Protest gegen Schließungen bei Galeria Karstadt Kaufhof an drei davon bedrohten Standorten in Dortmund

Fachbereichsleiterin Handel bei ver.di Silke Zimmer spricht vor dem Eingang zu Galeria Kaufhof. Fotos (16): C. Stille

Die Geschäftsführungen von Galeria Karstadt Kaufhof sowie Karstadt Sports haben die Liste der zur Schließung vorgesehenen Kaufhäuser veröffentlicht. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte die Betriebsräte der 22 von Schließungen bedrohten NRW-Häuser für vergangenen Freitag nach Dortmund eingeladen.

Auf einer gemeinsamen Sitzung sollte ein Austausch über die aktuelle Situation stattfinden und das weitere Vorgehen gesprochen werden. Die Veranstaltung wurde gegen 14 Uhr für eine Protestveranstaltung in der Dortmunder Innenstadt unterbrochen. Die Betriebsräte zogen gemeinsam in die Innenstadt zu den drei betroffenen Dortmunder Häusern, um sich in kurzen Redebeiträgen für den Erhalt der Filialen einzusetzen.

Zwischenkundgebungen an den drei von Schließung bedrohten Kaufhausstandorten in Dortmund

Der Demozug führte vom Freizeitzentrum West (FZW) in der Ritterstraße über die Rheinische Straße auf den Westenhellweg, der Dortmunder Einkaufsmeile. Zwischenstopps erfolgten an den Kaufhäusern Galeria Kaufhof und Karstadt. Um dann zwecks einer Abschlusskundgebung vor Karstadt Sports zu enden. Dort bildeten die Demonstrierenden unter den Augen zahlreicher Passanten eine Menschenbrücke zwischen Karstadt und Karstadt-Sporthaus.

Gewerkschaft ver.di fordert politische Verantwortliche auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die die dramatische Situation für die Beschäftigten und ihre Familien abzuwenden

Die Fachbereichsleiterin der Gewerkschaft ver.di für den Handel in NRW, Silke Zimmer, hatte im Vorfeld der Demonstration deutlich gemacht: „Die von Schließung betroffenen Beschäftigten sind in ihrer Existenz bedroht. ver.di wird sich in den nächsten Wochen und Monaten weiter für den Erhalt der Häuser und Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen einsetzen. Hier fordern wir die Unterstützung aller politisch Verantwortlichen, dass gemeinsam alle Möglichkeiten, Chancen und Wege, um diese dramatische Situation für die Beschäftigten und ihre Familien abzuwenden, ausgeschöpft werden.“

Zu den Hintergründen

Galeria Karstadt Kaufhof gehört der Signa-Holding des Immobilien-Investors Réne Benko. Der österreichische Milliardär hatte im Zuge der Zusammenlegung von Karstadt und Kaufhof in den vergangenen Monaten gut eine halbe Milliarde Euro in das Unternehmen investiert und kürzlich noch einmal 140 Millionen Euro für Liquidität nachgeschossen. Von Benko lägen „weitere Zusagen für eine sehr umfangreiche Unterstützung“ vor, hatte es seitens des Insolvenzverwalters Frank Kebekus noch im April geheißen. Ein Kahlschlag betreffs der Beschäftigten war ausgeschlossen worden. Auf Staatsgeld wollte das Unternehmen verzichten. Zum 1. Juli muss der Sanierungsplan stehen, sonst würde der Warenhauskonzern in ein reguläres Insolvenzverfahren laufen.

Silke Zimmer: „Wenn das Warenhaus stirbt, dann stirbt auch der umliegende Einzelhandel!“

Den ersten Halt machte der Demonstrationszug bei sengender Hitze am Kaufhaus Galeria Kaufhof.

Silke Zimmer von der Gewerkschaft ver.di sagte dort: „Wenn das Unternehmen sich mit seinen Vorstellungen durchsetzt, werden von 42 Filialen in Nordrhein-Westfalen 18 geschlossen. Das ist jede zweite Filiale.“ Dass hier in Dortmund gleich drei Standorte geschlossen werden sollten, sei unbegreiflich – in einer Stadt wo fast 600.000 Menschen leben. Ein vor Ort tätiger Betriebsrat richtete ein paar Worte an die vor der Kaufhaustür versammelten. Viele Mitarbeiter*innen, so der Betriebsrat, seien dreißig oder gar vierzig Jahre bei Kaufhof beschäftigt und hätten gerne dort gearbeitet. Man wisse aber nun nicht wie es weitergehe. Man hoffe

Solidarisch: Michael Vogt von der Katholischen Stadtkirche.

auf die Unterstützung aller Bürger*innen, und das Dortmunder Standorte erhalten werden können. Sonst müsse mit „einem Sterben auf Raten“ gerechnet werden. Silke Zimmer sagte an den Insolvenzverwalter gerichtet: „Herr Kebekus, die Beschäftigten bei Karstadt Kaufhof Galeria Karstadt Sports nehmen Sie beim Wort. Wenn 18 Häuser von von 42 in NRW geschlossen werden sollen – wenn das kein Kahlschlag ist!“ Zimmer gab weiter zu bedenken: „Wenn das Warenhaus stirbt, dann stirbt auch der umliegende Einzelhandel!“ Die Kaufhaus-Mitarbeiter*innen hätten jahrelang auf Gehalt verzichtet, während sich die Manager die Taschen vollgemacht hätten, skandalisierte die Gewerkschafterin. Nun sollten die Beschäftigten die Suppe auslöffeln. Man fordere ein Zukunftskonzept für die Warenhäuser.

