80 Jahre Hiroshima und Nagasaki:Atomwaffeneinsätze waren völkerrechtswidrig

Berlin, 05.08.2025 – Anlässlich des 80. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 bekräftigt die deutsche Sektion der Internationalen Juristinnen und Juristen gegen Atomwaffen (IALANA), dass der Einsatz von Atomwaffen gegen ganze Städte Japans bereits zum damaligen Zeitpunkt eine eklatante Verletzung des geltenden Völkerrechts darstellte.

„Die Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki wird oft als schrecklicher, aber notwendiger Schlusspunkt des Zweiten Weltkriegs dargestellt. Diese Erzählung ignoriert eine entscheidende Tatsache: Der Einsatz von Atomwaffen war nach den damals bereits existierenden und anerkannten Normen des Völkerrechts, speziell des Kriegsvölkerrechts, illegal“, erklärt Amela Skiljan, Co-Vorsitzende von IALANA Deutschland. „Es handelte sich nicht um eine rechtliche Grauzone, sondern um einen klaren Bruch mit den fundamentalen Prinzipien der geregelten Kriegsführung.“

Schon lange vor 1945 hatte die internationale Gemeinschaft in Verträgen und im Völkergewohnheitsrecht klare Grenzen für die Wahl der Kriegsmittel statuiert. In der Petersburger Erklärung von 1868 einigten sich die europäischen Staaten dahingehend, dass der Einsatz von Waffen, die unnötiges Leid verursachen, verboten ist. Dieser Grundsatz wurde in weiteren völkerrechtlichen Verträgen ausgeweitet und so zu Völkergewohnheitsrecht. Dazu zählt die Haager Landkriegsordnung (1899, ergänzt 1907). Sie hältin Artikel 22 fest, dass die Kriegsparteien „kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes“ haben. Artikel 25 verbietet den Angriff auf unverteidigte Städte, und Artikel 27 fordert den Schutz von zivilen und medizinischen Einrichtungen. Der Einsatz einer Waffe, die ganze Städte auslöscht und Generationen schädigt, ist mit diesen Prinzipien unvereinbar.

Der gewohnheitsrechtlich gültige Entwurf zum Luftkriegsrecht von 1922 bestimmt in Artikel 22: Luftbombardement zum Zwecke der Terrorisierung der Zivilbevölkerung, der Zerstörung oder Beschädigung privaten Eigentums, das nichtmilitärischen Charakter trägt, oder der Verletzung von Nichtkombattanten ist verboten.

Auch weitere völkerrechtliche Verträge, die 1945 schon galten, untermauern die Rechtswidrigkeit der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Die Genfer Abkommen von 1864, 1906 und 1929 etablierten den allgemeinen Schutz von Kriegsopfern und Kampfunfähigen. Das Genfer Giftgasprotokoll von 1925, das den Einsatz von chemischen und bakteriologischen Waffen verbietet, dient als wichtiger Vergleichsmaßstab: Die Wirkung der radioaktiven Strahlung ist in ihrer Grausamkeit und Langfristigkeit mit der von Giftgas nicht nur vergleichbar, sondern sogar gravierender.

Im wegweisenden Shimoda-Urteil vom 7.Dezember 1963 kam auch das Landgericht Tokio zu dem Schluss, dass die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki nach den damals geltenden Regeln der Luftkriegsführung eindeutig völkerrechtswidrig war.

Ein bis heute nicht geahndetes Kriegsverbrechen

Am 8. August 1945 – zwei Tage nach Hiroshima und einen Tag vor dem Abwurf der Atombombe auf Nagasaki – unterzeichneten die Alliierten das Londoner Statut für den Internationalen Militärgerichtshof (IMT). Dieses Statut definierte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für die deutsche und japanische Führungspersonen in Nürnberg und Tokio zur Verantwortung gezogen wurden. In Artikel 6 werden unter Kriegsverbrechen, also der Verletzung der Kriegsgesetze oder -gebräuche, u.a. aufgeführt: „die mutwillige Zerstörung von Städten, Märkten oder Dörfern oder jede durch militärische Notwendigkeit nicht gerechtfertigte Verwüstung“. Die in Nürnberg etablierten Prinzipien gelten als universelles Gewohnheitsrecht und hätten auch auf die Verantwortlichen für die Atombombenabwürfe Anwendung finden müssen. Wie der amerikanische Chefankläger Robert H. Jackson zu Beginn des Nürnberger Prozesses feststellte: „Wir dürfen nie vergessen, dass der Maßstab, nachdem wir diese Angeklagten beurteilen, der Maßstab ist, nachdem die Geschichte uns morgen beurteilen wird.“

Die weitere Entwicklung des Völkerrechts nach 1945 hat diese Einschätzung nur verfestigt. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat in einer Reihe von Resolutionen, insbesondere der Resolution 1653 (XVI) von 1961, den Einsatz von Atomwaffen als „Verbrechen gegen die Menschheit und die Zivilisation“ und als Verletzung der UN-Charta bezeichnet. Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) von 1996 hat bestätigt, dass nicht nur der Einsatz, sondern bereits die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen grundsätzlich völkerrechtswidrig ist. Die erwartbaren schrecklichen globalen Wirkungen auch eines begrenzten Einsatzes von Atomwaffen haben 2017 dazu geführt, dass 122 Staaten den Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen, um das „Nie wieder Hiroshima und Nagasaki“ zu stärken.

„Die 80 Jahre seit Hiroshima und Nagasaki sind eine Mahnung. Die völkerrechtliche Verurteilung des Einsatzes von Atomwaffen ist heute stärker denn je und schließt auch die menschenrechtliche Dimension mit ein, die 1945 rechtlich noch nicht verankert war“, so Heiner Fechner, Co-Vorsitzender der IALANA Deutschland, abschließend. „Wir fordern die Staatengemeinschaft und speziell die deutsche Bundesregierung auf, sich auf diese rechtlichen und humanitären Grundlagen zu besinnen und den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterstützen und umzusetzen. Ein derartiges Verbrechen gegen die Menschlichkeit darf sich niemals wiederholen. Dazu bedarf es konkreter Schritte.“

IALANA Deutschland fordert von der Bundesregierung

  • Hilfe für Opfer von Atombombeneinsätzen
  • die Beendigung der nuklearen Teilhabe, insbesondere die Einstellung des Übungsbetriebs zum Einsatz von Atomwaffen durch das Taktische Jagdbombergeschwader 33 der Bundesluftwaffe, die Beendigung der Lagerung von US-Atomwaffen in Deutschland und die Einstellung der Beteiligung an Atomwaffenübungen
  • die Unterstützung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV).

Eine Bewahrung der Menschheit vor der Geißel des Krieges kann es nur ohne Atomwaffen geben.

Quelle: Presseerklärung IALANA

Beitragsbild: Logo IALANA

IALANA fordert: Keine Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland

25. März 2025

Die USA und Deutschland haben am 10. Juli 2024 am Rande des Washingtoner NATO-Gipfels erklärt, zur Stärkung der Abschreckung Russlands ab 2026 weitreichende, konventionelle US-amerikanische Waffensysteme wie Raketen des Typs Standard Missile 6 (SM 6), Marschflugkörper des Typs Tomahawk und hypersonische (die fünffache Schallgeschwindigkeit übertreffende) Waffen in Deutschland zu stationieren.[i] In der gemeinsamen Erklärung wird das operative Konzept der Stationierung, die Anzahl und die Reichweiten der genannten Systeme nicht erläutert. Nach Medienmeldungen sollen diese Mittelstreckenraketen im Falle eines befürchteten Atomkriegs die – Westeuropa bedrohenden – Atomraketen Russlands konventionell zerstören. Die Reichweiten der Systeme werden angegeben: Tomahawk-Marschflugkörper 1.700 km, die noch in der Entwicklung befindliche SM6 1.600 km mit 6.200 km/h und die ebenfalls noch zu entwickelnde hypersonische Dark Eagle bei einer Geschwindigkeit von etwa 21.000 km/h mit mindestens 2.500 km. Die Vorwarnzeit beim Dark Eagle wird 6 Minuten betragen.

Die Bundesregierung hat es unterlassen, die Öffentlichkeit zuvor über die geplante Stationierung zu informieren. Eine öffentliche Diskussion über die Stationierung konnte es deshalb in Deutschland nicht geben. Anders als beim NATO-Nachrüstungsbeschluss von 1979 gibt es keine gemeinsame Entscheidung der NATO-Partnerländern, keine Debatte und keinen Beschluss des Bundestags. Bei der deutsch-US-amerikanischen Verlautbarung handelt sich erklärtermaßen nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern nur um eine „gemeinsame Erklärung“. Das entspricht der Nuklearstrategie der NATO, die ebenfalls nicht auf Vertrag, sondern nur auf Absprachen der Nato-Mitgliedsländer beruht. Sie ist laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. 11. 2001 weder ein förmlicher noch ein konkludent zustande gekommener Vertrag.[ii]

