Alle Züge stehen still: GDL muss Bahnstreik gerichtlich durchsetzen

Die Deutsche Bahn AG und das Verkehrsunternehmen Transdev sind vor Gericht mit ihrem Versuch erstinstanzlich gescheitert, den anstehenden dreitägigen Bahnstreik der GDL juristisch zu unterbinden. Bis Freitag wird die Gewerkschaft wohl viele Fern- und Nahverkehrszüge lahmlegen.

Von Susan Bonath

Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) unter Claus Weselsky hat sich gegen Eilanträge der Deutschen Bahn (DB) und des Bahnbetreibers Transdev vorläufig durchgesetzt. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte am Dienstagabend aber bisher nicht abschließend über die Berufungen beider Konzerne entschieden. Verzögert sich das, wird der Streik laut GDL dennoch beginnen.

Die Gewerkschaft ruft die Beschäftigten beider Konzerne sowie der City-Bahn Chemnitz (CB) auf, ab dem frühen Mittwochmorgen bis Freitagabend, 18 Uhr, ihre Arbeit niederzulegen. Damit startet der dritte Warnstreik der GDL in der aktuellen Tarifauseinandersetzung. Viele Züge im Fern- und Nahverkehr werden ausfallen, bei den ersten beiden Warnstreiks betraf das bis zu 80 Prozent.

Die DB kündigte lediglich einen lückenhaften Notfahrplan an. Die GDL hatte bereits in der Vergangenheit mit harten Arbeitskämpfen auf sich aufmerksam gemacht. Sie vertritt neben Lokführern auch Zugbegleiter und anderes Servicepersonal.

Weniger arbeiten bei vollem Lohnausgleich

Hintergrund des neuerlichen Warnstreiks sind Ende November gescheiterte Tarifverhandlungen. Die Gewerkschaft wirft unter anderem dem DB-Konzern eine „Verweigerungshaltung“ vor, „Gespräche über legitime Kernforderungen mit der GDL zu führen“. Erkämpfen will die GDL mindestens die Verkürzung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich sowie einen Inflationsausgleich bei den Gehältern.

Im Gegensatz zu den bestreikten Konzernen DB, Transdev und CB waren die Eisenbahnunternehmen Go-Ahead und Netinera Deutschland GmbH in den vergangenen Wochen auf die GDL-Forderungen eingegangen. Schrittweise wollen sie ab Beginn des Jahres 2025 die Arbeitszeiten für ihr Zugpersonal im Schichtdienst auf 35 Wochenstunden reduzieren, ohne die Gehälter zu kürzen.

GDL-Chef Weselsky lobte ihr Einlenken gegenüber den Medien. Diese Unternehmen hätten erkannt, „welchen Belastungen die Mitarbeiter ausgesetzt sind“. Bessere Arbeitsbedingungen seien wichtige „Anreize, um die jahrelang vernachlässigten Berufe wieder attraktiv zu machen“.

Claus Weselsky (Vors. d. GDL)

Die DB, Transdev und CB blieben jedoch hartnäckig. Martin Seiler vom DB-Personalvorstand schlug lediglich vor, bereits vorhandene Arbeitszeitmodelle auszuweiten. Wer wolle, könne dann eben 38 oder 35 Stunden arbeiten, so Seiler – allerdings ohne Lohnausgleich. Weselsky kritisierte das scharf: Die Beschäftigten würden so die kürzeren Arbeitszeiten selbst finanzieren müssen, was „Mogelpackung“ und „Schlag ins Gesicht der Betroffenen“ sei.

Bahn-Vorwurf: GDL sei „nicht tariffähig“

Die DB und Transdev werfen der GDL vor, nicht tariffähig zu sein und versuchten, den Streik per Eilantrag vor Gericht in letzter Minute zu stoppen. Sie begründeten das mit einer im Sommer von der GDL gegründeten Leiharbeiter-Genossenschaft namens Fair Train. So trete die GDL zugleich als Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter auf, was ihre Position zunichtemache, Tarifverträge erkämpfen und abschließen zu können, argumentierte der DB-Personalchef.

