Seit fast über einem Jahr kämpfen wir nun schon mit der Corona-Krise. Zunächst wurde das Virus gar nicht groß wahrgenommen und teils sogar als nicht sonderlich gefährlich eingeschätzt. Zum Teil von den selben Leuten in Politik und Medien, die inzwischen für harte Maßnahmen eintreten, die die Verbreitung von COVID-19 vermindern sollen. Die Maßnahmen sind nicht nur oft unlogisch und noch dazu nicht bundeseinheitlich. Ein Lockdown folgt dem anderen. Schon wieder soll es härtere Maßnahmen geben. Die Regierung folgt fast immer den gleichen Experten.
Der Journalist Boris Reitschuster ist dicht am Thema dran, berichtet sachlich aber kritisch und fragt dementsprechend hart in der Bundespressekonferenz (BPK) nach. Er gibt sich momentan bezüglich des Agierens der Bundesregierung und der Länderchefs ziemlich ratlos, aber auch besorgt, was die Demokratie anbelangt. Gestern war er wieder in der BPK und veröffentlichte später den Artikel „Mit Scheuklappen in den Mega-Lockdown“.
Unsere Gesellschaft ist gespaltener denn je
Unsere eh schon arg in Arm und Reich gespaltene Gesellschaft zeigt sich in der Corona-Krise noch viel mehr zerissener. Die wenigsten Menschen werden die Existenz des Virus leugnen. Das gibt es und kann sehr krank machen und auch zum Tode führen. Aber manche unserer Mitbürger*innen empfinden die gegen die Pandemie verordneten Maßnahmen als überzogen und unlogisch. Überdies werden diese nicht selten Hals über Kopf beschlossen. Nicht nur einmal wurden etwa Schuldirektoren geradezu übers Wochenende überrumpelt und zu kurzfristig informiert, sodass sie sich fast außerstande sahen, die Maßnahmen am Wochenanfang ordentlich umzusetzen. Im Grunde werden diese Maßnahmen undemokratisch – weil an den Parlamenten vorbei – beschlossen. Gibt es überhaupt noch eine Opposition? Immerhin übte FDP-Chef Christian Lindner erst kürzlich harte Kritik hinsichtlich der nächstens offenbar ins Haus stehenden Maßnahmen des Merkel-Corona-Kabinetts. Er warf dem Kanzleramt vor, hinter verschlossenen Türen einen “Mega-Lockdown” vorzubereiten und fordert eine umfassende Information der Bevölkerung.
Die erwähnte Spaltung geht nicht nur durch die ganze Gesellschaft, sondern auch quer durch Familien und Kollegenkreise. Es fliegen die Fetzen. Freundschaften werden gekündigt. Es kam bereits zu Körperverletzungen. Besonders auf Facebook ist das Hauen und Stechen unter den Nutzern tagtäglich zu beklagen. Die einen vertreten stur, beinahe wie hirngewaschene Mitglieder einer Sekte handelnd – der Journalist Mathias Bröckers spricht immer augenzwinkernd von den „Zeugen Coronas“ – die Regierungsmeinung. Die ja auch die Medien eins zu eins – manchmal noch härtere Maßnahmen fordernd wie die Exekutive sie vorgibt – quasi als Regierungssprecher immer und immer wieder perpetuieren.
Jeden Tag Angstmache auf nahezu allen Kanälen und vieler Gazetten. Das befeuert die Panik in der Bevölkerung. Da hilft nur noch der Ausschaltknopf oder die Abbestellung des Zeitungsabos. Das ist kein Journalismus, wie er gedacht ist.
Die anderen haben sich einen kritischen Verstand und einen kühlen Kopf bewahrt. Sie halten wacker dagegen, appellieren an die Vernunft. Dafür werden sie als „Corona-Leugner“, „Aluhut-Träger“ und mit noch schlimmeren Ausdrücken beschimpft. You Tube sperrt Kritiker und Facebook spricht Strikes aus. Wichtige Medien schweigen dazu oder legen selber noch nach. Wir erleben ohnehin seit dem Jugoslawien-Krieg und der Ukraine-Krise einen unfassbaren, empörenden Niedergang des Journalismus.
Warum „fressen“ so viele Menschen unkritisch, was Regierung und Medien ihnen unablässig einhämmern?
Schon des Längeren frage ich mich, wie es eigentlich möglich ist, dass so viele Menschen unkritisch „fressen“, was Regierung und Medien ihnen einhämmern. Meine Erklärung lautete bislang: sie sind offenbar dem Stockholm-Syndrom verfallen.
Nun stieß ich auf eine Erklärung meines Facebook-Freundes Rüdiger Heescher, die mir viel einleuchtender erscheint und ich geneigt bin zu folgen. Ich möchte, den sehr verehrten Leser*innen, diesen Post Heeschers hier gern zur Kenntnis geben. Zum Darüber-Nachdenken und, um vielleicht eine Diskussion darüber anzuregen.
Rüdiger Heescher (er studierte Philosophie), schrieb:
„Ich bin fest davon überzeugt, dass man uns vor 20 oder 30 Jahren nicht so einen Bären hätte aufbinden können. Heute ist es einfach möglich. Woran liegt es? Das Bildungsniveau scheint doch heute viel größer zu sein. Jeder zweite macht heute Abitur. Noch nie haben so viele studiert wie heute. Eigentlich müssten doch heute gerade die Menschen total mündige Bürger sein und viel leichter durchschauen, wenn sie hinter die Fichte geführt werden sollen von der Klasse.
Das interessante ist, dass tatsächlich es auch gerade bei älteren nicht geschieht und sie nicht so einfach hinter die Fichte geführt werden können, aber jüngere vor allem, obwohl vermeintlich gebildet, haben große Probleme kritisch zu sein.
Es gibt einen Bildungsbruch seit 30 Jahren schon. Bildung dient nur noch der wirtschaftlichen Verwertung und die Menschen bekommen nur so viel Wissen um den Entscheidungsträgern und Multiplikatoren folgen zu können. Ich will es mal an einem akademischen Beispiel erläutern wo alles anfing und durchexerziert wurde.
Wer vor 30 Jahren noch Medizin studiert hat, der hatte ein Physikum zu absolvieren, was so was wie eine Hürde darstellte. In jedem Fach gab es so was. Auch in Geisteswissenschaften wie Philosophie. Dort war es der Logikschein und man brauchte das Latinum.
Bei Medizinern war das Physikum so was wie das Lernen von naturwissenschaftlichem Denken. Neben Wissensabfragen wie Anatomie-Testaten, die reines auswendig lernen war, musste man aber auch Biochemie und sogar Physik lernen. Es war jetzt nicht das was ein Physiker lernt oder was man als Chemiker in Biochemie lernt, aber es war für die damalige Zeit höchst anspruchsvoll und es gab sogar Mediziner die dann in die Biochemie Forschung gingen für die Pharmakologie usw.
Es wurde also dort ein Fundament gelegt, was es erlaubt für Mediziner richtig Forschung zu betreiben. Viele haben das Physikum nur mit Ach und Krach geschafft und gerade Biochemie war der Horror für die Absolventen. Aber sie haben richtig was gelernt. Vor allem Denken gelernt, denn Mediziner sind später im Beruf als Arzt eher Erfahrungspraktiker und sowieso Diagnostiker. Doch Ärzte haben damals auch noch kritischer hinterfragen können, wenn ein neues Medikament auf den Markt kam und die Pharmareferenten sie wieder belagert haben dieses Medikament zu verwenden, was ja so toll und neu ist. Selbst wenn es nur ein Derivat eines älteren war mit einer OH Gruppe.
Da musste sich der Pharmareferent schon anstrengen zu erklären, was den Unterschied zum alten Medikament ausmacht. Oder er bot gleich ein Wellness-Wochenende im Luxushotel an, was dann natürlich auch ein Symposium war Es war jedenfalls damals noch etwas schwieriger Mediziner zu überzeugen oder man hat sie gleich bestochen.
Heute ist es viel einfacher Mediziner zu überzeugen. Warum?
Es gibt heute keine Ärzte mehr die wirklich naturwissenschaftlich ausgebildet werden. Vom Wissen her schon aber nicht vom Denken. Woran liegt es?
Ich nenne Ärzte heute multiple choice Diagnostiker. Denn zu mehr werden sie heute nicht mehr ausgebildet. (Das sieht man sogar sehr direkt am Diagnoseschlüsselsystem)
Wenn man sich heute die Tests für das Physikum anschaut so sind es reine Multiple Choice Tests, um Biochemie zu bestehen. Man tauscht sich “braindumps” (Prüfungsfragen der vorherigen Jahrgänge mit jeweiligen Multiple-Choice-Antworten) aus, um sie dann auswendig zu lernen und die Tests zu bestehen. Gelernt wird dabei nix. Es reicht das rudimentäre Wissen. Um es präziser zu sagen: Es reicht gerade soviel Wissen, sodass man den Pharmareferenten folgen kann, was sie ihnen verkaufen wollen.
