„Offener Brief an 99 Prozent der deutschen Journalisten“ von Tom J. Wellbrock

Journalisten-Kollege Tom J. Wellbrock: In diesem Video habe ich meinen „Offenen Brief an 99 Prozent der deutschen Journalisten“ eingesprochen.“

Hinter diesem Offenen Brief stehe ich ebenfalls voll und ganz, weshalb ich ihn auf hier meinem Blog veröffentliche

Beitragsbild: © Claus Stille

Israels Angst vor der Bildung der Palästinenser

Das Leben in einer Welt der „Zufälle“ kann grausam und tödlich sein. Kurz nachdem der Internationale Gerichtshof (IGH) Südafrikas Klage gegen Israel wegen des Vorwurfs des Völkermords im Gazastreifen anerkannt hatte, stand „plötzlich“ das UN-Hilfswerk UNRWA unter dem Verdacht, die Hamas zu unterstützen. Beweise dafür gab es nicht und gibt es bis heute nicht.

Von Tom J. Wellbrock

Einst sang Reinhard Mey:

„Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
‚Halt Du sie dumm, ich halt sie arm.'“

Was Reinhard Mey meinte, sieht man an vielen Stellen, zum Beispiel am Zustand des deutschen Bildungssystems, das zu einem Instrument verkommen ist, um statt eigenständiger Bürger willfährige Dummköpfe zu erziehen. Ähnliches soll nach dem Willen Israels künftig auch im Gazastreifen passieren. Die Attacken auf das UNRWA belegen das.

Angriff durch Bildung

Schon im Jahr 1949, als das Hilfswerk UNRWA gegründet wurde, war klar, dass die durch die Gründung Israels vertriebenen Palästinenser dringend diese Hilfe benötigen werden. Zuvor wurde bereits 1948 der Sonderfonds United Nations Relief for Palestine Refugees (UNRPR: Hilfe der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge) gegründet, ein Jahr später folgte wegen Notwendigkeit die Gründung des UNRWA. Zu dessen Kernaufgaben gehörten und gehören:

Fürsorge und Sozialdienste
Ausbildung
Medizinische Versorgung
Lagerinfrastruktur und -verbesserung
Kleinkredite
Schutz
Humanitäre Hilfe (darunter Lebensmittelversorgung)

Selbst die deutsche Wikipedia, die sich ohne Problembewusstsein auf die aktuellen Vorwürfe gegen das UNRWA gestürzt und diese – ebenso wie die meisten anderen westlichen Medien – ungeprüft übernommen hat, schreibt zu der Aufgabe von Bildung und Ausbildung unter Federführung des UNRWA:

„UNRWA betreibt eines der größten Schulsysteme im Nahen Osten. Jeden Tag erhalten ca. 500.000 Kinder ihre Schulbildung in einer der knapp 700 UNRWA-Schulen in der Region, deren Lehrplan jenem der staatlichen Schulen angeglichen wurde. In einem UNRWA-Schulgebäude sind oft zwei Schulen untergebracht, der Unterricht findet dann in zwei Schichten statt. Durch acht UNRWA-Zentren in der Region fördert UNRWA auch technische und handwerkliche Ausbildung (TVET – Technical Vocational Education and Training) für ungefähr 7200 Palästina-Flüchtlinge.

Mit der Zeit haben sich die UNRWA-Schulen einen Ruf für hohe schulische Leistungen und niedrige Abbrecherquoten bei gleichbleibender Geschlechterparität seit den 1960er-Jahren verdient. UNRWA-Schulen übertreffen öffentliche Schulen kontinuierlich um eine Spanne, die mehr als einem zusätzlichen Schuljahr entspricht, heißt es in einem Bericht der Weltbank aus dem Jahr 2014.

Nach der Hauptschule können palästinensische Kinder die Oberstufe einer öffentlichen Mittelschule besuchen und sich um ein UNRWA-Stipendium für eine Hochschule bewerben. Oder sie können versuchen, einen der etwa 5.600 Studienplätze in einer der acht Berufsschulen bzw. Lehrerbildungsanstalten des Hilfswerks zu bekommen. Viele Absolventen dieser Schulen fanden Posten in den Golfstaaten und in anderen arabischen Ländern.“

Zum palästinensischen Bildungssystem sagte Noga Arbel, eine Forscherin beim israelischen Thinktank Kohelet Policy Forum:

„Das palästinensische Bildungssystem ist die größte Sicherheitsbedrohung für Israel, UNRWA ist der Kern des Problems. Wenn wir zulassen, dass das Problem des palästinensischen Exodus weiter bestehen bleibt, wird die Bedrohung nur noch größer.“

Der Thinktank Kohelet Policy Forum (KPF) setzt sich auch vehement für die stark kritisierte israelische Justizreform ein und bezeichnet sich selbst als eine vom israelischen Staat unabhängige Denkfabrik, die sich ausschließlich über private Spenden finanziere. Über die anonymen Spender ist wenig bekannt, aber die größten Einnahmen belaufen sich auf mehrere Millionen Dollar, die über eine amerikanische gemeinnützige Organisation namens „American Friends of Kohelet Policy Forum“ gespendet wurden.

Die vermeintliche Unabhängigkeit des KPF hinderte die Denkfabrik nicht daran, an Strategiepapieren mitzuarbeiten, die die geplante israelische Justizreform aus dem Jahr 2023 beförderten. Sie setzte sich mit Themen wie der staatlichen Kontrolle bei der Ernennung von Richtern auseinander und arbeitete mit daran, richterliche Überprüfungen von Gesetzen und Regierungsentscheidungen durch die sogenannte „Überschreibungsklausel“ stark einzuschränken.

