Links-grüne Meinungsmacht: Die Spaltung unseres Landes. Von Julia Ruhs – Rezension

Gleichmal Butter bei die Fische. Wie man im Ruhrpott zu sagen pflegt. Nicht nur meiner Meinung nach ist der Journalismus in Deutschland schwer auf den Hund gekommen. Beziehungsweise gebracht worden. Beides spielt zusammen. Gründe dafür gibt es viele. Aber nichts ist darunter, was das entschuldigen könnte.  Positive Erscheinungen bestätigen die Regel.

Selbst – in der DDR geboren und aufgewachsen – interessierte ich mich von frühen Jahren für Journalismus. Ich „frass“ Zeitungen geradezu. Und freute mich, als unsere Staatsbürgerkundelehrerin seinerzeit eine Schulzeitung (sie hieß Schulkurier) ins Leben rief. Es ward eine Redaktion zusammengestellt, in welcher ich für Außerschulisches zuständig war. Interessante Einblicke boten sich mir, woraus Erkenntnisse erwuchsen. Später unterbrachen Lehre und Wehrdienst bei der NVA mein Faible fürs Schreiben eine Zeitlang. Wieder im Beruf des Elektromonteurs und dann meiner Arbeit an einem Theater als Beleuchter zog es mich wieder zum Reportieren und Schreiben hin. Als Volkskorrespondent (sozusagen Laienjournalist mit kleiner Honorierung für Artikel) berichtete und schrieb ich für die Bezirkszeitung in meiner Stadt. Das machte Spaß und brachte mich in Kontakt mit interessanten Menschen und Institutionen. Man konnte auch durchaus Kritisches aufgreifen. Und ließ dies dann geschickt zwischen den Zeilen durchscheinen. Allerdings war klar (die Zeitung war eine der Bezirkszeitungen der SED, der führenden Partei in der DDR), dass einem da verständlicherweise gewisse Grenzen gesetzt waren. Das war einem klar und man arrangierte sich – so manches Mal zähneknirschend – damit. Die Schere im Kopf arbeitete beim Schreiben immer mit.

Als ich eines Tages von dieser Zeitung das Angebot einer Delegierung an eine Fachhochschule zwecks Ausbildung zum Journalisten bekam, war ich begeistert – aber ad hoc auch hin- hergerissen. Schließlich wurde erwartet, dass ich Mitglied der SED und damit „Parteijournalist“ würde. Ein fester Klassenstandpunkt im Sozialismus und das entsprechende Klassenbewusstsein (heute wird Haltungsjournalismus verlangt – ich komme noch darauf). Schließlich schlug ich das Angebot nach tagelanger Überlegung schweren Herzens aus. Denn ich bekam ja seinerzeit nicht nur Lob für meine Artikel, sondern auch manche Beschimpfung seitens einiger Kollegen meiner Arbeitsstätte, der Art: „Was haste denn da wieder in die Zeitung geschmiert.“

Meine Absage gründete sich auch auf die Situation eines Kulturredakteurs der Zeitung, welcher mir anlässlich manchen Theaterbesuchs (er schrieb u.a. Premierenkritiken) zu später Stunde während der Premierenfeier, wo er sich meist mit diversen Alkoholika die Kante gab, sein Leid als mehr oder weniger unglücklicher Journalist klagte. Dabei war er ja immerhin schon froh, dass er nicht in der Politik-Redaktion arbeiten musste.

Würde mich nicht auch so ein Schicksal wie das des besagten Kulturjournalisten erwartet haben, würde ich als Journalist dieser Zeitung gearbeitet haben? Hätte ich bestimmte „Kröten“ lieber schlucken sollen? Tempi passati …

Vorbilder im Westen

In der DDR sahen wir ja (außer im Raum Dresden – spöttisch als ARD bezeichnet) regelmäßig Westfernsehen. Ich war begeistert von Journalisten, wie Peter Scholl-Latour, Gerd Ruge, Klaus Bednarz, Gabriele Krone-Schmalz und anderen. Um nur einige zu nennen.

Wobei mir klar war, dass auch in der BRD nicht alles Gold war, was glänzte. Entsprechende kritische Berichte in Politmagazinen wie MONITOR, Panorama etc. brachten ja Unzulänglichkeiten und Skandale alljährlich an den Tag.

Auch bei westdeutschen Zeitungen waren damals in den 1970er und 1980er Jahren nicht bei jeder Redaktion jeder kritische Artikel willkommen. Zeitungen sind ja sogenannte Tendenzbetriebe. Dort bestimmt sozusagen der Verleger die politische Ausrichtung und somit, was ins Blatt kommt und was nicht. Aber Journalisten hatten ja damals durchaus eine gewisse Auswahl und konnten zu anderen Zeitungen wechseln.

Der Journalismus in Westdeutschland war zudem aber lange Zeit auf jedem Fall viel pluralistischer, als das heute der Fall ist.

Heute geht es gleichgerichteter zu, um es vorsichtig zu formulieren. Und es kam von bestimmter Bürgerseite der Vorwurf „Lügenpresse“ auf. Der Journalist Ulrich Teusch sprach passender von „Lückenpresse“. Und das betrifft auch die Öffentlich-Rechtlichen. Immer mehr Leute üben heruzutage zu Recht Kritik daran.

Journalisten sind dumm“

Neulich hörte ich aus dem Mund einen gestandenen konservativ verorteten Journalisten in einer Radiosendung sagen: „Journalisten sind dumm.“ Nun, für manche dürfte das wirklich zutreffen, wenn man hört oder liest, was sie gerade jetzt in Zeiten hochgefahrener Kriegspropaganda von sich geben. Aber dieser Satz kann und soll wohl auch anders verstanden werden: Nämlich derart, dass eben auch Journalisten nicht alles wissen (und auch nicht wissen können). Das Schlimme ist jedoch: Bestimmte Journalisten tun im Brustton der Überzeugung und nicht selten auf überhebliche Weise (man muss sich nur mal an die Corona-Zeit erinnern! Ein Buch von Jens Wernicke und Marcus Klöckner haben ein Buch dazu veröffentlicht: hier) als hätten sie die Weisheit mit Riesenlöffeln gefressen.

Journalismus in den Orkus? Sagen, was ist!

Also, welches Fazit sollen wir angesichts des jämmerlichen Zustands des momentanen Journalismus ziehen: Fort mit ihm in den Orkus? Und dann? Klar, den auf den Hund gekommenen Journalismus wieder zu dem zu machen, wie er im Buche steht, braucht es Mut und jede Menge Kraft und Verstand. Denn so wie es ist, kann es schließlich nicht bleiben.

Und dieser dann „neue“ Journalismus musst unbedingt wieder das Credo eines Rudolph Augstein „Sagen, was ist“ beherzigen und mit Leben erfüllen. Dies tut ja selbst längst nicht mehr das einstige Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

Einer jungen Journalistin wie Julia Ruhs, deren Buch hier zur Debatte steht, traue ich zu, dazu beizutragen. Schon deshalb nenne ich deren Veröffentlichung ein wichtiges Buch

Zu Julia Ruhs schrieb Tobias Riegel auf den NachDenkSeiten:

«Der NDR hat sich von Moderatorin Julia Ruhs getrennt, wie Medien berichten. Künftig soll Ruhs nur noch in Folgen der Diskussionssendung „Klar“ zu sehen sein, die vom Bayerischen Rundfunk produziert werden. Laut einer Pressemitteilung des BR am Mittwoch sucht der NDR nun nach einer neuen Moderatorin. Die Sendung wird im Wechsel von den beiden Sendern produziert.

Eindruck der Intoleranz

Diese Entscheidung (weitere Hintergründe und Reaktionen finden sich etwa in diesem Artikel) hat eine große Diskussion ausgelöst. Der Schritt des NDR macht meiner Meinung nach einen schlechten Eindruck und ist abzulehnen: Auch wenn ich mit den Inhalten von Julia Ruhs persönlich nichts anfangen kann, so finde ich doch, dass auch eine solche Stimme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgehalten werden muss. Ruhs hat sich in dieser Nachricht auf X zu dem Vorgang geäußert. [ … ] Quelle: NachDenkSeiten«

Im Vorwort zu ihrem Buch schreibt Ruhs:

«In meinem Freundes- und Bekanntenkreis ist Medienschelte

nicht ungewöhnlich. Viele von ihnen haben ein Unwohlsein

entwickelt mit der Berichterstattung. Sie finden, Journalisten

nähmen sich zu viel heraus, sagten einem mit ihrer

Berichterstattung schon, welche Route der Kopf nehmen

soll. „Einordnung“ würden wir das nennen, dabei sei das,

was wir tun, vielleicht nicht immer gleich „Meinungsmache“,

zumindest aber „Meinungslenkung“. Die Infos herauszusortieren,

die nicht ins Weltbild passen. So Kontext zu

verschweigen. Die Fakten hineinzupacken, die der eigenen

Weltsicht in die Karten spielen. Framing. Manipulation.«

Und auch:

«Wer das Gendern doof findet, die Frauenquote ebenso,

illegale Migration ablehnt – und all das tue auch ich –, der

wird schnell gemaßregelt und zurechtgewiesen. Der muss

ständig aufpassen, dass ihm nicht fragwürdiges Gedankengut

unterstellt wird. Wenn dann noch die Falschen applaudieren

und die Richtigen schweigen, kann es passieren,

dass das Etikett an einem kleben bleibt. Dann ist man raus

aus dem Diskurs. Verbannt hinter die unsichtbaren Stadtmauern

unserer modernen Welt.«

Zuzustimmen ist ihr unbedingt hier:

«Echte Toleranz zeigt sich erst, wenn wir etwas ertragen,

das wir ablehnen oder sogar gefährlich finden. Denn nur

allzu oft gehört auch das noch längst zum demokratischen

Meinungsspektrum dazu.

Diese ganze mediale Dynamik wirkt auf mich oft so, als

solle die öffentliche Debatte nicht breit, sondern innerhalb

politisch erwünschter Narrative gehalten werden. Innerhalb

bestimmter Meinungskorridore. Medien definieren so, was

eine „erlaubte“ Meinung ist und was als „unerlaubte“ Meinung

gilt. Sie scheinen außerdem zu oft ein Thema richtig

groß zu machen, ein anderes aber liegen zu lassen. Mal übertrieben zu problematisieren, dann mal unkritisch abzufeiern.«

Was man zum Buch wissen muss

«Julia Ruhs war stets überzeugt, ganz normale Meinungen zu vertreten – bis sie Journalistin wurde. Sie sprach sich als Volontärin in der ARD gegen das Gendern aus und warnte später in einem Kommentar der „Tagesthemen“ vor illegaler Einwanderung. Sie sprach sachlich und mit Bedacht Themen an, die viele Menschen im Lande bewegen. Aber plötzlich war sie eine Exotin im Metier. Die Reaktion war ein linker „Shitstorm“, leider Normalität heutzutage. Die Politikjournalistin Julia Ruhs ist Reporterin beim Bayerischen Rundfunk sowie Kolumnistin für Focus Online. Dieses Buch ist ihr Plädoyer für eine offene Debattenkultur, in der auch kritische und unbequeme Meinungen Gehör finden müssen. Sie hinterfragt, gerade als Journalistin, den herrschenden Zeitgeist, der offenbar nur eine Richtung zuzulassen scheint. Und sie verdeutlicht, warum manche Meinungen laut und andere leise sind, warum Konservative im Journalismus Mangelware sind, weshalb sich Journalisten für besonders mutig halten, um trotzdem lieber mit dem Strom zu schwimmen. Und sie dokumentiert, wie ein Berufsstand, der Neutralität predigt, immer stärker polarisiert.«

Julia Ruhs über sich:

«Ich hatte immer ganz normale Meinungen – bis ich Journalistin wurde. Plötzlich war ich die Exotin. In der ARD öffentlich gegen das Gendern sein? In den Tagesthemen vor zu viel Zuwanderung warnen? Zack, schon war der linke Shitstorm da. Weil ich angeblich so ‚rechts‘ bin. Dabei denke ich wie viele Menschen in diesem Land. Nur offenbar nicht wie die Journalistenwelt.«

Julia Ruhs praktiziert eine sachliche unaufgeregte Analyse und lässt widerstreitende Meinungen zu Wort kommen, die anderswo unter den Tisch fallen oder als AfD-Sprech verteufelt werden

Julia Ruhs analysiert den statt habenden Journalismus akribisch und sachlich. Sie beklagt den sich verengt habenden Meinungskorridor sowie das oft belehrend daherkommende im Journalismus. Passend hierzu eine in der DDR sozialisierte Dame, die mit Julia Ruhs telefonierte und ihr sagte: „Es wird uns aufgezwungen, was wir zu denken, zu reden, zu essen, zu tun haben.“

«Man werde dauerberieselt, von wegen „die AfD ist scheiße, das sind alles Nazis, ihr solltet alle gendern.“ Und sie fügte dann trotzig hinzu:

„Aber wir lassen uns nicht irgendein Gedankengut überstülpen! So tickt der Osten. Wir haben viel mehr diese

Antennen, was wirklich um uns herum passiert.“ (S.22)

Diese Antennen haben die Menschen im Osten der Republik in Jahrzehnten entwickelt. Sie sind fein abgestimmt auf das, was sie empfangen und regieren sensibel.

Bezüglich des angeblichen Klimawandels, Geschlechterdebatte und bezüglich der Migration. Und Julia Ruhs belegt das mit zahlreichen Zuschriften aus dem Publikum. Sie bemerkte, dass in Ostdeutschland die Menschen oft sensibler und dementsprechend kritischer reagieren. Auch weil sie es lernten zwischen den Zeilen zu lesen. Kein Wunder: Denn sie haben jahrzehntelang unter vielfältiger Agitation eines Sozialismus, der m.E. keiner war, gelebt. Besonders über Zeitungen Rundfunk und Fernsehen. Weshalb DDR-Bürger nicht selten auf Westkanäle umschalteten. In der Realität jedoch sah vieles ganz anders, als DDR-Medien es verkündeten und trüber auf. Diesen Menschen kann auch der Westen kaum etwas vormachen. Und so wenden sie sich ab und immer öfter gehen sie auch nicht mehr wählen oder wählen AfD in der Hoffnung, so könnte sich etwas verändern. Den anderen Parteien vertrauen sie nicht mehr. Die Enttäuschung ist im Allgemeinen groß führt eben auch zu einem Vertrauensverlust betreffs der Medien und dazu, dass Journalisten zum Feindbild werden. (S.20) Viele Menschen wendete sich auch Russia Today (RT Deutsch) zu. Für die, wenn man so sagen will, so etwas wie früher das Westfernsehen: ein Korrektiv. Deutschland aber erdreistete sich RT zu verbieten. Allerdings ist es für findige Menschen – über Umwege – trotzdem noch zu erreichen.

Und in der Nachrichtensendungen „Tagesschau“ und „heute“ gibt es kaum noch wirkliche Nachrichten, die nämlich dazu da sind, dass sich anhand dessen die Zuschauer sich eine eigene Meinung bilden können. Stattdessen wird in die Ohren der Menschen hineingetrötet, wie sie gefälligst zu denken haben.

Julia Ruhs dürfte sich betreffs journalistischer Arbeit dem alten lateinischen Rechtsgrundsatz audiatur et altera pars verpflichtet sehen, der wörtlich übersetzt bedeutet: „Es soll auch die andere Seite gehört werden.” 

Drei m.E. fragwürdige Zeitgenossen

Dass der ehemalig ZDF-Mann Claus Kleber in Sachen Meinungskorridor mal etwas Richtiges anmerkte, wenn er sagt, dieser sei mal größer gewesen, hätte ich an Julia Ruhs Stelle nicht so prominent erwähnt. Wie wir wissen, ist Claus Kleber Mitglied der Atlantikbrücke und tickt dementsprechend. Klar, ihm brauchte in der Tat niemand aus der Regierung sagen, was er wie aufs Tapet zu bringen hat. Es ist glaubhaft, was er einmal beteuerte. Als Atlantikbrücke-Mitglied hat er das eh verinnerlicht. (S.34)

Ruhs schreibt: «Selbst der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier stellte bei einer Medienpreis-Verleihung in Hamburg schon im Herbst 2014 fest: „Vielfalt ist einer der Schlüssel für die Akzeptanz von Medien. Die Leser müssen das Gefühl haben, dass sie nicht einer einzelnen Meinung ausgesetzt sind.“ (S.34/35) Gut gebrüllt, Herr Steinmeier! Er ist einer größten Spalter hierzulande. Zur Erinnerung: Einer seiner Vorgänger (meines Einschätzung nach der letzte gute Bundespräsident), Johannes Rau, hatte folgendes Credo: „Versöhnen statt Spalten.“ Ebenso hätte ich Herrn Steinmeier nicht positiv hervorgehoben.

Selbst der stets eloquent wie pastoral daherredende Joachim Gauck (das SPD-Urgestein Albrecht Müller nannte ihn «Der falsche Präsident«) kommt bei Jula Ruhs zu Ehren:

«Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hat es einmal wunderbar treffend ausgedrückt: In einer vielfältigen

Gesellschaft könne es nicht nur harmonisch zugehen, sagte er. Streit sei der Lebenshauch einer lebendigen Demokratie – die Suche nach einem Konsens sei das Einatmen, der Streit das Ausatmen. Ein schönes Bild, oder? Deutschland braucht dringend wieder dieses tiefe Ein- und Ausatmen. Denn wenn wir zu oft die Luft anhalten, wächst bei manch einem der Zweifel, ob wir überhaupt noch in einer echten Demokratie leben.« (S.37) Gab es die denn je, möchte ich ketzerisch fragen.

Da stockt mir doch der Atem! Leute, haltet öfters die Luft an!

Apropos Zweifel: Karl Marx postulierte: „An allem ist zu zweifeln“

Man sehe mir meine kleine Meckerei nach.

