Infame Diffamierung des Antifaschisten und Journalisten Ulrich Sander (82) wird stehengelassen. Ein Kommentar

Der Journalismus hierzulande – ich merkte das hier auf meinem Blog immer wieder an – ist größtenteils auf den Hund gekommen. Seit etwa dem Jahre 2014 ist das immer wieder zu konstatieren. Er agiert zunehmend nicht mehr als Vierte Gewalt. Journalismus wird heutzutage von seinen Akteuren, die immer öfters einer linksgrünen Ideologie frönen als Haltungsjournalismus verstanden. Wenn ich das als fragwürdig betrachte und kritisiere, heißt das nicht, dass Journalisten keine Haltung entwickeln oder haben sollen. Bedenklich wird es nur dann, wenn damit eine Ideologie, betonierter Natur geritten wird, die alles davon abweichende diffamiert.

Bestimmte Narrative werden von Politikern geradezu erfunden, an denen sich auch Journalisten meinen entlanghangeln zu müssen. Wer sich nicht daran hält und sich quasi erlaubt selbst zu denken, kommt heute nicht weit und auch rasch nicht mehr vor. Der wird aus dem eh schon verengtem Meinungskorridor geradezu ausgeschlossen und diffamiert.

Diese, meine Anmerkungen, nur am Rande.

Diffamierung eines wahren Antifaschisten und langjährigen Journalisten

Kürzlich erhielt ich die E-Mail eines 82-jährigen, aller Ehren wertem Journalistenkollegen und wahren Antifaschisten: „Ulrich Sander (*11. März 1941 in Hamburg) ist ein deutscher Journalist, Buchautor und war von 2005 bis 2020 Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Von 1978 bis 1990 war Sander Redakteur und stellvertretender Chefredakteur des DKP-Parteiorgans Unsere Zeit in Düsseldorf.“ (Quelle: Wikipedia)

Geschrieben hat mir die Mail Ulrich Sander. Er wendete sich wegen eines abenteuerlichen und ehrverletzenden Kommentars eines gewissen Lesers namens Peter Schneider (der 5. unter dem Artikel) auf den Beitrag der Dortmunder Nordstadtblogger mit dem Titel «Breites demokratisches Bündnis ruft in Dortmund zur Solidaritätskundgebung mit der Ukraine«, welcher wiederum auf Sanders Kommentar (der 3. unter dem Artikel) selbigen Beitrags erfolgt war, an die dju (Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (in der Gewerkschaft Verdi), deren Mitglied Sander seit 60 Jahren ist. Im 7. Kommentar zum Artikel repliziert Ulrich Sander auf Peter Schneider und verlinkt auch dies: https://nrw-archiv.vvn-bda.de/texte/1246_ukr_detmold.htm

Hier nun die Mail an die dju:

„Sehr geehrte dju-Kolleginnen und -Kollegen!

Seit 60 Jahren bin ich dju-Mitglied, nun 82 Jahre alt. Noch immer journalistisch tätig. Leider bekomme ich nie eine Einladung zu einer dju-Versammlung. Es geht mir um folgendes:

Seit acht Wochen fordere ich die Redaktion NORDSTADTBLOGGER (Dortmund) auf, die diffamierende Darstellung über meine Person zu löschen. Den Peter Schneider gibt es nicht. Der Text stammt offensichtlich von der Redaktion. Teil einer Fünften Kolonne Moskaus wurde ich bisher noch nie genannt. Damit ist gemeint: ich destabilisiere dies Land, um es reif für die Besatzung durch Russland zu machen. Das ist vollkommen irrsinnig, Landesverrat unterstellend. Meine Meinung zum Russland-Krieg steht hier (im Anhang „über den Krieg“) und wurde nie geändert!

Ich bitte um Auskunft, ob Sie mich rechtlich vertreten könnten, um der Diffamierung ein Ende zu machen. Gedacht ist von mir auch dies: Gibt es Rechtsschutz und materielle Unterstützung?

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Sander“

Zur Kenntnis hier der in der Mail erwähnte Anhang „Über den Krieg“ mit einem Text Ulrich Sanders:

Zum Krieg 2022/23

> Hier meine Rede von vor einem Jahr. Zu Waffenlieferungen konnte ich nicht reden, ich kam nicht darauf, dass Deutschland derartig gefährlich agieren würde. Ich hätte die Waffenlieferungen selbstverständlich verurteilt. Und ich verurteile sie noch.

> Rede von Ulrich Sander (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten) bei der Friedensmahnwache am 2. 3. 22 an der Dortmunder Reinoldikirche

Meine älteste Erinnerung an meine Kindheit im Krieg sieht mich als kleinen Jungen in brennenden bombardierten Straßen Hamburgs. Krieg und Faschismus begann ich früh zu hassen. Deshalb war ich von Anfang an bei den Ostermärschen dabei. Dass Russland mal einen Angriffskrieg gegen ein Nachbarland beginnt, konnte ich mir nicht vorstellen.

> Nie werde ich vergessen, dass eine Außenministerin der USA im Irakkrieg 2003 den Tod von 500.000 Kindern als notwendig für die Suche nach den Waffen des Diktators Hussein erklärte. Eine andere US-Lüge zur Begründung eines Krieges war im Jahr 1990 jene von der durch Iraker ermordeten kuweitischen Babys.

> Es sind solche Lügen, die mich glauben ließen, auch die Aussagen der USA über Putin seien sämtlich nicht wahr.

> Heute denke ich vor allem an die Kinder, die unter den Bomben leiden, die von Russland auf die Ukraine abgeworfen werden. Ich denke an die Flüchtenden an der Grenze zu Polen und hoffe sehr, dass nicht nur sie Aufnahme finden, sondern endlich auch jene aus dem Mittelmeer, von griechischen Inseln, aus Afghanistan.

> Ich sage: Nein zum Krieg um die Ukraine. Nein zu jedem Krieg.

> Ich bin ein Linker,verstehe mich als ein Marxist. Der Erklärung des Vorstands des isw–Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung zum Krieg um die Ukraine stimme ich zu: (…)

> Es geht um die Anerkennung der universellen Gültigkeit der Menschenrechte und um den Anspruch, einen Beitrag gegen gefährliches Hegemonialstreben und gegen das globale Wettrüsten zu leisten, das nicht nur reale Kriegsgefahren mit sich bringt, sondern auch Ressourcen bindet, die zur Bearbeitung der globalen Menschheitsfragen – des Hungers und der sozialen Frage, der laufenden Klimakatastrophe – dringend gebraucht werden.

> Der von Wladimir Putin befohlene Einmarsch in die Ukraine ist eine politische, humanitäre und militärische Katastrophe. Wir verurteilen diesen aggressiven Akt und sprechen uns für einen sofortigen Waffenstillstand, den Rückzug der russischen Truppen und ein Zurück an den Verhandlungstisch aus.

> Die militärische Aggression Russlands ist durch nichts zu rechtfertigen. Auch mit dem Heranrücken der NATO an die Westgrenze Russlands, der Missachtung von Russlands Sicherheitsinteressen durch den Westen oder der Weigerungen der ukrainischen Regierung, über Minsk II zu verhandeln, kann dieser Krieg nicht gerechtfertigt werden.

> Die russische Aggression ist ein Schlag ins Gesicht aller, die für eine friedliche Lösung der Ukrainekrise und für Abrüstung statt Aufrüstung eintreten. Die Folge wird eine unkontrollierte militärische Eskalation sein, eine weitere Aufrüstung in Europa. (…)

> Verehrte Anwesende! Ich möchte etwas sagen zur Bundestagssitzung vom Sonntag. Wir erleben eine „Zeitenwende“, sagte der Bundeskanzler. Er hatte nur eine neue Zeit der umfassenden Kriegsvorbereitung zu bieten.

> Ein Vertreter des von mir zitierten Instituts sagte zur Rede des Kanzlers:

> „Auf internationaler Ebene fördert die neue Superrüstung die Spannungen und steht der nötigen friedlichen Lösung der Konflikte im Wege. (…) Die Nato gibt schon jetzt mit 1110 Milliarden Dollar das 18fache an Rüstungsgütern aus wie Russland mit seinen 62 Milliarden Dollar. (…) Die Lösung der Ukraine-Frage kann nur in einer gesamteuropäischen Friedensregelung bestehen, die die Neutralität der Ukraine und die Integrität Russlands sichert. Aus den jetzigen Konflikten aber das Konzept einer forcierten Hochrüstung Deutschlands abzuleiten, ist absurd. Es kann nur die Kapitalgruppen erfreuen, die an kriegerischen Konflikten verdient – am Wochenende, da Scholz sprach, stiegen die Aktienkurse der Rüstungskonzerne auf breiter Front um rund 25 %!“ Allein Rheinmetall verzeichnete die Zunahme an Wert um 40 %.

> Hunderttausende demonstrierten am Sonntag unter der Losung „Die Waffen nieder“. Sie konnten erst später erfahren, dass der Bundeskanzler sie für seine Politik der Hochrüstung und der Eskalation vereinnahmte. Statt „Die Waffen nieder“ hieß es mit überwältigender Mehrheit im Bundestag: „Hoch die Rüstung“ und „Nehmt die Waffen in die Hände“. Alle Reste an Zurückhaltung in der gegenwärtigen bedrohlichen Lage wurden aufgegeben. Waffen und Geld werden an die Ukraine geliefert – wann folgen die deutschen Truppen?