Zimmer bekräftigte gegenüber den Menschen in den betroffenen Städten: „Die Stadt gehört keinen Herrn Benko, gehört keiner Familie Otto von ECE. Die Stadt gehört ihnen!“

Michael Vogt, Pastor in der Katholischen Stadtkirche, sagte den von Kündigung bedrohten Beschäftigten ein paar solidarische Worte. Es sei wichtig, dass „der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel allen Wirtschaftens ist und bleibt“, wie es im Zweiten Vatikanischen Konzil gesagt worden sei.

Vor Karstadt sagte Pfarrer Friedrich Stiller: „Ihr habt das Recht auf eine Perspektive“

Betriebsrat Gerhard Löpke spricht.

Am zweiten Stopp der Protestierenden vor Karstadt-Kaufhaus auf dem Westenhellweg ergriff Betriebsrat Gerhard Löpke das Wort. Man habe im letzten Monat gerade in diesem Warenhaus „den letzten Nagel reingehauen und frisch renoviert.“ Seit letzter Woche Freitag hätten alle einen Schock, weil man die Mitteilung von der Schließung bekommen habe. Es könne nicht sein, dass man als Spielball für die Vermieter benutzt werde. Das werde sich die Belegschaft nicht gefallen lassen. Solidarisch mit den Forderungen der Beschäftigten erklärte sich vor diesem Karstadt-Standort auch der Theologe Friedrich Stiller: „Ihr habt das Recht auf eine Perspektive.“

Des Weiteren solidarische Grüße überbrachte die OB-Kandidatin der Grünen, Daniela Schneckenburger sowie Utz Kowalewski, der für die DIE LINKE für den Posten des Dortmunder Oberbürgermeisters kandidiert.

Schneckenburger nannte die Schließungspläne einen Skandal. „Eine Schneise der Verwüstung“ würde die Schließung von drei Warenhäusern in die Dortmunder Innenstadt schlagen.

Grüne OB-Kandidatin Daniela Schneckenburger skandalisierte die Schließungspläne.

Kowalewski sagte an die Adresse der Demonstranten: „Das ist eine Riesensauerei, was die mit euch veranstalten.“ Und an abwesenden Immobilien-Investor René Benko gerichtet: „Schämen Sie sich, Herr Benko!“

Der OB-Kandidat der SPD, Thomas Westphal, der ebenfalls an der Demonstration teilnahm, hatte schon am Vormittag im FZW zu den Betriebsräten gesprochen.

Auf der Abschlusskundgebung beschied Thomas Kutschaty: „Dass, was wir jetzt erleben, hat nichts mehr mit sozialer Marktwirtschaft zu tun, dass ist asoziale Marktwirtschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen!“

Auf der Abschlusskundgebung vor Karstadt Sports bekundeten die Betriebsräte und die „Sportis“ kräftig: „Wir sind hier, wie sind laut, weil man uns die Zukunft klaut!“

Eine Betriebsrätin Monika von Karstadt Sports beschrieb die Situation aus Sicht der Beschäftigten: „Meine Kollegen sind deprimiert und wütend.“

OB-Kandidat der Partei DIE LINKE, Utz Kowalewski (rechts mit Mikro): „Stehen an eurer Seite!“

Am Mikrofon: SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag, Thomas Kutschaty.

Thomas Kutschaty, Fraktionschef der SPD im Landtag von Nordrhein-Westfalen hatte eigens die Landtagssitzung sausen lassen, um sich in Dortmund solidarisch mit den Karstadt-Galeria-Kaufhof-Beschäftigten zu zeigen. Seit 140 Jahren sei Karstadt in unseren Städten präsent, erinnerte Kutschaty. Groß und stark sei das Unternehmen im Zeichen des Wirtschaftswunders und der Sozialen Marktwirtschaft geworden. Kutschaty: „Dass, was wir jetzt erleben hat nichts mehr mit sozialer Marktwirtschaft zu tun, dass ist asoziale Marktwirtschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen!“

Jahrelang sei es gut gegangen. Dann seien dubiose Manager und Hedgefonds gekommen und hätten dieses Unternehmen ruiniert: „Da wurden Gebäude verkauft und zu Wucherpreisen wieder zurückerstattet. Gewinne haben andere gemacht, die Beschäftigten mussten die Opfer bringen. Das ist eine Schweinerei!“ Noch sei nichts verloren, meinte Kutschaty hoffnungsvoll. Gemeinsam mit den Beschäftigten kämpfe man um jeden Arbeitsplatz. Die gesamte Bevölkerung sei nun aufgefordert, Solidarität zu zeigen.

Nach Beendigung der Abschlusskundgebung zogen die Betriebsräte wieder zurück zum FZW, um die Beratungen fortzusetzen.

 

Gedenken am 8. Mai zum 75. Jahrestag der Befreiung in Dortmund

An den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker muss man im westlichen Teil Deutschlands gewiss immer denken, wenn 8. Mai ist. Ein allgemeines Aufmerken auslösend sagte er 1985 über dieses Datum: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung“. Leider ist dieses Datum noch immer kein offizieller Gedenk- oder Feiertag – in Berlin nur in diesem 75. Jahr der bedingungslosen Kapitulation Hitler-Deutschlands, am 8. Mai 1945, von Hitler-Generälen unterschrieben. In Dortmund geplante Gedenkveranstaltungen konnten aufgrund der Corona-Pandemie nicht oder nicht so stattfinden wie ursprünglich gedacht. Immerhin fanden gestern einige Veranstaltungen zum 8. Mai im kleinen Kreis statt.

Kranzniederlegung des Stellvertretenden Generalkonsuls der Russischen Föderation sowie des Vereins Ar.kod.M e.V. am sowjetischen Ehrenmal auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg

Am sowjetischen Ehrenmal (von links): Dmitriy Kostovarov und Wladimir Kuzmin.

Bereits zehn Uhr früh war neben einigen Bürger*innen am sowjetischen Ehrenmal auf dem Internationalen Friedhof am Rennweg der Stellvertretende Generalkonsul der Russischen Föderation in Bonn, Wladimir Kuzmin, erschienen, um anlässlich des 75. Jahrestages des Endes des 2. Weltkriegs dort einen Kranz niederzulegen.
Für Ar.kod.M e.V., einem Verein, der unter anderem Nachforschungen zu sowjetischen Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen anstellt, die im 2. Weltkrieg ermordet wurden, verstorben oder vermisst sind, legte Dmitriy Kostovarov, der zusammen mit Hannelore Tölke zum Gedenken gekommen war ebenfalls ein Kranz am Ehrenmal nieder.
Leonora Ahmetaj von den Botschafter*innen der Erinnerung platzierte neben den Kränzen bemalte Steine. Ein uralter Brauch. Das sieht man oft auf jüdischen Gräbern. Der Brauch stammt aus der Zeit, in der Juden auf der Flucht aus Ägypten durch die Wüste zogen. Dort gab es keine Blumen und auch keine schönen Grabsteine. Das ist allerdings kein Ritual der

Religion und auch nicht in den jüdischen Schriften zu finden.
In einer kurzen Ansprache nannte der Stellvertretende Generalkonsul Wladimir Kuzmin den 8. Mai einen besonderen Tag für das sowjetische Volk und die europäischen Völker. Er bedankte sich herzlich bei den am sowjetischen Ehrenmal erschienen Menschen für deren Gedenken und dafür, dass sie die Erinnerung an das im Zweiten Weltkrieg Geschehene weitertragen.

Auf dem Dortmunder Friedensplatz.

Der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus mit einer Gedenkveranstaltung an der Friedenssäule
Für den Dortmunder Arbeitskreis (AK) gegen Rechtsextremismus erinnerte Pfarrer Friedrich Stiller gestern gegen 12 Uhr an der Friedenssäule auf dem Friedensplatz auf einer mit Gliedermaßstäben „pandemietauglich“ abgekastelten Fläche an das Kriegsende in Dortmund und die eine Woche andauernde Befreiung der Stadt durch die US-Armee im April 1945. Zunächst drückte er sein Unbehagen darüber aus, dass 35 Jahre nach den oben erwähnten Worten Richard von Weizsäckers die Diskussion darüber noch immer nicht beendet sei. Stiller: „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es einen in den Bundestag gewählten Politiker gibt, der heute noch bestreitet, dass der 8. Mai 1945 ein Glückstag für unser Land war, der die Befreiung und das Empfinden der Befreiung nur für die Insassen der Kz’s sieht. Der ansonsten diesen Tag als Tag der absoluten Niederlage sieht.“
Das zeige, so Stiller weiter, wie wichtig das ist, dass wir diesen Tag würdigen. Deshalb heiße diesen Veranstaltung auch „8.Mai unsere Verpflichtung“.

Pfarrer Friedrich Stiller vor einer Tafel der Ausstellung.

Friedrich Stiller wies auf eine kleine Ausstellung zum Kriegsende an der Südseite des Friedensplatzes hin. Ihr Titel: „75 Jahre Kriegsende: 8. Mai – unsere Verpflichtung“ hin. Sie ist heute noch bis 16 Uhr dort an der Baumallee zu sehen. Einige der dort gezeigten Tafeln stellen den Zustand Dortmunds am Ende des Krieges und der Gewaltherrschaft dar. Andere zeigen auf, welche Lehren daraus gezogen wurden.
Rabbiner Baruch Babaev zitierte Veteranen der Sowjetarmee: „Wer möchte mit unserem Volk tauschen?“
Rabbiner Baruch Babaev wurde an diesem Tag von Veteranen gefragt, die in der Sowjetarmee gegen die Nazis gekämpft hatten: „Wer möchte mit unserem Volk tauschen?“ Schließlich sei bis fast zum letzten Tag des 2. Weltkriegs gemordet worden. „Sind das nur die Befehle?“, habe ihn ein Neunzigjähriger gefragt.
Er erinnerte an die Auslegung der Heiligen Schrift: „Es ist besser verfolgt zu werden als zu verfolgen.“ Babaev habe das lange nicht verstehen können. Doch seine weisen Lehrer in Jerusalam-Altstadt hätten ihm beigebracht: Die Verfolgung endet eines Tages. Aber der Verfolger lebt in seinem Hass – jeden Tag. Und er wird von seinem Hass bis ans Ende seiner Tage verfolgt.

Die Heilung ist, sich von seinem Hass abzuwenden.“ Wenn jemand mordet aus Ideologie, könne man mit ihm in einen Dialog treten, überzeugen, die andere Seite zeigen – und er werde dann seine Ideologie nicht mehr verfolgen. „Aber wenn es aus dem Herzen kommt,

Rabbiner Baruch Babaev während seiner Rede an der Friedenssäule.

eine Herzensangelegenheit wird, Juden zu vergasen bis zuletzt – was ist die Heilung?“ Die jüdischen Weisen sagten, die Heilung muss von innen kommen. Und er wiederholte: „Wer will mit uns tauschen?“
Man lebe jetzt damit und müsse aber auch 75 Jahre danach erinnern, damit auch diejenigen, die es noch immer zur Herzensangelegenheit gemacht haben, von innen heraus diesen Hass zerstören und zur Liebe finden. Der 8. Mai 1945 sei für die Juden ein Tag des Neubeginns – ein Tag der Hoffnung gewesen.
Weitere Worte zu den zum Gedenken anwesenden Menschen sprach Jutta Reiter (DGB). Musikalisch auf dem Saxophon begleitete Wim Wollner die Veranstaltung.
Gedenken mit Kranzniederlegung auch in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Auch im Hof der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache (sie öffnet heute übrigens wieder für Einzelbesucher) versammelten sich am Freitagnachmittag einige Menschen zum Gedenken.
Norbert Schilff, Vorsitzender der SPD im Rat der Stadt Dortmund legte einen Kranz nieder. Zugegen war auch Manfred Kossack, der Beauftragte der Stadt Dortmund für Vielfalt und Toleranz. Georg Deventer hat eigens an der Stelle über der Kranzablegestelle den Schwur von Buchenwald, welcher nach wie vor allen Verpflichtung sein solle, angebracht (im Wortlaut hier nachzulesen).
Deventer verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass auch die Schulen weiterhin die Themen Faschismus und des Rassismus im Auge gehalten. Die junge Generation dürfe nicht nachlassen sich das Wissen über das im Faschismus geschehene – und wie es überhaupt hat dazu kommen können – anzueignen und müsse dafür sorgen, dass es weitergegeben werde.

Gedenken im Hof der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache (von li. Georg Deventer, Norbert Schilff und Manfred Kossack).

Von Thomas Engel:

Ausklang auf dem Friedensplatz mit dem Bündnis Dortmund gegen Rechts

Beschlossen wird der Gedenktag auf dem Friedensplatz. Wegen der von den Ordnungsbehörden verordneten Auflagen konnten sich auch dort nur wenige Teilnehmer*innen einfinden: gestattet waren 50 – so eine der „Maßregeln“, wie Volker Töbel, von Flüchtlingspaten Dortmund e.V. im Bündnis Dortmund gegen Rechts (BdgR), nicht ohne Unterton formuliert.

Nicht alles, was dieser Tage staatlicherseits zur Pandemie-Bekämpfung hervorgezaubert wird, stößt – werden Grundrechte ernst genommen – bekanntlich auf ungeteilte Gegenliebe.

Es ist der Einsatz für den Frieden, der am frühen Abend vor dem Rathaus im Mittelpunkt steht. Die Botschaft ist unmissverständlich: Der Frieden ist in Gefahr, vielleicht mehr denn je, hier und heute. Und dies aus zwei Gründen, wie Ula Richter, Mitbegründerin des BdgR, betont:

Ula Richter, Mitbegründerin des BDgR

„Militarismus und neu erwachter Faschismus“. Da zögen Nazis eine Blutspur durchs Land, deren Wurzeln in der Bundesrepublik nie gekappt, stets „ihre Gefährlichkeit verharmlost“ worden sei.

Und verliest eine Erklärung von Elif Kubaşık, deren Mann Mehmet vom NSU ermordet wurde. Die Witwe bezieht sich auf die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts München, das landesweit Empörung hervorrief. Da fallen Sätze wie: „Das ist kein gerechtes Urteil.“ – „Was wusste der Staat davon?“ – „Liefen die Helfer dieser Mörder vielleicht in einer dieser Nazi-Demonstrationen mit, die auch an unserem Haus vorbeiziehen?“

Gegen Faschismus und Militarismus: Es ist mehr denn je an der Zeit, um Frieden zu kämpfen

Der Umgang mit dem NSU, die verschwundenen Akten, so viele Fragen, keine Aufklärung. Ula Richter fährt fort: Dann sind da die alten Feinbilder, Russland, China, da ist das Säbelrasseln, die Hochrüstung: „So wird das internationale Klima vergiftet und auf neue Kriege vorbereitet.“ Diesem Wahnsinn müssten sich die Menschen in den Weg stellen.

Antikriegslieder, vorgetragen von Peter Sturm

Zwischendurch trägt Peter Sturm Antikriegslieder vor. Worte von Hannes Wader hallen über den Friedensplatz, wie er mit einem toten Soldaten spricht und im Refrain wiederholt: „Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen – So wie sie es mit uns heute immer noch tun – Und du hast ihnen alles gegeben: deine Kraft, deine Jugend, dein Leben!“ „Es ist an der Zeit“, lautet der bekannte Titel. Es ist wie ein Aufruf.

Der unterstrichen wird mit dem symbolischen Ausfalten eines großen, regenbogenfarbenen Friedensbanners, auf dem in unterschiedlichen Sprachen das Wort „Frieden“ aufgetragen ist. Volker Töbel rezitiert aus dem „Schwur von Buchenwald“: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Forderung, den 8. Mai in der Bundesrepublik zu einem Feiertag zu machen – Esther Bejarano

Esther Bejarano, Musikerin, Auschwitz-Überlebende, engagierte Antifaschistin – diese große Frau schrieb im Januar dieses Jahres einen Offenen Brief „an die Regierenden“, kraft ihrer Autorität, adressiert an Bundespräsident wie Bundeskanzlerin.

 

Volker Töbel liest vor: „Ich will, dass wir alle aufstehen, wenn Jüdinnen und Juden, wenn Roma oder Sinti, wenn Geflüchtete, wenn Menschen rassistisch beleidigt oder angegriffen werden!“

Und weiter: „Ich will, dass ein lautes ,Nein’ gesagt wird zu Kriegen, zum Waffenhandel. Wer den letzten Krieg vergisst, der bereitet schon den nächsten vor. Ich will, dass wir gegen die Ausbeutung der Menschen und unseres Planeten kämpfen, Hilfesuchende solidarisch unterstützen und Geflüchtete aus Seenot retten. Eine Gesellschaft muss sich messen lassen an ihrem Umgang mit den Schwächsten.“

Wie viele Menschen in diesem Land fordert Esther Bejarano deshalb energisch, dass der 8. Mai in der Bundesrepublik ein Feiertag werden müsse. Denn es war der Tag der Befreiung. Und die Regierenden, die sie ansprach? – Blasiertheit der Macht: es hat sich nichts geändert. (Hier der Beitrag auf Nordstadtblogger.de)

Weitere Fotos vom Tag

Wladimir Kuzmin (li) während seiner kurzen Ansprache. Dmitriy Kostavarov (re) übersetzt. (Fotos. C. Stille

Der Stellvertretende russische Generalkonsul verneigt sich am Ehrenmal.

Teilnehmer des Gedenkens legt eine Rosen am Mahnmal nieder.

Von links: Wim Wollner, Baruch Babaev und Manfred Kossack.

Gemeinsames Gedenken am Ehrenmal.

Rabbiner Baruch Babaev am sowjetischen Ehrenmal.

„Rechtspopulismus und Angst vor dem Islam“ – Veranstaltung in Dortmund mit dem Soziologen Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer

Foto: C. Stille

Foto: C. Stille

Gewiss ist es nicht falsch, eine verstärkte Ablehnung des Islam in der Bevölkerung mit den Anschlägen von 9/11 in Zusammenhang zu bringen. Zuvor dürfte dieser Religion aber auch nicht gerade mit großem Wohlwollen begegnet worden sein. Der Islam wurde hierzulande eher mit Desinteresse bedacht. Selbst Türkinnen und Türken sind kaum bewusst als Muslime wahrgenommen worden. Das änderte sich nach den Anschlägen von New York schlagartig, welche von muslimischen Attentätern verübt worden sind. Der Islam wurde danach meist mit Terrorismus assoziiert. Und Islamismus mit dem Islam gleichgesetzt. Muslime weltweit – auch in Deutschland – standen quasi unter Generalverdacht. Auch wenn das von offizieller Seite so nie so vertreten worden war: es fehlte an differenzierenden Darstellungen, den Islam und die Muslime betreffend. Weshalb der Eindruck, Islam gleich Islamismus und Terror – vor allem aufgrund der unsäglichen Politik der USA unter Präsident George W. Bush und seinem „Krieg gegen den Terror“ (der doch nur immer neuen Terror und neue Terroristen gebar) – der frühere Feind Kommunismus ward durch denen neuen, den Islam abgelöst – zusätzlich noch durch bestimmte Medien auf fahrlässige Weise verstärkt und so im Unterbewusstsein der Menschen befördert worden ist. Entstanden ist auf diese Weise über einen längeren Zeitraum ein vergiftetes gesellschaftliches Klima. Rechtspopulisten und Ausländerfeinde nutzen es für ihre Zwecke.

„Die Ablehnung des Islam ist in der Bevölkerung weit verbreitet.Dazu kommt, dass jetzt viele Flüchtlinge vor allem aus muslimischen Ländern im Nahen Osten und aus Afrika nach Deutschland gekommen sind. Die Migrationsbewegung stellt die deutsche Gesellschaft vor große Herausforderungen. In dieser Situation greifen rechtspopulistische Gruppierungen antimuslimische und ausländerfeindliche Klischees auf und instrumentalisieren sie. Die Veranstaltung geht der Frage nach, was getan werden kann und muss, um Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit zu begegnen – mit offenem Blick für aktuelle Problemstellungen im Miteinander der Religionen und Kulturen“, schreibt das Christlich-Islamische Forum NRW in seiner Einladung zu einer interessanten Veranstaltung am Mittwochabend in Dortmund.

Der bekannte Soziologe Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer wird zum Thema „Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit in einer entsicherten Zeit“ referieren. Anschließend stehen er und Vertreter der Landtagsfraktionen bzw. Parteien zum Gespräch bereit.