  • Mit der Stationierung der Mittelstrecken-Raketen stellt sich die existentielle Frage der Auslösung eines Nuklearwaffen-Kriegs und der Beteiligung Deutschlands daran. In derartigen Fällen erfordert die Wesentlichkeitsdoktrin des Bundesverfassungsgerichts[iii] zwingend ein förmliches Gesetzgebungsverfahren. Diese Doktrin wurde vom Bundesverfassungsgericht entwickelt und besagt, dass der Gesetzgeber staatliches Handeln von grundlegender Bedeutung durch ein förmliches Gesetz legitimieren muss. Grundlage der Theorie ist die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes sowie der im Demokratieprinzip verankerte Parlamentsvorbehalt. Danach dürfen Regierung und Verwaltung nur tätig werden, wenn sie dazu durch ein formelles Gesetz ermächtigt worden sind. Alles, was für die Ausübung der Grundrechte wesentlich ist, unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes.[iv] Weil der Einsatz von Mittelstreckenraketen zur Abwehr von Atomraketen einen Atomkrieg auslösen könnte, an dem Deutschland beteiligt wäre, ist in dieser existentiellen Frage die Zustimmung des Bundeskanzlers zur Raketen-Stationierung ohne Gesetzgebungsverfahren verfassungswidrig.[v] Im Außenverhältnis zu den USA dürfte die Erklärung jedoch völkerrechtlich wirksam sein, weil der Bundeskanzler als Regierungschef gemäß Art 7 Abs. 2 des Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge kraft seines Amtes als berechtigt galt, derartige Erklärungen für Deutschland abzugeben. Die Erklärung kann jedoch beim Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig angefochten werden.
  • Die anderen NATO-Staaten sind an der bilateralen Entscheidung nicht beteiligt worden. Damit verstoßen Deutschland und die USA gegen den NATO-Vertrag. In dessen Präambel haben sie sich verpflichtet, „ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu vereinigen.“ In Art. 4 NATO-Vertrag haben sich die Partnerstaaten verpflichtet, sie würden „einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sind.“ Die unterlassene Absprache mit den Verbündeten lässt den Schluss zu, dass zumindest einige Partnerländer nicht mit der Stationierung einverstanden sind.
  • Da die US-Raketen nicht im Rahmen des strategischen Konzeptes des NATO-Bündnisses stationiert werden sollen, stellt sich die Frage nach der Verantwortung für Einsatzentscheidungen. Es ist davon auszugehen, dass die Einsatzbefehle – wie bei der nuklearen Teilhabe – von der US-Regierung gegeben werden und die Bundesregierung – wenn die Zeit dafür ausreicht – Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Die mit der Stationierung verbundene Übertragung von Hoheitsrechten auf die USA darf gemäß Art. 59 Abs. 2 GG nur durch ein Bundesgesetz erfolgen. Auch deshalb ist die gemeinsame Erklärung verfassungswidrig.[vi]
  • Der Einsatz der in Deutschland stationierten konventionellen Mittelstreckenraketen dürfte mit dem Grundgesetz kaum vereinbar sein. Denn im Falle einer atomaren Auseinandersetzung macht es militärisch keinen Sinn, die russischen Atomraketen erst nach ihrem Start anzugreifen. Militärisch sinnvoll ist der Einsatz der Raketen nur, wenn er den Start der russischen Atomraketen verhindern kann. In diesem Fall würde Deutschland jedoch russisches Staatsgebiet angreifen, ohne zur Verteidigung berechtigt zu sein. Eine „präventive Verteidigung“ ist weder mit Art. 51 UN-Charta noch mit einer gewohnheitsrechtlichen Entsprechung vereinbar.[vii]
    Auch die sogenannte präemptive Verteidigung im Falle eines vermuteten bevorstehenden russischen Angriffs wäre eine Ausweitung des Selbstverteidigungsrechts und würde das Gewaltverbot der UN-Charta untergraben. Gemäß Art. 51 UN-Charta ist Selbstverteidigung nur gegen einen unmittelbar drohenden Angriff erlaubt.[viii]
  • Hinweise darauf, dass die für die Stationierung in Deutschland vorgesehenen Mittelstreckenraketen mit nuklearen Sprengköpfen ausgerüstet werden sollen, gibt es derzeit nicht.[ix] Wenn das der Fall wäre, würde Deutschland den Zustand herstellen, der 1979 durch die sog. Nachrüstung mit Pershing II und Cruise Missiles entstand. Die seinerzeit dadurch ausgelösten massenhaften Proteste der bundesdeutschen Bevölkerung trugen dazu bei, dass einige Jahre später mit dem INF-Vertrag alle atomaren Mittelstreckenraketen abgerüstet wurden.
  • Die Stationierung der Mittelstreckenraketen stellt potentielle Gegner vor unlösbare Probleme. Denn nach dem Start einer Rakete ist für die gegnerische Abwehr nicht erkennbar, ob diese einen nuklearen oder einen konventionellen Sprengkopf trägt. Auch vor Ort lässt sich die Art der Bewaffnung nur durch lokale Vor-Ort-Inspektionen sicherstellen.[x] Für die russische Raketenabwehr ist damit die Gefahr einer Fehleinschätzung erheblich. Sie könnte zu einer unbeabsichtigten Eskalation und zum atomaren Schlagabtausch führen.
  • Aus russischer Sicht bedrohen die für die Stationierung vorgesehenen Mittelstreckenraketen wegen ihrer großen Reichweite und der kurzen Vorwarnzeiten Ziele in Russland. Wegen der zu erwartenden Gegenstationierung russischer Raketen erhöht sich aufgrund der kurzen Vorwarnzeiten von wenigen Minuten die Gefahr eines Atomkrieges erheblich.[xi]
  • Die Begründung der Bundesregierung, die Stationierung schließe eine „Fähigkeitslücke“, ist falsch und dient der Irreführung der Bevölkerung. Schon jetzt ist es möglich, wichtige operative Ziele in Russland durch von Flugzeugen abgefeuerten Luft-Boden-Raketen zielgenau abzudecken.[xii] Zudem sind die atomaren Trident-Raketen auf den 14 Booten der Ohio-Klasse der US-Marine in der Lage, an jedem beliebigen Ort der Welt zielgenaue Atomschläge durchzuführen. Die Stationierung der konventionellen Mittelstrecken-Raketen lässt befürchten, dass diese dazu dienen sollen, Deutschland enger an die USA zu binden und in deren Konflikte einzubinden.

Die beabsichtigte Stationierung setzt eine neue Aufrüstungsspirale in Gang und verändert wegen der kurzen Vorwarnzeiten das strategische Gleichgewicht erheblich. IALANA fordert die Bundesregierung auf, ihre Zustimmung zu der von den USA beabsichtigten Stationierung zurückzunehmen und innerhalb der NATO auf Dialogangebote an Russland hinzuwirken, damit Abrüstungsverhandlungen zur Beendigung der immer riskanter werdenden nuklearen Abschreckung beginnen.

Die beabsichtigte Stationierung dient der Vorbereitung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges und ist geeignet einen Atomkrieg auszulösen. IALANA hat wiederholt dargelegt, dass nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 8. Juli 1996 jeder Einsatz von Atomwaffen und auch deren Androhung völkerrechtswidrig sind. Das hat auch für Waffen zu gelten, deren Einsatz zwangläufig einen Atomkrieg auslösen. Militärische Verteidigung ist nur mit Waffen erlaubt, die dem humanitären Völkerrecht entsprechen. Ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung sind die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten bislang nicht nachgekommen.


[i] Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland zur Stationierung weitreichender Waffensysteme in Deutschland; WD 2 – 047/24; Wolfgang Richter, Stationierung von U.S. Mittelstreckenraketen in Deutschland, Friedrich Ebert Stiftung, Juli 2024

[ii] BVerfG Urteil vom 22.11.2001 – 2 BvE 6/99- Rdnr. 131

[iii] BVerfGE 40, 237 (249); 49, 89 (126); 83, 130 (142, 151 f.); 95, 267 (307).

[iv] BVerfGE 47,46 ff Ziffern III, 3,5

[v] Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat sich in seiner Stellungnahme (WD 2 – 3000 – 047/24) zu den Rechtsgrundlagen der gemeinsamen Erklärung nur sehr vage geäußert: Die Rechtsgrundlagen „dürften somit auch hier wohl der NATO-Vertrag sowie der Aufenthaltsvertrag“ sein. Falsch ist seine Feststellung, dass sich die geplante Stationierung „im Rahmen des NATO-Bündnissystems abspielen“ dürfte. Das Gegenteil ist der Fall.

[vi] Der NATO-Nachrüstungsbeschluss von 1979, auf den der Wissenschaftliche Dienst Bezug nimmt, ist im Gegensatz zu der gemeinsamen Erklärung der USA und der BRD eine gemeinsame Absprache aller NATO-Mitglieder

[vii] Heintschel von Heinegg in Knut Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. § 52 RdNr.18; Michael Bothe in Wolfgang Graf Witzthum, Völkerrecht, 8. Abschnitt, RdNr. 19

[viii] Michael Bothe aaO RdNr. 19 mit weiteren Nachweisen

[ix] Moritz Kütt, W&F 4/24 S. 48 ff

[x] Moritz Kütt aaO

[xi] Wolfgang Richter aaO S. 14

[xii] Ottfried Nassauer, Nukleare Teilhabe – überholtes Konzept ohne Funktion, Bits.de 18.4.2020; Wolfgang Richter aaO. S. 13

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Quelle: IALANA

IALANA: Rechtsbruch mit Ansage – Merz will den Internationalen Strafgerichtshof im Fall Netanjahu missachten

Merz, in seiner Pose als noch nicht gewählter neuer Bundeskanzler, konstatiert in der „Jüdischen Allgemeinen“ vom 10.Februar 2025 und erneut in seiner Pressekonferenz am 24.Februar: Natürlich könne Netanjahu, sein Freund (sic!), in Deutschland ungehindert ein- und ausreisen. Er lud den mit Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zur Festnahme ausgeschriebenen israelischen Regierungschef zu einem Deutschlandbesuch ein und sagte ihm wörtlich „Mittel und Wege zu, dass er Deutschland besuchen und wieder verlassen kann, ohne dass er in Deutschland festgenommen worden ist.“

Wie der – früher auch mal strafrichterlich tätige – Rechtsanwalt das bewerkstelligen will, ließ er offen. Er weiß natürlich, dass Deutschland, gebunden an das Statut von Rom, verpflichtet ist, die Haftbefehle des IStGH zu vollstrecken. Er weiß, dass es dabei keine rechtlichen Ausnahmen gibt und auch keine Befugnis, die Begründung des Haftbefehls zu überprüfen. Er kennt das deutsche Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem IStGH von 2002. Nach § 2 des Gesetzes ist Deutschland verpflichtet, Netanjahu festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen, wie es vor kurzem mit dem früheren Ministerpräsidenten der Philippinen, Rodrigo Duterte, geschehen ist. In Deutschland ist das Bundesministerium für Justiz für die Zusammenarbeit mit dem IStGH zuständig, konkret dann die örtlich zuständige Generalstaatsanwaltschaft und das Oberlandesgericht. Weder die GenStA noch das OLG dürfen im Auslieferungsverfahren den ordnungsgemäßen Erlass des Haftbefehls überprüfen oder irgendeine Verdachtsprüfung durchführen. Auch die Vorschriften über die Immunität von Staatsoberhäuptern (§ 98 IStGHG) sind bei Völkerrechtsverbrechen – auch bei Nicht-Vertragsstaaten – nicht anwendbar. Das hat der IStGH zuletzt im Fall des Haftbefehls gegen Putin festgestellt.

