„Umstritten. Ein journalistisches Gütesiegel“ von Marcus Klöckner (Hg.) – Rezension

Offenbar ist eine Verwünschung ausgesprochen worden. «„Mögest du in interessanten Zeiten leben.” ist ein mittlerweile recht bekanntes chinesisches Sprichwort, um genau zu sein, eine Verwünschung; denn „interessant” wird eine Zeit meist erst im Rückblick: Kriege, Krisen, Umstürze, Veränderungen beispielsweise machen Zeiten „interessant.” Der US-Politiker Robert F. Kennedysagte 1966 bei einer Ansprache in Kapstadt:

Es gibt einen chinesischen Fluch, der da lautet: ‘Möge er in interessanten Zeiten leben!’ Ob wir es wollen oder nicht – wir leben in interessanten Zeiten…“
(„There is a Chinese curse which says, ‘May he live in interesting times.’ Like it or not, we live in interesting times…“)« Quelle: Ostasieninstitut.

Umstritten“ – Ein Stempel für diejenigen, die es sich herausnehmen, eine eigene Meinung zu vertreten

Interessant an dieser Verwünschung ist, dass sie nur ganz bestimmte Leute trifft. Nämlich diejenigen, welche es sich hierzulande herausnehmen, eine eigene Meinung zu vertreten. In dem Maße,wie man ihnen das übelnimmt – weil diese Meinung bestimmten Narrativen zuwiderläuft – verpasst man ihnen den Stempel «umstritten«.

Dann nützt den zu «Umstrittenen« erklärten Menschen auch kein schnelles Pferd mehr. Der Stempel pappt ihnen an. Und dafür, dass er sichtbar ist, wird gesorgt. Wagen diese Menschen dann doch einmal aus irgendeinem Fenster zu schauen, um etwas in einer bestimmten Angelegenheit oder Sache anzumerken, bekommen sie sogleich aufs Dach. Sie werden möglichst mittels einer zur schlimmen Mode gewordenen Cancel Culture aus dem öffentlichen Diskurs diffamiert und ausgegliedert. Kommt man einmal doch nicht umhin sie zu nennen oder ist es ihnen doch gelungen, irgendwo öffentlich zu erscheinen oder aufzutreten, dann heißt es in den Medien, „die umstrittene“, „der umstrittene Soundso“ …

Dann wissen die Medienkonsumenten (wenn sie es nicht eh schon wissen), was sie von der betreffenden Person zu halten haben. Vielleicht haben die Leute auch schon vorher im Nicht-Lexikon Wikipedia (der vielleicht bei manch wissenschaftlichen Einträgen vertraut werden kann) nachgeschaut und über jemanden gelesen: Herr X gilt betreffs seiner Äußerungen und seiner auf Portalen, die für die Verbreitung von «Verschwörungsideologien« bekannt sind, veröffentlichten Texte, als «umstritten«.

Wem das so ergeht, kann als Person ziemlich rasch „erledigt“ sein. Hatte so jemand eine gewisse Reputation, so dürfte diese schnell perdu sein oder dessen Stellung womöglich zusätzlich noch einer Kündigung seitens des Arbeitgebers anheimfallen. Wer noch mehr Pech hat, dem kündigt die Hausbank eventuell gar das Bankkonto. Ja, die betroffenen Menschen leben wahrlich in „interessanten Zeiten“. Das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig.

Unterschiedliche Zeitgenossen „die sich in politisch schwierigen Zeiten ein demokratisches Ur-Recht herausgenommen und verteidigt haben: das Recht auf eine eigene Position.“

Der Journalist und Bestsellerautor Marcus Klöckner hat nun beim Verlag FiftyFifty einen Band herausgegeben, welcher jenen gewidmet ist, „die sich in politisch schwierigen Zeiten ein demokratisches Ur-Recht herausgenommen und verteidigt haben: das Recht auf eine eigene Position.“ Weiter heißt es zum Buch:

„So unterschiedliche Personen wie Patrik Baab, Daniele Ganser, Ulrike Guérot, Stefan Homburg, Michael Meyen, Albrecht Müller, Friedrich Pürner stehen beispielhaft dafür.“

Für die Herausgabe des m.E. sehr wichtigen Buches, zumal es dafür sorgt, dass den „Umstrittenen“ ein Stück weit Gerechtigkeit widerfährt und die ihnen angetane Unbill nicht vergessen wird, gebührt dem Verlag und Marcus Klöckner Lob und Anerkennung.

Der Begriff «umstritten« verkommt zur Waffe, die gegen unliebsame Meinungsabweichler eingesetzt wird“

«“Umstritten“ – so bezeichnen „Qualitätsmedien“ heutzutage kritische Denker, die auf die Realitäts- und Sinnbrüche in Politik und Berichterstattung hinweisen. Mit dieser Formulierung sollen Kritiker an den vorherrschenden „Wahrheiten“ mundtot gemacht werden. Längst aber haben viele Bürger die Masche durchschaut. „Umstritten“ zu sein, ist als ein Prädikatssiegel für Demokraten zu verstehen. Wer heutzutage vom Polit- und Medienmainstream niedergemacht wird, muss sehr viel richtig gemacht haben. Gut, dass es „die Umstrittenen“ gibt«, so der schreibt der Verlags.