Links-grünen Meinungsmacht. Julia Ruhs arbeitet das gut heraus und begründet so die Wahl ihres Buchtitels

Dass wir es mit einer „Links-grünen Meinungsmacht“ zu tun haben dämmerte selbst mir erst relativ spät. Julia Ruhs arbeitet das gut heraus und macht das an Beispielen fest.

Journalisten kommen oft aus gut situierten Akademiker – Haushalten

Dass es so ist, ist gewiss auch damit erklärlich, wenn man sich einmal informiert, woher künftige Journalisten meist kommen. Nämlich nicht selten aus Akademiker-Haushalten. Die obendrein durchaus links-grün eingestellt sind. Und die in der Regel auch gut situiert sind. Denn Praktika und auch Journalistenschulen kosten schließlich und sind meist außerhalb der Heimatorte. Oft sind auch dort die Mieten für Studenten nicht von Pappe. Wenige Eltern können ihre Sprösslinge entsprechend finanziell unterstützen.

Bei einer anderen Rezension zu einem Buch des Journalisten Patrik Baab fiel mir der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow ein. Auch er ist Journalist geworden. Er stammt aus keinem Akademiker – Haushalt. Die Familie lebte in einem Dortmunder Problemviertel. Ich zitiere aus dieser Rezension betreffs Bülow: «Das ist auch eine Geschichte für sich. Sie stammen oft aus Akademiker- oder sonst wie gut situierten Haushalten. Sie wohnen in Stadtvierteln, in welchen Menschen mit gleichem Hintergrund bevorzugt leben. Sie besuchen die gleichen Szenekneipen. Die rezipieren die gleichen Medien. Übrigens sagt dies der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow aus Dortmund, selbst gelernter Journalist auch von den über die Jahre frisch in den Bundestag gewählten Abgeordneten: „Als Bülow in den Bundestag kam, waren selbst allein in der SPD-Fraktion fast alle Akademiker gewesen. Doch ihre Eltern und Umfeld waren es nicht. Heute sehe es anders aus. Man kenne Probleme von Kindern aus Nichtakademikerfamilien überhaupt nicht, komme ja mit ihnen nicht in Berührung.« (Link zur Rezension des Baab-Buches, welches ich allen Journalisten nur ans Herz legen kann.)

Und gelinge dann Journalisten aus Nichtakademikerfamilien der Sprung in eine Redaktion, fehle ihnen der nötige Stallgeruch, liest man.

Als ein großes Problem empfindet Julia Ruhs den Haltungsjournalismus. Fast alle Redaktionen in den Medien hat er durchdrungen. Kritik am Haltungsjournalismus soll freilich nicht heißen, man solle keine Haltung haben. Wie wir alle wissen, hat jeder Mensch eine bestimmte Haltung. Heutzutage heißt Haltungsjournalismus, dass man als Journalist fürs Gendern, den Klimaschutz und die hundertprozentige Akzeptanz der Klimawandel-Theorie einstehen muss. Fraglos auch in der LGBTQ- und Geschlechterdebatte die „richtige“ Meinung haben muss. Jula Ruhs zitiert jemanden, der sagt Links und Rechts gebe es nicht mehr, sondern nur noch Gut oder Böse.

Unter Journalisten ist es eh verbreitet, dass man für das Gute eintreten möchte. Was verständlich ist. Man muss nur aufpassen, sich nicht zu vertun.

Diesbezüglich zitiert Julia Ruhs den einstigen Tagesthemen-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs zugeschriebenen Satz: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“

Julia Ruhs hat offenbar viel aus ihrer praktischen journalistischen Arbeit und obendrein aus den im Buch zitierten Mails, Zuschriften und Telefonaten mit Zuschauern mitgenommen und gelernt. Auch, wenn sie gesteht hin und wieder erzürnt über manches in der Medienwelt transportierte wütend sein kann, ist sie – was aus ihren Zeilen spricht – nicht pessimistisch. Nein, sie ist fest entschlossen, den Journalismus zusammen mit sich hoffentlich finden lassenden Mitstreitern wieder zu einem Journalismus zu machen, wie er eigentlich gedacht war. Was u.a. nur damit geht sich für mehr hohe Meinungsvielfalt einzusetzen und denn verengten Meinungskorridor wieder aufzustemmen, damit auch wieder Meinungen und Informationen sicht- und hörbar werden, die die Mächtigen allzu gerne verbergen möchte, weil sie ganz offenbar deren Kreise und Machenschaften stören. Dies muss auch für Meinungen und politische Ansichten gelten, denen man als Journalist nicht unbedingt zustimmt. Getreu dem lateinischen Rechtsgrundsatz audiatur et altera pars.

Aus dem Nachwort zum Buch

Zu den Nachrichten, welche sie von Zuschauern und Lesern erhält, hält Julia Ruhs im Nachwort zu ihrem Buch fest:

«Diese Nachrichten haben mir immer

wieder gezeigt, wie aufmerksam die Menschen sind. Wie

gut sie Zusammenhänge erkennen. Und dass wir Journalisten

uns ja nicht anmaßen sollten, zu glauben, wir lebten

intellektuell in höheren Sphären.

Doch ihre Nachrichten zeigen mir auch etwas anderes:

Frust. Enttäuschung über die Berichterstattung. Das

Gefühl, nicht gehört oder gar bewusst missverstanden zu

werden. Viele wenden sich ab, suchen Zuflucht bei alternativen

Medien und Social Media Accounts – und blicken

dann oft noch feindseliger auf die „etablierten Medien“.

Und auf meinen Arbeitgeber, den öffentlich-rechtlichen

Rundfunk.

Ich bin überzeugt: Wenn klassische Medien wieder für alle da sind, alle Stimmen abbilden, Empathie auch für jene

zeigen, deren Meinung und Wahlentscheidung sie nicht

teilen, würde dies das gesellschaftliche Klima verändern.

Dann würde der Ton weniger unerbittlich, der Diskurs offener.

Wir brauchen wieder einen Debattenraum, in dem

niemand aus Angst vor Konsequenzen schweigt oder sich

in eine Nische zurückzieht.

Für alle da zu sein, kann auch bewirken, dass wir Vertrauen

in Medien zurückholen, gesellschaftliche Spaltung

überwinden. Und dieses Vertrauen brauchen wir dringend.

Denn mit einer Flut an Falschinformationen, Deepfakes also täuschend echten KI-generierten Bildern und Videos

– was bleibt uns dann in Zukunft noch, außer dem

Vertrauen der Menschen?« […]

Und schließt sie ab:

[…] «Aber dabei sollten alle Seiten fair bleiben. Journalisten

haben sich nicht verschworen, um zu lügen. Ich habe noch

keinen getroffen, der bewusst Lügen oder Regierungspropaganda

verbreitet. Genauso wenig sollten wir anderen unterstellen,

sie seien dumm, nur weil sie zu anderen Schlüssen

kommen. Jede politische Meinung, die auf dem Boden

des Grundgesetzes steht, hat ihre Berechtigung. Wer ausgrenzt,

treibt Menschen erst recht in die Radikalität.

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die Streit nicht

als Bedrohung sieht. Sondern als etwas Notwendiges. Als

Fortschritt. Denn offene, kontroverse Debatten sind kein

Risiko für die Demokratie – sie sind ihr Motor.«

Gern und mit großem Interesse gelesen. Ein wichtiges Buch in schwierigen Zeiten. Höchst informativ und verständlich zu rezipieren. Julia Ruhs ist zu danken, dass sie es geschrieben hat. Mögen es viele Menschen zur Kenntnis nehmen. Unbedingt auch die Kolleginnen und Kollegen der Journalistenzunft! Lassen wir nicht zu, dass der Journalismus kaputt bleibt. Haben wir Mut, ihm wieder aufzuhelfen. Im Interesse von uns allen. Denn bedenkt: Der Hut brennt! Die Spaltung der Gesellschaft ist jetzt schon bedenklich.

Das Buch

Julia Ruhs

„Links-grüne Meinungsmacht“

Herausgeber ‏ : ‎ Langen-Müller
    Erscheinungstermin ‏ : ‎ 18. August 2025
    Auflage ‏ : ‎ 1.
    Sprache ‏ : ‎ Deutsch
    Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 208 Seiten
    ISBN-10 ‏ : ‎ 3784437494
    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3784437491
    Abmessungen ‏ : ‎ 13.7 x 1.8 x 21.5 cm
    20 Euro

Anbei:

„Der längste Krieg“ von Emran Feroz. Rezension

Die Taliban sind zurück an der Macht in Afghanistan. Wunderblumen unter bestimmten Politikern und Journalisten geben sich nun völlig überrascht. Entweder verstellen sie sich gut (nur eine üble Eigenschaft von Politikern) oder sind so naiv, dass sie das tatsächlich glauben (können). Und die üblichen Verdächtigen unter den Mainstream-Journalisten müssen (wenn sie wirklich nicht schlauer sind) sich mit wundern. Mitgehangen mit gefangen. Oder müssen sie dran glauben? Vielleicht auch das. Derweil ist es so: Die in den vergangenen 20 Jahren herrschenden Politiker und die ihnen nach den Mund geredet habenden Journalisten (in den USA nennt man sie „Presstitutes“, zu deutsch: „Presstituierte“) haben uns betreffs der Begründung und hehren Ziele des Afghanistan-Krieges (der nebenbei bemerkt in Deutschland lange Zeit nicht einmal Krieg genannt werden durfte!) zwanzig Jahre von vorne bis hinten nach Strich und Faden belogen.

