Gedenken am Antikriegstag 2020 in Dortmund. Ausstellung „Einige waren Nachbarn“ eröffnet

Trotz Corona-Maßnahmen war die Veranstaltung sehr gut gesucht. Foto: Claus Stille

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gedachte am vergangenen Dienstag in Dortmund an der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache abermals des Ausbruchs des 2. Weltkriegs. Thematisiert wurde auch die zunehmende Gefahr von Rechts sowie der wachsende Nationalismus der Staaten. Des Weiteren wurde in deren Räumen die Ausstellung „Einige waren Nachbarn“ eröffnet. Bereits am Vorabend des Antkriegstags hatte sich eine Montagsdemo am Europabrunnen der Thematik gewidmet und ein Offenes Mikrofon zur Verfügung gestellt.

Wir wollen uns an diesem Tag über den Aspekt des Gedenkens hinaus die Gelegenheit geben zu erfahren, was es bedeutet Krieg zu erleben“, hatte Jutta Reiter, Vorsitzende des DGB Dortmund im Vorfeld der Gedenkveranstaltung versprochen. Am Antikriegstag selbst sagte sie angesichts mancher bedenklicher Entwicklung: „Ich will nicht glauben, die Welt, das Deutschland, dass wir aus den schrecklichen Erfahrungen im letzten Jahrhundert so wenig gelernt haben.“ Sie brachte das „unendliche Leid, dass mit 60 Millionen Toten endete“, dass mit dem Überfall des faschistischen Deutschlands am 1. September 1939 auf Polen begonnen hatte, in Erinnerung. Gerade jetzt, da sich die Befreiung Deutschlands von Faschismus und Krieg zum 75. Male jähre, „zerbreche die multilaterale Weltordnung an den Nationalismen der Staaten und den Egoismen ihrer Oberhäupter“. Reiter mahnte: „Das ist brandgefährlich!“ Zumal damit eine Aufrüstung einhergehe, „die wirklich bedrohlich ist“. Deutschland als viertgrößter Rüstungsexporteur trage zur Steigerung der Rüstungsausgaben kräftig bei. Der Verteidigungshaushalt habe sich in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelt. Allein 2020 sollten 45 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in den Verteidigungshaushalt fließen.

DGB-Chefin Jutta Reiter kritisierte die Erhöhung des Verteidigungetats

Die Dortmunder DGB-Vorsitzende Jutta Reiter. Foto: C. Stille

Für das Gesundheitssystem dagegen sei nur ein Drittel vorgesehen und für den Umwelthaushalt ist mit nur drei Milliarden Euro nicht einmal halb so viel vorgesehen wie die Erhöhung des Verteidigungsetats von 2019 auf 2020 mit fast sieben Milliarden betrage. Jutta Reiter: „Das ist ein Skandal!“

Weshalb der DGB auch ganz klar nein sagen zur Nato-Forderung zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Wehretat zu befördern. „Wir brauchen die Mittel dringend anderswo“, so die Dortmunder DGB-Chefin. Gerade in der Corona-Krise gehe es um den Zusammenhalt der Gesellschaft. Deren zunehmenden Spaltung müsse dringend entgegen gewirkt haben.

Menschenfeindlichkeit und die Verfolgung von LGBT-Menschen skandalisierte Moritz Heller von SLADO e.V.

Moritz Heller von SLADO e.V., dem Dachverband der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initiativen in Dortmund, kritisierte, dass Menschenfeinde und rechts ausgerichtete Kräfte weltweit – und leider auch in Deutschland – einen immer größeren Zulauf verzeichnen könnten. Heller skandalisierte die weiter stattfindende Verfolgung von

Moritz Heller von SLADO e.V.
Foto: C. Stille

LGBT-Menschen (LGBT: Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender) in vielen Ländern der Welt. Homosexuellen Paaren würden da nicht nur diskriminiert, sondern auch die Todesstrafe. Auch innerhalb der EU, beispielsweise in Ungarn und Polen, beobachte man ein zunehmende Diskriminierung dieses Personenkreises.

Heller verlieh seiner Empörung Ausdruck, dass in Deutschland immer wieder queere Personen zurück in Gebiete abgeschoben werden, in denen Krieg herrscht oder Verfolgung und droht drohen.

Neonazis und Antisemitismus müsste, so Heller, hierzulande entschieden entschieden entgegengetreten werden.

Szenische Lesung aus „Lenas Tagebuch“ war emotionaler Höhepunkt der Gedenkveranstaltung

Emotionaler Höhepunkt der Veranstaltung war die szenische Lesung von „Lenas Tagebuch“.

Kranz zum Gedenken an die in der NS-Zeit verfolgten Homosexuellen. Foto: Stille

Jugendliche präsentierten einige Auszüge aus dem Tagebuch eines sechzehnjährigen Mädchens, das die Belagerung von Leningrad durch die faschistische deutsche Wehrmacht überlebte. 

Die ungeschminkte Sichtweise aus dem Tagebuch des sechzehnjährigen Leningrader Mädchens Lena war gewiss eindringlicher als es Fakten einer Rede jemals sein könnten.

Sophie Niehaus gab zu bedenken: 400 Millionen Kinder weltweit leben in Konfliktgebieten

Lesung aus „Lenas Tagebuch“. Foto: Stille

Sophie Niehaus (SJD – Die Falken), Vorsitzende des Jugendrings Dortmund, hatte auf diesen Programmteil vorbereitet. Das Mädchen Lena hatte am Tag des Überfalls auf ihr Land, die Sowjetunion, in ihr Tagebuch geschrieben: „Wir werden siegen, aber dieser Sieg wird nicht einfach sein.“ Sie hatte den Krieg überlebt, aber ihr ganzes Leben an ihm gelitten. Niehaus wies daraufhin, dass auch heute noch Millionen Kinder und Jugendliche auf der Welt

Sophie Niehaus. Foto: Stille

das Schicksal Lenas teilten, da sie in einer Welt des Krieges aufwachsen: „Allein 2019 gab es 27 kriegerische Konflikte weltweit. Vielen dauern bereits seit Jahrzehnten an.“ 400 Millionen Kinder weltweit lebten in Konfliktgebieten gab Sophie Niehaus zu bedenken. Lena habe vor fast achtzig Jahren in ihrem Tagebuch notiert: „Jederzeit kann ein Maschinengewehr losknattern und die nächtliche Stille wird von Stöhnen und Schreien erschüttert.“ Damals wie heute, skandalisierte Niehaus, „zerstören deutsche Waffen die Zukunft von Millionen Kindern“. Die Falken forderten deshalb schon lange:

Die Bundesregierung muss endlich die UN-Kinderrechtskonvention in vollem Maße umsetzen!“. Des Weiteren müsse ein Stopp aller Rüstungsexporte aus Deutschland erfolgen. Auch die Rekrutierung von Minderjährigen seitens der Bundeswehr müsse ein Ende haben. Sophie Niehaus mit einer weiteren Forderung: „Bundeswehr raus aus den Schulen!“

Die muskikalische Begleitung lag in Händen von Jiyon Kwak, die ihren Deutschkurs an der Auslandsgesellschaft gemacht und bestanden hat.

Die Gedenkveranstaltung wurde getragen vom DGB Dortmund in Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, der Auslandsgesellschaft, dem „Förderverein Gedenkstätte Steinwache – Internationales Rombergpark-Komitee e.V. sowie dem Jugendring Dortmund und SLADO e.V. durch.

Ausstellung „Einige waren Nachbarn“ in der Gedenkstätte Steinwache eröffnet

Am diesem Antikriegstag eröffnete in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache auch eine Ausstellung, die von Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand handelt unter dem Titel „Einige waren Nachbarn“. Bis zum 11. Oktober untersucht die vom „United States Holocaust Memorial Museums“ aus Washington konzipierte Ausstellung die Rolle der „gewöhnlichen Menschen“ im Holocaust und die Vielzahl von Motiven und individuellen Handlungsoptionen. „Einige waren Nachbarn“ untersucht fachübergreifend die Rolle der

Von links: Thomas Köhler und Markus Günnewig (Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in der Ausstellung. Foto: Stille

gewöhnlichen Menschen im Holocaust und die Vielzahl von Motiven und Spannungen, die individuelle Handlungsoptionen beeinflussten. Diese Einflüsse reflektieren Angst, das Wegschauen, Gleichgültigkeit, Antisemitismus, Karriereangst, Ansehen in der Gemeinschaft, Gruppenzwang oder Chancen auf materiellen Gewinn.

Die Ausstellung – sie wird in 20 Städten in NRW und ab 2021 dann deutschlandweit zu sehen sein – erzählt dabei auch von Menschen, die ihre Mitmenschen nicht verrieten und daran erinnern, dass es auch in außergewöhnlichen Zeiten Alternativen zu Kollaboration und Täterschaft gibt. Die Ausstellung ist in drei Teile aufgeteilt. In einen deutschen Teil, in die „blood lands“, wie der Historiker Timothy Snyder es nenne – also Polen und die Sowjetunion – und dann in den „europäischen Raum drumrum“, erklärte Thomas Köhler.

Thomas Köhler (der ebenfalls auf der Gedenkveranstaltung redete) vom Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster – eine ehemalige
Fabrikantenvilla, Sitz der Ordnungspolizei im Nationalsozialismus, sprach mit Nordstadtblogger über die interessante Ausstellung im ersten Stock der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, die in der NS-Zeit Gestapo – Gefängnis gewesen war. Man hoffe, sagte Köhler, dass die Ausstellung die Menschen dazu anregt über die eigenen persönlichen Stärken und Schwächen nachzudenken und sie die Menschlichkeit Einzelner stärke sowie der gemeinsamen Gestaltung einer positiven Zukunft zuarbeite.

Montagsdemonstration mit Offenem Mikrofon im Zentrum

Dortmunder Montagsdemo. Foto: C. Stille

Bereits am Montag hatten die Organisatoren der Dortmunder überparteilichen Montagsdemonstration unter dem Motto „Heraus auf die Straße zum Antikriegstag 2020 gegen Faschismus und Krieg!“ zu einer Kundgebung am Europabrunnen in der Innenstadt aufgerufen. Es wurde an den Überfall des faschistischen Deutschlands auf Polen und Millionen Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnert. Und daran, dass die Sowjetunion mit 27 Millionen Toten die größte Last des 2. Weltkriegs hatte tragen müssen.

Betreffs der Gegenwart, hieß es seitens der Veranstalter, müsse bedacht werden:

Die Welt ist in einer tiefen Weltwirtschafts- und Finanzkrise, die sich in Wechselwirkung mit der Corona-Pandemie hochschaukelt. In Deutschland wurden schon viele hunderttausend Menschen arbeitslos und weitere Massenentlassungen sind angekündigt. Die Krise soll auf die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Betrieben, Verwaltungen, in den Krankenhäusern, Handel usw. abgewälzt werden. Auch kleine Selbständige und die breite Masse der Bevölkerung, die Jugendlichen und Kinder, Beschäftigte an Schulen und in der Kinderbetreuung sowie die älteren Menschen sollen die Krisenlasten tragen, während die großen Konzerne mit Milliarden Subventionen „gerettet“ werden.“

Sarah Rißmann. Foto: Stille

Sarah Rißmann vom Internationalistischen Bündnis schätzte ein: „Die Krise verschärft den Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen kleinen und großen imperialistischen Länder um Absatz- und Rohstoffmärkte, politische und militärische Einflussgebiete. Dazu rüsten sie auf und modernisieren sie ihre Waffen für den Kampf um die Neuaufteilung der Welt. Noch nie nach dem zweiten Weltkrieg war die Gefahr eines 3. Weltkrieges so hoch wie heute.“

Die USA unter der Trump-Regierung, so Rißmann, sei derzeit der „Hauptkriegstreiber auf der Welt“. Mit Sorge betrachte man die Installierung faschistischer Regimes oder ultrareaktionären bis faschistoiden Regierungen auf der Welt!

An einem Offenen Mikrofon konnten Bürger*innen mit dreiminütigen Wortbeiträgen ihre Meinungen zum Antikriegstag und darüber hinaus zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation äußern. Dabei kam die Sorge und die Wut zum Ausdruck, die betreffs der Förderung bzw. Duldung von faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda in Deutschland zu beobachten sei.

Unmut rief ebenfalls die Tatsache hervor, dass die faschistische Partei „Die Rechte“ in Dortmund zur Kommunalwahl kandidieren und ihre Hetze verbreiten könne, statt sie als faschistische Organisation zu verbieten!

Franz Stockert. Foto: C. Stille

Thematisiert wurde auch die prekäre Situation vieler Menschen und die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich und die skandalöse Kinderarmut.

Franz Stockert (MPLD) empörte sich über die deutschen Waffenexporte und darüber, dass mit deutschen Panzern in

Am Offenen Mikrofon. Foto: Stille

Syrien und Irak auf die Zivilbevölkerung geschossen werde. Die EU, so Stockert, sei alles andere als eine Friedensmacht. Es ginge um Macht und Einflusssphären auf der Welt.

Laut wurde ebenfalls die Forderung, alle Imperialisten und ausländischen Mächte müssten endlich Syrien verlassen.

 

Bilder aus der Ausstellung „Einige waren Nachbarn“

Repro C. Stille

Jüdische Kaufleute werden 1938 in Wien gezwungen, Parolen der von Bundeskanzler Schuschnigg geplanten Volksabstimmung von der Straße zu waschen. Foto: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.

