparteien berichten. An die Mediennutzer gerichtet sagte Rager: „Und es liegt auch an uns als Publikum einzufordern, dass die Berichterstattung nicht nur aus einer Perspektive inszeniert wird, um die Medien zu unterstützen die das versuchen“. Darüber hinaus merkte Rager an: „Dass die Zeitungen so sind wie sind ist nicht nur den ‚bösen‘ Verlegern geschuldet, sondern auch uns als Lesern, die nicht bereit sind den Preis, den vollen

Preis für die Information bezahlen“. (Update vom 9. Februar 2018: Videoaufzeichnung von Günther Ragers Referat via Weltnetz.TV)

Das hart auf Kante „genähte“ – nicht eine Sekunde langweilige – Tagungsprogramm am Samstag nahm sich schließlich noch der Strukturen der Rundfunk- und Fernsehmedien sowie der neuen digitalen Medien an. Da wurden Personalproporze, Kontrollgremien und Inhalte in den Fokus genommen und der Frage nachgegangen „Wer sitzt wofür im Rundfunkrat der öffentlich-rechtlichen Sender?“ und die Auswirkungen von deren Arbeit analysiert. Dies war Aufgabe von Maren Müller (Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtliche Medien e.V.)

Unbehagen mit Wikipedia

Markus Fiedler, Autor.

Die dunkle Seite der der Wikipedia“ beleuchtete Markus Fiedler. Der Blick ins innere der alles andere als demokratisch funktionierenden Online-Enzyklopädie dürfte bei manchem – der die Arbeit Fiedlers und seinen Mitstreitern noch nicht kannte – einiges Unbehagen ausgelöst haben. Dazu auch ein Artikel der NachDenkSeiten (Update vom 4. Februar 2018)

„Innerer und äußerer Frieden als Aufgabe der Medien“

Das Thema „Innerer und äußerer Frieden als Aufgabe der Medien“ war dem Autor („Lückenpresse“) Ulrich Teusch (Videoaufnahme seines Vortrages via Weltnetz.TV) gestellt worden.

Der Kosovo-Krieg. Eine gesteuerte Debatte“

Dr. Kurt Gritsch brachte schwere Verfehlungen von Politik und Medien mit seinem

Dr. Kurt Gritsch.

Vortrag „Der Kosovo-Krieg. Eine gesteuerte Debatte“ in Erinnerung.

Illegale Kriege und ihre Behandlung in den Medien“

„Illegale Kriege und ihre Behandlung in den Medien“ kamen in Form einer Video-Präsentation eines Auftritts von Daniele Ganser (SIPER) auf Tapet.

Die Konfrontationspolitik gegenüber Russland und die Medien“

Großes Publikumsinteresse erfuhr die frühere ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz mit dem von ihr ausgearbeiteten Beitrag „Die Konfrontationspolitik gegenüber Russland und die Medien“. Schon vor ihrem Vortrag musste die Autorin

Gabriele Krone-Schmalz.

zahlreiche am Veranstaltungsort angebotene Bücher signieren.

 

Was lernen wir? Wie mit Propaganda umgehen?“ –

 

 

Maren Müller informierte über die Arbeit der Ständigen Publikumskonferenz e.V. (Video via Weltnetz.TV)

Podiumsdiskussion

Podiumsdiskussion: Gabriele Krone-Schmalz, Andreas Zumach, Manfred Deiseroth (Moderation), Ekkehard Sieker und Albrecht Müller (NachDenkSeiten).Nach einer kurzen Kaffeepause stand am frühen Abend noch eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Was lernen wir? Wie mit Propaganda umgehen?“

Daran beteiligt waren Gabriele Krone-Schmalz, Albrecht Müller (NachDenkSeiten), Dr. Uwe Krüger (Universität Leipzig), Andreas Zumach (Journalist) und Ekkehard Sieker aus dem „Die Anstalt“-Team. Update vom 5. Februar 2018: Der Vortrag von Albrecht Müller auf der Medientagung via NachDenkSeiten in Textform und ganzer Länge.