Offenbar will Merz durch eine Weisung in das Festnahme- und Überstellungsverfahren eingreifen und damit die Autorität des IStGH und die Unabhängigkeit der deutschen Justiz zugleich in Frage stellen: ein vorsätzlicher und angekündigter schwerwiegender Bruch internationalen und nationalen Rechts, womöglich sogar strafbar als Strafvereitelung nach §§ 258, 258 a StGB.

IALANA sieht sich im Protest gegen Merz in einer Reihe mit angesehenen Juristen („Opportunistischer Rechtsbruch“ – Herta Däubler-Gmelin; „Rechtsbruch mit Ansage“ – Kai Ambos; „Freies Geleit mit der Brechstange“ – Max Kolter; „Zertrümmerung des Völkerrechts“ – Stephan Detjen).

Merz äußert nicht zum ersten Mal solche rechts-nihilistischen Tendenzen, wie wir sie weithin beobachten, insbesondere bei der Missachtung verbindlichen Völkerrechts. Bereits bei Erlass des Haftbefehls gegen Netanjahu u.a. hatte er erklärt, er werde alles tun, um eine Vollstreckung dieses Spruchs des IStGH abzuwenden. Der IStGH sei – erklärt er wider besseres Wissen – nur eingerichtet worden, „um Despoten und autoritäre Staatsführer zur Rechenschaft zu ziehen, nicht um demokratisch gewählte Regierungsmitglieder festzunehmen.“ Israel steht aber nicht über dem Völkerrecht, auch nicht für deutsche Politiker und ihre Staatsräson. Da Israel schwerste Völkerrechtsverbrechen in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten nicht selbst strafrechtlich wirksam verfolgt, greift die subsidiäre Zuständigkeit des IStGH.

Deutschland war führend bei der Errichtung des IStGH durch das Rom-Statut von 1998. Es hat seine völkerrechtlichen Verpflichtungen vorbildlich in nationales Recht umgesetzt durch das Völkerstrafgesetzbuch und den Gerichtshof weiterhin international gefördert. Noch am 22.Mai 2024 bekräftigte die Bundesregierung, sie werde das Gericht weiterhin unterstützen; auch im Fall eines Haftbefehls gegen israelische Politiker werde sie sich an Entscheidungen des Gerichts halten. Regierungssprecher Hebestreit damals: „Natürlich. Ja, wir halten uns an Recht und Gesetz.“

Merz dazu: „Ein Skandal“. Und auch Kanzler Scholz ging auf Abstand: die Gräueltaten der Hamas ließen sich nicht mit Israels Kriegsführung vergleichen.

Donald Trump hat den IStGH zu einer Bedrohung der Nationalen Sicherheit der USA erklärt und Sanktionen sowie persönliche Konsequenzen für seine Unterstützer angeordnet. Beschlagnahmen von Vermögen der zuständigen Ermittler und Richter sind gefolgt. Sie hätten „illegale und unbegründete Aktionen gegen Amerika und unseren engen Verbündeten Israel vorgenommen.“

Israel verweigert den Ermittlern des IStGH die Einreise, ebenso Personen, die sich öffentlich für eine Strafverfolgung von israelischen Amtsträgern wegen Völkerrechtsverstößen aussprechen. Beide Staaten sind dem Vertrag zum IStGH nicht beigetreten und bekämpfen seine Arbeit mit allen Mitteln. Der US-Kongress hat im Jahr 2002 mit dem American Service-Members Protection Act sogar beschlossen, seine Bürger notfalls mit militärischen Mitteln vor der Strafverfolgung durch den IStGH zu schützen.

Auf der Website des deutschen Außenministeriums ist dagegen zu lesen:

„Die Bundesregierung ist aktuell der zweitgrößte Beitragszahler (sc. nach Japan) zum Haushalt des IStGH und setzt sich aktiv dafür ein, dass der Gerichtshof möglichst effektiv arbeiten kann und breite Unterstützung in der Staatengemeinschaft findet. Die Bundesregierung ist überzeugt, dass der Gerichtshof im Ringen um mehr Gerechtigkeit und beim Kampf gegen die Straflosigkeit schwerster Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, einen wirksamen Beitrag leistet und dabei zunehmend universale Bedeutung und Akzeptanz als „Weltstrafgericht“ erlangt.“

IALANA -Deutschland fordert die jetzige und die künftige Bundesregierung auf, diese klare Position beizubehalten und Merz zu hindern, rechtswidrig den Haftbefehl des IStGH zu missachten.

Ein Kanzler hat bei der Amtsübernahme vor dem Bundestag nach Art. 64 GG den Eid zu leisten, dass er „das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen werde.“ Auch ist er als Teil der Exekutive nach Art. 20 Abs.3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Wir fragen die neu gewählten Abgeordneten des Bundestag: Darf jemand überhaupt Kanzler werden, der schon vorweg ankündigt, das Recht brechen zu wollen?

Quelle: IALANA DEUTSCHLAND

Weihnachtsrundbrief der IALANA

Lieber Mitglieder, Freundinnen und Freunde der IALANA,

Zyniker behaupten dieser Tage, die Eliten in NATO, Russland und Ukraine arbeiteten gerade mit Volldruck daran, die zwei zentralen Geißeln der Menschheit auf einen Schlag zu lösen. Nicht nur die Erderwärmung ließe sich mittels des nuklearen Winters stoppen, auch die immer weiter um sich greifenden Kriege könnte man von einem auf den nächsten Tag beenden. Die Rüstungsspirale dreht sich in explosionsartiger Geschwindigkeit; das Pulverfass im Nahen Osten wird kontinuierlich um neue Schlachtfelder erweitert; der seit 2023 im Sudan wütende Bürgerkrieg hat 10 Millionen Menschen in die Flucht getrieben; der Bürgerkrieg in Myanmar dauert trotz erheblicher Geländegewinne der Widerständigen gegen die Militärregierung an. Während in zahlreichen Staaten insbesondere Westafrikas mit dem Abzug französischer Truppen die postkoloniale Situation einen grundlegenden Wandel erfahren hat, dauern auch dort Bürgerkriege an, sind Menschen auf der Flucht. Dabei macht sich auch der Klimawandel als Fluchtursache immer stärker bemerkbar, einschließlich der mit ihm verbundenen Konflikte um Wasser und andere Ressourcen. Als zentrale Fluchtursache dienen aber auch Wirtschaftssanktionen, die insbesondere der Westen als kriegsbegleitende oder kriegsersetzende Mittel einsetzt und gerade Menschen im Globalen Süden in vielen Staaten das Leben unmöglich macht.

An dieser Stelle reicht es für Friedensfreundinnen und -freunde nicht, mit Karl Valentin festzustellen, „die Zukunft war früher auch besser“. Und in der Tat gibt es auch Grund zur Hoffnung für alle, die auf die Kraft des Rechts anstelle der Waffen setzen. In 2024 wurden gerade angesichts der entsetzlichen humanitären Lage in Palästina gleich mehrfach völkerrechtliche Instrumente aktiviert, um der Macht der Gewalt die Kraft des Rechts entgegenzusetzen. Die Völkermordkonvention ist erstmals im Israel-Palästina-Konflikt Gegenstand eines Verfahrens vor dem Internationalen Gerichtshof geworden, indem Südafrika am 29. Dezember 2023 ein Verfahren gegen Israel einleitete, innerhalb dessen u.a. zwei einstweilige Anordnungen gegen Israel erlassen wurden, um Verstöße gegen die Völkermordkonvention zu verhindern. Nicaragua klagte in diesem Zusammenhang vor dem IGH am 1. März 2024 gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord; die hier beantragten vorläufigen Maßnahmen gegen Deutschland, insbesondere die Waffenexporte an Israel einzustellen, den Gebrauch bereits gelieferter Waffen zur Begehung oder Unterstützung von Verstößen gegen die Völkermordkonvention zu verhindern und die Unterstützung des Palästinenserhilfswerks UNRWA wieder aufzunehmen, wurden im Eilrechtsschutz abgewiesen, während das Hauptverfahren weiterläuft. Die vielleicht größte Aufmerksamkeit erhielt schließlich der Internationale Strafgerichtshof in diesem Zusammenhang, als er am 21. November auf Antrag des Chefanklägers Khan gegen drei Hamas-Führungspersonen sowie den israelischen Premierminister Netanyahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Gallant Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Gazakrieg anordnete.