„Nichts ist gut in Afghanistan“, hat Margot Käßmann vor elf Jahren einmal gewagt zu sagen. Was hat man die Frau dafür geprügelt! Dabei hatte die Theologin recht. Wer halt von der offiziellen Linie abweicht, wird abgestraft. Gegenwärtig erleben wir so etwas in der Corona-Krise.

Am 11. September 2001 war Emran Feroz neun Jahre und lebte in seinem Geburtsort Innsbruck. Zwei Jahre zuvor hatten seine Eltern die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. An diesem bezeichnenden Tag wartet der Junge auf seinen geliebten Zeichentrickfilm. Stattdessen flimmerten die Bilder von den zwei Türmen des World Trade Center über den Bildschirm.

Anmerkung meinerseits: Dass am selben Tag auch das Gebäude WTC 7 einstürzte haben viele Menschen bis heute noch gar nicht realisiert. Angeblich durch einen Brand. Keines der Terror-Flugzeuge flog jedoch in dieses Gebäude. Inzwischen weiß man dank einer Untersuchung der Universität Alaska, dass der Brand nicht die Ursache für den Einsturz sein kann. Hier ein Artikel des Magazins Blauer Bote.

Quasi von Stund an änderte sich das Leben vieler Menschen: namentlich das von Muslimen. Auch der Junge Emran bekam das zu spüren. Plötzlich galt er in der Schule als „der Afghane“. Eine Lehrerin fragte ihn, warum Osama bin Laden das gemacht habe. Emran konnte nur antworten, das Osama bin Laden doch gar kein Afghane sei.

Das Bombardieren Afghanistans fanden plötzlich viele gut. Islamfeindlichkeit kam auf. Kaum einer stellte diese Angriffe infrage. Jahre später behauptete Claus Kleber, die Afghanen hätten sich über diese Angriffe gefreut. Was so nicht stimmte. Viele Afghanen begrüßten den Fall der Taliban, sie rasierten sich die von ihnen vorgeschriebenen Bärte ab und Frauen entledigten sich der Burka. Der ZDF-Korrespondent Uli Gack entblödete damals sich nicht, von Kairo aus zu befinden, „viele Afghanen“ würden ein noch härteres Vorgehen begrüßen.

Derjenige, der dies für uns aufgeschrieben hat, ist der austro-afghanische Journalist Emran Feroz. Das Halbwissen von Journalisten wie Claus Kleber und Uli Gack haben ihn dazu gebracht selbst Kriegsreporter zu werden und zur Schreibfeder zu greifen. Die Berichterstattung, schreibt Feroz, sei damals geprägt gewesen von rassistischen und orientalistischen Stereotypen.

Ursprünglich hatte Emran Feroz, der im Frühling diesen Jahres noch einmal in Afghanistan gewesen war, sein heute erschienenes Buch anlässlich des zwanzigsten Jahrestages von 9/11 angefangen zu schreiben. Nun aber übereilten sich die Ereignisse in Kabul. Und der Westend Verlag entschied sich Buch früher als geplant herauszubringen. Es trägt den Titel „Der längste Krieg“. Dieser längste Krieg der USA begann am 7.Oktober 2001. Wir wissen inzwischen, dass die Kriegsgründe vorgeschoben waren. Dass sogar Pläne für diesen Krieg bereits vor 9/11 in der Schublade lagen, war zu lesen. Allerdings nicht im hier zu besprechenden Buch.

Der Westen sei, so Feroz, letztlich an seinen eigenen „Werten“ gescheitert und habe die eigene Rechtsstaatlichkeit beschädigt. Man denke nur an Guantánamo, die geheimen schwarzen Gefängnisse in Vasallenstaaten der USA, die Rendition-Flüge (Verschleppungsflüge) der CIA und die Anwendung der Folter sowie die besonders von Friedensnobelpreisträger Obama forcierten Drohnenmorde Washingtons (dazu hat übrigens Emran Feroz das interessante Buch „Tod per Knopfdruck“ veröffentlicht). Der sogenannte „War on Terror“ mache deutlich in welch dystopischer Verfassung der Westen bereits lebt. Man belog sich selbst und die eigenen Bürger. Bitter müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass durchaus vor 20 Jahrzehnte von den Taliban offerierte Friedensangebot abgelehnt worden warn. Und zwei Jahrzehnte und viele Tote später doch schließlich mit ihnen in Doha verhandelt wurde.

Berichten zufolge wollten die USA zunächst den Irak angreifen. Dann entschieden sich jedoch um. Und zogen den Krieg gegen Afghanistan vor. Dazu lesen Sie bitte bei Michael Lüders:

„Als hätte es jemals eine Militärintervention aus humanitären Erwägungen gegeben! Der Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon war für die damalige US-Regierung unter George W. Bush der Auftakt für ein lange geplantes Projekt, unliebsame Regime in Nah- und Mittelost zu beseitigen. Am liebsten hätte die Bush-Entourage als erstes den Irak angegriffen. Es war Außenminister Colin Powell, der aus Gründen der Dramaturgie empfahl, zunächst die Taliban zu stürzen, danach erst Saddam Hussein. So geschah es, obwohl 15 der 19 Attentäter vom 11. September aus Saudi-Arabien stammten. Den engen Verbündeten zu bombardieren erschien aber abwegig. Also nahm man die Taliban ins Visier, die Osama bin Laden Unterkunft gewährt hatten. Mit Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, die stets zur Begründung für US-geführte Kriege in der islamischen Welt herangezogen werden, hatte das nichts zu tun.“ (Quelle: Lebenshaus Schwäbische Alb) Lüders im Untertitel zu seinem Beitrag „Afghanistan: Besatzer, nicht Befreier“: „20 Jahre diente Deutschland den USA als Hilfssheriff – ohne irgendeinen Plan. Die Folgen zeigen sich jetzt.“

Um die uns verklickerten Ziele des Afghanistan-Krieges ging es offenbar nie. RT Deutsch-Reporter Warweg zitierte kürzlich US-Präsident Joe Biden:

„Unsere Mission in Afghanistan war nie dazu gedacht, eine Nation aufzubauen oder eine einheitliche, zentralisierte Demokratie zu schaffen. Unser einziges vitales nationales Interesse in Afghanistan ist und bleibt die Verhinderung terroristischer Angriffe auf das [US-]amerikanische Heimatland.“ Quelle: RT Deutsch

Zwar beherbergten die Taliban damals Bin Laden und seine Leute. Und als die USA die Auslieferung Bin Ladens von ihnen forderten, verlangten die Taliban Nachweise für dessen Täterschaft. Gesetzt den Fall, Washington liefere diese, wollten sie Bin Laden an die USA übergeben. Emran Feroz schreibt, die Taliban wollten Bin Laden ohnehin gern loswerden, den sie nicht eingeladen hatten. Das hatte nämlich Abdul Rab Rasoul Sayyaf getan. Ironischerweise, stellt Feroz fest, beharrten ausgerechnet die Taliban auf Rechtsstaatlichkeit. Ausgerechnet die USA pfiffen aber darauf. Denn sie wollten Krieg.

„Ich möchte Bin Ladens Kopf in einer mit Trockeneis gefüllten Kiste. Ich möchte dem Präsidenten Bin Ladens Kopf zeigen“, hieß es damals seitens des Leiters der Anti-Terrorabteilung der CIA, Cofer Black.

Emran Feroz erinnert uns daran, dass selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder den Krieg gegen den Terror ohne Murren goutierte. Und: „Joschka Fischer sehnte den Krieg herbei, schwadronierte von einem ‚Kampf gegen das Böse‘.

Der Westend Verlag rekurriert auf die einstige Feststellung von Margot Käßmann und schreibt: Nichts ist gut am Hindukusch

Mit der Operation Enduring Freedom begann am 7. Oktober 2001 der „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan, der bis heute zum längsten Krieg der USA und ihrer Verbündeten geworden ist, mit Tausenden Toten und Verletzen, auch unter den deutschen Soldaten. Dieser neokoloniale „Kreuzzug“ hat Wunden hinterlassen, die womöglich niemals heilen werden. Emran Feroz beschreibt zum 20. Jahrestag diesen Krieg nun erstmals aus afghanischer Perspektive. Er hat mit vielen Menschen vor Ort gesprochen: von Hamid Karzai über Taliban-Offizielle bis zu betroffenen Bürgern, die vor allem unter diesem Krieg gelitten haben.

