
„Industrie 4.0“ dürfte einschneidende Auswirkungen zur Folge haben; Foto: Dieter Schütz via Pixelio.de
Der pad-Verlag leistet vermittels der Veröffentlichung zahlreicher interessanter und noch dazu preiswerter Broschüren seit vielen Jahre eine großartige Arbeit. Vor allem die im Rahmen des pad-Projektes „Ökonomisches Alphabetisierungsprogramm“ in Zusammenarbeit mit Labournet erschienenen Broschüren geben ihren Leserinnen und Lesern wichtige Informationen in die Hand.
Inzwischen sind wieder einige interessante Neuerscheinungen herausgekommen.
Ich möchte sie hier kurz vorstellen. Für ausführliche Rezensionen fehlte diesmal leider die Zeit.
Industrie 4.0 und Big Data
Zwischen Hype und Horror auf dem Weg in eine bessere Welt?
67 Seiten, 5 Euro
ISBN 978-3-88515-269-9
Wieder einmal ist es soweit. Unter der Bezeichnung „Industrie 4.0“ rollt eine große Welle technologischen Überschwangs über unsere Köpfe hinweg. Jedes mal wird dabei, begleitet von lautem medialen Getöse, die Vision der automatischen, vom Eigensinn lebendiger Arbeit unabhängigen Fabrik beschworen mit apokalyptischen Folgen für die Arbeit und Beschäftigung. Jedes Mal sind es vermeintlichen Fortschritte der „Signalverarbeitung“ in und „Digitalisierung“ von Arbeits- und Wertschöpfungsprozessen, die als Treiber einer umwälzenden Entwicklung angesehen werden. Und jedes Mal bricht sich die Welle an der ärgerlichen Wirklichkeit unerwartet eigensinniger sozialer Praktiken, überraschender Widerspenstigkeit materieller Produktionsprozesse und der Unersetzlichkeit lebendigen Arbeitsvermögens, jeweils gefolgt von langen Phasen der Ernüchterung und konsolidierenden Suche nach produktiver praktischer Verwendung der technischen Angebote.
Seit Beginn der Digitalisierung in der Praxis in frühen 1950er Jahren, als durch Norbert Wieners „Kybernetik“ erstmals das Gespenst der durch „Elektronengehirne“ gesteuerten automatischen Fabrik ins allgemeine Bewusstsein gehoben wurde, ist es nun schon die dritte große Welle ähnlichen Inhalts. (aus der Einführung)
Der folgende Titel erschien in der Schriftenreihe des FORUM GESELLSCHAFT UND POLITIK:
Integrationsfall (Mit-)Regieren
„Wild nicht erlegt – dafür Flinte verloren
65 Seiten, 5 Euro
ISBN 978-3-88515-275-0
Wenn über die Regierungsbeteiligung unter Linken in der LINKEN geredet wird, sollte man vorher über die wichtigsten Erfahrungen mit dem parlamentarischen Regierungssystem in der deutschen Parteien- und Parlamentsgeschichte nachdenken. Nur dann wird deutlich, dass es seit den Anfängen dieser Geschichte einige sehr eindeutige politische Phänomene und Erkenntnisse gibt, die bedeutsam auch für die Gegenwart sind, aber in der heutigen Regierungsbeteiligungsdebatte kaum eine Rolle spielen. Sie entzaubern die heutigen Regierungslinken als weltfremde Politiker oder bewusste Rosstäuscher.
Ohne Beachtung geschichtlicher Erfahrungen aber gleicht die aktuelle Debatte in der LINKEN um den Sinn und die Folgen von Regierungsbeteiligung der Verteidigung einer schlechten Theorie, zu der die Fakten nicht passen, die geschichtslos, voller Illusionen und nicht in der Lage ist, Richtschnur für eine tragfähige Praxis antikapitalistischer Politik und Strategie zu sein.
Ekkehard Lieberam: „Man kann als linker Tiger im Wahlkampf antreten und wird am Tag nach der Wahl als Bettvorleger landen, wenn man denn Regierungspartei wird. Darin eben besteht die Integrationsfalle der parlamentarischen Regierungssystems“, das sich im 20. Jahrhunderts auch in Deutschland „zu einem funktionsfähigen politischen Regulierungsmechanismus“ entwickelte, „um linke systemoppositionelle Kräfte zu domestizieren“. (pad-Verlag)
Ekkehard Lieberam hat bei seiner Arbeit natürlich besonders die LINKE Thüringens im Auge gehabt, die mit Bodo Ramelow den Ministerpräsident stellt. Bevor es darauf zuging hatte sich Lieberam schon einmal in „Der Kniefall von Thüringen“ (mein Beitrag in freitag.de) damit befasst. Auch jetzt wird ja in der Partei über künftige Regierungsbeteiligungen nachgedacht und diskutiert.
Dem Lieberam-Text voran steht ein Zitat von Rosa Luxemburg vom 30. September 1898:
„Fangen wir aber an, in Sinne des Opportunismus, dem ‚Möglichen‘ unbekümmert von Prinzipien und auf dem Wege staatsmännischer Tauschgeschäfte nachzujagen, so gelangen wir bald in die Lage des Jägers, der das Wild nicht erlegt und die Flinte zugleich verloren hat.“
Ekkehard Lieberam dürfte sich wünschen, dass die Führungsspitze der Partei DIE LINKE sich diese Einschätzung Rosa Luxemburgs hinter den Spiegel steckt.
Auch die im Folgenden vorgestellte Broschüre kam in der Schriftenreihe FORUM GESELLSCHAFT UND POLITIK heraus:

Wie fast jede technische Erfindung machen auch Computer gute und weniger gute, bis negative, Dinge möglich; Foto: C.-D. Stille
Herrschaftsmaschine oder Emanzipationsautomat?
Über Gesellschaft und Computer
73 Seiten, 5 Euro
ISBN 978-3-88515-276-7
Wir stehen an einem Wendepunkt. Die Zeiten eines verklärten Blicks auf die Digitalisierungsprozesse dürften angesichts der sozialen und zivilisatorischen Konsequenzen der gegenwärtigen Verwendungswisen von Computer und Internet vorbei sein. Immer deutlicher kristallisiert sich heraus, dass sie alles andere als neutrale Hilfsmittel zur Organisation partizipativer Kommunikationsprozesse und selbstbestimmter Lebensgestaltung sind. Am Rande haben sie zwar auch solche Effekte, aber in ihrer Hauptwirkung entlarven sie sich immer deutlicher als Instrumente der Überwachung und Fremdverfügung. Durch ihren Einsatz werden nicht nur das Konsumentenverhalten erfasst, sondern auch Beeinflussungsinitiativen organisiert – und zwar mittlerweile in fast sämtlichen Lebensbereichen.
Vorangesetzt ist dieser Broschüre ein passendes Zitat von Immanuel Kant:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursachen derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Die Redaktion dieser drei wieder interessanten und unbedingt in die Zeit passenden Broschüren besorgte Peter Rath-Sangkhakorn.
Bestellt können die Broschüren beim pad-Verlag, Am Schlehdorn 6, 59192 Bergkamen, werden. E-Mail: pad-verlag@gmx.net