Liedermacher Konstantin Wecker beschloss den Samstagabend ohne einen Soundcheck machen zu können – alles lief dennoch bestens – mit einem unvergesslichen Konzert mit nachdenklichen, sensiblen und engagierten forschen Lieder. Das Publikum, das gleich zu Anfang bei seinem „Willy“-Lied voll dabei gewesen war, erklatschte noch mehrere Zugaben. Ein praller Abend. Ein in jeder Hinsicht gelungener Tag im Gemeindesaal der CROSSjugendkulturkirche Kassel am Lutherplatz samt nicht weniger begeisterndem Abend, welcher mit einem kleinen Empfang beschlossen wurde.

Update vom 26. Februar 2018: Referat Ekkehard Sieker ((„Die Anstalt“, Monitor):

 

 

Konstantin Wecker

Fazit und Kritik

Abschließend sei die Tagung, die den Veranstaltern gewiss viele Anstrengungen gekostet hat, sei diese zunächst einmal in höchsten Tönen gelobt. Sie hat die an sie gestellten Erwartungen sicher für viele BesucherInnen er- und wenn nicht gar übererfüllt. Das Programm ließ eigentlich nichts zu wünschen übrig. Vielleicht dann doch etwas, dass aber den Organisatoren nicht angelastet aber dennoch auch von ihnen bedacht werden sollte:

Kritische, bedenkenswerte Worte eines „bemoosten Karpfens“

Zu diesem Behufe möchte ich die kritischen Worte von Prof. Dr. Peter Grottian zitieren, welcher der Sozialwissenschaftler am Ende der Veranstaltung aus dem Saal heraus zu bedenken gab: Er habe bei 350 Teilnehmerin nur vier oder fünf junge Leute unter 23 Jahren ausgemacht.

„Die Mittelalterlichen und wir als bemooste Karpfen scheinen nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein, unsere Kinder, Enkelkinder, Nichten und Neffen zu so einer tollen, wichtigen Tagung zu gewinnen. Wo ist denn der Kassler Studienrat mit seiner Abiturklasse und die fünf Studierenden einer Hochschullehrerin der Gesamthochschule Kassel? Wo die ganze aufmüpfige Zivilgesellschaft von Attac und Greenpeace? Und wo sind denn hier irgendwelche Leute von irgendwelchen angeblichen Jugendorganisationen? Das verweist auf ein strukturelles Problem. Für unsere hier verhandelten und toll verhandelten Themen haben wir keinen demokratischen Nachwuchs. Die junge Generation ist zwar interessiert. Aber eine Zwei-Tage-Tagung tun sie sich nicht an. (…) Die Generation der 14-29-jährigen die sage und schreibe zehn Stunden mit allen sozialen Medien durchschnittlich jeden Tag verbringt. Wo ist denn da noch Platz für eine IALANA-Tagung?“ Das sei „einer der Gründe, warum Demokratie lautlos vor die Hunde geht. Denn wenn das so ist, dann ist die junge Generation offenkundig eine, die den Lebensalltag so anders organisiert, dass für das Verständnis für uns bemoosten Karpfen nach politischen Widerstand und Selbstorganisation einfach gar kein Platz mehr ist.“

Im Publikum hob nach dieser Wortmeldung ein leichtes Murren an. Das aber sollte im Sinne von Grottians Worten in ein Nachdenken oder gar Handeln münden, meine ich. Selbst dann, wenn bedenken muss: Die junge Generation gibt es sicher nicht.

Wo blieben die richtigen Medien auf dieser Medientagung?