Emran Feroz lässt die wichtigsten Ereignisse noch einmal Revue passieren. Dabei erfahren wir auch viele über Afghanistan, sein Kultur, seine Menschen, die Warlords, die Stammesgesellschaft und vieles andere mehr. Was für alle Leserinnen und Leser von Interesse ist. Auch wird er Aufstieg des späteren afghanischen Präsidenten Hamid Karzai nachgezeichnet. Wirklich etwas wissen über Afghanistan tun ja viele Menschen hierzulande nicht. Und dass, was sie erfahren haben, wurde ihnen durch verschiedene Brillen gesehen und von westlichen Interessen geprägt erzählt. Emran Feroz berichtet seit einem Jahrzehnt aus Afghanistan. Nie sei er dabei abgesichert gewesen wie andere westliche Journalisten.

Mir persönlich wurde das bitterarme Afghanistan erst einigermaßen bewusster, als die Sowjetunion dort einmarschierte. Und kurze Zeit später durch meinen Freund Farid, der mit seiner Frau damals in die DDR gekommen war, um zu studieren. Er brach aber bald sein Studium ab und machte an dem Theater, an welchem ich zu dieser Zeit arbeitete, mit unserer großen solidarischen Unterstützung, dort seinen Abschluss als Beleuchtungsmeister. Durch Begegnungen mit dessen Kommilitonen lernte ich afghanisches Essen, afghanische Musik und vieles andere mehr kennen. Ein Bildband brachte uns die landschaftlichen Schönheiten dieses gebeutelten Landes deutlich.

Was Emran Feroz bewegte hatte, seien die Nachrichten über einen greisen Afghanen gewesen, welcher von US-Soldaten sexuell missbraucht worden war. Was sicher für jeden Menschen furchtbar sein muss, aber erst recht für Muslime, für die Nacktheit ohnehin ein Tabu ist. Dazu Emran Feroz: Die Invasoren, die Befreier sein wollten, wurden selbst zu Barbaren. Nie sind westliche Soldaten, die sich durch bestialische Handlungen oder ansonsten brutales Auftreten in Afghanistan ihren Verbrechen entsprechend bestraft worden.

Der Autor schreibt, Afghanistan gelten als „Friedhof der Supermächte“. Andere nennen es „Friedhof der Imperien“. Denn bekanntlich sind alle Mächte, die in Afghanistan einfielen bitter gescheitert: Alexander der Große, die Briten, Sowjetunion und nun die NATO.

Präzisierend befindet Emran Feroz: Das Land sei „der Friedhof der Afghanen“.

Jeder von den Invasoren getöte afghanische Mensch wurde zu deren Feind. Es sei schließlich zum „Blowback“ gekommen. Als Blowback (englisch für Rückstoß) wird in der Fachsprache der Geheimdienste ursprünglich der unbeabsichtigte Effekt bezeichnet, bei dem inoffizielle außenpolitische Aktivitäten oder verdeckte Operationen später negativ auf deren Ursprungsland (hier der Invasoren) zurückfallen.

Was mich im Buch einigermaßen überrascht hat, ist, dass dessen Autor folgende bislang eigentlich feststehende Ansicht entscheidend abschwächt: Die Invasion der Sowjetunion am ersten Weihnachtstag 1979, die mit der Einnahme des Kabuler Flughafens begonnen hatte, veranlasste Zbigniew Brzeziński, dem US-Sicherheitsberater mehrere US-Präsidenten, dem seinerzeitigen US-Präsidenten Jimmy Carter, dass die USA jetzt „die Gelegenheit haben, den Sowjets ihr Vietnam zu bescheren“. Die sogenannte „afghanische Falle“. Was ja schlussendlich auch so funktionierte. Da wurde eigentlich schon das Ende der Sowjetunion besiegelt.

Feroz führt allerdings aus: Agenten Moskaus stürzten Afghanistan ins Unglück. Auf Anraten Zbigniew Brzezińskis habe US-Präsident Carter Mudschahidin mit 30 Millionen Dollar unterstützt. Mit der „afghanische Falle“ habe dies allerdings wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Auch sowjetische Gräueltaten benennt Feroz.

Ebenso vergisst Feroz den deutschen Schandfleck Kunduz nicht zu erwähnen. Aus in einem Flussbett nahe Kunduz steckengebliebenen Tankfahrzeugen hatten Afghanen Treibstoff abgezapft. Der deutsche Oberst Klein hegte die Befürchtung, die Tankwagen könnten als „rollende Bomben“ benutzt werden. Dabei waren steckten sie ja fest und konnten überhaupt nirgendwo hinrollen! Klein wies die US-Airforce an, die Tankfahrzeuge zu bombardieren. Die US-Piloten versuchten zunächst die Menschen durch Tieflüge über deren Köpfen hinweg zu verscheuchen. Klein blieb dabei: Bombardieren! Die US-Piloten fragten ausdrücklich noch einmal nach. Klein blieb dabei. Bei dem von der Bundeswehr befohlenen Bombenangriff nahe der afghanischen Stadt Kundus waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden.

Die juristische Aufarbeitung des Falles ist bis heute unbefriedigend. Der für den Angriff verantwortliche Ober Klein wurde nicht bestraft, sondern noch befördert! „Georg Valentin Klein ist Brigadegeneral des Heeres der Bundeswehr und seit dem 1. April 2021 Abteilungsleiter Einsatz im Kommando Streitkräftebasis auf der Hardthöhe in Bonn.“ (Quelle: Wikipedia)

Der Anwalt der Opfer, Karim Popal, hingegen wurde angegriffen und diffamiert. Wie sagen die Österreicher: So rennt das!

Die „Afghanistan-Papers“ (hier und hier) hätten, so Emran Feroz, keine Geheimnis offenbart. Die US-Amerikaner waren jahrelang über die angeblichen „Erfolge“ des Afghanistan-Krieges belogen worden.

Emran Feroz meint, die Taliban hätten letztens hauptsächlich obsiegt, weil sie nach der Devise handelten, „Ihr habt die Uhren, doch wir haben die Zeit“ (S.214). Westliche Beobachter hätten dieses „afghanische Sprichwort“ in letzter Zeit immer wieder den Taliban zugeschrieben.

Ich hatte das Sprichwort bislang immer für afrikanisches gehalten. Aber ist wohl verbreiteter als man denkt. „Die Zeit für die westlichen Truppen ist allem Anschein nach abgelaufen“, meint Feroz im Kapitel „Quo vadis, Afghanistan?“.

Der Autor stellt fest oder hofft?: „Der innerafghanische Frieden hat schon längst begonnen.“ (S.216) Ein Afghane wird mit diesen Worten zitiert: Nur mit Worten nicht mit Waffen kann es gelingen.

Feroz schließt (S.216): „Der Dialog, Aussöhnung sowie die Aufarbeitung der Kriegsgräuel würden eben Machtpositionen ebenjener Akteure in Frage stellen und womöglich dazu führen, dass sie aufgrund ihrer Taten zur Rechenschaft gezogen werden – dann aber, hoffentlich (!), von einem unabhängigen afghanischen Gerichtshof, der zur Freiheitsstrafe und nicht zur Folterkammer.“

In „Der längste Krieg“ lassen sich all meine Einschätzungen, Recherchen und Analysen zur Lage in Afghanistan, auf die ich in zahlreichen Interviews und Texten in den letzten Tagen eingegangen bin, ausführlich und detailliert finden. Leider trat praktisch alles ein, was ich vorhergesagt hatte. Dass das Buch zu solch einer traurigen und deprimierenden Zeit erscheint, war nicht meine Absicht. Mein Fokus lag ausschließlich auf den 20. Jahrestag der Anschläge des 11. Septembers und der darauffolgenden US-Invasion. Ich hoffe dennoch, dass es zu mehr Verständnis führt. Quelle: Emran Feroz auf Facebook am 21.08.2021

Dass Feroz‘ Vorhersagen praktisch alle eintrafen, lässt an seinerzeitige Äußerungen denken, die der große Peter Scholl-Latour (er fehlt so!) warnend und voraussehend getan hatte: nämlich betreffs des ziemlich sicheren Scheiterns des Afghanistan-Krieges. Was nahezu auf Punkt und Komma eintrat.

Freilich ist Emran Feroz noch kein Peter Scholl-Latour, aber er kommt ihm von Buch zu Buch und je mehr Erfahrungen er macht, gewiss über die Jahre immer näher. Ihn zeichnet aus, dass er als Journalist seriös an seine Recherchen vor Ort sowie mit Kenntnis des jeweiligen geografischen Gebietes aus eigener Anschauung sowie der Kultur herangeht und somit nicht durch Halbwissen zu glänzen versuchen muss wie andere, oder Papageienjournalismus betreibt, wie Journalisten vom Schlage eines Claus Kleber, dem die Zugehörigkeit zur Atlantik-Brücke und damit verbundene Ideologie geradezu aus allen Poren tritt.

Ein Buch, dass ich meinen verehrten Leserinnen und Lesern – auch und gerade angesichts der jüngsten Entwicklungen in Afghanistan – unbedingt ans Herz legen möchte.

Emran Feroz

Der längste Krieg

20 Jahre War on Terror

Seitenzahl:224
Ausstattung:Klappenbroschur
Artikelnummer:9783864893285
  • Buch
  • 18,00 Euro

www.buchkomplizen.de.

Anbei gegeben via Weltnetz.TV

Eckart Spoo beim „NachDenkTreff“: Nicht das Recht auf Informationen nehmen lassen

Eckart Spoo stellt sich nach seinem Referat den Fragen des Publikums; Foto: C.- D. Stille

Eckart Spoo stellt sich nach seinem Referat den Fragen des Publikums; Foto: C.- D. Stille

Egon Bahr schockierte, in dem er vor Schülern ausführte:

„Ich, ein alter Mann, sage euch, dass wir in einer Vorkriegszeit leben.“

Vorkriegszeiten sind zugleich immer auch Hochzeiten der Propaganda. Hier die Guten. Da die Schlechten. Nehmen wir nur den Ukraine-Konflikt: Der Westen ist der Gute. Die Russe, speziell Putin ist der Böse. „Die öffentlich-rechtlichen Anstalten erhalten von uns Milliardenbeträge (siebeneinhalb Milliarden im Jahr), damit
sie uns zutreffend und umfassend informieren. Aber die Informationen, die sie uns aus der Ukraine liefern, sind einseitig, parteiisch, unwahr oder halb wahr, was noch gefährlicher ist“, kritisiert Eckart Spoo.

Zur Person

Der in Berlin lebende Eckart Spoo war früher Redakteur der Frankfurter Rundschau und Vorsitzender der Deutschen Journalisten-Union. Laut Wikipedia 1972 hatte ihn FR-Herausgeber Karl Gerold 1972 entlassen, Spoo klagte erfolgreich auf seine Wiedereinstellung.[1]

1997 schied er aus der Redaktion der FR aus und gründete gemeinsam mit anderen Journalisten

die Zeitschrift Ossietzky, welche er gemeinsam mit anderen Journalisten heraus gibt.

NachDenkTreff

Gestern hielt Spoo unter dem Titel „Aufklärung und Propaganda in neuen Vorkriegszeiten – Die Rolle der Medien im Ukraine-Konflik t und im neuen Wirtschaftskrieg gegen Russland“ ein Referat in den Räumen der Auslandsgesellschaft Dortmund. Es war eine Veranstaltung von NachDenkTreff und Attac Dortmund sowie dem Fachbereich 8 (Medien) von
ver.di . Der Raum war bis auf den letzten Platz voll besetzt.

Einseitige, parteiische unwahr oder halbwahre Informationen

„Die Informationen, die uns die öffentlich-rechtlichen Anstalten aus der Ukraine liefern“ findet Spoo, „sind einseitig, parteiisch, unwahr oder halbwahr, was noch gefährlicher ist.“ Betreffs der Presse, selbst der so genannten „Qualitätsmedien“, sieht es – nimmt man einmal das „Handelsblatt und die kritischen Artikel von Gabor Steingart aus – nicht besser aus.

Seine Kritik gipfelt in der Sorge, dass das Versagen der Medien letztlich die Demokratie gefährdet, wenn sie anstatt zutreffend und umfassend zu berichten, kritiklos Kriegspropaganda der Bundesregierung und der NATO übernähmen. Mit Blick auf die jüngere Vergangenheit seien der Bombenkrieg der NATO gegen Jugoslawien und später im Irak und in Afghanistan, warnende Beispiele.

Ossietzys und Tucholskys Worte sind aktuell geblieben

Unter dem Titel der Zeitschrift Ossietzky sind dessen Worte zu lesen:

„Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte. Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert.« (Carl von Ossietzky in der Weltbühne vom 8. Dezember 1931)

Nichts ist anders heute. Nichts ist gut. Womit wir wieder beim Ukraine-Konflikt wären.

Leider sind Ossietzky Worte ebenso aktuell geblieben, wie die Kurt Tucholskys;

„Kaufen, was einem die Kartelle vorwerfen; lesen, was einem die Zensoren erlauben; glauben, was einem die Kirche und Partei gebieten. Beinkleider werden zur Zeit mittelweit getragen. Freiheit gar nicht.“

Die Guten und die Bösen

Gleichfalls wie diese Worte stimmig geblieben sind, wird in weiten Teilen der Presse auf alte Muster zurückgegriffen. Mit Blick auf den Ukraine-Konflikt heißt das, so Spoo, was etwa die westlichen Medien tun, werde unter dem Stempel „Aufklärung“ verkauft, was die „Gegenseite, die anderen, die Bösen betreiben – ist  böse Propaganda.“ Soll heißen: „Die wir Putin keinesfalls glauben dürfen. Die politische Sprache ist voll von bösen Wörtern und Gegenwörtern.

Wer der einen Seite als Freiheitskämpfer gilt, gelte  der anderen als Terrorist. So schafft man vor allem durch häufiges Wiederholen ein  tiefsitzendes Freund- bzw. Feindbild.“

Das gelänge auch und gerade mit den Alltagsworten  „drohen“ und „warnen“. „Putin droht. Obama warnt. Täglich mindestens zwei bis dreimal wiederholt.“

Der Medienkonsument werde so entsprechend eingestimmt: Wer droht, von dem ist Böses zu erwarten. Wer warn,t gilt als Guter. Als Freund, dem man vertrauen kann.“

So solle „uns“ weisgemacht werden: „Der eine ist unser Feind. Der andere unser Freund.“

Eckart Spoo: „So einfach funktioniert einseitige, parteiische Meinungsbildung“ Mit Sprache werde Machtpolitik betrieben.

Missliebige russische Journalisten zu Propagandisten?

Der Referent wies auf einen Artikel in der „jungen Welt“ hin, worin darüber berichtet wurde, dass die EU ins Auge fasse, missliebigen russischen Journalisten die Einreise zu verbieten. „Das wäre ein Eingriff in die Pressefreiheit“, so Spoo. „Damit es nicht so aussieht werden diese Journalisten kurzerhand zu Propagandisten erklärt.“

Den Medienkonsumenten werde das als „notwendiger Schutz vor Propaganda“ verkauft. „Propaganda ist ja etwas Böses, das die Bösen uns antun.“

Schon vor hundert Jahren im Ersten Weltkrieg habe der Brite David Lloyd George gesagt, „wenn die Menschen wirklich wüssten, was vorgeht, wäre der Krieg am nächsten Tage zu Ende.“

Nicht blindgläubig in immer neue Kriege hineinziehen lassen

Mit Verweis auf dem der Zeitschrift Ossietzky vorangestelltem Zitat (siehe weiter oben) sagte Eckart Spoo, wenn wir nicht blindgläubig in immer neue Kriege hineingezogen werden wollten, müssten wir uns klarmachen, das wir z. B. „die Waffenindustrie und die mit ihr verbundenen Politiker nicht vertrauensvoll gewähren lassen dürfen“. Spoo zitiert Papst Franziskus:

„Damit das System (das kapitalistische; Eckart Spoo) fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden. Wie es die großen Imperien immer getan haben.“

In den meisten deutschen Medien zitiere man den Papst mit seinen Kapitalismuskritiken kaum mehr. Stattdessen bekämen wir fast tagtäglich „den Pfarrer außer Diensten, Joachim Gauck“ zu hören, „der den Deutschen die Tötungshemmungen nehmen will.“

Lügen und Verdrehungen

„Die beutegierige Canaille“ (Ossietzky) werde sich hüten, uns über ihre wahren Absichten in Kenntnis zu setzen. Und damit sie so weitermachen kann, damit der Krieg nicht schon einen Tag später vorbei sei, müssten die Leute halt mittels Propaganda gewissermaßen bei der Stange gehalten werden. Auch, indem sie „von Informationen der Gegenseite“ abgeschnitten werden. Spoo erinnerte daran, dass das „besonders drastisch in Nazideutschland“ geschehen sei. Das Lügen habe ja schon damit begonnen, dass es beim Kriegslostritt seitens Deutschlands aus Adolf Hitlers Mund geheißen habe,  „seit 5 Uhr 45“ würde „zurückgeschossen“. Spoo: „Das war glatt gelogen. Nicht einmal die Uhrzeit stimmte.“ In Wirklichkeit  sei es 4 Uhr 45 gewesen, als deutsche Schüsse auf die Westerplatte abgegeben wurden.

Hier sei es besonders auf „das Wörtchen zurück angekommen: „als hätte Polen den Krieg begonnen.

Solche Verdrehungen seien charakteristisch für Angriffskriege. Regelmäßig heiße es, man habe sich verteidigen müssen. Verfangen tue das nur, weil keine Informationen der Gegenseite zu den Menschen vordringen könne.

Hörverbot

Die Nazis beispielsweise hätten damals verboten ausländische Sender zu hören. Schwere Strafen drohten bei Verstößen gegen das Verbot.