Wie bereits der Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Putin hatten diese Beschlüsse keine unmittelbare Wirkung im Sinne der Überwindung der Straflosigkeit. Sie zeigen dennoch erneut, dass das Recht insbesondere die Sprachlosigkeit angesichts erbarmungsloser Kriegslogiken durchbrechen kann, wenn entsprechende institutionelle Instrumente zur Verfügung stehen.

Uns Friedensfreundinnen und Freunden zeigt die Situation vor unserer Haustür in Europa dagegen, wie schmerzlich entsprechende wirksame völkerrechtliche Instrumente vermisst werden, die in der Lage sind, die Kriegslogik zu durchbrechen. Es fehlt weiterhin an einem Instrumentarium, das nach einem Ende des mörderischen Krieges die OSZE aktualisiert, Rüstungsbeschränkungen einführt und insbesondere den an Russland grenzenden Staaten und Russland selbst eine hinreichende Sicherheit der Achtung der Grenzen sowie des Rechts auf Selbstbestimmung und Nichtintervention gewährleistet, um die aktuelle Kriegs- und Rüstungslogik zu durchbrechen.

Die IALANA hat in diesem Jahr mit zahlreichen Erklärungen und auf Veranstaltungen auf diese Entwicklungen reagiert und zugleich eigene Positionen geschärft. Zum Krieg zwischen Israel und der Hamas haben wir erstmals mit einer Erklärung vom 11. Januar Stellung genommen, in der wir uns völkerrechtlich mit den Handlungen und Positionen der Hamas, Israels und Deutschlands auseinandergesetzt haben. Uns ging es dabei darum, einen Beitrag zu leisten, um die Debatte zu versachlichen und rechtliche Mittel zur Beendigung des Krieges in den Mittelpunkt zu stellen. Daran anknüpfend veröffentlichten wir am 30. April gemeinsam mit dem RüstungsInformationsBüro RIB eine Pressemitteilung, in der wir im Lichte der Entscheidung des IGH im Verfahren Nicaragua v Deutschland den sofortigen Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel forderten.

Ein zentrales Thema unserer Arbeit in diesem Jahr war das Thema Atomwaffen, zu dem wir eine ganze Reihe von Aktivitäten entfalteten. Kern unserer Arbeit bleibt ein beständiges Erklären und Beharren auf Recht, etwas was sich die Politik nicht leisten muss. So haben wir die Unrechtmäßigkeit einer wie auch immer ausgestalteten nukleare Teilhabe der EU erläutert und im Zuge des 79. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki die generelle Inkompatibilität von Atomwaffen und Recht herausgearbeitet. Diese immer wiederkehrende Basisarbeit und -argumentation ist immens wichtig, um den Kräften, die ein Beharren auf Atomwaffen propagieren, entgegenzutreten. Wie kommen wir aus der atomaren Bedrohung raus, wenn nicht über Dialog und Verhandlungen und ein Pochen auf Recht? In diesem Sinne hat die IALANA einen Diskurs innerhalb der Friedensbewegung initiiert, um weiter über humanitäres Völkerrecht, Menschenrechte, internationales Umweltrecht, spezifisches Völkervertragsrecht und Völkerstrafrecht in Bezug auf Atomwaffen aufzuklären. In einem weiteren Kolloquium werden wir uns über verfahrensrechtliche Fragen in Bezug auf Atomwaffen austauschen. Außerdem laden wir Sie herzlich zur Veranstaltung „Nukleartests und ihre Folgen – Opferschutz durch den Atomwaffenverbotsvertrag?“ ein, die wir mit Partner-Organisationen am 26. Januar 2025 ausrichten.

Nachdem sich der Problemkomplex Wirtschaftssanktionen in den letzten Jahren zu einem Schwerpunktbereich der IALANA entwickelt hat, hat die AG Sanktionen in diesem Frühjahr mit dem Dossier „Sanktionen & einseitige Zwangsmaßnahmen. Auswirkungen und völkerrechtliche Grenzen“ eine erste umfassende Ausarbeitung des Themas vorgelegt. In zehn Artikeln zeigen wir die völkerrechtlichen Grenzen von Sanktionen auf, zeichnen die institutionelle Entwicklung der Beobachtungsinstrumente der UN gerade im Menschenrechtsbereich nach und analysieren anhand von Fallbeispielen die fatalen sozialen, ökonomischen und politischen Auswirkungen von Sanktionen im Globalen Süden. Übersetzungen des Dossiers ins Englische und Spanische werden aktuell für die Veröffentlichung vorbereitet.

Einen Moment des Aufatmens und der Freude bot dieses Jahr am 24. Juni als Julian Assange endlich freikam. Ein Tag auf den wir und andere viele Jahre gewartet haben. Allerdings bleibt die Pressefreiheit weiterhin bedroht, wie wir in unserer Erklärung vom 28. Juni erläutern. IALANA wird sich auch in Zukunft für den Schutz von Whisleblower:innen, Journalist:innen und der Pressefreiheit einsetzen. Unsere neu gestaltete Webseite ist seit dem 20. Dezember online. An diesem Projekt haben wir intern schon länger gearbeitet und freuen uns, die Ergebnisse mit Ihnen teilen zu können. Wir haben das Design geändert, die Technik auf den neusten Stand gebracht und die gesamten Daten der Website – über 2000 Beiträge – neu sortiert und besser auffindbar gemacht. Wir erhoffen uns eine benutzerfreundlichere Website anbieten zu können, in der die Arbeit der IALANA leicht auffindbar ist. Die Website ist weiter in Bearbeitung und wird in den nächsten Wochen verfeinert und weiter verbessert.

Leider waren nicht alle Ereignisse in diesem Jahr erfreulich. Am 18. September ist Dr. Peter Becker, IALANA Gründungsmitglied, langjähriger Vorsitzender und Ehrenvorsitzender von uns gegangen. Damit verloren wir nicht nur einen Mitstreiter, sondern auch eine Inspirations- und Wissensquelle. Peter hat die IALANA und unsere Aktivitäten der letzten Jahrzehnte maßgeblich mitgestaltet. Eine kurze Übersicht von Peters Wirken können Sie unserem Nachruf entnehmen.

Obwohl wir Peter vermissen, werden wir in seinem Sinne weitermachen. Die IALANA wird sich auch in Zukunft für eine friedliche, konfliktfreie Welt einsetzten – eine Welt, die der Gefahr von Atomwaffen nicht ausgesetzt ist; eine Welt, in der Konflikte friedlich gelöst werden; eine Welt, in der die Stärke des Rechts zählt und nicht das Recht des Stärkeren.

Wir laden Sie herzlich ein, uns auf diesen Weg zu begleiten und zu unterstützen. Wir freuen uns über jede und jeden, die unserem Verein beitreten und/oder in unseren AGs mitwirken möchte, uns beim Verbreiten unserer Argumente und Expertise helfen möchte. Wir bitten Sie herzlich uns erneut durch Spenden finanziell zu unterstützen und uns durch Ihr Mitwirken, Ihre Gedanken und Ihre Ideen zu bereichern und breiter aufzustellen. Für jede kleine oder große Unterstützung sind wir Ihnen sehr dankbar. Spenden an die IALANA sind steuerrechtlich absetzbar.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien erholsame Feiertage und ein – hoffentlich –  friedlicheres neues Jahr!

Quelle: Amela Skiljan und Heiner Fechner

Ko-Vorsitzende IALANA Deutschland e.V.

Einladung für den 26.1.25 ab 11:30 in Berlin

Vereinigung für Friedensrecht – Deutsche Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear ArmsAbmelden   |   Verwalte dein Abonnement   |   Online ansehen

Marienstraße 19/20 10117 Berlin

IALANA: Erklärung zur Freilassung von Assange

Licht und Schatten:  Assange kommt endlich frei – die Pressefreiheit ist weiter bedroht

Die Reaktionen auf die Fotos, die zeigten, wie Assange am 24.Juni 2024 als freier Mann ein Flugzeug Richtung Australien besteigt, waren überwältigend. Ein Aufatmen ging um die Welt. Glücklich seine Frau Stella und die Familie, fast ungläubig zunächst die Medien, rundum erleichtert und jubelnd über ihren Erfolg die große internationale Solidaritätsbewegung, die hartnäckig und über mehr als einem Jahrzehnt die Freilassung von Assange gefordert hatte.

Was hatte den Ausschlag gegeben, nachdem jahrelang alle Appelle an der unerbittlichen US-Regierung und der ihr willfährigen britischen Justiz scheinbar abgeprallt waren?  Die nicht endenden Enthüllungen machten einen fairen Prozess unmöglich: Die vollständige akustische und optische Überwachung auch von Verteidigergesprächen in der ecuadorianischen Botschaft durch den US-Geheimdienst, die Vorbereitung der Entführung Assanges aus der Botschaft oder gar seine Vergiftung unter Beteiligung höchster US-Instanzen, der Deal mit der neuen Regierung von Ecuador, Assange unter Missachtung aller Rechte in der Londoner Botschaft auszuliefern, bis hin zur Beschaffung von Belastungszeugen gegen Geld und Straferlass für unzutreffende angebliche Delikte Assanges hätten eigentlich zur Einstellung des Verfahrens führen müssen. Trotz dieser Skandale betrieben die USA ungerührt weiter die Auslieferung.

