Verdi-Spitze steuert auf Kriegskurs – Mitglieder wehren sich

Die Führungsspitzen im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) schwenken auf den antirussischen Kriegskurs der Regierung ein. Auch der Verdi-Vorstand will sich beim Bundeskongress mit einem Leitantrag für Waffenlieferungen gegen die Basis durchsetzen – Mitglieder wehren sich dagegen.

Von Susan Bonath

Mit einer Petition „gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden“ wehren sich Gewerkschafter gegen den aktuellen Versuch der Verdi-Chefetage, die in der Satzung verankerten friedenspolitischen Grundsätze der Organisation auszuhebeln. Hintergrund ist ein Leitantrag des Bundesvorstandes unter dem irreführenden Titel „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch“, der auf dem bis Freitag tagenden Verdi-Bundeskongress beschlossen werden soll.

Antirussisch, kriegerisch – regierungstreu

Die Petenten beklagen darin zunächst den regierungstreuen antirussischen Kriegskurs des SPD-nahen Dachverbandes ihrer Gewerkschaft. Die DGB-Bundesspitze habe sich bereits 2022 für Waffenlieferungen in die Ukraine ausgesprochen. Dies verstoße klar gegen die Satzungen der Mitgliedsgewerkschaften. Nun schwenke auch die Verdi-Führung auf diesen gefährlichen Kurs für eine „Kriegslogik“ ein, die …

„… unter dem Deckmantel eines sogenannten ‚umfassenden Sicherheitsbegriffs‘ ausdrücklich ‚militärische Sicherheit‘, indirekt ‚Auf- und Hochrüstung‘ und Kriegseinsätze auch deutscher Soldaten befürwortet, ‚was zum Erfüllen ihrer Aufgaben in der Landes- und Bundesverteidigung erforderlich ist‘ – und das alles unter einer den wahren Kern verschleiernden Überschrift“.

Ukraine und NATO als angebliche Unschuldslämmer

In der Tat strotzt der Leitantrag des Verdi-Vorstands nur so von politischen Propaganda-Begriffen. Er zeichnet wie derzeit viele Medien das Zerrbild von einer angeblich völlig unschuldigen ukrainischen Führung, die ganz ohne eigenes Zutun von Russland angegriffen worden sei und nun vermeintlich „völkerrechtlich zulässig“ von der NATO bei ihrer „Verteidigung“ unterstützt werden müsse.

Dabei verbreitet die Verdi-Spitze auch die Lüge, Russland wolle damit lediglich „einem großrussischen Reich wieder mehr Geltung verschaffen“ und just „gewaltsam Grenzen verschieben“. Dazu beschwören die Antragsteller „die westliche Staatengemeinschaft“ mit dem Militärbündnis NATO als vermeintlich einzig und allein an „Frieden und Sicherheit interessierte“ Unschuldslämmer.

Zwar kritisiert der Verdi-Vorstand, dass dem der Bundeswehr gewährten „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro auf der anderen Seite soziale Kürzungen gegenüberstehen. Dennoch müsse die deutsche Armee zur „Landes- und Bündnisverteidigung“ aufgerüstet und die Ukraine „mit militärischem Material wie Waffen aus den Reihen der NATO-Mitglieder“ unterstützt werden, um die „territoriale Integrität“ der Ukraine wieder herstellen zu können.

Interessen der Basis ignoriert

Die Petenten aus der Verdi-Basis sprechen von einem „finalen Kniefall vor militaristischer Logik“ ihrer Führung. Der Leitantrag verstoße auch gegen die Satzung, die klarstelle, alle militaristischen Tendenzen zu bekämpfen, sowie gegen die Grundsatzerklärung von Verdi für Abrüstung und den Schutz aller Menschen vor Verfolgung, Folter und Krieg.

Der Vorstand ignoriere somit die Interessen der gewerkschaftlichen Basis, bekräftigte die Initiatorin der Petition, Hedwig Krimmer, in einem aktuellen Interview mit der linken Tageszeitung Junge Welt. Denn mittels Leitantrag beerdige die Führung praktisch viele anderslautende Anträge aus der Basis. Diese würden damit zu bloßem Arbeitsmaterial degradiert. Krimmer beklagt einen Anpassungskurs an die Regierung unter SPD-Kanzler Olaf Scholz, der auch auf der Rednerliste des Bundeskongresses steht.

Politik des Burgfriedens mit dem Kapital

Der Hauptgrund für den DGB-Kurs ist zweifellos seine historische Anbindung an die SPD. Wie die Petenten richtig erläutern, befand sich diese schon vor mehr als 100 Jahren auf opportunistischem Abweg. „Wir haben nicht vergessen, was 1914 geschah“, schreiben sie, und weiter: „Die Gewerkschaftsführungen in ganz Europa schickten unter Bruch aller vorherigen Beschlüsse ihre Mitglieder in den Krieg.“ Auch damals wurde Russland als Feindbild aufgebaut. Die SPD hatte zuvor den sogenannten Kriegskrediten zugestimmt.

In der Weimarer Republik, mehr noch nach 1945, kehrte die SPD dem Klassenkampf immer mehr den Rücken. Über die unversöhnlichen Interessenkonflikte zwischen Kapital und Arbeit legte die selbsterklärte Arbeiterpartei den Schleier der vermeintlichen „Sozialpartnerschaft“ samt streng reglementiertem, zahnlosem Streikrecht, das vor allem privilegierteren Arbeiterschichten zugutekommt. Diese Art des „Burgfriedens“ mit dem Kapital werde nun, wie einst 1914, erneut auf die Spitze getrieben, so die Kritiker.

Petenten: „Stehen an der Seite der Arbeiter“

Die Petenten stellen schließlich ihre eigenen Forderungen gegen den Kurs der Verdi-Führung auf. Für sie könne es „als Lehre aus der eigenen Geschichte nur einen Beschluss geben“, nämlich:

„Unsere Zukunft ist nicht an der Seite der deutschen Regierung oder irgendeiner anderen Kriegspartei. Unsere Zukunft ist an der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter, die (…) gegen Waffenlieferungen kämpfen, und an der Seite der Kolleginnen und Kollegen (…) weltweit, die immer wieder gegen den Krieg und die Abwälzung der Kosten auf uns alle streiken. Unsere Solidarität gehört den Arbeitern, Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und Flüchtlingen (…).“

Verrat an den Lohnabhängigen

Die Fokussierung auf die „territoriale Integrität der Ukraine“ ist aus Sicht der Autorin ein klassisches Beispiel für eine Umdeutung von Kapital- als vermeintliche Arbeiterinteressen. Seit ihrer Abspaltung von der früheren Sowjetunion 1991 hat die Ukraine eine der höchsten Armutsquoten in Europa. Große Teile der Arbeiterklasse leiden seither unter Verelendung und Perspektivlosigkeit, vielen bleibt nur die Arbeitsmigration.

Eine fiktive „Rückeroberung“ der an Russland angeschlossenen Gebiete im Osten durch die ukrainische Armee würde am Leben der einfachen Arbeiter nicht das Geringste verbessern. Wohingegen die durch die NATO und ukrainische Führung vorangetriebene Fortsetzung des Krieges das Elend mit jedem Tag vergrößert sowie den Mehrheitswillen der arbeitenden Bevölkerung im Osten des Landes völlig ignoriert.

Verdi und der gesamte DGB ignoriert also mit seiner Haltung ausgerechnet das Interesse der Arbeiterklasse, welches sie doch angeblich verteidigen. Sie hetzen die einfachen Soldaten an der Front weiter gegeneinander auf. Wieder einmal machen sich die deutschen Gewerkschaften so zum verlängerten Arm der herrschenden Klasse und ihrer Politik – und zu Verrätern der Lohnabhängigen.

Quelle: RT DE

Anbei: Update vom 18.9.2023

ÜBER ZYNISMUS IN ZEITEN DES KRIEGES

Liebe Unterstützer:innen,

Wie versprochen haben wir heute die Delegierten des 6. Ordentlichen ver.di-Bundeskongresses in Berlin vor dem Kongresshotel Estrel begrüßt und mit ihnen unser Anliegen besprochen.

Unterstützt von Kolleg:innen  des Netzwerk für eine kämpferische ver.di, dem ver.di-Friedensnetzwerk, der IGM und der EVG konnten wir mit ca. 350 Kolleg:innen bei ihrer Anreise direkt ins Gespräch kommen. Dabei haben wir ganz viel positive Resonanz für unsere Initiative erhalten. Und einige der Delegierten waren dabei, die erkennbar nicht erfreut waren darüber, dass wir sie mit ihrer schwerwiegenden Entscheidungsfrage nach einer langen Anreise und noch vor dem Zutritt an den Tagungsort konfrontierten…. Menschlich verstehbar; inhaltlich konnten wir das den Kolleg:innen trotzdem leider nicht ersparen (Photostrecke).

Und als dann um kurz vor 13:00 der Bundeskanzler eintraf, da wurde er von ca. 100 Kolleg:innen vor dem Hotel Estrel lautstark und gebührend empfangen…: „Es gibt kein ruhiges Hinterland!“

Darüber hinaus gelang es ca. 100 Kolleg:innen trotz der Verbunkerung unseres Kongresses und dessen Abriegelung gegen die Basis als Hochsicherheitszone ihren Protest auch bei der Rede des Kriegskanzlers erkennbar zu machen (Photostrecke).

Wie weit es mittlerweile gekommen ist, wird daran deutlich, dass im Lifestream des Kongresses kein einziges Bild des Protestes zu sehen war… Geht`s noch?!

Neben vielen Dingen, die Herr Scholz erzählte, zu denen wir ihn beim Wort nehmen sollten (Tariftreue, menschenwürdiger Mindestlohn, Notwendigkeit starker Gewerkschaften, etc.), hat er dann zum Schluss seiner Rede – wie erwartbar – übelst vom Leder gezogen: Zynisch seien diejenigen, die sich angesichts des `russischen Angriffskrieges` der Lieferung von immer mehr und krasseren Waffen entgegenstellten. Eine `Grenzverschiebung mit militärischer Gewalt` dürfe es niemals wieder geben, da sonst jeder Maßstab fiele… Schon vergessen? Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der NATO auf Jugoslawien 1999!  Alles nur eine Frage danach, wer jeweils wen überfällt…?! Wer noch Fragen zum Thema `Zynismus` hat, die/der möge präzise zuhören.

Rosa Luxemburg schrieb angesichts des industrialisierten Massenschlachtens des Ersten Weltkrieges schon 1916: „„Die Dividenden steigen, und die Proletarier fallen. Und mit jedem sinkt ein Kämpfer der Zukunft, ein Soldat der Revolution, ein Retter der Menschheit vom Joch des Kapitalismus ins Grab.

DAS ist zur Sache gesprochen. Das galt vor über 100 Jahren und hat sich bis heute nicht geändert… Umso mehr gilt es: SAGT NEIN! 

Trotz Alledem:
Wir sind guter Dinge, dass unser aller Engagement die Dinge noch bewegen wird. 

Der heutige Tag gibt uns Mut, dass sich der Kongress doch noch zu einem NEIN! gegen KRIEG, MILITARISMUS UND BURGFRIEDEN entscheiden wird, denn wir haben die besseren Argumente auf unserer Seite.

Wer, wenn nicht wir?!
Wann, wenn nicht jetzt?!
Wo, wenn nicht hier?!

Wir bleiben dran und halten Euch auf dem Laufenden.
Morgen ab 08:00 vor dem Estrel!


Gewerkschaft, das sind wir!
NEIN! ZU KRIEG, MILITARISMUS UND BURGFRIEDEN!

Wir sind und bleiben
BUNT und INTERNATIONAL!


Für den Initiator:innekreis
Hedwig Krimmer           Andreas Buderus

Quelle: change.org