Die Bevölkerung war auf „Pseudoinformationen, die die Machthaber ihr genehmigten, angewiesen.“

Einfach abgeschaltet

„Heute“, verwies Eckart Spoo auf die Praxis Kiews, „schalten sie einfach die Sender der Gegenseite ab.“

Man müsse inzwischen gar nicht mehr Sendeanlagen in Schutt und Asche zu legen, wie es die Nato mit Jugoslawien seinerzeit in Belgrad gemacht habe.

„Und es geht auch still und leise, wie es damals der deutsche Außenminister Joseph Fischer anstellte“: Nachdem die Fernsehzentrale in Belgrad zerstört wurde und 16 Menschen dabei ums Leben gekommen waren, gelang es den überlebenden Beschäftigten dennoch den Sendebetrieb aufrechtzuerhalten und Bilder zu zeigen, die alle Lügen der Nato-Aggressoren widerlegten. Wonach nur militärische Ziele bombardiert würden, und es sich bei den Opfern nur um einzelne Kollateralschäden handle.“ Schließlich sei das Jugoslawische Fernsehen auf deutsche Initiative von Eutelsat abgeschaltet worden.

Das „Kasseler Friedensforum“ habe damals bei Außenminister Fischer protestiert. „Die Antwort mit dem Absender ‚Auswärtiges Amt, Sonderstab Internationale Friedensbemühungen, westlicher Balkan‘ lautete, Zitat: „Vielen Dank für ihr o. g. Schreiben an Herrn Bundesminister Fischer, der gebeten wurde zu antworten. Ich teile Ihre Ansicht, dass die Gewährleistung objektiver Informationsmöglichkeiten eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem Kosovo Konflikt steht. Die Einstellung der Übertragung des staatlichen jugoslawischen Fernsehsenders RTS durch Eutelsat steht dem jedoch nicht entgegen. Dieser Sender dient ausschließlich den Propagandazwecken der jugoslawischen Regierung. Nicht aber der objektiven Information. Mit Blick auf die Information der serbischen Bevölkerung möchte ich Ihnen folgendes mitteilen …“ Es gäbe zahlreiche Informationsquellen für die serbische Bevölkerung. Genannt wurden z.B Deutsche Welle, Voice of Amerika, BBC, Radio Free Europe … [sic!]

Das Grundrecht auf Information nicht nehmen lassen

Eckart Spoo forderte, dass es nicht hinnehmbar sei, das Grundrecht auf Information zu beschneiden. Vor allem dann, wenn uns die eigne Obrigkeit Informationen vorenthalten will. Informationen der Gegenseite seien besonders wertvoll. Weil sie uns kritikfähig machten, Gegenüber der Propaganda unserer Umwelt. Ohne Informationen der Gegenseite könnten wir keine Urteilsfähigkeiten gewinnen. Und erlangten infolgedessen auch keine Entscheidungsfreiheit. Spoo erinnerte an eine alte Volksweisheit, wonach ein Richter dann nur gerecht urteilen kann, wenn er beide Seiten gehört hat. „Ein einseitig informiertes Volk kann seine politischen Rechte nicht sinnvoll wahrnehmen. Demokratische Entscheidungen können so nicht zustande kommen.“

Besonders in Kriegsvorbereitungs- Kriegszeiten sei das bedenklich. Schließlich könnten entsprechend umfassend informierte Menschen noch dem Krieg entgegenwirken.

Verächtlichmachung des Gegners

Als die Nato den Ukraine-Konflikt zuspitzte, sei plötzlich der Begriff „Putinversteher“ aufgetaucht. Dabei sei es eigentlich nur darum gegangen, Diejenigen verächtlich zu machen, die sich bemühten die russische Seite (etwa im Bezug auf das Handeln bezüglich der Krim), zu verstehen. Dabei hätten gerade Journalisten die Aufgabe, zu versuchen die andere Seite zu verstehen, statt diese einseitig zu dämonisieren.

Die Medien könnten zur Verständigung der beiden Seiten, zum Interessenausgleich, zum Frieden, beitragen.

Solche Bemühungen habe Spoo in den vergangenen Monaten kaum wahrgenommen.

Eckart Spoo ließ auch noch einmal die Entwicklung hin zu den westlichen Sanktionen gegen Russland Revue passieren. Schließlich sei diese Entwicklung mit der einseitigen (bis heute unbewiesenen) Schuldzuweisung, Russland sei für den Absturz des Fluges MH17 verantwortlich, aufgebaut worden.

Lügen mit Bildern

Spoo wies daraufhin, wie besonders auch Bilder dazu benutzt werden, die Hetze gegen Russland emotional anzuheizen. So wie mit dem  Bild  von einem Separatisten geschehen, der an der MH17-Absturzstelle anscheinend triumphierend einen Spielzeughasen hochhält – wozu er vom Fotografen aufgefordert worden war -, das wohl die Rücksichtslosigkeit der Separatisten belegen sollte. Dass dieser Mann hinterher den Hasen niederlegte, die Mütze absetzte und sich bekreuzigte, war freilich nicht gezeigt worden.

Spoo erinnerte ebenfalls daran, wie auch der WDR (um die angebliche Invasion der Russen in der Ukraine zu belegen) mit Bildern von russischen Panzern arbeitete, die nicht nur aus dem Jahre 2008 stammten und nicht einmal in der Ukraine, sondern im Kaukasus (!) aufgenommen worden waren. Ein Bild von einem abgeschossenen Hubschrauber war in Syrien und eben nicht – wie von der Tagesschau behauptet – der Ostukraine fotografiert worden.

Verschleiern, verschweigen und Lügen mit Worten

Auch mit Worten werde verschleiert. „Nachdem Truppen aus Westukraine wieder im Osten zugeschlagen hatten, sagte Claus Kleber, ZDF, ‚in diesem Gebiet brachen neue Kämpfe aus‘ – brachen aus.“

Nachdem Faschisten die kommunistischen Abgeordneten aus dem Kiewer Parlament herausgeprügelt hatte, habe dpa berichtet, dort sei es „zu tumultartigen Szenen unter Beteiligung der Kommunisten“[sic!] gekommen.

„Die Tagesschau berichtete, das Gewerkschaftshaus in Odessa sei in Brand geraten“ [sic!] Spoo ergänzend: „Nachdem Faschisten es in Brand gesetzt hatten.“ Nebenbei warf der Referent eine nicht unwichtige Frage ein: Wo blieb eigentlich die Entrüstung der DGB über die Vorgänge in Odessa?

„Das Hetzblatt Nummer 1, die Bild, verbreitete dann die freche Lüge des von niemandem gewählten Übergangsministerpräsidenten Jazenjuk, Moskau habe den Brand gelegt.“

Überdies werde die Rolle der ukrainischen Faschisten  „in der deutschen Ukraine-Berichterstattung systematisch verleugnet.“ Hakenkreuze, „oder Wolfsangelrunen  an der Uniform von antirussischen Kämpfern“ seien  „selten dokumentiert“,  Faschisten  „gebraucht“ worden, um den Protest auf dem Kiewer Maidan eine andere Richtung zu geben.

Auch die Tatsache, dass in der Ukraine von Heute der Nationalist und Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera wieder zum Held stilisiert wird, hinterfragten die tonangebenden deutschen Medien kaum kritisch.

Allenfalls kleinere Medien wie die „junge Welt, die „NachDenkSeiten“ und „Ossietzky“ hätten das schon längst thematisiert. Die große deutsche Leserschaft erfährt davon so gut wie nichts.

Überhaupt, meint Spoo, werde halt mit zweierlei Maß gemessen. Die Angliederung der Krim nach einem Volksentscheid an Russland werde vom Westen als Annexion (was mancher Völkerrechtler, so etwa Reinhard Merkel in der FAZ, nicht so, sondern als Sezession betrachte) und Verstoß gegen das Völkerrecht bezeichnet. Gegen die türkische Besetzung eines Teils Zyperns war dagegen seinerzeit keine Kritik im Westen zu hören gewesen. Ebenfalls nicht wider der Besetzung der Sahara durch Marokko. Kündige Obama dagegen die Bombardierung der IS auf syrischen Hoheitsgebiet an, höre man dagegen keinen Einwand. „Unter Freunden geht man eben über so etwas still und leise hinweg.“

Umwandlung“ der Ukraine, um Russland zu treffen?

Eckart Spoo regte an, darüber zu diskutieren, was die Sanktionen, die „Bestrafungspolitik“ gegenüber Russland eigentlich bezwecken sollten. „Wofür Russland, namentlich Putin eigentlich bestraft werden soll.“

Bei der Diskussion könne gewiss helfen, was man eingangs von Carl von Ossietzky und Papst Franziskus gehört habe, so Spoo.

Spoo erinnerte noch einmal an Ausführungen der US-Staatssekretärin Victoria Nuland („Fuck the EU“) von Anfang diesen Jahres, wonach die US-Regierung über einen längeren Zeitraum 5 Milliarden US-Dollar für den Regimechange in der Ukraine aufgewendet habe. Der Referent zitierte dazu Zbigniew Brzezinski, der schon 1997 betreffs der Ukraine von einem Schachbrett und der geostrategischen Bedeutung des Landes gesprochen habe. Die Ukraine könne zur „Umwandlung“ Russlands beitragen. Wohl haben die USA mit dieser „Umwandlung“ der Ukraine, die Zurückdrängung Russlands und letztlich Sibirien mit den vielen Bodenschätzen als „riesige Beute“ (Spoo) im Auge.

