Eine weiteres hoch beachtetes Referat auf der IALANA-Medientagung am vergangenen Wochenende in Kassel hielt der Diplom-Journalist, Medienwissenschaftler und Autor („Meinungsmacht“), Dr. Uwe Krüger (Universität Leipzig). Sein Thema: „Woran man Propaganda erkennt.“
Mit den zehn „Prinzipien der Kriegspropaganda“ nach Lord Arthur Ponsonby, dem britischen Politiker und Diplomaten stieg Krüger sofort harte ein:
- Wir wollen den Krieg nicht.
- Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung.
- Der Führer des Gegners ist ein Teufel.
- Wir kämpfen für eine gute Sache.
- Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen.
- Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich.
- Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm.
- Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache.
- Unsere Mission ist heilig.
- Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter.
Uwe Krüger: Propaganda ist häufig ein reiner Kampfbegriff
Angelehnt an den Friedensforscher Johan Galtung merkte Krüger an, dass Frieden ja nicht allein die Abwesenheit von personeller Gewalt, sondern auch jene von struktureller Gewalt ohne explizite Kriegshandlungen – gemeint ist Propaganda, die es auch dazu brauche – sei.
Propaganda, so Uwe Krüger, würde „häufig als reiner Kampfbegriff“, als „polemischer Begriff, verwendet. Als aktuelles Beispiel führte der Referent die Reaktion neulich in der Bildzeitung auf den Tatort /(„Die Faust“) aus Wien, der die westliche Unterstützung für Opposition in der Ukraine (Stichwort: Farbrevolutionen), in damaligen Jugoslawien und anderen Ländern thematisierte und wo auch eine Verbindung zur CIA hergestellt wurde. Bild dazu: „Wie viel Russenpropaganda steckt im Tatort?“
Auf was geht also das Wort Propaganda zurück?
Krüger ging dazu an die Wurzel und ins Herkunftswörterbuch. Dort finde man das Wort „propagare“, was nichts anderes als verbreiten, ausdehnen oder fortpflanzen heiße.
Später im Ersten Weltkrieg sei Propaganda zur „Herrschaftstechnik“ geworden. Und Edward Bernays, der „Vater der Public Relations“, habe im Folgenden auch die Produktwerbung befeuert und festgestellt, ob man nun eine Waschmaschine oder einen Krieg verkaufen wolle sei egal und letztlich dasselbe. Durch die Nazis habe der Begriff einen äußerst negativ konnotierte Bedeutung bekommen. Heute gehe man halt davon aus, dass es in liberalen Demokratien keine Propaganda, sondern höchstens Public Relations gebe. Selbst in der Kommunikationswissenschaft sei der Begriff Propaganda nahezu verschwunden, bzw. habe diesen, kritischer ausgedrückt, „marginalisiert“.
Propaganda muss wieder Thema universitäre Studien werden
Florian Zollmann, der eine Doktorarbeit über sogenannte „humanitäre Einsetze und wie sie in bestimmten Medien dargestellt werden, geschrieben hat, sei inzwischen jemand, der sich wieder dafür einsetze, dass der Begriff „Propaganda“ wieder Thema von universitären Studien werden möge. Uwe Krüger zitierte Zollmann: „Das Verschwinden der Propaganda aus der Studien über liberale Demokratien und ihren Nachrichten, Medien und Kommunikationssystemen stellt selbst einen Triumph der Propaganda dar.“
Propaganda, erfuhren die TagungsteilnehmerInnen, kann viele Gesichter haben
Da werden bestimmten Rahmungen („Frames“) zu Ereignissen und Personen, oder deren Dämonisierung (etwa gegnerischer Staatschefs oder von Positionen im eignen Land) benutzt oder bestimmte Hintergründe unerwähnt gelassen oder in ein gänzlich anderes Licht gerückt und so weiter. Fakten oder Statements würden durch deren Platzierung in den Medien heruntergespielt. „Es werden Etiketten verteilt, die nicht zur Faktenlage passen“, etwa „Hitler-Vergleiche“, die unpassend sind.
„Oder, dass man Gräueltaten unserer Gegner betont oder übertreibt. Auch bei unsicherer Faktenlage.“ Dazu: „Wir erwarten unkritische Akzeptanz von bestimmten Prämissen, wenn es um uns und unsere Freunde geht – etwa, dass wir Frieden und Demokratie wollen, Terrorismus bekämpfen und die Wahrheit sagen – Prämissen, die bei Feindstaaten nicht angenommen werden.“
Andersherum jedoch, „wenn dasselbe von uns oder unseren Freunden ausgeht, das also da das genaue Gegenteil passiert“. Dies heruntergespielt werde.
Doppelte Standards. Zweierlei Maß
Uwe Krüger ging auf das Propagandamodell des US-amerikanischen Sprachwissenschaftlers Noam Chomsky und des Ökonomen Edward Herman ein.
„Ihre wichtigste These“, meinte Krüger, „lautet, dass die Medien nicht alle Opfer von staatlicher Repression und Gewalt gleichbehandeln“. Wenn also „Gewalt ausgeht von den USA und ihren Vasallenstaaten, dann sind die Opfer dieser Gewalt wertlos in dem Sinne, dass sie nicht betont werden, sie heruntergespielt werden oder eben nur kurz erwähnt werden. Während, wenn die eigenen Feinde sozusagen Gräueltaten begehen und Gewalt ausüben, dann sind die Opfer dieser Gewalt wertvoll für unsere Sache und sie werden prominent platziert.“ So werde Mitleid und Empörung hervorgerufen. Es werde westlicherseits behauptet: „Wir sagen immer die Wahrheit. Wir sind für prinzipiell für Frieden und Demokratie.“ Während das bei unseren Gegner erst mal überhaupt nicht angenommen werde. Sondern zunächst , „das Böseste unterstellt“ wird.
Beispiel betreffs Bombardierungen etwa von Krankenhäusern in Syrien durch russische Flugzeuge und Bombardierungen von Krankenhäusern in Afghanistan durch US-amerikanische Flugzeugen Bei Ersteren ist Putin schuld. Im zweiten Fall ist Obama nicht schuld gewesen, obwohl der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte war.
Uwe Krüger stellte klar: Das sei „sozusagen eine These“, aber nicht immer so. Aber es sei „ein Schema, eine Brille, ein Werkzeugkassen mit dem man auf Berichterstattung schauen kann – auch als Normalbürger“. Es müsse stets auch auf die Nachrichtenquellen geschaut werden.
Propaganda zu erkennen ist harte Arbeit
Um Propaganda zu erkennen, gestand Krüger ein, liege eigentlich noch eine harte Arbeit vor der Kommunikationswissenschaft. Und gab zu bedenken, dass „es sich ziemlich absurd ist, dass wir viele Steuern zahlen, damit das Bundespresseamt oder EU-Behörden unsere Meinungen beeinflussen. Böse gesagt: uns manipulieren oder selektiv informieren“. Es aber im Gegenzug keine Steuermittel gebe, um solche Manipulationen, Ideologien oder Propaganda systematisch aufzuklären – also aufklärerische Kommunikationswissenschaft zu machen.“
Positiv beschied Uwe Krüger die Tatsache, dass sich im letzten Jahr ein „Netzwerk Kritische Kommunikationswissenschaft“ (Bericht von Kerem Schamberger) an der Universität München gegründet habe. Man habe gespürt, dass „es eine Sehnsucht nach Ideologiekritik, nach einer besseren Welt und Frieden, nach einer globalen Gerechtigkeit vor allem unter Nachwuchswissenschaftlern gebe.
Hinweis: Das Video, siehe weiter oben, (Quelle: WeltnetzTV) mit der Aufzeichung des Vortrags von Dr. Uwe Krüger wurde als Update am 26. Februar 2018 hinzugefügt.