Wir hatten uns schon damals in den Anfängen lustig über Mediziner gemacht und es war ein Running Gag, dass sie sowieso nur soviel Biochemie wissen müssten um die Pharmareferenten verstehen zu können. Aber heute zeigt sich, dass es wirklich so ist. Der Running Gag wurde heute Realität. Es ist traurig, aber es läuft wirklich so ab. Natürlich gibt es Ärzte, die mehr Verständnis für Biochemie haben trotz multiple choice, aber die tun sich auch viel schwerer, weil sie ja auch indoktriniertem Wissen erlegen sind.
Das also einfach mal als akademisches Beispiel wieso heute alles so schief läuft.“
Und zu den heutigen Journalisten gibt Rüdiger Heescher zu bedenken:
„Ja, bei Journalisten ist es das gleiche. Früher musste man ein Magister haben in Geschichte, Politikwissenschaften und Germanistik. Oder ähnliches. Drei Fächer war normal für Magister.
Heute lernen Journalisten an einer Journalistenschule. Und da lernen sie sogar PR. lol
Es ist überall das gleiche mittlerweile …“
Ja, da könnte etwas dran sein. Wir befinden uns in vielerlei Hinsicht in der Krise. Seit 1990 ist vieles kaputtgemacht worden. Dabei vermutete man zunächst, nun käme eine bessere, friedlichere Welt zustande. Pustekuchen! Die verhängnisvolle Ideologie des Neoliberalismus ging wie ein Bulldozer durch die Gesellschaft, nachdem sie von mächtigen und einflussreichen Einflüsterern des Finanzkapitalismus und großer Konzerne in die Hirne von Politiker eingepflanzt worden war, die diesem Angriff nicht widerstanden konnten oder das erst gar nicht wollten. Wird das zu reparieren sein? Wo doch (siehe Beitragsbild als Symbol) bereits die Fassade angekratzt ist. Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Kurz nachdem ich 1989 aus der DDR in die BRD gekommen, war und mich wieder (nebenberuflich) journalistisch betätigte, bekam ich es erstmals mit gendergerechter Sprache bzw. gendergerechter Schreibweise zu tun. Es wurde dann immer die männliche und die weibliche Berufsbezeichnung gesprochen bzw. geschrieben: Beispielsweise Politikerinnen und Politiker. Damit hatte ich kein Problem. Wenngleich dadurch auch Texte länger wurden. Mit Gleichberechtigung hatte ich sowieso kein Problem. Die wurde in der DDR gelebt.
Später wurde es dann üblich, dass man das sogenannte Binnen-I verwendete. Zum Beispiel schrieb man dann: LehrerInnen, PolizistInnen. Auch daran gewöhnte ich mich. Obwohl es geschrieben im Schriftbild natürlich auch etwas merkwürdig anmutete. Nun ja.
Ich glaube letztes Jahr führte das Blog Nordstadtblogger.de, für das ich tätig bin, das sogenannte Gendersternchen ein. Beispiel: Schauspieler*innen, Sexarbeiter*innen. Nun ja. Auch das übernahm ich mit *innerem Murren.
Doch ich stutzte – es war bei den Fridays-For-Future-Demos. Da hörte man eine Aktivistin, oder Aktivisten plötzlich sagen: Liebe Schüler innen… sagen. Es wurde also das Gendersternchen in der Sprache benutzt. Ich war verdattert. Verstand aber dann. Na ja.
In diesem Jahr nun stutze ich wieder: bei Anne Will etwa und bei anderen Fernsehmenschen in ARD und ZDF oder 3sat. Politiker*innen wurde da gesagt oder Mitarbeiter*innen und Künstler*innen. Es war jeweils anfangs noch zu hören, wie sich die das Aussprechenden noch etwas dabei gewissermaßen stolpernd schwer damit taten.
Seitdem sich das quasi eingebürgert hat (wer eigentlich ordnet so etwas an?), macht mein Herz jedes Mal einen Stolperer. Ich fremdele damit. Und denke: wie es *innen aussieht, geht niemand etwas an. Manchmal denke ich auch schmunzelnd dabei daran, wie es wohl in den Politikerinnen und besonders in den Journalistinnen innen aussieht. Zuweilen tun sich da mir in meiner Phantasie Abgründe auf.
Und immer befällt mich die Befürchtung, eines Tages könnte diese Schreibweise auch in die Literatur Einzug halten. Wie soll man dann noch Freude am Lesen eines Romans haben?
Die Journalistin Milena Preradovic hat in ihrer Sendung Punkt.Preradovic (eine Sendereihe, die ich nur empfehlen kann) die Problematik Gendersprache aufgegriffen:
„Gendersprache vs. Grammatik. An Unis, in Kommunen, bei ARD und ZDF, die Gendersprache breitet sich momentan rasant aus. Aber viele der neuen, gerechten Wörter sind schlicht falsch. Zumindest nach der geltenden Grammatik. Das sagt Doro Wilke vom Verein Deutsche Sprache. Außerdem führe Gendersprache nicht zu Gleichbehandlung, sondern diskriminiere andere Minderheiten.“
Der Verein Deutsche Sprache mit Sitz in Dortmund fordert mit der Unterschriftenaktion „Schluss mit dem Gender-Unfug!“
Die Genderei hat zweifelsohne mit der sogenannten Political Correctness / Politische Korrektheit zu tun. Und ist gewiss gut gemeint. Doch – wie wir wissen – ist gut meint nicht immer gut getan. Bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) heißt es etwa:
„Immer wieder werden neue Sprachreglementierungen gefordert und begründet. Doch nicht selten führt die vermeintlich „politische Korrektheit“ der Sprache zu Unklarheit, Widersprüchen und neuen Verständigungsproblemen.“
Der Artikel in der Prager Volkszeitung. Repro: C. Stille
Und nochmals: Ein Artikelfund …
Für Judith, das Kind, das leider in den 1990er Jahren viel zu früh verstarb.
Repro: C. Stille
Ohne ihn der Mensch aufgeschmissen und verloren. Ohne ihn ist der Mensch da, existiert aber nicht, ist für die Behörden eine Null. Schon auf seiner ersten Seite stand deutlich und unmissverständlich:
„Dieser Personalausweis ist ihr wichtiges Dokument. Sie haben deshalb – den Personalausweis stets bei sich zu tragen, vor Verlust zu schützen und auf Verlangen den Angehörigen der Sicherheitsorgane der Deutschen Demokratischen Republik auszuhändigen bzw. anderen dazu berechtigten Personen vorzuzeigen …“
Was sollte ich bloß machen? Ich saß gewaltig in der Patsche. Hatte ich mich nicht gewaltig auf denn Abschluss unseres Urlaubs in Prag gefreut? War nicht der bisherige Urlaub genügend aufreibend und nervenverzerrend gewesen? Bereits die Hinfahrt hatte es in sich. Einen Tag vor Antritt unserer Fahrt war mit Hängen und Würgen der Trabi vom Lackierer zurückgekehrt. Dem war es doch egal, ob ich rechtzeitig in den Urlaub fuhr oder nicht, ihm war sein saftiger Lohn sicher.
Also ließ er sich Zeit.
Vom Einbauen der Verkleidungen und der Sitze fix und fertig starteten wir knackevoll beladen.
Das Kind bekundete seine Urlaubs-Vorfreude durch ohrenbetäubendes Geschrei. Wir waren alle glücklich!
Schon an der Grenze die erste Überraschung die erste Überraschung: Etwa zwanzig Kilometer vor Zinnwald überholte uns in einer Kurve (!) ein blauer Sattelschlepper des ČSAD aus Aussig/Usti. Es ging alles sehr schnell, und bis heute ist mir unerklärlich, wie dieses Fahrzeug dermaßen rasch an uns vorbeiziehen konnte. Und das alles noch bergauf!
Der Fahrer dieses Ungetüms nahm unsere Nuckelpinne wohl nicht ernst, da er er kurzentschlossen wieder rechts einscherte. Dass uns der Spaß fast unser Leben gekostet hätte, scherte ihn scheinbar wenig.
Wir jedenfalls spürten einen gewaltigen Stoß von links, schleuderten gegen den rechten Bordstein und erhielten von ihm einen zweiten Stüber, worauf der Wagen endlich zum Stehen kam.
Kreidebleich und wir versteinert saßen wir drei da, nur das Kind schlummerte selig. Ich dachte noch: „Jetzt ist der Urlaub vorbei.“
Ein Rundgang um den Wagen ergab: nur der linke Kotflügel war hinüber. Schnell gab ich dem Gefährt die Sporen, wir mussten den Kerl aus Aussig noch an der Grenze erwischen!
An der Grenze hatte ich es dann so eilig aus dem Auto zu kommen, dass ich fast im Fahren ausstieg.
Rasch war der Sachverhalt dem Oberleutnant der Grenztruppen verklickert, doch auf die Verkehrspolizei – so meinte er – müssten wir mindestens eine Stunde warten, da unterwegs ein Unfall mit einem schwedischen PKW passiert sei. Das stimmte, wir hatten den auf dem Dach liegenden Volvo gesehen.
„Sie können sich aber auch so mit dem tschechischen Bürger einigen“, schlug der Grenzer vor.
Kriminalistisch, wie man nun einmal nach jahrelangem Genuss von „Polizeiruf 110“ oder „Major Zeman“ vorgebildet war., rückte ich mit schwer zu widerlegenden Fakten und dem Oberleutnant an meiner Seite beim Fahrer des Aussiger LKW an, um ihn zur Rede zu stellen. Eindeutig haftete an meinem Kotflügel die blaue Farbe des CSAD-Fahrzeugs und -logischerweise – an der rechten Seite seines Gefährts die meine.