Eckart Spoo: „Die fünf Milliarden wurden also ganz gewiss nicht für die Förderung der Basisdemokratie (in der Ukraine, d. A.) ausgegeben.“ Und: „So etwas wie den Maidan würde man (die USA, d. A.) eigenem Land niemals dulden, die Herrschaft der Straße …“

Der Referent: „Es geht um das ganze große Russland, einschließlich Sibirien (…)“

„Die aufgeblähten Konten der US-Milliardäre suchen nach Anlagemöglichkeiten. Ein paar russische oder ukrainische Oligarchen könnten ja vielleicht auch beteiligt sein … “

Vollmundige Versicherungen an die Adresse der Sowjetunion

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass gerade auf dem Boden der Ukraine ein Manöver mit Nato-Staaten erinnerte daran, dass nicht nur der seinerzeitige Nato-Generalsekretär Wörner, der britischen Außenminister Baker und sein bundesdeutscher Amtskollege Genscher im Rahmen der „sogenannten Wende“ (Spoo) die Sowjetunion bezüglich etwaiger Bedenken gegen ein weiteres Vorrücken der Nato gen Osten beruhigten: „nicht ein Inch“ (so Baker damals) gedenke man dorthin vorzurücken.

Uns sollte nichts wundern

Gegen Ende seines interessanten Vortrags wies Eckhart Spoo noch auf weitere bedenkliche Entwicklungen hin. Das die Bundeswehr eine „Parlamentsarmee“ (vielleicht fällt ja bald der Parlamentsvorbehalt?; siehe NachDenkSeiten; d. A.) sei inzwischen ein Mythos. Etwa über Geheimeinsätze der KSK werde nicht einmal der Bundestag informiert. Nicht einmal dessen Verteidigungsausschuss. Sondern allenfalls ein kleines Gremium. Auch sei es bedenklich, dass die Aufgaben der Bundeswehr den politische Leitlinien der Bundesregierung zufolge auch beinhalte, für die Zugänglichkeit von Rohstoffen und Absatzmärkten einzustehen.

Spoo: „Insofern sollte uns nichts wundern, was die Bundesregierung an Seiten der USA auf diesem Gebiet“ unternimmt.

Wie damit umgehen? Was dagegen tun?

„Nun“, schloss Spoo, „das mag alles schrecklich genug sein. Aber das darf uns nicht daran hindern, uns zu fragen, wie wir damit umgehen wollen.“ Wir sollten überlegen, was doch dagegen tun können.

Von den weitgehend monopolisierten deutschen Medien sei da nichts zu erwarten. Es brauche eine Gegenöffentlichkeit.

Spoo kritisierte den zunehmenden Verfall der Meinungs- und Medienvielfalt. In diesem Zusammenhang wies er auf den Wegfalls konkurrierender Zeitungen, so etwa in Dortmund (z.B. die Westfälische Rundschau; sie bekommt die  Lokalseite  den Ruhrnachrichten  zugeliefert) hin. In Nordrhein-Westfalens Verfassung existiere ein wunderbarer Passus gegen Monopolbildung im Medienbereich. Spoo frage sich, wann Politiker diesen einmal mit Leben zu erfüllen gedächten. Die Monopolbildung hält der frühere FR-Redakteur für „absolut verfassungswidrig“.

Bewegung von unten angestoßen

Vorm gestrigen Publikum versuchte Eckart Spoo eine Bewegung von unten anzustoßen, die die Presse kontrolliert und Fragwürdiges auch dokumentiert. Gegebenen Falls müssten eben auch Chefredakteure konfrontiert und zu öffentlichen Veranstaltungen mit Unterstützung der Gewerkschaften zu Diskussionen eingeladen werden.

Wohl nahezu allen  Anwesenden an diesem  Abend einte die Feststellung, dass der Zustand des deutschen Journalismus bedenklich und so nicht länger hinnehmbar sei. Woraus die unbedingte Entschlossenheit dazu erwuchs, von unten her Veränderung anzustoßen zu wollen (müssen).

Diskussion im Anschluss

In der den  NachDenkTreff abschließendem  Diskussion wurde versucht, zu ergründen, woran des läge, dass Art und Weise wie deutsche Medien heute agierten (so ein Diskutant) fast an Zustände wie in DDR-Zeiten (oder an noch andere vorher) erinnerten. Ein Zuhörer sagte, er habe etwa bei einem Kommentar im Deutschlandfunk wütend auf den Küchentisch gehauen. Weil er  sich dabei an die berüchtigten Kommentare von Karl-Eduard von Schnitzler („Der Schwarze Kanal“, DDR-Fernsehen) erinnert gefühlt habe.

Kritische Einwände in Sachen Presse machte ebenfalls der anwesende Journalist und Antifaschist Ulrich Sander und der hochgeachtete Organisator des Ostermarsches Rhein-Ruhr, Willi Hoffmeister. Dieser erinnerte daran, wie nach einer miesen Berichterstattung der „Blödzeitung“ über Stahlarbeiterproteste kurzerhand diese Zeitung aus den Kiosken gewaltfrei eingesammelt worden sei. Man habe sich dann die Finger daran gewärmt. Hoffmeister: „Wenn ich heute Kleber und Slomka manches Mal im ZDF höre, möchte ich denen auch mal gewaltfrei die Stühle anspitzen.“ Attac-Mann Till Strucksberg rückte dann die Hoffmeister-Kritik doch ein wenig gerade: Immerhin müsse man zugestehen, dass immerhin Marietta Slomka öfters kritisch nachfrage.

Ein leicht vergiftetes Lob kam von einem im Publikum „privat“ anwesenden FAZ-Mannes, der früher die Texte des FR-Redakteurs Eckart Spoo „gerne gelesen habe“. Aber bitteschön: Spoos heutige Ausführungen gehörten aber wohl doch eher in die 1980er Jahre.

Eckart Spoo konterte später: Der Hinweis deute vielleicht daraufhin, dass sich seit 1985 nicht viel geändert habe. Spoo wies daraufhin, dass missliebige Texte in Redaktionen nicht einfach verboten würden. Da reicht manchmal eine hochgezogene Augenbraue des Chefredakteurs. Auch seien die Mitgliedschaften von Redakteuren in Stiftungen und Thinktanks – wie der Journalist Leipziger Uwe Krüger aufgezeigt habe – nicht selten (Stichwort: „Atlantiker) verantwortlich für bestimmte im Blatt vertretene Meinungen. Da ist kein Zwang. Man ordnet sich freiwillig unter. Um vielleicht einfach dabei zu sein. Und das nächste Mal darf man dann vielleicht auch bei Staatsbesuchen von Angela Merkel im Kanzlerflugzeug mitfliegen. Solche Journalisten würden nicht selten aufgebaut. Sie verinnerlichten das „Atlantische“ und kämen dann bevorzugt in hohe Positionen in deutschen Redaktionen. Weil man einfach „ganz auf Linie mit den Eliten“ ist, wie es Uwe Krügers Studie „Meinungsmacht“ sehr gut aufzeigt.

Ein Beispiel dafür, dass im deutschen Journalismus einiges nicht stimme könne, verdeutlichte Spoo anhand des Falls des früheren ZDF-Korrespondenten Ulrich Tilgner. Der hatte kritisiert, dass etwa bei der Afghanistan-Berichterstattung immer mehr Einmischung durch das Militär stattfinde. Er wolle nicht nur noch „für die bunten Bilder“ zuständig sein. Tilgner verließ das ZDF und ging zum Schweizer Fernsehen (mein älterer Bericht dazu).

Ein interessanter NachDenkTreff in Dortmund. Woran nur zu kritisieren war, was dem Referenten nicht anzukreiden ist, dass die Verständlichkeit des Vorgetragenen durch eine miserabel eingestellte Tonverstärkung teilweise erschwert war.

Bundesweite Austrahlung erwünscht

Ja, wir leben in Vorkriegszeiten, in denen Propaganda hier wie da Hochzeiten erlebt. Die Probleme des deutschen Journalismus und der Medien sind inzwischen vielfach erkannt und oft kritisch benannt. So auch gestern wieder in Dortmund. Demokraten kann das nicht kaltlassen. Wird die dankenswerterweise von Eckart Spoo angeregte kritische Bewegung in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften entstehen, Stück für Stück erstarkend, eine dringend nötige Veränderung des Journalismus schaffen? Gar als „Dortmunder Signal“ – wie ich es hier einmal nennen möchte –  eine bundesweite Ausstrahlung entfalten? Zu wünschen wäre es!

Update vom 19. Dezember 2016: Am 15. Dezember 2016 ist Eckart Spoo verstorben. Er wird fehlen. Eine Erinnerung an ihn

https://weltnetz.tv/video/620-spoos-presseschau-luegenpresse-ein-wahres-wort