Noch etwas fragt man sich: Wo blieben die richtigen, die etablierten Medien, wie sich

Albrecht Müller (sehen Sie sich dessen Impulsreferat – Aufnahme via Weltnetz.TV –  an) ausdrückte, auf dieser Medientagung? Der Organisatoren, hieß es, haben sie und auch die öffentlich-rechtlichen Medien eingeladen. Gesehen hat man sie nicht. Möglicherweise waren Zeitungsleute da? Schade. Die elektronischen Medien haben etwas verpasst. Immerhin war neben den Team von WeltnetzTV Russia Today (RT Deutsch) mit einem Kamerateam dabei. Hoffentlich kreidet man das den Veranstaltern nicht negativ an. Man hat ja schon Pferde vor der Apotheke …

Update vom 1. Februar 2018: Das Video von RT Deutsch mit der Berichterstattung über die IALANA – Medientagung

24. Friedenspolitischer Ratschlag (4. und letzter Teil) – Dr. Sabine Schiffer: Die Rolle der sozialen Medien und alternativen Medien für die Friedensbewegung

Am zweiten Tag vom 24. Friedenspolitischen Ratschlag zog ein interessanter Vortrag der Sprachwissenschaftlerin und Medienpädagogin Dr. Sabine Schiffer die TeilnehmerInnen an. Schiffer leitet ebenfalls das Institut für Medienverantwortung. In Kassel sprach sie über „Die Rolle der sozialen Medien und alternativen Medien für die Friedensbewegung“.

 

Die Notwendigkeit, Medien kritisch zu rezipieren

Die Medienpädagogin empfahl eine kritische Rezeption von alternativen Medien. Eine Empfehlung freilich, die generell für den Umgang mit allen Medien gilt. Als Beispiel unter mehreren führte sie das sehr stark frequentierte Portal „KenFM“ an, dass äußerst erfolgreich von Ken Jebsen betrieben wird. Jebsen käme das Verdienst zu, sehr interessante lange Interviews – jedoch weniger gute Talkshows – zu produzieren. Und zu diesem Behufe Gesprächspartner „aus der Versenkung geholt“ zu haben, welche es in den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht zu finden gebe bzw. nicht die dort nicht mehr vorkämen. Hinzu kämen weitere nicht weniger interessante Sendungen aus dem Hause KenFM, welche zweifelsohne Lob verdienten. Jedoch habe sich Jebsen auch schon vergriffen. Etwa indem der den umstrittenen, inzwischen verstorbenen, Journalisten Udo Ulfkotte ein Podium bot. Ulfkotte hatte rechtspopulistische Thesen vertreten und die Angst vor dem Islam geschürt. Schiffer: Allerdings müsse vermerkt werden, dass der frühere, von Attac kommende, Pedram Shayar (u.a. „Der rote Tisch“) – nun Redakteur bei KenFM –etwas politische Orientierung ins KenFM-Programm bringen wollte. Letztlich habe es sich aber nicht zum Optimalen entwickelt, meinte Sabine Schiffer.

Selbst den von Vielen zu Recht hochgeschätzten, tagtäglich gut frequentierten NachDenkSeiten passierten schon einmal Ausrutscher, „wenn es aus“ dessen Herausgeber, Albrecht Müller, „ausbricht“. Auch bei der Nutzung von Russia Today müsse kritisch hin(geschaut) werden. Russia Today habe beispielsweise der AfD und Pegida bei der Berichterstattung großen Raum gegeben.

Erschrocken zeigte sich Sabine Schiffer darüber, dass sich auch in linken Pubikationen, etwa im Tagesschau-kritischen Buch „Die Macht um acht“, die Epoch Times als Quelle verlinkt vorfand. Schiffer: „Die Epoch Times ist Falun Gong.“ Eine Sekte die ganz stark antichinesische Politik mache. Quellenprüfung ist immer angesagt und dann stelle man fest, dass Wikipedia keine seriöse Quelle sei.

