Evangelische Landeskirche Baden: „Frieden kann nicht mit Waffen gewonnen werden“

Achtung! Achtung!; Photo: W.R. Wagner via Pixelio.de

Achtung! Achtung!; Photo: W.R. Wagner via Pixelio.de

Dieser Tage sind einige Aufrufe gegen den Militäreinsatz der Bundeswehr in Syrien veröffentlicht worden. Sogar vom Stern-Autor stern-Autor Arno Luik erschien ein kritisches Essay: „Die Schlafwandler rücken aus“. Als Gegensatz zu Stern-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges, in einer Video-Kolumne tönte: „Wenn Krieg, dann richtig!“ Womöglich noch unter den Eindrücken vom Flüchtlingselend, das er selber besichtigt hatte? Ansonsten scheinen viel zu viele Politiker und Medien voll auf Kriegsmodus eingestimmt sein zu bzw. umgeschaltet zu haben. Da kritische Beiträge noch immer in der Minderzahl sind, möchte ich nach der Veröffentlichung von anderen Aufrufen wider dem Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien heute nun noch eine Stellungnahme der Evangelischen Landeskirche Badens hinzufügen. Ich selbst stieß via den NachDenkSeiten auf dieses Papier. NachDenkSeiten-Herausgeber Albrecht Müller seinerseits über die Zuschrift eines Pfarrers der der Evangelischen Landeskirche Badens. Dieser schrieb an Müller:

„Es ist das erste Mal in der Geschichte der Evangelischen Landeskirche in Baden, dass sich die Kirche gegen einen vom Parlament beschlossenen Bundeswehreinsatz ausspricht. 
Vorausgegangen ist der neu erwachten friedenspolitischen Kompetenz ein zweijähriger friedensethischer Konsultationsprozess in allen Kirchenbezirken Badens, 
der im Jahre 2013 zu einem Beschluss führte und die Landeskirche auf klaren Kurs in Sachen Friedensethik führt: 
Nein zu Militäreinsätzen, ja zu einer internationalen Polizei und die Befürwortung gewaltfreier Alternativen.“

Hier nun zum Papier:

„Frieden kann nicht mit Waffen gewonnen werden

Stellungnahme der Ev. Landeskirche in Baden zum geplanten Militäreinsatz in Syrien

Zahlreiche Terroranschläge in Paris, in Ländern des Nahen Ostens und Afrikas verbreiten Schrecken, Angst und Wut. Wir trauern mit den Familien der Opfer. Solidarisch mit ihnen, mit ihren Völkern und allen Menschen guten Willens fordern wir ein Ende von Terror und Gewalt und treten dafür ein, dass alle erdenklichen politischen Mittel eingesetzt werden, um diesem Ziel näher zu kommen. Der Beschluss des Bundeskabinetts zur Beteiligung der Bundeswehr an einem Militäreinsatz in Syrien, um mit Frankreich und anderen Verbündeten den islamistischen Terror zu bekämpfen, erfüllt uns mit Sorge. Er folgt einer Logik, durch militärische Gewalt mehr Sicherheit herzustellen. Uns erscheint dies nicht hilfreich, um den islamistischen Terror einzudämmen und Syrien einem Frieden näher zu bringen.

Es darf nicht vergessen werden, dass die Täter von Paris nicht aus Syrien, sondern aus Frankreich und aus Belgien stammten. Terroristische Anschläge sind kriminelle Akte und müssen wie alle Verbrechen mit polizeilichen Mitteln verfolgt und die Täter vor Gericht gebracht werden. Syrien noch mehr mit militärischer Waffengewalt zu überziehen, wird keinen Terroristen davon abhalten, weitere Attentate zu vollbringen. Im Gegenteil ist zu befürchten, dass ein solches Vorgehen den Terrorismus bestärkt, da dies den Hass auf den Westen noch steigert. Seit September 2014 wird gegen den Islamischen Staat mit militärischen Mitteln vorgegangen. Doch sie haben keinen Erfolg gebracht. Der Islamische Staat ist eine terroristische Organisation, die sehr unterschiedlich zusammengesetzt ist. Viele ehemalige Kämpfer Saddam Husseins haben sich inzwischen dem IS angeschlossen. Oftmals nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus mangelnder Perspektive.