 

Schaulustige sehen zu, wie die Polizei 1942 in Kerpen Jüdinnen und Juden zur Deportation auf Lastwagen verlädt. Foto: Stadtarchiv Kerpen

Interessante Ausstellung von Sophia und Jan Firgau in der Steinwache Dortmund: „Dora war nicht im Widerstand“

 

Sophia Firgau in der Ausstellung. Fotos (3): C. Stille

Wir wissen relativ viel über Täter und Opfer des NS-Regimes. Kaum aber etwas über Mitläufer*innen und Durchschnittsdeutsche. Jan und Sophia Firgau haben sich für ihre Abschlussarbeit im Studiengang „Szenografie und Kommunikation“ an der Fachhochschule Dortmund am Beispiel ihrer Urgroßmutter mit der Rolle der zahlreichen Mitläufer*innen und dem Fortbestehen der NS-Ideologie in der Nachkriegszeit beschäftigt. Die interessante Ausstellung „Dora war nicht im Widerstand“ ist noch bis zum 13. August in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache zu sehen.

Die Ausstellung stellt in der Steinwache einen interessanten Kontext her

Die Idee zu dieser Ausstellung, erzählt mir Sophia Firgau während eines Pressetermins am Ort der Ausstellung, sei ihr zusammen mit ihrem Cousin, Jan Firgau, etwa vor eineinhalb Jahren gekommen. Sie fanden, dieses Thema wäre ein passendes – weil bisher nicht groß beackert – für ihrer beider Abschlussprojekt. Cousin Jan war während des Pressegesprächs am vergangenen Dienstag nicht anwesend, da bereits im Urlaub. Eigentlich sollte die Ausstellung ja schon im März zu sehen sein – aber dann kamen die Corona-Maßnahmen …

Markus Günnewig, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, zeigte sich stolz, dass diese Exposition gerade in seiner Einrichtung ausgestellt werden konnte. Ein interessanter Kontext werde so hergestellt. Denn schließlich gehöre das spannende Thema ebenfalls zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus dazu.

„Die Nazis, das waren im Zweifelsfall die Anderen“

Einen eigentlich als Vortrag zur ursprünglichen Eröffnung vorgesehenen Text trug Sophia Firgau nun anlässlich des Pressegesprächs vor.

Firgau merkte darin an, dass nur jeder fünfte Deutsche glaube (laut MEMO-Studie der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft) dass es unter seinen Vorfahren Täter*innen zu Zeiten des Nationalsozialismus gegeben und nur 40 Prozent der Deutschen meinten, dass sich unter ihren Vorfahren Mitläufer*innen befunden haben. Firgau: „Die Nazis, das waren im Zweifelsfall die Anderen.“ Und: „Wer weiß, was wir heute von Dora, unserer Urgroßmutter denken würden, wenn es das Tagebuch nicht gäbe.“

Die Ausstellungskonzeption war eine ständige Gratwanderung

Der Prozess der Ausstellungskonzeption sei eine ständige Gratwanderung gewesen. Obwohl die beiden Firgaus ihre 1973 verstorbene Urgroßmutter nie persönlich kennengelernt hatten. Natürlich habe man sich auch gefragt, ob es berechtigt sei, diese Ausstellung über eine Person mit nationalsozialistischem Gedankengut aus der eigenen Familie zu machen. Die Familie habe aber zugestimmt.

Gedenk- und Erinnerungskultur sind wichtig. Aber auch die Mitläufer*innen dürfen nicht aus dem Blick geraten

Gedenk- und Erinnerungskultur schätzte Sophie Firgau als wichtig ein. Sie erinnerte an den einstigen dunklen Zweck der Steinwache, die zu NS-Zeiten Gestapo-Gefängnis gewesen war. Was für die Gedenk- und Erinnerungskultur betreffs der Vergangenheit anlange, träfe freilich auch für heute zu. Sie erinnerte zu diesem Behufe an den unweit von der Steinwache vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık und das Denkmal vor der Steinwache, das ihm und allen anderen NSU-Opfer gedenke.

Wenn man sich ausschließlich und zu undifferenziert mit den Opfern beschäftige, so Sophia Firgau, gerieten die Täter*innen, die Mitläufer*innen und Zuschauer*innen, die Mehrheitsgesellschaft – „die vielen Doras“ – aus dem Blick.

Besagte Dora, Urgroßmutter der beiden Firgaus, war eine Überzeugte, was das Naziregime und dessen Ideologie anbetraf.

In der Nachkriegszeit war sie eine von Millionen „durchschnittlichen Deutschen“. Sie war 45 Jahre alt, dreifache Mutter und alleinige Versorgerin.

Die Ausstellungsmacher lassen in düsterer Atmosphäre das Tagebuch der Dora sprechen

Inmitten ihres zerfallenden Weltbildes gibt sie Einblicke in Alltag und Ideologie, in letzte Hoffnungen, erzürnte Ungläubigkeit und tiefe Enttäuschung. Davon kündet das wiederentdeckte Tagebuch der Dora. Es ist rares Zeugnis der deutschen Nachkriegsmonate und führt wie nur selten in eine von der NS-Propaganda überzeugte Gedankenwelt. Von der sie auch nach der Befreiung vom Faschismus nicht lassen will.

Das auf Knopfdruck in einem Raum – „das Herzstück der Ausstellung“, wie ihn Markus Günnewig nannte (eine einstige Gefängniszelle) – hörbar werdende, weil vertonte Tagebuch, legt davon Zeugnis hab. Dora ist darin der Meinung, die Deutschen seien wohl einfach noch nicht reif gewesen für ein Deutschland wie es Hitler und dessen Gesinnungsgenossen hatten schaffen wollen.

Das erschüttert den Zuhörer. In diesem sehr düster gehaltenem Raum steht ein Pult, worin unter Glas die von Dora handschriftlich verfassten Tagebücher liegen: drei Schulhefte. Des Weiteren befindet sich im Raum eine u-förmige Bank, worauf man sitzend dem sozusagen sprechenden Tagebuch lauschen kann. Darin Schubladen, die, wenn man sie herauszieht, Zitate aus dem Tagebuch der Urgroßmutter von Jan und Sophia Firgau offenbaren.

Das Tagebuch wurde nach Doras Tod gefunden, aber sei der späteren Urenkelgeneration nicht mehr präsent gewesen, erklärte Sophia Firgau. Auf dem Dachboden in einem Koffer zusammen mit Dokumenten hatte es viele Jahre gelegen.

Besucher*innen erfahren etwas über gesellschaftliche Stellung der Familie, deren Alltag und Lebenstationen

Bevor man als Besucher der Ausstellung im ersten Stock der Steinwache in das Zimmer kommt, passiert man eine Art Gasse – sozusagen eine Art Zahlenstrahl, bestehend aus an Leinen geklammerten Fotos oder Ansichtskarten, zugeordnet jeweils zu bestimmten Jahreszahlen. Dort auf den Fotos ist auch der Gatte von Dora zu sehen. Erich war in den Reichsarbeitsdienst eingetreten, wo er letztlich Karriere machte. Die Ablichtungen geben ebenfalls Auskunft über die gesellschaftliche Stellung der Familie.

Den Alltag repräsentieren sie und auch eine Faschingsfeier, Heirat, die Geburt der Kinder oder einen im Zusammenhang mit dem Nazi-Überfall auf Polen stehenden Umzug nach Posen (Poznan). Auf dem Etagenboden sind die Lebenstationen aufgezeichnet. Letztlich, so Sophia Firgau, 1945, sei die Familie in den Westen geflüchtet. Erich hatte gemeint, in Berlin sicher zu sein. Kurz vor Berlin sei er jedoch abgedreht und habe sich in Kriegsgefangenschaft begeben. Dora war ursprünglich Bankangestellte und später nach der Heirat nur noch Hausfrau.

Dreht sich der Besucher in dieser Bildergasse zum großen Fenster aus Glasbausteinen um, erblickt er das große Foto von Urgroßmutter Dora, transparent, weil durchleuchtet vom Tageslicht.

Ausstellungsmacher*innen hoffen auf weitere Möglichkeiten, ihre Arbeit zu präsentieren

Sophia Firgau mit Markus Günnewig.

Sie hoffe, so ihre Arbeit sich herumspräche, dass engagierte Menschen weitere Quellen zum Thema beisteuern könnten, erklärt Sophia Firgau. Abgebaut, solle die Ausstellung nicht „in der Garage vergammeln“. Die junge Akademikerin möchte weiter wirken (an geschichtlich bedeutsamen Orten, Gedenkstätten, Kulturzentren, Schulen etc.). Mit dieser Alltagsgeschichte aus ihrer, einer ganz normalen deutschen Familie. Jenseits eines Horizonts, in dem alle dem NS eigentlich nur widerstanden haben konnten. Die Ausstellung spricht eine andere, eindringliche Sprache.

Die Audio-Exposition der beiden Studierenden ist noch bis zum 13. August in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache zu sehen und zu hören. Der Eintritt ist kostenlos.

Weitere Informationen:

  • Zur Person Dora Firgau: geb. 1900 in Preußisch-Holland bei Danzig, Bankangestellte, später Hausfrau. Ehemann Erich Firgau, geheiratet 1928. Mutter von drei Kindern, oft umgezogen, ab 1945 in Grebenstein bei Kassel.

Hinweis

Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache bietet am Sonntag, 2. August um 14 Uhr und 16 Uhr zwei Führungen an.

In der Gedenkstätte selbst gibt es eine Einführung in die Geschichte des Hauses sowie in die Dauerausstellung. Anschließend kann die Ausstellung besucht werden, und die Mitarbeiter*innen stehen für Fragen zur Verfügung. Eine klassische Führung durchs Haus ist derzeit aufgrund der geringen Raumgröße der ehemaligen Zellen nicht möglich.

Um 16 Uhr beginnt im Hof der Steinwache eine öffentliche Führung für zehn Teilnehmende, die an unterschiedliche Orte in der Innenstadt führt und deren NS-Geschichte vorstellt. Thematisiert werden dabei die „Machtergreifung“ in Dortmund, der blutige Terror der Nationalsozialisten 1933, Krieg, Holocaust und Zwangsarbeit.

Beide Veranstaltungen dauern etwa 90 Minuten. Vorab müssen sich die Teilnehmenden in Listen eintragen, um ggf. Infektionsketten nachvollziehbar zu machen.

Plätze für die Führungen können reserviert werden unter (0231) 50-25002 (dienstags bis sonntags, 10 bis 17 Uhr).

Beitragsbild: FH Dortmund

Gedenken am 8. Mai zum 75. Jahrestag der Befreiung in Dortmund

An den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker muss man im westlichen Teil Deutschlands gewiss immer denken, wenn 8. Mai ist. Ein allgemeines Aufmerken auslösend sagte er 1985 über dieses Datum: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung“. Leider ist dieses Datum noch immer kein offizieller Gedenk- oder Feiertag – in Berlin nur in diesem 75. Jahr der bedingungslosen Kapitulation Hitler-Deutschlands, am 8. Mai 1945, von Hitler-Generälen unterschrieben. In Dortmund geplante Gedenkveranstaltungen konnten aufgrund der Corona-Pandemie nicht oder nicht so stattfinden wie ursprünglich gedacht. Immerhin fanden gestern einige Veranstaltungen zum 8. Mai im kleinen Kreis statt.

Kranzniederlegung des Stellvertretenden Generalkonsuls der Russischen Föderation sowie des Vereins Ar.kod.M e.V. am sowjetischen Ehrenmal auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg

Am sowjetischen Ehrenmal (von links): Dmitriy Kostovarov und Wladimir Kuzmin.

Bereits zehn Uhr früh war neben einigen Bürger*innen am sowjetischen Ehrenmal auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg der Stellvertretende Generalkonsul der Russischen Föderation in Bonn, Wladimir Kuzmin, erschienen, um anlässlich des 75. Jahrestages des Endes des 2. Weltkriegs dort einen Kranz niederzulegen.
Für Ar.kod.M e.V., einem Verein, der unter anderem Nachforschungen zu sowjetischen Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen anstellt, die im 2. Weltkrieg ermordet wurden, verstorben oder vermisst sind, legte Dmitriy Kostovarov, der zusammen mit Hannelore Tölke zum Gedenken gekommen war ebenfalls ein Kranz am Ehrenmal nieder.
Leonora Ahmetaj von den Botschafter*innen der Erinnerung platzierte neben den Kränzen bemalte Steine. Ein uralter Brauch. Das sieht man oft auf jüdischen Gräbern. Der Brauch stammt aus der Zeit, in der Juden auf der Flucht aus Ägypten durch die Wüste zogen. Dort gab es keine Blumen und auch keine schönen Grabsteine. Das ist allerdings kein Ritual der

Religion und auch nicht in den jüdischen Schriften zu finden.
In einer kurzen Ansprache nannte der Stellvertretende Generalkonsul Wladimir Kuzmin den 8. Mai einen besonderen Tag für das sowjetische Volk und die europäischen Völker. Er bedankte sich herzlich bei den am sowjetischen Ehrenmal erschienen Menschen für deren Gedenken und dafür, dass sie die Erinnerung an das im Zweiten Weltkrieg Geschehene weitertragen.

Auf dem Dortmunder Friedensplatz.

Der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus mit einer Gedenkveranstaltung an der Friedenssäule
Für den Dortmunder Arbeitskreis (AK) gegen Rechtsextremismus erinnerte Pfarrer Friedrich Stiller gestern gegen 12 Uhr an der Friedenssäule auf dem Friedensplatz auf einer mit Gliedermaßstäben „pandemietauglich“ abgekastelten Fläche an das Kriegsende in Dortmund und die eine Woche andauernde Befreiung der Stadt durch die US-Armee im April 1945. Zunächst drückte er sein Unbehagen darüber aus, dass 35 Jahre nach den oben erwähnten Worten Richard von Weizsäckers die Diskussion darüber noch immer nicht beendet sei. Stiller: „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es einen in den Bundestag gewählten Politiker gibt, der heute noch bestreitet, dass der 8. Mai 1945 ein Glückstag für unser Land war, der die Befreiung und das Empfinden der Befreiung nur für die Insassen der Kz’s sieht. Der ansonsten diesen Tag als Tag der absoluten Niederlage sieht.“
Das zeige, so Stiller weiter, wie wichtig das ist, dass wir diesen Tag würdigen. Deshalb heiße diesen Veranstaltung auch „8.Mai unsere Verpflichtung“.