> Ein Sonderfonds von 100 Milliarden Euro wurde für die Bundeswehr beschlossen. Die 2 % vom BIP sind demnächst Gesetz. Alles Gerede über die Verbesserung der Infrastruktur in Deutschland wurde vergessen gemacht:

> Statt Krankenhäuser und Pflege nun noch mehr todbringende Rüstung. Statt von Einstürzen bedrohte Brücken zu schützen, sollen Panzer über sie wegrollen – auf nach Osten. Wo jetzt schon gewaltige Manöver der NATO an der Grenze zu Russland stattfinden. Man versprach Luftabwehrraketen für Kiew, aber keine Krieg abwendenden Maßnahmen. In den baltischen Republiken errichtet die Bundeswehr eigene Stützpunkte. Es wurde sogar von der Einberufung von Reservisten gesprochen. Und alle jungen Leute droht eine Dienstpflicht, so fordert es die CDU.

> Sprecher der Union betonten die atomare Teilhabe Deutschlands in einer Situation, da Putin Atomwaffen bereit stellt. Raketen sind aber Magneten! Wenn es zum Atomkrieg kommt, dann werden wir die ersten Toten stellen.

> Die Union operierte mit F.J.Strauß-Zitaten, und Merz verhöhnte die Ostermärsche und Friedensgebete, denn mit Moral komme man nicht weiter. Es lebe die Unmoral, – das ist die Zeitenwende.

> Klimapolitik, Bildung, Umwelt, Soziales, eine Gesundheitssystem, das mit der Pandemie fertig wird? Dafür wird das Geld nicht reichen. Das ist der Preis der Freiheit, sagte der Finanzminister. Wird der Preis der Freiheit darin bestehen, dass wir alle bald in Kalten Wohnungen sitzen? Denn die Energiepreise werden nicht bezahlbar sein. Jedenfalls nicht für unsereins. Der Multimillionär und Konzernvertreter von BlackRock, Friedrich Merz, wird diese Sorge nicht haben. Er steigt in seinen Privatjet und reist ab in sonnige Gefilde.

> Die rassistische AfD will sich den Flüchtlingsströmen entgegenstellen, was die anderen Redner mit Schweigen übergingen. Wir fordern Hilfe für alle Flüchtenden.

> Rüstung führt zum Krieg. Mehr Rüstung führt zu mehr Krieg.

> Die Waffen nieder! Hoch die internationale Solidarität! Stoppt Putin, aber auch Merz und die deutsche Generalität. Für Abrüstung und Entspannung. Gegen Militarismus und Rassismus. Das ist für mich die Schlussfolgerung aus der Bundestagssitzung. Die Waffen nieder!

> Fortsetzung der Rede von Ulrich Sander bei der Veranstaltung der Dortmunder VVN-BdA am selben Tag im Biercafé am Westpark (Referentin war Kathrin Vogler (MdB Die Linke und Friedensaktivistin)

> Eine solche Sitzung wie die vom Sonntag hat es 1999 nicht gegeben, als die NATO und die Bundeswehr Belgrad und andere jugoslawische Städte bombardierten. Damals wurde das Kosovo abgetrennt wie dann 2014 die Krim. Aber das war in Ordnung?!

> 1999 wurde das Muster dafür von der NATO geliefert, das heute wieder von Russland angewendet wird.

> Es wird gegenwärtig die Klage (die Bundeswehr ist blank) des Heeresinspekteurs Alfons Mais über die sog. Schwäche der Bundeswehr herangezogen, um einen gewaltigen Schub der deutschen Aufrüstung zu begründen. In rund zehn Jahren will er die Schlagkraft des Heeres verdoppeln. (Man kann nur hoffen, dass uns bis dahin niemand angreift.) Der Heeresinspekteur sagt: Deutsches Heer muss „kriegsbereit und siegesfähig“ sein. Sein Credo: „Ziel des Heeres ist Kriegstüchtigkeit; einsatzbereite Kräfte allein genügen nicht: Wir müssen einstecken, wieder aufstehen, gegenhalten und letztendlich gewinnen können!“

> Dieser Heeresgeneral amtiert weiter. Aber Admiral Kay-Achim Schönbach von der Marine musste gehen. Der ist auch nicht besser als der Heeresgeneral, aber er suchte nach vorrangiger Betätigung für die Marine. Und die sieht er mehr im Indopazifik, er denkt mehr an Kriege im Weltmaßstab, und er wollte die Ukraine-Frage vernachlässigen.

> Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, hat den Umgang mit dem „Fall Schönbach“ kritisiert. Mit Blick auf die derzeitige Lage sagte Kujat: Es könne nicht sein, „dass wir immer nur von Krieg reden und nicht davon, wie ein Krieg verhindert werden kann“.

> Das sagt ein General a. D. Leider sagt es kein amtierender General.

> Liebe Friedensfreund:innen! Am 22.2. 22 (zwei Tage vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine) schrieb ich Euch dies:

> „Putin weist darauf hin: Russland entstand im neunten Jahrhundert am Dnjepr. Kiew war die Wiege Russlands.

> Und was ist damit:

> Die Niederlande waren bis zum 9. Jahrhundert wie Deutschland Teil des Heiligen Römischen Reiches.

> Die Schweiz war endgültig mit dem Baseler Frieden von 1499 nicht mehr deutsch.

> Nach Putins gestriger Geschichtslektion dürfen wir nun wohl auch die Rückgabe der Niederlande und der Schweiz an Deutschland anstreben. Die Rückgabe polnischer Gebiete sowieso?

> Und was ist mit Österreich?

> Was die beiden ostukrainischen Volksrepubliken anbelangt, so wurden sie nun endgültig aus der Ukraine ausgegliedert, so wie das Kosowo 1999 aus Serbien und Restjugoslawien ausgegliedert wurde – jedoch diesmal mit weniger Blutvergießen. Das Minsker Abkommen ist allerdings nicht von Russland aufgekündigt worden; es war schon lange durch die NATO und die Ukraine begraben.

> Die Nato muss gestoppt werden, sonst wird es keinen Frieden in Europa geben. Sie hat die gegenwärtige gefährliche Lage vor allem verursacht. Sie muss sich von der russischen Grenze zurückziehen.

> Die Hochrüstung der Ukraine gegen Russland muss aufhören. Unser Land muss aufhören, Aufmarschgebiet für NATO- und US-Truppen gen Osten zu sein. Und auch damit, der Atomrüstung der USA zur Verfügung zu stehen.

> Deeskalation und Gespräche müssen zu Abrüstung und Entspannung führen.“ (Ende des Zitats, mit dem ich Vorahnungen andeutete.)

> Liebe Friedensfreund:innen!

> Was kann die Friedensbewegung tun, was sollte sie tun?

> Die VVN-BdA-Bundesvereinigung hat am 2. März 2022 folgende Forderungen aufgestellt, die vordringlich seien: (siehe auch https://vvn-bda.de/nein-zu-militarisierung-und-aufruestung/)

> „Es schmerzt, dass keine Regierung aus der Vergangenheit gelernt zu haben scheint und weiter der Aufrüstung das Wort geredet wird.

> · # Die VVN-BdA wirbt für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch!

> · # Wir fordern die russische Regierung dazu auf, ihre Truppen auf russisches Staatsgebiet zurückzuziehen!

> · # Wir fordern sämtliche Staaten dazu auf, endlich die todbringende Spirale von Rüstung und Gegenrüstung zu durchbrechen und Maßnahmen der Entspannung einzuleiten!

> · # Wir begrüßen die bedingungslose Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in der EU und fordern die rassistische Ausgrenzung anderer Flüchtlinge an den Grenzen sofort zu stoppen sowie das Ende europäischer Abschottungspolitik!“

> https://nrw-archiv.vvn-bda.de/texte/herbst.htm = Dies ist ein alter grundsätzlicher Text zu Neonazis, Frieden und Krieg

Vom Charakter dieses Krieges

Nach Kenntnisnahme von Ulrich Sanders Meinung dürfte wohl jedem klar sein, dass es abenteuerlich und geradezu unverschämt ist ihn als „Teil einer Fünften Kolonne Moskaus“ diffamieren.

In einer weiteren Mail schreibt Kollege Sander:

«Dazu noch dies: Ich habe bei Verdi um Unterstützung gebeten.

Die Kollegen sprachen ohne Erfolg mit den Nordstadtbloggern.

Die DJU sah sich nicht im Stande zu helfen. 

Zwei Anwälte, gute Freunde, sahen wenig Möglichkeiten, erfolgreich

zu klagen. Die Tatsachenbehauptung würde wohl vor Gericht nicht als

solche gesehen und daher gelte das Prinzip der Meinungsfreiheit.

Man dürfe auch eine falsche Meinung von mir haben.

Allerdings ging es nicht

um eine Meinungsäußerung, sondern um eine falsche Tatsachenbehauptung:

Nie wurde ich der Mitgliedschaft in einer „fünften Kolonne Moskaus“ bezichtigt,

das blieb dem Nordstadtblogger vorbehalten.

Ich werde die Sache nicht weiter verfolgen.

Ich denke an das Sprichwort der Arbeiter-

bewegung: Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.

Soweit, so schlecht. Ich finde allerdings, die Nordstadtblogger besäßen sie journalistischen Anstand, hätten zumindest den ihnen bestens bekannten Ulrich Sander gegen eine solche infame Diffamierung in Schutz nehmen müssen.