Der friedensethische Beschluss der badischen Landessynode „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ vom 24. Oktober 2013 kommt zur Erkenntnis, dass Konflikte gewaltfrei gelöst werden müssen „auf allen Ebenen“. Dabei orientiert er sich an den biblischen Grundaussagen. Das Pauluswort „Lasst Euch nicht vom Bösen überwinden, sondern überwindet das Böse mit Gutem“ (Röm 12,21) ist nicht Ausdruck naiver Weltferne – auf die aktuelle politische Situation übertragen bedeutet es die Aufforderung alle Anstrengungen auf Alternativen zu einem militärischen Vorgehen zu richten, um die Gewaltspirale zu durchbrechen!

Wir treten dafür ein, sorgsam zu prüfen, mit welchen Mitteln Frieden und Freiheit wirklich verteidigt und gesichert werden können und folgen dabei der Resolution der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 28. November 2015: „Wir setzen uns dafür ein, Terror mit den zivilen Mitteln des Völkerrechts, durch wirtschaftliche Maßnahmen, Sanktionen, den Stopp von Rüstungsexporten in Krisengebiete und in Diktaturen und mit allen erdenklichen Mitteln der Diplomatie, des Gesprächs und des Aufbaus partnerschaftlicher Beziehungen einzudämmen und zu beenden. „ Dies ist eine gemeinsame Aufgabe aller friedliebenden Menschen, aller Staaten und aller Religionsgemeinschaften.

Auch wer den Einsatz von Waffen nicht grundsätzlich ausschließt, wird zu ähnlichen Einschätzungen gelangen. So macht der Friedensbeauftragte der EKD, Bischof Renke Brahms, in seiner Erklärung vom 2. Dezember 2015 deutlich, dass die Entscheidung für den geplanten Militäreinsatz die ethischen Prinzipien nicht erfüllt, welche die EKD in der Friedensdenkschrift 2007 „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ benannt hat. Nach dem Verständnis der EKD Denkschrift darf militärische Gewalt nur als letztes Mittel bei andauernden schwersten Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden. Zwingend muss ein Mandat des UN-Sicherheitsrates vorliegen. Militärisches Eingreifen muss „begründete Aussicht auf Erfolg“ haben und Teil eines „friedens- und sicherheitspolitischen Gesamtkonzepts“ sein. Dies ist augenscheinlich bei dem Militäreinsatz in Syrien nicht der Fall. Die Versuche, den islamistischen Terror durch Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak zu stoppen, haben eher das Gegenteil bewirkt: sie haben die Gesellschaften in diesen Ländern destabilisiert, den Terror gefördert und große Flüchtlingsströme ausgelöst. So trägt auch die Politik des Westens hier eine Mitverantwortung für die Entwicklungen der letzten Jahre.

Darum rufen wir auf zur Besonnenheit und fordern die politisch Verantwortlichen auf, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen, sondern genau zu prüfen, welche Instrumente gegen den Terrorismus tatsächlich helfen.

Wir rufen alle friedliebenden Menschen in allen Religionsgemeinschaften auf, die Stimme zu erheben,für friedliche Lösungen zu beten und tatkräftig einzustehen. Wir erinnern an die Friedensbotschaft Jesu, die den Christinnen und Christen den Weg weist. Mit unseren Schwestern und Brüdern aus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und in vielen Kirchen weltweit sind wir überzeugt: „Frieden kann nicht mit Waffen gewonnen werden“.

Karlsruhe, 03.12.15“

„Soldaten! Macht Euch nicht strafbar“ – Offener Brief an die Soldatinnen und Soldaten des Syrien-Kommandos der Bundeswehr

Die Autoren des im Folgenden dokumentierten und somit an meine Leserinnen und Leser weiter gegebenen Offenen Briefes sind der Meinung, dass der Syrieneinsatz der Bundeswehr rechtswidrig im Sinne deutscher Gesetze sowie des Völkerrechts ist.