Nun, was interessierte mich, dass der Bursche es eilig hatte nach Hause zu kommen, weil er in Schottland war. Musste er uns deshalb umbringen? Er palaverte etwas von „grüner Karte“, doch konnte ich mit seiner grünen Versicherungskarte meinen Kotflügel nicht reparieren. Erst einmal einen neuen kriegen!
Endlich klappte er die Brieftasche auf, die gefüllt war mit allerlei Währungen. „Neunzig?“ – Ich war doch nicht verrückt. Neunzig Kronen reichten niemals. Auch der Oberleutnant schüttelte den Kopf. Zum ersten Mal war mir ein Grenzer sympathisch. Mutig geworden, setzte ich alles auf eine Karte: „Dveste korun!“ (200 Kronen; d. A.) Der Ritter der Landstraße fiel die Kinnlade herunter. Aber er zahlte, nicht aber ohne mir sein Missfallen auszudrücken: „Du musst haben ein Kotflügel von Gold …“
Hatte der eine Ahnung, was mich ein neuer Kotflügel kosten würde, falls ich überhaupt einen bekam.
Angekommen bei meinem slowakischen Freund Ivan, musste ich die Geschichte immer wieder erzählen. Wir hatten eine Menge Spaß dabei.
Wie überhaupt beim Urlaub in der herrlichen Natur. Am besten war die Ruhe. Wir genossen sie in vollen Zügen. Auch das Kind war ruhig, sehr ruhig. Seit einer guten Stunde schien es, als sei es verschwunden. Ich muss zugeben, ich wäre nicht böse gewesen, denn es war ein kleiner Teufel. Der Mutter schwante ob dieser ungewöhnlichen Stille nichts Gutes.
Als sie aus dem Haus zurückkehrte, hörte man das Kind wir am Spieße schreien. Zu mir sagte sie dann ganz ruhig: „Du musst jetzt ganz tapfer sein.“ Und da ich nickte, fuhr sie fort: „Dein Ausweis ist tausend Stücken, wie ein Puzzle.“ – „Was? Wie ein Puzzle?!“
Wie von einer Tarantel gestochen stürzte ich in das Zimmer zu dem weinenden Kind. Und da lag er, mein Ausweis, mein Personaldokument! Schon im Alter von vierzehn Jahren, als wir stolz den Ausweis überreicht bekamen, schärfte man uns ein, dass wir mit ihm sorgfältig umzugehen hätten.“
Und nun? Mir fielen die ganzen Behördengänge ein, hörte die dummen Fragen. Grauenvoll! Mein schöner Ausweis lag in unzähligen Stücken am Boden verteilt. Eine Ecke, wo noch der Geburtsort und „ledig“ zu lesen waren, konnte ich gerade noch aus dem Mund des kleinen Teufels klauben.
Natürlich hielt mich nichts mehr länger im Urlaubsort. Ich hatte keine Ruhe mehr und startete in Richtung Prag.
Je näher wir der Goldenen Stadt kamen, desto mulmiger wurde mir in der Magengegend. „Würde auf der Botschaft alles gutgehen?“
Mit klopfenden Herzen stand ich am nächsten Tag vor der DDR-Botschaft am Moldau-Kai vor einer mickrigen und unscheinbaren Tür. Mit mir warteten noch einige Vietnamesen, die offenbar ein Einreisevisum in die DDR brauchten. Endlich an der Reihe, schilderte ich mit hochrotem Kopf meine Misere, hegte die leise Hoffnung, der Genosse Diplomat würde mir ein Ersatzdokument ausstellen. Doch – weit gefehlt. Er hörte sich alles an, verzog nicht einmal die Miene, schalt mich aber auch nicht. Dann schickte er mich, mit einer fotokopierten Lageskizze, zur Polizeistelle von Prag-Mitte. Prima! Warum sollte ich nicht auch mal die Prager Polizei kennenlernen?
Ich fuhr also die Nationalstraße lang, bog in eine Seitengasse ein und stand bald vor der Machtzentrale des Reviers Mitte.
An einer Tür enträtselte ich eine Schrift, die „Diensthabender“ bedeuten konnte und hatte recht. Hinter der Glasscheibe saß ein gemütlich, aber dennoch streng wirkender Oberleutnant Mitte vierzig, der einem Mädchen sprach, das keinen besonderen Eindruck auf mich machte.
Um was es ging, war mir nicht ganz klar, vielleicht war es bestohlen worden.
Mit „Prosim, pane?“ (Bitte, mein Herr; d. Autor) wandte er sich mir zu. Radebrechend machte ich dem arg in sein Uniformhemd gezwängten Genossen mein Unglück klar. Er hatte wohl Schwierigkeiten, mir zu folgen und fragte: „Jak, prosim?“. Ich begann zu zittern und schaute mich um, ob nicht um die Ecke zwei Polizisten stehen, die mich wegen Irreführung der Behörden in Gewahrsam nehmen würden. Ich begann also noch einmal von vorn, die Reste meines Personaldokuments unter den Schlitz der Glasscheibe hin und her schiebend: „Dite, je cert, delat toto! Je nemesti! Rozumet?“ (Ein Kind, ein Teufel, tat dies. Verstehen Sie?; d. Autor)
Der Diensthabende begann schallend zu lachen und rief zwei seiner Kollegen in sein Kabuff, um sie an dieser lustigen Begebenheit teilhaben zu lassen. Vielleicht ging es sonst auf dem Revier weniger lustig zu.
Nachdem er sich vor Lachen immer noch den Bauch haltend, mir wieder zuwandte, sagte er fast väterlich-verständnisvol: „Ano, rozumim, deti, deti. Keine Problema, ja schreiben ein Papiert, ano? (Ja, ich verstehe, Kind, Kind. Kein Problem, ich schreibe ein Papier, ja?; d. Autor)
Mir fiel ein Stein vom Herzen, sofort sprudelte ich hervor: „Ano, dekuji!“ (Ja, danke; d. Autor)
Ich erhielt ein Dokument, einmalig auf der ganzen Welt, so schien mir. Geschrieben stand da, sinngemäß übersetzt: „Dem Inhaber dieses Papiers hat ein kleines Kind seinen Personalausweis kaputtgemacht.“ Unter dieser in Schreibschrift gehaltenen Erklärung prangte – wie es sich für eine anständige Polizeibehörde gehört – der prächtige Stempel der Sicherheitsbehörde.
Der neuausgestellte Personalausweis. Repro: C. Stille
Stolz war ich damals auf dieses Dokument. Leider habe ich es nicht mehr. Die Volkspolizei der DDR hat es wahrscheinlich in ihrem Archiv verschwinden lassen. Schade!
In einem Weinberger Hotel wurde das Ereignis mit einem prächtigen Tafelspitz gebührend gefeiert, wobei weiter nichts passierte, als dass dass Kind bei Tische ein Wasserglas zerbiß. Aber was ist schon ein Wasserglas gegen ein Ausweisdokument?
An der Grenze angekommen, vermochte das Prager Papier die tschechischen Grenzorgane noch einmal in Heiterkeit versetzen. Nachdem sie einem Blick auf den maly cert, den kleinen Teufel, geworfen hatten, ließen sie uns lachend passieren. Nur die Unsrigen prüften alles mit deutscher Gründlichkeit und fanden die Sache überhaupt nicht zum Lachen.
Ihr Problem, finde ich.
Erstmals erschien mein Text am 10.9.1993 in der Prager Volkszeitung (2006 eingestellt).
Blaulicht im Warnschild. Foto: Thorben Wengert via Pixelio.de
„Guten Morgen, meine Lieben!“
, schreibt mein Facebook-Freund Helmut Lotz heute, „So schön es gewesen wäre, wenn die AfD in Hamburg raus geflogen wäre, so unwesentlich wäre es gewesen. Der Aufstieg des Rechtsextremismus ist ein Phänomen in der gesamten westlichen Welt und ist ein Symptom. In keinem Parlament nehmen Regierungen und Opposition die Interessen ihrer Wähler wahr. Erkannte Probleme werden nicht mehr gelöst. Die Demokratie ist zur Formalität reduziert worden.
Statt den Interessen der Wähler geht es darum, die Kriege der Hegemonialmacht in Osteuropa und der dritten Welt zu finanzieren. Die soziale Marktwirtschaft wurde mit dem selbstzerstörerischen Finanzkapitalismus ersetzt. Die Kriege gehen verloren. Der Abstand zwischen reich und arm nimmt zu. Die Marktwirtschaft zerstört sich. Die Verfassungen werden zersetzt. Und wie gesagt, existenzielle Probleme, wie die Klimakatastrophe, werden nicht mehr gelöst. Die Europäische Union löst sich auf. Deshalb gedeihen Viktor Orban, Matteo Salvini, Donald Trump, die AfD und viele ähnliche Akteure und Parteien.
Das ist nicht überraschend. In den siebziger Jahren war es in der deutschen Gesellschaft Konsens, dass es so kommen müsse. Aristoteles, Thucydides und Plutarch schrieben bereits vor über zweitausend Jahren darüber. Der AfD kommen wir nur bei, wenn die anderen Parteien wieder die Demokratie mit Leben erfüllen und in den Parlamenten die Interessen ihrer Wähler wahrnehmen.“
Mein Kommentar dazu: Wenige, aber auf den Punkt treffende Worte, abseits unsäglichen Gefasels allenthalben, die die momentane Misere, die Ursachen für den schlimmen Zustand, in welchem sich die Demokratie befindet, messerscharf analysieren. Stellen Sie, lieber Leser*innen, diesen Worten nur einmal den ideologischen, rückwärtsgewandten Quatsch entgegen, welchen gestern Norbert Röttgen (CDU) bei Anne Will von sich gegeben hat. Und ihr werdet verstehen. Eigentlich hätte ein Text, wie der von Helmut Lotz, von der Presse, der Vierten Gewalt, ausgehen müssen. Und zwar längst. Sie müssten sagen, was ist …
Um unser Grundgesetz beneiden uns viele auf der Welt. Dieses Jahr wurde es 70 Jahre alt. Wie aber sieht es mit der Verfassungswirklichkeit aus? Damit hat sich Dr. Rolf Gössner, Rechtsanwalt und Publizist beschäftigt. Der Blog Hinter den Schlagzeilen hat Rolf Gössners Darlegungen dankenswerterweise publiziert. Via zwei Links möchte ich diese auch meinen LeserInnen, welche nicht den Blog Hinter den Schlagzeilen oder die NachDenkSeiten lesen, zur Kenntnis bringen:
70 Jahre Grundgesetz – 70 Jahre Verfassungswirklichkeit: eine kritische Bilanz
Im ersten Teil haben wir uns mit
der alten Bundesrepublik mit ihren nicht aufgearbeiteten dunklen
Grundrechtsverletzungskapiteln und ihren auch lichten Momenten in
Sachen Grundrechtserweiterung beschäftigt.
Jetzt widmen wir uns der Zeit nach der
sog. Wende seit den 1990er Jahren bis heute. Auch in diesen drei
Jahrzehnten sind weitere düstere Kapitel zu beklagen.
1. Nachwende-Kapitel: „Verstümmelung“ des gesamtdeutschen Grundgesetzes Statt einer sinnvollen Erweiterung musste das ehemals westdeutsche, nun gesamtdeutsche Grundgesetz sogleich gehörig Federn lassen – der Schriftsteller Navid Kermani sprach von „Entstellung“ und „Verstümmelung“. Nur zwei Jahre nach der sog. Wende erlebten wir eines der schwersten Verbrechen in der Geschichte der Republik: den Solinger Brand- und Mordanschlag von 1993, bei dem fünf junge Angehörige der Familie Genç ums Leben kamen.
Nur drei Tage vor diesem rassistischen Anschlag hatte – nach einer verantwortungslosen Angstdebatte um „Asylantenflut“ und „Überfremdung“ – eine große Koalition aus CDU, FDP und SPD das Grundrecht auf Asyl demontiert. „Erst stirbt das Recht – dann sterben Menschen“. Klarer kann man den Zusammenhang dieser beiden Ereignisse kaum formulieren, wie er damals auf einer Mauer nahe des Anschlagorts zu lesen war. Ende der 1990er Jahre wurde dann auch noch das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) durch die Legalisierung des Großen Lauschangriffs in und aus Wohnungen schwer beschädigt. Es war der vorläufige Höhepunkt einer inneren Aufrüstungsentwicklung, die man getrost als Entgrenzung und Vergeheimdienstlichung der Polizei bezeichnen kann – legitimiert mit neuen Bedrohungsszenarien: mit „Organisierter Kriminalität“ und „kriminellen Ausländern“, nachdem die alten Feindbilder aus den vergangenen Zeiten des Kalten Krieges entfallen waren.
2. Nachwende-Kapitel: Teilnahme an NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien Dieses Jahr, im März 2019, jährte sich der völkerrechtswidrige Nato-Luftkrieg gegen Jugoslawien zum 20. Mal – noch ein „Jubiläum“ der besonderen Art. Es war das erste Mal, dass die (seinerzeit rot-grün regierte) Bundesrepublik mit ihrer Bundeswehr an einem Angriffskrieg teilnahm – befeuert durch Falschinformationen gegenüber einer überwiegend pazifistisch eingestellten Öffentlichkeit, ohne UN-Mandat und damit unter Bruch des Völkerrechts und unter Verletzung des Grundgesetzes.
„Sagen, was ist.“ – Dieser
Leitspruch des Gründers des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“,
Rudolf Augstein stammt noch aus Zeiten, da für diese Publikation
noch die Bezeichnung „Sturmgeschütz der Demokratie“ passend war.
Tempi passati! Böse Zungen bezeichnen den „Spiegel“ heute
inzwischen verächtlich als Bildzeitung für Intellektuelle. Doch das
Augstein-Motto „erinnert“ (noch heute), so SPIEGEL ONLINE am 4.
November 2012 auf Facebook, den 89. Geburtstag Rudolf Augsteins, „uns
jeden Tag beim Betreten des Hauses an die eigentlich einzige und
wichtigste Aufgabe von Journalisten.“ Ist das so? Einen gewissen
Claas Relotius hinderte es nicht daran, Lügengeschichten zu
schreiben.
Wenn Journalismus zur Glaubenslehre
wird
Der Westend Verlag fragt betreffs des Buches auf dessen Rückseite: „Sabotierte Wirklichkeit. Oder: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird“ Marcus B. Klöckner: „Sagen Medien wirklich, „was ist“?“ und liefert die Antwort gleich hinterdrein: „Eindeutig nein! In den tonangebenden Medien ist ein kanonisierter Meinungskorridor entstanden, in dem unliebsame Fakten viel zu oft keinen Platz finden. Das Versagen der Qualitätskontrolle des Spiegel im Fall Relotius, die fehlgeleitete Berichterstattung zur Skripal-Affäre und die NATO-Reklame großer Nachrichtensendungen sind nur die prominentesten Beispiele einer grundlegenden Fehlentwicklung im Journalismus, die bereits bei der Rekrutierungs- und Ausbildungspraxis der großen Medienkonzerne beginnt. Anhand vieler konkreter Fälle zeigt Marcus B. Klöckner, wie Medien eine verzerrte Wirklichkeit schaffen, die ähnlich der viel gescholtenen Filterblasen der „sozialen“ Medien mit der Realität oft nur noch wenig zu tun hat. Die Konsequenzen sind weitreichend – für unsere Demokratie, für uns alle.“
Mein Eindruck vor Jahren: Vieles
stimmte da nicht. War zumindest schräg
Für mich persönlich begannen
bestimmte „Produkte“ des Journalismus besonders im Zuge der
Berichterstattung zu den Ereignissen in der Ukraine an zu riechen –
oder ganz wie man will: ein Geschmäckle zu entwickeln.
Da stimmte vieles nicht. War zumindest
schräg. Da wurde einseitig und antirussisch berichtet. Und es wurde
seither nicht besser.
Wachhund sein im Sinne der Vierten
Macht – Fehlanzeige!
Aber es begann schon vor der
Ukraine-Krise. Immer weniger wurde Journalismus dem gerecht, was mit
„Vierter Gewalt“ gemeint ist. Heißt, den Wachhund machen, den
Politikern gehörig auf die Finger schauen und eben: Sagen, was ist.
Schon in der Einleitung zu seinem Buch
schreibt Klöckner: „Ein Weltbildjournalismus bestimmt in weiten
Teilen der Mainstreammedien die Berichterstattung. Zwischen
Journalisten und Politikern herrscht weitestgehend ein
Nichtangriffspakt – Konflikte, die über eine Scharmützel
hinausgehen, finden sich allenfalls auf Nebenschauplätzen. Medien
loben wahlweise Merkels ‚Augenringe des Vertrauens‘ oder stimmen
(gemeinsam mit einem Teil der Politiker) in den Chor des
‚Uns-geht-es-doch-gut-Liedes‘ ein (S./10)“. Kritik von Rezipienten
an einzelnen Beiträgen wird abgebügelt und offenbar als Bedrohung
empfunden, Kommentarfunktionen zuweilen ausgeschaltet.
Zensur?
Gleich im ersten Kapitel geht es ab
S.17 um „Zensur“. Medienvertreter reagierten auf einen solchen
Vorwurf „gereizt“, heißt es dort. „Schnell wird beteuert, dass
einzelne Journalisten, aber auch komplette Redaktionen frei in ihren
Entscheidungen seien. Weder rufe Merkel persönlich an und diktiere,
welche Informationen in den Medien auftauchen dürfen, noch gäbe es
sonst eine ‚mächtige Gruppe‘, die ihnen vorschreibe, wie ihre
Berichterstattung auszusehen habe. Ist das nicht interessant? Auf der
einen Seite stehen Medienvertreter, die durchaus glaubhaft
versichern“, schreibt Klöckner, „dass sie keiner Zensur
unterworfen sind, während sich auf der anderen Seite ein Publikum
bemerkbar macht, das ebenso fest vom Gegenteil überzeugt ist.“
Uns doch, meint Buchautor Klöckner:
Zensur ist in unserem Mediensystem nicht die Ausnahme, sondern die
Regel
Freilich ist klar: Zensur als solche
wird nicht ausgeübt. Dennoch: Marcus B. Klöckner führt uns
LeserInnen dahin, „(…) zu erkennen, dass Zensur in unserem
Mediensystem nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. (S.12)“ Er
führt weiter aus: „Wir werden eine spezielle Form der Zensur
kennenlernen“, verspricht er, „die sich zwar in manchem von einer
staatlichen, einer von oben verordneten Zensur unterscheidet, aber in
ihrer Auswirkung kaum nachsteht. Es handelt sich dabei um eine
Zensur, die tief in unser Mediensystem eingeschrieben ist. In den
Medien ist das zu erkennen, was wir als eine
sozialstrukturell ausgeformte Zensur
sprachlich erfassen wollen.“
Medienwirklichkeit,
Schieflagen in der Berichterstattung und „Wirklichkeitsentgleisungen“
Ein
weiteres Kapitel befasst sich mit der Medienwirklichkeit. Und zwar
anhand von zahlreichen Beispielen, die veranschaulichen, „dass
Schieflagen in der Berichterstattung nicht einfach nur durch Fehler
bei der journalistischen Arbeit entstehen (die menschlich sind und
jedem passieren können) und dürfen), sondern auf
Wirklichkeitsentgleisungen mit Ansage zurückzuführen sind.“
Foto: Christian Evertsbusch, via Pixelio.de
Die
LeserInnen würden sehen, so Klöckner, „wie schwer und folgenreich
die Wirklichkeitsbrüche in der Berichterstattung sind, und
verstehen, dass wir gut daran tun, uns eine alte Erkenntnis des
deutschen Soziologen Niklas Luhmann in Erinnerung zu rufen“. „In
seiner berühmt gewordenen Auseinandersetzung zur Realität der
Massenmedien sagt Luhmann gleich zu Anfang: ‚Andererseits wissen wir
so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen nicht trauen
können.’“
Journalisten
und Politiker
In
weiteren Kapiteln des Buches betrachtet Klöckner die Beziehungen
zwischen Journalisten und Politikern und betrachtet, „was es
bedeutet, wenn Journalisten über Macht verfügen, Rederecht
abzusprechen oder anzuerkennen.“
Die
Oberfläche der Medienkritik durchdringen
Dem
Autor geht es hauptsächlich darum, „die Oberfläche der
Medienkritik zu durchdringen, um die mehr oder weniger verschleierten
sozialen Wirkprinzipien offenzulegen, die für eine Berichterstattung
mitverantwortlich sind, die dazu führen, dass viele Mediennutzer
glauben, die Medien müssten von irgendeiner verborgenen Macht
gesteuert werden.“
Faktoren,
die auf den Journalismus auch eine Wirkung haben
Andere
Faktoren, die auf den Journalismus freilich auch eine Wirkung haben,
wie Besitzverhältnisse in den Medien, Pressekonzentration,
hochproblematische Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung von
Journalisten, Zeitdruck, fehlende Möglichkeit und Finanzierung von
investigativen Recherchen und Auswirkungen, die sich aus den
Gesamtproduktionsbedingungen und Herrschaftseinflüsse (S.14) sind
bewusst außen vor gelassen worden, so Klöckner – will sie aber
keineswegs kleinreden.
Die
Medien einer genaueren Betrachtung zu unterziehen ist gelungen
Mit
dem vorliegenden Buch ist gut gelungen, die Medien einer genaueren
Betrachtung zu unterziehen und „ihr Sein und einige ihrer
Funktionsweisen vor allem aus einem kritisch soziologischen
Blickwinkel“ heraus zu „betrachten“.
Die
beschriebenen Vorgänge dürften dem Laien verständlich werden
Stellenweise
ist das Buch zwar durchaus komplex. Es habe Nachteile und Vorteile,
wie der Autor selbst schreibt. Die Nachteile haben damit zu tun, dass
ein breiter Leserkreis erreicht und zu diesem Behufe nicht zu tief in
sozialwissenschaftlich Theorien hinein getaucht werden sollte. Denn
das Buch ist immer so verfasst, dass darin beschriebene Vorgänge
auch dem Laien – der überwiegenden Mehrheit also der
Medienrezipienten – immer verständlich werden.
Jedenfalls
ist es m.E. gelungen, wenigstens einige Gründe, „die für die
schweren Verwerfungen im journalistischen Feld verantwortlich sind“,
wie Klöckner noch in der Einleitung dargelegt hat, „anschaulich“
zu machen. Vorteil ist, dass den LeserInnen dennoch Möglichkeiten an
die Hand gegeben werden, sich auch in etwas bezüglich komplexeren
wissenschaftlichen Theorien kundig zu machen und sie zu verstehen,
ohne zu tief in deren Breite und Vielschichtigkeit einzudringen.
Und
ich stimme unbedingt dem letzten Satz in der Einleitung zu: „Die
Schäden an unserem demokratischen System, die durch die Medien
verursacht werden, die weitestgehend ihrer Wächterfunktion nicht
mehr nachkommen, sind bereits gewaltig.“
Journalisten
mit Stallgeruch und Überzeugungstäter
Nebenbei
bemerkt: Es sind vielmehr andere Faktoren, die Journalisten
dazu bringen, so zu schreiben, dass manch Rezipient auf die Idee
kommt, da wurde Zensur auf den Schreibenden ausgeübt. Das geht
subtiler. Einerseits hat es mit der Herkunft von Journalisten zu tun:
Viele kommen aus Akademikerhaushalten und haben einen bestimmten
Stallgeruch verbunden mit einem vorgeprägten Denken, das mit einem
bestimmten Weltbild zu tun hat. Dann gibt es auch eine Reihe von
Überzeugungstätern, wie etwa Claus Kleber (ZDF-heute journal), der
als Kuratoriumsmitglied der Atlantikbrücke überzeugt ist gewiss
hundertprozentig von dem, was er von sich gibt. Der kann gar nicht
anders und fühlte sich offenbar pudelwohl dabei, während vielen
Zuschauern der Hut hochgeht, wenn sie hören müssen, was Kleber so
von sich gibt und wie er mit bestimmten Interviewpartnern umspringt.
Autor Marcus B. Klöckner hat ein
Kommentar zum Erscheinen seines Buches „Sabotierte
Wirklichkeit“verfasst:
„Zensur ist in unseren Medien keine Ausnahme, nichts worüber
es erst einmal zu diskutieren gälte. Sie ist Realität. Journalismus
ist zudem vor allem in den Zentren der diskursbestimmenden Medien zu
einer Art Glaubenslehre geworden. Zuerst das eigene Weltbild
bedienen, dann kommen die Fakten.“
Folgt man den Darstellungen und Einlassungen hochrangiger Akteure
aus den Medien zu ihrer eigenen Zunft, dann lässt sich sehr oft
folgender Eindruck gewinnen: Ja, individuelle Fehler passieren, ja,
es gibt Fehlentwicklungen im Journalismus, aber im Großen und Ganzen
liefern Medien eine ausgezeichnete Berichterstattung ab. Zensur? Ein
ideologisch kontaminierter Journalismus? Eine Berichterstattung, die
herrschaftsnah ist? Gerade auch in den Qualitätsmedien? Nichts davon
gibt es, so der Tenor. Mit dieser skizzenhaften Zeichnung jener
Grundhaltung, die verstärkt vor allem in den Zentren der
diskursbestimmenden Medien zu finden ist, wird sichtbar, warum es
Mediennutzer so schwer haben, mit ihrer Kritik im journalistischen
Feld Gehör zu finden. Ein Problem zu beheben, setzt voraus, das
Problem auch zu erkennen. Wenn aber Alphajournalisten mit Nachdruck
selbst schwere und schwerste Verwerfungen und Schieflagen innerhalb
ihrer Branche nicht einmal ansatzweise erkennen wollen oder erkennen
können, dann wird sich im Journalismus und in den Medien nichts
ändern.
Wer Medien über einen längeren Zeitraum beobachtet, wer sich
genauer mit dem journalistischen Feld kritisch auseinandersetzt, kann
nur zu einem sehr düsteren Befund kommen. Der französische
Soziologe Pierre Bourdieu wurde einmal im Hinblick auf die Medien in
Frankreich gefragt, ob er das journalistische Milieu für
reformierbar halte. Seine Antwort darauf: „Die Lage spricht sehr
dagegen.“ Das war, wohlgemerkt, bereits im Jahr 1995. Bourdieu
verstand die mehr oder weniger verschleierten sozialen
Wirkmechanismen, aber genauso auch die Dimensionen von Macht und
Herrschaft, die sich gerade auch in einem so wichtigen Feld wie dem
journalistischen finden lassen, sehr genau. Viele seiner Einlassungen
zu den Medien können wir, mit Abstrichen hier und da, auch auf die
Medien in unserem Land und auch auf die Medien in vielen anderen
demokratischen Ländern übertragen. Wer mit Bourdieus
Herrschafts- und Gesellschaftsanalysen Medien, Journalismus und das
Verhalten von Journalisten näher betrachtet, kann erkennen, dass, um
es salopp zu sagen: Hopfen und Malz verloren ist. Eine
sozialisationsbedingte Blindheit aufseiten nicht unbeträchtlicher
Teile der Journalisten gegenüber real vorhandenen Macht- und
Unterdrückungsverhältnissen, die auch in demokratischen
Regierungsformen existieren; ein mehr oder weniger naiver Glaube an
die Lauterkeit von Institutionen und Mandatsträgern; real
existierende Herrschaftseinflüsse auf die Medien;
Konzentrationsprozesse genauso wie prekäre Arbeitsbedingungen für
nicht wenige Journalisten. All das führt zur Untergrabung eines
Journalismus, wie er eigentlich sein sollte und wie er für eine
gesunde Demokratie lebensnotwendig ist.
Festzustellen ist: In unserem Mediensystem hat sich eine Zensur
verfestigt, die ohne externen Zensor funktioniert und aus dem
journalistischen Feld selbst kommt. Die soziale Zusammensetzung
innerhalb der Medien, der Ausschluss nahezu ganzer Schichten und
Milieus aus dem journalistischen Feld, die Dominanz bestimmter
Weltanschauungen in der Berichterstattung, haben dazu geführt, dass
bestimmte Perspektiven, Meinungen, Thesen und Ansichten mindestens
innerhalb der diskursführenden Medien nahezu völlig atomisiert
sind. Wir haben es in unserem Mediensystem mit einer
sozialstrukturell ausgeformten Zensur zu tun, die tief in den
Wahrnehmungs- und Denkschemata eines beträchtlichen Teils der
Feldakteure verankert ist. Zensurhafte Einzelentscheidungen
potenzieren sich, eine medienübergreifende, dauerhafte Zensur
entsteht. Die Unterdrückung all jener Perspektiven, die für
Irritationen bei der Fraktion der „Weltbildjournalisten“ sorgt,
ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Je politischer ein Thema
ist, umso stärker werden die wertvollen journalistischen
Kriterien der Auswahl und Gewichtung von Nachrichten und
Informationen pervertiert – im Sinne der im journalistischen Feld
vorherrschenden politischen Glaubensüberzeugungen.
Es ist davon auszugehen, dass viele Journalisten selbst nicht
einmal erkennen, wie tief das Zensurhafte in ihren Entscheidungen
mitschwingt. Unter anderem auch deshalb, weil ihnen die positiven
Rückmeldungen aus dem Feld vermitteln, dass ihre Auswahl und
Gewichtung von Informationen und Themen genau „richtig“ sind.
Der Journalismus unserer Zeit trägt Züge einer Glaubenslehre.
Die reinsten aller Wahrheiten findet sich vorgeblich in den
Wirklichkeitsdarstellungen der großen Medien. Nur wer diese
Wahrheiten akzeptiert und verinnerlicht, darf „sprechen“,
sich zu Wort melden. Die Hinterfragung der Medienrealitäten, ja, gar
die Fundamentalkritik an den in der Berichterstattung vorherrschenden
Überzeugungen, kommt einem Akt der Ketzerei gleich.
Viele Bürger, viele Mediennutzer erkennen, dass mit unseren
Medien etwas nicht stimmt. Sie beobachten Tag für Tag, dass Medien
gerade dann, wenn es wirklich darauf ankommt, immer wieder nicht so
funktionieren, wie sie es sollten.
Sie erkennen, dass die Ansichten und Meinungen von Journalisten zu
oft mit denen der Eliten und Machteliten konform gehen.
Wer sich näher mit der Sozialisation von Journalisten
auseinandersetzt, die soziale Zusammensetzung des journalistischen
Feldes betrachtet und Gedanken über den Rekrutierungsmodus der
Medien macht, kommt zu dem Ergebnis, dass das Medienfeld aufgrund der
in ihm vorhandenen sozialen Realitäten gar nicht in der Lage ist,
dauerhaft und durchgehend diesen von Bürgern so sehr geforderten
herrschaftskritischen Journalismus abzuliefern.
Der nüchterne Befund lautet: Das journalistische Feld ist in
seiner Breite nicht dazu ausgelegt, „die da oben“ so zu
kritisieren, wie es angebracht wäre (man denke als positives
Gegenbeispiel an den Auftritt
https://www.youtube.com/watch?v=zxS4JJ17h1c
des niederländischen Journalisten Rob Savelberg bei der
Pressekonferenz zur Vorstellung des Koalitionsvertrages der neu
gewählten Bundesregierung im Jahr 2009). Kritische Mediennutzer
erkennen, dass es unsichtbare, implizit ausgehandelte rote Linien
zwischen Journalisten und Politikern gibt, die als Grenzen festlegen,
was als legitime Kritik erlaubt ist und was nicht. Anders gesagt: Das
Versagen des Journalismus, wenn es darum geht, den Mächtigen richtig
auf den Zahn zu fühlen, hat maßgeblich mit dazu beigetragen, dass
politische Weichensteller über Jahrzehnte eine Politik betreiben
konnten, deren Auswüchse sich nun immer deutlicher abzeichnen.
Armut und speziell auch Kinderarmut in Teilen unserer Gesellschaft,
katastrophale Fehlentwicklungen im sozialen Wohnungsbau, die
Ausbreitung neoliberaler Denkkategorien bis ins Innerste von Politik
und Gesellschaft, und, nicht zuletzt: Ein Umgang mit unserer Umwelt,
der für uns alle nun zu einer Bedrohung geworden ist.
Man muss es so deutlich sagen: Medien tragen an diesen
Entwicklungen Mitschuld. All die unterlassenen kritischen Fragen, all
die Beschönigungen, die wir unentwegt aus den Medien hören („uns
geht es gut“), die offene oder mehr oder weniger verschleierte
Unterstützung der Herrschenden von Journalisten, durch die selbst
die größten Schweinereien noch flankiert werden (Kriege,
Kriegsstimmung schüren, Stichwort: Russland): Der herrschaftsnahe
Journalismus ist die täglich zu beobachtende Realität.“
Quelle: Westend Verlag
Nicht einmal Journalisten selbst
wollen den Kern der Probleme in ihrer Branche verstehen
Das Erschreckende für mich: Spricht
man mit Journalisten – wie ich das kürzlich während eines Treffs
von Medienleuten tat – über den realen üblen Zustand des
Journalismus in diesem unserem Lande, gestehen die zwar zu, dass da
einiges im Argen ist. Mitnichten aber erkennen sie anscheinend die
Grundprobleme. Wollen nicht mitbekommen haben, dass die Tagesschau
kaum noch ihrer Aufgabe nachkommt, Nachrichten so zu überbringen,
dass ich mir als Rezipient selbst eine Meinung bilden kann –
sondern im Gegenteil mir quasi verklickert wird, was ich zu denken
habe! Und nicht nur allein bei der Tagesschau ist das so. Da wird
Meinung gemacht. Das wird immer öfters Papageien-Journalismus
betrieben. Da wird nicht nur die Meinung der Bundesregierung oder der
Nato herausgetrötet. „Papageien-Journalismus“ leitet sich
wohl von einer Typisierung von „Verlautbarungsjournalismus“
(Definition: kritiklose Berichterstattung in den Medien zu mehr oder
weniger vorgegebenen Themen in mehr oder weniger vorgegebener
Darstellung) ab, wie sie bereits Kurt Tucholsky prägte, der von den
„Papagei-Papageien“ gesprochen hatte, die einfach nur etwas
nachplappern, was man ihnen vorsetzt – wie verwendet in einem
Beitrag
von Wolfgang Lieb, einem früheren Herausgeber der „NachDenkSeiten“.
Eine bedenkliche Entwicklung
Ja, im Journalismus ist einiges im
Argen. Und immer mehr Menschen erkennen dies. Doch nicht genug. Es
sollten mehr werden. Eine wirklich äußerst bedenkliche Entwicklung
gerade in Zeiten, da unsere Demokratie bedroht und auch schon schwer
angekratzt ist. Mich als gewesener DDR-Bürger, der nicht nur in
diesem verflossenen Land oft mit Kopfschütteln und Magengrummeln
Medien rezipiert, sondern als Volkskorrespondent selbst auch für sie
ehrenamtlich schreibend tätig war, schmerzt dieser Zustand des
Journalismus umso mehr. Für gewöhnlich bin ich nicht naiv. Doch in
der Umschwung- und Wendezeit Ende 1989 schrieb ich aufgekratzt –
zuvor über Ungarn in den Westen gedüst- an meine hauptamtlichen
JournalistenkollegInnen in meiner zuständigen Redaktion in Halle an
der Saale von der Festung Ehrenbreitstein über dem Deutschen Eck aus
Koblenz auf einer Ansichtskarte optimistisch, sie könnten wohl nun
endlich freien und kritischen Journalismus machen. Ein bisschen
schäme ich mich heute dafür.
„Wir brauchen ein neues
Mediensystem“ obwohl mit Bordieu gesagt die Lage „sehr dagegen“
spricht
Ich zitiere nochmal Pierre Bourdieu
(wie ihn der Autor Marcus B. Klöckner oft in seinem Buch zu Wort
kommen lässt): Frage an Pierre Bourdieu: „Kann sich dieses Milieu
[das der Journalisten]
reformieren?“ Antwort Bourdieu (im Jahr
1995: „Die Lage spricht sehr dagegen.“ (S. 215)
Klöckner hebt in seinem Fazit so an:
„Der erste Schritt hin zu einem fundamental herrschaftskritisch
ausgerichteten Journalismus besteht darin, die journalistischen
Produkte radikal zu hinterfragen.“
Das geschieht. Lösungsmöglichkeiten
müssen dann folgen. „Wir brauchen ein neues Mediensystem“ hat
Klöckner sein „Fazit“ überschrieben. Und wohl auch andere
Personen an den Schlüsselpositionen in den Medien – Ketzer!