Pfarrer Friedrich Stiller vor einer Tafel der Ausstellung.

Friedrich Stiller wies auf eine kleine Ausstellung zum Kriegsende an der Südseite des Friedensplatzes hin. Ihr Titel: „75 Jahre Kriegsende: 8. Mai – unsere Verpflichtung“ hin. Sie ist heute noch bis 16 Uhr dort an der Baumallee zu sehen. Einige der dort gezeigten Tafeln stellen den Zustand Dortmunds am Ende des Krieges und der Gewaltherrschaft dar. Andere zeigen auf, welche Lehren daraus gezogen wurden.
Rabbiner Baruch Babaev zitierte Veteranen der Sowjetarmee: „Wer möchte mit unserem Volk tauschen?“
Rabbiner Baruch Babaev wurde an diesem Tag von Veteranen gefragt, die in der Sowjetarmee gegen die Nazis gekämpft hatten: „Wer möchte mit unserem Volk tauschen?“ Schließlich sei bis fast zum letzten Tag des 2. Weltkriegs gemordet worden. „Sind das nur die Befehle?“, habe ihn ein Neunzigjähriger gefragt.
Er erinnerte an die Auslegung der Heiligen Schrift: „Es ist besser verfolgt zu werden als zu verfolgen.“ Babaev habe das lange nicht verstehen können. Doch seine weisen Lehrer in Jerusalam-Altstadt hätten ihm beigebracht: Die Verfolgung endet eines Tages. Aber der Verfolger lebt in seinem Hass – jeden Tag. Und er wird von seinem Hass bis ans Ende seiner Tage verfolgt.

Die Heilung ist, sich von seinem Hass abzuwenden.“ Wenn jemand mordet aus Ideologie, könne man mit ihm in einen Dialog treten, überzeugen, die andere Seite zeigen – und er werde dann seine Ideologie nicht mehr verfolgen. „Aber wenn es aus dem Herzen kommt,

Rabbiner Baruch Babaev während seiner Rede an der Friedenssäule.

eine Herzensangelegenheit wird, Juden zu vergasen bis zuletzt – was ist die Heilung?“ Die jüdischen Weisen sagten, die Heilung muss von innen kommen. Und er wiederholte: „Wer will mit uns tauschen?“
Man lebe jetzt damit und müsse aber auch 75 Jahre danach erinnern, damit auch diejenigen, die es noch immer zur Herzensangelegenheit gemacht haben, von innen heraus diesen Hass zerstören und zur Liebe finden. Der 8. Mai 1945 sei für die Juden ein Tag des Neubeginns – ein Tag der Hoffnung gewesen.
Weitere Worte zu den zum Gedenken anwesenden Menschen sprach Jutta Reiter (DGB). Musikalisch auf dem Saxophon begleitete Wim Wollner die Veranstaltung.
Gedenken mit Kranzniederlegung auch in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Auch im Hof der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache (sie öffnet heute übrigens wieder für Einzelbesucher) versammelten sich am Freitagnachmittag einige Menschen zum Gedenken.
Norbert Schilff, Vorsitzender der SPD im Rat der Stadt Dortmund legte einen Kranz nieder. Zugegen war auch Manfred Kossack, der Beauftragte der Stadt Dortmund für Vielfalt und Toleranz. Georg Deventer hat eigens an der Stelle über der Kranzablegestelle den Schwur von Buchenwald, welcher nach wie vor allen Verpflichtung sein solle, angebracht (im Wortlaut hier nachzulesen).
Deventer verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass auch die Schulen weiterhin die Themen Faschismus und des Rassismus im Auge gehalten. Die junge Generation dürfe nicht nachlassen sich das Wissen über das im Faschismus geschehene – und wie es überhaupt hat dazu kommen können – anzueignen und müsse dafür sorgen, dass es weitergegeben werde.

Gedenken im Hof der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache (von li. Georg Deventer, Norbert Schilff und Manfred Kossack).

Von Thomas Engel:

Ausklang auf dem Friedensplatz mit dem Bündnis Dortmund gegen Rechts

Beschlossen wird der Gedenktag auf dem Friedensplatz. Wegen der von den Ordnungsbehörden verordneten Auflagen konnten sich auch dort nur wenige Teilnehmer*innen einfinden: gestattet waren 50 – so eine der „Maßregeln“, wie Volker Töbel, von Flüchtlingspaten Dortmund e.V. im Bündnis Dortmund gegen Rechts (BdgR), nicht ohne Unterton formuliert.

Nicht alles, was dieser Tage staatlicherseits zur Pandemie-Bekämpfung hervorgezaubert wird, stößt – werden Grundrechte ernst genommen – bekanntlich auf ungeteilte Gegenliebe.

Es ist der Einsatz für den Frieden, der am frühen Abend vor dem Rathaus im Mittelpunkt steht. Die Botschaft ist unmissverständlich: Der Frieden ist in Gefahr, vielleicht mehr denn je, hier und heute. Und dies aus zwei Gründen, wie Ula Richter, Mitbegründerin des BdgR, betont:

Ula Richter, Mitbegründerin des BDgR

„Militarismus und neu erwachter Faschismus“. Da zögen Nazis eine Blutspur durchs Land, deren Wurzeln in der Bundesrepublik nie gekappt, stets „ihre Gefährlichkeit verharmlost“ worden sei.

Und verliest eine Erklärung von Elif Kubaşık, deren Mann Mehmet vom NSU ermordet wurde. Die Witwe bezieht sich auf die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts München, das landesweit Empörung hervorrief. Da fallen Sätze wie: „Das ist kein gerechtes Urteil.“ – „Was wusste der Staat davon?“ – „Liefen die Helfer dieser Mörder vielleicht in einer dieser Nazi-Demonstrationen mit, die auch an unserem Haus vorbeiziehen?“

Gegen Faschismus und Militarismus: Es ist mehr denn je an der Zeit, um Frieden zu kämpfen

Der Umgang mit dem NSU, die verschwundenen Akten, so viele Fragen, keine Aufklärung. Ula Richter fährt fort: Dann sind da die alten Feinbilder, Russland, China, da ist das Säbelrasseln, die Hochrüstung: „So wird das internationale Klima vergiftet und auf neue Kriege vorbereitet.“ Diesem Wahnsinn müssten sich die Menschen in den Weg stellen.

Antikriegslieder, vorgetragen von Peter Sturm

Zwischendurch trägt Peter Sturm Antikriegslieder vor. Worte von Hannes Wader hallen über den Friedensplatz, wie er mit einem toten Soldaten spricht und im Refrain wiederholt: „Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen – So wie sie es mit uns heute immer noch tun – Und du hast ihnen alles gegeben: deine Kraft, deine Jugend, dein Leben!“ „Es ist an der Zeit“, lautet der bekannte Titel. Es ist wie ein Aufruf.

Der unterstrichen wird mit dem symbolischen Ausfalten eines großen, regenbogenfarbenen Friedensbanners, auf dem in unterschiedlichen Sprachen das Wort „Frieden“ aufgetragen ist. Volker Töbel rezitiert aus dem „Schwur von Buchenwald“: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Forderung, den 8. Mai in der Bundesrepublik zu einem Feiertag zu machen – Esther Bejarano

Esther Bejarano, Musikerin, Auschwitz-Überlebende, engagierte Antifaschistin – diese große Frau schrieb im Januar dieses Jahres einen Offenen Brief „an die Regierenden“, kraft ihrer Autorität, adressiert an Bundespräsident wie Bundeskanzlerin.

 

Volker Töbel liest vor: „Ich will, dass wir alle aufstehen, wenn Jüdinnen und Juden, wenn Roma oder Sinti, wenn Geflüchtete, wenn Menschen rassistisch beleidigt oder angegriffen werden!“

Und weiter: „Ich will, dass ein lautes ,Nein’ gesagt wird zu Kriegen, zum Waffenhandel. Wer den letzten Krieg vergisst, der bereitet schon den nächsten vor. Ich will, dass wir gegen die Ausbeutung der Menschen und unseres Planeten kämpfen, Hilfesuchende solidarisch unterstützen und Geflüchtete aus Seenot retten. Eine Gesellschaft muss sich messen lassen an ihrem Umgang mit den Schwächsten.“

Wie viele Menschen in diesem Land fordert Esther Bejarano deshalb energisch, dass der 8. Mai in der Bundesrepublik ein Feiertag werden müsse. Denn es war der Tag der Befreiung. Und die Regierenden, die sie ansprach? – Blasiertheit der Macht: es hat sich nichts geändert. (Hier der Beitrag auf Nordstadtblogger.de)

Weitere Fotos vom Tag

Wladimir Kuzmin (li) während seiner kurzen Ansprache. Dmitriy Kostavarov (re) übersetzt. (Fotos. C. Stille

Der Stellvertretende russische Generalkonsul verneigt sich am Ehrenmal.

Teilnehmer des Gedenkens legt eine Rosen am Mahnmal nieder.

Von links: Wim Wollner, Baruch Babaev und Manfred Kossack.

Gemeinsames Gedenken am Ehrenmal.

Rabbiner Baruch Babaev am sowjetischen Ehrenmal.

Referat von Dr. Maria Schindelegger in Dortmund zu Margaret Bourke-White und ihren Fotografien aus dem KZ Buchenwald

Das Konzentrationslager Buchenwald nahe Weimar bestand von 1937–1945. Bei Annäherung der 3. US-Armee übernahmen am 11. April 1945 die Häftlinge die Leitung des Lagers von der abziehenden SS, nahmen 125 der Bewacher fest, öffneten die Tore und hissten die weiße Fahne. Bereits seit dem 8. April hatten viele Häftlinge durch Boykott und Sabotage ihre von den Nationalsozialisten so genannte Evakuierung verhindert und die US-Armee per Funk um Hilfe gerufen. Margaret Bourke-White (1904-1971), erster weiblicher „staff photographer“ des populären Bildmagazins LIFE, erhielt im Frühjahr 1942 als erste Fotografin eine Akkreditierung als Kriegsberichterstatterin. Kurz vor Kriegsende kam sie nach Deutschland, um dort für die US Air Force Bombenschäden zu dokumentieren. Am 15. April erreichte sie das Konzentrationslager Buchenwald, wo sie die katastrophalen Zustände im Lager fotografierte. Die Kunsthistorikerin Dr. Maria Schindelegger hielt am vergangenen Freitag zu Bourke-Whites bekanntesten Bildern und Motiven ein Vortrag in der Gedenkstätte Steinwache.

Von Links: Dr. Maria Schindelegger und Markus Günnewich. Fotos: C. Stille

Das Konzentrationslager Buchenwald

Im Juli 1937 lässt die SS auf dem Ettersberg bei Weimar den Wald roden und
errichtet ein neues KZ. Mit dem Lager sollen politische Gegner bekämpft, Juden, Sinti und Roma verfolgt sowie „Gemeinschaftsfremde“, unter ihnen Homosexuelle, Wohnungslose, Zeugen Jehovas und Vorbestrafte, dauerhaft aus dem deutschen „Volkskörper“ ausgeschlossen werden. Schon bald wird Buchenwald zum Synonym für das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Nach Kriegsbeginn werden Menschen aus ganz Europa nach Buchenwald verschleppt. Im KZ auf dem Ettersberg und seinen 139 Außenlagern sind insgesamt fast 280.000 Menschen inhaftiert. Die SS zwingt sie zur Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie. Am Ende des Zweiten Weltkrieges ist Buchenwald das größte KZ im Deutschen Reich. Über 56.000 Menschen sterben an Folter, medizinischen Experimenten und Auszehrung.In einer eigens errichteten Genickschussanlage werden über 8000 sowjetische Kriegsgefangene erschossen. Widerstandskämpfer bilden im Lager eine Untergrundorganisation, um das Wüten der SS nach besten Kräften einzudämmen. Gleichwohl wird das „Kleine Lager“ zur Hölle von Buchenwald. Noch kurz vor der Befreiung sterben Tausende der entkräfteten Häftlinge.

Nach 1945 nutzte die sowjetische Besatzungsmacht Buchenwald als Gefängnis

Als sogenanntes Speziallager Nr. 2 wurde Buchenwald ab August 1945 ein Gefängnis der sowjetischen Besatzungsmacht. Es diente zur Internierung von Deutschen. Seit August 1945 führte der sowjetische Sicherheitsdienst die vorhandenen Baulichkeiten des Konzentrationslagers Buchenwald weiter. Vorrangig wurden dort lokale Funktionsträger der NSDAP, aber auch Jugendliche und Denunzierte interniert. Jeglicher Kontakt nach außen wurde unterbunden, ein auch nur im Ansatz rechtsförmiges Verfahren fand nicht statt.

Von den 28.000 Insassen starben vor allem im Winter 1946/47 über 7000 von ihnen an den Folgen von Hungerkrankheiten. Im Februar 1950, kurz nach der Gründung der DDR, wurde das Lager von den Sowjets aufgelöst.

Referentin Dr. Maria Schindelegger wurde mit einer Arbeit über die Fotografien der US-Amerikanerin Margaret Bourke-White promoviert

Dr. Maria Schindelegger hat sich im Bereich Fotogeschichte mit der visuellen Repräsentation von Krieg und Gewalt sowie dem Themenkomplex Fotografie und Holocaust
beschäftigt und wurde mit einer Arbeit über Margaret Bourke-Whites Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg promoviert. Sie arbeitet derzeit als Kunsthistorikerin bei der Stiftung DASMAXIMUM.

Am vergangenen Freitag war Schindelegger zu Gast in der Gedenkstätte Steinwache. Ihr Referat stand unter dem Titel „To map the place with negatives.“ In ihrem Vortrag beschäftigte sich die Kunsthistorikerin mit Margaret Bourke-Whites Fotografien aus dem KZ Buchenwald.

Über die Masse an existierenden Fotografien aus dem KZ Buchenwald war Maria Schindelegger überrascht

Als sich Maria Schindelegger mit den Fotografien des befreiten KZ Buchenwald beschäftigte, sagte sie vor eine interessiertem Publikum in der Steinwache, sei sie im ersten Moment überrascht gewesen von der Masse an Fotografien, die es gibt. Aber im zweiten Moment auch überrascht davon, wie wenig davon eigentlich veröffentlicht ist und wie wenig es an wissenschaftlicher Aufbereitung gibt. Was ihrer Meinung daran liegt, dass die Fotografien zu ihrer Entstehungszeit sehr stark ausgesiebt worden seien und sehr wenig Aufnahmen Eingang in Publikationen fanden. Die wenigen, die veröffentlicht und immer weiter fortgeschrieben worden sind, hätten sich zu einer Art Ikone entwickelt, die sozusagen stellvertretend den Holocaust repräsentierten. Erst viel später, eigentlich erst in den 1990er und den 2000er Jahren seien sie als historische Quelle betrachtet worden. Man habe dann versucht „durch die Fotografien hindurch zu schauen, auf eine Welt, die vergangen ist“, um diese zu rekonstruieren. Schindelegger interessierte an diesen Fotografien, dass sie ein Kommunikationsmedium seien. Sie habe sich gefragt: Wie wird etwas dargestellt? Warum wird etwas so dargestellt? Was passiert mit den Bildern wenn sie in die Öffentlichkeit kommen?

Dwight D. Eisenhower damals über sein Eindruck vom KZ Buchenwald: „Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick.“

Nach der Entdeckung der Konzentrationslager wären die Fotografien aus ihnen zu einem gewaltigen Medienereignis geworden, sagte Schindelegger.

Wie man nachlesen kann, nahmen auch Politiker und Militärs, wie Dwight D. Eisenhower, der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte Anteil an den nun sichtbar gewordenen Grauen. Eisenhower damals über sein Eindruck vom KZ Buchenwald: „Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick.“

Von dem Gräuel schockiert, befahl US-General Patton zwangsweise 1.000 Weimarer Bürger ins KZ Buchenwald zur dessen Besichtigung

Am 15. April 1945 kam US-General George S. Patton nach Buchenwald. Von dem Gräuel schockiert, befahl Patton für den darauffolgenden Tag, zwangsweise 1.000 Weimarer Bürger kommen zu lassen und sie mit der Realität vor den Toren der Kulturstadt Weimar zu konfrontieren. Außerdem forderte er Eisenhower auf, Pressevertreter nach Buchenwald zu schicken, um Zeugnis von der „die Brutalität der Deutschen“ zu nehmen. Eine Gruppe amerikanischer Reporter erreichte am 24. April 1945 Buchenwald.

Dr. Schindelegger zitierte Margaret Bourke-Wight aus deren Autobiografie betreffs ihrer Eindrücke bei ihrer Ankunft im KZ Buchenwald: „Ich war der tiefen Überzeugung, dass die Gräueltaten dokumentiert werden mussten. So zwang ich mich diesen Ort mit Fotos kartographisch zu erfassen.“

Konfrontation

Interessant, so merkte Maria Schindelegger an, die Orte und Situationen, welche Bourke-Wight für ihre Kartographie auswählte.

Etwa, zeigt ein von Schindelegger präsentiertes Bild, die Inszenierung der ins Lager kommandierten Weimarer BürgerInnen. Die sind auf dem Schwarzweißfoto als dunkle Masse im Hintergrund zu sehen. Im Vordergrund steht ein Lkw-Anhänger im Innenhof des Lagerkrematoriums voll mit weiß in der Sonne leuchtenden Leichen. Deutsche und US-Soldaten als Befreier stehen sich frontal (Bedeutung des Motivs: Konfrontation) gegenüber.

Die Referentin zeigte zum Vergleich auch Fotos (aufgenommen von einer Mauer aus) von Walter Chichersky vom U.S. Signal Corps (Fernmeldetruppe des US-Heeres). Deutsche und Besatzer stehen sich gegenüber.

Was räumlich und gleichzeitig moralisch von einander trenne, erklärte Dr. Schindelegger.

„Als Scharnier zwischen beiden Gruppen fungiert ein Soldat am linken Bildrand. Möglicherweise als Vermittler zwischen beiden Gruppen gedacht.“

Im Zentrum der Konstellation steht eine Gruppe von Deutschen in der Gegenüberstellung (der deutschen Bevölkerung) zu den Verbrechen der Deutschen, um deren Reaktion darauf festzuhalten. Bourke-Wright sei es um das Zu-Sehen-Geben, des beim Sehen Zusehens und um das Einsehen gegangen.

Schindelegger: „Der außerbildliche Betrachter wird über die Aufnahmen nicht nur selbst mit dem Verbrechen konfrontiert, sondern fungiert als Zeuge der Konfrontation der Deutschen.“

Ein anderes Foto bildet Weimarer BürgerInnen ab, die offenbar auf mit Leichen beladenen Anhänger. Eine Frau im Hintergrund blickt an der grausigen Szenerie vorbei in die Kameralinse. Eine andere, gleich vorn, hält sich ein Taschentuch wegen des gewiss bestialischen Gestanks der Leichen vor Mund und Nase. Eine andere Frau senkt ihren Blick und beschirmt ihre Augen.

Veröffentlicht seien keine der Aufnahmen von Margaret Bourke-Wright. Schindelegger vermutet: „Möglicherweise wurden sie als zu didaktisch angesehen.“

Andere Fotos zeigen Häftlinge, die unter katastrophalen menschlichen und hygienischen Bedingungen untergebracht waren

Des Weiteren zeigte die Referentin Fotos von den Unterkünften der Häftlinge aus dem sogenannten „Kleinen Lager“. Dort waren meist kranke und nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge unter katastrophalen menschlichen und hygienischen Bedingungen untergebracht. In einer einzelnen Baracke hätten bis zu 1.900 Männer eingepfercht auf hohen Holzpritschen dahinvegetieren müssen. Bourke-Wrights Aufnahmen von dort folgten einen frontalen und eine diagonalen Blickwinkel. In einem der Bilder konzentrierte sich die US-Fotografin auf einen ausgemergelten Häftlingen mit weit aufgerissenen Augen. Auf einen weiteren Bild korrespondiert ein vor einem der Häftlinge auf der Pritschenkante positionierter leerer Löffel mit dem darbenden Häftling dahinter.

Ein interessanter, informativer, bedrückender Vortrag

Ein sehr interessanter, informativer, aber ob seines Inhalts freilich bedrückender Vortrag. Kritisch ist anzumerken, dass die Aufnahmen in relativ kleinem Format projiziert auf der Leinwand erschienen und besonders für das weiter hinten sitzende Publikum schwer zu erkennen waren. Ganz zu schweigen von den Untertiteln der Fotos.

Markus Günnewig, wissenschaftliche Mitarbeiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache und seit 2015 deren stellvertretender Leiter ergänzte am Ende des Referats: „Noch im Februar 1945 rollte ein Häftlingstransport von Dortmund nach Buchenwald.“

Beitragsbild: Archiv Claus Stille/Repro des Fotos von 1970 vom Eingangstor des KZ Buchenwald

Gedenken am Antikriegstag in Dortmund. Zeitzeuge Willi Hoffmeister im Interview war Höhepunkt der Veranstaltung

Georg Deventer (links) und Willi Hoffmeister (rechts) knicken dem Panzer das Geschützrohr ab Es erscheint die Aufschrift Peace. Fotos: Stille.

In diesem Jahr jährt sich der Überfall Nazideutschlands auf Polen zum 80. Mal. Der 1. September 1939 markiert den Beginn des verheerenden 2. Weltkriegs, der mindestens 55 Millionen Menschen den Tod brachte – allein 26 Millionen Tote davon hatte die Sowjetunion zu beklagen.

Der Antikriegstag, der 1. September, wird von den Gewerkschaften schon immer zum Anlass genommen, der Opfer aller Kriege und des Nationalsozialismus zu gedenken. Höhepunkt der traditionellen Gedenkveranstaltung am vergangenen Sonntag im Hof der Mahn- Gedenkstätte Steinwache in Dortmund war der Auftritt des Zeitzeugen und unermüdlichen Friedensaktivisten Willi Hoffmeister.

DGB-Vorsitzende Jutta Reiter: Krieg zerstört Lebensgrundlagen. Atomverbotsvertrag unterschreiben. Nein zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO

Was Krieg bedeutet, verdeutlichte die Vorsitzende des DGB-Hellweg Jutta Reiter: „Er zerstört unser Zusammenleben, er zerstört unsere Lebensgrundlagen, unsere Werte und bedroht unsere Zivilisation immer wieder aufs Neue“. Das sei in der Vergangenheit so gewesen und gelte nach wie vor. Allein die vielen in unser Land gekommen Geflüchteten zeugten mit ihren Schicksalen dafür. Dies gelte gerade jenen ins Bewusstsein zu rufen, die als Autokraten, autoritäre Regime und letztlich als Feinde unserer Demokratie sowie all jenen, die Nationalismus als Lösung für komplizierte Probleme predigen. Und jenen, „die populistische Antworten auf gefühlte Wahrheiten von Menschen geben, die aber nicht immer der Faktenlage entsprechen. All jene, die ihr eigenes Süppchen auf der Verunsicherung vieler kochen, um damit Feindbilder, Ausgrenzung und Rassismus zwischen Menschen und Nationen anzuheizen“.

DGB-Chefin Dortmund-Hellweg Jutta Reiter.

Gerade jetzt, so Jutta Reiter, erlebten wir wieder einen neuen Aufrüstungswahn, „der uns mit einer neuen nuklearen Bedrohung konfrontiert“. Die Gewerkschafterin skandalisierte, dass die Atommächte dabei seien ihre Nuklearwaffen zu modernisieren. Und die USA seien auch noch aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und hätten zusätzlich noch das Abkommen über nukleare Mittelstreckenraketen (INF) mit Russland gekündigt!

Reiter: „Dass, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wie ein Tanz auf einer Rasierklinge!“ Auch die Bundesregierung halte sich „mehr als ambilvalent“. Den UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen, welchem 130 Staaten bereits zugestimmt haben, habe Deutschland immer noch nicht unterschrieben. Starken Beifall erhielt Reiters folgender Satz: „Wir müssen diesem Wahnsinn ein Ende setzen!“ Unbedingt, betonte die Gewerkschaftschefin, müsse verhindert werden, dass der momentan 43 Milliarden Euro betragende deutsche Verteidigungsetat bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoninlandsproduktes steige. Das hieße dann nämlich 85 Milliarden Euro für Rüstung auszugeben. „Wir brauchen jeden Euro, um die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft zu überwinden“, unterstrich Jutta Reiter. „Und zwar mit dem Ziel, Gerechtigkeit herzustellen.Weltweit.“Reiter beklagte, dass „wir mit unseren Forderungen“, obwohl wir wüssten, wie Kriege immer enden, vielfach ignoriert blieben. Der DGB sei Mitglied der Initiative „Abrüsten statt aufrüsten“ und gegen das Zwei-Prozent-Ziel der NATO, sagte sie. Sie freue sich deshalb sehr, Willi Hoffmeister, „das Gesicht des Ostermarsches Ruhr, der Treiber der Friedensbewegung hier und anderswo“ begrüßen zu können, damit er die Versammelten teilhaben lasse, an seinen Erfahrungen im Kampf für die Frieden.

Friedensaktivist Willi Hoffmeister im Interview: „Dieses Nie-wieder hat sich mir eingebläut“

Joyce Schröder von den BotschafterInnen der Erinnerung führte mit im Jahre 1933 im ländlichen Kreis Lübbecke geborenen Willi Hoffmeister ein Interview. Schon im Jahre 1938, erzählte Hoffmeister, habe er als Kind in Begleitung seines Vaters in der örtlichen Gastwirtschaft heftigen politischen Streit unter den Leuten erlebt. Seine Mutter habe damals schon gewarnt: „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“

Kurz vor seiner Einschulung im Jahr 1939 erlebte er während einer Kur, dass diese Einrichtung geräumt werden musste, weil sie als Lazarett gebraucht würde. Die Begründung: „Die Polen haben uns überfallen. Es wird Krieg geben.“ So habe Hoffmeister schon früh erlebt, dass es vor Kriegen stets die größten Lügen gebe. In ersten Schuljahr erlebte er Lehrer, die stramme Nazis waren. Das habe ihm schon früh die Sinne dafür geschärft, was der Nationalsozialismus für die Gesellschaft für Schaden mit sich bringe. Im Elternhaus habe er eine antifaschistische Erziehung genossen.

Ein Satz, der Hoffmeister mit auf den Weg gegeben wurde: „Junge tu‘ alles, damit es nicht wieder dazu kommt“

Friedensaktivist Willi Hoffmeister (links) wird von Joyce Schröder interviewt.

Nach dem Krieg bekam Hoffmeister mit, dass Nachbarn, die einige Zeit weg gewesen waren wieder auftauchten. Sie kamen aus Konzentrationslagern zurück. Die Erzählungen der Zurückgekehrten, darunter Sozialdemokraten, Kommunisten und auch Parteilose, prägten den nun Zwölfjährigen. Was sich ihm daraus besonders einprägte: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ – der Schwur von Buchenwald. Dieses „Nie wieder!“, so Willi Hoffmeister, habe sich bei ihm „eingebläut“.

Ein Bruder seiner Mutter habe 11 Jahre im KZ verbracht. Der habe ihm eigentlich die Augen richtig geöffnet über den Nationalsozialismus. Und ihm mit auf den Weg gegeben: „Junge tu‘ alles, damit es nie wieder dazu kommt.“ Dieser Satz, sagte Hoffmeister, begleite ihn eigentlich sein ganzes Leben.