Die britische Justiz ihrerseits sorgte dafür, dass sich das Auslieferungsverfahren unerträglich hinzog. Assange saß Monat um Monat und Jahr um Jahr in Belmarsh in Einzelhaft. Er war aus dem Verkehr gezogen, Wikileaks war entscheidend geschwächt. Ohne Urteil in einem Strafverfahren saß er im Auslieferungsverfahren das von den USA beabsichtigte „Lebenslang“ im Hochsicherheitsgefängnis unter besonders belastenden Bedingungen ab.  Die Sorgen um die Gesundheit Assanges, der als kranker Mann in Belmarsh eingeliefert worden war, wuchsen. Bemühungen um Haftverschonung aus medizinischen Gründen scheiterten. Die britische Justiz nahm die drohende Gefahr, dass Assange in der Haft sterben könnte, ungerührt zur Kenntnis.

Die Solidaritätsbewegung mit Assange wuchs jedoch angesichts der skandalösen Vorgänge in Belmarsh und im Auslieferungsverfahren weiter rasch an. Zunehmend wurden die Journalistenvereinigungen im Protest aktiver. Schließlich erklärten auch die großen internationalen Zeitungen, die einst mit Assange zusammen die von der Whistleblowerin Chelsea Manning beschafften Dokumente bearbeitet und veröffentlicht hatten, ihren Protest gegen die Kriminalisierung der investigativen Presse und ihre Sorge um Assange und die Pressefreiheit. Damit war der Versuch der USA, Assange die Journalisten-Eigenschaft abzuerkennen und ihn zum bloßen Hacker herabzuwürdigen, gescheitert.

Ohne die immer neu bestätigte Solidarität der großen internationalen Bewegung für die Freiheit von Julian Assange wäre es zur jetzigen Lösung nicht gekommen. Bitter stimmt allerdings, dass offenbar wahlstrategische Erwägungen Bidens und vermutlich auch das starke Drängen der neuen australischen Regierung als wichtiger Partner im Bündnis gegen China mit ursächlich waren, das Fenster für den jetzigen Deal mit der Verteidigung von Assange zu öffnen. Der australischen Regierung ist jedoch nur zu danken. Vermisst haben wir schmerzlich eine entsprechende klare diplomatische Initiative der Bundesregierung. Sie hat geschwiegen, wie schon in den Fällen ihrer eigenen Staatsbürger Khaled al-Masri und Murat Kurnaz. 

Assange selbst und seiner Familie ist zu wünschen, dass er sich jetzt von den Strapazen der letzten Jahre rasch erholen kann.

Verbreitet wird aber auch Kritik laut. Hat Assange für seine Freiheit die Freiheit der investigativen Presse geopfert? Hat er mit seinem Deal die Anwendung des Spionage Acts präjudiziert?  Wir denken: Nein. Eine von der Exekutive abgenötigte Erklärung kann solche Wirkung nicht haben. Sie hat auch nicht den Wert eines Gerichtsurteils.  Assange hat seine grundlegenden Überzeugungen mit Sicherheit nicht geändert – ebenso wie Galileo Galilei, als er im 17.Jahrhundert von der päpstlichen Inquisition unter Androhung des sonst zu erwartenden Todesurteils zum Anerkenntnis gezwungen wurde, die Erde bewege sich nicht (sc. um die Sonne), nach Verurteilung zu lebenslanger Haft, beim Verlassen des Saales gemurmelt hat „und sie bewegt sich doch“. – Assanges gereckte Faust bei seinen ersten Schritten in Freiheit heißt deutlich: der Kampf geht weiter. 

Die Bedingungen konnte sich Assange nicht aussuchen. Sie sind eher ein Offenbarungseid für die US-Regierung: die Geheimdienste der USA erzwangen unter Bruch der Presserechtsgarantien der Verfassung die gesetzwidrige jahrelange Haft eines Redakteurs, dasselbe getan hatte, was andere investigative Redakteure täglich tun: Materialien eines Whistleblowers sichten, auf Echtheit prüfen, bearbeiten und bei Relevanz für die Allgemeinheit zu veröffentlichen. 

Einmal mehr demonstrierten die USA ihre Macht, jeden weltweit zu verfolgen und abzustrafen, der ihnen in die Quere kommt. Dabei machen sie seit Trumps Präsidentschaft keinen Unterschied mehr, ob es sich um Whistleblower handelt, die sich durch die Weitergabe geheim gehaltener Materialien möglicherweise strafbar gemacht haben, oder Redakteure, die ohne Gesetze zu verletzen, diese Materialien veröffentlichen. Seit Obama nutzen sie dazu den Espionage Act von 1917, ein Ausnahmegesetz mit drastischen Strafandrohungen, das rechtsstaatlichen Kriterien Hohn spricht.  

Es kommt jetzt darauf an, die presserechtlichen Garantien, die der Supreme Court der USA im Fall der Veröffentlichung der Pentagonpapiere 1971 bestätigt hat, erneut entschieden zu verteidigen. Der erste Zusatzartikel zur US-Verfassung von 1791 verlangt: „Der Gesetzgeber („Congress“) wird kein Gesetz erlassen, …das die Freiheit der Presse beeinträchtigt oder verkürzt.“ Weiter ist im Strafgesetzbuch klargestellt, dass „nichts in diesem Gesetz“ dazu verwendet werden darf, um „militärische oder zivile Zensur zu etablieren oder in irgendeiner Weise die verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Presse oder die Redefreiheit zu begrenzen oder zu verletzen“. 

Aktuell gehen die Bedrohungen für Whistleblower und Journalisten im Wesentlichen von zwei Faktoren aus. Zum einen von der trotz der Snowden-Enthüllungen weiter praktizierten Entschlüsselung und Abschöpfung aller Kommunikationsdaten durch die Geheimdienste, wodurch auch investigative Journalisten und ihre Kontakte zu Whistleblowern erfasst werden. Zum anderen ist das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten hinsichtlich ihrer Quellen in den USA bisher bundesgesetzlich nicht verankert. Zunehmend erzwingen nach erfolgten Leaks die Staatsanwaltschaften mit Beugehaft und Zwangsgeldern gegen die Journalisten die Offenlegung der Klarnamen und Adressen ihrer Informanten. Unlängst wurde bekannt, dass das Justizministerium Unterlagen von Journalisten beschlagnahmt hat, die für die Washington Post, CNN und die NYT arbeiteten. Der US Supreme Court hat das leider schon 1972 unter Verweis auf die gesetzliche Lücke nicht unterbunden. Seither hindern nur teilweise einzelstaatliche Normen die Staatsanwaltschaften an ihrem Vorgehen. Es ist unvermeidlich, dass dadurch auch Whistleblower abgeschreckt werden, Informationen an die Presse weiterzugeben – ganz im Sinne der Strafverfolger. 

IALANA-Deutschland unterstützt das laufende Gesetzgebungsverfahren zum „PRESS Act“, das diese Lücke schließen könnte. Im Januar 2024 wurde das Gesetz vom Repräsentantenhaus einstimmig verabschiedet. Jetzt hängt es im Senat im Justizausschuss. Es hat zum Ziel, „zur Aufrechterhaltung des freien Informationsflusses für die Öffentlichkeit angemessene Grenzen festzulegen für die staatlich erzwungene Offenlegung von Informationen, die im Rahmen der Ausübung des Journalismus erlangt wurden“ (vgl. S.2074-118. Congress (2023-2024). Ende Mai 2024 forderte eine Koalition von 132 Bürgerrechts- und Juristenorganisationen sowie Rechtsprofessoren und Medienanwälten rasch einen Termin zur Beratung anzusetzen, damit das Gesetz noch unter Biden verabschiedet werden kann. Die Freedom of the Press Foundation bezeichnete es als das „stärkste Gesetz zum Schutz der Pressefreiheit, das wir je gesehen haben“.

Quelle: Presseerklärung IALANA Deutschland

Atomwaffen für die Europäische Union – ein Verstoß gegen geltendes Recht

Erklärung der IALANA Deutschland:

Einige Politiker- und Expertenkreise haben im Vorfeld der Wahl des Europäischen Parlaments eine Diskussion um „Atomwaffen für die EU“ angestoßen. Was immer der Hintergrund dafür sein mag, IALANA betont, dass derartige Pläne. nicht nur moralisch fragwürdig sind, sondern auch geltendem Recht zuwiderlaufen.


Atomwaffen sind – wie vielfach in Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen betont – eine Bedrohung für die gesamte Menschheit und das friedliche Zusammenleben der Staaten. Ihr Einsatz ist mit unermesslichem Leid verbunden, läuft der UN-Charta zuwider und stellt ein Menschlichkeitsverbrechen dar. Der Internationale Gerichtshof hat in seinem Gutachten aus dem Jahr 1996 festgestellt, dass die Drohung mit und der Einsatz von Atomwaffen generell gegen das Humanitäre Völkerrecht verstößt. Auch in extremen Notwehrsituationen dürfen sich Staaten laut IGH-Gutachten nur mit Waffen verteidigen, welche die Bedingungen des humanitären Völkerrechts erfüllen. Atomwaffen erfüllen sie nicht. In seiner Allgemeinem Bemerkung Nr. 36 betont der Internationale Menschenrechtsausschuss die zudem aus dem Recht auf Leben resultierende Ächtung von Atomwaffen.


Ein zusätzliches völkerrechtliches Verbot des Erwerbes und Besitzes von Atomwaffen ergibt sich aus dem Nichtverbreitungsvertrag (NVV), dem alle Mitgliedstaaten der EU beigetreten sind. Der NVV verbietet zudem der Atommacht Frankreich, die in ihrem Besitz befindlichen Atomwaffen oder die Verfügungsgewalt darüber unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben. Er verpflichtet die Vertragsstaaten außerdem, in redlicher Absicht Verhandlungen über eine vollständige nukleare Abrüstung zu führen.


Auch die EU als Staatenbund hat sich 2003 im Rahmen ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) vollständig dem im NVV verankerten Nichtverbreitungsregime verpflichtet (Gemeinsamer Standpunkt 2003/805/GASP des Rates der Europäischen Union). Diese Politik der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen entspricht dem im EU-Vertrag sowie in der UN-Charta enthaltenen Friedensgebot. Für Deutschland ist das Friedensgebot zusätzlich im Grundgesetz verankert, und Deutschland hat vor diesem Hintergrund im Zwei-Plus-Vier-Vertrag noch einmal seinen Verzicht auf „Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen“ bekräftigt.

Quelle: PM IALANA Deutschland

IALANA zum Krieg zwischen Hamas und Israel

Der bewaffnete Konflikt zwischen der Hamas und Israel wurde angesichts der von der Hamas am 7. Oktober verübten Massaker zunächst vor allem emotional beurteilt. Sehr schnell kam es zu unausgewogenen Parteinahmen für eine der beiden Konfliktparteien. Das Verlangen nach Vergeltung und Rache fand viel Verständnis. Die notwendig völkerrechtliche Sicht auf das Geschehen trat in den Hintergrund. Mit der folgenden völkerrechtlichen Bewertung möchte die Juristenorganisation IALANA Deutschland einen Beitrag zur Versachlichung der Auseinandersetzung leisten. Beide Konfliktparteien verstoßen in eklatanter Weise gegen das humanitäre Völkerrecht. Geboten sind daher nicht einseitige Parteinahmen und Waffenlieferungen, sondern eine sofortige Beendigung des bewaffneten Konflikts und die Freilassung aller Geiseln. Ein Einsatz für diese Ziele entspricht der völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Verpflichtung der Bundesregierung und bietet den einzigen Schutz vor weiteren Opfern der israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung. 

  Hamas

Mit den zahlreichen grausamen Tötungen, Folterungen, Gefangennahmen und Geiselnahmen von Zivilpersonen bei dem Überraschungsangriff der Hamas auf israelische Zivilisten hat die Hamas gegen humanitäres Völkerrecht nach Art. 3 der Genfer Abkommen vom 12. August 1949[i] und Art. 4 des Zusatzprotokolls II vom 8. Juni 1977[ii] verstoßen.Diese Bestimmungen sind Völkergewohnheitsrecht geworden und unabhängig von der Unterzeichnung der Abkommen für alle Staaten verbindlich. Sie gelten in internationalen und nicht internationalen bewaffneten Konflikten. Die Genfer Abkommen untersagen in Art. 3 die Tötung, Verletzung, Folterung und Geiselnahme von Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen. Art. 32 der Vierten Genfer Konvention verbietet Tötungen, Folterungen, Verstümmelungen sowie alle anderen Grausamkeiten, nach Art. 34 sind Geiselnahmen verboten. Art. 4 des Zusatzprotokolls II bestätigt und konkretisiert diese Bestimmungen.Das geltende humanitäre Völkerecht hat seinen Ausdruck in den Strafbestimmungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ISTGH) vom 17. Juli 1998[iii] gefunden. Alle Täter und Verantwortlichen der Hamas sind wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 7 des Rom-Statuts vor Gericht zu stellen und zu bestrafen. Sie erfüllen auch die Tatbestände der Kriegsverbrechen nach Art. 8 Abs 2 a (i), (ii), (vii) und (viii). Palästina ist dem Rom-Statut 2015 beigetreten. Der ISTGH ist mithin zuständig für die von den Palästinensern begangenen Taten. Nach den bisherigen Erkenntnissen gehören die für das Massaker verantwortlichen Mitglieder der Hamas zu den Palästinensern. Es gibt keine Rechtfertigung für die Massaker an der israelischen Zivilbevölkerung. Ein Widerstandsrecht Palästinas gegen die von der UN wiederholt als völkerrechtswidrig gerügte Besetzung könnte nur unter Beachtung der Rechtsgrundsätze der Verhältnismäßigkeit und des humanitären Völkerrechts ausgeübt werden. Die grausamen Quälereien, Tötungen und Entführungen israelischer Zivilisten sind völlig unverhältnismäßig und verstoßen in schwerwiegender Weise gegen das humanitäre Völkerrecht. 

Israel

Israel reagiert auf den Angriff der Hamas mit einem militärischen Gegenangriff. Einen Tag nach dem Angriff erklärte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Kriegszustand und kündete „Vergeltung“ an; Israel werde die militärischen Strukturen der Hamas vollständig zerstören.Der israelische Verteidigungsminister erklärte, der Gaza-Streifen werde komplett abgeriegelt. Ab 8. Oktober 2023 wurden keine Lebensmittel, keine Medikamente, kein Trinkwasser, kein Treibstoff und keine Elektrizität in den Gaza-Streifen geliefert. In der Folge musste das Elektrizitätswerk in Gaza abgeschaltet werden. Seit dem 15. Oktober war eine Trinkwasser-Leitung in den Süden des Gaza-Streifens täglich einige Stunden in Betrieb, so dass Wasser nur für eine kleine Anzahl der 2,2 Millionen zählenden Bewohner und auch nur begrenzt zur Verfügung stand.Obwohl Israel vor seinem Angriff die Bevölkerung Nord-Gazas aufgefordert hat, das Gebiet zu verlassen und sich in den südlichen Teil Gazas zurückzuziehen, hat der umfassende Angriff Israels bisher weit über 20.000 palästinensische Bewohner getötet und zahlreiche Menschen verwundet. Trotz der Aufforderung an die Bewohner des Gaza-Streifens sich in den Süden zu begeben, hat das israelische Militär auch diesen Landesteil angegriffen und bombardiert. Die Wohnbesiedlung und die Infrastruktur des nördlichen Gaza-Streifens sind weitgehend zerstört worden. Auch aus dem südlichen Gaza-Streifen werden zahllose Zerstörungen gemeldet.Israel ist keinesfalls verpflichtet, den Angriff der Hamas auf israelischen Siedlungen und Menschen, die wahllose Tötung von über 1.200 Zivilisten und die Geiselnahme von 240 Bewohnern widerstandslos hinzunehmen. Zwar sieht Art. 51 UN-Charta ein Selbstverteidigungsrecht nur für Mitglieder der UN vor, also für die Notwehr von Staaten gegenüber Staaten, weil bei der Gründung der UN im Jahre 1945 ein nichtstaatlicher Angreifer kaum vorstellbar war. Der UN-Sicherheitsrat hat jedoch nach den nichtstaatlichen Terrorangriffen auf die USA am 11. September 2001 mit den Resolutionen 1368 und 1373 das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 UN-Charta anerkannt. Angesichts der weitreichenden Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft ist davon auszugehen, dass heute das Selbstverteidigungsrecht nicht auf bewaffnete Angriffe durch Staaten beschränkt ist, sondern auch auf bewaffnete Angriffe durch nichtstaatliche Akteure Anwendung findet.[iv] Demnach kann auch Israel nicht das Recht verwehrt werden, sich gegen die terroristischen Angriffe der Hamas militärisch zur Wehr zu setzen, die – soweit bekannt – von Palästinensern und aus dem palästinensischen Gebiet heraus begangen wurden.Entscheidend ist, dass Notwehr immer verhältnismäßig sein muss und die Bedingungen des humanitären Völkerrechts erfüllen muss. Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat in seinem Gutachten vom 8. Juli 1996 in Anwendung von Art. 35 und 48 des Zusatzprotokolls I[v] hervorgehoben, dass „die in einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Methoden und Mittel der Kriegsführung“ haben. Weiter: „Eine Gewaltanwendung, die nach dem Notwehrrecht verhältnismäßig ist, (muss) um rechtmäßig zu sein auch die Forderungen des für bewaffnete Konflikte verbindlichen Rechts erfüllen, was insbesondere die Grundsätze und Regeln des humanitären Völkerrechts umfasst.“[vi] Dabei ist für Israel von Bedeutung, dass die humanitären Regeln der Zusatzprotokolle auch völkergewohnheitsrechtlich gelten,[vii] und damit unabhängig sind von dem Umstand, dass Israel die Zusatzprotokolle I und II nicht ratifiziert hat.Art. 48 des Zusatzprotokolls I verlangt von den Konfliktparteien die Schonung und den Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte, insbesondere die Unterscheidung zwischen der Zivilbevölkerung und Kombattanten sowie zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen. Verboten sind u.a. unterschiedslose Angriffe, Angriffe auf Krankenhäuser und Kollektivbestrafungen wie das Aushungern der Zivilbevölkerung oder die Blockade von zentralen Versorgungsgütern. Eine Vertreibung der Zivilbevölkerung ist auch in Form einer Evakuierung völkerrechtlich unzulässig. Die Aufforderung zur Evakuierung der Zivilbevölkerung führt nicht zum Verlust des Schutzstatus, wenn Bewohner ihr Wohngebiet dennoch nicht verlassen.„Das vorsätzliche Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung durch das Vorenthalten der für die lebensnotwendigen Gegenstände, einschließlich der vorsätzlichen Behinderung von Hilfslieferungen“ ist ein Kriegsverbrechen nach Art. 8 Abs. 2b xxv des Römischen Status des Internationalen Strafgerichtshofs.[viii] Auch vorsätzliche Angriffe auf Krankenhäuser sind Kriegsverbrechen nach Art. 8 Abs. 2b xxiv und Abs. 2e ii. Vorsätzliche Angriffe auf Wohnstätten und Gebäude, die nicht militärische Ziele sind, gelten gem. Art 8 Abs. 2b v als strafbare Kriegsverbrechen. Israel hat sich entschlossen bei der Bekämpfung der – inmitten der Zivilbevölkerung und teils in Tunneln unter ihr lebenden und agierenden – Hamas durch Zerstörung der Wohngebiete und der lebenswichtigen Infrastruktur des Gaza-Streifens unter Inkaufnahme zahlloser ziviler Opfer militärisch vorzugehen, um eigene Verluste zu minimieren. Das ist eine unverhältnismäßige Verteidigung und nicht durch Art. 51 UN-Charta gedeckt. Der Internationale Strafgerichtshof ist für die von israelischen Soldaten und Soldatinnen auf palästinensischen Gebiet begangenen Taten zuständig.Die Republik Südafrika hat am 29.12.2023 vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gem. Art. 36, 40 des IGH-Statuts Klage gegen den Staat Israel erhoben.[ix] Südafrika wirft darin Israel vor, durch seine Handlungen gegen das palästinensische Volk im Anschluss an die schwerwiegenden Angriffe in Israel am 7.10.2023 gegen das Völkerrecht zu verstoßen, insbesondere gegen die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, die am 12.1.1951 in Kraft getreten ist.[x] Südafrika beantragt beim IGH gegen Israel einstweilige Maßnahmen anzuordnen, um die Völkerrechtsverstöße zu beenden und nicht wieder gutzumachende Verluste zu verhindern. Darüber wird der IGH in Kürze entscheiden. 