Beitragssbild: (Jochen Vogler) – Ulrich Sander via Wikipedia

„Die Faust nicht nur in der Tasche ballen. Ein Willi Hoffmeister Buch“. Rezension

Persönlichkeiten wie Willi Hoffmeister werden wohl kaum nachkommen. Das hat viele Gründe. Einer davon: was man Arbeiterklasse nennen könnte, gibt es so nicht mehr. Und damit fehlt es auch an Masse, welche Vertreter der arbeitenden Menschen im Rücken haben müssen, wenn sie einen Kampf für die Rechte der arbeitenden Menschen führen wollen, der erfolgreich ist. Die Gesellschaft, die Menschen sind bis kleinste Einheiten gespalten.
Das ist nicht einfach so geschehen. Es ist nicht auf ein Naturgesetz zurückzuführen. Das wurde von regierenden Politikern und den hinter ihnen stehenden mächtigen Einflussgruppen in Konzernen und noch mächtigeren Akteuren des Finanzkapitals, welche die Politik vor sich hertrieben, bewusst ins Werk gesetzt. Der berühmte Frosch im Wasserkessel auf der Herdplatte wurde Jahr um Jahr mehr erhitzt. Heute haben wir es mit einer total gespaltenen Gesellschaft zu tun. Erst Corona. Jetzt der Ukraine-Krieg. Die Doomsday Clock, die Weltuntergangsuhr, ist inzwischen auf 90 Sekunden vor Zwölf gestellt worden! Sind wir schon im dritten Weltkrieg, wie sich kürzlich Linke-Politikerin Sevim Dagdelen in junge Welt fragte? Auf jedem Fall befinden wir uns durch unfähige Politiker und unvernünftige, ihnen in deren gefährlichen Dummheit nicht nachstehende unbedarfte und naive nur noch moralisierenden Journalisten auf eine gefährlich abschüssige Rutschbahn gebracht, auf den Weg in einen möglichen dritten Weltkrieg.

Das die Entwicklung in eine falsche Richtung lief, hatte Willi Hoffmeister längst registriert

Der Dortmunder Friedensaktivist, Gewerkschafter, Antifaschist und Kommunist Willi Hoffmeister musste diese gefährlich Eskalation nicht mehr erleben. Er verstarb im August 2021 im Alter von 88 Jahren in Dortmund. Der politisch stets hellwache Willi Hoffmeister hatte allerdings längst registriert, dass die Entwicklung in eine falsche Richtung lief. Er zeigte sich in den letzten Jahren angesichts der verschlechterten Beziehungen zum heutigen Russland äußerst besorgt. Er meinte, es wäre aktuell wieder eine Diskussion über die Rolle Russlands in der Welt angebracht und ein fruchtbarer Dialog mit Moskau unbedingt vonnöten. Die deutsch-russische Freundschaft müsse unbedingt wieder befördert werden. Und nun das: der Ukraine-Krieg!

Willi Hoffmeister nahm das Bundesverdienstkreuz stellvertretend für seine Mitstreiter entgegen

Sozusagen auf den letzten Drücker, weil bereits auf dem Totenbett liegend, war der überzeugte Gegner von Militarisierung und Krieg noch mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt worden. Der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes erfolgte auf Vorschlag des DGB. Willi Hoffmeister äußerte Bedenken. So schrieb er seinerzeit an die DGB-Vorsitzende in Dortmund und Umgebung, Jutta Reiter:

War mein Wollen doch ein anderes Deutschland, ein vereintes, neutrales Land, ohne Militär, Rüstung und ohne alte und neue Nazis. Ein Land, in dem der Mensch und nicht das Kapital im Mittelpunkt steht.“
Er hat schließlich eingewilligt, die Ehrung entgegenzunehmen. Jedoch wollte er alle seine Mitstreiter in seinem langem Engagement stellvertretend auch mit gemeint und geehrt sehen. Spät war damit Hoffmeister »selbst von „offizieller Seite“», wie Markus Bernhard in seinem Nachruf in »unsere zeit» schrieb, für sein lebenslanges politisches Engagement gewürdigt worden.»

Nicht nur das Buch über ihn wird dafür sorgen, dass Willi Hoffmeister nicht vergessen wird

Willi Hoffmeister wird nicht vergessen werden. Dazu dürften nicht nur die Menschen sorgen, welche dem bescheidenen, aber stets ehrlich und entschlossen handelnden Menschen Willi Hoffmeister erlebt und auf seinem Weg auf die eine oder andere Weise begleitet haben. Sondern auch „Ein Willi Hoffmeister Buch“ mit dem Titel „Die Faust nicht nur in der Tasche ballen“, das 2022 vom Neue Impulse Verlag GmbH (Ulrich Sander / Felix Oekentorp (Hg.) herausgebracht wurde.

Willi Hoffmeisters Motto: Zusammenführen statt spalten

Ich lege dieses Buch meinen Leserinnen und Lesern – besonders der Jugend – ausdrücklich ans Herz. Empfehlen Sie das Buch gerne auch weiter an Freunde, Bekannte und Verwandte. Denn es zeichnet nicht nur den interessanten Lebensweg des Menschen Willi Hoffmeister nach, sondern kann nicht zuletzt auch als ein Geschichtsbuch gelten und gelesen werden. Wer Hoffmeister je getroffen hat – und ich tat das öfters – war immer wieder tief beeindruckt und von Respekt für den freundlich, herzlich und vorbildlich auftretenden Mann erfüllt. Sein Motto kann kurz und bündig so auf einen Nenner gebracht werden: Zusammenführen statt spalten.
Neben dem Buch möchte ich den verehrten Leserinnen und Lesern zusätzlich bzw. ergänzend meinen älteren Blogbeitrag „Urgestein der Dortmunder Friedensbewegung Willi Hoffmeister bei #Friedensfragen in der Auslandsgesellschaft NRW in Dortmund“ empfehlen. Das damalige Gespräch von Willi Hoffmeister mit Moderator Mark Brill wurde von WELTNETZ TV aufgezeichnet und kann hier abgerufen werden.

Willi Hoffmeister und seine Zeit“
In seinen einleitenden Worten zum Buch setzt Ulrich Sander „Willi Hoffmeister und seine Zeit“ ins Bild. Als Hintergrundbetrachtung zu Hoffmeister Leben unerlässlich. Zunächst les wir noch etwas zur Biografie: „Willi Hoffmeister, geboren 1933, stammt aus einem Dorf im Landkreis Lübbecke, weit östlich des Ruhrgebietes. 1947 bis 1950 absolvierte er eine Schreinerlehre, danach zwei Jahre Geselle. Seine hauptamtliche Tätigkeit war dann viele Jahre die des Stahlarbeiters in Dortmund.“
Dann folgt ein Rückblick betreffs historischer Vorgänge.

Willi Hoffmeisters Vorprägung

Willi Hoffmeisters Engagement für den Frieden erfuhr gewissermaßen eine Vorprägung. Bei Willis Geburt soll dessen Großvater, der kein Freund Hitlers war, gesagt haben: „Wieder ein Soldat für Hitler.“ Später musste Hoffmeister den Zweiten Weltkrieg erleben. Zuvor als Schüler hatte er es mit einem Lehrer zu tun, der ein über hundertprozentiger Nazi war und einem Lehrmeister , der bekannte, „sozial“ und national“ zu sein. Hoffmeisters Eltern waren links. Die Mutter spürte damals bereits: „Hitler bedeutet Krieg.“ Und wäre sie damals im Ort nicht als besonders hilfsbereit bekannt gewesen, hätte die Nazis sie wohl ebenfalls „wegholen“ lassen. Wie einer von deren Brüdern, der 1934 verhaftet wurde und bis 1945 im KZ eingekerkert war. Die Kinder erfuhren davon erst nach dem Krieg. Gleich nach dem Krieg traten die Eltern in die KPD ein. So erfuhr Hoffmeisters Lebensweg bereits früh eine Vorprägung. Im Jahre 1950 anlässlich des Deutschlandtreffens der Jugend in Berlin wurde Hoffmeister nicht zuletzt durch seinen Onkel Franz klargemacht: So etwas wie Krieg und Faschismus dürfe es nie wieder geben. Onkel Franz schärfte Willi ein: „Junge, tu alles, damit es nie wieder zu Faschismus und Krieg“ kommt.“ (S.10, Fettung im Buch). Dies war letztlich die Initialzündung, die ausgelöst hatte, dass Willi Hoffmeister sich bis zu seinem Tod immer wieder die Frage stellte: Was kann ich dafür tun?

Eine Nachbemerkung

Auf Seite 17 des Buches hat Ulrich Sander es für notwendig erachtet seiner Einleitung eine „Nachbemerkung“ hinzuzufügen.
Er spricht darin an, dass Russland ein halbes Jahr nach Willi Hoffmeisters Tod […][„seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine“ eröffnete. Das haben wir von der Friedensbewegung nicht für möglich gehalten, und wir verurteilen es. Und sicher hätte Willi es auch getan. Er hätte zudem – so wie wir heute auch – die Vorgeschichte, die aggressive Kriegsvorbereitung der NATO gegen Russland gebrandmarkt (Siehe Seite 199). […]

Ab Seite 17 werden „Willis Erinnerungen“ wiedergegeben

Als Leser erfahren Interessantes über den Sohn einer wenig begüterten Familie von Nazigegnern, über seine Zeit als Schüler, Schreinerlehrling, Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ) – wurde in der BRD verboten -, sowie als Bauer in der DDR (die dortige Organe allerdings schickten ihn wieder zurück nach Westdeutschland, weil er dort als Kommunist mehr bewirken könne), seine Zeit als Hafenarbeiter, wo er Schwerstarbeit hatte verrichten müssen, seinen Wechsel ins Stahlwerk, sein Wirken als Jungkommunist, Arbeiter bei Hoesch (25 Jahre lang), als Kleingärtner, Gewerkschafter (für Hoffmeister bedeutete Gewerkschaftsarbeit immer auch Friedensarbeit), als DKP-Gründungsmitglied 1968 (die KPD war 1956 in der BRD verboten worden), als Reisenden in der Sowjetunion und später Russlands, als Aktivist gegen Neonazismus, Bezirksvertreter und Aktivist der Hoesch-Friedensinitiative.
Ostermarschierer der ersten Stunde
Als Ostermarschierer (der erste Ostermarsch fand 1960 im Norden der BRD statt) trat Willi Hoffmeister erstmalig beim Ruhr-Ostermarsch am Ostersamstag 1961 in Erscheinung. Es war ein Tag des Protestes gegen das atomare Wettrüsten und gegen die Wiederholung faschistischer Verbrechen (S.12). Später war das „Urgestein der Friedensbewegung“, wie Hoffmeister später immer öfter genannt wurde, dann als Mitorganisator des Ostermarschs Rhein-Ruhr, wo er in erster Reihe mitlief. Unter anderem ihm ist es zu verdanken, dass der Ostermarsch nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht einschlief.