Hoffmeisters größte Hoffnung: Die in Büchel stationierten US-Atombomben wegzubekommen

So kämpfte er fortan gegen den wiedererstarkenden Nazismus und gegen alte Nazis in der jungen Bundesrepublik. Nach dem Abwurf der US-amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki galt Willi Hoffmeisters Kampf auch diesen schrecklichen Waffen. Später ging er in die Gewerkschaft und begann bei Hoesch in Dortmund zu arbeiten, wo er eine unglaubliche Solidarität, sowie einen zuvor nie erlebten Zusammenhalt, wie er unter den Arbeitern auf der Westfalenhütte üblich war, erfuhr. Seit 1963 ist Hoffmeister beim Ostermarsch Ruhr hoch engagiert. Er war in der betrieblichen Friedensbewegung und ist nach wie vor beim Kasseler Friedensratschlag aktiv. Wichtig sei ihm stets die Einbindung der Gewerkschaften in die Friedensbewegung gewesen.

Seine größte Hoffnung, antwortete er auf eine betreffende Frage der Interviewerin, die noch in Büchel in stationierten US-Atombomben von deutschem Boden wegzubekommen. Ihn empöre, dass deren stattfindende Modernisierung auf keine Gegenwehr vor allem seitens der Bundesregierung stoße. Diese Empörung fand den zustimmenden Beifall der Anwesenden.

Hoffmeister hält die heutige Situation in der Frage der Atomwaffen für viel verheerender und noch gefährlicher als in 1980er Jahren

Was er den Menschen in diesen Zeiten mitgeben möchte, wollte Joyce Schröder von dem Friedenskämpfer wissen.

Er vermisse, antwortete Hoffmeister, mehr spürbares Engagement aus der Bevölkerung, um der Forderung nach Abrüstung entsprechend mehr Ausdruck zu verleihen. Gerade heute sei eben eine starke Friedensbewegung notwendiger denn je. Hoffmeister hält die heutige Situation in der Frage der Atomwaffen für viel verheerender und noch gefährlicher als in 1980er Jahren.

Erst kürzlich habe er mit anderen in Kassel darüber debattiert, wie man erreichen könne, dass die Bundesregierung dem Atomwaffenverbotsvertrag beitrete. Zu erleben, auf welch Desinteresse man an Infoständen in dieser Hinsicht bei manchen Leuten treffe, betrübe ihn.

An die Fridays-for-Future-Bewegung gerichtet: Die Friedensfrage mitdenken. „Abrüsten ist der größte Umweltschutz“

Was er sich für die Zukunft wünsche?

Hoffmeister sprach die derzeitige Bewegung Fridays for Future in Sachen Klima- und Umweltschutz an. Ein erfreuliches Aufbäumen der Jugend sei die, wie er es sich manchmal gewünscht hätte selbiges in der Friedensfrage zu erleben. Der Friedensaktivist regte an einmal darüber nachzudenken, was alleine nach dem 2. Weltkrieg an Hinterlassenschaften des 2. Weltkrieges – Munition und chemischen Waffen allein in Ost- und Nordsee versenkt worden ist. Welche Gefahren da schlummerten!

Wenn es gelänge, zum von Fridays For Future für den 20. September geplanten Klimastreik die Friedensfrage mit hinzudenken, wäre das großartig: „Aufrüstung und Krieg sind eine der größten Umweltverschmutzer auf der Erde. Wer das nicht kapiert und mitaufnimmt, der vergibt sich etwas im Erfolg dieser Sache. Wir sollten alles dafür tun: Und wenn sich jeder ein Schild malt mit der Aufschrift „Abrüsten ist der größte Umweltschutz.“

Sophie Niehaus (Jugendring): Stopp der Anwerbung von Minderjährigen durch die Bundeswehr! Gegen eine zunehmende Militarisierung Europas

Für Sophie Niehaus vom Jugendring Dortmund ist es unbegreiflich, dass wir 74 Jahre nach der Befreiung Deutschlands vom Faschismus anscheinend noch immer nicht aus denn Fehlern Vergangenheit gelernt haben: „Weiterhin werden Minderjährige bei der Bundeswehr zum Kriegführen ausgebildet.

Sophie Niehaus vom Jugendring Dortmund.

Fast zehn Prozent aller neu eingestellten Soldatinnen und Soldaten sind gerade erst siebzehn Jahre alt. Darauf gibt es nur eine Antwort sofortiger Stopp der Anwerbung von Minderjährigen durch die Bundeswehr!“ Die Pläne für eine gemeinsame europäische Armee lasse ein zunehmende Militarisierung Europas befürchten: „Wir sind auf dem Weg zu einem Europa der Generäle und Rüstungskonzerne.“ Darauf gebe es nur eine Antwort: „Eine gemeinsame europäische Abrüstung und den Stopp aller Waffenexporte aus Deutschland und Europa.“ Die bittere Saat der Bundestag sitzenden Rechtspopulisten von AfD gehe auf: Rassistische und antisemitische Übergriffe nähmen zu.

Die Falken mit einem Plädoyer für den Frieden

Charlotte Muche (der SJD – Die Falken) hielt im weiteren Verlaufe der Veranstaltung ein Plädoyer für den Frieden: „Frieden ist ein Welt ohne Faschismus, Rassismus und Sexismus. Frieden ist eine Welt ohne Hass. Frieden ist Freundschaft. Frieden ist Liebe. Frieden ist eine Welt wo die Bedürfnisse des einzelnen respektiert und geachtet werden. Frieden ist zusammenzuleben. Frieden ist Gleichberechtigung aller Menschen. Frieden ist Freiheit selbstbestimmt zu leben. Frieden ist die soziale Gleichberechtigung aller Menschen. Frieden ist, sich nicht über die Gemeinschaft zu stellen, Frieden ist Demokratie.“ (Auszug)

Frank Ahland erinnerte an das Homosexuellen geschehene Unrecht im Nazistaat und der BRD

Frank Ahland, Slado e.V. Dachverband der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initativen in Dortmund) erinnerte in seiner Ansprache an die schwulenfeindliche Politik der Nazis und deren Folgen auch in Dortmund. Und auch daran, dass der betreffende damals von den Nazis verschärfte Paragraf 175 Strafgesetzbuch in dieser Form in der BRD sogar noch bis 1969 Bestand hatte. Vor 50 Jahren sei dann endlich die Strafbarkeit einvernehmlicher sexueller Handlungen zwischen erwachsenen aus dem Strafgesetzbuch getilgt worden. Ahland verwies abermals darauf,

Dr. Frank Ahland.

dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im vergangenen Jahr als erster ranghoher Politiker der BRD eine schlichte Wahrheit anerkannt hat. Nämlich die, dass die Verfolgung Homosexueller in der Bundesrepublik auf Grundlage des Paragrafen 175 von Anfang an dem Grundgesetz widersprach.

Nun habe auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, reagiert. In einer Fernsehdiskussion zum 70-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes, angesprochen auf die Entscheidung seines Gerichts im Jahre 1957 (der § 175 war da für vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden) gesagt habe, man müsse sich schämen.

Wann bekennen auch Bundestagspräsident und Bundeskanzlerin, dass damals Unrecht vom Bundesverfassungsgericht gesprochen wurde?

Für wünschenswert hält es Frank Ahland, wenn auch der Bundestagspräsident und die Bundeskanzlerin sich endlich klar und deutlich dazu bekennen könnten, dass damals Unrecht gesprochen worden ist.

Es wäre schön, wenn die Universität an Wilhelm Bergmann erinnern würde, meint Dr. Ahland

Dortmund betreffend erinnerte Ahland an Wilhelm Bergmann, Regierungsinspektor a.D., der zwischen 1942 und 1954 acht Mal wegen Verstoß gegen § 175 verurteilt worden war. Deshalb verlor er 1947 seine Stellung an der Pädagogischen Akademie, der Keimzelle der heutigen Technischen Universität. Dr. Frank Ahland: „Es wäre schön, wenn die Universität an ihn erinnern würde.“

Im Anschluss an Ahlands Rede wurde zum Gedenken im Innenhof der Steinwache ein Kranz niedergelegt, der an die Opfer des Naziregime und das Unrecht, dass Homosexuelle auch in der Bundesrepublik erinnert. Des Weiteren sollte mit der Kranzniederlegung auch ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Hass gesetzt werden.

Martina Plum: Nächstes Jahr das Doppelte an Musik

Martina Plum von der Auslandsgesellschaft, die die Gäste an diesem Antikriegstag 2019 begrüßt hatte, verabschiedete diese auch wieder. Mit der Entschuldigung, dass der in der Einladung angekündigte musikalische Beitrag diesmal leider nicht stattfinden konnte. Sie versprach für die Veranstaltung im nächsten Jahr das Doppelte an Musik.

Es handelte sich um eine Veranstaltung des DGB in Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, der Auslandsgesellschaft, dem „Förderverein Gedenkstätte Steinwache – Internationales Rombergpark-Komitee e.V.“, dem Jugendring Dortmund, „Slado e.V.“ sowie unterstützt durch den „Arbeitskreis Dortmund gegen Rechtsextremismus“.

Am Antikriegstag in Dortmund mit der DGB-Landesvorsitzenden Anja Weber: Mit Krieg ist kein Frieden zu machen

Hauptrednerin bei der Veranstaltung zum Antikriegstag in Dortmund war Anja Weber (DGB-Landesvorsitzende). Fotos: C. Stille

Auch in diesem Jahr fand gestern wieder die DGB-Erinnerungsveranstaltung in Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache zum Antikriegstag statt. Hauptrednerin war diesmal die DGB-Landesvorsitzende Anja Weber. Tausende Menschen in Nordrhein-Westfalen, sagte Weber, kämen an diesem Tag zusammen: „Wir gedenken des Grauens und des unermesslichen Leides der beiden Weltkriege, die über 80 Millionen Tote gefordert haben.“ Am 1. September 1939 erinnere man daran, dass es Nazideutschland mit seinem Überfall auf Polen gewesen sei, dass den Zweiten Weltkrieg entfacht hat. „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus, das ist die unumstößliche Lehre, die wir Gewerkschaften aus dem Schrecken des 20. Jahrhunderts gezogen haben“, erklärte Anja Weber. Gerade in diesem Jahr habe man besonderen Anlass den Antikriegstag als das Mahnen vor den zerstörerischen Folgen von besinnungslosen Nationalismus und Faschismus zu begehen: „Denn 2018 jährt sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal und über siebzig Jahre nach der Befreiung vom Faschismus ist der braunen Saat immer noch nicht der Boden entzogen.“

DGB-Landesvorsitzende Anja Weber: „Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem wir Demokratinnen und Demokraten Haltung zeigen müssen.“

Die aktuelle politische Situation müsse, meinte Weber, eingedenk des Schwurs der Häftlinge des KZ’s Buchenwald „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“ mit tiefer Sorge betrachtet werden. In Deutschland erlebten wir „einen dramatischen Rechtsruck in der öffentlichen Diskussion.“ Dinge, die bisher unsagbar gewesen seien, „sind es durch Gauland und Weidel, aber auch durch Seehofer und Söder geworden“. Die DGB-Landesvorsitzende gestand, obwohl sie als sehr große Optimistin bekannt sei, dass sie in diesen Tagen zuweilen großer Schrecken und manchmal sogar Ohnmacht ergreife. Zu viele Nachrichten zeugten davon, dass Rechtsstaatlichkeit, demokratische Grundsätze und die Würde des Menschen in Deutschland täglich angegriffen werden. Wieder einmal seien in Sachsen Worte zu Taten geworden. Anja Weber bekannte große Sorge zu haben und sagte entschlossen: „Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem wir Demokratinnen und Demokraten Haltung zeigen müssen.“ Vor Geflüchteten habe sie keine Angst, so Weber. Nur erfülle es sie mit Angst, wenn sie in der Zeitung lese, dass die NPD jetzt in Bochum irgendwelche Bürgerwehren formieren wolle. Anja Weber lobte die funktionierende Zivilgesellschaft in NRW, unterstützt von Kirchen und Verbänden, die sich Nazis immer wieder entgegenstelle. Gerade in Dortmund werde stets aufs Neue deutlich gezeigt, wer die Mehrheitsgesellschaft ist.

Wir brauchen mehr zivile Strategien zur Friedenssicherung, fairen Welthandel und eine gerechtere Verteilung des weltweiten Reichtums, findet Gewerkschafterin Anja Weber

Eindringlich machte Weber auf die Tatsache aufmerksam, dass weltweit nahezu fast 70 Millionen Menschen auf der Flucht: „Wenn wir den Frieden in

Anja Weber: „Wir brauchen mehr zivile Strategien zur Friedenssicherung.“

Europa erhalten wollen, dann müssen wir etwas dafür tun.“ Mauern und Zäune zu errichten, seien der falsche Schritt. Als moralischen Bankrott geißelte die Gewerkschafterin es, wenn Seenotretter, die Menschen vor dem Ertrinken retten, angeklagt würden. Sie zitierte Norbert Blüm: „Wenn fünfhundert Millionen Europäer nicht in der Lage sind, fünf Millionen oder mehr verzweifelte Flüchtlinge aufnehmen zu können, dann schließen wir am besten den Laden Europa wegen moralischer Insolvenz.“ Was wir bräuchten, wären mehr zivile Strategien zur Friedenssicherung, fairer Welthandel, eine gerechtere Verteilung des weltweiten Reichtums, soziale, ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte, findet Gewerkschafterin Anja Weber

Aufstockung des Rüstungshaushaltes um zwei Prozent darf nicht hingenommen werden

Die EU, die den Friedensnobelpreis erhalten habe, forderte Weber, sollte jetzt nicht zum Militärpakt verkommen. Die Gewerkschafterin rief zur Unterzeichnung des Appells „Abrüsten statt Aufrüsten“ auf. Das geplante Aufstocken (Nato-Ziel) des deutschen Rüstungshaushaltes um zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes dürfe nicht hingenommen werden. Dreißig Milliarden

Abrüsten für Frieden. Das abgebrochene Kanonenrohr des Panzers mit Aufschrift „Peace“ darunter.

Euro würden dann im zivilen Bereich fehlen.

Anja Weber zu den Europawahlen 2019: Wählen gehen!

Hinsichtlich der Europawahlen 2019 meinte Anja Weber: „Dort werden wichtige Weichen gestellt.“ Und rief dazu auf Wählen zu gehen, um rechtsextremen Positionen entgegenzutreten. Überdies müsse Deutschland endlich den UNO-Vertrag über das Verbot von Atomaffen unterzeichnen, wie es bereits 130 Staaten getan hätten. Auch das „Geschäft mit dem Tod“, Waffenexporte – Deutschland liefere derzeit so viele Waffen in Krisengebiete wie noch nie – „dieser Wahnsinn muss aufhören!“.

Mit Krieg ist kein Frieden zu machen. Vereinte Nationen nicht schlechtreden

Es müsse, mahnte die Rednerin eindringlich, endlich gelernt werden, dass mit Krieg kein Frieden zu machen ist. Anja Weber erinnerte an die im Juni 1945 als Lehre aus den beiden Weltkriegen gegründete Charta der Vereinten Nationen. Und sie warnte ausdrücklich davor, die Vereinten Nationen schlechtzureden. Wenn es um den Weltfrieden geht, sei die UNO die beste Institution die wir haben.

BotschafterInnen der Erinnerung und bunte Nelken in Form des Weltfriedenszeichens auf einem Panzer

Dortmunder BotschafterInnen der Erinnerung Joyce Schröder und Leonora Ahmetaj.

Zwei junge Botschafterinnen der Erinnerung, die hier in Dortmund eine wichtige Arbeit dafür leisten, dass vergangenes Unrecht, sowie Menschen, die es erleiden mussten, nicht in Vergessenheit geraten, leiteten nach einer kurzen Vorstellung ihrer Ziele eine schöne Aktion ein: Ein von der AWO gefertigter Holzpanzer, aufgehängt an der Außenmauer der Steinwache, wurde von einigen Akteuren der Gedenkveranstaltung, unter ihnen Oberbürgermeister Ullrich Sierau, mit bunten Nelken als Symbol für Vielfalt und Solidarität in Form des Weltfriedenszeichens geschmückt. Schließlich knickte die Kanone des Panzers ab und die bunte Aufschrift „Peace“ erschien.

Sophie Niehaus als Vertreterin des Dortmunder Jugendrings und der Jugendverbände verlangte die konsequente Verfolgung von Straftätern und Joyce Schröder und Leonora AhmetajBrandstiftern mit allen Mitteln des Rechtsstaates und das Verbot aller faschistischen

Sophie Niehaus als Vertreterin des Dortmunder Jugendrings.

Parteien und Organisationen.

Jutta Reiter: „Wer am Wertekompass dreht, der muss sich nicht wundern, wenn sich die Richtung ändert“

Die DGB-Kollegin von Anja Weber, Jutta Reiter (Regionsgeschäftsführerin der DGB-Region Dortmund-Hellweg), beklagte in ihrer kurzen Ansprache,

Jutta Reiter (Regionalgeschäftsführerin DGB Dortmund – Hellweg): „Uns ist nach wie vor die Würde des Menschen unantastbar.“

dass wir in bedenklichen Zeiten leben. In denen Stabilität und Berechenbarkeit, sachliche Diskurse und ein Festhalten an Haltungen, die Menschenrechte, Grundgesetze und die Ethik gebieten, für viele PolitikerInnen, aber auch für viele MitbürgerInnen offenbar nicht mehr als Kompass der inneren Einstellung zählten. Statt klare Kante und Haltung gegen Meinungsmache und Populismus zu zeigen, werde beides weiter auch von der bürgerlichen Politik angeheizt. Reiter mahnte: „Wer am Wertekompass dreht, der muss sich nicht wundern, wenn sich die Richtung ändert. Uns ist nach wie vor die Würde des Menschen unantastbar.“ Ausdrücklich bedankte sich Jutta Reiter bei der Initiative Seebrücke, die bezüglich der Rettung von Geflüchteten aus dem Mittelmeer, dafür stehe, eine Politik der Unmenschlichkeit nicht mitzutragen. Jutta Reiter lobte, dass gerade von den Dortmunder Sozialdemokraten ein Zeichen der Vernunft ins Land und an die Landes-SPD gegangen sei, das Wirkung zeigte: „Keine Erhöhung der Ausgaben für die Aufrüstung!“

Dr. Frank Ahland zu schwulenfeindlicher Politik und zu einer kommenden Veranstaltung: Gunter Demnig verlegt in zwei Wochen Stolpersteine für von den Faschisten verfolgte Homosexuelle

Dr. Frank Ahland (SLADO – Dachverband der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initativen in Dortmund) beleuchtete als

Dr. Frank Ahland (SLADO e.V.).

studierter Historiker die von den Nazis 1935 per Gesetz (das noch bis 1969 Geltung behielt) ins Werk gesetzte schwulenfeindliche Politik. Ahland informierte darüber, dass der Künstler Gunter Demnig am 15. September 2018 drei Stolpersteine für von den Faschisten mehrfach verfolgte homosexuelle Männer in Dortmund verlegen werde. Darunter auch ein schwuler Obdachloser. Positiv beurteilte Ahland, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Anfang Juni 2018 die verfolgten Homosexuellen im Namen der Bundesrepublik Deutschland Verzeihung gebeten hat. Homosexuelle hatten nämlich nicht nur in der Nazizeit schweres Leid erfahren müssen, sondern auch 1945 sei ihr Schicksal lange verschwiegen worden. Ahland: Immerhin habe damit der Bundespräsident als erster ranghoher Politiker und als das höchste Organ der Bundesrepublik zumindest indirekt eine schlichte Wahrheit ausgesprochen. Nämlich die, „dass die Verfolgung Homosexueller in der Bundesrepublik seit 1949 dem Grundgesetz widersprochen hat“. Im Anschluss an Ahlands Wortbeitrag wurde an der Mauer der Steinwache ein Kranz in Gedenken an die Leiden der Homosexuellen abgelegt und eine Trauerminute eingelegt.

Liedermacher Fred Ape.

Martina Plum: Leute, die bislang still geblieben sind, müssen gegen Hetze aufstehen

Martina Plum, Geschäftsführerin der Auslandsgesellschaft Deutschland e.V., wies daraufhin, dass in ihre Einrichtung jeden Tag Leute als vielen Ländern kommen, um die deutsche Sprache oder andere Sprachen zu lernen. So träfe man jeden Tag Menschen, die auch als Geflüchtete zu uns kamen. Fremdenfeindliche Hetze, verrohte Sprache auch in manchen Medien oder auf der Straße empfindet Plum mittlerweile als unerträglich. Jetzt müsse es endlich darum gehen, dass die Leute, die bislang still geblieben sind, dagegen aufstehen und laut werden.

Musikalische Beiträge: Fred Ape mit neuem Song, Abdulrahman Al Barazi auf der Gitarre und Salman Radwan mit klassischem arabischen Gesang

Abdulrahman Al Barazi.

 

Musikalisch wurde die Veranstaltung in Hof der Gedenkstätte Steinwache eröffnet durch Liedermacher Fred Ape, der mit „Du hast nur Glück gehabt“ eigens einen neuen Song geschriebenen Song präsentierte.

Zwischendurch standen mit Abdulrahman Al Barazi (Gitarre) und Salman Radwan (klassischer arabischer Gesang) zwei Geflüchtete aus Syrien mit beeindruckenden

Salman Radwan.

musikalischen Beiträgen auf der Bühne.

Internationaler Antikriegstag in Dortmund: Wie bereits 2007 ist Dr. Eugen Drewermann in diesem Jahr wieder Hauptredner auf der Gedenkveranstaltung in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache

Eugen Drewermann während seines engagierten und frei gehaltenen Vortrags in der Pauluskirche am Antikriegstag 2016 Dortmund. Foto: Stille

Der DGB Dortmund-Hellweg hält weiter an der Idee eines Friedensfestivals anlässlich des Internationalen Antikriegstages fest. Es findet diesmal am Dortmunder Reinoldikirchplatz (Ostenhellweg) vom 28. bis 31. August 2017 (jeweils von 16 bis 19 Uhr) statt. Am 1. September um 16 Uhr findet dann die gemeinsame Gedenkveranstaltung zum Internationalen Antikriegstag im Innenhof der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache statt.

Das Motto des diesjährigen Friedensfestivals lautet „Demokratie stärken“

„Das Festival ist heute ein Forum nicht nur für Gewerkschaften, sondern für alle Akteure, die gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit eintreten und Dortmund als Stadt des Widerstands positionieren wollen“, so die Vorsitzende des DGB für die Region Dortmund-Hellweg, Jutta Reiter gegenüber der Presse. Neben den DGB-Gewerkschaften und städtischen Stellen sind u.a. auch die Naturfreunde, die Falken, die BotschafterInnen der Erinnerung, die VVN und das Bündnis gegen Rechts dabei.

Das Wort ergreifen werden u.a. der Landesbezirksvorsitzende des DGB, Andreas Meyer Lauber, Dortmunds OB Ullrich Sierau und Schuldezernentin Daniela Schneckenburger. Das Motto des Friedensfestivals im Vorfeld der Bundestagswahl: „Demokratie stärken“.

Unterschiedliche Schwerpunktthemen wurden in den vergangenen Jahren neben Vielfalt, Demokratie und Toleranz gesetzt: Historischer Rechtsextremismus, Flüchtlinge, Erinnerungskultur, Minderheiten (u.a. Homophobie) wurden angesprochen. Die Respekt-Kampagne und die Aktion „Gelbe Hand“ der Gewerkschaften waren präsent. Gemeinsam mit der VVN wurde Rechte Gewalt thematisiert. Organisiert hat das Festival erneut DGB-Sekretär Ralf Beltermann.

In diesem Jahr mit dabei sind neben Liedermacher Fred Ape auch Benjamin Eisenberg, Enno König, Jens Neutag, Helmut Sanftenschneider, Sevgi & Merhaba, Özgur Cebe, Robert Griess, Kowibo, Microphone Mafia und Hauptmann Manz.

Wie schon 2007 ist in diesem Jahr Dr. Eugen Drewermann wieder Hauptredner auf der Veranstaltung in der Dortmunder Gedenkstätte Steinwache

Dortmund hat nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs über Jahrzehnte den Internationalen Antikriegstag begangen. Doch irgendwann war die Tradition eingeschlafen. Anlässlich der „Nationalen Antikriegstage“ der Neonazis („Nie wieder Krieg nach unserem Sieg“) waren AntifaschistInnen entschlossen, sich gegen den Missbrauch des Tages zu wenden. Demzufolge fand 2007 die erste Gedenkveranstaltung (dazu der DGB hier) in der Steinwache statt – damals mit Dr. Eugen Drewermann als Hauptredner. Seitdem führt der DGB-Dortmund, in Kooperation mit unterschiedlichen Partnern, die Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag im Innenhof der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache durch. Bei der ersten Veranstaltung, war Dr. Eugen Drewermann mit einer beeindruckenden Rede der Hauptakteur des Antikriegstages. 2017 ist er abermals Hauptredner und wird in seinen Ausführungen Bilanz ziehen, was in Sachen Krieg und Frieden in den vergangenen zehn Jahren geschehen ist, wie sich die Welt entwickelt hat.

Grafik via DGB Dortmund-Hellweg.

Dass Drewermanns Bilanz positiv ausfällt, darf wohl nicht erwartet werden. Man braucht sich zu diesem Behufe doch nur einmal in der Welt umzuschauen: friedlicher ist sie gewiss nicht geworden. Nicht zuletzt mit Blick auf die zahlreichen Konflikte und Kriege weltweit, die auch dazu geführt haben, dass in der Stadt Dortmund rund 9000 Geflüchtete aufgenommen werden musste.

Ein Jahr zuvor hatte Eugen Drewermann – auch am Antikriegstag – eine bemerkenswerte Ansprache (dazu hier mehr) in der vollbesetzten Dortmunder Pauluskirche gehalten.

Die Veranstaltung [Flyer siehe hier]  in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache findet am kommenden Freitag von 16 bis 17.15 Uhr statt.

Dr. Erhard Eppler (SPD) am Antikriegstag in Dortmund: „Lasst euch nicht mehr aufhetzen gegen wen auch immer“

Dr. Erhard Eppler war der diesjährige Hauptredner zur Antikriegskundgebung in der Dortmunder Mahn- und Gedenkstätte Steinwache. Fotos: C.-D. Stille

Dr. Erhard Eppler war der diesjährige Hauptredner zur Antikriegskundgebung in der Dortmunder Mahn- und Gedenkstätte Steinwache. Fotos: C.-D. Stille

Im zehnten Jahr fand am vergangenen Donnerstag in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache Dortmund eine Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag statt. Eine Veranstaltung des DGB in Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, der Auslandsgesellschaft, dem „Förderverein Gedenkstätte Steinwache – Internationales Rombergpark-Komitee e.V.“, dem Jugendring Dortmund, „Slado e.V.“ sowie unterstützt durch den „Arbeitskreis Dortmund gegen Rechtsextremismus“.

Die Würde des Menschen ist unantastbar“

Ihre Begrüßungsansprache leitete Jutta Reiter, Vorsitzende des DGB Region Dortmund Hellweg, mit einem Zitat des Artikels (1) ein: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, der, so Reiter, eine „unumstößliche Lehre aus Faschismus und Krieg“ sei.. Zuvor hatte Liedermacher Fred Ape mit seinem Lied „Ich will meine Stadt nicht braun“ auf die Veranstaltung eingestimmt.

