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Ein Text von Albrecht Goeschel/ Rudolf Martens/ Markus Steinmetz
Die gegenwärtige Steuerdebatte in Deutschland blamiert ihre sämtlichen Protagonisten. Die durchgängige Fokussierung auf die „Einkommensteuer“ zeigt vor allem den Willen zur Ablenkung und Irreführung des Publikums. Oder bestenfalls die Ahnungslosigkeit bezüglich der wirklichen Probleme des Abgabensystems im Geschäftsmodell Deutschland.
Über das wohl nicht ganz zufällige Zusammenkleistern so wesensunterschiedlicher „Einkommensquellen“ wie Lohnarbeit, Gewerbebetrieb und Selbständigkeit, Kapitalvermögen etc. muss man dabei nicht weiter nachsinnen. Vielmehr hätte vor allem die selbst als „Sozialstaatspartei“ (Axel Troost) empfehlende Linkspartei berücksichtigen können, warum eine einheitliche Einkommensteuer nach der Gründung des Deutschen Reiches im Zuge der Miquelschen Finanzreform im auslaufenden 19. Jahrhundert eingeführt worden ist: Sie hatte den Kaiserstaat auch bei seiner Mitwirkung an der industriekapitalistisch-imperialistischen „Aufholjagd“ [1] in Europa und auf den Weltmärkten zu alimentieren.
Die Sozialstaatspartei sollte sich auch vergegenwärtigen, dass die einheitliche Einkommensbesteuerung gleich zu Beginn der Weimarer Republik durch eine gesonderte Besteuerung der Lohnarbeit effektiviert und zu Beginn des Dritten Reiches dann in Lohnsteuerklassen der „nationalen“ Arbeit geschichtet wurde. Allerdings wurde die Besteuerung der Lohnzuschläge 1940 aufgehoben.
Die Besteuerung des veranlagten Einkommens verlor als Systemelement des monarchisch-konstitutionellen, später parteidemokratischen Rechts-, und Sozialstaates in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ihre zentrale Stellung im System der Staatsfinanzierung. Die zur Kriegs- und Kriegsfolgenfinanzierung eingeführte und auch zur erneuten Aufrüstung erhöhte Umsatzsteuer [2] sowie die NS-Politik der Sonderabgaben-Verordnungen zeigten, dass mit dem korporatistisch-bürokratischen Ermächtigungs- und Rassen-Sozialstaat eine Konstellation entstanden war, die nicht mehr der Konkurrenzökonomie und dem Freihandelskapitalismus des 19. Jahrhunderts, sondern dem Monopolkapitalismus und den Großwirtschaftsräumen nach der ersten kapitalistischen Weltkrise entsprach.
Im restaurativen West-Deutschland, einem Besatzungsstaat mit beschützter Marktwirtschaft [3], konnte die „Veranlagte Einkommensteuer“ noch einmal zumindest politische Bedeutung erlangen. Ökonomisch ist diese Steuerart mittlerweile auf nur noch etwa 9 Prozent der Steuereinnahmen zurückgegangen.
Dass die veranlagte Einkommensteuer zunächst im westlichen und dann im gesamten Nachkriegsdeutschland so inbrünstig debattiert wurde und wird, liegt einzig und allein daran, dass sie die Klientel- und Milieusteuer einer so genannten „Mitte“ ist, aus der inzwischen die Wahlbeteiligung überwiegend kommt. In diesem Milieu, insbesondere wenn es sich „kritisch“ geriert, werden die gesellschaftlichen Zustände mit dem Maßstab der individuellen Wohlfahrt, der „Teilhabe“ bewertet [4]. Das „Einkommen“ spielt dabei eine zentrale Rolle.
Die steuertheoretische Diskussion jedenfalls ist wesentlich weiter als die steuerpolitische Diskussion: Sie erörtert, ob man es nicht mehr nur mit diesen oder jenen fiskalischen Funktionsmängeln eines nationalen und liberalen Rechts-, Steuer- und Sozialstaates zu tun habe, sondern vielmehr mit einem de-nationalisierten Gebühren- und Beitragsstaat [5] (Grohs et al.) neoliberal-autoritärer Prägung. Ferdinand Kirchhof formulierte diese Entwicklung 1988 als eine vom „Steuerstaat zum Abgabenstaat“.
Der heute geltende Fiskalkatechismus des Geschäftsmodells Deutschland, die „Abgabenordnung“, ist im Jahr 1919 als „Reichsabgabenordnung“ beschlossen worden und umfasst auch die Sonderabgaben-Verordnungen des Dritten Reiches in ihrem Traditionsbestand. Der klassische deutsche Steuerstaat des späten 19. Jahrhunderts hatte eine Staatsquote von ca. 13 Prozent. Der postmoderne Abgabenstaat erreicht eine Staatsquote von etwa 45 Prozent.
Sozialstaatsfalle: Beitragssteigerung als Steuerersatz
Für die Linkspartei hätte es in der Wissenschaft schon lange vor ihrem politischen Erstauftritt reichlich Hinweise gegeben, dass der Steuerstaat des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit seinem Kernelement Einkommensteuer kein zureichendes Konzept für die Steuerdiskussion und Steuerpolitik von heute mehr sein kann.