Deutschland

Deutschland ist Vertragsstaat der Genfer Abkommen und der Zusatzprotokolle. Demgemäß und aufgrund der völkergewohnheitsrechtlichen Geltung ist die Bundesregierung gem. Art. 1 der Genfer Abkommen i.V. mit Art. 25 GG verpflichtet, die Einhaltung der Abkommen durchzusetzen, d.h. auch auf Israel einzuwirken, die humanitären Regeln und Beschränkungen seines Notwehrechtes einzuhalten, auf unzulässige Methoden der Kriegsführung zu verzichten und die humanitären Lebensbedingungen der Bevölkerung Gazas wie Trinkwasser, Lebensmittel und Treibstoff für lebenswichtige Einrichtungen sicherzustellen.Die Bundesregierung trifft insoweit auch die Pflicht, auf Staaten wie Katar und Ägypten einzuwirken, die Kontakt und Einfluss auf die Hamas haben, damit das Wohlergehen der Geiseln gewährleistet wird, diese freigelassen werden und der wahllose Raketenbeschuss auf Israel eingestellt wird.Statt dieser dringend notwendigen und gebotenen diplomatischen Bemühungen hat die Bundesregierung die Rüstungsexporte nach Israel verzehnfacht.[xi] Damit verstößt die Bundesregierung gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen sowie den Waffenhandelsvertrag (ATT).Als Vertragsstaat der Völkermordkonvention darf Deutschland weder gegen die Konvention verstoßen noch andere Staaten dazu ermutigen. Die Unterstützung und die Förderung solcher Verstöße sind verboten. Warnungen der Vereinten Nationen vor einem drohenden Völkermord darf die Bundesregierung nicht missachten. Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnete Gaza nach der israelischen Intervention als einen „Friedhof für Kinder.“ Wörtlich: So „sind wir Zeugen“ …“eindeutiger Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht…in Gaza.“[xii] Die UN drängt die internationale Gemeinschaft einen Genozid an den Palästinensern zu verhindern und diplomatische Lösungen in diesem Konflikt zu suchen.Es besteht Veranlassung darauf hinzuweisen, dass das außenpolitische Handeln der Bundesregierung durch die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte bestimmt sein muss, die universell gelten und nicht nur selektiv angewendet werden dürfen. Das folgt zwingend aus der Bindung der Bundesregierung an Recht und Gesetz gemäß Art 20 Abs. 3 GG.Der Vorstand der IALANA fordert die Bundesregierung auf, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und zum Schutz der Zivilbevölkerung tätig zu werden. Sie hat alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen und auf die Konfliktbeteiligten einzuwirken, damit die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht unterbleiben. Dazu gehört, bei Abstimmungen in der UN-Generalversammlung gegen die Verletzung des humanitären Völkerrechts und für einen Waffenstillstand in Gaza zu stimmen.[xiii][i] BGBl. 1954 II S. 838; internationale Quelle UNTS vol. 75, p. 31[ii] BGBl. 1990 II S. 1637; internationale Quelle UNTS vol. 1125, p. 609[iii] UN A/CONF.183/9[iv] Heintschel von Heinegg in Knut Ipsen, Völkerrecht, 6.Aufl., § 52 Rdnr. 24 m.w.N.[v] BGBl. 1990 II, S. 1551; international Quelle UNTS vol. 1125, p. 3[vi] I.C.J. Reports 1996 (I) p.257 para 42[vii] I.C.J. Reports 2004, p. 136, para 157[viii] UNTS 2187, S.31[ix] https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/192/192-20231228-app-01-00-en.pdf  [x] BGBl. 1954 II S. 730, internationale Quelle UNTS vol. 78, p.277; für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 22.2.1955; heute 150 Vertragsparteien[xi] https://www.tagesschau.de/inland/israel-deutschland-ruestungsexporte-100.htm[xii] UNSG, Secretary-General’s remarks to the Security Council – on the Middle East [as delivered] (24 Oct 2023).[xiii] Mit der Resolution vom 12.12.2023 hat die UN-Vollversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit einen Waffenstillstand zur Verbesserung der humanitären Situation im Gazastreifen und die sofortige Freilassung der Geiseln verlangt. Deutschland enthielt sich der Abstimmung, weil das kriegsauslösende Massaker der Hamas in der Resolution nicht erwähnt wird.

Quelle: Erklärung der IALANA

Weihnachtsrundbrief der IALANA

Liebe Mitglieder, Freundinnen und Freunde der IALANA,

die vergangenen zwei Jahre haben uns schmerzlich ins Gedächtnis gerufen, dass in der Gegenwart Kriege nicht mehr gewonnen werden können, sondern von allen Beteiligten verloren werden. Nimmt man Rüstungsunternehmen und ihre Anteilseigner:innen einmal aus. Zahllose Menschen haben in der Ukraine, in Israel, in Palästina, aber auch im Jemen, Kamerun, in Südsudan, Armenien/ Aserbaidschan und an anderen Kriegsschauplätzen auf Seiten aller Beteiligten ihr Leben verloren. Natur und Umwelt werden dabei vernichtet, Kulturen und gewachsene Gemeinschaften zerstört, Vertikalität von Macht und damit der Gegenpol von Demokratie gestärkt. Mit dem Vormarsch des Militarismus, des globalen Wachstums radikal rechter Kräfte samt Forderungen nach Rückbau des Sozialstaates, und zunehmendem Rassismus, fühlen sich viele an die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts erinnert – mit zwei wesentlichen Unterschieden: damals war der Klimawandel noch kein Thema und es gab noch keine Atomwaffen.

Ein Fest des Friedens?

Wenngleich die genannten Umstände es schwer machen, das diesjährige Weihnachtsfest als Fest des Friedens und der Besinnlichkeit zu genießen, bietet es doch gerade aus juristischer Perspektive vielerlei Anlass zum Reflektieren der Umstände, und zur juristischen Intervention. Nicht zuletzt die genannten (und ungenannten) Kriege verlangen nach Benennung und Verfolgung der Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte durch alle verantwortlichen Akteur:innen. Sie weisen aber auch darauf hin, dass unsere regionalen und globalen Friedensordnungen in den letzten Jahrzehnten nicht aktualisiert und ausgebaut, sondern sukzessive geschwächt wurden.

Weder die NATO-Osterweiterung noch das Aufschieben einer nachhaltigen völkerrechtlichen Lösung für die besetzten palästinensischen Gebiete haben Frieden, Sicherheit und die Vormachtstellung des Rechts gestärkt. Wer diese Defizite beklagt, muss aber schließlich auch völkerrechtliche Vorschläge entwickeln, die es überhaupt erst wieder ermöglichen, die Bearbeitung der entscheidenden Frage der Menschheit in den Mittelpunkt zu stellen: eine nachhaltige Friedensherstellung und -sicherung. Dies geht aber nicht ohne die Einhaltung und Stärkung des Völkerrechts, eine atomwaffenfreie Welt, aber nicht zuletzt auch nicht ohne die Berücksichtigung des Klimawandels und seiner Folgen für den globalen Frieden, Menschenrechte und Teilhabemöglichkeiten. An diesen Fragen haben wir auch im letzten Jahr nach Kräften gearbeitet. Denn wir glauben, dass sowohl im Ukrainekrieg als auch in Israel/ Palästina die Zeit des Völkerrechts, der Erarbeitung dauerhafter Lösungen geschlagen hat. Wer sich hier angesprochen fühlt, ist von Herzen eingeladen, sich in die IALANA einzubringen! Sprecht uns gern an, wenn Ihr noch nicht wisst, wie!

Veranstaltungen für Frieden und Rechtsstaatlichkeit

Das Jahr 2023 begann für uns mit einer gleichermaßen spannenden und gut besuchten Veranstaltung zur Frage „Muss Deutschland an Griechenland Reparationen zahlen? Alles erledigt oder Neustart für eine faire Regelung?“, die am 25. Januar in Berlin stattfand. Ausführlich kommentiert von MdB Gregor Gysi stellte der griechische Journalist Aris Radiopoulos, Autor einer aktuellen Forschungsarbeit zu Dokumenten des griechischen Außenministeriums und Diplomat, seine Kritik am Umgang der Bundesrepublik mit den Entschädigungsfragen im Zusammenhang mit schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Griechenland vor. Hängen geblieben (und auf youtube nachzuhören) ist u.a. der Eindruck, dass angesichts vieler völkerrechtlicher Baustellen aus pragmatischer Perspektive Griechenlandhilfen in Form vereinfachter und kostengünstigerer Kreditvergabe erfolgversprechender sind als der wiederholte Gang vor die Gerichte.

