Gleichmal Butter bei die Fische. Wie man im Ruhrpott zu sagen pflegt. Nicht nur meiner Meinung nach ist der Journalismus in Deutschland schwer auf den Hund gekommen. Beziehungsweise gebracht worden. Beides spielt zusammen. Gründe dafür gibt es viele. Aber nichts ist darunter, was das entschuldigen könnte. Positive Erscheinungen bestätigen die Regel.
Selbst – in der DDR geboren und aufgewachsen – interessierte ich mich von frühen Jahren für Journalismus. Ich „frass“ Zeitungen geradezu. Und freute mich, als unsere Staatsbürgerkundelehrerin seinerzeit eine Schulzeitung (sie hieß Schulkurier) ins Leben rief. Es ward eine Redaktion zusammengestellt, in welcher ich für Außerschulisches zuständig war. Interessante Einblicke boten sich mir, woraus Erkenntnisse erwuchsen. Später unterbrachen Lehre und Wehrdienst bei der NVA mein Faible fürs Schreiben eine Zeitlang. Wieder im Beruf des Elektromonteurs und dann meiner Arbeit an einem Theater als Beleuchter zog es mich wieder zum Reportieren und Schreiben hin. Als Volkskorrespondent (sozusagen Laienjournalist mit kleiner Honorierung für Artikel) berichtete und schrieb ich für die Bezirkszeitung in meiner Stadt. Das machte Spaß und brachte mich in Kontakt mit interessanten Menschen und Institutionen. Man konnte auch durchaus Kritisches aufgreifen. Und ließ dies dann geschickt zwischen den Zeilen durchscheinen. Allerdings war klar (die Zeitung war eine der Bezirkszeitungen der SED, der führenden Partei in der DDR), dass einem da verständlicherweise gewisse Grenzen gesetzt waren. Das war einem klar und man arrangierte sich – so manches Mal zähneknirschend – damit. Die Schere im Kopf arbeitete beim Schreiben immer mit.
Als ich eines Tages von dieser Zeitung das Angebot einer Delegierung an eine Fachhochschule zwecks Ausbildung zum Journalisten bekam, war ich begeistert – aber ad hoc auch hin- hergerissen. Schließlich wurde erwartet, dass ich Mitglied der SED und damit „Parteijournalist“ würde. Ein fester Klassenstandpunkt im Sozialismus und das entsprechende Klassenbewusstsein (heute wird Haltungsjournalismus verlangt – ich komme noch darauf). Schließlich schlug ich das Angebot nach tagelanger Überlegung schweren Herzens aus. Denn ich bekam ja seinerzeit nicht nur Lob für meine Artikel, sondern auch manche Beschimpfung seitens einiger Kollegen meiner Arbeitsstätte, der Art: „Was haste denn da wieder in die Zeitung geschmiert.“
Meine Absage gründete sich auch auf die Situation eines Kulturredakteurs der Zeitung, welcher mir anlässlich manchen Theaterbesuchs (er schrieb u.a. Premierenkritiken) zu später Stunde während der Premierenfeier, wo er sich meist mit diversen Alkoholika die Kante gab, sein Leid als mehr oder weniger unglücklicher Journalist klagte. Dabei war er ja immerhin schon froh, dass er nicht in der Politik-Redaktion arbeiten musste.
Würde mich nicht auch so ein Schicksal wie das des besagten Kulturjournalisten erwartet haben, würde ich als Journalist dieser Zeitung gearbeitet haben? Hätte ich bestimmte „Kröten“ lieber schlucken sollen? Tempi passati …
Vorbilder im Westen
In der DDR sahen wir ja (außer im Raum Dresden – spöttisch als ARD bezeichnet) regelmäßig Westfernsehen. Ich war begeistert von Journalisten, wie Peter Scholl-Latour, Gerd Ruge, Klaus Bednarz, Gabriele Krone-Schmalz und anderen. Um nur einige zu nennen.
Wobei mir klar war, dass auch in der BRD nicht alles Gold war, was glänzte. Entsprechende kritische Berichte in Politmagazinen wie MONITOR, Panorama etc. brachten ja Unzulänglichkeiten und Skandale alljährlich an den Tag.
Auch bei westdeutschen Zeitungen waren damals in den 1970er und 1980er Jahren nicht bei jeder Redaktion jeder kritische Artikel willkommen. Zeitungen sind ja sogenannte Tendenzbetriebe. Dort bestimmt sozusagen der Verleger die politische Ausrichtung und somit, was ins Blatt kommt und was nicht. Aber Journalisten hatten ja damals durchaus eine gewisse Auswahl und konnten zu anderen Zeitungen wechseln.
Der Journalismus in Westdeutschland war zudem aber lange Zeit auf jedem Fall viel pluralistischer, als das heute der Fall ist.
Heute geht es gleichgerichteter zu, um es vorsichtig zu formulieren. Und es kam von bestimmter Bürgerseite der Vorwurf „Lügenpresse“ auf. Der Journalist Ulrich Teusch sprach passender von „Lückenpresse“. Und das betrifft auch die Öffentlich-Rechtlichen. Immer mehr Leute üben heruzutage zu Recht Kritik daran.
„Journalisten sind dumm“
Neulich hörte ich aus dem Mund einen gestandenen konservativ verorteten Journalisten in einer Radiosendung sagen: „Journalisten sind dumm.“ Nun, für manche dürfte das wirklich zutreffen, wenn man hört oder liest, was sie gerade jetzt in Zeiten hochgefahrener Kriegspropaganda von sich geben. Aber dieser Satz kann und soll wohl auch anders verstanden werden: Nämlich derart, dass eben auch Journalisten nicht alles wissen (und auch nicht wissen können). Das Schlimme ist jedoch: Bestimmte Journalisten tun im Brustton der Überzeugung und nicht selten auf überhebliche Weise (man muss sich nur mal an die Corona-Zeit erinnern! Ein Buch von Jens Wernicke und Marcus Klöckner haben ein Buch dazu veröffentlicht: hier) als hätten sie die Weisheit mit Riesenlöffeln gefressen.
Journalismus in den Orkus? Sagen, was ist!
Also, welches Fazit sollen wir angesichts des jämmerlichen Zustands des momentanen Journalismus ziehen: Fort mit ihm in den Orkus? Und dann? Klar, den auf den Hund gekommenen Journalismus wieder zu dem zu machen, wie er im Buche steht, braucht es Mut und jede Menge Kraft und Verstand. Denn so wie es ist, kann es schließlich nicht bleiben.
Und dieser dann „neue“ Journalismus musst unbedingt wieder das Credo eines Rudolph Augstein „Sagen, was ist“ beherzigen und mit Leben erfüllen. Dies tut ja selbst längst nicht mehr das einstige Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Einer jungen Journalistin wie Julia Ruhs, deren Buch hier zur Debatte steht, traue ich zu, dazu beizutragen. Schon deshalb nenne ich deren Veröffentlichung ein wichtiges Buch
Zu Julia Ruhs schrieb Tobias Riegel auf den NachDenkSeiten:
«Der NDR hat sich von Moderatorin Julia Ruhs getrennt, wie Medien berichten. Künftig soll Ruhs nur noch in Folgen der Diskussionssendung „Klar“ zu sehen sein, die vom Bayerischen Rundfunk produziert werden. Laut einer Pressemitteilung des BR am Mittwoch sucht der NDR nun nach einer neuen Moderatorin. Die Sendung wird im Wechsel von den beiden Sendern produziert.
Eindruck der Intoleranz
Diese Entscheidung (weitere Hintergründe und Reaktionen finden sich etwa in diesem Artikel) hat eine große Diskussion ausgelöst. Der Schritt des NDR macht meiner Meinung nach einen schlechten Eindruck und ist abzulehnen: Auch wenn ich mit den Inhalten von Julia Ruhs persönlich nichts anfangen kann, so finde ich doch, dass auch eine solche Stimme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgehalten werden muss. Ruhs hat sich in dieser Nachricht auf X zu dem Vorgang geäußert. [ … ] Quelle: NachDenkSeiten«
Im Vorwort zu ihrem Buch schreibt Ruhs:
«In meinem Freundes- und Bekanntenkreis ist Medienschelte
nicht ungewöhnlich. Viele von ihnen haben ein Unwohlsein
entwickelt mit der Berichterstattung. Sie finden, Journalisten
nähmen sich zu viel heraus, sagten einem mit ihrer
Berichterstattung schon, welche Route der Kopf nehmen
soll. „Einordnung“ würden wir das nennen, dabei sei das,
was wir tun, vielleicht nicht immer gleich „Meinungsmache“,
zumindest aber „Meinungslenkung“. Die Infos herauszusortieren,
die nicht ins Weltbild passen. So Kontext zu
verschweigen. Die Fakten hineinzupacken, die der eigenen
Weltsicht in die Karten spielen. Framing. Manipulation.«
Und auch:
«Wer das Gendern doof findet, die Frauenquote ebenso,
illegale Migration ablehnt – und all das tue auch ich –, der
wird schnell gemaßregelt und zurechtgewiesen. Der muss
ständig aufpassen, dass ihm nicht fragwürdiges Gedankengut
unterstellt wird. Wenn dann noch die Falschen applaudieren
und die Richtigen schweigen, kann es passieren,
dass das Etikett an einem kleben bleibt. Dann ist man raus
aus dem Diskurs. Verbannt hinter die unsichtbaren Stadtmauern
unserer modernen Welt.«
Zuzustimmen ist ihr unbedingt hier:
«Echte Toleranz zeigt sich erst, wenn wir etwas ertragen,
das wir ablehnen oder sogar gefährlich finden. Denn nur
allzu oft gehört auch das noch längst zum demokratischen
Meinungsspektrum dazu.
Diese ganze mediale Dynamik wirkt auf mich oft so, als
solle die öffentliche Debatte nicht breit, sondern innerhalb
politisch erwünschter Narrative gehalten werden. Innerhalb
bestimmter Meinungskorridore. Medien definieren so, was
eine „erlaubte“ Meinung ist und was als „unerlaubte“ Meinung
gilt. Sie scheinen außerdem zu oft ein Thema richtig
groß zu machen, ein anderes aber liegen zu lassen. Mal übertrieben zu problematisieren, dann mal unkritisch abzufeiern.«
Was man zum Buch wissen muss
«Julia Ruhs war stets überzeugt, ganz normale Meinungen zu vertreten – bis sie Journalistin wurde. Sie sprach sich als Volontärin in der ARD gegen das Gendern aus und warnte später in einem Kommentar der „Tagesthemen“ vor illegaler Einwanderung. Sie sprach sachlich und mit Bedacht Themen an, die viele Menschen im Lande bewegen. Aber plötzlich war sie eine Exotin im Metier. Die Reaktion war ein linker „Shitstorm“, leider Normalität heutzutage. Die Politikjournalistin Julia Ruhs ist Reporterin beim Bayerischen Rundfunk sowie Kolumnistin für Focus Online. Dieses Buch ist ihr Plädoyer für eine offene Debattenkultur, in der auch kritische und unbequeme Meinungen Gehör finden müssen. Sie hinterfragt, gerade als Journalistin, den herrschenden Zeitgeist, der offenbar nur eine Richtung zuzulassen scheint. Und sie verdeutlicht, warum manche Meinungen laut und andere leise sind, warum Konservative im Journalismus Mangelware sind, weshalb sich Journalisten für besonders mutig halten, um trotzdem lieber mit dem Strom zu schwimmen. Und sie dokumentiert, wie ein Berufsstand, der Neutralität predigt, immer stärker polarisiert.«
Julia Ruhs über sich:
«Ich hatte immer ganz normale Meinungen – bis ich Journalistin wurde. Plötzlich war ich die Exotin. In der ARD öffentlich gegen das Gendern sein? In den Tagesthemen vor zu viel Zuwanderung warnen? Zack, schon war der linke Shitstorm da. Weil ich angeblich so ‚rechts‘ bin. Dabei denke ich wie viele Menschen in diesem Land. Nur offenbar nicht wie die Journalistenwelt.«
Julia Ruhs praktiziert eine sachliche unaufgeregte Analyse und lässt widerstreitende Meinungen zu Wort kommen, die anderswo unter den Tisch fallen oder als AfD-Sprech verteufelt werden
Julia Ruhs analysiert den statt habenden Journalismus akribisch und sachlich. Sie beklagt den sich verengt habenden Meinungskorridor sowie das oft belehrend daherkommende im Journalismus. Passend hierzu eine in der DDR sozialisierte Dame, die mit Julia Ruhs telefonierte und ihr sagte: „Es wird uns aufgezwungen, was wir zu denken, zu reden, zu essen, zu tun haben.“
«Man werde dauerberieselt, von wegen „die AfD ist scheiße, das sind alles Nazis, ihr solltet alle gendern.“ Und sie fügte dann trotzig hinzu:
„Aber wir lassen uns nicht irgendein Gedankengut überstülpen! So tickt der Osten. Wir haben viel mehr diese
Antennen, was wirklich um uns herum passiert.“ (S.22)
Diese Antennen haben die Menschen im Osten der Republik in Jahrzehnten entwickelt. Sie sind fein abgestimmt auf das, was sie empfangen und regieren sensibel.
Bezüglich des angeblichen Klimawandels, Geschlechterdebatte und bezüglich der Migration. Und Julia Ruhs belegt das mit zahlreichen Zuschriften aus dem Publikum. Sie bemerkte, dass in Ostdeutschland die Menschen oft sensibler und dementsprechend kritischer reagieren. Auch weil sie es lernten zwischen den Zeilen zu lesen. Kein Wunder: Denn sie haben jahrzehntelang unter vielfältiger Agitation eines Sozialismus, der m.E. keiner war, gelebt. Besonders über Zeitungen Rundfunk und Fernsehen. Weshalb DDR-Bürger nicht selten auf Westkanäle umschalteten. In der Realität jedoch sah vieles ganz anders, als DDR-Medien es verkündeten und trüber auf. Diesen Menschen kann auch der Westen kaum etwas vormachen. Und so wenden sie sich ab und immer öfter gehen sie auch nicht mehr wählen oder wählen AfD in der Hoffnung, so könnte sich etwas verändern. Den anderen Parteien vertrauen sie nicht mehr. Die Enttäuschung ist im Allgemeinen groß führt eben auch zu einem Vertrauensverlust betreffs der Medien und dazu, dass Journalisten zum Feindbild werden. (S.20) Viele Menschen wendete sich auch Russia Today (RT Deutsch) zu. Für die, wenn man so sagen will, so etwas wie früher das Westfernsehen: ein Korrektiv. Deutschland aber erdreistete sich RT zu verbieten. Allerdings ist es für findige Menschen – über Umwege – trotzdem noch zu erreichen.
Und in der Nachrichtensendungen „Tagesschau“ und „heute“ gibt es kaum noch wirkliche Nachrichten, die nämlich dazu da sind, dass sich anhand dessen die Zuschauer sich eine eigene Meinung bilden können. Stattdessen wird in die Ohren der Menschen hineingetrötet, wie sie gefälligst zu denken haben.
Julia Ruhs dürfte sich betreffs journalistischer Arbeit dem alten lateinischen Rechtsgrundsatz audiatur et altera pars verpflichtet sehen, der wörtlich übersetzt bedeutet: „Es soll auch die andere Seite gehört werden.”
Drei m.E. fragwürdige Zeitgenossen
Dass der ehemalig ZDF-Mann Claus Kleber in Sachen Meinungskorridor mal etwas Richtiges anmerkte, wenn er sagt, dieser sei mal größer gewesen, hätte ich an Julia Ruhs Stelle nicht so prominent erwähnt. Wie wir wissen, ist Claus Kleber Mitglied der Atlantikbrücke und tickt dementsprechend. Klar, ihm brauchte in der Tat niemand aus der Regierung sagen, was er wie aufs Tapet zu bringen hat. Es ist glaubhaft, was er einmal beteuerte. Als Atlantikbrücke-Mitglied hat er das eh verinnerlicht. (S.34)
Ruhs schreibt: «Selbst der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier stellte bei einer Medienpreis-Verleihung in Hamburg schon im Herbst 2014 fest: „Vielfalt ist einer der Schlüssel für die Akzeptanz von Medien. Die Leser müssen das Gefühl haben, dass sie nicht einer einzelnen Meinung ausgesetzt sind.“ (S.34/35) Gut gebrüllt, Herr Steinmeier! Er ist einer größten Spalter hierzulande. Zur Erinnerung: Einer seiner Vorgänger (meines Einschätzung nach der letzte gute Bundespräsident), Johannes Rau, hatte folgendes Credo: „Versöhnen statt Spalten.“ Ebenso hätte ich Herrn Steinmeier nicht positiv hervorgehoben.
Selbst der stets eloquent wie pastoral daherredende Joachim Gauck (das SPD-Urgestein Albrecht Müller nannte ihn «Der falsche Präsident«) kommt bei Jula Ruhs zu Ehren:
«Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hat es einmal wunderbar treffend ausgedrückt: In einer vielfältigen
Gesellschaft könne es nicht nur harmonisch zugehen, sagte er. Streit sei der Lebenshauch einer lebendigen Demokratie – die Suche nach einem Konsens sei das Einatmen, der Streit das Ausatmen. Ein schönes Bild, oder? Deutschland braucht dringend wieder dieses tiefe Ein- und Ausatmen. Denn wenn wir zu oft die Luft anhalten, wächst bei manch einem der Zweifel, ob wir überhaupt noch in einer echten Demokratie leben.« (S.37) Gab es die denn je, möchte ich ketzerisch fragen.
Da stockt mir doch der Atem! Leute, haltet öfters die Luft an!
Apropos Zweifel: Karl Marx postulierte: „An allem ist zu zweifeln“
Man sehe mir meine kleine Meckerei nach.
Links-grünen Meinungsmacht. Julia Ruhs arbeitet das gut heraus und begründet so die Wahl ihres Buchtitels
Dass wir es mit einer „Links-grünen Meinungsmacht“ zu tun haben dämmerte selbst mir erst relativ spät. Julia Ruhs arbeitet das gut heraus und macht das an Beispielen fest.
Journalisten kommen oft aus gut situierten Akademiker – Haushalten
Dass es so ist, ist gewiss auch damit erklärlich, wenn man sich einmal informiert, woher künftige Journalisten meist kommen. Nämlich nicht selten aus Akademiker-Haushalten. Die obendrein durchaus links-grün eingestellt sind. Und die in der Regel auch gut situiert sind. Denn Praktika und auch Journalistenschulen kosten schließlich und sind meist außerhalb der Heimatorte. Oft sind auch dort die Mieten für Studenten nicht von Pappe. Wenige Eltern können ihre Sprösslinge entsprechend finanziell unterstützen.
Bei einer anderen Rezension zu einem Buch des Journalisten Patrik Baab fiel mir der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow ein. Auch er ist Journalist geworden. Er stammt aus keinem Akademiker – Haushalt. Die Familie lebte in einem Dortmunder Problemviertel. Ich zitiere aus dieser Rezension betreffs Bülow: «Das ist auch eine Geschichte für sich. Sie stammen oft aus Akademiker- oder sonst wie gut situierten Haushalten. Sie wohnen in Stadtvierteln, in welchen Menschen mit gleichem Hintergrund bevorzugt leben. Sie besuchen die gleichen Szenekneipen. Die rezipieren die gleichen Medien. Übrigens sagt dies der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow aus Dortmund, selbst gelernter Journalist auch von den über die Jahre frisch in den Bundestag gewählten Abgeordneten: „Als Bülow in den Bundestag kam, waren selbst allein in der SPD-Fraktion fast alle Akademiker gewesen. Doch ihre Eltern und Umfeld waren es nicht. Heute sehe es anders aus. Man kenne Probleme von Kindern aus Nichtakademikerfamilien überhaupt nicht, komme ja mit ihnen nicht in Berührung.« (Link zur Rezension des Baab-Buches, welches ich allen Journalisten nur ans Herz legen kann.)
Und gelinge dann Journalisten aus Nichtakademikerfamilien der Sprung in eine Redaktion, fehle ihnen der nötige Stallgeruch, liest man.
Als ein großes Problem empfindet Julia Ruhs den Haltungsjournalismus. Fast alle Redaktionen in den Medien hat er durchdrungen. Kritik am Haltungsjournalismus soll freilich nicht heißen, man solle keine Haltung haben. Wie wir alle wissen, hat jeder Mensch eine bestimmte Haltung. Heutzutage heißt Haltungsjournalismus, dass man als Journalist fürs Gendern, den Klimaschutz und die hundertprozentige Akzeptanz der Klimawandel-Theorie einstehen muss. Fraglos auch in der LGBTQ- und Geschlechterdebatte die „richtige“ Meinung haben muss. Jula Ruhs zitiert jemanden, der sagt Links und Rechts gebe es nicht mehr, sondern nur noch Gut oder Böse.
Unter Journalisten ist es eh verbreitet, dass man für das Gute eintreten möchte. Was verständlich ist. Man muss nur aufpassen, sich nicht zu vertun.
Diesbezüglich zitiert Julia Ruhs den einstigen Tagesthemen-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs zugeschriebenen Satz: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“
Julia Ruhs hat offenbar viel aus ihrer praktischen journalistischen Arbeit und obendrein aus den im Buch zitierten Mails, Zuschriften und Telefonaten mit Zuschauern mitgenommen und gelernt. Auch, wenn sie gesteht hin und wieder erzürnt über manches in der Medienwelt transportierte wütend sein kann, ist sie – was aus ihren Zeilen spricht – nicht pessimistisch. Nein, sie ist fest entschlossen, den Journalismus zusammen mit sich hoffentlich finden lassenden Mitstreitern wieder zu einem Journalismus zu machen, wie er eigentlich gedacht war. Was u.a. nur damit geht sich für mehr hohe Meinungsvielfalt einzusetzen und denn verengten Meinungskorridor wieder aufzustemmen, damit auch wieder Meinungen und Informationen sicht- und hörbar werden, die die Mächtigen allzu gerne verbergen möchte, weil sie ganz offenbar deren Kreise und Machenschaften stören. Dies muss auch für Meinungen und politische Ansichten gelten, denen man als Journalist nicht unbedingt zustimmt. Getreu dem lateinischen Rechtsgrundsatz audiatur et altera pars.
Aus dem Nachwort zum Buch
Zu den Nachrichten, welche sie von Zuschauern und Lesern erhält, hält Julia Ruhs im Nachwort zu ihrem Buch fest:
«Diese Nachrichten haben mir immer
wieder gezeigt, wie aufmerksam die Menschen sind. Wie
gut sie Zusammenhänge erkennen. Und dass wir Journalisten
uns ja nicht anmaßen sollten, zu glauben, wir lebten
intellektuell in höheren Sphären.
Doch ihre Nachrichten zeigen mir auch etwas anderes:
Frust. Enttäuschung über die Berichterstattung. Das
Gefühl, nicht gehört oder gar bewusst missverstanden zu
werden. Viele wenden sich ab, suchen Zuflucht bei alternativen
Medien und Social Media Accounts – und blicken
dann oft noch feindseliger auf die „etablierten Medien“.
Und auf meinen Arbeitgeber, den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk.
Ich bin überzeugt: Wenn klassische Medien wieder für alle da sind, alle Stimmen abbilden, Empathie auch für jene
zeigen, deren Meinung und Wahlentscheidung sie nicht
teilen, würde dies das gesellschaftliche Klima verändern.
Dann würde der Ton weniger unerbittlich, der Diskurs offener.
Wir brauchen wieder einen Debattenraum, in dem
niemand aus Angst vor Konsequenzen schweigt oder sich
in eine Nische zurückzieht.
Für alle da zu sein, kann auch bewirken, dass wir Vertrauen
in Medien zurückholen, gesellschaftliche Spaltung
überwinden. Und dieses Vertrauen brauchen wir dringend.
Denn mit einer Flut an Falschinformationen, Deepfakes also täuschend echten KI-generierten Bildern und Videos
– was bleibt uns dann in Zukunft noch, außer dem
Vertrauen der Menschen?« […]
Und schließt sie ab:
[…] «Aber dabei sollten alle Seiten fair bleiben. Journalisten
haben sich nicht verschworen, um zu lügen. Ich habe noch
keinen getroffen, der bewusst Lügen oder Regierungspropaganda
verbreitet. Genauso wenig sollten wir anderen unterstellen,
sie seien dumm, nur weil sie zu anderen Schlüssen
kommen. Jede politische Meinung, die auf dem Boden
des Grundgesetzes steht, hat ihre Berechtigung. Wer ausgrenzt,
treibt Menschen erst recht in die Radikalität.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die Streit nicht
als Bedrohung sieht. Sondern als etwas Notwendiges. Als
Fortschritt. Denn offene, kontroverse Debatten sind kein
Risiko für die Demokratie – sie sind ihr Motor.«
Gern und mit großem Interesse gelesen. Ein wichtiges Buch in schwierigen Zeiten. Höchst informativ und verständlich zu rezipieren. Julia Ruhs ist zu danken, dass sie es geschrieben hat. Mögen es viele Menschen zur Kenntnis nehmen. Unbedingt auch die Kolleginnen und Kollegen der Journalistenzunft! Lassen wir nicht zu, dass der Journalismus kaputt bleibt. Haben wir Mut, ihm wieder aufzuhelfen. Im Interesse von uns allen. Denn bedenkt: Der Hut brennt! Die Spaltung der Gesellschaft ist jetzt schon bedenklich.
Das Buch
Julia Ruhs
„Links-grüne Meinungsmacht“
Herausgeber : Langen-Müller
Erscheinungstermin : 18. August 2025
Auflage : 1.
Sprache : Deutsch
Seitenzahl der Print-Ausgabe : 208 Seiten
ISBN-10 : 3784437494
ISBN-13 : 978-3784437491
Abmessungen : 13.7 x 1.8 x 21.5 cm
20 Euro
Anbei:
