Die DDR kostete es natürlich weidlich aus. Und die BRD war baff erstaunt und gewissermaßen Neese: Der erste Deutsche im Weltall war ein Kosmonaut aus der DDR! Sigmund „Jähn flog am 26. August 1978 in der sowjetischen Raumkapsel Sojus 31 zusammen mit Kosmonautenkollege Waleri Fjodorowitsch Bykowski zur sowjetischen Raumstation Saljut 6. Der Flug dauerte 7 Tage, 20 Stunden, 49 Minuten und 4 Sekunden“ (Quelle: Wikipedia). In Halle an der Saale möchte man sich jetzt des guten Namens von Sigmund Jähn entledigen. Das alte Raumflug-Planetarium trug dem Kosmonauten zu Ehren dessen Namen. Das neue soll ihn nicht bekommen. Mehr als eine Nickligkeit.
Die DDR machte mit stolz geschwellter Brust ordentlich Politik mit dem Ereignis und der Person Sigmund Jähn. Nachdem Jähn wieder zurück auf der Erde und in der DDR war, reichte man ihn überall in der Republik herum. Und die Leute jubelten ihm ehrlich und von Herzen von den Straßenrändern her zu. Sigmund Jähn freute sich an den ihm zufliegenden Herzen der DDR-Bürger. Aber ihm war auch anzusehen, dass ihm der ganze Trubel um seine Person eine Nummer zu groß erschien. Ein eher bescheidener Mensch blieb er bis zu seinem Tode im Jahre 2019.
Das Raumflug-Planetarium auf der Peißnitzinsel in Halle (Saale), errichtet vom damaligen international tätigen VEB Carl Zeiss Jena, wurde am 10. November 1978 eröffnet. Zu Ehren des Fliegerkosmonauten Sigmund Jähn erhielt das Planetarium dessen Namen.

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Von Bundesarchiv, Bild 183-1988-1201-014 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de,
„Als Planetariumsprojektor wurde Spacemaster DP2 von den Carl-Zeiss-Werken in Jena eingesetzt, als erster seiner Art war dieser manuell und auch vollautomatisch steuerbar.1 Das Planetarium hatte außerdem eine Sternwarte, ausgestattet mit einem Coudé-Refraktor, der aus der Astronomischen Station Johannes Kepler aus Halle-Kanena übernommen wurde.“ (Quelle: Wikipedia)
Ich kenne dieses Planetarium. Denn ich bin Hallenser. Staunend saß ich damals in dem modernen Planetarium und verfolgte den Sternenhimmel über Halle und andere Konstellationen, die alle programmiert und automatisch sichtbar gemacht werden konnten. Das Aus für dieses Planetariums kam nach Hochwasserschäden. Die Saale fließt unweit dieser Einrichtung.
Heute nun – bei meiner obligatorischen Lektüre der NachDenkSeiten – stieß ich auf den Beitrag Sigmund Jähns Namen soll verschwinden, weil er DDR-Bürger war von Frank Blenz. Ich fiel fast aus meinem Sessel, als ich Folgendes las:
In Deutschland soll ein Planetarium nicht weiter den Namen des ersten Deutschen im Weltraum tragen dürfen: „Sigmund Jähn“. Es sind politische Gründe, entlarven sich die Akteure der Kampagne gegen Jähn in der anhaltinischen Stadt Halle. Der Kosmonaut war DDR-Bürger, allein deshalb gebühre ihm keine Ehre, wird allen Ernstes öffentlich ausgeführt. Ein Vorgang, ein Ansinnen, das Kopfschütteln hervorruft. Auch im Vogtland. Sigmund Jähn ist gebürtiger Vogtländer.
Und weiter:
Sigmund Jähn ist eine deutsche Berühmtheit, eine gesamtdeutsche Persönlichkeit, gerade weil deren Biografie ihren Anfang im Osten des einst geteilten Landes nahm und auch im vereinten Land anerkannt wird. Doch nun? Sigmund Jähn war der erste Deutsche im Weltraum (Kosmonaut genannt im Osten, Astronaut im Westen). Jähn stammt aus dem Vogtland – der aus derselben Gegend stammende Autor Frank Blenz ist stolz darauf. In Jähns Geburtsort Morgenröte-Rautenkranz, einer der schönsten, Winter kältesten, romantischsten Waldgemeinden des ganzen Landes, gibt es eine überaus populäre Einrichtung, das Weltraummuseum, die den Namen und das Wirken des Kosmonauten Jähn mit vielen Exponaten ehrt und würdigt. Ganz anderes Verhalten trägt sich gerade im ebenfalls ostdeutschen Halle an der Saale zu. Das hat die Berliner Zeitung „Junge Welt“ veröffentlicht. Der Vorgang von Halle wird so beschrieben:
Noch 2021 soll das neue Planetarium am Holzplatz in Halle an der Saale eröffnet werden. Das alte, in der DDR erbaute Raumflugplanetarium auf der Peißnitzinsel, das seit 1978 und auch nach 1990 den Beinamen »Sigmund Jähn« trug, musste abgerissen werden. Hochwasserschäden, zuletzt 2013, zwangen zur Aufgabe des Standortes. Das neue Planetarium soll nun, geht es nach dem Willen der CDU im Stadtrat, keinen Beinamen erhalten – auf keinen Fall aber den des DDR-Kosmonauten. Darüber ist in Halle ein Streit entbrannt, der seit Wochen andauert.
Im Vogtland ruft dieses Treiben Kopfschütteln hervor. Gut, man könnte gelassen reagieren, ginge es doch „nur“ um den Namen eines Raumflug-Planetariums. Das könnte „Zu den Sternen“ genannt werden oder den fetzigen englischen Titel „Fantastic Look to Sky“ erhalten. Doch es ist nicht nur ein Name. Es geht um den Erhalt, denn der Name steht seit der Eröffnung des Planetariums über dessen Eingang. Und es geht um den Namen Jähn, dessen Ehrung ein Versprechen ist zu vereinen. In Sachen Sensibilität für die Ostdeutschen und der Wertschätzung ob ihrer Lebensleistungen, ihren Biografien in der DDR passt sich die Aktivität in Sachsen-Anhalt in die vielen Beispiele der Geringschätzung von Menschen, die aus dem Land im Osten stammen, ein. Atemlos liest man weiter:
Die Tageszeitung „junge Welt“ schreibt:
Um den Wert, selbst den sachlichen und den über Jahren anerkannten Respekt um die eigene Position zu rechtfertigen, behauptete die CDU-Stadträtin Ulrike Wünscher, Sigmund Jähn habe seine Leistungen nur vollbringen können, weil er systemkonform gewesen sei. Ende 2020 meldete sich die sachsen-anhaltische »Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur«, Birgit Neumann-Becker (CDU), zu Wort. Der Beiname »Sigmund Jähn« ginge nicht, denn Jähn sei als »Auskunftsquelle« des MfS genutzt worden (aber auch Gegenstand von Beobachtung durch das MfS gewesen). Und er »gehörte zu denen, die die Diktatur in der DDR repräsentierten und das System bis zum Schluss stützten«. Sie sorge sich, dass 30 Jahre nach der deutschen Einheit die SED- und NVA-Karriere von Sigmund Jähn einfach mal so weggelassen würde.
Die Vertreter des Vereins »Zeitgeschichte(n) e. V.« in Halle, die die CDU-Stadtratsfraktion um eine »Stellungnahme« gebeten hatte, wiederholten den »Stasi«-Vorwurf, gingen aber noch weiter: »Unbestreitbar zeigt der Lebenslauf, dass Sigmund Jähn nicht nur ›systemnah‹, sondern Teil des Unterdrückungssystems der DDR war, das er bereitwillig repräsentierte und dem er bis zum Schluss verbunden war. Bei aller Anerkennung für seine Leistung im All und Sympathie für den als zurückhaltend und bescheiden beschriebenen Menschen: Hier auf der Erde macht ihn das nicht zum Helden. Davon zeugen die Stationen vom Buchdrucker, Pionierleiter, Parteigruppenorganisator, Mitglied der SED-Parteileitung, Jagdflieger der NVA, Studium in Moskau mit Abschluss‚ Diplommilitärwissenschaftler, Kosmonaut und Aufstieg in der NVA bis zum Generalmajor.« Jähn hatte also nicht nur die falsche politische Überzeugung, sondern hat auch noch ein falsches Leben in der DDR gelebt. Wie dumm ist das?
Es ist nicht nur dumm, es ist arrogant. Sollte es 2021 nicht endlich heißen: Einiges Deutschland heißt humanistisches, versöhnliches politisches Handeln, Spaltung vermeiden, versöhnen, einig sein? Man muss sich vorstellen, dieser Namensstreit geschieht aktuell in einem Stadtrat, in einer Stadt im Osten. Die Fraktion, die um die Namenstilgung kämpft, ist Teil der Bürgervertretung, die – so wird gern im Kommunalen geredet – über Parteieninteressen und Gezänk nah am Menschen entscheidet. Doch hier? Wo bleibt die Empathie, die Toleranz und vielleicht gar etwas Charme und Gelassenheit öffentlicher Personen, die Verantwortung tragen und weise und edel handeln sollen? Das Nah-am-Bürger-Sein wohnt dem Ansatz kommunalen Handelns doch inne. Aber was ist das, wenn eine Stadträtin so agiert, wenn wütende Vereinsaktivisten so agieren, wenn Aufarbeitungsbeauftragte so agieren, indem sie mit der Streichung eines berühmten Namens genau das Gegenteil beabsichtigen? Es ist so: Bürger in Ostdeutschland erleben bis heute, dass ihre Herkunft negatives Handeln und Denken hervorrufen, dass ihre Geschichten auf dem Prüfstand stehen und dass dies meist vonseiten von Mitbürgern, von Mandatsträgern, von Autoren, von Entscheidungsbefugten (von Ostdeutschen und von Westdeutschen) angeschoben wird, die sich mit ihrem Tun als bessere Bundesbürger gerieren.
Und da ist ein DDR-Bürger, der dies nicht mehr erlebt, er heißt Sigmund Jähn, um ihn dreht sich die Hatz und Hetze, er ist 2019 gestorben. Er liest auch nicht mehr folgende Zeilen:
Jähns Weg war der eines Arbeiterjungen, der sich für den Sozialismus und die DDR entschieden hatte. Für die CDU ein unverzeihlicher Makel. Nach 1990 war er unter anderem als Berater des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt und der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA tätig. Seine bundesdeutschen Raumfahrtkollegen und viele aus anderen europäischen Staaten sprechen noch heute mit Hochachtung über ihn, hat er doch nicht wenige von ihnen nach 1990 ins Sternenstädtchen bei Moskau und bei ihrer Ausbildung vor dem Flug zur »Mir«-Station bzw. zur Internationalen Raumstation ISS begleitet. Der Deutschlandfunk nannte ihn 2018 einen »Superstar«.
In der vergangenen Woche fand der gemeinsame Antrag der drei Fraktionen SPD, Die Linke, »MitBürger & Die PARTEI« in der Sitzung des Kulturausschusses zur Benennung des neuen Planetariums nach Jähn keine Mehrheit. Die Benennung nach Jähn, so der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Eric Eigendorf, entspräche allerdings »auch den Rückmeldungen aus der Bürgerschaft«. Die abschließende Beschlussfassung im Stadtrat von Halle steht noch aus.
Die Geschichte ist nicht auserzählt. Es ist nur ein Planetarium, könnte man sagen. Doch es ist mehr.
(…) Es war das größte Schul-Planetarium in der DDR. (…)Mit dem Namen Jähn. Inzwischen gibt es ein neues Planetarium, es soll wieder eröffnet werden, doch es wird gegen den alten Namen Jähn getobt …
Man darf gespannt sein, wie die Beschlussfassung des Stadtrates von Halle ausfällt. Aus dem Vogtland kommt die innige Bitte und Forderung: Das Planetarium trägt den Namen Sigmund Jähn und das soll auch so bleiben. Und übrigens: Der erste Deutsche im All, Sigmund Jähn (1978 für die DDR), und der zweite Deutsche im All, Ulf Dietrich Merbold (1983 für die BRD), sind beide? Ja, Vogtländer.
In „junge Welt“ heißt es (Autorin Nina Hager) unter dem Titel: „Halle, wir haben ein Problem
An der Saale versuchen sich die CDU und ihr Anhang einmal mehr an der Austreibung der DDR“
„Noch 2021 soll das neue Planetarium am Holzplatz in Halle an der Saale eröffnet werden. Das alte, in der DDR erbaute Raumflugplanetarium auf der Peißnitzinsel, das seit 1978 und auch nach 1990 den Beinamen »Sigmund Jähn« trug, musste abgerissen werden. Hochwasserschäden, zuletzt 2013, zwangen zur Aufgabe des Standortes. Das neue Planetarium soll nun, geht es nach dem Willen der CDU im Stadtrat, keinen Beinamen erhalten – auf keinen Fall aber den des DDR-Kosmonauten. Darüber ist in Halle ein Streit entbrannt, der seit Wochen andauert.
Um die eigene Position zu rechtfertigen, behauptete die CDU-Stadträtin Ulrike Wünscher, Sigmund Jähn habe seine Leistungen nur vollbringen können, weil er systemkonform gewesen sei. Ende 2020 meldete sich die sachsen-anhaltische »Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur«, Birgit Neumann-Becker (CDU), zu Wort. Der Beiname »Sigmund Jähn« ginge nicht, denn Jähn sei als »Auskunftsquelle« des MfS genutzt worden (aber auch Gegenstand von Beobachtung durch das MfS gewesen). Und er »gehörte zu denen, die die Diktatur in der DDR repräsentierten und das System bis zum Schluss stützten«. Sie sorge sich, dass 30 Jahre nach der deutschen Einheit die SED- und NVA-Karriere von Sigmund Jähn einfach mal so weggelassen würde.
Die Vertreter des Vereins »Zeitgeschichte(n) e. V.« in Halle, die die CDU-Stadtratsfraktion um eine »Stellungnahme« gebeten hatte, wiederholten den »Stasi«-Vorwurf, gingen aber noch weiter: »Unbestreitbar zeigt der Lebenslauf, dass Sigmund Jähn nicht nur ›systemnah‹, sondern Teil des Unterdrückungssystems der DDR war, das er bereitwillig repräsentierte und dem er bis zum Schluss verbunden war. Bei aller Anerkennung für seine Leistung im All und Sympathie für den als zurückhaltend und bescheiden beschriebenen Menschen: Hier auf der Erde macht ihn das nicht zum Helden. Davon zeugen die Stationen vom Buchdrucker, Pionierleiter, Parteigruppenorganisator, Mitglied der SED-Parteileitung, Jagdflieger der NVA, Studium in Moskau mit Abschluss‚ Diplommilitärwissenschaftler, Kosmonaut und Aufstieg in der NVA bis zum Generalmajor.« Jähn hatte also nicht nur die falsche politische Überzeugung, sondern hat auch noch ein falsches Leben in der DDR gelebt. Wie dumm ist das?
Jähns Weg war der eines Arbeiterjungen, der sich für den Sozialismus und die DDR entschieden hatte. Für die CDU ein unverzeihlicher Makel. Nach 1990 war er unter anderem als Berater des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt und der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA tätig. Seine bundesdeutschen Raumfahrtkollegen und viele aus anderen europäischen Staaten sprechen noch heute mit Hochachtung über ihn, hat er doch nicht wenige von ihnen nach 1990 ins Sternenstädtchen bei Moskau und bei ihrer Ausbildung vor dem Flug zur »Mir«-Station bzw. zur Internationalen Raumstation ISS begleitet. Der Deutschlandfunk nannte ihn 2018 einen »Superstar«.
In der vergangenen Woche fand der gemeinsame Antrag der drei Fraktionen SPD, Die Linke, »MitBürger & Die PARTEI« in der Sitzung des Kulturausschusses zur Benennung des neuen Planetariums nach Jähn keine Mehrheit. Die Benennung nach Jähn, so der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Eric Eigendorf, entspräche allerdings »auch den Rückmeldungen aus der Bürgerschaft«. Die abschließende Beschlussfassung im Stadtrat von Halle steht noch aus.“
Anmerkung meinerseits: Ich, als geborener Hallenser und ehemaliger Bürger der Stadt Halle bin ziemlich empört über diesen Vorgang. Der ja mehr ist als nur eine Provinzposse. Nämlich eine skandalöse Peinlichkeit. Wirkt da gar mit der Ausradierung des Namens Sigmund Jähn gar ein Ausspruch des früheren Justizminister Klaus Kinkel nach, der vor allem mit jenem denkwürdigen Satz auf dem 15. Deutschen Richtertag in Erinnerung bleibt, auf dem er 1991 die Versammelten aufrief, auch mit Hilfe des Strafrechts “das SED-Regime zu delegitimieren”.
Ich hoffe sehr, der Stadtrat besinnt sich doch noch eines Besseren. Heute schrieb ich einen mir bekannten Stadtrat an, der für die FDP im Rat der Stadt Halle sitzt und kulturpolitischer Sprecher seiner Partei ist, und fragte ihn, wie sich denn die Freien Demokraten zu dieser Angelegenheiten verhielten. Er antwortete:
„Ich habe mich im Ausschuss für den Kompromissvorschlag entschieden und gestimmt. Ein neutraler Name Planetarium Halle Saale. Damit die Eröffnung nicht zerredet wird. Zeitig genug muss die Eröffnung beworben werden. Wir hatten einen eigenen Antrag gestellt, die Namensrechte zu vergeben, um damit soziale Kosten für Kinderbetreuung zu finanzieren.“
Ein mir ebenfalls bekannter Hallenser, der als „Drehorgel-Rolf“ in einigen Weltgegenden bekannte Rolf Becker kommentierte einen Post von mir auf Facebook so:
„90% aller Hallenser haben für Jähn gestimmt – lediglich 5 Wessivasallen u. eine überbezahlte”Stasi Trulla” aus dem verfeindeten Magdeburg stimmen gegen uns !!! Wer hat hier das Sagen ??!!“
Titelbild: Boris via Shutterstock des