Nach Arbels Äußerungen zur angeblichen Gefahr durch palästinensische Bildung fuhr sie fort:

„Es wird unmöglich sein, den Krieg zu gewinnen, wenn wir die UNRWA nicht zerstören, und diese Zerstörung muss sofort beginnen.“

Da das UNRWA nicht nur für ausgezeichnete Bildung unter den Palästinensern sorgt, was im Falle einer Zwei-Staaten-Lösung ein Größtmaß an Autonomie sichern könnte, sondern darüber hinaus eine seit 1949 gewachsene Organisation ist, die heute mit ca. 300.000 (meist palästinensischen) Angestellten an vielen „Baustellen“ arbeitet, ist sie als Hilfswerk faktisch unverzichtbar und nicht ohne Weiteres austauschbar, wie nun in Israel und zahlreichen westlichen Ländern kolportiert wird.

Das UNRWA versorgt mittlerweile 5,7 Millionen palästinensische Flüchtlinge sowie deren Nachfahren, die neben dem Gazastreifen teils auch in Ost-Jerusalem, im Westjordanland, im Libanon, in Syrien und Jordanien leben. Als Flüchtlinge gelten nicht nur die 1948/1949 vertriebenen Palästinenser, sondern auch deren Nachfahren, weshalb sich deren Zahl von anfangs einer halben Million inzwischen auf die genannten 5,7 Millionen registrierte Flüchtlinge erhöht hat. Durch das Bildungs- und Ausbildungsprogramm des UNRWA wurden bis heute zahlreiche Fachkräfte und Lehrpersonal qualifiziert, die wichtige staatliche Aufgaben im Falle eines eigenen Staates übernehmen könnten.

Keine Zwei-Staaten-Lösung!

Nach dem 7. Oktober 2023 wurde aus dem ohnehin schon offenen Geheimnis eine Gewissheit: Israel will unter keinen Umständen einen autarken palästinensischen Staat zulassen. Zahlreiche Äußerungen israelischer Politiker – nicht zuletzt auch vom Premierminister Netanjahu – lassen daran keinen Zweifel.

Neben dem durch Israel verübten Völkermord ist der Plan erkennbar, mit fadenscheinigen Argumenten das UNRWA zu eliminieren. Das ist ein weiterer Beleg für das Vorhaben Israels, Palästina zu zerstören und vollständig einzunehmen. Fadenscheinig deshalb, weil es keinerlei Beweise für die angeblichen Verbindungen zur Hamas oder gar eigenen „terroristischen Aktivitäten“ von UNRWA-Mitarbeitern gibt. Die Meldung entstand durch die Behauptung eines „anonymen israelischen Beamten“, und der wurde nicht einmal nach Belegen für seine Aussage befragt.

Für die „gewissenhaften“ Medien in Deutschland ist all das aber noch längst kein Grund, vielleicht an solchen „Informationen“ zumindest gewisse Zweifel zu hegen und zu verbreiten. Es ist eben alles eine Frage der Bildung.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

Quelle: RT DE

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Beitragsbild: Tim Reckmann via Pixelio.de

Ukraine: Die lange Geschichte einer Zerstörung. Mark Bartalmai im Gespräch mit Tom J. Wellbrock

Dieser Tage ist die Ukraine wieder einmal mehr in aller Munde. Durch den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine. Leider wissen viele Menschen nicht oder nicht mehr, dass dieser Krieg eine Vorgeschichte hat. Dass dies so ist muss auch den Medien vorgehalten werden. Es wird auch nichts dafür getan, dass der Vorhang, welcher diese ganz und gar nicht unwichtige Vorgeschichte verdeckt, aufgezogen wird.

Am 14. August 2015 schrieb ich hier auf meinem Blog folgenden, so beginnenden Bericht: „Über den Krieg in der Ukraine hören und sehen wir derzeit so gut wie nichts. Doch nichts ist dort gut. Davon kann ausgegangen werden. Und als wir noch über die Maßen vom Krieg in der Ukraine hörten war auch nichts gut. In der Ukraine nicht. Und erst recht was die Berichterstattung unserer Medien angelangt. Nicht ohne Grund ist diesen Medien, der Presse der Vorwurf der Einseitigkeit in in Sachen Berichterstattung über die Vorgänge in der Ukraine gemacht worden. Den Westen und die Ukraine, die neuen Machthaber in Kiew nach dem Maidan-Putsch – die Guten. Die Aufständischen in der Ostukraine und Putin – die Bösen.“

Kino Zuvor hatte ich im Kölner Kino Odeon der Vorführung des beeindruckende Films „Ukrainian Agony – Der verschwiegene Krieg“ von Mark Bartalmai gesehen.

Mark Bartalmai hat später noch einen weiteren Film mit dem Titel „Frontstadt Donezk – Die unerwünschte Republik“ gedreht. Bartalmai hat ein paar Jahre in Donezk gelebt.

Einige Jahre haben wir gar nichts von Mark Bartalmai gehört.

Nun ist heute der erste Teil eines Interviews mit Bartalmai unter dem Titel „Ukraine: Die lange Geschichte einer Zerstörung“ auf You Tube erschienen. Das haben wir dem Portal wohlstandsneurotiker – der podcast und Tom J. Wellbrock zu verdanken, welcher Mark Bartalmai aufzustöbern vermochte und dazu bewegen konnte, sich interviewen zu lassen. Beiden gebührt unser Dank.

Ich empfehle das Interview ausdrücklich allen meinen Leserinnen und Lesern und bitte diese das interessante Interview weiterzuverbreiten.

Der zweite Teil des Interviews erscheint am 22. April. Ich werde es dann hier dazustellen.

Beitragsbild: Screenshot C. Stille via You Tube. Links Mark Bartalmai, rechts Tom J. Wellbrock

Hier nun der zweite Teil des Gesprächs: