Aufruf und Unterschriftenaktion: 1972 – 2022: 50 Jahre Berufsverbote Demokratische Grundrechte verteidigen!

Im Jahr 1969 versprach Bundeskanzler Willy Brandt: „Mehr Demokratie wagen“.

Im Widerspruch dazu verabschiedeten die Ministerpräsidenten der Länder unter Vorsitz von Willy Brandt am 28. Januar 1972 den „Extremistenbeschluss“ oder sogenannten Radikalenerlass.

In den folgenden Jahren wurden ca. 3,5 Millionen Bewerber*innen für Berufe im öffentlichen Dienst überprüft. Der Verfassungsschutz erhielt den Auftrag zu entscheiden, wer als „Radikaler“, als „Extremist“ oder als „Verfassungsfeind“ zu gelten hatte. Personen, die „nicht die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten“, wurden aus dem öffentlichen Dienst entfernt oder gar nicht erst eingestellt.Die

Überprüfungen führten bundesweit zu etwa 11.000 Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.256 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen. Betroffen waren Kommunist*innen, andere Linke bis hin zu SPD-nahen Studierendenverbänden, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA und Gewerkschafter*innen. In Bayern traf es auch Sozialdemokrat*innen und in der Friedensbewegung engagierte Menschen.

Das schüchterte viele ein.

Mitglieder und Sympathisant*innen rechter Parteien und Gruppierungen wurden dagegen im öffentlichen Dienst geduldet und bei Bewerbungen fast nie abgelehnt.

Um gegen nazistische Tendenzen vorzugehen, braucht es keinen neuen „Radikalenerlass“ oder„Extremistenbeschluss“, sondern die konsequente Umsetzung des Art. 139 GG und der §§ 86 und 130 StGB. Hiernach sind neonazistische Organisationen und die Verbreitung von Nazi-Gedankengut verboten.

Die Berufsverbote stehen im Widerspruch zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und den Kernnormen des internationalen Arbeitsrechts, wie die ILO seit 1987 feststellt. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte1995 die Praxis der Berufsverbote.

Im Jahr 2022 jährt sich der „Radikalenerlass“ zum 50. Mal

Die nationale und internationale Solidaritätsbewegung, alle Menschen, die sich an diesem Kampfbeteiligt haben, die Gewerkschaften und alle Initiativen gegen Berufsverbote haben sich um die Demokratie verdient gemacht. Ihre politische und materielle Unterstützung werden wir weiterhin brauchen.

Es ist an der Zeit,

  • den „Radikalenerlass“ generell und bundesweit offiziell aufzuheben,
  • alle Betroffenen voll umfänglich zu rehabilitieren und zu entschädigen
  • die Folgen der Berufsverbote und ihre Auswirkungen auf die demokratische Kultur wissenschaftlich aufzuarbeiten.

Erstunterzeichner*innen

Alt FranzDr.; Autor, Becker PeterRechtsanwalt Kassel, Behle Christinestv. Vorsitzende Ver.di, Bejarano EstherAuschwitzüberlebende; Sängerin, Bejarano &Microphone MafiaRappergruppe, Birkwald Matthias W.MdB,Bsirske Frankehem. Ver.di-Vorsitzender, Cezanne JörgMdB, Däubler, Prof. Dr. WolfgangArbeitsrechtlerUni Bremen, Degenhardt KaiMusiker, Deppe FrankPolitikwissenschaftler Uni Marburg, Dreyer Peter Richter, Enderlein Hinrichehem. Frakt.vors. Ba-Wü; Minister a.D., Erler, Dr.h.c. GernotStaatsminister a.D., Foschepoth,Prof. Dr. JosefHistoriker; Autor, Fritsch UweBR-Vors. VW Braunschweig, IG Metall, Fülberth-Sperling, Prof.Dr. GeorgWissenschaftler; politischer Publizist, Gabelmann Sylvia MdB, Gehrke WolfgangJournalist; ehem.MdB, Gerns WilliRentner; ehem. Parteisekretär, Becker PeterRechtsanwalt Kassel, Gleis Thies Parteivorstands-mitglied,Gohlke Nicole MdB, Gössner Rolf Richter; Publizist,Gross Martin Leiter ver.di Landesbez. BW, Hofmann Jörg 1. Vorsitzender IG Metall, Hoffmann Reiner DGB-Vorsitzender, Hornung Andrea Geschäftsfüh-rung SDAJ,Hunko Andrej MdB,Jäckel Otto Rechtsanwalt, Jelpke Ulla MdB, Kahl, Dr. Dr. Joachim Philosoph,Kastner Wolfram Künstler; Vors. Kuratorium d. K. Eisner-Kulturstiftung,Kerth Cornelia BundesvorsitzendeVVN-BdA,Kessler AchimMdB,Klinger Wolfgang Beratende Pflegefachkraft,Köbele Patrik Parteivorsitzender,Kocsis Andrea stv. Vorsitzende Ver.di,Köditz Kerstin MdB,Krämer Ralf Parteivorstandsmitglied; Ver.di,Krey-mann Lena SDAJ-Vorsitzende,Kunzmann Martin Landesbezirksvorsitzender DGB BaWü,Kurz Ingrid em. Prof.,Linksjugend solid, Mangelsdorff Emil Jazz-Musiker,Merk Xaver ehem. Gewerkschaftssekretär,Nagel Jochenehem. GEW-Landesvorsitzender Hessen, Neu Alexander MdB, Nissen Ulli MdB, Paech, Prof. Dr. Norman em Prof. Uni Hamburg, Perli Victor MdB, Pflüger Tobias MdB; Friedensforscher, Pispers Volker Kabarettist, Ramelow Bodo Ministerpräsident Thüringen,Renner Martina MdB; Stellvertr. Parteivorsitzende,Richter WeraChefredakteurin UZ,Rügemer Werner Schriftsteller,Schalauske Jan MdL Hessen; Landesparteivorsitzender,Schubert Michael Rechtsanwalt,Schubert UlrikeBuchhändlerin i.R.,Straetmanns Friedrich MdB, Tepe MarlisGEW-Vorsitzende,Troost Axel Stellvertr. Vorsitzender,Urban, Dr. Hans-Jürgen Geschäftsführendes Bundesvor-standsmitglied, IG Metall, Uthoff Max Kabarettist,van Ooyen Willi u. Sima Kassaie-van Ooyen Friedens- undZukunftswerkstatt, Venske Henning Autor,Wader Hannes Liedermacher,Weber, Dr. Ellen Rentnerin,WeinbergHarald MdB, Werneke Frank Bundesvorsitzender Ver.di,Wette, Prof. Dr. Wolfram Historiker; Friedensforscher,Wissler Janine MdL Hessen; Fraktionsvorsitzende,Zachcial Michael Sänger („Die Grenzgänger“), Zelik RaulAutor und Parteivorstandsmitglied, Zitzelsberger RomanBezirksleiter IG Metall Ba.-Wü.Für die Betroffenen: Klaus Lipps (Sprecher des Bundesarbeitsausschusses der Initiativen gegen die Berufs-verbote), Silvia Gingold, Werner Siebler, Dorothea Vogt, Matthias Wietzer und Michael Csaszkóczy

Weitere Unterschriften bitte an: Klaus Lipps, Pariser Ring 39, 76532 Baden-Baden oder ViSdP: Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung demokratischer Rechte / K. Lipps – k.lipps@posteo.