Tief beeindruckt vom Besuch Michail Gorbatschows bei HOESCH

Besonders tief hat sich der Besuch es damaligen KPDSU-Generalsekretärs Michail Gorbatschow bei HOESCH in Dortmund bei Willi Hoffmeister eingeprägt. (Lesen Sie, so Sie mögen meinen Beitrag „Vor 30 Jahren kam Michail Gorbatschow auf Einladung deutscher Betriebsräte nach Dortmund und sprach vor 9000 begeisterten Hoeschianern“)
Gorbatschow sprach damals am 15. Juni 1989 vor 9000 begeisterten Hoeschianern! Auch an die Teilnahme an den Fahrten der Arbeiterzüge in die Sowjetunion erinnert Willi Hoffmeister.

Hoffmeister ein «Revolutionär« und „im besten Sinne ein Wert-Konservativer“

Seiner Geburtstagsrede (S.159) zum 75. Geburtstag von Willi Hoffmeister setzte Reiner Braun, damals Geschäftsführer der IALANA, ein Zitat von Bertold Brecht voran:
»Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Diese sind unentbehrlich.»
Reiner Braun machte weiter deutlich (S.160): „Dass die Abschaffung der Atomwaffen zumindest in Ostermarsch-Ruhr-Aufrufen eine zentrale Rolle spielt, ist sicher auch maßgeblich Willis Verdienst. Nicht alle Friedensfreunde und Friedensfreunde hat er bei dieser Prioritätensetzung immer und sofort auf seiner Seite.“ und Braun befindet: „In diesem Punkt war aber der »Revolutionär» Willi Hoffmeister im besten Sinne ein Wert-Konservativer.“
Hoffmeister erlebt immer Höhen und Tiefen in seiner Friedensarbeit
Willi Hoffmeister bekannte, immer Höhen und Tiefen in seiner Friedensarbeit erlebt zu haben. Man kann sich das gut vorstellen. Schließlich war der Friedenskämpfer bei den Kommunisten. Und deshalb sei er „in Gewerkschaftskreisen nie gerade gefördert“ worden. Auch nicht in der IG Metall. „Nach kräftigem Wirken meiner lieben Freunde von der SPD“ ist er mal das der betrieblichen Vertretung geflogen. Dennoch war Gewerkschaftsarbeit in Verbindung mit dem Engagement für den Frieden immer ein Bestandteil seines persönlichen Wirkens. Darin war und ist Hoffmeister immer anerkannt worden. So bekam er auch den Spitznamen „Friedenswilli“. Darauf ist er stolz. Zu recht.

Hoffnungen in Fridays For Future, die sich nicht erfüllten

Ich erinnere mich noch gut daran, dass Willi Hoffmeister äußert angetan war von der Bewegung Fridays For Future (FFF). Endlich engagierten sich wieder junge Leute für eine gute Sache! Ein erfreuliches Aufbäumen der Jugend sei diese Bewegung, wie er es sich manchmal gewünscht hätte selbiges in der Friedensfrage zu erleben. Der Friedensaktivist regte an einmal darüber nachzudenken, was alleine nach dem 2. Weltkrieg an Hinterlassenschaften an Weltkriegs – Munition und chemischen Waffen allein in Ost- und Nordsee versenkt worden ist. Welche Gefahren da schlummerten! Er wünschte sich sehr, dass FFF auch den Kampf gegen das Militär und das Agieren der USA (schließlich gilt allein das US-Militär als der größte Umweltverschmutzer auf der Welt) in ihren Protest einbezieht. Willi Hoffmeister seinerzeit: „Aufrüstung und Krieg sind eine der größten Umweltverschmutzer auf der Erde. Wer das nicht kapiert und mitaufnimmt, der vergibt sich etwas im Erfolg dieser Sache. Wir sollten alles dafür tun: Und wenn sich jeder ein Schild malt mit der Aufschrift „Abrüsten ist der größte Umweltschutz.
Ein Wunsch des 2021 verstorbenen Friedensaktivisten, der leider bislang nicht in Erfüllung ging.
Ich wünsche dem Buch „Die Faust nicht nur in der Tasche ballen“ viele Leserinnen und Leser. Ja, es sollte auch im Schulunterricht behandelt werden. Auf der Buchrückseite lesen wir: „Ein ungewöhnliches Buch ist dies »Die Faust nicht nur in der Tasche ballen».

Das Buch handelt von einem wahrem Vertreter der Arbeiterklasse, einem Gewerkschafter, Antifaschisten, Friedenskämpfer und Kommunisten.“
Ob Persönlichkeiten wie Willi Hoffmeister wohl künftig noch nachkommen steht in den Sternen. Schließlich gibt es so etwas wie eine Arbeiterklasse kaum noch. Aber es gibt jede Menge Probleme, der sich Menschen annehmen müssen. Gerade jetzt werden sie gebraucht. Denn wir stehen am Abgrund …

Die Faust nicht nur in der Tasche ballen“ – Ein Willi Hoffmeister Buch
Von Ulrich Sander und Felix Oekentorp
ISBN 9783000724954,
Neue Impulse-Verlag Essen,
200 Seiten, 16,80 €)
Es ist erhältlich im Buchhandel oder auch beim Alois Stoff Bildungswerk der DFG-VK NRW
Bestellungen an DFG-VK_Bildungswerk_NRW@t-online.de

Willi Hoffmeister. Foto: Claus Stille

Willi Hoffmeister am Gedenk-Obelisken für die von den Nazischergen ermordeten sowjetischen Zwangsarbeiter des Stalag 326 in Stukenbrock. Foto: Claus Stille

Vom Charakter dieses Krieges

Von Ulrich Sander

Unter den vielen Kritiken an der jüngsten Bundestagsrede von Sahra Wagenknecht sticht die der beiden Vorsitzenden der Partei DIELINKE hervor, die völlig deplatziert war. In Diktaturen benennen die Führer die Parlamentsabgeordneten. In Demokratien werden sie vom Volk gewählt. Ich habe Sahra Wagenknecht gewählt, sie stand auf meinem Wahlzettel. Sie hält derzeit Reden, die ich sehr billige. Was ich nicht billige, ist die Art und Weise, wie die beiden Vorsitzenden damit umgehen. Sie wollen Sahra Wagenknecht das Wort verbieten, die Parlamentsfraktion schurigeln. Abgeordnete sind jedoch nicht der Führung, sondern den Wählern verpflichtet – und ihrem Gewissen. Zum Inhalt von Sahra Wagenknechts Reden vom Krieg gegen Russland, den u. a. Deutschland führt, ist zu sagen: Es gibt ihn, diesen Krieg, auch wenn Russland die Ukraine angegriffen hat. Es sei darauf verwiesen, dass es mehrere Arten von Krieg gibt, in diesem Fall meinte Sahra Wagenknecht den deutschen Wirtschaftskrieg, der laut Außenministerin Baerbock Russland »ruinieren« soll. Derzeit ruiniert er mehr die deutsche Wirtschaft als den russischen Staat.

Der zum russischen Angriffskrieg gesteigerte Schießkrieg begann am 24. Februar 2022, und er steigerte den faktischen Krieg der Ukraine gegen das eigene Volk in den ukrainischen Ostgebieten. Zudem ging ihm eine Art Emser Depesche voraus. Das war jenes von Bismarck gefälschte Dokument, das 1870 die französische Seite, also den französischen Präsidenten, zum Angriff auf Deutschland verleitete. Das Ergebnis ist bekannt. Die vielen Emser Depeschen des Westens, der Nato, die Präsident Putin zu seiner unsäglichen »militärischen Spezialoperation« verleiteten, wurden dutzendweise von US-Präsident Joe Biden auf den Weg gebracht. Schon monatelang gibt es bereits den gewandelten Krieg in der Ukraine. Der Westen führte auf dem Gebiet der Ukraine seinen Krieg gegen Russland – mit Waffen, Truppenaufmärschen an den Grenzen und der Ausbildung von Soldaten. Und wir alle haben darunter zu leiden, besonders die Ukrainer. Ich hoffe, so appellierte ich an die Vorsitzenden der LINKEN, die Partei wird sich endlich in die Bewegung gegen den Krieg einreihen, gegen den Schießkrieg und gegen den Wirtschaftskrieg. Gegen die Leiden auch unserer Bevölkerung, die im Kriegswinter frieren soll und nicht genug zu essen haben wird. Bitte gehen Sie gegen die Regierung des Krieges und nicht gegen jene Menschen vor, die den Krieg bekämpfen.

Karl Marx schrieb über den Deutsch-Französischen Krieg, der durch die Emser Depesche ausgelöst wurde: »Eine Arbeitermassenversammlung in Braunschweig hat am 16. Juli 1870 sich mit dem Pariser Manifest vollständig einverstanden erklärt, jeden Gedanken eines nationalen Gegensatzes gegen Frankreich von sich gewiesen und Beschlüsse gefasst, worin es heißt: ›Wir sind Gegner aller Kriege, aber vor allem dynastischer Kriege (…) Mit tiefem Kummer und Schmerz sehn wir uns hineingenötigt in einen Verteidigungskrieg als ein unvermeidliches Übel; aber gleichzeitig rufen wir die gesamte denkende Arbeiterklasse auf, die Wiederholung eines solch ungeheuren sozialen Unglücks unmöglich zu machen, indem sie für die Völker selbst die Macht verlangt, über Krieg und Frieden zu entscheiden und sie so zu Herren ihrer eignen Geschicke zu machen.‹« (Marx: Erste Adresse des Generalrates über den Deutsch-Französischen Krieg 1870 in: MEAWIII, S. 485-487 – Das Pariser Manifest gegen den Krieg Frankreichs gegen Deutschland wurde von den Pariser Mitgliedern der Internationalen Arbeiterassoziation verfasst.)

Für heute heißt es für uns: Die Verteidigung der Ukraine gegen Russland ist legitim, aber der Krieg der Nato gegen Russland ist es nicht. Die Ukraine und Russland sollten einen Waffenstillstand vereinbaren, doch die USA verbieten dies der Ukraine. Es ist aber erforderlich, dass »die Völker selbst die Macht (haben), über Krieg und Frieden zu entscheiden und sie so zu Herren ihrer eignen Geschicke« werden. Die linken Abgeordneten haben die Pflicht, entsprechend dem Mehrheitswillen der Bevölkerung die Beteiligung am Krieg und die Waffenlieferungen abzulehnen, ebenso die Sanktionen, die vor allem uns selbst schaden.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat festgestellt, dass die Lieferung schwerer Waffen und die Ausbildung von am Krieg teilnehmenden ausländischen Soldaten auf unserem Territorium bedeutet: Deutschland ist Kriegspartei. Dies wird auch unterstrichen dadurch, dass in Ramstein – in Deutschland! – neuerdings ein Nato-Generalstab unter USA-Führung die Kriegsbeteiligung gegen Russland koordiniert.

Er denkt wohl an solche Kommandozentralen wie in Ramstein, der Kanzler Scholz, der »Alleingänge« laut Medien ablehnt. Und wenn dann der Befehl aus Ramstein kommt, schlägt er die Hacken zusammen!? Am 12. September 2022 sahen Kriegstreiber in den Medien (z. B. Tagesspiegel) die Zeit gekommen, Putin den Rest zu geben, denn er schwächelt ja immens. Das müsse so geschehen: Deutschland entwaffnet die Bundeswehr in großen Teilen vorübergehend, schafft alle Waffen in die Ukraine, um den Endsieg gegen Russland und seine Dynastie zu sichern. Das sei nicht fahrlässig, denn Putin ist so geschwächt, dass er über lange Zeit keinen großen Landkrieg gegen die Nato führen kann. Auch Deutschland bleibe sicher.

Das sind tolle Strategen, diese Medienleute! Und wenn Putin so ist, wie immer gesagt wird? Wenn er wild um sich schlägt, z. B. atomar? Er warnte ja, seine Drohung mit Atomwaffen sei »kein Bluff«. Oder er wird als unfähig abgesetzt, und was für eine abenteuerliche Type kommt dann dran im Kreml? Oder glaubt man nun, dass die Ukraine, z. B. mit Bundeswehrwaffen, bis Wladiwostok durchmarschieren könnte?

Ein weiterer wissenschaftlicher Dienst eines Parlaments muss hier noch zitiert werden. Expertenberichte aus den USA verweisen auf einen Report des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses vom März 2022 und folgern: Groß ist die Entschlossenheit der US-Regierung, den Krieg zu nutzen, um Russland mürbe zu machen (Quelle: Renewed Great Power Competition: Implications for Defense – Issues for Congress. Updated March 10, 2022). Das Hauptziel der USA bestehe darin, »ein neues oder erneuertes Schwergewicht« auf das Niederringen von China und Russland zu legen. Den beiden Ländern wird eine Fülle von US-Maßnahmen angedroht, darunter mehr Atomwaffen zu produzieren, die globale US-Militärbelegung zu erhöhen und den Ukrainekrieg zu nutzen, »um die USA und die Nato zu stärken, um eine russische Aggression in Europa zu kontern«. Der Angriff auf die Ukraine soll als Alibi für die neue Besetzung Europas durch US-Truppen hergenommen werden. Als Antwort auf Russlands Angriff auf die Ukraine im späten Februar 2022 »haben die USA zusätzliche Army- und Navy-Einheiten bei Nato-Verbündeten in Europa stationiert«. Der Punkt ist, dass die USA mit aller Kraft die Auseinandersetzung mit China und Russland suchen, solange sie sich noch in der Vorhand wähnen, die Jahr für Jahr schwindet. Sie steuern bewusst auf Kriege zu und wollen dazu ihre »Fähigkeiten für high end conventional warfare« stärken, für eine »Kriegführung auf breiter Front, mit hoher Intensität, technologisch hoch entwickelten Waffen gegen Gegner mit ähnlich hoch entwickelter Waffentechnik«. Die Ukraine ist das ideale Exerzierfeld für dieses »Training«.

Ich meine, der aktuelle Ukrainekrieg begann als ein imperialistischer Akt von Putin-Russland und wird heute vor allem als Abnutzungskrieg der westlichen Imperialisten gegen Russland und zur Festigung der US-Vormacht in Europa geführt. Und nun dreht Putin wieder an der Eskalationsspirale, indem er eine Teilmobilmachung vornimmt und mit »allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln« droht, »um Russland zu schützen. Das sei »kein Bluff«. Die Erklärung aus dem US-Kongress ist aber auch keiner.

Der Beitrag erschien auch in Ossietzky – Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Autors gespiegelt.
Bildbearbeitung: L.N.

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Zum Tode von Esther Bejarano

Trauer allenthalben bei denen, die die kleine, großartige Kämpferin für Frieden und gegen Antisemitismus und Neonazis hoch verehrt haben: Esther Bejarano schlief in der Nacht von Freitag auf Sonnabend friedlich ein.

Dazu merkt der Journalist Ralph T. Niemeyer auf Facebook an:

„Auch bürgerliche Medien berichten ausführlich über den Tod von Esther Bejarano. Das ist gut und angemessen. Sie verschweigen natürlich, dass die Frau nicht nur Antifaschistin, sondern auch Kommunistin war. Sie zog von Israel nach Deutschland, weil ihr Mann in Israel keinen Kriegsdienst leisten wollte. Ebenso vermeiden die bürgerlichen Medien, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten zu erwähnen, deren Ehrenvorsitzende Esther war. Die VVN wird in manchen Verfassungsschutzberichten als verfassungswidrig dargestellt. Daraus erwuchsen ihr finanzielle Schwierigkeiten.Im folgenden ein langer Auszug aus der Erklärung der VVN – BdA zum Ableben ihrer Ehrenvorsitzenden. Er enthält einige Links, die über das Handeln dieser Frau ausführlicher informieren:“

Esther Bejarano auf dem Pressefest der UZ mit DKP-Vorsitzenden Patrik Köbele. Foto: C. Stille

Wir alle kannten Sie als eine Frau von großer Entschiedenheit und geradezu unglaublichem Elan, die viele von uns noch bis vor kurzem auf der großen Bühne erleben durften. Zuletzt saß sie am 8. Mai auf unserer kleinen Bühne im Hamburger Gängeviertel und erzählte von ihrer Befreiung am 3. Mai 1945 durch Soldaten der Roten Armee und der US-Armee, die kurz nacheinander in der kleinen Stadt Lübsz eintrafen. Dort hatte Esther mit einigen Freundinnen aus dem KZ Ravensbrück Unterschlupf gefunden, nachdem sie gemeinsam dem Todesmarsch entflohen waren.

Wenige Tage zuvor, am 3. Mai, den sie ihren zweiten Geburtstag nannte, hat Esther sich noch mit einer Video-Botschaft zum Tag der Befreiung an uns alle gewendet. Darin bezog sie noch einmal deutlich Stellung zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Stadt Hamburg und im ganzen Land. Obwohl sie dabei schon im Rollstuhl saß, waren ihre Worte klar und ihre Stimme kräftig:

https://www.auschwitz-komitee.de/5249/esther-bejarano-wir-sind-da-meine-befreiung-im-mai-1945-und-meine-hoffnungen/

Wir verdanken Esther viel; sie war immer da, wenn wir sie brauchten.

Als 1990 zum ersten Mal ein Bundessprecher:innenkreis gewählt werden sollte und dafür Personen gesucht wurden, die Tradition und „Neuanfang“ verkörperten, stand sie dafür zur Verfügung und wurde eine unserer ersten Bundessprecherinnen in einer Zeit, in der wir der Diffamierung des Antifaschismus als „diskreditiert“ und „überkommen“ entgegentreten mussten. Sie hat einen großen Anteil daran, dass das gelungen ist.

Zum 50. Geburtstag der VVN richtete sie zusammen mit Peter Gingold einen bewegenden „Appell an die Jugend“:

Esther Bejarano mit Sohn Joram (links)




https://perlavitamovie.files.wordpress.com/2013/08/appell-an-die-jugend-vers-2005-esther-bejarano-und-peter-gingold-doc.pdf

Als im November 2019 das Finanzamt für Körperschaften in Berlin unsere Gemeinnützigkeit bestritt, schritt sie mit ihrem flammenden Appell an Olaf Scholz „Das Haus brennt und Sie sperren die Feuerwehr aus“ ein und verbreiterte die öffentliche Debatte. Damit hat sie wesentlich zu unserem Erfolg in dieser Auseinandersetzung beigetragen.

Nun ist die unermüdliche „Zeitzeugin“ gegen Vergessen des historischen und Verharmlosen des aktuellen Faschismus, Mahnerin und Kämpferin für Menschenrechte, Frieden und eine solidarische Gesellschaft von uns gegangen. Sie wird uns fehlen, vielen von uns auch als verlässliche Freundin.

Wir denken ans sie in Dankbarkeit, Trauer und Liebe.

Nehmen wir ihre letzte öffentliche Botschaft als Vermächtnis und arbeiten wir weiter daran, dass der 8. Mai endlich auch in Deutschland ein Feiertag wird, so wie sie es in ihrer Rede am 3. Mai noch einmal vorgetragen hat:

Angesichts der heutigen Welt und des Rechtsrucks bekommt die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano Angst. Sie hat den Aufstieg der Nazis erlebt und erkennt gewisse Parallelen zum Erstarken rechter Kräfte heute. Foto: C. Stille

„Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschla­gung des NS-Regimes. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“

Quelle: VVN-BdA

Weitere Artikel zu Esther Bejarano

Der Tod der mutigen und scharfen Kritikerin an alten und neuen Nazis sowie am Militarismus, Esther Bejarano, hat ein breites Medienecho hervorgerufen. Über viele Aspekte aus Bejaranos Leben wird aber nicht berichtet. Von Bernhard Trautvetter auf den NachDenkSeiten.

Esther Bejarano: Offener Brief an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen. (auf meinem Blog)

Esther Bejarano in Köln: „Ihr tragt keine Schuld für das was passiert ist, aber ihr macht euch schuldig, wenn es euch nicht interessiert“ (auf meinem Blog)

Mir lebn ejbig!“

Video (von Klaus240147 auf You Tube) vom 8. September 2018 auf dem Solidaritäts- und Pressefest der DKP im Revierpark Dortmund Wischlingen zeigt Esther Bejarano und die Microphone Mafia: „Wir leben ewig!“

Der Autor und Journalist Ulrich Sander schreibt auf Nordstadtblogger in einem Leserbrief, dieser Tage seien in Dortmund Plakate von Unbekannt mit der Aufschrift „Mir lebn ejbig! (Das bedeutet: Wir leben trotzdem) aufgetaucht. Sander: „Ruhe in Frieden, Esther Bejarano!“

„Mörderisches Finale. NS-Verbrechen bei Kriegsende 1945“ von Ulrich Sander – Rezension

Der Zweite Weltkrieg begann mit dem Überfall des faschistischen Deutschen Reiches auf Polen am 1. September 1939. In der Folge wurde weltweit gekämpft und es wurden Kriegsverbrechen und grausamste Massenmorde verübt. Insgesamt wurden schätzungsweise mehr als 70 Millionen Menschen getötet.
Die höchsten Verluste musste die Sowjetunion verzeichnen: Rund zehn Millionen Soldaten der Roten Armee wurden getötet oder starben in Kriegsgefangenschaft. Insgesamt verloren mindestens 24 Millionen sowjetische Bürger ihr Leben – bedingt durch den Rassenwahn des nationalsozialistischen Deutschlands. Die meisten Zivilisten wurden hingegen in China ermordet. (Quelle: Statista)

Noch 1945 wurde weiter gestorben. An der Heimatfront geschahen „Endphasenverbrechen“

Mit der Jahreszahl 1945 verbinden viele Menschen das Ende des Zweiten Weltkriegs. Was nicht falsch ist. Nicht wenige Menschen meinen jedoch, damit sei auch das sinnlose Töten von Menschen beendet gewesen und der Frieden angebrochen. Doch dem ist überhaupt nicht so. Es ist vielmehr – wenn man so will: ein tödlicher Irrtum. Dem Zweiten Weltkrieg war nämlich vielerorts ein „Mörderisches Finale“ beschieden. Es geschahen etliche sogenannte „Endphasenverbrechen“. Davon kündet ein im vergangenen Frühjahr bei PapyRossa erschienenes Buch von Ulrich Sander. Zu dessen Realisierung eine erkleckliche Anzahl weiterer Menschen beigetragen haben. Einige sind unterdessen bereits verstorben. Eingangs des sehr informativen Buches sind deren Namen aufgeführt.

Als der Krieg seinem Ende zuging wollten Nazifunktionäre und alle Büttel des Hitlerregimes aller möglichen Ebenen und Behörden jede Menge von Gegnern mit ins Grab nehmen, wenn sie schon fürchten mussten, dass es ihnen selbst bald an den Kragen gehen würde.

Zum Buch heißt es:

„Kurz vor der Befreiung wurden im Frühjahr 1945 tausende Nazigegner „ausgeschaltet“. Gegen deutsche und ausländische Antifaschisten wie gegen Wehrmachtssoldaten, die sich am Wahnsinn nicht mehr beteiligen oder ihm ein Ende bereiten wollten, wurde ein groß angelegter Mordfeldzug in Gang gesetzt, um einen antifaschistischen Neubeginn nach dem Krieg im Keime zu ersticken. SS, Gestapo, aber auch einfache NSDAP-Mitglieder, Volkssturmmänner und Hitlerjungen nahmen teil an Massakern im Ruhrkessel, an Erschießungen in vielen Städten und Dörfern, am Mord an Gefangenen aus KZs und Zuchthäusern auf Todesmärschen, an Standgerichten gegen Deserteure. Die Verbrechen in der allerletzten Phase des Krieges waren sowohl örtliche Amokläufe als auch Teil der Nachkriegsplanungen des deutschen Faschismus. Ulrich Sander bilanziert das Ausmaß der Verbrechen, um die Opfer dem Vergessen zu entreißen und die Täter zu benennen. In dieser zweiten, erheblich erweiterten Auflage liefert er eine – wenn auch noch immer unvollständige – Gesamtdarstellung dieser Vorgänge. Mit einem Personenregister.“

Der Zweite Weltkrieg ging sozusagen nahtlos in den Kalten Krieg über

Einige Nazis hofften gar mit den USA zusammen den Krieg gegen die verhasste Sowjetunion sozusagen nahtlos fortsetzen zu können. Entsprechende geheime Kontakte hatte es sogar während des Zweiten Weltkriegs gegeben. Das stieß schließlich – trotz entsprechenden Befürwortern – immerhin auf Widerstand innerhalb der US-Administration. Allerdings ging dann der Zweite Weltkrieg gewissermaßen übergangslos in den Kalten Krieg über. Der, wie wir wissen, bis 1990 andauerte.

Anmerkung meinerseits: Und als hätten wir nichts dabei gelernt, ist längst wieder ein neuer Kalter Krieg entfacht worden. Mit dem kaum verblümten Ziel in Russland einen Regimechange vorzunehmen.

In die nun bereits 2. Auflage des Buches sind nun weitere inzwischen gewonnene Erkenntnisse eingeflossen. In seinem Vorwort schreibt Ulrich Sander (S.14):

„Bei der Erforschung der Endphasenverbrechen im Ruhrkessel gingen wir zunächst davon aus, dass der NS-Apparat in Gestalt der Gestapo Zeugen ausschalten wollte. Indem wir den Kontakt zu zunächst rund 20 Städten mit Endphasenverbrechen aufbauten und ausweiteten und zudem den Blick auch auf die Monate nach dem Mai 1945 richteten, stießen wir auf tiefer gehende, auf die Zukunft weisende Interessen der Täter.“

Darüber schreibt im Buch Reinhard Opitz in seinem mit „Bereits für den nächsten Krieg“ überschriebenen Kommentar (S.254).

Ulrich Sander und Ernst Söder (Vorsitzender des Fördervereins Steinwache/Internationales Rombergpark-Kommitees merken an (S.14): Die Auswirkungen der ausgebliebenen Entnazifizierung sind bis heute spürbar.“

Weitere Informationen zum hier besprochenen Buch finden Sie hier (Quelle: VVN-BdA)

Das herrschende Geschichtsbild wiederum ist immer das Geschichtsbild der Herrschenden“, merkt Gerhard Fischer an

Gerhard Fischer schreibt auf S.21: „Vorliegendes Buch liefert Informationen darüber, welche Kreise dem Hitlerfaschismus zur Macht verhalfen und von dieser Macht in reichem Maße profitierten. Die gleichen Kreise dominieren auch die Bundesrepublik. Das herrschende Geschichtsbild wiederum ist immer das Geschichtsbild der Herrschenden.“ Deswegen verwundere es nicht, wie es „um diese Erinnerungskultur in diese Republik bestellt“ sei. Und Fischer (2013 verstorbener Mitbegründer des Bundes der Antifaschisten in der DDR) mahnt: „Die Gefahr, dass solche Tendenzen weiter um sich greifen, ist nicht gering. Ihr will das Buch mit seinen Mitteln und Möglichkeiten entgegenwirken.“

Das Buch erinnert u.a. daran, dass die DDR vielerorts an in denn letzten Kriegstagen von SS-Banditen ermordete Menschen mit Bronzetafeln und Plaketten erinnerte. Und überhaupt gute antifaschistische Erinnerungsarbeit leistete. Leider war festzustellen, dass nach der Wende 1990 diese Erinnerungstafeln mancherorts entfernt oder mehrfach zerstört wurden, weshalb sie wieder erneuert werden mussten.