Bereits 1981 hatte die Transfer-Enquete-Kommission in ihrem Abschlussbericht die zunehmende Überlagerung von Einkommensteuer und Sozialbeiträgen hervorgehoben. Dabei hat die Kommission den fiskalpolitischen Nutzen dieser Entwicklung ausdrücklich benannt. Dieser läge darin, dass der „Abgabenwiderstand“ bei Sozialbeiträgen schwächer sei, da hier gemeinhin eine Äquivalenz von hergegebenen Beiträgen und empfangenen Leistungen angenommen werde.
2005 hob Peter Bofinger in seiner Abrechnung mit der deutschen Wirtschafts- und
Gesellschaftspolitik „Wir sind besser als wir glauben“ das für das Geschäftsmodell Deutschland typische Phänomen hervor, dass seit dem ersten Wachstumseinbruch Mitte der 1960er Jahre die Sozialbeitragsquote deutlich steiler ansteigt als die Steuerabgabenquote [6]. Und schon seit den frühen 1950er Jahren war in (West-)Deutschland die Steuerquote nur leicht angestiegen, während sich die Beitragsquote jedoch verdoppelt hatte [7].
Den hinter dem häufig beklagten Koordinierungs- und Harmonisierungsdefizit zwischen Steuerabgaben und Sozialbeiträgen in Deutschland verborgene Extraktionsvorsatz des politisch-ökonomischen Systems hat allein 1987 Mehreinnahmen aus den von ihm durch unterlassene Koordinierung und Harmonisierung verursachten „Sprungbelastungen“ vor allem von Transferempfängerhaushalten in Höhe von ca. 20 – 30 Milliarden Euro erzielt.[8] Die bewusste Praktizierung eines widersprüchlichen Abgabensystems war mittlerweile offenbar ein wesentlicher Faktor in dem von Ulrich Busch und Rainer Land fundiert dargestellten Umbruch des „Teilhabekapitalismus“ der Nachkriegsjahrzehnte geworden.
Eigentlich müsste die Wohlfahrtsstaatsforschung die berufene Referenzwissenschaft für die Linkspartei sein. Offenbar ist sie das aber nicht. Wie sonst könnte diese Partei eine dermaßen unbedarfte Fiskalkonzeption verfolgen und eine derart dürftige Steuerdiskussion führen, wie sie dies seit etlichen Jahren vorführt?
Seit den 1990er Jahren gibt es das von Willem Adema entwickelte „Nettowohlfahrtskonzept“. Bei diesem werden im Unterschied zu einer bestenfalls naiven Bruttotransferbetrachtung das Niveau und die Struktur der Sozialtransfers als Nettogrößen ermittelt und erörtert. Die in Deutschland und in einigen weiteren Sozialstaaten zunehmende wechselseitige Besteuerung und Verbeitragung von Sozialtransfers bzw. von Steuertransfers [9] wird hier saldiert.
Die für Deutschland und die nordischen Sozialstaaten gemeinhin hervorgehobenen hohen Sozialquoten in Relation zum Bruttoinlandsprodukt fallen dann deutlich niedriger aus, wenn diejenigen direkten Steuern und Sozialbeiträge gegengerechnet werden, die von diesen Sozialtransfers erhoben werden oder wie die Mehrwertsteuer bei ihrer Verausgabung anfallen.
Tabelle: Netto-Sozialleistungsquoten 1995
Netto-Sozialleistungsquoten*
Finanzwissenschaftler fordern – wohl im Irrglauben an eine fiskalische Gutwilligkeit des politischen Systems – eine Integration des abgabentreibenden Neben- und Gegeneinander von Steuerabgaben und Sozialbeiträgen [10]. So lange allerdings die steuerpolitische Debatte bevorzugt auf dem Nebenkriegsschauplatz der veranlagten Einkommensteuer geführt wird, kann das Politische System in Ruhe und Gelassenheit die Bevölkerung mit Hilfe wachsender Sozialbeiträge als Steuerersatz extrahieren.
Aber finden wir uns auch mit diesem konzeptionellen Versagen der Linkspartei gegenüber dem trickreichen Spiel des Berliner Regimes mit Steuern und Beiträgen, mit „Brutto und Netto“ ab. Identifizieren wir selbst die wesentlichen Funktionsbereiche, in denen sich der vorgebliche liberale Rechts-, Steuer- und Sozialstaat längst in einen tatsächlichen neoliberal-autoritären Maßnahme-, Abgaben- und Exklusionsstaat transformiert hat.
Zugriff: Autobahnmaut, Flüchtlingsbeiträge, Klientelrenten, Splitting für Alle
Wie die fiskalpolitische Extraktionspolitik des Politischen Systems, speziell des Merkel-Schäuble-Regimes praktisch funktioniert, kann man an einer Serie von Entscheidungen und Beschlüssen seines Kabinetts, seiner Koalition und seines Parlaments ablesen.
Die schon beim Start der zweiten Großen Koalition beschlossene „Ausländermaut“ macht zusammen mit der vom seinerzeitigen Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel voran getriebenen verdeckten „Autobahnprivatisierung“ durchaus Sinn: Nicht nur wird den unter den Niedrigzinsen leidenden Kapitalanlagegesellschaften und Versicherungskonzernen durch die lukrative Privatfinanzierung wachsender Teile der Fernstraßeninfrastruktur eine versteckte Branchensubvention aus Steuermitteln gewährt.
Es wird zugleich ein Teil der bisher aus Steuermitteln aufgebrachten Kosten für den Erhalt und den Ausbau des Autobahnnetzes ersatzweise durch eine Mautgebühr finanziert. Diese wirkt wie eine Erhöhung der speziellen Verbrauchssteuern für Verkehrsaktivitäten. Zuletzt erlaubt die private Vorfinanzierung nur noch formal öffentlicher Anlagen eine Auslagerung dieser Ausgaben aus dem Staatshaushalt zunächst in eine Art „Schattenhaushalt“ (Norbert Häring). So kann zunächst auch die ideologisch-demagogische „Schwarze Null“ Schäubles weiterhin simuliert werden.
Zusammen mit der eher beargwöhnten Ausländermaut wurden von der erneuten Großen Koalition zwei „Soziale Wohltaten“, gewährt, die bei den Begünstigten wie erwartet positiv aufgenommen wurden. Gemeint sind die „Mütterrente“ (auch verspottet als „Müttermaut“) und die „Rente 63“ (leicht zu verspotten als „IG-Metall-Prinzenrente“). In beiden Fällen handelt es sich um Wohltaten, die einseitig die Kernklientel der Koalitionsparteien begünstigen, die im Falle der Mütterrente häufig nicht einmal jemals Rentenbeiträge bezahlt haben. Finanziert werden beide Leistungen ausschließlich aus den Rentenbeitragszahlungen, sprich den Rentenzahlungsleistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung.
Im Fall der Mütterrente handelt es sich unzweifelhaft um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuern finanziert werden müsste. Jedoch wurde sie als weitere „Versicherungsfremde Leistung“ in die Gesetzliche Rentenversicherung ausgelagert und wird dort wegen ihres hohen Volumens zu Beitragsanhebungen bzw. Leistungsabsenkungen führen.
Noch dreister war der Parlamentsbeschluss von Ende 2016, die Gesundheitskosten für die vom Merkel-Schäuble-Regime ins Land gerufenen Hunderdtausende von „Zuflüchtern“ aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zu finanzieren. Diese unbestreitbar gesamtstaatliche und daher aus Steuern zu finanzierenden Aufgabe der Flüchtlings-Gesundheitsversorgung wurde stattdessen als versicherungsfremde Leistung in die Gesetzliche Krankenversicherung verlagert. Dort werden sich die so umgangenen Steuermehrausgaben in steigende Zusatzbeiträge oder dürftigere Gesundheitsleistungen transformieren.
Kurz vor dem Laufzeitende der zweiten Großen Koalition fand deren Abgabenzugriff noch einen erregenden Abschluss in der parlamentarischen Statuierung der „Ehe für Alle“. Das postmoderne Diversity-Milieu interessiert dabei besonders die Einkommensteuererleichterung auch für gleichgeschlechtliche Ehepaare. Dazu
hätte es dieses Bundestagsbeschlusses aber nicht bedurft. Seit 2013 gilt die Einkommensteuerbegünstigung auch für Lebenspartnerschaften. Fiskalisch wird gleichwohl die parlamentarische Krönung der Ehe zwischen gleichen Geschlechtern einen weiteren Schub bei der Steuerersparnis durch Ehevertrag mit sich bringen. Mit dieser speziellen Fortsetzung der steuerpolitischen Schmierenkomödie „Einkommensteuergerechtigkeit“ ist damit dessen Abonnement-Publikum rechtzeitig zur Wiederwahl einer weiteren Koalitionsregierung Merkel noch einmal in Verzückung versetzt worden.
Welches Ausmaß, welchen Umfang und welche gesellschaftlichen Folgeschäden die Instrumentalisierung der nebeneinander und gegeneinander fungierenden Systeme von Steuern und Beiträgen als Mittel verschärfter Extraktion haben, zeigen einige einschlägige Großprojekte und Großreformen der zurückliegenden Jahrzehnte.
Belastung: Hartz IV, Pflegeversicherung, Wiedervereinigung
Eine substanzielle Zäsur im institutionellen Neben- und Gegeneinander der Systeme von Steuern und Beiträgen bewirkte die „schlechte Integration“ von Steuertransfers
und Beitragstransfers im „Hartz IV“ – Komplex. Im Funktionsbereich der Sozialsicherung gegen die Risiken des Arbeitsmarktes wurden durch die Ausgrenzung von Arbeitssuchenden und durch die Ausgliederung von Arbeitslosen aus der Arbeitslosenversicherung die Prinzipien des beitragsfinanzierten Sozialversicherungs-Staates weitgehend außer Kraft gesetzt. Stattdessen wurde erneut ein steuerfinanziertes Sozialfürsorge-Regime etabliert [11].
Das vormalige Leitbild einer beitragsadäquaten Status- und Einkommenssicherung männlicher Normalarbeit einschließlich der Ehemannernäherfamilie wurde eliminiert und durch eine steuerfinanzierte existenzminimale Grundsicherung mit Wirkung auch für die in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen substituiert. Millionen Menschen wurden auf diesem Wege aus dem Sozialversicherungs-Staat ausgeschlossen. Ablesen lässt sich das am drastischen Rückgang des Anteils der Bezieher des beitragsfinanzierten Arbeitslosengeldes an allen Arbeitslosen.
Der fiskalische Extraktionseffekt dieser schlechten Integration, weil ausgrenzenden Substitution von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, liegt nicht nur in einer deutlichen Verringerung der Leistungsbeanspruchung der beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherung. Sondern auch in einer ebensolchen Verringerung der Leistungsbeanspruchung der steuerfinanzierten Sozialhilfe, d.h. der Steuerhaushalte der Kommunen. Letztere müssen nur noch einen Teil der Grundsicherung finanzieren. Insgesamt tragen jetzt die Arbeitslosenhaushalte selbst die Hauptlast ihrer Lage.
Von ähnlicher Tragweite wird sich, allerdings erst über einen längeren Zeitraum, die 1994 erfolgte Etablierung der „Gesetzlichen Pflegeversicherung“ erweisen. Deren bislang kaum thematisierte Funktion liegt vor allem darin, wachsende Anteile aus dem mit der Bevölkerungsalterung wachsenden Volumen der Morbidität von der Zuständigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung in die der Gesetzlichen Pflegeversicherung zu verlagern.
Im Unterschied zur überwiegend paritätisch beitragsfinanzierten Gesetzlichen Krankenversicherung mit ihren immer noch hohen Leistungsstandards, die als Vollkaskoversicherung verfasst ist, wird die Gesetzliche Pflegeversicherung von den Sozialversicherungspflichtigen alleine zwar beitragsfinanziert, bietet aber nur dürftige Leistungen und ist als Teilkaskoversicherung angelegt.
Es kann leicht ermessen werden, dass die Gesetzliche Krankenversicherung durch diese Doppelkonstruktion einer getrennten Krankenversicherung einerseits und einer gesonderten Pflegeversicherung andererseits enorme Leistungseinsparungen realisiert [12]. Gleichzeitig werden die Steuerhaushalte der Kommunen von den zuvor hohen Sozialhilfeaufwendungen für Pflegefälle entlastet. Ein erheblicher Teil der bisherigen Aufwendungen der Gesetzlichen Krankenversicherung bzw. der Kommunalen Sozialhilfe sind auf die Privathaushalte verlagert.
Neben den Hartz IV-Gesetzen stellt die Finanzierung eines großen Teils der Sozialkosten des „Anschlusses“ der DDR an die Bundesrepublik Deutschland nicht aus Steuern des Staates, sondern aus Beiträgen der Sozialversicherungen den tiefgreifendsten Umbruch vom Rechts-, Steuer- und Sozialstaat zu einem Abgabenstaat dar. Die Aufbürdung der gesamtgesellschaftlichen enormen Sozialkosten der Zerstörung und des danach nur teilweisen Neuaufbaues der Ökonomie und Infrastruktur in den „Neuen Bundesländern“ gegenüber den Sozialversicherungspflichtigen an Stelle der Steuerpflichtigen zunächst in den „Alten Bundesländern“ überstieg jedes bis dahin gekannte Maß des Missbrauches der Sozialversicherungsbeiträge. Diese ausgreifende Ersetzung von Steuern durch Beiträge hat Peter Bofinger 2005 deutlich herausgestellt. Der DDR-Anschluss musste vorrangig durch die Haushalte der Abhängigen finanziert werden.
Der spätere Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger,
Franz Ruhland, schrieb 1984:
„Mit dem Verlust der Äquivalenz zur Leistung wird der Beitrag zur Sonderabgabe“. [13]
Die Routine gewordene Fiskalpolitik einer Überwältigung der Sozialfonds der Abhängigen mit Ausgaben für Staatszwecke ist praktizierter „Abgabenstaat“. Durch die von ihr provozierte jahrelange Debatte über das Kriterium der „Äquivalenz“ für den Sozialstaat und seine Beiträge und Leistungen verdoppelte diese Fiskalpolitik zudem auch noch den Begriffsschleier und die Illusionskulisse, in einem Wirtschaftssystem, das auf dem Handel mit Arbeitszeit und deren Nutzung beruht, gäbe es die Möglichkeit einer Äquivalenz von Lohnentgelt und Arbeitswert überhaupt – und sei es in der Scheinwelt der „Sekundärverteilung“.
Wucherungen: Verschiebebahnhöfe, Versicherungsfremdleistungen
Die bewusste Praktizierung eines widersprüchlichen Abgabensystems zur verschärften Extraktion der Privathaushalte insbesondere der abhängig Beschäftigten bzw. der von Zuwendungen Abhängigen [14] zeigte sich in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht nur in der „Sozial“-Politik des Merkel-Schäuble-Regimes oder in den politischen Großprojekten und Großreformen der vorherigen Regierungskoalitionen.
Vielmehr spielte sich in den scheinbar „ruhigen“ 1970er und 1980er Jahren eine schleichende Erosion und Zerstörung des vormaligen (west-)deutschen Teilhabekapitalismus ein. Ulrich Busch und Rainer Land sprechen von einer „Evolution kleiner und meist inkrementeller Veränderungen regulierender Institutionen“. Im Verlaufe dieser Entwicklung transformierte sich dabei das tradierte System der Sozialversicherung in ein postmodernes Funktionselement der Abgabenextraktion und überholte dabei das Steuersystem in seinem Zuwachs bei weitem.
Mit dem Begriff „Verschiebebahnhöfe“ wurden dabei die besonders seit den frühen 1980er Jahre in kurzen Zeitabständen aufeinander folgenden Veränderungen und Verschiebungen bezeichnet, die vom Politischen System für die Beitrags- und Leistungsbeziehungen zwischen den Sozialversicherungszweigen untereinander und zwischen den Sozialversicherungen und dem Staatshaushalt gegeneinander vorgeschrieben wurden. Der Ziel- und Endpunkt dieser Vorgaben war jeweils eine Verringerung der Aufwendungen des Steuerhaushaltes für Sozialaufgaben durch Mehr- und Umbelastungen, insbesondere auch durch eine wechselseitige Verbeitragung der Leistungen der Sozialversicherungen untereinander.
Die letztlich durch diese Verschiebebahnhöfe dann eingesparten Steuermittel des Staatshaushaltes wurden bevorzugt unter dem Vorwand der „Kostendämpfung“ [15] bei der Gesetzlichen Krankenversicherung eingespart. Deren Sachleistungen boten vielfältige und günstige Voraussetzungen für erhöhte Selbstbehalte, Zuzahlungen und Leistungsstreichungen.
Fritz Beske erkannte als weiteren wesentlichen Grund für die Fokussierung der Politik der Verschiebebahnhöfe dieser Jahre auf die Gesetzliche Krankenversicherung den Umstand, dass Leistungsverschlechterungen und indirekte oder direkte Beitragserhöhungen bei den Gesetzlichen Krankenkassen im Unterschied zur Gesetzlichen Rentenversicherung oder zur Arbeitslosenversicherung nicht vom Politischen System, sondern von den Selbstverwaltungen der Gesetzlichen Krankenkassen vertreten werden mussten und müssen [16]. Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat in seinem Jahresgutachten 1989 exemplarisch für die Jahre 1981 bis 1987 die mit der Fiskalstrategie der Verschiebebahnhöfe verbundenen Wucherungen der Beziehungen, Wechselbeziehungen und Rückbeziehungen zwischen Bundeshaushalt, Sozialversicherungen, Beitragszahlern und Leistungsempfängern dargestellt [17].
Einige Autoren haben für die Zeit seit den frühen 1980er Jahren, also seit dem „Haushaltbegleitgesetz“ von 1982, die Volumina berechnet, mit denen die Gesetzliche Krankenversicherung, sprich ihre Beitragszahler und Leistungsempfänger durch die Politik der Verschiebebahnhöfe belastet worden sind. Für den Zeitraum 1977 bis 1984 berichten Braun et al. über Studien Dritter, nach denen es sich in diesen Jahren um eine Belastung in Höhe von ca. 7,5 Milliarden Euro gehandelt habe. Für den Zeitraum 1993 bis 1997 seien Belastungen von 20 Milliarden Euro angefallen. Beske et al. haben für die Jahre 1995 bis 2003 eine Belastung der Gesetzlichen Krankenversicherung durch die Politik der Verschiebebahnhöfe in Höhe von ca. 30 Milliarden Euro errechnet.
Diese Fiskalstrategie des Politischen Systems und seine enormen Extraktionseffekte wurden zwar in der sozial- und gesundheitspolitischen Öffentlichkeit bisweilen intensiv diskutiert und kritisiert. Die Kritik fand aber in der steuerpolitischen Diskussion nicht die notwendige Resonanz und blieb daher folgenlos.
Es verwundert nicht, dass das „Erfolgsmodell“ der Verschiebebahnhöfe dann einige Jahre später als Blaupause für die schrittweise Teilprivatisierung der Gesetzlichen Rentenversicherung benutzt wurde. 2002 wurde ein Anspruch der sogenannten Arbeitnehmer auf Ausgliederung eines Teils ihres Lohnes bzw. Gehaltes aus dem steuer- und beitragspflichtigen Entgelt zum Aufbau einer privaten kapitalgedeckten Alterssicherung statuiert. Mittels mehrfacher Verschiebungen wurde dabei letztlich die Gesamtheit der Beitragszahler und Leistungsempfänger der Sozialversicherungen zur Förderung der privaten kapital gedeckten Alterssicherung einer gutverdienenden Minderheit der Arbeitnehmer herangezogen.
Man könnte sagen, dass die jahrzehntelangen Verschiebefahrten in und zwischen den Sozialversicherungen und dem Staatshaushalt zielgenau in der „Riester-Rente“ endeten. Nachdem aber das Politische System mit dem „Gesundheitsmodernisierungsgesetz“ von 2004 – einer nachträglichen Besteuerung und Verbeitragung in diesem Bereich – die Verschiebefahrten wieder aufgenommen hat, ist hiergegen nunmehr eine breite Gegnerschaft unter dem Rubrum der „Direktversicherungsgeschädigten“ entstanden.
Schon ein Vierteljahrhundert früher als in der Gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich bereits 1949, wurde eine anhaltende Politik der Verschiebungen von Beitragssätzen und Versicherungsleistungen zwischen der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung letztlich auch zur Entlastung des für beide Sozialversicherungen zuschusspflichtigen Bundeshaushaltes begonnen. Christine Trampusch bezeichnete diese Politikentwicklung 2009 mit dem Titel „Der erschöpfte Sozialstaat“ [18]. Es hätte wohl eher heißen müssen: „Der vernutzte Sozialstaat“.
Einer gesonderten Untersuchung bedarf in diesem Zusammenhang eine sozusagen „Sozialstaatliche Ursünde“. Nämlich die in der älteren rentenpolitischen Diskussion so bezeichnete „Enteignung“ der Rücklagen der Gesetzlichen Rentenversicherung durch das „Kriegsfolgenänderungsgesetz“ des Jahres 1955.
Größerer Bekanntheit als die absolut intransparente und dicht verwucherte Politik der Verschiebebahnhöfe erfreuen sich die so genannten „Versicherungsfremden Leistungen“. Hierbei handelt es sich um die legislative und administrative Zuweisung von allgemeinen, aus dem Steuerhaushalt zu finanzierenden Aufgaben an die Sozialversicherungsträger und deren Finanzierung aus Beitragsmitteln. Verbunden waren oder sind diese Zuweisungen dann zwar meist mit der Zusage, den dafür entstehenden nicht selten enormen Bedarf an zusätzlichen Beitragsmitteln aus Steuermitteln zu erstatten. Diese Erstattungen bleiben dann aber ganz aus, werden nach einiger Zeit eingestellt, immer wieder gekürzt oder in Darlehen umgewandelt.
Der breiteren Öffentlichkeit sind als solche Versicherungsfremden Leistungen noch die nach Kriegsende erfolgte Übernahme der Vertriebenen und Flüchtlinge in die Gesetzliche Rentenversicherung, die vorzeitige Auszahlung ihrer Rentenbeiträge an rückkehrwillige Gastarbeiter Anfang der 1980er Jahre und vor allem die 2016 dekretierte Finanzierung der Gesundheitskosten der Flüchtlingswelle aus dem Gesundheitsfonds der Gesetzlichen Krankenversicherung in Erinnerung.
Auch weniger Informierten war und ist bekannt, dass die Finanzierung der Sozialkosten des Anschlusses der Deutschen Demokratischen Republik an die Bundesrepublik Deutschland seit 1990 einschließlich der jüngsten Anpassung der sogenannten Ost- an die West-Renten ab 2018 weit überwiegend aus den Sozialversicherungen, insbesondere aus der Gesetzlichen Rentenversicherung erfolgte und erfolgt.
Eher nur für Eingeweihte ist hingegen transparent, wie beginnend mit dem Jahr 1977 unter dem Vorwand von „Kostendämpfung“ die Betriebsmittel, Rücklagen und Verwaltungsvermögen der Gesetzlichen Krankenkassen gekürzt wurden. 1992 wurde das Spiel fortgesetzt: Mit der Eliminierung der regionalen autonomen Gesetzlichen Krankenkassen waren die Voraussetzungen für den 2009 eingerichteten Gesundheitsfonds geschaffen worden.
Dieser Gesundheitsfonds fungiert mittlerweile als regelrechte Reservekasse des
Bundeshaushaltes. Ihm waren hohe Milliardenbeträge als Zuschuss zu den Versicherungsfremdleistungen der Gesetzlichen Krankenkassen zugesagt worden. Diese Zuschüsse sind inzwischen drastisch abgesenkt worden. Ähnlich könnte es in Zukunft dem 2014 eingerichteten Pflegevorsorgefonds der Gesetzlichen Pflegeversicherung ergehen.
Einen Höhepunkt der Politik der Versicherungsfremden Leistungen, sprich der Ersetzung von Steuermitteln durch Beitragsmittel stellen die Hartz IV-Regelungen dar. Die Empfänger von Hartz IV-Leistungen sind seit 2005 in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Allerdings sind die aus dem Bundeshaushalt hierfür bezahlten Beitragszuschüsse wesentlich niedriger als die tatsächlich anfallenden Leistungsausgaben. Die Beitragszahler der Gesetzlichen Krankenkassen werden dadurch mit jährlich 4 bis 5 Milliarden Euro Mehrkosten belastet.
Die jüngste, für die Gesetzliche Rentenversicherung und ihre Beitragszahler und Leistungsempfänger hochbelastende Verlagerung einer sozialen Verbesserung, die eigentlich aus Steuermitteln finanziert werden müsste, ist die Übertragung der Finanzierungspflicht für die „Mütterrente“ auf die Gesetzliche Rentenversicherung.
Verschiedene Autoren haben die Volumina der Versicherungsfremden Leistungen, die allen Sozialversicherungszweigen zusammen vom Politischen System auferlegt worden sind, für ausgewählte Jahre berechnet. Sie kommen für das Jahr 1992 auf ca. 51 Milliarden und für 1998 auf etwa 77 Milliarden Euro [19]. Für 2002 werden gar Versicherungsfremde Leistungen der Sozialversicherungszweige in Höhe von ca. 84 Milliarden Euro angegeben [20].
Doch damit nicht genug: Werner Sesselmeier und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung errechnen für 2003 bis zu 90 Milliarden Euro. Bernd Raffelhüschen und Stefan Moog für 2009 reichlich 114 Milliarden Euro [21]. Die legendäre Teufel-Tabelle der jährlichen Versicherungsfremdleistungen der Gesetzlichen Rentenversicherung kommt für den Zeitraum 1957 bis 2015 auf Versicherungsfremdleistungen allein der Gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 748 Milliarden Euro [22].
Moralkeule: Solidarische Umverteilung
Die jahrzehntelang praktizierte Instrumentalisierung der Sozialsicherung als weniger merkliche und verdeckte zusätzliche Form ausgreifender Steuererhebung wurde in
den letzten Jahren endlich doch von Teilen der politischen und fachlichen Öffentlichkeit als solche erkannt. Auch das von Sozialdemokraten, Gewerkschaften, Sozialverbänden und Sozialversicherungsträgern stets als Monstranz hochgehaltene „Solidarprinzip“ der Sozialversicherung wird nicht mehr unhinterfragt geglaubt. Kritisiert wird vielmehr, dass das Politische System versuche, insbesondere Versicherungsfremde Leistungen, aber auch Verschiebebahnhöfe als Erfüllungen, Erfordernisse oder Ergebnisse des Solidarprinzips zu legitimieren.
Peinlich für den sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen und den links-alternativen Reformsektor des deutschen Politikspektrums ist dabei, dass er selbst infolge seiner Sozialstaatsgläubigkeit zu einer Fundamentalanalyse und Fundamentalkritik des neoliberal-autoritären Abgabenstaats und seiner postmodernen Fiskalstrategie nicht fähig war und ist. Dabei muss neben den Verschiebebahnhöfen und den Versicherungsfremden Leistungen mit ihren Beanspruchungen der Sozialbeiträge als Ersatz für Steuererhebungen die angeblich „solidarische“ Umverteilung innerhalb der Sozialversicherungen als drittes zentrales Element postmoderner Fiskalstrategie gelten.
Für diese solidarische Umverteilung gilt, dass sie zwar in der Gesetzlichen Krankenversicherung tatsächlich für einkommensabhängig unterschiedlich hohe Beitragszahlungen grundsätzlich gleichwertige Gesundheitsleistungen sichert. In vielen anderen Funktionsbereichen der verschiedenen Sozialversicherungszweige beinhaltet die angeblich „solidarische“ Versicherung aber offenkundige Begünstigungen von Gut- und Besserverdienern zu Lasten von Niedrig- und Geringverdienern.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Begünstigungen im Sozialversicherungssystem von Gut- und Besserverdienern dazu beitragen, auch für eine gegenüber den Sozialversicherungszweigen insgesamt praktizierte Politik der Verschiebebahnhöfe und der Versicherungsfremden Leistungen loyale „Basis“ zu schaffen
Die sogenannte solidarische Umverteilung innerhalb des Sozialversicherungssystems ist zunächst dadurch charakterisiert, dass sie einen erheblichen Teil der Gut- und Besserverdienenden durch die gezogene Beitragsbemessungsgrenze mit ihren darüberliegenden Einkommensanteilen von einer Beitragsbelastung freistellt. Während es für Niedrig- und Geringverdienende umgekehrt keine Beitragsfreigrenzen für die im Bereich des Existenzminimums liegenden Einkommensanteile gibt. Dazu kommt, dass die seit 2010 mögliche steuerliche Absetzung der Beiträge zur Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nur bei Steuerpflichtigen greift, die ausreichend hohe Einkommen haben, um überhaupt steuerpflichtig zu sein.
Nachdem der Reformsektor des deutschen Politikspektrums zu solchen Betrachtungen in einem grundsätzlichen Rahmen nicht fähig war und ist, blieb es dem als Lobbyisten der Versicherungskonzerne beargwöhnten Bernd Raffelhüschen vorbehalten, 2011 für das Sozialversicherungssystem insgesamt die von ihm so bezeichneten „versicherungsfremden Umverteilungen“ – wie etwa die beitragsfreie Mitversicherung der Familienangehörigen in der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung – zusammen zu stellen.
Ebenso blieb es den Autoren Kornelia van der Beek und Christian Weber vom Wissenschaftlichen Institut der Privaten Krankenversicherung vorbehalten, bereits 2008 darauf hinzuweisen [23], dass die solidarische beitragsfreie Familienversicherung letztlich eine Teilmaßnahme des gesamtgesellschaftlichen Familienlastenausgleichs ist, der allerdings an Stelle von Steuermitteln aus Beitragsmitteln finanziert wird. Die beitragsfreie Familienversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung könnte also auch mit Fug und Recht als fehldeklarierte Versicherungsfremde Leistung bezeichnet werden.
Bei dieser beitragsfreien Familienversicherung kommt noch hinzu, dass bei ihr einkommens- und mitgliederstärkere Beitragszahlerhaushalte begünstigt und einkommens- und mitgliederschwächere Beitragszahlerhaushalte benachteiligt werden. Die beitragsfreie Familienversicherung fügt sich damit nahtlos in die einkommenssteuerliche Familienförderung ein, bei der auch die einkommensstärkeren Haushalte von den Freibeträgen stärker profitieren.
Wiewohl auch die Beschäftigungsförderung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, wurde auch diese insbesondere durch die Instrumentalisierung der beitragsfreien
Familienversicherung, also der solidarischen Umverteilung, teilweise in die Gesetzliche Krankenversicherung abgewälzt. Der vor allem durch die sozialdemokratisch-grünalternative Koalition forcierte Aufbau eines Niedriglohnsektors in Deutschland wurde u.a. dadurch gefördert, dass die geringfügigen „Minijobs“, die nach der sogenannten Wiedervereinigung in den westlichen Bundesländern stark zunahmen, für die Beschäftigten beitragsfrei gestellt wurden. Einerseits wurde hierbei die häufig bestehende Familienversicherung einkalkuliert, andererseits wurden durch Substitution von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs durch sozialversicherungsfreie Teilzeitjobs die Finanzierungsgrundlagen auch der Gesetzlichen Krankenversicherung beeinträchtigt.
Festzuhalten bleibt, dass die Fiskalstrategie der Verschiebebahnhöfe, der Versicherungsfremden Leistungen sowie auch weite Bereiche der sogenannten solidarischen Umverteilung hauptsächliche Faktoren der Transformation des tradierten Rechts-, Steuer- und Sozialstaates in einen postmodernen „Abgabenstaat“ sind.
[1] Ullmann, Hans-Peter: Aufstieg und Krise des deutschen Steuerstaates, in: Aus Politik und Zeitgeschichte,
Bonn 2013.
[2] Goeschel, Albrecht: Mehrwert-Steuer: Das Geld des Volkes? Erscheint in der September-Ausgabe der Vierteljahresschrift TUMULT.
[3] Hartwich, Hans-Hermann: Sozialstaatspostulat und gesellschaftlicher status quo, Köln und Opladen 1970.
[4] Mayer – Ahuja et al.: Teilhabe im Umbruch – Zur sozioökonomischen Entwicklung Deutschlands In: Forschungsverbund Sozioökonomische Berichterstattung. (Hrsg.): Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland – Zweiter Bericht, Wiesbaden 2012, S. 15-39.
[5]
[6] Bofinger, Peter: Wir sind besser als wir glauben – Wohlstand für alle, München 2005.
[7] Mackscheidt, Klaus: Über die Belastbarkeit mit Sozialversicherungsbeiträgen aus der Sicht der Steuerwiderstandsforschung, in: Schmähl, Winfried. (Hrsg.): Versicherungsprinzip und soziale Sicherung, Tübingen 1985, S. 27-54.
[8] Leibfritz, Willi; Parsche, Rüdiger: Für eine bessere Integration von Steuer- und Sozialsystem, in: Ifo – Schnelldienst 12 / 1989, S. 3-13.
[9] Schlee, Harald: Einkomensteuerliche Behandlung von Transferzahlungen: Zur Neuordnung der Familienbesteuerung sowie der Besteuerung von Versicherungsleistungen und Sozialtransfers, Frankfurt am Main, Berlin, Bern New York, Paris, Wien 1994.
[10] Löffler et al.: Effizient, einfach und gerecht: Ein integriertes System zur Reform von Einkommensteuer und Sozialabgaben. (Hrsg.): Forschungsinstitut Zukunft der Arbeit, IZA Standpunkt Nr. 49, Bonn 2012.
[11] Siehe Hassel Anke; Schiller Chrisztof: Der Fall Hartz IV, Frankfurt New York 2010.
[12] Zander, Thomas: Pflegeversicherung und Pflegeversorgung: Entsteht hier die Gesundheitliche Grundsicherung der Zukunft? In: Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen. (Hrsg.): Pflege-Armut: Folge der Pflege-, Gesundheits- und Grundsicherungsreformen? Düsseldorf 2012, S. 51-70.
[13] Ruhland, Franz: Notwendigkeit und Grenzen einer Reform der Finanzierung der Sozialversicherung, in:
Deutsche Renten Versicherung, Frankfurt am Main Januar 1985, S. 1-34.
[14] Bach et al.: Wer trägt die Steuerlast in Deutschland? Steuerbelastung nur schwach progressiv, in: DIW Wochenbericht 51 u. 52 / 2016, S. 1207-1216; Döhrn et al.: Steuer- und Abgabenlast in Deutschland – Eine Analyse auf Makro- und Mikroebene. (Hrsg.): RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen 2017.
[15] Braun et al.: Das Märchen von der Kostenexplosion, Frankfurt am Main 1998.
[16] Beske, Fritz: Ohne Staatszugriff genug Geld in den Kassen: Verschiebebahnhof und versicherungsfremde Leistungen als Ursache für die Finanzkrise der Krankenversicherung, in: Sozialverband VdK Bayern (Hrsg.): Mit weniger Kassen zu besseren Leistungen? Anforderungen an eine zukunftsfähige Krankenkassenorganisation, München 2003, S. 20 – 26.
[17] Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (Hrsg.): Qualität, Wirtschaftlichkeit und Perspektiven der Gesundheitsversorgung. Jahresgutachten 1989, Baden – Baden 1989.
[18] Trampusch, Christine: Der erschöpfte Sozialstaat. Transformation eines Politikfeldes, Frankfurt, New York 2009.
[19] Schmähl, Winfried: Aufgabenadäquate Finanzierung der Sozialversicherung durch Beiträge und Steuern – Begründungen und Wirkungen eines Abbaus der „Fehlfinanzierung“ in Deutschland. (Hrsg.): Zentrum für Sozialpolitik Universität Bremen, ZeS Arbeitspapiere Nrt. 5 / 2006.
[20] Meinhard, Volker; Zwiener, Rudolf: Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen in der Sozialversicherung. (Hrsg.): Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin 2005.
[21] Raffelhüschen, Bernd; Moog, Stefan: Die versteckte Umverteilung: Fehlfinanzierung der Deutschen Sozialversicherung. (Hrsg.): Forschungszentrum Generationenverträge 2011.
[22] Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V. (Hrsg.): Jährliche versicherungsfremde Leistungen seit 1957 (Teufel-Tabelle), Eichenau o.J.
[23] Van der Beek, Kornelia; Weber, Christian: Solidarität in der GKV – Was leistet die beitragsfreie Familienversicherung? (Hrsg.): Wissenschaftliches Institut der PKV, Köln 2008.
Originalquelle: Makroskop (Hier der Link zum Dossier „Markt und Staat neu denken“)