Marcus Klöckner in seiner Einleitung: „Ob Mediennutzer eine Person, um die es in der Berichterstattung geht, als «umstritten« betrachten oder nicht, soll ihnen selbst überlassen bleiben. Doch innerhalb einer weltanschaulich kontaminierten «Berichterstattung« verkommt der Begriff «umstritten« zur Waffe, die gegen unliebsame Meinungsabweichler eingesetzt wird.“

Er führt als ein Beispiel an: „Wie oft ist etwa in Medien von umstrittenen Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht zu lesen? Wohl die meisten Bürger in Deutschland wissen, wer Wagenknecht ist. Dass sie von einigen heftig kritisiert und von anderen bewundert wird, ist kein Geheimnis. Wenn ihr zum X. Mal der Begriff «umstritten« angeklebt wird, dann hat das einen Grund: Einige Journalisten wollen Stimmung machen. Sie wollen Wagenknecht negativ rahmen. Ist etwa Olaf Scholz nicht umstritten? Allein schon, wenn man an Cum-Ex denkt. Müsste nicht konsequenterweise in jedem Medienbericht stehen: der «umstrittene« Kanzler? Ist Baerbock nicht umstritten? Müsste nicht in jedem Beitrag stehen: die umstrittene Außenministerin? Welcher Politiker ist schon nicht umstritten?“

Auf darauf folgenden Seite gibt Klöckner zu bedenken: „Gelebter Pluralismus, der für jede gesunde Demokratie konstitutiv ist, wird zum Störfaktor bei der Festzementierung von angeblichen unumstößlichen Wahrheiten. Demokratieverständnis? Sechs. Setzen.

Außenministerin Annalena Baerbock sagte im September dieses Jahres die folgenden Worte:

«Deutschland ist eine Demokratie. Punkt. Es gibt bei uns Meinungsfreiheit, alle können immer und überall sagen, was sie wollen. Wer das wie Chrupalla verkennt, hat den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie nicht verstanden – oder will es einfach nicht.«

Die Aussage korrespondiert auf erwartbare Weise mit einer Politik, der die Entdifferenzierung der Realität alles andere als fremd ist: Alle können alles sagen. Aber ansonsten hält die Aussage einer Realitätsprüfung nicht stand. Zu einer Demokratie gehört, dass jeder alles sagen kann. Nicht zu einer Demokratie gehört, dass Persönlichkeiten, die vom Mainstream abweichende Ansichten vertreten, öffentlich niedergemacht, mit Hass und Hetze überzogen werden und dass deren berufliche Existenz in Gefahr gerät. Den Realitätscheck besteht auch nicht die Aussage, dass alle überall alles sagen können. Richtig ist; Ein Bürger kann sich auf eine Parkbank oder an den Stammtisch setzen und sagen, was er denkt (wobei das mit dem Sitzen auf einer Parkbank während der Corona-Zeit …).“

Professor Dr. Stefan Homburg lässt sich von angeblichen Experten nicht diktieren, was er zu denken hat

Der Journalist Patrick Reiter hat mit Professor Dr. Stefan Homburg gesprochen. Dem waren etliche Ungereimtheiten im Rahmen der Coronapolitik aufgestoßen. Und er hielt mit seiner Kritik nicht hinter dem Berge. Dadurch wurde der frühere akademische Überflieger zu einer «umstrittenen« Person. Sie veränderte dessen Leben. Einstige Verdienste – er beriet u.a. auch Regierende – wurden in den Hintergrund verdrängt. Als vielgefragter,, weil wirklicher Experte galt er etwas in Talkrunden und in der Presse. Plötzlich wehte ihm ein eisiger Wind entgegen. Unterkriegen aber ließ sich Stefan Homburg nicht: „Als aufgeklärter Bürger lasse ich mir nicht von angeblichen Experten diktieren, wie ich zu denken habe, sondern bilde mir eine eigene Ansicht und verbreite sie.«

Und das tat der Finanzwissenschaftler fortan und tut es bis heute. Sehr oft auf Twitter (jetzt X). Inzwischen hat Homburg dort 132.992 Follower. Er hat das Buch Corona-Getwitter. Chronik einer Wissenschafts-, Medien- und Politikkrise“ veröffentlicht.

Der Beitrag von Patrick Reitler ist sehr aufschlussreich.

Der „Fall“ Dr. Daniele Ganser

Der NachDenkSeiten-Redakteur Tobias Riegel hat sich mit dem „Fall“ Dr. Daniele Ganser beschäftigt. Medien bezeichnen den Historiker und Friedensforscher unaufhörlich als als «umstritten«. Riegel schreibt: „Er hat sich diesen Titel bereits Anfang der 2000er Jahre durch kritische Veröffentlichungen etwa zu «Gladio«-Gruppen der NATO und durch die entsprechenden Reaktionen auf seine Texte vonseiten transatlantischer Meinungsmacher «verdient«. Zu Gladio hat Ganser im Westend Verlag das Buch „Nato-Geheimarmeen in Europa. Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung“ veröffentlicht.

Im Vorfeld von Gansers Auftritten im März 2023 wurde in zahlreichen Orten eine Hetzkampagne gegen ihn betrieben.

In Dortmund und Nürnberg waren seine Auftritte zunächst verwehrt worden, wurden jedoch dann per Gerichtsurteil schließlich genehmigt. Dortmunds Oberbürgermeister entblödete sich nicht, nachdem die Stadt bereits vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine Klatsche erhalten hatte, Einspruch zusätzlich noch vorm Oberverwaltungsgericht zu erheben. Und prompt kassierte er die zweite Klatsche. Ich bekam das hier in Dortmund quasi aus nächster Nähe mit. Die Medien hetzten fleißig. Hier beispielsweise ein Artikel des Dortmunder Mediums „Nordstadtblogger“. Dort heißt es: „Der geplante Auftritt von Dr. Daniele Ganser in der Westfalenhalle 2 – dort, wo auch der Stadtrat während des Rathausumbaus tagt – schlägt in der Politik hohe Wellen. Denn der Historiker ist hoch umstritten und gilt als Verschwörungsideologe.“ Beiträge von mir dazu finden Sie hier, hier und hier.