Bei sogenannten „verschärften Verhören“ haben Verhaftete schlimmste Torturen erfahren. Ein Zeuge in einem Nachkriegsprozess berichtete u.a.:

(…) „Ich bin von Vogler verhört worden. Die Sekretärin Hildebrandt ging raus. Vogler zog eine Schublade heraus und nahm einen Gummischlauch, drohte und sagte: ‚Leg dich nur hin!‘ Dann schlug er mich fünf bis sechs Mal. Bei der Vernehmung konnte er mir nicht das Geringste nachweisen, trotzdem musste ich dreimal über den Tisch. Vier Wochen hatte ich Nierenbluten, sechs Wochen konnte ich nicht sitzen, weil das Gesäß furchtbar zerschlagen war.“ (…)

Auf Seite 108 erfahren wir, was später über ihn bekannt wurde: „Auch der Gestapo-Oberassistent Vogler wir, wie so viele andere, als vermisst gemeldet. Vermisst? Noch am 7. Januar 1946 war der Gestapo-Mann Kurt Vogler nachweislich in amerikanischer Gefangenschaft und befand sich in Dachau unter der Nummer CIA o 1200 CIE 29/! 13 D. Wo steckte Vogler danach? Ist er wie so viele von den Amerikanern gedeckt worden? Wurde er als US-Geheimdienst-Mann mit Gestapo-Erfahrung verwendet?“

Den Hauptschwerpunkt im Buch nimmt das Kapitel II „Morde an der Heimatfront“ (ab Unterkapitel 1. „Morde in letzter Stunde“. Himmlers Befehl ein (S.29).

Schilderung schlimmster Verbrechen all überall.

Als besonders grausam und unmenschlich gingen die sogenannten „Karfreitagsmorde“ im Dortmunder Rombergpark und der Bittermark in die Annalen ein. Ein „Massenmord kurz vor Kriegsende“ (S.37) – Die US-Army stand schon wenige Kilometer entfernt am Stadtrand von Dortmund.

An die 280 bis 300 Menschen waren damals in der Bittermark und in einem nahen Park von Nazi-Schergen brutal ermordet worden. Noch in den letzten Dortmunder Kriegstagen, Ostern 1945 (die US-Armee war nicht mehr weit von Dortmund entfernt), vom 7. März bis 12. April 1945, wurden Zwangsarbeiter aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Jugoslawien, Polen und der Sowjetunion sowie deutsche Widerstandskämpfer aus dem Hörder Gestapo-Keller und dem Gefängnis Steinwache in den Rombergpark und in die Bittermark verbracht und dort per Genickschuss ermordet. Alljährlich findet dort das „Karfreitagsgedenken“ statt. Lesen Sie dazu auch Beiträge von mir hier, hier und hier.

Die Schilderung eines Bürgers später:

„Man ist zu den Nazis gegangen, die wir kannten, und die mussten dann alle mit Schippe antreten. Und dann haben wir sie da raufgebracht in die Bittermark, und da mussten sie dann graben. Dann haben sie die 54 Leichen ausgegraben. Die waren alle mit Stacheldraht auf dem Rücken gefesselt und waren vorher geschlagen worden – blaue Augen, die Oberschenkel der Frauen waren zerschlagen, mit Peitschen und mit Draht, haben wir damals sogar gesagt, weil es so schmale Spuren waren Ich hab sogar ‚Handschuhe‘ gesehen, als wenn die Haut angefallen wäre, richtig wie Handschuhe lagen die Hände da, ganz weiß, also mussten die schon lange gefesselt sein, dass die Finger abgestorben waren. Die Nazis mussten sie alle ausgraben.“

Ungenügende juristische Verfolgung der Nazi-Verbrechen

Die juristische Aufarbeitung der Dortmunder Nazi-Verbrechen geriet dann wie sooft auch anderswo in Westdeutschland mehr oder weniger enttäuschend. „Am 27. Januar 1952“, lesen wir auf Seite 106, „fast sieben Jahre später, begann vor dem Dortmunder Schwurgericht der Prozess gegen 27 ehemalige Angehörige der Dortmunder Gestapo wegen Aussageerpressung im Amt in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und wegen Beihilfe zur Tötung (§ 212 StGB).

Ein Zeuge (S.113) bekundet im Ermittlungsverfahren, dass Gespräch von zwei SS-Männern „während der ‚Wiederherstellung ihres seelischen Gleichgewichts‘ durch reichlichen Alkoholgenuss über Einzelheiten des Verbrechens unterhalten haben.“ Der eine soll zu dem anderen gesagt haben: „Wen hast du gehabt?“ und der andere ihm geantwortet haben: „Ich hatte die Gillessen. Die war nicht kaputtzukriegen. Da hab ich sie rumgedreht und ihr nochmals in die Fresse geschossen.“ Die Namen der Mörder waren dem Zeugen „nicht mehr eingefallen“. (Anmerkung C.S.; Martha Gillessen war eine Widerstandskämpferin und Kommunistin; Quelle: Wikipedia)

Leider wurden viele Nazi-Verbrecher viel zu gering oder gar nicht zur Rechenschaft gezogen. Doch damit nicht genug: Nicht wenige von ihnen, auch Leute, die sich bei der Polizei die Hände schmutzig gemacht hatten, kamen sozusagen sogar wieder in Amt und Würden in Westdeutschland! Nicht selten in den gleichen Behörden und auch höheren Positionen! Auch die Besatzungsmächte in Westdeutschland hätten das Interesse an diesen Prozessen verloren, heißt es im Buch. Was auf mit damals an Fahrt gewinnenden Kalten Krieg zurückgeführt wird.

„Die Urteilsbegründung des Schwurgerichts in Dortmund, die am Freitag, den 4. April 1952 vorgetragen wurde, hielt denn Angeklagten viele ‚mildernde‘ Umstände für ihren Massenmord zugute. Nicht mit Befall, sondern mit ‚unerhört‘ und ‚Pfui‘ wurde das Urteil von den Hinterbliebenen aufgenommen“ (S.124)

„Die Staatsanwaltschaft hatte insgesamt 105 Jahre Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte beantragt.“ (S.125) Empörend: „Für keinen dieser Angeklagten wurde auf Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt. Von den 28 Angeklagten wurden 15 freigesprochen.“

Ein bedrückendes, aber enorm wichtiges Buch

Das Buch gehörte m.E. auch als Schullektüre verwendet zu werden. Dass nun schon eine zweite Auflage erschienen ist, zeigt, welches Ausmaß NS-Verbrechen auch noch bei Kriegsende 1945 angenommen hatten. Womöglich wird dieses Buch noch eine weitere Auflage erleben. Denn noch immer kommen so lange nach Kriegsende neue Informationen auf.

Wir sollten Ulrich Sander und allen, die am Entstehen dieses Buches Anteil hatten, sehr zu Dank verpflichtet sein. Möge „Mörderisches Finale“ eine hohe Verbreitung finden. Zumal die Zeitzeugen ihr Lebensende erreicht haben oder in Bälde erreichen werden und somit Oral History, die mündliche Verbreitung von Geschichte, durch Zeitzeugen immer weniger möglich sein wird.

Ulrich Sander

Mörderisches Finale
NS-Kriegsverbrechen bei Kriegsende 1945

2., erweiterte Auflage

Neue Kleine Bibliothek 129
Paperback, 282 Seiten

Erschienen, März 2020

ISBN 978-3-89438-734-1

Preis: 16,90 €

Zum Autor

Ulrich Sander, *1941. Journalist und freier Autor. Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN – BdA). Zahlreiche Bücher und Zeitschriftenbeiträge.

Sofern Sie, lieber Leserinnen und Leser über das hier besprochene Buch hinaus noch Interesse haben, etwas über das Schicksal von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen in Hitlerdeutschland zu erfahren bzw. Informationen an Gedenkarbeit haben möchten, möchte ich ihnen noch folgende Beiträge von mir empfehlen: hier, hier, hier, hier, hier und hier.

Dortmund: Würdigung von einstmals in Hombruch wirkenden und wohnenden Antifaschisten

Kranzniederlegung an der Gedenktaftel im Stadtteil Hombruch: von links: Günter Bennhardt, Ulrich Sander (VVN-BdA), Ernst Söder (Gedenkstätte Steinwache – Internationales Rombergparkkomitee), Klaus Ulrich Steinmann (stellv. Bezirksbürgermeister) und Hans Semmler (Bezirksbürgermeister). Fotos: C. Stille

Vor fünfundsiebzig Jahren, am 24. Juli 1944, ermordeten die Faschisten die in Dortmund-Hombruch politisch wirkenden und wohnenden Antifaschisten Hans Grüning und Wilhelm Knöchel.

An deren aktiven Widerstand gegen das Naziregime und das Wirken weiterer Widerstandskämpfer aus dem Stadtbezirk Hombruch – stellvertretend dafür gesetzt Wilhelm Oberhaus und Fritz Husemann – wurde am vergangenen Samstag erinnert. An der Gedenktafel am Eingang zur Sparkassenfiliale Hombruch – dem früheren Standort des Hombrucher Amtshauses – wurde in Anwesenheit des Bezirksbürgermeisters Hans Semmler sowie dessen Stellvertreter Klaus Ulrich Steinmann ein Blumengebinde niedergelegt. Ernst Söder würdigte die Ermordeten für ihren Mut und ihre Haltung. Menschen wie sie seien ein Maßstab, an dem wir Nachgeborenen uns messen lassen müssten, wenn unsere Haltung gefragt ist.