Auch das von dem Leipziger Frank Höfer betriebene Portal NuoVisa.TV werfe in der kritischen Betrachtung Schiffers Probleme auf. Dort kämen u.a. auch Beiträge

Dr. Sabine Schifferin informiert über fragwürdige Medien. Fotos (2): C. Stille

vor, die aus der esoterischen Ecke kämen. Auch SchrangTV kam bei der Bewertung Dr. Schiffers nicht gut weg. Diese Kanäle pflegen ein bestimmts Framing. Bei Nuoviso seien neben gut recherchierten Beiträgen auch Videos über Kornkreise und andere umstrittene Theorien zu finden – was auf die seriösen Themen abfärbe und sie entwerte. Sie folgten halt einem Schubladendenken, folgten einem bestimmten Deutungsraster. Es käme immer darauf an sich als Medienmacher, als Medium zu fragen: „In welchen Rahmen stelle ich mich?“ Auch die Bildzeitung stellt sich ja in einen bestimmten Rahmen. Dagegen sei kein Medium gefeit. Käme etwa ein journalistisch gut gemachter Beitrag in einem Medium vor, dass über Kornkreise berichte, werfe das eben Fragen auf.

Die Öffentlich-Rechtlichen hätten hingegen ihre Staatsverträge, denen sie verpflichtet seien und auf deren Einhaltung man sich berufen könne, was aber oft genug folgenlos bliebe.

Tipp an die Mediennutzer zur Unterscheidung von Spreu und Weizen: Genau schauen, welche Medien behaupten im Besitz der Wahrheit zu sein und welche wirklich glaubhaft nach Wahrheit suchen.

Sabine Schiffer informierte über die fragwürdige sogenannte Antizensurkoalition (Schiffer erklärte deren Grundidee so: „Alles was nicht in den allgemeinen Medien vorkommt, ist wahr“) des nicht weniger fragwürdigen Schweizer Laien- und Sektenpredigers Ivo Sasek, zu dessen Medienimperium auch Klagemauer-tv gehört.

Es sei eben für die ZuseherInnen manchmal gar nicht einfach die Medien zwecks deren Glaubwürdigkeit einzuordnen. Weshalb man genau schauen solle, welche Medien rund heraus behaupteten im Besitz der Wahrheit zu sein und welche glaubhaft danach suchten.

Positiv bewertete Dr. Sabine Schiffer das Format von Tilo Jung („Jung & naiv“), in dem Politik hervorragend dokumentiert werde.

Schwierig sei es für Journalisten geworden, die allzu kritisch berichteten oder die in den Ruch gekommen seien, „Verschwörungstheoretiker“ zu sein – und sei der Vorwurf auch noch so abwegig.

Frieder Wagner („Deadly Dust“) der früher für den WDR gearbeitet habe, bekäme von dort eben keinen Auftrag mehr. Um seinen Film zu promoten, müsse er nun eigenes Geld in die Hand nehmen. Ebenso Gaby Weber (Filme von hier auf „YouTube“) sei inzwischen weitestgehend auf sich selbst gestellt.

Kontaktschuld, Usurpation und plötzlich ist man „gelabelt“

Sehr aufwändig, so Sabine Schiffer, sei es mit Medien umzugehen. Sicher auch, was die Arbeit der Friedensbewegung anbetrifft. Leicht nämlich könne man halt in einen bestimmten Frame geraten, welcher einen zum Verschwörungstheoretiker mache oder gar in die Nähe von Rechten rücke. Da reiche manchmal schon ein Foto, dass jemand mit bestimmten Leuten entsprechenden Kalibers abbilde. Stichwort: Kontaktschuld. Oder, wenn gefilmt dann könnten einen Kontaktschuldfilme schon in Teufels Küche bringen.

Was die Medienarbeit der Friedensbewegung anbelagt, so gebe es Luft nach oben. Schiffer finde es zum Beispiel „dämlich“, ein Foto mit beispielsweise drei Leuten auf einer spärlich besuchten Demo ins Netz zu stellen. Das könne mehr Schaden anrichten als von Nutzen zu sein oder gar die Dokumentationsarbeit der Geheimdienste machen.