Das Diffamieren von Dr. Daniele Ganser zeitigt glücklicherweise einen Bumerangeffekt. Riegel resümiert: Soweit man es als Außenstehender beurteilen kann, konnten die Kampagnen Ganser bisher nicht kleinkriegen – im Gegenteil: Vielleicht haben sie ihn einfach nur noch bekannter gemacht, was ein Zeichen dafür wäre, dass sich bestimmte Mechanismen der Diffamierung und der Meinungsmache abgenutzt haben. Das Beispiel des Prominenten Ganser ist allerdings nicht einfach übertragbar. Außerdem sollte die Wirkung auch abgenutzter Meinungsmache auf weniger informierte Zeitgenossen nach wie vor nicht unterschätzt werden.“

Die Causa Patrik Baab

Overton-Redakteur Roberto J. De Lapuente nahm sich die Causa Patrik Baab vor. (S.42)

Der Journalist hatte zu Recherchezwecken für ein Buch eine Reise in die Ostukraine unternommen. Ein Jahr zuvor war er in der Westukraine gewesen. Zu Zeit von Baabs zweiter Reise fanden in den Oblasten Donezk und Lugansk Wahlen statt – was Baab allerdings erst kurz vorher in Moskau erfahren hatte. „De Lapuente verdeutlicht“, schreibt Marcus Klöckner: „Baab sah sich in der Ukraine nicht nur den Gefahren von zwei Fronten ausgesetzt. Plötzlich musste er sich gegen Angriffe von der »Heimatfront« wehren.“ Das m.E. journalistisch fragwürdige Portal t-online.de (es gehört der Firma Ströer, einem Unternehmen für Außen- und Onlinewerbung) veröffentlichte aus der Feder des bereits mit anderen Diffamierungen aufgefallenen Lars Wienand einen Bericht, der den Eindruck entstehen ließ, Baab könnte Wahlbeobachter in den der Ukraine abtrünnig gewordenen Oblasten gewesen sein. Was nicht der Fall war. Wienand, so Baab hätte das leicht recherchieren können. Der Westen bezeichnete diese Urnengänge als „Scheinwahlen“. Lars Wienand ist offenbar ein „Sitzjournalist“, wie Patrik Baab, der schon an vielen Orten mit Konflikten und Kriegen in der Welt vor Ort war, um zu berichten, „Kollegen“ bezeichnet, die lediglich vorm Computer sitzen und „recherchieren“. Dem Journalisten Baab gingen aufgrund der t-online-Diffamierungen zunächst zwei Lehraufträge verloren. Baab ist nicht naiv. Und weiß wie leicht man in etwas hineingeraten kann. De Lapuente: „Es ist ein bisschen so, wie der französische Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal es einst ausdrückte: «Das ganze Unglück der Menschen kommt daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer bleiben können.« Der Journalist weiß, wenn er nicht auf seinem Zimmer bleibt, kann er unglücklich enden.“ Lars Wienand, nehme ich mal an, kann so etwas wohl nicht passieren. Es sei denn sein Stuhl kippt um.

De Lapuente: „Die Causa Baab zeigt, dass Journalismus ein Delikt darstellt in diesen postfaktischen Tagen. Aber nur dann, wenn er mit allen Sorgfaltspflichten ausgeführt wird. (Hinweis auf Patrik Baabs Buch „Auf beiden Seiten der Front“)

Interview mit dem «umstrittenen« Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen

Der einstige SWR-Mitarbeiter Ole Skambraks (nach seinem kritischen offenen Brief «Ich kann nicht mehr« (dazu u.a. hier) zur Corona-Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gekündigt) interviewte für das Buch den Kommunikationswissenschaftler Professor Michael Meyen. Meyen, geboren auf der Insel Rügen 1967, studierte noch zu DDR-Zeiten am „Roten Kloster“ in Leipzig, arbeitete dann als Journalist und erhielt 2002 eine Anstellung als Professor für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.

Herausgeber Marcus Klöcker: „Gegen Meyen läuft ein Disziplinarverfahren, er wurde zur Befragungen vor den Verfassungsschutz eingeladen. Skamraks Auseinandersetzung mit dem Fall Meyen macht transparent, was in unserem Land mittlerweile passiert. Meyens «Vergehen« besteht darin, dass er sich mit den Mitteln seiner Wissenschaftsdisziplin einer fundierten, herrschaftskonzentrierten Medienkritik bedient. Das schmeckt einigen nicht. Deshalb soll er – zu diesem Schluss ist zu kommen – fertiggemacht werden.“ (S. 53)

Die gleich «doppelt umstrittene« Ulrike Guérot

Vom österreichischen Schriftsteller und Journalisten Jan David Zimmermann stammt der Beitrag über die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot. Marcus Klöckern: „Sie hinterfragte die Maßnahmenpolitik und kritisierte dann auch noch das vorherrschende Narrativ zum Krieg in der Ukraine. Der Medienmainstream sah rot und plötzlich erhob der Trierer Politikwissenschaftler Markus Lind Plagiatsvorwürfe in der FAZ. Darauf kündigte der Arbeitgeber Guérots, die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ihre Stelle als Professorin. Jan David Zimmermann zeigt auf, warum Guérot gleich als «doppelt umstritten« gilt. (S.70)

Jan David Zimmermann schreibt abschließend: „Nicht nur in rechtsextremistischen Foren, sondern auch im ansonsten so aufgeklärten bürgerlichen Mainstream zeigt sich deutlich, dass man auch im Jahr 2023 gerne noch Jagd auf rothaarige Frauen macht, die man der Hexerei bezichtigt und die sich mit dem Satan verbündet haben. Auch wenn es sich um Positionen der Mitte handeln.“ (S.78)

Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete Friedrich Pürner, den einstigen Leiter eines Gesundheitsamtes als «höchst umstritten«

Die Journalistin und einstige Kolumnistin für das Satiremagazin «Eulenspiegel» Anke Behrend trug einen Text zum Fall Dr. Friedrich Pürner, ehemaliger Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg im Bayrischen Regierungsbezirk Schwaben, bei.