Mit dabei sind Andrea Asch (MdL, Die Grünen), Marc Herter (MdL, SPD), Christian Leye (Die Linke, Landessprecher) und Ahmad Aweimer (Dialog- und Kirchenbeauftragter des Zentralrats der Muslime in Deutschland). Angefragt sind Henning Rehbaum (MdL, CDU) und Dr. Joachim Stamp (MdL, FDP).

Zugegen sein werden ebenfalls Pfarrer Ralf Lange-Sonntag (Referent der Evangelischen Kirche von Westfalen für Fragen des christlich-islamischen Dialogs) und Pfarrer Friedrich Stiller (Referatsleiter im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund).

Angesichts der heutigen Welt und des Rechtsrucks bekommt die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano Angst. Sie hat den Aufstieg der Nazis erlebt und erkennt gewisse Parallelen zum Erstarken rechter Kräfte heute. Foto: C. Stille

Angesichts der heutigen Welt und des Rechtsrucks bekommt die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano Angst. Sie hat den Aufstieg der Nazis erlebt und erkennt gewisse Parallelen zum Erstarken rechter Kräfte heute. Foto: C. Stille

Friedrich Stiller: „Die anhaltende Ablehnung des Islam in der Mehrheit der Bevölkerung ist seit langem ein gesellschaftliches Problem. Wenn das jetzt von Populisten in Stimmen umgesetzt wird, bekommen wir ein noch größeres Problem.“

„Wir müssen engagiert auf die Probleme aufmerksam machen und für den Dialog werben nüchtern und in aller Offenheit“, fügte der evangelische Pfarrer hinzu.

Der Vortrags- und Gesprächsabend „Rechtspopulismus und Angst vor dem Islam“ mit Vertretern der NRW-Fraktionen und Parteien findet am Mittwoch, den 8. Februar, ab 18.30 Uhr in der Abu-Bakr-Moschee, Carl-Holtschneider-Str. 8.a in Dortmund. Der Eintritt ist frei.

Update vom 17. Februar 2017

Hier finden Sie einen Bericht über die Veranstaltung meines Nordstadtblogger-Kollegen Clemens Schröer.

 

Flüchtlingshilfe: Für „lösungsorientierte“ Allianzen „Gelingensbedingungen“ schaffen

Das Duo Tobias und Tarek begleiteten den Abend musikalisch; Foto: C.-D. Stille

Das Duo Tobias und Tarek begleiteten den Abend musikalisch; Foto: C.-D. Stille

Flüchtlinge in Deutschland, das beschäftigt unsere Gesellschaft.  „Wir schaffen das“, meint die Bundeskanzlerin. „Nur gemeinsam“,  fügen Evangelische Kirche und Diakonie hinzu.

Diakonie-Präsident und Landtagspräsidentin auf dem Podium

Der Evangelische Kirchenkreis Dortmund gemeinsam mit der Diakonie Rheinland Westfalen Lippe und der Evangelischen Fachhochschule hatten vergangenen Dienstag zu einer hochkarätig besetzten Veranstaltung über „Erfolgreiche Allianzen in der Flüchtlingsarbeit“ in die Pauluskirche eingeladen.

Viele Menschen interessierte das. Gäste des Abends waren Ulrich Lilie (Präsident der Diakonie Deutschland), Carina Gödecke (Präsidentin des Landtags NRW. Als Vertreter eines Netzwerkes und der Wohlfahrtsverbände waren Uta Schütte-Haermeyer (Diakonie Dortmund), Superintendent i.R. Paul-Gerhard Stamm, Pfarrer Friedrich Stiller, ein Leiter einer Flüchtlingsunterkunft und ein Repräsentant des Flüchtlingsrates NRW mit dabei.

Ulf Schlüter spürte Euphorie: „Jetzt erst recht! Refugees are welcome!“

Superintendent Ulf Schlüter erinnerte in seinem Grußwort daran, worauf das „Wir schaffen das“ der Kanzlerin zurückgeht: Nämlich an das vor nunmehr acht Jahren von Barack Obama versicherte „Yes we can!“.

Schlüter: „Menschen auf der ganzen Welt waren fasziniert. Auf wunderbare Weise.“ Mehr als eine Million Geflüchtete hätten inzwischen „auf der Flucht vor dem mörderischen Bürgerkrieg in Syrien“ und anderen Ländern den gefährlichen Weg nach Deutschland gefunden.

Was auch mit der verheerenden Politik eines George W. Bush im Zusammenhang stehe. Andere Menschen in anderen Ländern wiederum flüchteten vor Hunger, Krankheit und Elend.

Nach Merkels „Wir schaffen das!“ hätten sich hierzulande quasi zwei Blöcke gebildet. Die Einen bezeichneten das Handeln der Kanzlerin als naiv, bei den Anderen – auch in der Kirche – habe eine Euphorie eingesetzt: „Jetzt erst recht! Refugees are welcome!“

Aktive der Flüchtlingshilfe erkennen Grenzen und Rückschläge

Gerade auch hier in Dortmund am Hauptbahnhof, als die Stadt Drehscheibe für Geflüchtete wurde. Auch die Bundeskanzlerin wusste, so Schlüter, es brauche den Einsatz, das Engagement und die Mühen vieler. Und vor allem Investitionen. Sowie politischen klaren Willen, das zu tun.