Die Vorsitzende des DGB Dortmund Hellweg, Jutta Reiter, während ihrer Ansprache.

Die Vorsitzende des DGB Dortmund Hellweg, Jutta Reiter, während ihrer Ansprache.

Reiter benannte das Datum des Kriegsbeginns, den 1. September 1939 – der Überfall des faschistischen Deutschlands auf Polen – und die Zahl der an dessen Ende zu beklagenden Todesopfer: 60 Millionen. Erinnerte aber sogleich auch an die schrecklichen Kriege der Gegenwart weltweit, in denen unzählige Menschen Opfer von politischer, ethnischer und religiöser Verfolgung wurden. Das schocke uns zwar, zeige jedoch gleichzeitig, „dass wir keine wirklichen Lehren aus den Kriegen“ der Vergangenheit gezogen hätten, „die den Grundsatz, dass die Würde des Menschen wirklich unantastbar ist, über andere definierte und nicht definierte Interessen stellt“.

Beim Gedenken in der Steinwache habe man diese Interessen immer wieder benannt. Dennoch spitze sich die Lage weiter zu. Und mit den Geflüchteten seien die Auswirkungen von Krieg und Verfolgung zu uns herangerückt. Statt man hier die Unantastbarkeit der Würde auch der Geflüchteten schütze, nützten Rechtspopulisten diese aus, um Stimmung zu machen, Hass zu sähen, unsere Gesellschaft zu spalten und unserer solidarisches Gemeinwesen zu untergraben. „Das dürfen wir nicht zulassen.“

Krieg: Stell dir vor, er wäre hier“

Jutta Reiter sprach vom Buch „Krieg: Stell dir vor, er wäre hier“ der Autorin Jane Teller. Darin schildere die Dänin verständlich für Kinder und Jugendliche wie Krieg sich bei uns anfühlen würde. Wenn man etwa gezwungen sei vor einer faschistischen Diktatur hier in den Nahen Osten zu flüchten. Wie der 14-jährige Protagonist des Buches aus Deutschland. Ohne Aufenthaltsgenehmigung und Möglichkeit die arabische Sprache zu erlernen.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, schloss die DGB-Vorsitzende, „das ist eine historische Überschrift, die für unser Gemeinwesen Geltung haben muss.“

Ein ergreifendes Gedicht des Syrers Mohamad Srour

Die Moderatorin kündigte dann den syrischen Zahnarzt Mohamad Srour an. Der war Ende 2014 nach Deutschland gekommen. Im April 2015 hat er

Der Syrer Mohamad Srour trägt ein eigenes Gedicht in deutscher Spracher vor.

Der Syrer Mohamad Srour trägt ein eigenes Gedicht in deutscher Spracher vor.

einen Sprachkurs an der Auslandsgesellschaft Dortmund begonnen und zehn Monate später mit Bravour abgeschlossen. Bald schon habe er Gedichte auf Deutsch geschrieben. Eines dieser Gedichte trug Srour dann vor den Versammelten vor. Dieses Gedicht hat er Aylan gewidmet. Wir kennen dessen Bild alle: das Flüchtlingskind, dass 2015 ertrunken an einen türkischen Strand gespült worden war. Ein ergreifender Text, für welchen Mohamad Srour verdienten Applaus erhielt.

Hauptredner war Dr. phil. Erhard Eppler

Mit überaus herzlichem Applaus ist dann auch das SPD-Urgestein Dr. phil. Erhard Eppler (Jahrgang 1926), Bundesminister a.D., der Hauptredner der Gedenkveranstaltung, begrüßt worden. Zunächst drückte Eppler seinen Respekt vor der Leistung von Mohamad Srour aus: „So ein reines Deutsch bekomme ich das als Schwabe gar nicht hin.“

Mahnende Worte von Erhard Eppler.

Mahnende Worte von Erhard Eppler.

Alle Einladungen der letzten zwanzig Jahre, so Eppler, habe er abgelehnt. Weil er meinte, nun könnten mal jüngere ran. Auch habe er nicht gewusst was er sagen sollte. Nach 1990 sei Krieg „für uns weit weg“, der Kalte Krieg zu Ende gewesen. Sogar die Weltmächte, wobei eine – Russland – keine mehr war, seien gut miteinander ausgekommen. Als einstiger deutscher Wehrmachtssoldat weiß Eppler was Krieg bedeutet.

Wenn er nun dennoch wieder zum Antikriegstag spreche, dann weil er glaube, es gibt etwas neues zu sagen. Erhard Eppler sprach die Erinnerungen von vor zwei Jahren an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren an. Viel Kluges sei da gesagt worden zur „eigentlichen Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“. Doch etwas Wichtiges meist vergessen worden: Der grundsätzliche Unterschied zwischen damals und heute. Der Erste Weltkrieg sei begonnen worden, weil es starke selbstbewusste, wohl gerüstete Staaten gab. Krieg als Auseinandersetzung zwischen souveränen Staaten. Heute dagegen fände man auf dem Globus überall grausige und rechtlose Gewalt. Dies habe oft mit dem Zerfall von Staaten zu tun. Religiöse Fanatiker und politische Extremisten oder einfach Kriminelle bewaffneten sich, um „so etwas wie einen Krieg“ führten. In Syrien etwa habe man seit fünf Jahren schlimme Gewaltexzesse. Frieden zu machen gelänge deshalb nicht, „weil es zu viele Akteure gibt“. Etwa zwanzig unter verschiedenen Kommando stehende Gruppierungen.

Der Zerfall von Staaten werde u.a. auch vom USA-dominierten Internationalen Währungsfonds ausgelöst, der verschuldeten Ländern marktradikale Bedingungen stelle, um diesen zu „helfen“. Die Staaten, dadurch „schlank“ gemacht, werden dadurch letztlich „schwindsüchtig“ und könnten zerfallen.

Gefährliche Kluft zwischen Arm und Reich

Aber auch die reichen Staaten kämen in Schwierigkeiten, weil die Kluft zwischen Arm und Reich größer werde.

In seiner Ministerzeit errechnete Eppler das die Vorstände eines Konzerns das Zwanzigfache eines Arbeiters verdienten. Heute das 200-Fache. Eppler: „Und niemand regt sich auf.“

Aber es gebe „einen Punkt wo die Kluft zwischen Arm und Reich so tief ist, dass man einen geordneten Staat nicht mehr aufrechterhalten kann“.

Ein Staat werde aber umso stärker, wenn die Bereitschaft in allen Schichten der Bevölkerung besteht, diesen demokratischen Staat zu stützen und zu beleben und zu benutzen. Mit dafür zu sorgen, sei Aufgabe der Gewerkschaften. Wer ehrliche Arbeit leiste, müsse auch davon leben können. Und später in die Lage versetzt werden auch als Rentner würdig zu leben. Nicht hinnehmbar sei die Art wie bei uns diese Kluft zwischen Arm und Reich vertieft werde. „Mit welcher Schnodderigkeit man darüber redet, mit welchem Selbstbewusstsein manche Leute auftauchen, das ist für mich ein Zeichen, dass wir hier in eine gefährliche Richtung gehen.“

Mit seinem Kommen wolle er einen Dienst am Frieden – auch dem inneren – leisten, dass nicht geschossen wird.

Ein Wettrüsten zwischen NATO und Russland: „einfach Torheit“

Der Terror habe inzwischen eine Form erreicht, sodass er ganz schwer zu bekämpfen sei.Auch Russland habe ein Interesse daran ihn zu bekämpfen. Ein Wettrüsten zwischen der NATO und Russland nannte Ehrhard Eppler „einfach Torheit“. Das sei „der reine Schwachsinn“. Das SPD-Urgestein beschwor die Menschen:

„Lasst euch nicht mehr aufhetzen gegen wen auch immer. Es sei denn gegen den Terror, der kein Gesetz kennt.“

Wer über einen anderen Staatsmann nichts als nur böses zu sagen hat, hat immer Unrecht“

Zu Putin gab Eppler zu bedenken, dass dieser verhindert habe, „dass aus diesem riesigen Russland nach der Jelzin-Ära ein zerfallender oder gar zerfallener Staat wird.“

Eppler weiter: „Lassen Sie uns nüchtern bleiben. Wer über einen anderen Staatsmann nichts als nur böses zu sagen hat, hat immer Unrecht.“ Und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass der DGB seine Aufgabe auch als Friedensaufgabe betrachte.

Lang anhaltender Applaus.

Tobias Falke (Jugendring Dortmund): Krieg darf nicht normales sein

Tobias Falke vom Jugendring Dortmund versuchte in seiner Ansprache zu ergründen, wie Kindern und Jugendlichen Krieg zu erklären sei. Doch die eine Antwort darauf gebe es gar nicht. Eines aber sei klar: Krieg dürfe nichts normales sein.

Erinnerung und Gedenken an die Homosexuellen, die in Dortmund dem Nazi-Terror zum Opfer fielen

Frank Siekmann (SLADO e.V.) erinnerte in seinem Redebeitrag an das Schicksal der 650 seinerzeit unter den Nazis in Dortmund verhafteten

Frank Siekmann (SLADO e.V.) erinnerte an das Schicksal von verfolgten Homosexuellen im Dritten Reich.

Frank Siekmann (SLADO e.V.) erinnerte an das Schicksal von verfolgten Homosexuellen im Dritten Reich.

Homosexuellen, dass nach Kriegsende jedoch kaum Beachtung gefunden habe. Sowie an den unsäglichen Paragrafen 175, unter dem lange noch nach dem 2.Weltkrieg Bürger der Bundesrepublik leiden mussten. Immerhin, so Siekmann, habe der Bundesjustizminister inzwischen eine Rehabilitierung der damals in der BRD verurteilten Menschen in Aussicht gestellt.

Des Weiteren informierte Frank Siepmann über den diesjährigen Christopher Street Day (CSD) am 10. September. Für diesen habe man bewusst jemand mit Migrationshintergrund als Schirmherrin ausgewählt. Nämlich die Politikerin Fatma Karacakurtoglu, engagiert auch im Verein „Train of Hope Dortmund“. Siekmann kritisierte heftig die Reaktion darauf: Dümmliche, absurde und offenbar rassistisch motivierten, unmenschlichen Anwürfe eines AfD-Politikers.

Im Anschluss an die Veranstaltung wurde am einstigen Gestapo-Gefängnis Steinwache ein Kranz niedergelegt und gemeinsam in Stille der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidenten gedacht, welche dem Nazi-Terror in Dortmund zum Opfer gefallen waren.

Dortmund: David Dushman, einer der letzten Zeitzeugen der Auschwitz-Befreiung, sprach vor und mit Gymasiasten

David Dushman referiert vor Dortmunder Gymnasiasten; Fotos: C.-D. Stille

David Dushman referiert vor Dortmunder Gymnasiasten; Fotos: C.-D. Stille

Ein Gedenktag vermag gerade durch die Gegenwart von Zeitzeugen immer einen ganz besonders starken Eindruck zu vermitteln. Insofern muss der Dortmunder Mahn- und Gedenkstätte Steinwache (Ort des früheren Gestapo-Gefängnisses) gedankt werden, dass es gelang anlässlich des diesjährigen Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts einen Zeitzeugen einzuladen. Die Jüdische Gemeinde München hatte signalisiert, dass der nunmehr 92-Jährige David Dushman bereit sei zum Gedenktag nach Dortmund zu kommen. Dushman ist einer der letzten Zeitzeugen der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. An diesem Dienstag, 71 Jahre danach, sprach der 92-Jährige russische Jude, seit 1996 in München lebende David Dushman in der Steinwache vor und mit Schülerinnen und Schülern des Max-Planck- und des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums über seine Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs.

Freiwillig zur Roten Armee

David Dushmann hatte sich nach dem Überfall des faschistischen Deutschland auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 als 17-Jähriger freiwillig zur Roten Armee gemeldet. Als Panzersoldat war er später an der Befreiung des weißrussischen Minsk sowie der größten Panzerschlacht der Weltgeschichte von Kursk und dem Kursker Bogen beteiligt. Als Angehöriger der Roten Armee gehörte er zu den Einheiten, die am 27. Januar 1945 das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz erreichten. Von den 12.000 Mann seiner Division lebten bei Kriegsende noch 69. Nach dem Krieg studierte Dushman, Kind einer jüdischen Familie, Medizin und Sport in Moskau. Während seines Studiums wurde er sowjetischer Meister im Fechten und später Fechttrainer der sowjetischen Nationalmannschaft. Er trainierte zahlreiche Weltmeister und Olympiasieger. 1996 zog David Dushman nach München, wo er bis heute lebt und noch regelmäßig trainiert.

Mit den vielen Auszeichnungen an der Brust zog David Dushman die Aufmerksamkeit auf sich

Der Gast als begehrtes Fotoobjekt.

Der Gast als begehrtes Fotoobjekt.

Schwer ordenbehangenen Sakkos zog der rüstige, aufrecht stehende Zweiundneunziger einstige Soldat schon vor seinem Vortrag die Aufmerksamkeit der anwesenden Jugendlichen sowie der Presse und eines TV-Teams von Sat 1, deren weibliche Mitarbeiterin er galant mit einem Handkuss begrüßte, auf sich. David Dushman spricht Deutsch, hatte aber einen Freund mitgebracht, der kompliziertere Fragen auf Russisch bzw. die Antworten des Referenten auf Deutsch übersetzte. Dushman hatte rasch mitbekommen, dass einige Schülerinnen und Schüler Russisch sprechen, da sie ihn in dessen Muttersprache willkommen geheißen hatten.