Schwierig wäre es gegen Verlinkungen eigener Texte auf fragwürdigen Seiten anzugehen. Verlinken sei, so Schiffer, eine Strategie der Rechten, wogegen man sich aus Zeitgründen kaum wehren könne. Wer aber Kooperationen ermitteln will, der müsse mindestens prüfen, ob ein Link „erwidert“ wird – sprich, ob es eine gegenseitige Verlinkung gibt. Rasch greife auch die Usurpation für gegen einen selbst gerichtete Zwecke. Ehe man sich versehe, sei man plötzlich „gelabelt“.

Sabine Schiffer wies auf die seinerzeit viel Staub aufgewirbelt habende Querfrontstudie der Otto-Brenner-Stiftung und auf ein von ihr dazu verfasstes Gutachten hin und auf die Dokumentationsseite, wo beide OBS-Arbeitspapiere zu finden sind – denn die Otto-Brenner Stiftung habe nach erfolgreichen Abmahnungen das Dokument verändert und wieder hochgeladen. Als Betroffener benötige man schon einmal teuren juristischen Beistand. In den meisten Fällen könne aber nichts gegen subtile Nahelegungen getan werden und kann nur auf die Medienkompetenz der Rezipienten von Schmähschriften hoffen. Der Schaden ist meist ohnehin schon eingetreten.

Ein sehr interessanter Vortrag von Dr. Sabine Schiffer, der einige Schwierigkeiten im Umgang mit den sozialen Medien und alternativen Medien nicht nur ausschließlich für die Friedensbewegung deutlich machte und Ansätze zur weitgehenden Vermeidung derselben lieferte.

Hinweis: Der Beitrag wurde am 14.12.2017 überarbeitet.

Dr. Sabine Schiffer: Mediale Manipulation Teil 2 „Prämissen-Analyse“

Gesunder Zweifel ist auf so ziemlich all unseren Wegen angebracht. Skepsis ebenso. Im täglichen Leben müssen wir schon genau und kritisch hinschauen. Was auf viele Lebensbereiche zutrifft. So logischerweise auch hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit von Medien und der Presse eine kritische Rezeption des Gemeldeten und Berichteten in Anwendung kommen muss. Nimmt die Vierte Gewalt, der Journalismus, ihre Aufgabe in der Demokratie immer gewissenhaft wahr? Kaum. Gleichwohl dürfen wir nicht einseitig und damit ungerecht sein. Wie es sogenannte „besorgte Bürger“ sind, die etwa auf Pegida-Aufmärschen regelmäßig „Lügenpresse halt die Fresse!“ grölen und nicht davor zurückschrecken berichtende Journalistenkollegen anzuspucken und sogar tätlich anzugreifen. Ganz abgesehen davon, dass der Begriff „Lügenpresse“ u.a. in der Nazizeit Verwendung fand und dementsprechend belastet ist.

Journalisten und Medien sollten also nicht alle über einen Kamm geschoren werden. Dennoch ist eine kritische Betrachtung angezeigt. Schließlich ist es auch nicht in Ordnung, wenn Medien uns manipulieren. Dies geschieht beispielsweise indem wir via Text oder Bild in eine bestimmte Richtung geführt werden sollen.

Dr. Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung befasst sich gründlich damit. Wir als Medienkonsumenten profitieren davon. In einem Videopodcast-Projekt in Kooperation mit den NachDenkSeiten erklärt Schiffer die Techniken der medialen Manipulation. Im ersten Teil ging es um Sinn-Induktion.

Nun liegt der zweite Teil vor. Diesmal beschäftigte sich Sabine Schiffer um Prämissen-Analyse.

Prämisse kommt laut Wikipedia aus dem Lateinischen (lat. praemissa) und bedeutet „das Vorausgeschickte“.

Und was uns – um dabei zu bleiben – da in den Medien vorausgeschickt – schlagzeilend als Faktenbehauptung mitgeteilt wird, ist sehr oft dazu geeignet, uns in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken. Wir werden manipuliert.

Liebe Leserinnen und Leser, schauen Sie also Teil 2 zum Thema mediale Manipulation „Prämissen-Analyse“.