Stellvertretend für viele andere wurde erneut an vier Hombrucher Widerstandskämpfer erinnert

Ernst Söder vom Förderverein Gedenkstätte Steinwache – Internationales Rombergpark-Komitee e. V. begrüßte die zum Gedenken erschienen BürgerInnen. Er erinnerte an die Worte von Obrbürgermeister Ullrich Sierau beim diesjährigen Bittermark-Gedenken, der dort Bertold Brecht zitiert habe: „Der Mensch ist erst dann wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“

Stellvertretend für viele andere solle, so Ernst Söder, nun erneut an vier Hombrucher Widerstandskämpfer erinnert werden. Sie stünden für unzählige Frauen und Männer, „die während der NS-Zeit von den Nazihorden ermordet wurden“. Es sind dies Hans Grüning, Wilhelm Knöchel, Wilhelm Oberhaus und Friedrich Husemann.

Diese vier Menschen – von deren Mut und ihrem Tun gegen das faschistische Deutschland man wisse – seien nicht vergessen, obwohl man sie ja nie persönlich gekannt habe. Immerhin, so Söder , habe man Nachfahren getroffen. Und die hätten mehr erzählt, als man sonst aus irgendwelchen Büchern erfahren könne. Das faschistische Deutschland sei von Völkermord, Denunziation und dem Wüten der Gestapo gekennzeichnet gewesen.

Wilhelm Knöchel

Wilhelm Knöchel ist der einzige Name, welcher nicht auf der Hombrucher Gedenktafel verewigt ist. An Wilhelm Knöchel erinnere man dennoch,

erklärte Ernst Söder, weil er am 24. Juli 1944, dem gleichen Tag wie Hans Grüning, mit dem Fallbeil hingerichtet wurde.

Durch vorherige Folterungen war er nicht in der Lage zu seine Hinrichtung zu gehen. Er wurde auf einer Trage dorthin gebracht. Knöchel wuchs in einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie auf.

Als Mitglied der SPD kam er ins Ruhrgebiet. Später wechselte er in die KPD. Von 1924 bis 1930 war er Mitglied der KPD-Leitung in Dortmund. Verhaftet wurde er 1943. Er hatte die kommunistische Widerstandsarbeit in den Zechen des Ruhrgebiets organisiert.

Jüdische Frauen, Kinder und Männer wurden schon früh ins Ghetto nach Riga deportiert

Schon früher, daran erinnerte Ernst Jörder, hatten die Nazis jüdischen Frauen, Kinder und Männer von Dortmund in das Ghetto nach Riga deportiert. Dort hätten Hunger und Zwangsarbeit auf sie gewartet. Viele von ihnen hätten Deportation und Aufenthalt im Ghetto nicht überlebt.

Das Leben der Menschen in der Nazizeit war von Misstrauen und Einschüchterung geprägt

Die Nazis hätten das öffentliche Leben beherrscht. Die Angst der Menschen vor Denunziation habe jede öffentliche Kritik verstummen lassen. Das Leben der Menschen sei von Misstrauen und Einschüchterung geprägt gewesen.

Wilhelm Oberhaus

Wilhelm Oberhaus.

Wilhelm Oberhaus, sagte Söder, habe sich seinen Mund nicht verbieten lassen. Oberhaus war Priester in der St. Clemens-Gemeinde in Hombruch. In seinen Predigten habe er sich für das Erziehungsrecht der Eltern eingesetzt, indem er sagte: „Die Kinder, liebe Eltern, gehören nur euch nach Gott – erst dann dem Staat.“

Damit hatte sich Oberhaus zum Feind des Regimes gemacht. Gemeindemitglieder denunzierten ihn bei der Gestapo. Ernst Söder im Nebensatz: „Ich

würde gerne wissen wer das war.“

Eine Verurteilung wegen des Vergehens gegen das sogenannte „Heimtücke-Gesetz“ durch das Dortmunder Sondergericht habe ihm nicht nur fünf Monate Haft, sondern auch das Ende seiner Tätigkeit in Hombruch eingebracht. Er wurde an einen anderen Ort versetzt. Auch dort wurde er wegen eines weiteren Vorfalls verhaftet und am 10. Oktober 1941 ins Konzentrationslager Dachau überführt. Am 20. September 1942. Er starb an Hunger und einer nicht behandelten Erkrankung. Seine sterblichen Überreste wurden im KZ-Krematorium eingeäschert und seinen Eltern in einer Urne zugeschickt. Unter großer Anteilnahme wurde sie 24. Oktober 1942 in Herford beigesetzt. Die Beerdigung habe einer Protestversammlung gegen das faschistische Unrecht geglichen. Nach dem Krieg habe die Stadt Dortmund den Priester mit der Benennung einer Straße im Stadtteil Hombruch gewürdigt. Die katholische Pfarrei St. Clemens benannte das im Jahre 1958 fertiggestellte Pfarrheim nach Wilhelm Oberhaus. In Herford trägt eine katholische Grundschule seinen Namen.

Hans Grüning.

Hans Grüning

Weiter erinnerte Ernst Söder an den jungen Hans Grüning, der Mitglied des kommunistischen Jugendverbands in Dortmund-Barop gewesen war. Grüning, bei der Machtergreifung Hitlers 16 Jahre alt, habe erleben müssen, wie sein Vater 1933 von der Gestapo verhaftet und als Staatenloser ausgewiesen wurde. In den 1940er Jahren pflegte Grüning Kontakte zu sowjetischen Kriegsgefangenen und übernahm Kurierdienste nach Holland, um den Informationsfluss zwischen den Parteigremien sicherzustellen. Die Gestapo verhaftete ihn. Grüning wurde am 9. Juni 1944 wegen Verbreitung feindlicher Rundfunkhetze via Flugblätter vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Am 24. Juli 1944 starb er in Brandenburg unterm Fallbeil.

Fritz Husemann

Sozialdemokrat Fritz Husemann war Vorsitzender des Bergarbeiterverbandes und Mitglied des Preußischen Landtags (1919 bis 1933) und später des Deutschen Reichstags (1924 bis 1933). Er lebte eine Zeitlang in Witten und Hombruch. Auch er wurde von den Nazis verfolgt und am 11. März 1933 mit vielen anderen Bochumer Sozialdemokraten vorübergehend verhaftet. Am 2. Mai 1933 wurde Husemann nach der Besetzung des Hauses des Bergarbeiterverbandes in Bochum fristlos entlassen. Bis zum 3. Juli 1933 wurde er mehrfach verhaftet. Obwohl ihm der US-amerikanische Bergarbeiterverband zur Emigration riet, lehnte er ab. Am 18. März 1935 verklagte er

Fritz Husemann.

die Deutsche Arbeitsfront auf Entschädigungszahlungen. Daraufhin wurde Fritz Husemann am gleichen Tag erneut im Polizeigefängnis Bochum inhaftiert und am 13. April 1935 in das KZ Esterwegen überführt. Bereits einen Tag nach seiner Einlieferung schoss ihm die KZ-Mannschaft bei einem angeblichen Fluchtversuch in den Bauch. Er starb am darauffolgenden Tag an einer Bauchfellentzündung im Kreiskrankenhaus Sögel. Die Einäscherungs- und Begräbnisfeierlichkeiten, an der damals tausend Menschen teilnahmen und waren, wie Söder sagte, „beeindruckende Kundgebungen für die persönliche Popularität Husemanns“.

Ernst Söder: Die Männer haben unseren Respekt verdient und sollten uns Vorbild sein

„Diese Männer haben, wie viele tausend andere auch, Mut und Haltung bewiesen. Sie haben unseren Respekt verdient. Und sie sollten uns Vorbild sein. Menschen wie sie sind ein Maßstab an dem wir uns messen lassen müssen, wenn unsere Haltung gefragt ist. Unsere Aufgabe ist es, Ereignisse und Verbrechen wie sie 1933 bis 1945 zugetragen haben mit allen uns zugänglichen Mitteln zu verhindern. Wir müssen uns klar aufstellen gegen die rechtsextremen Parteien und Organisationen in der Tradition des Nationalsozialismus. Und wir müssen uns auch deutlich abgrenzen von völkisch-nationalen Angliederungen einer AfD.“, sagte Ernst Söder.

Möge die Geschichte uns verpflichten. Wehret den Anfängen!“, postulierte Söder

„Möge die Geschichte uns dazu verpflichten. Wehret den Anfängen! Auch jetzt wieder.“, so Söder eindringlich. Unsere Demokratie sei zwar stabil, aber auch schnell durch Neonazis und rechte Populisten in Gefahr. Die Menschen müssten endlich damit aufhören, die „geistigen und mittlerweile auch praktischen Brandstifter in unserer Republik als Protestwähler oder Mitläufer zu verharmlosen“. Sie seien Demokratie- und Menschenfeinde. In ihren Köpfen wäre nur noch Hass und Dummheit.

Ernst Söder: „Sie haben sich in ihrer Parallelgesellschaft so radikalisiert, dass ihnen mittlerweile nur noch mit juristischen Mitteln beizukommen ist. Und wer angesichts des Schulterschlusses rechtsradikaler Kräfte noch von berechtigten Bürgerprotesten spricht, wer immer noch die AfD unterstützt,

um denen da oben eins auszuwischen, der muss wissen was er tut. Er öffnet alten und neuen Nazis die Türen.

Es fing nicht an mit Gaskammern …“

Eindrücklich gab Söder zu bedenken: „Es fing nicht an mit Gaskammern, es fing an mit einer Politik, die von wir gegen die sprach. Es fing an mit Intoleranz und Hassreden. Es fing an mit der Aberkennung von Grundrechten. Es fing an mit brennenden Häusern. Es fing an mit Menschen, die einfach wegschauen. Wehret den Anfängen, jetzt, morgen und in den Zeiten danach.“ Und er endete mit folgenden Worten, die den Beifall der Umstehenden fand: „Wir wollen keinen Faschismus mehr, Faschismus ist kein Glaubensbekenntnis, sondern ein Verbrechen.“