Der Panzersoldat überlebte schwere Verletzungen und Panzerbrände

David Dushman stand die ganze Zeit in fast soldatischer Haltung seines über eine Stunde währenden Vortrags hinter dem Stuhl, der eigentlich als Sitzplatz für ihn vorgesehen gewesen war. Der frühere Panzersoldat berichtete von seiner von 1941 bis 1945 dauernden Mitgliedschaft in der Roten Armee und dass er in dieser Zeit dreimal verwundet worden sei. Er wies auf ein rotes Abzeichen (leichtere Verwundung) und eine gelbe Plakette (schwere Verwundung) an seinem Sakko. Dushman erlitt einen Bauchschuss, wobei er eineinhalb Meter Darm verlor, dann wurde ihm in die Brust geschossen und er verlor eine halbe Lunge. In dieser Zeit überlebte Dushman allein drei Panzerbrände. Heute leben noch drei von den 12.000 Mann seiner Panzerbrigade. David Dushman hatte viel Glück während des Krieges, der „eine schreckliche Zeit“ gewesen sei. Dushman: „Ich hoffe, dass wird nie mehr sein!“ Krieg sei für alle Menschen, egal welcher Herkunft – „für die ganze Welt“ fürchterlich gewesen. Die vielen Toten und Invaliden – für was? „Kinder haben ihre Eltern verloren. Eine europäische – eine Weltkatastrophe“, sagte Dushman rückblickend.

Nach dem Krieg wurde David Dushman Fechtmeister und führte  eine seiner Schülerinnen sechzehn Mal zur Weltmeisterin

Nach dem Krieg und seinem Studium brachte David Dushman in seiner Funktion als Fechtmeister eine seiner Schülerinnen allein sechzehn Mal zur Weltmeisterin. Emil Beck aus Tauberbischofsheim war sein Schüler „und ein bisschen auch Thomas Bach“, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, erzählte der Gast. Dushman arbeitete sieben Jahre in Graz. Selbst heute arbeite er noch etwa dreimal pro Woche. Und fährt „als alter Hund“ noch immer Auto.

Die Umzäunung des Vernichtungslagers Auschwitz wurde mit den Tanks niedergerissen, Verpflegung dort gelassen

Dann berichtete der Referent von Auschwitz. Als man damals dort angekommen sei, habe man nicht gewusst, was da passierte. Seine Panzerabteilung hätte auf dem Weg nach Warschau den Befehl bekommen, nach Auschwitz zu fahren. Dort rissen sie mit ihren T-34-Tanks die Zäune des Vernichtungslagers nieder. Die faschistischen deutschen Wachmannschaften waren bereits geflohen.

Viel gesehen habe er nicht. Durch den kleinen Sehschlitz im Panzer sahen sie völlig abgemagerte Gestalten, die Häftlinge des Lagers in ihrer gestreiften Kleidung und mit ihren auf die Arme tätowierten Nummern. Essen, Konserven und Brot, ließ man dort zurück und fuhr dann weiter Richtung Deutschland. „Eine schreckliche Zeit. Ich hoffe, dass werden Sie nie mehr sehen“, sprach Dushman zu den Schülerinnen und Schülern. Und schob nach: „Viel besser, wenn wir zusammen Bier trinken.“

Krieg macht aus Menschen wilde Tiere“

Was hätten, sagte David Dushman ins Publikum, ihre Großväter ihm getan? Menschen wollten doch normalerweise Frieden. Der Dolmetscher erklärte, zunächst sei den sowjetischen Soldaten das ihnen unbekannte Auschwitz überhaupt nicht so schlimm vorgekommen, weil niemand wusste was da passierte. Sie sahen nicht die Krematorien. Nicht die Berge von Schuhen und Kleidung der zur Vernichtung durch Arbeit und Gas bestimmten Häftlinge. Unterwegs hätten sie – so meinte man – viel Schlimmeres erlebt: Berge von Toten und Blut über Blut sehen müssen. Erst nach dem Krieg sei ihnen klar geworden, was in diesem KZ getan wurde. Wie habe man die Panzerschlachten ertragen können? Es gab jeden Morgen eine Schale voll Spiritus. Dermaßen benebelt habe man drauf losfahren können. Wie sonst könne man Menschen töten? Schlimm! Ob Bäume, Tiere oder Menschen – man sei imstande gewesen, alles niederzumähen. „Krieg macht aus Menschen wilde Tiere.“

Komisches und Tragisches

Und er erzählt, wie sie einmal in Polen unter Hunger litten. Da sahen sie ein Haus und darin Licht brennen. Leute saßen beim Essen. Mit dem Panzer seien sie ganz dicht ans Haus herangerollt. Mit der sechs Meter langen Panzerkanone hätten sie das Fenster des Hauses zerstoßen und dann die Familie aufgefordert, Nahrungsmittel in die Kanone zu stecken. „Komisch und tragisch war das.“ Sie hoben die Kanonen an und nahmen das Essen drin im Tank an.

Nazitum und Antisemitismus darf nie mehr Duldung finden

Nach Dushmans Bericht konnten die Schülerinnen und Schüler Fragen an den Kriegsveteran stellen. Was sind David Dushmans Lehren aus diesem Krieg? Das Nazitum und der Antisemitismus dürfe nie mehr geduldet werden. Nach dem Krieg habe er wohl auch Hass gefühlt. Wie auch nicht, nachdem, was Deutsche seinem Volk angetan haben. Die vielen niedergebrannten, manchmal mit Menschen darin niedergebrannten Häuser und die vielen Toten – da kam schon Hass auf im und nach dem Krieg. Aber heute habe er mehr deutsche als russische Freunde. Wie kann man künftige – überhaupt Kriege verhindern? Dushman rät den jungen Leuten sich nicht von Medien bevormunden propagandistisch oder von Vorurteilen anderer Menschen negativ beeinflussen zu lassen. Kriege dürfte generell nicht sein: „Sprechen Sie mit den Menschen in anderen Ländern von Angesicht zu Angesicht!“

David Dushman: „Gott gibt Leben und nur Gott kann Leben nehmen. Krieg, das ist nicht normal. Für alle Völker, alle Menschen. Alles kann sein, aber kein Krieg!“ Die Leute wollten leben, lieben und glücklich sein. Wozu also Krieg?

David Dushman gab zu bedenken: „Gegen Russland kann niemand gewinnen“

Dann stellt Dushman betreffs seiner Heimat Russland klar und gibt zu bedenken: „Gegen Russland kann niemand gewinnen.“ Zerstören, das könne man sehr wohl – „aber gewinnen: nein!“ Dschingis Khan hätte das versucht und auch Napoleon. Sie alle seien gescheitert, wie auch später Hitlerdeutschland. „Wir bekommen das von der Muttermilch vom ersten Tag an“, weiß David Dushman: „Das ist Heimatliebe.“ Wenn Russland angegriffen würde, werde gekämpft.“ Das war auch unter Stalin nicht anders. Obwohl unter ihm zwischen 1933 bis 1953 viele Menschen verschwanden und ums Leben gebracht wurden. Dushmans private Meinung: Hätte Stalin nicht so viele hohe Militärs töten lassen – die deutsche Wehrmacht hätte nie so tief in die Sowjetunion vorrücken können.

Bei Stalin war es wie im Bus

Wie das in der Stalin-Zeit gewesen sei, möchte ein Schüler vom Referenten wissen. Das habe er selbst schmerzlich erfahren müssen, sagte Dushman. Sein Vater, der ein großer Mann in der Sowjetunion gewesen sei, ein Militärarzt im Generalsrang, war seinerzeit verhaftet gewesen. 1949 starb er im Lager Workuta. Später habe man ihn rehabilitiert. Eine Entschädigung, die man der Mutter anbot, lehnte er ab: „Man verkauft seinen Vater nicht.“

Dushman beschreibt wie die Stalin-Zeit mit einem damaligen Witz. Fragt einer jemanden, wie lebst du? Antwortet der andere: „Wie im Bus. Die einen sitzen, die anderen zittern.“

Verschiedenen Mentalitäten

Dann kam David Dushman auf die verschiedenen Mentalitäten der Deutschen und der Russen zu sprechen. Er lebe nun schon geraume Zeit in Deutschland, könne jedoch eines nicht verstehen: „Ich gehe mit einem Fräulein in Restaurant. Ich zahle. Sie zahlt selbst. Mache ich das in Russland, werden alle mit dem Finger auf mich zeigen!“ Die Mädchen und jungen Frauen im Publikum lachten. „Das ist unmöglich! Wenn ich mit einer Dame ausgehe, muss ich bezahlen. Nicht die Dame! Und zwar alles, immer!“ Wieder Heiterkeit Raum.

Wie Hass entstehe, warf Dushmans Dolmetscher ein, sehe man doch schon nach den Ereignissen der Kölner Silvesternacht. Einigen Frauen, was zu verurteilen sei, sei Schlimmes widerfahren. Und schon macht sich ein Hass auf bestimmte Gruppen in Deutschland breit. In der Nazizeit sei das alles viele Nummern größer geschehen.

Auf die Frage, was David Dushman von dem zunehmenden Rechtsruck in Europa und auch in Deutschland – die AfD liege ja inzwischen bei Umfragen um die 10 Prozent – äußerte sich der Referent vorsichtig. Er selbst habe solche Wahrnehmungen nicht gemacht. So etwas dürfe allerdings nicht geduldet werden, beschied David Dushman. Russen, Amerikaner, Deutsche, Schwarze oder gelbe Menschen – das spiele keine Rolle: „Alle sind Menschen.“ Niemandem dürfe erlaubt sein, dem anderen Böses anzutun.

Das sei eine politische Frage, ergänzte der Dolmetscher. Aber mache man so weiter, fürchte er, erreiche die AfD vielleicht bald 20 Prozent.

Großer Antisemitismus auch in der Sowjetunion

Ein weiterer Zuhörer wollte wissen wie es sich mit dem Antisemitismus in der Sowjetunion verhalten habe. Ja, den habe es gegeben. „Es war ein großer Antisemitismus.“ Und er brachte ein Beispiel dafür: Von 200 Abiturienten an der Universitätsakademie hätten nur fünf Juden sein dürfen. „Nicht mehr.“ – „Warum? Sind sie keine Menschen?“

David Dushman kennt keine Angst. Nur Schlangen kann er nicht einmal im Fernsehen ertragen

Er sei immer ein sehr starker Menschen gewesen. „Und die Leute hatten Angst vor mir.“ Wenn es sein musste, habe er zugeschlagen. Seine Kraft und sein starkes Selbstbewusstsein habe ihm immer geholfen im Leben. In seiner Schulklasse habe es einen jüdischen Knabe gegeben. Noch dazu sehr schmal und schwächlich von körperlicher Verfassung. Auf die Schwachen schlage man stets ein. Er als Starker habe den Schwachen geschützt, der sich immer an ihn gehalten habe.

Angst kenne er nicht, so bekannte David Dushman. Niemals. Eine Ausnahme: Nur Schlangen lernten ihm das Fürchten. Nicht mal im Fernsehen kann er sie ertragen. Warum auch immer. Nie hat ihn eine gebissen. Einmal sei ihm am Schwarzen Meer in Bulgarien eines dieser Reptilien begegnet: „Ich war nie wieder in Bulgarien.“

An die Jugend: Krieg darf niemals sein

An die jungen Leute gerichtet sagte er noch einmal eindringlich: „Krieg darf niemals sein. Dafür müssen Sie sorgen!“ Deshalb informiere er immer wieder über seine Geschichte und den Krieg.

„Besser Bier trinken, lieben, heiraten und Kinder bekommen.“

Aber Dushman hatte nebenbei auch Kritik an manchen jungen Leuten in Russland wie in Deutschland anzubringen. Geld spiele heute eine zu große Rolle im Leben. Er habe früher nie einen Rubel auf der Bank gehabt. „Ich wusste nicht was eine Bank ist. Ich ging mit schönen Frauen ins Restaurant. Gab alles aus.“

Es gibt keine Männer mehr

Auf ein Auto musste man Jahre warten. Schöne Kleidung war nicht zu kaufen. Ins Ausland fahren konnte man nicht. Wer heute Geld habe, könne alles kaufen. In Russland gebe es alles. Mehr als in Deutschland. Allein in Moskau könne man inzwischen mehr Mercedes-Autos oder Ferraris auf den Straßen sehen wie in München.

Wenn Dushman heute in Russland junge Frauen, achtzehn seiner Schülerinnen etwa, treffe, seien bis auf zwei unverheiratet. Warum? Es gebe keine Männer mehr. Ins Theater gingen sie nicht. Kein Interesse. „Drogen oder Alkohol.“ Auch in München, wie Dushman meinte: Keine Männer. „Keine Kinder haben die Frauen.“

Rat an die Jugendlichen: Unbedingt ein Konzentrationslager besuchen!

Und was war Davids unvergesslichstes Erlebnis? Das sei die Rehabilitation seines Vaters gewesen. Den jungen Dortmunderinnen und Dortmundern gab er auf den Weg, sie mögen unbedingt einmal ein Konzentrationslager – etwas das in Buchenwald bei Weimar – besuchen. „Wer das gesehen hat, der macht so etwa nicht.“ Allein in Auschwitz sind vielleicht mehr als eine Million Menschen ermordet worden.

Ein Späßchen zum Schluss

In puncto Reaktion war dem 92-Jährigen Kriegsveteran nichts vorzumachen.

In puncto Reaktion war dem 92-Jährigen Kriegsveteran nichts vorzumachen.

Zum Schluss gönnte sich der rüstige und geistig fitte David Dushman noch ein Späßchen: Er forderte ein paar junge Leute zum Zweikampf in puncto Reaktion heraus. Etwa beim Schnappen nach einen Geldschein. Bis auf einmal ging der 92-Jährige als Sieger hervor. Damit schloss der Ehrengast des Nachmittags in der Dortmunder Steinwache seinen Vortrag. Und wurde in seinem schwer ordenbehangenen Jackett noch einmal das begehrte Objekt von Fotografen sowie des Sat1-TV-Teams. Und die jungen Damen genossen offensichtlich das ihnen gegenüber galante Auftreten des russischen Kriegsveterans und eines der Befreier des KZ Auschwitz