„Soldaten! Verweigert den Syrien-Befehl!
Wer seinem Land treu dient, sagt NEIN
Autor: U. Gellermann
Datum: 10. Dezember 2015
AN DIE SOLDATEN DES SYRIEN-KOMMANDOS
„Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.“
(Gelöbnis der Bundeswehr)
Soldaten!
Ihr habt geschworen, der Bundesrepublik treu zu dienen. Jetzt will man Euch in einen Krieg senden, der diesem Schwur widerspricht. Das gilt für die kämpfenden Einheiten ebenso wie für die nachgeordneten Dienste.
Dieses Kommando widerspricht jeder Vernunft, jeder militärischen Einsicht und allen Gesetzen, die Euren Dienst betreffen.
Euer Einsatz wird von der Regierung mit der „Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen“ begründet. Ihr wisst, dass Euer Kommando in Afghanistan die gleiche Begründung hatte. Und Ihr wisst auch, dass nach 14 Jahren dieses Auslandseinsatzes der Terror nicht geringer sondern nur mehr geworden ist.
Auch der von den USA geführte Krieg im Irak wurde mit der Terror-Bekämpfung begründet und hatte doch nur mehr Terror und Terroristen zur Folge.
Euer Schwur mahnt Euch zur Verteidigung unseres Landes. So wie auch das Grundgesetz im Artikel 87 a Euch ausdrücklich nur zur Verteidigung verpflichtet. Was auch immer erzählt wird: Es gibt kein UNO–Mandat für den Einsatz in Syrien.
Hat die syrische Regierung der Bundesrepublik Deutschland den Krieg erklärt? Sind syrische Truppen auf dem Weg zu unseren Grenzen? Nein. Und doch sollt Ihr Euch in diesem Land an einem Krieg beteiligen.
Klar und deutlich sagt der Artikel 26 des Grundgesetzes unserer Republik: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

Wer dem Syrienkommando Folge leistet, greift einen souveränen Staat an. Der nimmt an einem Angriffskrieg teil. Das ist strafbar.

Außerdem sollt Ihr Euch an „vorsätzlichen Angriffen auf die Zivilbevölkerung“ Syriens beteiligen. Wie jeder weiß, sind Luftangriffe gegen Terroristen nie ausschließlich auf militärische Ziele zu begrenzen. Immer sind zivile Opfer zu beklagen. Der Internationale Strafgerichtshof bezeichnet solche Einsätze als Kriegsverbrechen und stellt sie unter Strafe.
Ausdrücklich sagt das Soldatengesetz in seinem § 11, dass ein Befehl nicht befolgt werden darf, wenn dadurch eine Straftat begangen würde.
Soldaten!
Macht Euch nicht strafbar. Verteidigt die Grundrechte unseres Landes. Verweigert Euch diesem unsinnigen, verbrecherischen Einsatz in Syrien. Dient unserem Land und sagt NEIN.
Uli Gellermann
Gefreiter der Reserve
Raketenartilleriebataillon 12
Hartmut Barth-Engelbart
Ex Offiziersanwärter
3. Panzergrenadier-Bataillon 352

An alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, an alle Verwandten der Soldaten, an ihre Freude und Bekannten: Gebt der Truppe diesen Aufruf, helft Verbrechen zu verhindern, setzt unser gutes Recht durch.
An alle Medien auch und gerade im Internet, an alle Blogs und Sites: Verbreitet dieses Aufruf.“

Originalquelle: Rationalgalerie

Unverantwortlich: 445 Bundestagsabgeordnete stimmten für Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien

Was nun geschah, stand zu befürchten. Heute hat der Bundestag dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt und damit die parlamentarische Grundlage für einen Bundeswehreinsatz in Syrien geschaffen. Die Mehrheitsverhältnisse der Groko sind entsprechend. Die Opposition ist klein. Und auch sonst weitgehend zahnlos. Fraglich ist, ob eine erwogene Verfassungsklage seitens der Opposition überhaupt eine Chance hätte. Wohl eher nicht. Bis Ende 2016 sollen nun Tornado-Kampfflugzeuge, eine Fregatte und 1200 Soldaten entsendet werden. Einige Experten halten den Einsatz für völkerrechtswidrig. Denn die Bundesregierung hat sich ein äußerst fragwürdiges rechtliches Konstrukt gebastelt, um den Einsatz Legitimation zu verschaffen. Heribert Prantl hat sich vor zwei Tagen in der Süddeutschen dazu geäußert. Und als studierter Jurist weiß er worüber er da betreffs des Konstrukts schreibt:

„Beim Syrien-Einsatz kommt man damit nicht sehr weit. Die Bundesregierung versucht daher, den geplanten Einsatz nicht nur auf eine, sondern auf mehrere Rechtsgrundlagen zu stützen. Juristen wissen: Wenn man so viele Anspruchsgrundlagen bemühen muss, ist jede für sich dürftig. Drei oder vier hinkende Beine ergeben zusammen kein gesundes.“

445 Bundestagsabgeordnete stimmten heute für einen Bundeswehreinsatz in Syrien, 146 dagegen, sieben Parlamentarier enthielten sich. Die Fraktion der Partei DIE LINKE stimmte geschlossen gegen den Krieg.