Klöckner zitiert Rupert Lay (katholischer Theologe, Psychotherapeut
und Unternehmensberater) bezüglich der Definition dieses Wortes:
Ketzer seien Menschen, „die an der Peripherie, weitab vom
ideologischen Zentrum stehend, neue Antworten auf alte Fragen geben;
neue Fragen stellen, die Antworten einfordern, die unangenehm, die
beängstigend sind und nicht konform gehen mit der allgemeinen
Selbstverständlichkeit“.
Um zuzuspitzen, so Klöckner, könnte
man nun rufen: „Ketzer in die Redaktionen!“ Was vielleicht zu
einfach wäre.
Recht aber hat Klöckner: Wir brauchen
ein neues (herrschaftskritisches) Mediensystem. Aber gleichermaßen
auch damit: dass dann gerade in der Hochzeit des brutalen,
gesellschaftszerstörenden Neoliberalismus auch mit harte Gegenwehr
zu rechnen ist.
Und ebenfalls damit, dass wir uns
gerade deshalb „darüber im Klaren sein“ müssen, „dass eine
tatsächlich funktionierende Presse für unsere Gesellschaft von
elementarer Bedeutung ist. Und gibt der Autor zu bedenken: „Je
herrschaftsnaher Medien sind, je weniger Medien bereit sind,
politische Weichenstellungen fundamental zu kritisieren, umso
wahrscheinlicher wird es, dass Politik sich mehr und mehr an den
Interessen der Eliten und Machteliten in unserer Gesellschaft
ausrichtet.“
Verschwindet die Wächterfunktion
journalistischer Medien, bricht eine zentrale Säule der Demokratie
weg
Mit dem zunehmenden Wegbröckeln bzw.
Verschwinden der Wächterfunktion journalistischer Medien, werde es
so sein, „als wäre eine zentrale Säule der Demokratie
weggesprengt worden.“ Viele Bürger würden erkennen, stellt
Klöckner fest, „dass weder Politik liefere, was sie solle, noch
Medien lieferten, was sie versprächen. Ergo würden sich auch immer
mehr Bürger im Klaren darüber sein, „wie groß die Gefahren sind,
die sich aus einem Journalismus ergeben, der zu einer fundamentaler
Herrschaftskritik kaum noch in der Lage ist“.
Zu Recht stünden die Medien in der
Kritik, resümiert Marcus B. Klöckner. Ich schließe mich seiner
Hoffnung an, dass „noch mehr Bürger begreifen, wie groß die
Gefahren, die sich aus einem dysfunktionalen Mediensystem ergeben,
sind.“
„Wo aber Gefahr
ist, wächst / Das
Rettende auch“, heißt es in der ersten Strophe der
15strophigen Hymne „Patmos“ von Friedrich Hölderlin. Ist
das so?
Ich halte es mit Klöckner: „Die
Kritik an den Medien muss noch lauter werden.“
Das hier besprochene Buch wird
zweifellos kompetent dazu beitragen. Es gesellt sich aus meiner Sicht
verdienstvoll zu einer Reihe ebenfalls hervorragender im Westend
Verlag erschienener medienkritischer Bücher hinzu. Es sagt, was ist!
HartzIV-Leistungen dienen in erster Linie dazu, hilfebedürftigen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, auch wenn diese keiner Tätigkeit nachgehen und daher nicht über ein geregeltes Einkommen verfügen. Neben dem üblichen Regelsatz, stehen den Leistungsbeziehern jedoch noch weitere Ansprüche zu. Welche das sind und wer überhaupt einen Anspruch auf die HartzIV-Leistungen hat, klärt die Interessengemeinschaft Sozialrecht e.V. auf ihrem kostenlosen Ratgeberportal.
Von Isabel Frankenberg
In Deutschland hat jeder Mensch, welcher seinen Job verliert und dadurch in eine Arbeitslosigkeit abrutscht, automatisch Anspruch auf Arbeitslosengeld II (ALG II). Dies wird durch das zweite Sozialgesetzbuch (SGB II) geregelt. Bevor diese Leistungen jedoch in Anspruch genommen werden können, erhält der ehemalige Arbeitnehmer zunächst Arbeitslosengeld I (ALG I). Erst wenn der Anspruch auf dieses Abläuft, kann ein Antrag auf Hartz IV beim zuständigen Jobcenter eingereicht werden. Dieser kommt für alle Personen in Betracht, die laut § 7 Absatz 1 SGB II, folgende Voraussetzungen erfüllen:
die Person hat das 15. Lebensjahr vollendet
die Person ist hilfebedürftig und erwerbsfähig
die Person hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
Sind die Voraussetzungen gegeben, so dass ein tatsächlicher Anspruch auf Hartz IV besteht, erhält der Betroffene einen Bewilligungsbescheid vom Jobcenter und somit die Grundsicherung. Hilfsbedürftigkeit liegt in diesem Zusammenhang immer dann vor, wenn der Betroffene seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, da er weder über ein geregeltes Einkommen, noch über ein Vermögen verfügt.
Wie schon erwähnt, gibt es eine Vielzahl von Leistungen, auf die Hartz IV-Bezieher einen Anspruch haben. Die wohl bekannteste ist der HartzIV-Regelsatz. Hierbei handelt es sich um einen monatlichen Beitrag, welchen der Leistungsempfänger erhält, um davon seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Unter den Lebensunterhalt fallen Anschaffungen, wie Lebensmittel, Kleidung aber auch die Kosten für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Wie hoch der Regelsatz ausfällt ist unterschiedlich und vom Einzelfall abhängig. Grundsätzlich werden die Bedürftigen jedoch in verschiedene Regelbedarfsstufen eingeteilt, so dass Alleinerziehende seit dem 01. Januar 2018 monatlich 416 Euro erhalten, während Kindern zwischen 6 und 14 Jahren 296 Euro monatlich zusteht.
Hinsichtlich des Regelsatzes werden immer wieder Anpassungen vorgenommen. Zudem gelten diese nur, wenn der Betroffene weder über Einkommen noch über ein Vermögen verfügt. Ist dies doch der Fall, findet eine Anrechnung statt, so dass sich der monatliche Betrag verringert.
Foto: Petra Bork via Pixelio.de
Neben dem Regelsatz erhalten Leistungsempfänger eine Übernahme der Unterkunfts- und Heizkosten. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine angemessene Miete und Wohngröße. Was als angemessen gilt, ist von der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen abhängig. Während ein alleinstehender Leistungsbezieher eine Wohnung von 50 qm beziehen darf, gelten in einer Bedarfsgemeinschaft von 3 Personen 75 qm als angemessen. Die Mietkosten werden von dem örtlichen Mietspiegel abhängig gemacht und sind je nach Region und Stadt sehr unterschiedlich angesiedelt.
In einigen Fällen besitzen die Leistungsbezieher zudem einen Anspruch auf Mehrbedarf. Dieser wird zusätzlich zum Regelsatz gezahlt. Grund dafür ist, dass der Regelsatz nur knapp bemessen ist und oft nicht dazu ausreicht, bestimmte Anschaffungen zu tätigen. Unter besonderen Umständen können diese dann durch den Mehrbedarf abgedeckt werden, welcher zusätzlich zum monatlichen Regelsatz ausgezahlt wird. Folgende Umstände können einen Mehrbedarf rechtfertigen:
Schwangerschaft
Behinderung
Alleiniges Großziehen eines Kindes
Kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen
Dezentrale Warmwasserversorgung
Handelt es sich bei den Anschaffungen um sehr teure Objekte, können diese in der Regel nicht getätigt werden. Unter Umständen besteht jedoch die Möglichkeit, ein Darlehen beim Jobcenter zu beantragen. Wird der Antrag genehmigt, zahlt das Jobcenter einen zinslosen Kredit, welcher umgehend zurückgezahlt werden muss. Um dies zu gewährleisten, werden dem Leistungsbezieher in den Folgemonaten 10% des monatlichen Regelsatzes abgezogen und vom Jobcenter einbehalten.
Weitere Informationen zum Thema „Hartz IV-Leistungen“ finden Sie unter www.hartz4.net.
Die Interessengemeinschaft Sozialrecht e.V.
Die Interessengemeinschaft Sozialrecht e.V. wurde im Januar 2017 vom Rechtsjournalisten Marcel Weber in Berlin gegründet. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Transparenz im Bereich Sozialrecht zu schaffen, um interessierten Bürgerinnen und Bürgern einen Einblick in die wichtigsten Themen zu bieten.
Ziel und Zweck der Interessengemeinschaft e.V. ist die Beobachtung sozialrechtlicher Entwicklungen, Analyse und Kommentierung aktueller Rechtsprechungen sowie der Bereitstellung von Informationen und Hilfestellungen für Leistungsempfänger und Interessierte. Dabei verfolgt der Verein keinerlei eigenwirtschaftliche Zwecke. Die Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden. In ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Vereins erhalten diese keine Zuwendungen oder Gewinnanteile aus Mitteln des Vereins.