Die Süddeutsche Zeitung hatte Pürner als «höchst umstritten« bezeichnet. Pürner äußerte Kritik an der Corona-Politik und wurde versetzt, weil er nicht daran dachte sich verbiegen zu lassen. Obwohl er massive berufliche Konsequenzen befürchten musste.

Zuletzt war von Pürner zu hören, dass er bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für die kürzlich gegründete Partei von Sahra Wagenknecht, BSW, kandidieren wird.

Der scharfsinnige Denker Albrecht Müller

Ein interessantes Interview hat Marcus Klöckner mit dem Gründer und Herausgeber der NachDenkSeiten Albrecht Müller geführt. Klöckner kennzeichnet Albrecht Müller (85) so: Er sei ein „noch ein scharfsinniger Denker.“.

„Zu seinem Tagesgeschäft gehört es, Politik und Medien grundlegend kritisch zu hinterfragen.“

Klöckner weiter: „Die Bezeichnung «umstritten«, so Müller im Interview, «kommt von jenen, die sich an einen Wust von Denkfehlern, Vorurteilen und falschen Beobachtungen« angepasst haben.“

Analyse der skandalösen Lanz-Sendung, wo selbst vom Moderator gegen Ulrike Guérot geschossen wurde

Zum Ausgang des Buches, liebe Leserinnen und Leser, finden sie eine Analyse jener skandalösen Lanz-Sendung, zu der Ulrike Guérot eingeladen war. Marcus Klöckner: „An ihr lässt sich exemplarisch ablesen, was passiert, wenn eine Person, die als «umstritten« gilt, doch einmal Zugang zu einer Debattenplattform des Mainstreams bekommt.

Guérot sah sich Angriffen nicht nur durch die Gäste Marie-Agnes Strack-Zimmern und Fritz Pleitgen (das ist ein Fehler im Buch, es muss Frederik Pleitgen heißen; C.S.) ausgesetzt, sie musste sich auch gegen den Moderator wehren. Wer die «Wahrheiten« des Mainstreams anzweifelt, soll sich eben nicht durchsetzen dürfen.“

Die Lanz-Sendung ist vom Verlag für das hier besprochene Buch transkribiert worden.

Zwar kann man diese Sendung vom 2.6.2022 noch auf You Tube nachschauen – ich empfehle meinen Lesern aber dennoch die Transkription zu lesen, weil hier m.E. deutlicher hervorsticht, wie widerlich die Angriffe gegen Ulrike Guérot – die sich allerdings, soweit man sie überhaupt zu Worte kommen ließ, nach Kräften zur Wehr gesetzt hat – gewesen sind.

Dank an alle, die dieses wichtige Buch realisiert haben! Es zeigt auf «Umstritten« ist: Ein journalistisches Gütesiegel.

Lesen, unbedingt!

Zum Buch

MARCUS KLÖCKNER

Marcus Klöckner studierte Soziologie, Medienwissenschaften und Amerikanistik an der Philipps-Universität in Marburg. Herrschafts- und Medienkritik kennzeichnen seine Arbeit als Journalist und Bestsellerautor. Mit seinem Buch „‚Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen‘ – Das Corona-Unrecht und seine Täter“ setzt sich Klöckner für die Aufarbeitung der Coronapolitik ein. Bei Westend veröffentlichte Klöckner unter anderem als Autor „Sabotierte Wirklichkeit: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird“ sowie als Mitherausgeber den Klassiker der Soziologie, „Die Machtelite“, von Charles W. Mills.


ISBN/GTIN978-3-946778-47-9

Produktart. Taschenbuch

Einbandart Kartoniert, Paperback

Verlag

fifty-fifty Verlag

ErscheinungsortFrankfurt

Erscheinungsjahr2024

Erscheinungsdatum15.01.2024

Seiten192 Seiten

SpracheDeutsch

MasseBreite 131 mm, Höhe 211 mm, Dicke 19 mm

Artikel-Nr.54635120

Erschienen am 15.01.2024

20,00 Euro

»LETHE. Vom Vergessen des Totalitären« Politische Essays 2021 – 2022 von Jan David Zimmermann. Rezension

In den Jahren, in denen wir in die Corona-Zeit hineingerutscht wurden, ist uns schier Unfassbares geschehen. Was ist uns nicht alles zugemutet wurde. Hand aufs Herz: Wer von uns hätte sich derlei zuvor ausmalen können? Eine dunkle Wolke schwebte fortan über unseren Köpfen.

Ängste befielen, begleiteten uns

Welche Angst war stärker: die vor einem gewiss existierenden Virus, oder die Angst vor den Maßnahmen, welche uns tagtäglich – als wie irr- und widersinnig sie sich auch herausstellen mochten – von Politik und ihr nachplappernden Medien übergeholfen – befohlen – wurden, um uns angeblich vor diesem Virus und dessen Weitergabe an andere zu schützen?

Der geschätzte Kognitionsforscher Rainer Mausfeld („Warum schweigen die Lämmer?“) schätzte kürzlich in der Diskussionsrunde nach einem seiner Vorträge ein: „Um Gesundheit ging es nicht.“

Ist nun alles wieder in Ordnung? Mitnichten!

Nun,wo die Corona-Pandemie (als Pandemie konnte sie nur eingestuft werden, weil 2009 die Kriterien dafür geändert worden waren) sozusagen vorbei ist, können wir doch wohl nicht einfach so weiterleben wie vor ihr – oder? Zwar stellen sich nun immer mehr Bedenken, die etwa betreffs der mRNA-Impfungen, von einstmals anerkannten Experten schon früh geäußert worden waren als richtig heraus – weswegen sie plötzlich als Schwurbler und Verschwörungstheoretiker diffamiert worden waren – als richtig heraus. Inzwischen wird nun auch in den Mainstream-Medien über Impfschäden berichtet. Aber ist nun alle wieder in Ordnung? Mitnichten!