Sind sich die mit Ja gestimmt habenden Bundestagsabgeordneten wirklich über die Konsequenzen ihres Tuns im Klaren? Im Parlament war heute die Stunde der Heuchler aus den Reihen der Großen Koalition zu erleben. Den Vogel ab schoss m.E. Norbert Röttgen (CDU). Ordentlich auf die Tränendrüsen drückend führte er als Begründung für den gewiss folgenreichen Syrien-Einsatz der Bundeswehr die Gräueltaten des IS ins Feld. Deren Verbrechen an Mädchen und Frauen hob Röttgen besonders hervor. Das müsste gestoppt werden. Da dürfe man nicht tatenlos zusehen. Hatten wir das nicht schon einmal in Bezug auf das Tun der Taliban in Afghanistan als Begründung für die Beteiligung Deutschlands am Afghanistan-Krieg (der seinerzeit noch gar nicht so genannt werden durfte) gehört? Und ja: Mädchen erhielten dort (wenn auch längst nicht überall) die Möglichkeit zur Schule zu gehen und auch Brunnen wurden gebaut. Aber im Rückblick war der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ein teures Desaster! Und die Taliban sind wieder erstarkt. Margot Käßmann hatte recht: Nichts ist gut in Afghanistan. Und bezog dafür Prügel. Röttgens Rede war an Heuchelei kaum zu übertreffen. Zwar ist ihm recht zu geben: Mädchen, Frauen und auch Alten und Jungen die vom IS malträtiert werden muss geholfen werden. Aber wo blieb das Bedauern eines Röttgen und dessen Mitleid für all die vielen Opfer der westlichen Kriege im Irak, Libyen und anderswo?

Sahra Wagenknecht indes hielt eine flammende und Anklage gegen den geplanten Bundeswehreinsatz in Syrien. Als die Kamera kurz auf die nebeneinander sitzende Angela Merkel und ihre Kriegsministerin Ursula von der Leyen blendete, sah man beide Frauen breit grinsen! Worüber? Keine Ahnung. Ich weiß nur: Im Zuge dieses falschen, gefährlichen und völkerrechtswidrigen Bundeswehr-Kriegseinsatzes dürfte noch manchem das Grinsen vergehen. So jedenfalls fürchte ich.

Am Vortag sprachen neben Sahra Wagenknecht (siehe oben)  auf einer Antikriegsdemo in Berlin vorm Brandenburger Tor einige Politikerinnen und Politiker. Im Folgenden stelle ich hier die Videos von diesen Reden ein:

Erdogan Kaya (DIDF)

Dietmar Bartsch (Fraktionsvorsitz DIE LINKE im Deutschen Bundestag

Friedensaktivist Reiner Braun rief in seinem Statement zum Widerstand der Straße gegen diesen unverantwortlichen Kriegseinsatz der Bundeswehr auf.

Auch Uli Gellermann (Rationalgalerie) unterstützt diese Forderung in mit seinem Beitrag „Auf die Strasse: Nein zum Syrien-Krieg! Gegen deutsche Soldaten und Waffen im Ausland!“: „Wir treffen uns: Auf den Straßen und Plätzen der Republik, gegen den Krieg in Syrien. Gegen den Einsatz der Bundeswehr in Syrien. Zeigt dieser Regierung wer das Volk ist. Sagt dieser Regierung klar und deutlich, dass sie wahnsinnig ist. Dass sie für diesen Kriegseinsatz kein Mandat hat. Dass wir solidarisch sind mit den Menschen in Syrien.“ Unter eben diesem Beitrag informiert Uli Gellermann Antikriegsdemonstrationen und Kundgebung gegen den Kriegseinsatz. Er hat versprochen die Liste ständig zu aktualisieren.

Hier eingeschoben sei noch die Presseerklärung  vom Darmstädter Signal zum Bundeswehreinsatz in Syrien.

Der erneute Eintritt Deutschlands in einen unübersichtlichen Krieg könnte verhängnisvolle Folgen haben. Hat Deutschland, haben die uns regierenden deutschen Politiker nichts aus der Geschichte gelernt? Man muss es ernsthaft befürchten. Erinnern wir uns: schon einmal schlafwandelten Politiker in den Weltkrieg Nummer eins. Der australische Historiker Christopher Clark schrieb dazu „Die Schlafwandler“. Wachen wir noch rechtzeitig auf?