Hintergrund


*/Aufruf von Betroffenen des „Radikalenerlasses“ an die Politik:
„Beenden Sie die Berufsverbotepolitik endlich offiziell“/*

//

/B//undesweite Unterschriftensammlung in Vorbereitung des 50.
Jahrestages im Januar 2022/*//*

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*Aktuell fällt im Zusammenhang mit den Einschränkungen im Rahmen der
derzeitigen Covid-19-Maßnahmen der Begriff des Berufsverbots. Und in der
Tat ist es für Hunderttausende Menschen derzeit eine große Belastung,
dass sie in ihrem Beruf nicht arbeiten können. Das sorgt für
Unsicherheit und Existenzängste, selbst wenn es staatliche
Unterstützungs-maßnahmen gibt – die aber nicht alle erhalten und die
hinten und vorne nicht ausreichen.*

*Die Berufsverbote der 70er und 80er Jahre für Tausende Menschen, die im
öffentlichen Dienst arbeiteten oder sich dafür bewarben, hatten einen
völlig anderen Hintergrund.*

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*Der Radikalenerlass vom 28. Januar 1972 von Kanzler Willy Brandt (den
Brandt später selbst als seinen größten politischen Irrtum bezeichnete)
und den Ministerpräsidenten der westdeutschen Bundesländer hatte schwere
Folgen für die Betroffenen: Viele verloren ihre Arbeit oder wurden gar
nicht erst eingestellt, allein deshalb, weil sie sich beispielsweise
gegen Notstandsgesetze, gegen den Krieg in Vietnam oder das
Wiedererstarken alter Nazis engagiert und damit ihre im Grundgesetz
garantierten Grundrechte wahrgenommen haben.*

*Nie wurde den Betroffenen eine konkrete Dienstpflichtverletzung
vorgeworfen, sondern es ging meist um die Mitgliedschaft in legalen
linken Parteien und Organisationen, oder um Kandidaturen für Parlamente.*

*Eine besonders üble Rolle dabei spielte der sogenannte
Verfassungsschutz, der alle, die auch nur nach fortschrittlichen
Einstellungen rochen, ausschnüffelte und die so gesammelten
„Erkenntnisse“ an die Dienststellen weiterleitete. Dort saßen dann
Beamtinnen und Beamte, die mit einem obrigkeitsstaatlichen Weltbild für
Entlassungen und Nichteinstellungen sorgten. Die Hoffnung vieler damals
Betroffener vor Gericht Recht zu bekommen, wurde nicht selten deshalb
enttäuscht, weil an den Richtertischen Menschen saßen, die ihren ersten
Amtseid auf Hitler geleistet hatten; Willi Geiger, ehemals
Nazistaatsanwalt, war 26 Jahre lang Bundesverfassungsrichter.*

*
Finanzielle Hilfen vom Staat erhielten die vom Berufsverbot Betroffenen
nicht; sogar um Arbeitslosenunterstützung mussten sie kämpfen. Für viele
sind die Folgen bis heute gravierend. Viele sind gesundheitlich
angeschlagen und die Pensionen oder Renten sind mehr als bescheiden.*

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*Eine große Solidaritätsbewegung in Deutschland und in ganz Europa
führte nach 1972 dazu, dass viele ehemalige Betroffene schließlich doch
noch oder wieder eingestellt wurden. In einigen Bundesländern wurde der
Radikalenerlass ganz abgeschafft, in den meisten nicht mehr angewendet.
Aber wirklich aufgearbeitet ist dieses dunkle Kapitel der
bundesrepublikanischen Geschichte bis heute nicht.*

Ein Kommentar zu “Aufruf und Unterschriftenaktion: 1972 – 2022: 50 Jahre Berufsverbote Demokratische Grundrechte verteidigen!

  1. Lieber Herr Stille, zum Thema Berufsverbote: Die §§ 70 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) ermöglichen es, Lügen-Professoren und Lügen- Experten des Merkelsystems Berufsverbote zu erteilen, weil sie ihre Stellung mißbrauchen. Vielleicht erinnern Sie sich, dass wir Ihnen vor ein paar Jahren zu diesem Thema eine PM übermittelt haben. Ich hielte es für wichtig, über Berufsverbote gegen Leute wie Unlauterbach, den Viehdoktor Wieler etc. Berufsverbotsver- fahren einzuleiten. Herzlichst Ihr A.Goeschel

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