Schließlich hatte man unsere Grundrechte eingeschränkt. Verstöße gegen Corona-Maßnahmen sind mit Geldstrafen bedacht worden. In Slowenien werden übrigens diese Strafgelder inzwischen wieder zurückgezahlt. Bei uns geschieht nichts dergleichen.

Unsere Gesellschaft ist tief gespalten (worden)

«Machen wir uns doch nichts vor: Unsere Gesellschaft ist tief gespalten (worden)«, schrieb ich in meiner Rezension zu „Autor*innen- Kollektiv: COVID-19 INS VERHÄLTNIS SETZEN. Alternativen zu Lockdown und Laufenlassen #coronaaussoehnung“: «Nicht zuletzt verstärkt durch die rasante Implementierung des unsere Gesellschaften zerstörenden Neoliberalismus. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft besorgniserregend auseinander. Doch damit nicht genug. Seit anderthalb Jahren gibt uns die Corona-Krise sozusagen den Rest. Es zeichnet sich nach dieser düsteren Zeit, in welcher auch die Demokratie beschädigt wurde, indem unsere verbrieften Grundrechte unverhältnismäßig eingeschränkt worden sind, ab, dass das Virus allein diese Spaltung nicht verursacht hat, sondern vielmehr die dagegen ergriffenen Maßnahmen dafür verantwortlich sind. Eine Aussöhnung der in der Corona-Krise Verstrittenen wird notwendig werden.«

Corona wirkte wie ein Brennglas

Wenn man das überhaupt so sagen kann, hat die Corona-Krise immerhin ein „Gutes“ gehabt: Sie hat unserer Gesellschaft, unserer Gesellschaftsordnung die imaginär vorhandene Maske (die man uns ironischerweise in Form eines Mund-Nasenschutz-Masken auch noch physisch verordnete) vom Gesicht gerissen. Alles was nicht stimmt in unserer Gesellschaft wurde krass offenbar. Der König stand nackt da. Corona wirkte wie ein Brennglas, durch welches sichtbar wurde, was alles nicht stimmt mit und bei uns. Selbst das vergessen geglaubte Blockwartwesen erstand erschreckender Weise wieder auf.

Wir sind in den Fluss Lethe gestiegen“, den Fluss des Vergessens

Jan David Zimmermann, Schriftsteller, akademisch ausgebildeter Wissenschaftsphilosoph und Wissenschaftshistoriker aus Wien, schreibt in seiner „Einleitung: Der Fluss des Vergessens“ zu seinem Buch „Lethe. Vom Vergessen des Totalitären“ – Politische Essays 2021-2022“: „Wir sind in den Fluss Lethe gestiegen und haben trotz einer sprachlichen Erinnerungskultur, trotz sprachlicher Achtsamkeit in vielen Belangen, trotz einer immensen Akademiesierung vergessen, was das Totalitäre ausmacht und wie wir es erkennen (können), wenn es mit anderen Vorzeichen auftritt und wie es sich Schritt für Schritt etabliert.“

Eine Erklärung zum Buch: „Der Fluss Lethe wird in der griechischen Mythologie als Fluss des Vergessens bezeichnet. Wer sein Wasser kostet oder in ihm badet, der verliert die Erinnerung.

Genau dies ist mit uns als Gesellschaften in den letzten Jahren während Corona passiert. Die meisten in der Gesellschaft haben vergessen, wie das Totalitäre aussieht, nur weil es in einem neuen Gewand wiederkam. Haben vergessen, wie es sich in der Sprache manifestiert und sie vereinfacht, sie verengt, sie radikalisiert. Wie die Sprache dabei eskaliert. Und wie es funktioniert, Menschen gegeneinander aufzustacheln.

Das Erschreckende daran ist, dass wir ja seit Jahrzehnten eine breite Erinnerungskultur besitzen, was Totalitarismen betrifft, dass wir jahrelange Debatten und Diskussionen um Antidiskriminierung, Sprachsensibilität, Formen der Ausgrenzung, Mobbing und dergleichen geführt haben. Es hat alles nichts gebracht.

Die meisten von uns haben vom Wasser der Lethe gekostet und die eigenen moralischen Wertvorstellungen, die Kritikfähigkeit und vielfach auch ihre Menschlichkeit vergessen.

Die Politik hatte mit einem Mal kein Korrektiv mehr, sondern wurde vom Großteil der Kunst- und Kulturszene, der etablierten Medien, der Universitäten und Akademien und großen Teilen der Bevölkerung unterstützt.“ […]

Die Motivation Zimmermanns das Buch zu verfassen: Das „Gelernte“ in der Corona-Krise unmissverständlich auf die Gegenwart anwenden

Jan David Zimmermann schreibt über seine Motivation das Buch „Lethe“ zu verfassen: Ihm sei klar gewesen, «dass ich das „Gelernte“ in der Zeit der Corona-Krise unmissverständlich auf die Gegenwart anwenden muss, sonst war all das Lernen, all die kritische Lektüre, all das Bücher-Wälzen umsonst, sonst reihe ich mich ein in die Riege jener, die sich vor der dreckigen Praxis fürchten. Am Ende zählt, die Theorie zum notwendigen Zeitpunkt zur (Denk-)Praxis werden zu lassen; ein Lackmustest der schonungslosen Art.«

Schlüsseltexte des Autors, die zuvor in anderen Medien erschienen sind

In Zimmermanns Buch sind Schlüsseltexte, von Juni 2021 bis November 2022 auf seinem Blog „Megamaschine“, in der Berliner Zeitung und im Stichpunkt Magazin erschienen sind. Zimmermann: „So wie sich die gesellschaftliche Lage immer weiter zuspitzte, so reagierte auch ich immer stärker mit spitzer Feder auf die mich fassungslos machenden Entwicklungen. Es sind dies Zeitdokumente, auf die ich selbst in Zukunft noch häufig zurückgreifen werde, und als solches ist auch dieses Buch als Gesamtes zu bewerten.“

Ein wichtiges Buch mit klugen Texten! Jeder sollte es lesen. Weil es ein Zeitdokument ist. Denn wie gesagt: Wir sind vergesslich. Steigen wir nicht in den Fluss Lethe!