Aber es gebe eben auch Grenzen und Rückschläge. Die Pauluskirche gehört zur Lydia-Gemeinde. Superintendent Schlüter erklärte den Hintergrund: „Lydia war die erste Christin in Europa.“

Sie lebte in Philippi (Griechenland) und war eine Purpurhändlerin.“ Sie war besonders aufgrund ihrer Gastfreundschaft bekannt und beliebt. Schlüter: „Die Welt wandert schon immer.“

Diakoniepräsident fordert „Lösungsorientierte“ Allianzen für das Land

Gut besucht war die Veranstaltung „Gemeinsam für Flüchtlinge“ in der Pauluskirche.

Diakoniepräsident Ulrich Lilie, der eigens aus Berlin angereist war, stellte klar, niemand könne die entstandene Situation alleine stemmen. Stabile Netzwerke würden gebraucht.

Es sei Zeit für Allianzen. Auch „gegen die, die meinen, sie würden jetzt wieder Recht bekommen“. Ans Werk und die zu klärenden Fragen herangegangen werden müsse mit „großer Sachlichkeit und Sachkunde“.

Auch mit Zuversicht, was hieße „lösungsorientiert“ zu arbeiten. Leute, die uns (Schein-) Lösungen präsentierten, benötige man hingegen nicht. In Berlin, berichtete Lilie, habe man eine bundesweite Allianz geschmiedet – eine „Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat – gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt“.

Ulrich Lilie zitierte aus dem Aufruf. Wichtigster Punkt: Für alle die in diesem Lande leben – also auch für Flüchtlinge – müsse Grundgesetzartikel 1 gelten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Des Weiteren müsse dringend eine gemeinsame europäische Lösung her, um die Fluchtursachen zu bekämpfen.

Forderung: Propagandisten von „Nichtlösungen“ wie der AfD entgegentreten

Wer dagegen mit „Nichtlösungen versuche zu reüssieren“, spielte Lilie auf zweistellige Umfragewerte für die AfD an, dem müsse Paroli geboten werden.

Lilie wollte nicht beschönigen, befand jedoch, dass manche von den Medien gezeichnete Bilder hinsichtlich der Flüchtlingssituation schlimmer sind, als die Realität. Der Diakoniepräsident wies auf die nächste Kanzlerrunde am 8. April hin, wo man abermals an einem runden Tisch zusammensitze, um sich auszutauschen.

Selten habe er so einen großen Zusammenhalt – nach dem Motto „Das wollen wir doch mal sehen“ erfahren. Lilie ist überzeugt: „2016 muss das Jahr der Integration werden“.

Großes ehrenamtliches Engagement dürfe nicht bürokratisch behindert werden. Ein Beispiel zum „Haareraufen“ nannte Lilie. Er erfuhr diese Woche in Wesel davon: Da im Jobcenter kein Übersetzer für einen Flüchtling da war, nahm eine Helferin einen Jugendlichen mit, der schon gut Deutsch konnte. Dieser wurde abgelehnt, weil er erst 17 Jahre alt war. „Absurd“, urteilte Lilie.

Warnung: Flüchtlinge nicht gegen andere gesellschaftliche Verlierer ausspielen

Einen sehr wichtigen Punkt benannte der Gast aus Berlin: „Wir müssen aufpassen, dass die Verlierer unsere Gesellschaft, die wir ohnehin schon haben, nicht zusätzlich verlieren.“ Meint: Nicht die Einen gegen die Anderen ausspielen.

Eine Spaltung der Gesellschaft wie in den USA oder anderen Staaten auch Europas müsse dringend aufgehalten werden. Ulrich Lilie machte Mut, indem er vom Projekt der Bundesdiakonie „Wir sind Nachbarn. Alle“ sprach.

„Macht mit, stellt euch nicht abseits! Bringt euch ein, werdet ein Teil des Wir!“

NRW-Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) kritisierte den innerkoalitionären Streit um das Asylpaket II.  Ihre Hauptforderung an die Gesellschaft in dieser schwierigen Zeit: Zuversichtlich und ruhig zu bleiben.

Die Bürger brauchten Orientierung. Und keinesfalls „eine parteipolitische Instrumentalisierung“ der Situation. Weshalb Carina Gödecke sich auch dazu entschlossen hatte, für eine überparteiliche Herangehensweise zu plädieren.

Deshalb sei es auch, lobte Gödecke die Veranstalter, eine gute Entscheidung gewesen, nicht irgendeinen Parteivertreter, sondern eben die Landtagspräsidentin einzuladen. Carina Gödecke regte an: „Wir schaffen das – nur gemeinsam!“, bedeute auch: „Macht mit, stellt euch nicht abseits! Bringt euch ein, werdet ein Teil des Wir!“

Viele Menschen sind bereit, ihren persönlichen Beitrag zu leisten

Die Wirklichkeit zeige, dass doch viele Menschen in dieser Gesellschaft in der momentanen  Situation bereit sind, ihren persönlichen Beitrag zu leisten.

Carina Gödecke wollte auch die europäische Verantwortung nicht außen vor lassen, äußerte allerdings große Sorge über den Zustand der EU und zitierte einen Kommentator, der kürzlich diesbezüglich formuliert hatte: Es sei momentan wenig Union in der Europäischen Union.

Gödecke wagte einen Ausblick und stellte fest, dass trotz bereits unternommenen großen Anstrengungen die finanziellen Mittel für die Flüchtlinge und deren Integration auch in diesem Jahr nicht ausreichen dürften. Hauptsächlich aber müsse es um die „Gelingensbedingungen“ gehen.