Hinweis: Fotos (via Pixelio.de) von clausstille.com hinzugefügt.
Willy Wimmer: „Es wird gezündelt, dass es nur so kracht.“, Foto: birgitH via Pixelio.de
Sehenden Auges müssen wir erleben wie „neue Eliten“ unseres Landes in der Politik wie in den meinungsmachenden Medien das Verhältnis zu Russland offenbar gewissen- und bedenkenlos ruinieren. Was die Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs bis hin zur daran anschließenden Politik Helmut Kohls an Entspannung des Verhältnissen der BRD zur Sowjetunion und später Russlands, einem Land, welchem wir Deutschen die Wiedervereinigung in hohem Maß verdanken, aufbauten, tritt eine neue Generation von Politikern und führenden Journalisten die Entspannungspolitik seit Jahren in die Tonne. Ein Spiel mit dem Feuer.
Dass es allerdings (noch) Politikerinnen und Politiker gibt, die die Tassen im Schranke haben, bzw. alles dafür tun, dass zumindest einige Tassen im Schranke des arg ruiniertem deutsch-russischen Verhältnisses einigermaßen unbeschädigt bleiben, zeigen als Beispiele nicht nur die frühere ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz und Brandenburgs einstiger Ministerpräsident Matthias Platzeck, sondern auch Antje Vollmer, die Theologin, ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Grünen-Politikerin.
Antje Vollmer im Interview mit den NachDenkSeiten
„Wir sehen eine ständige Aufrüstung – militärisch und mit Worten“, sagt Antje Vollmer im Interview mit den NachDenkSeiten unter der Überschrift Antje Vollmer: „Wer sich für Mäßigung im Umgang mit Russland einsetzt, muss sich warm anziehen“
Die NachDenkSeiten schreiben: „Die ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages warnt eindringlich vor einer weiteren Zuspitzung des Konflikts mit Russland und kritisiert mit deutlichen Worten Politik, Medien, aber auch ihre eigene Partei. Wer sich als Pazifistin und Befürworterin einer Entspannungspolitik innerhalb der Grünen-Partei stark mache, komme einem „Alien von einem fernen Stern“ gleich. Ein Interview von Marcus Klöckner über die Entspannungspolitik der alten Bundesrepublik und die Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik durch die „Nachwende-Eliten“.
Antje Vollmer in einem Aufruf vom 12. April 2018 via Blog Antje Vollmer
Dialog statt Eskalation –
Für eine vernünftige Russlandpolitik
Mit großer Sorge beobachten wir den sich zuspitzenden Konflikt zwischen
Russland und dem Westen. Gegenseitige Sanktionen, die Schließungen von
Einrichtungen und Dialogforen, die einmal der Verständigung und Kooperation
dienten, folgen in immer schnellerem Rhythmus. Wir haben es inzwischen mit
einer beunruhigenden Entfremdung zu tun. Das gegenseitige Verhältnis ist
bestimmt von gegenseitigen Schuldzuweisungen, Verdächtigung und
Sind die Toten vorangeganener Krieg angesichts neuer kriegerischer Auseinandersetzungen vergessen?; Photo: Maren Beßler via Pixelio.de
Valentin Falin ist am vergangenen Donnerstag verstorben. Ein liebenswerter Mensch, ein großartiger Diplomat, den ich stets geschätzt habe, hat uns verlassen. Er war ein Freund der Deutschen und als Diplomat jemand, der Geschichte hautnah erlebte und später aus ihr gelernt habend bis zuletzt dementsprechend gehandelt hat. Seinen Hinterbliebenen gilt unser herzliches Beileid. Uns sollte dieser großartige Mensch unvergessen bleiben.
Der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär und langjährige Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer hat anlässlich des Todes Valentin Falins ein Schreiben an RT Deutsch gerichtet, das der Sender wie folgt dokumentierte:
von Willy Wimmer
Diese Nachricht erfüllt mich mit großer Trauer. Mit Valentin Falin ist ein großer Europäer und bedeutender Sohn des russischen Volkes heimgegangen. Er ist nicht mehr unter uns und er wäre für uns gerade jetzt so ungeheuer wichtig. Valentin Falin war das historische Gewissen eines geschundenen Kontinentes und er hat die globalen Herausforderungen wie kein zweiter Mensch gesehen.
Er war Deutschland und dem deutschen Volk verbunden und das in der ganzen Dimension, die man nur ermessen kann, wenn man sich nicht der Propaganda, sondern der Geschichte verpflichtet fühlt.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, stünde das gemeinsame Haus Europa schon längst. Stattdessen müssen wir erleben, dass wir in Europa wieder gegeneinandergehetzt werden und man sich in Moskau fragen muss, warum das russische Volk nach allen Leiden dieses Jahrhunderts sich so für das Ende des Kalten Krieges und die Einheit des ehemaligen Kriegsgegners Deutschland eingesetzt hat?
Wenn ich an Valentin Falin denke, sehe ich seine Gattin, die ihn stets begleitete und die die deutsche Sprache so spricht wie der werte Verstorbene sie geschätzt hatte. Wir trauern mit ihr und das von ganzem Herzen.
Ende September 1989 habe ich den langjährigen sowjetischen Botschafter in Bonn, Herrn Valentin Falin, zum ersten Male in Moskau sprechen können. Er sprach über die deutsche Einheit, als – außer Kohl und Genscher – das in Bonn kaum jemand hören wollte.
Er sprach aber auch über gewaltige Migrantenbewegungen, die unseren gemeinsamen Kontinent heimsuchen würden. Valentin Falin war im alttestamentarischen Sinne ein Seher.
Was machen wir aus dem, was er uns hinterlassen wollte?
Infos zum Stück: Komponist: Frédéric Chopin Stück: Trauermarsch (Marche funèbre)
Hinweis: Wissenswertes über und Aussagen zu Valentin Falin hat Sputnik Deutschland zusammengestellt.
Update vom 26. Febrauar 2018: Beigefügt eine Videoaufzeichnung von KenFM mit einem Interview, welches Ken Jebsen mit Valentin Falin vor einiger Zeit in Moskau führte
Kritisch-bissige und später nicht selten arg kontrovers diskutierte Texte von Albrecht Goeschel haben Sie, liebe LeserInnen, schon des Öfteren hier zu lesen bekommen. Zu berüchtigten Aufregern wurden gleichermaßen die Interviews, geführt mit Prof. Goeschel von einer Autorengemeinschaft der Accademia ed Istituto per la Ricerca Sociale Verona (u.a. hier). Ein weiteres dieser Interviews hat übrigens Albrecht Goeschel kürzlich per Mail angekündigt.
Die Rückkehr des „Raumes“ in den politischen Diskurs
Im ausgehenden Jahr 2017 ist bei Telepolis ein Text erschienen, welchen Albrecht Goeschel zusammen mit den Autoren Rudolf Martens und Markus Steinmetz verfasst hat. Darin geht es um die „Rückkehr des Raumes in den politischen Diskurs“.
Des Weiteren dreht es sich im Text um den „Krankenhausputsch“, „Wettbewerbsföderalismus“, „Sozialstaatskolonialismus“, „Raumkosmetik“ und im letzten Absatz um „Karl Marx: Kosmopolitisches Bordell und Vaterland als Parzelle“ Kein einfacher Text – wie ich zumindest finde -, welcher auf Anhieb zu verdauen ist.
Nicht zuletzt geht es in dem Artikel um Peripherisierung und deren Auswirkungen. Wovon wir gewiss alle mehr oder weniger bereits betroffen sind bzw. sein werden. Am Ende des Telepolis-Beitrags sind sich deren Verfasser sicher:
„Wie auch immer: Hinnahme oder Abwehr von „Peripherisierung“ stehen im kommenden Jahrzehnt auf der Tagesordnung.“
Zum Telepolis-Beitrag „Revanche der Peripherie“ erklärt Albrecht Goeschel seinerseits ergänzend:
Der Linkssektor rätselt schon geraume Zeit darüber nach, warum es zurück und nicht voran geht. Die angebotenen Analysen bleiben bei pauschalen Meßgrößen (Geschlecht, Alter, Beruf, Bildung etc.) kleben. Dabei machen erst die regionstypische Mischung und Gesamtlage eine Lebenslage daraus. Das Problem der Sozialdemokraten ist ihr Staats- und Zentralisierungsfetischismus – deshalb ist die Dimension „Raum“ für sie per se negativ besetzt. Bei den Grünen dominiert „Diversity“ – und da kommt „Raum“ nicht vor. Die LINKE hält sich an die Raumordnungsvorschriften aus GG, Raumordnungsgesetz etc., erst wenn es ein „Gegen den ländlichen Raum“-Gesetz gäbe, würde sie aktiv.“
Zum empfohlenen Beitrag „Revanche der Peripherie“ auf Telepolis vom 17. Dezember 2017 geht es hier.
Ein Blog zu Themen, die unsere Lebenskultur ausmachen. Die Liebe zur Schöpfung, Tägliche Arbeit mit Freude, Frieden, Arbeit am Energiefeld, Kunst, Meinungsfreiheit, Liebe. Wenn wir die Schöpfung lieben, dann sind die Kriege und das Gift Vergangenheit.