Hervorzuheben und nicht hoch genug muss gelobt und anerkannt werden, dass sich der Autor besonders mit Sprachkritik und Wissenschaftskritik sowie mit Geschichte und Macht befasst hat. Vielleicht haben die Menschen wieder vergessen oder verdrängt welche verbalen Entgleisungen es bei Politikern und Journalisten während der düsteren Corona-Zeit gegeben hat.

Dem Rezensenten zeigte es alarmierend, wie hauchdünn der Firnis ist, welcher sich über unserer Zivilisation befindet. Und auch, dass unsere Demokratie offenbar nicht mehr als eine Friede-Freude-Eierkuchen-Veranstaltung ist, die sofort Risse bekommt und abzukippen droht, wenn sie in kniffliger Zeit doch dringend gebraucht würde. In Fensterreden wird Demokratie oft im Mund geführt. In der Corona-Zeit wurde sie samt Grundrechten mit Füßen getreten. Selbst die Opposition – zumindest in Deutschland – schwieg weitgehend, sprang denen die Hilfe gebraucht hätten nicht bei.

Eine Demokratie-Krise existiert bereits Des Längeren

Aber die Demokratiekrise gibt es nicht erst seit Corona so, sondern vor langer Zeit hatte das bereits Colin Crouch erkannt, der von einer Postdemokratie sprach. Crouch meinte damit ein politisches System, dessen demokratische Institutionen zwar weiterhin formal existieren, das von Bürgern und Politikern aber nicht länger mit Leben gefüllt wird.

Ebenfalls vor Corona und nach der frühen Einschätzung von Crouch hatten wir es längst mit einer Fassadendemokratie (ähnlich Potemkinschen Dörfern), die nur noch den Anschein gibt, es sei alles in bester Ordnung. Interessant dazu der Band «Megamanipulation – Ideologische Konditionierung in der Fassadendemokratie«, welchen Ullrich Mies herausgegeben hat.

Eine Betrachtung der Sprache der Krise“

Die hervorragenden Texte von Jan David Zimmermann befassen sich nicht mit konkrete Argumenten z.B. für oder gegen Impfungen, sondern dem Autor ging es in erster Linie darum, wie in der Corona-Zeit mit Sprache umgegangen wurde. Wie die Sprache eskaliert ist, wie politisch und medial mit Sprache verfahren, wie Argumente strukturiert und wie mit Sprache Handlungen vollzogen oder Handlungen unterbunden wurde. (S.9)

Der Autor hat nicht mehr aber eben auch nicht weniger geleistet als: „Eine Betrachtung der Sprache der Krise.“

Und weiter: «Das kritische „Wehret den Anfängen gilt nicht nur den gesellschaftlichen Phänomenen, sondern gerade auf für die Art und Weise, wie wir mit Sprache umgehen, welche Metaphern wir verwenden, welche Wörter wir gebrauchen aus der Politik entnehmen und welche Argumente wir übernehmen.

Denn die Kräfte, die sich mit Sprache auseinandersetzen (Literatur, Philosophie, Kunst) haben sich viel auch damit beschäftigt, was die Sprache einleiten kann, wo sie hinführen kann, was sie anzeigt, was sie antizipiert: Wie wir miteinander oder übereinander sprechen, welche Begriffe wir verwenden, welche Beziehungen wir für unsere Freunde, insbesondere aber für unsere Feinde verwenden.«

Angeblich progressive Kräfte, die Warner der Spracheskalation haben versagt

Jan David Zimmermann erinnert daran, dass eine so verstandene Sprachkritik jahrzehntelang eine „selbstauferlegte Aufgabe der Literatur gewesen war. Und zu Recht sei die „eskalierende Sprache der Rechtspopulisten“ kritisiert worden.

Betreffs Corona stellt Zimmermann fest, dass „diese angebliche progressiven Kräfte, die Warner der Spracheskalation, jedoch kläglich versagt“ hätten. Ernüchtert bescheinigt der Autor: „Renommierte Koryphäen der österreichischen und deutschen Literatur haben den Lackmustest eben nicht bestanden.“ Ehrlich erschüttert habe den Autor: «Sie haben die entgleiste Sprache nicht thematisiert, sie nicht benannt und gerade nicht das selbst auferlegte „Wehret den Anfängen“ ernst genommen“ […]

Ebenso enthalten im Buch sind Zimmermanns wissenschaftskritische Blog-Texte. Darin sei es ihm um eine Kritik daran gegangen, „wie wir in Politik, Medien oder überhaupt in der Gesellschaft über Wissenschaft sprechen“.

Geschichtsvergessenheit, Angst, Apokalypse und Ausnahmezustand, Wissenschaftsmissbrauch

Weiters behandelt der Autor Geschichtsvergessenheit und Zeitlosigkeit (S.11) sowie aber darauf folgenden Seite die Angst: „Leider ist der erste banale, aber fundamentale Grund für das Vergessen des Totalitären: Angst. Die Angst um das eigene Leben, die Angst um das Leben anderer Menschen.“

Angst, gesteht der Autor zu, sei zwar in vielen Momenten nachvollziehbar und temporär „durchaus hilfreich“. Sie könne jedoch „weder ein Erkenntnis- noch ein Lebensprinzip darstellen“.

Problematisch allerdings sei, dass sich insbesondere Deutschland und Österreich aber seit Anfang 2020 bezüglich Angst und Panik in einen Ausnahmezustand befänden. In diese Angst hätten sich Menschen eingenistet und vergraben. Weiter trügen bestimmte Menschen zuweilen in öffentlichen Verkehrsmitteln Masken, ließen sich testen und liefen im Freien mit der FFP2-Maske herum.

Angst folgt auf Angst. Die Menschen kommen nicht zur Ruhe. Nun haben wir es mit dem Krieg in der Ukraine zu tun, „der tausende ukrainische und russische Todesopfer pro Tag fordert, der die Gesellschaften in Europa durcheinanderwirbelt, der die Bedrohung eine Atomschlags wieder real werden lässt“. (S.14)

Hinzu kommt die Energieproblematik. In „Apokalypse und Ausnahmezustand“ (S.15) befindet der Autor: „Der Zeithorizont, den wir vor uns haben, er ist wie der eine 90jährigen Greises: Man ist froh, wenn man noch ein paar Monate zu leben hat oder zumindest ein weiteres Jahr übersteht.“

In „Der Fluss und die Finsternis“ (S.17) gibt Zimmermann den Lesern zu Bedenken: „Obwohl wir so viele Beispiele aus der Vergangenheit haben, die uns als Mahnung bewusst waren und uns gezeigt haben, wie die Sprache eskaliert, wie Wissenschaft missbraucht wird, wie Medien mit Framing, Auslassung und Manipulation Propaganda betreiben und immer erst im Nachhinein die Skandale aufdecken, so ist dennoch das Vergessen über uns hereingebrochen wie eine ewige Nacht.“

«Covid hat eine sich lange abzeichnende Tendenz endgültig entfesselt, und letztlich sind die Themen egal, mit denen sich Autoritarismen durchsetzen (wollen) …«

Eine Einschätzung, die man unterschreiben kann: «Covid hat eine sich lange abzeichnende Tendenz endgültig entfesselt, und letztlich sind die Themen egal, mit denen sich Autoritarismen durchsetzen (wollen). Es wird schließlich darum gehen, ob man den angeblich „abgesicherten Werten“ entspricht: Also dem, was von den Herrschenden vorgegeben ist, und die definieren, ob man auch wirklich konform ist.“

Land in Sicht?“

Die Einleitung schließt ab mit „Land in Sicht?“. Zimmermann wünscht sich, „dass wir den Fluss Lethe verlassen haben, wenn dieses Buch in den Regalen steht, auch wenn ich weiß, dass es nicht von heute auf morgen passieren wird“. Er hofft, dass dann die Zeit großer Spracheskalationen vorbei sein wird, weiß aber, dass dies eher ein frommer Wunsch denn eine realistische Einschätzung der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ist.“

Wie richtig Jan David Zimmermann damit liegt, zeigen die derzeitigen Sprach- und andere Eskalationen plus unsäglicher Propaganda rund um die Ukraine-Kriegs-Problematik.

Zimmermann nimmt an, „dass das Jahr 2023 im Zeichen der Aufarbeitung stehen wird, aber die Vorkommnisse seit 2020 werden uns mit Sicherheit noch Jahrzehnte, womöglich Jahrhunderte beschäftigen.“ Der Mann ist Realist und alles andere als ein Träumer.

Auch bezüglich dessen muss Zimmermann unbedingt zugestimmt werden: „Wir sind in einer Umbruchzeit, Corona war eine tiefe Zäsur. Die Gesellschaft ist zerrüttet, traumatisiert und gespalten. Aber Vieles ist nun offenkundig geworden, scheint jedoch roh und überdeutlich in seiner entfleischten Blöße vor uns zu liegen. Wenn wir aber nicht hinsehen, wenn wir nicht schonungslos hinsehen, wird uns das noch teurer zu stehen kommen, als es ohnehin schon geschehen ist.“

Das walte Hugo!

Wichtige Institutionen sind allesamt am Ende. Umdenken nötig

Ebenfalls ist jenes zu unterschreiben. „Die Institutionen verschiedenster Art (künstlerisch, medial, politisch, wissenschaftlich, schulisch usw.) sind allesamt am Ende.“

In vielen, wenn nicht gar in allen Bereichen müssten wir völlig umdenken, meint Zimmermann völlig zu Recht.

Und schließt seine Einleitung im Jänner 2023 so: „Erst dann ist eine Krise vielleicht auch wirklich eine Chance und nicht nur politisches Gerede zur Verschleierung der eigenen Verfehlungen.“

Der Schriftsteller, Journalist und Wissenschaftsforscher Jan David Zimmermann (Foto unten: @Jan D. Zimmermann, Freier Autor), versammelt in chronologischer Reihenfolge seine wichtigsten Textbeiträge, von Sprachliche Eskalation über Raum und Ausgrenzung bis hin zum Offenen Brief an die Organisatoren des Bachmann-Preises.

Absolute, unbedingte Leseempfehlung

Ein Sachbuch, dass m.E. in jedes Bücherregal gehört. Haben wir doch alle die düstere Corona-Zeit durchlitten. Ein Buch, das dringend hat geschrieben werden müssen. Jan David Zimmermann hat es getan. Dafür gebührt ihm Dank. Es ist ein Zeitdokument, das auch in Jahren nach Bestand haben dürfte und dementsprechend rezipiert werden wird. Absolute, unbedingte Leseempfehlung!

Steigen wir nicht in den Fluss Lethe! Oder – wenn schon geschehen: hüpfen wir rasch wieder hinaus aufs Trockene und richten uns auf. So schmerzlich es auch ist: Wir dürfen nicht vergessen, was war. Der Demokratie willen und den künftigen Generationen wegen zur Mahnung, dass nicht wieder geschehe, was geschehen ist. Was wir in großer Zahl geschehen ließen!

»LETHE. Vom Vergessen des Totalitären« Politische Essays 2021 – 2022 von Jan David Zimmermann

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Erschienen bei ars-vobiscum.media

»LETHE. Vom Vergessen des Totalitären« Politische Essays 2021 – 2022 von Jan David Zimmermann

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Jan David Zimmermann „Das Licht vermehrt die Finsternis“. Eine Kurzrezension

Jan David Zimmermann hat einen fesselnden, tief beeindruckenden, weil tief lotenden Lyrikband vorgelegt. Im Oktober ist er bei ars vobiscum erschienen. Der Titel: „Das Licht vermehrt die Finsternis“. Der Titel nimmt Bezug auf eine Szene aus Franz Kafkas „Der Prozess“:

„Als sich K. zufällig umdrehte, sah er nicht weit hinter sich eine hohe, starke, an einer Säule befestigte Kerze gleichfalls brennen. So schön das war, zur Beleuchtung der Altarbilder, die meistens in der Finsternis der Seitenaltäre hingen, war das gänzlich unzureichend, es vermehrte vielmehr die Finsternis.“ – Franz Kafka, Der Prozess

Zimmermanns sensible Dichtung schafft es ganz besondere Stimmungen in unterschiedlichen Szenerien aufglimmen zu lassen. Als Leser ist man sofort aus der eigenen momentanen Welt in eine ganz andere gerissen. Und gleich wieder – etwa in Kindheiten – zurückgeworfen auf die eigne Kindheit. Lassen an sie zumindest denken. Und die Wörter, die Zimmermann da zuweilen kreiert hat, lassen ein ums andere Mal staunen! Um nur einige aus dem Gedicht „Wechselbälger“ zu nennen: „Lachhälse“, „Rüpelrotzer“ und „Dunkelhunde“. Und es hat wahrlich mehr davon!

Der Gedichtband ist dreigegliedert. In I: Kindheiten, II: Müdigkeiten und III: Weisheiten. Vieles rankt sich um Biografisches, Zwischenmenschliches und im Leben erlangte Erkenntnisse und schildert tiefgreifende Gefühle, Beängstigungen und Traurigkeiten vielleicht.

Immer wieder ist man als Leser von Zeile zu Zeile verblüfft und überrascht. Welch eine Sprache, wie unabgenutzt – ja aus dem Gefühl heraus klug und feinsinnig komponiert. Das amüsiert, man hat seine Freude daran. Oder berührt einen tief. Es fordert einen geradezu auf, sich einmal wieder mehr mit sich selbst und seinem Leben – dem Leben überhaupt – zu befassen.

Sehr schön auch das von Zimmermann auf Island geschriebene Gedicht „Dimmuborgir“. Tiefgründig vor fabelhafter Natur.

Wollen wir ehrlich sein: Lyrik wird oft als fünftes Rad am Wagen gesehen. Und nicht selten auch so behandelt oder gar links liegen gelassen. Wer liest noch Gedichte – wer schreibt gar selber noch welche? Ich selbst hatte lange keine Gedichte mehr gelesen. Bis mir vor einiger Zeit ein Gedichtband von Wolfgang Bittner unter die Augen kam. Ich war begeistert! Was doch in noch so kleinen Gedichten für Geschichten stecken können! Hatte ich das vergessen? Ich nahm mir vor, ab und an wieder Gedichte zu lesen.

Nun also Jan David Zimmermanns Gedichtband. Es hat sich für mich gelohnt. Tun Sie es mir gleich, liebe Leserinnen und Leser: Wagen Sie es, nehmen Sie mal wieder Gedichte zur Hand und tauchen in sie ein! Es macht etwas mit einen. Gedichte sind nicht out. Sie gehören fest zum großen Kreis der Literatur. Zimmermanns Lyrikband sei den Leserinnen und Lesern wärmstens ans Herz gelegt.

Gut der Bezug auf Kafka betreffs des für den Gedichtband gewählten Titel: „Das Licht vermehrt die Finsternis“. Ebenso gut könnten wir dabei auch an das geflügelte Wort aus der Antike „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ denken.

Produktinformationen „»Das Licht vermehrt die Finsternis« Gedichte von Jan David Zimmermann“

Jan David Zimmermann
Das Licht vermehrt die Finsternis. Gedichte

„Als sich K. zufällig umdrehte, sah er nicht weit hinter sich eine hohe, starke, an einer Säule befestigte Kerze gleichfalls brennen. So schön das war, zur Beleuchtung der Altarbilder, die meistens in der Finsternis der Seitenaltäre hingen, war das gänzlich unzureichend, es vermehrte vielmehr die Finsternis.“-Franz Kafka, Der Prozess

Menschen neigen dazu, im Kampf für das Gute erst das Abgründige zu produzieren. Der fanatische Kampf für das vermeintlich Richtige wird schneller als man denkt zu einem Irrweg, oder wie es frei nach Hannah Arendt (mit Verweis auf Brecht) heißt: Es gibt beim Menschen eine Verführung zum Guten, keine satanische Verführung zum Bösen. Demgemäß versteht Jan David Zimmermann auch das Zitat von Kafka und fordert ein, sich dem Dunklen zu stellen und hinzusehen. Es zu benennen, sich so möglicherweise damit zu versöhnen, Trost zu finden und vielleicht sogar Hoffnung; andernfalls vermehrt das Licht nur die Finsternis.

Finsternis« Gedichte von Jan David Zimmermann

ars vobiscum Media e. U.

11,90 €*

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Zum Autor Jan David Zimmermann

Lebenslauf von Jan David Zimmermann

geboren 1988 in Wien, lebt ebendort. Bachelor-Abschluss in Sprachkunst (Universität für angewandte Kunst) und Master-Abschluss in Wissenschaftsphilosophie und Wissenschaftsgeschichte (Universität Wien). Seit 2009 literarische Lesungen, umfassende wissenschaftliche Tätigkeit (Publikationen, Konferenzen, Stipendien) sowie Textveröffentlichungen in Literaturzeitschriften. Homepage: http://www.jandavidzimmermann.com

Quelle: Verlag / vlb

Hinweis: Erscheint auch im Stichpunkt Magazin.