Mit der Genossenschaft Fair Train versucht die GDL nach eigenem Bekunden, der DB Lokführer abzuwerben, um sie dann zu ihren eigenen Tarifbedingungen einzustellen und an Verkehrsunternehmen zu verleihen. Der öffentliche Verkehr leidet bekanntlich seit Langem unter enormer Personalnot, was immer wieder zu Zugausfällen und massenweise Verspätungen führt. Die Gewerkschaft warf der Bahn im Gegenzug vor, „kein noch so abwegiges Mittel zu scheuen, um die starke GDL zu eliminieren“.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hatte der DB und Transdev bereits am Montag eine Absage erteilt. Die Gewerkschaft sei trotz Betriebs der Genossenschaft „nicht offenkundig tarifunfähig“. Die Konzerne waren aber in Berufung gegangen. Das Hessische Landesarbeitsgericht wollte am Dienstagabend ab 17 Uhr in zweiter Instanz verhandeln, zweieinhalb Stunden später lag noch kein Ergebnis vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte der GDL-Streik im Güterverkehr bereits begonnen.

Streik sei für Konzerntochter „zu teuer“

Eine kurzfristige gerichtliche Unterbindung eines Streiks einer anerkannten Gewerkschaft wäre allerdings ein Novum in der bundesdeutschen Geschichte des Arbeitskampfes. Zumal nicht nur die Vorinstanzen in diesem Verfahren sich auf die Seite der GDL gestellt haben. Auch das Arbeitsgericht Hannover wies am Dienstagnachmittag einen gesonderten Eilantrag der niedersächsischen Transdev-Tochter gegen den GDL-Streik ab.

Transdev Hannover betreibt in der niedersächsischen Landeshauptstadt die S-Bahnen. Das Unternehmen hatte vor Gericht gerügt, der Streik sei ihm zu teuer und „existenzgefährdend“. Es rechnet demnach mit Kosten von 1,2 Millionen Euro. Dies ließ das Gericht aber nicht geltend. Es gebe in Deutschland ein Streikrecht und jeder Ausstand sei beeinträchtigend, erklärte die Richterin laut NDR. Das Unternehmen behielt sich wenige Stunden vor Streikbeginn dennoch vor, ebenfalls Berufung einzulegen.

Millionenboni für die Bosse

Für die Chefs der DB ist allerdings nichts zu teuer. Im Dezember war bekannt geworden, dass der Konzern trotz massiver Mängel im Service und bei der technischen Ausstattung seine aktuell acht Vorstände wieder mit Millionen-Boni beglücken wird. Fast fünf Millionen Euro will die DB rückwirkend für das Jahr 2022 an sie ausschütten, davon allein 1,3 Millionen an Bahnchef Richard Lutz. Daneben erhielten die Vorstandsmitglieder insgesamt fast vier Millionen Euro an Gehältern.

Die Bahn hatte die Boni-Ausschüttung zunächst zurückgestellt, weil sie von der Energiepreisbremse profitiert hat.

Diese staatliche Unterstützung für Unternehmen war nämlich an die Bedingung geknüpft, sie nicht für Sonderzahlungen an die Führungsspitzen zu verwenden. Die Rückstellung war mithin ein legaler Trick, diese Auflage zeitversetzt zu umgehen.

Alle Räder stehen still …

Daran erinnert auch die GDL in ihrer Mitteilung. Für die Gewerkschaft ist es demnach „unerträglich, wie weit sich die durch Steuergelder finanzierten Manager der DB AG von den Lebens- und Arbeitsbedingungen ihrer eigenen Mitarbeiter entfernt haben“.

Diese Entwicklung war allerdings schon bei der Privatisierung und Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft vor 30 Jahren absehbar. Diese von Neoliberalen bevorzugte Praxis dient seit jeher vor allem dem Zweck, Gewinne auf Privatkonten zu transferieren, statt das Geld beispielsweise in Personal und Schienen zu investieren.

Die GDL erinnert sich offenbar an einen alten Gewerkschaftsslogan:

„Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“

Streik als wichtigstes Mittel, um bröckelnde Arbeitsrechte gegen große Unternehmen durchzusetzen: Das gilt nach wie vor auch für alle anderen „Rädchen im Getriebe“. Für erfolgreiche Streiks braucht es allerdings starke Gewerkschaften und eine breite Organisierung der Beschäftigten. Beides ist in Deutschland zusehends zur Mangelware geworden.

Quelle: RT DE

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