Die Ehrenamtlichen gelte es nicht nur zu loben, sondern auch nachhaltig zu unterstützen und manchmal auch darum „sie zu schützen“.  Sowie Grenzen des Ehrenamts zu erkennen und zu respektieren.

Politik muss „Gelingensbedingungen“ schaffen und gegen rechte Hetze eintreten

Politik sei für die Gelingensbedingungen zuständig; aber es würden zusätzlich viele Akteure und das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger benötigt.  Weiter gehe es um die Stärke, welche aus dem Zusammenspiel vieler erwachse. Und um „das solidarische Miteinander“.

Unbedingt habe man sich gegen rechte Hetze zu stellen und Übergriffe auf Flüchtlingsheime zu verhindern, bzw. aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Unverzichtbar sei ein festes Eintreten für die Demokratie und die Freiheitlich Demokratische Grundordnung.

Zu Rechtsextremismus, Hetze, Rassismus und Intoleranz müsse nein sagen, wer sich als Humanist, Christ und Demokrat verstehe.  Bürgerwehren seien abzulehnen. Wir müssten uns am gesunden Menschenverstand verlassen oder an christlicher Grundeinstellung orientieren, mahnte die NRW-Landtagspräsidentin an.

Carina Gödecke setzte dem Motto der Veranstaltung ein entschlossenes „Wir machen das!“ hinzu.

Kritik von Stamm: Ehrenamtliche laufen bei der Stadt vor Wände

Im Anschluss an die Ausführungen der Gäste führte Sabine Damaschke (Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe) Kurzinterviews mit Christina Kaiser, der Leiterin der Übergangseinrichtung Adlerstraße, die aus ihrer Arbeit mit Flüchtlinge berichtete.

Zwanzig hauptamtliche Mitarbeiter werden dort von ca. 100 Freiwilligen unterstützt. Pfarrer Michael Mertins sprach mit Sabine Damaschke u.a. über letztlich mittlerweile zunehmend positiven Einflüsse, die die Flüchtlingsarbeit und die Flüchtlinge selbst auf die evangelische Gemeinde habe.

Obwohl es in Lütgendortmund auch Proteste  gegen Flüchtlingsansiedlung im Ort gegeben hatte. Der pensionierte Superintendent Paul-Gerhard Stamm skizzierte seine vielfältige Arbeit als Koordinator für Ehrenamtliche.

Aber machte sich auch Luft: Bei der Stadt laufe man auch schon mal gegen Wände. Fehlende  Absprachen und lange Vorlaufzeiten machten Probleme.

„Die Stadt macht die Augen zu und schiebt das alles so ein bisschen vor sich her“. Die Stadt könne ja wohl auch nicht so flexibel sein wie sie es sein sollte.  Kritik übte Stamm auch an „Knebelverträgen“ mit den Wohlfahrtsverbänden.

Dies aber wies später  Uta Schütte-Haermeyer, Leiterin des Fachbereichs Flucht und Migration bei der Diakonie Dortmund, ausdrücklich zurück. Es entstand ein umfassendes Bild dieser facettenreichen und keineswegs leichten Arbeit in dem Bereich.

Diakonie: Das Asylpaket II strotzt nur so von populistischen Maßnahmen

Zum Podiumsgespräch stieß zu den Gästen, die zuvor bereits gesprochen hatten, noch Birgit Naujocks vom Flüchtlingsrat NRW hinzu.

Sie strich ihrerseits heraus, wie wichtig  ein gesellschaftliches Miteinander der Menschen sei. Lange sei der Flüchtlingsrat von Land als störender Faktor empfunden worden.

Pfarrer Friedrich Stiller erkannte, dass heute doch viele Menschen zu der Erkenntnis gekommen seien, dass man auch etwas abgeben müsse. Und lobte die gesellschaftliche Wirkungen von Kirchenasyl hin zu mehr Offenheit und der Übernahme von mehr Verantwortung.

Ulrich Lilie regte noch einmal Runde Tische an, die man anstelle von Talkshow-Formaten brauche. Demokratiegefährdend empfindet Lilie, wenn immer mehr Menschen der Eindruck vermittelt wird, nicht an Entscheidungen beteiligt zu werden.

Kritisch merkte er an, dass man die Bundesregierung Dinge wie das Asylpaket II  „durchpeitscht“, ohne dass man gefragt werde. Man habe als Diakonie exakt sechs Stunden Zeit bekommen, sich damit zu beschäftigen und Stellung zu beziehen. Das Asylpaket II strotze nur so von populistischen Maßnahmen.

Wort- und Rückmeldungen aus dem Plenum

Sich anschließende Wort- und Rückmeldungen aus dem Plenum zeigten noch einmal positive Aspekte und das Engagement von Ehrenamtlichen auf. Aber auch Kritisches wurde angemerkt.

Musikalisch wurde die Veranstaltung vom Duo Tarek und Tobias begleitet. Die Gäste erfuhren, dass Tarek erst im letzten Jahr aus Syrien als Flüchtling nach Nordrhein-Westfalen gekommen war.

Auf der Flucht verlor er sein Instrument namens Kanun. Eine Spendenaktion in Witten ermöglichte, dass Tarek zu einem neuen Instrument kommen konnte.