Am Vorabend unserer Mitgliederversammlung gelang es Prof. Dr. Wolfgang Däubler, in Bremen in einem mitreißenden Vortrag das insbesondere von Gerhard Baisch und Bernd Hahnfeld aus dem IALANA-Vorstand (sowie Hartmut Graßl und Angelika Hilbeck von der VDW) mitverantwortete Buch „20 Jahre Whistleblower-Preis. Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen?“ vorzustellen. Kernfragen des Buches und der aktuellen Debatte um den Schutz von Whistleblowern wurden im Anschluss daran in einer gleichermaßen packenden Podiumsdiskussion diskutiert.

Mitglieder und Aktive der IALANA organisierten auf dem Symposium zum 40-jährigen Bestehen der von der IALANA mitherausgegebenen Zeitschrift Wissenschaft und Frieden gleich mehrere Veranstaltungen. Die Sprecherin des Arbeitskreises Sanktionen Kornelia Kania sowie die AK-Mitglieder Wiebke Diehl und Helmut Lohrer stellten dort zentrale Kritikpunkte an der westlichen Sanktionspraxis aus völkerrechtlicher, wissenschaftlicher und friedenspolitischer Perspektive einem größeren Publikum vor. Unserem Vorstandsmitglied Bernd Hahnfeld gelang es, ebenfalls auf dem W&F-Symposium in einem Seminar umfassend das Thema Atomwaffen und Menschenrechte zu besprechen.

Interventionen durch geschriebene Worte

Der IALANA Vorstand brachte sich mit Stellungnahmen zu aktuellen Diskussionen ein, beispielsweise zur Lieferung von Streumunition an die Ukraine oder zur Stationierung von Atomwaffen in Belarus. Unsere Einreichungen beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bezog sich auf Atomwaffen und Menschenrechte. Auch zur 2. Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags reichten wir eine Stellungnahme ein.

Ferner verfasste Amela Skiljan den Artikel „Die militärischen Unterstützungsleistungen an die Ukraine im Lichte des Neutralitätsrechts“ und es wurde der Artikel „Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. Das völkerrechtliche Neutralitätsrecht im Lichte des Grundgesetzes“ (Skiljan/Fechner) im Grundrechtereport 2023 veröffentlicht. Intensive inhaltliche Diskussionen zu Neutralitätsrecht wurden innerhalb des Vorstandes sowie in bilateralen Gesprächen – auch mit Beiratsmitgliedern – geführt.

Sehr froh und sehr stolz sind wir über die kürzlich veröffentlichte Broschüre „Richter-Blockade 1987 in Mutlangen“. Sie soll einen Beitrag zum kollektiven Gedächtnis der Friedensbewegung leisten und Mut machen für aktuelle Herausforderungen. Bernd Hahnfeld gibt uns Einblicke in die jahrelange Geschichte richterlichen Protestes gegen die Stationierung von Pershing II-Raketen und Cruise Missiles und berichtet von der Blockade, die am 12.01.1987 in Mutlangen stattfand. An jenem Tag „fanden sich bei Sonnenschein, aber minus 20 Grad zwanzig dick vermummte Kolleg:innen vor Ort ein und blockierten auf der Zufahrtskreuzung zum Raketenstandort sitzend zwei Stunden die Zufahrt zur Militärbasis in Mutlangen.“ Die Broschüre zeigt aber nicht nur den Ablauf der Aktionen, sondern auch ihre Folgen sowie die obergerichtliche Rechtsprechung zu derartigen Blockade-Aktionen. Gerhard Baisch bewertet anschließend die Richterblockade aus strafrechtlicher Sicht. Diesen Schatz an Erfahrung und Gedanken möchten wir Ihnen nicht vorenthalten.

Eine Printausgabe sollte vor Weihnachten bei Ihnen ankommen.

Für das Erreichte und für die weitere Arbeit sind wir auch weiterhin auf Ihre Unterstützung angewiesen. Wir bitten Sie herzlich, uns beim Verbreiten unserer Argumente und Expertise zu helfen, uns erneut durch Spenden finanziell zu unterstützen und uns durch Ihr Mitwirken, Ihre Gedanken und Ihre Ideen zu bereichern und breiter aufzustellen. Langfristiger und nachhaltiger Frieden braucht eine couragierte Zivilgesellschaft. Wir brauchen Frieden durch Recht, nicht das Recht des Stärkeren. Für jede kleine oder große Unterstützung sind wir Ihnen sehr dankbar. Spenden an die IALANA sind steuerrechtlich absetzbar.

Hier ist das Spendenkonto.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien erholsame Feiertage und – endlich – ein friedlicheres neues Jahr!

Quelle:

Amela Skiljan und Heiner Fechner

Co-Vorsitzende IALANA Deutschland e.V.

Pressemitteilung der IALANA: Der Ruf nach Atomwaffen für die EU widerspricht dem Völkerrecht


Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet. Seitdem nehmen Menschenrechtsorganisationen diesen Internationalen Gedenktag zum Anlass, die Menschenrechtssituation weltweit kritisch zu betrachten. In diesem Jahr, in dem sich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zum 75. mal jährt, richtet sich die Betrachtung natürlich zu allererst auf die Tausende von Zivilpersonen, welche in den laufenden Kriegsgeschehen getötet wurden unter Missachtung des Humanitären Völkerrechts, unter Missachtung des ihnen garantierten Internationalen Menschenrechtes auf Leben. Es besteht im Hinblick auf die beiden Kriege, die aktuell in der Ukraine und im Gaza-Streifen geführt werden, die berechtigte Sorge, dass diese Konflikte sich nicht nur ausweiten, sondern im schlimmsten Falle sogar in den Einsatz von Atomwaffen münden könnten. Diese Sorge gibt Anlass darauf hinzuweisen, dass nicht nur der Einsatz von Atomwaffen, sondern bereits dessen Androhung eine Verletzung sowohl des Humanitären Völkerrechts als auch des Menschenrechtes auf Leben bedeutet. Diese Feststellung wurde allen Staaten, die Atomwaffen besitzen oder danach streben, mit einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes im Jahre 1996 ins Stammbuch geschrieben. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat daran in zahlreichen Resolutionen immer wieder erinnert. Das Recht auf Leben (Right to Life) ist verankert in Art. 6 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) der lautet: „Jeder Mensch hat ein angeborenes Recht auf Leben. Dieses Recht ist gesetzlich zu schützen. Niemand darf willkürlich seines Lebens beraubt werden.“ Der Schutzbereich dieses Artikels deckt sich mit dem Ziel des Humanitären Völkerrechts, das Leben der an der Kriegsführung nicht unmittelbar beteiligten Zivilbevölkerung zu schonen.

Die Tragweite des Right to Life-Schutzbereichs wird präzisiert und ausgelegt durch ein von den Vereinten Nationen eingesetztes Kontrollorgan, welches die Umsetzung und Einhaltung des UN-Zivilpaktes durch die Vertragsstaaten überwacht: den UN-Menschenrechtsausschuss (CCPR). Das CCPR hat in einer Allgemeinen Bemerkung zum Recht auf Leben (General Comment Nr. 36 vom 30. Oktober 2018) nicht nur die Feststellungen des IGH bekräftigt, sondern darüber hinaus für alle Staaten, die dem Vertrag beigetreten sind, verbindlich festgestellt, – dass sie alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um die Verbreitung von Atomwaffen – wie aller anderen Massen-vernichtungswaffen – zu stoppen, – dass sie es unterlassen müssen, solche Waffen zu entwickeln, zu produzieren, zu testen, zu erwerben, zu lagern, zu verkaufen, zu übertragen und zu nutzen, – dass sie alle bestehenden Lagerbestände vernichten und angemessene Schutzmaßnahmen gegen unbeabsichtigte Verwendung treffen müssen, – sowie unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle ihren Abrüstungsverpflichtungen nachkommen müssen, – und Opfern, deren Recht auf Leben durch die Erprobung oder den Gebrauch von Atomwaffen beeinträchtigt wurde, angemessene Wiedergutmachung leisten müssen.


Vor dem dargestellten Hintergrund sind die in jüngster Zeit von zwei prominenten Persönlichkeiten (H. Münkler und J. Fischer) verlautbarten Empfehlungen, die Europäische Union möge sich zu Zwecken der Abschreckung mit Atomwaffen ausrüsten, schlichtweg empörend; denn sie zielen auf eine eklatante Verletzung von Völkerrecht ab. Die Mitgliedstaaten der EU sind in mehrfacherweise an die Gebote und Verbote des Humanitären Völkerrechts und der im Zivilpakt verankerten Menschenrechte gebunden: Sie sind alle dem UN-Zivilpakt beigetreten, und sie haben sich zusätzlich im EU-Vertrag verpflichtet, das Völkerrecht zu respektieren und insbesondere die Menschenrechte zu wahren und zu schützen (Art.2, Art.3 Abs.5, Art.6 Abs.1 bis 3 und Art.21 Abs.1 EU-Vertrag unter Einbeziehung der Charta der Grundrechte der EU sowie der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten).
Darüber hinaus ist es den Mitgliedstaaten, die keine Atomwaffen besitzen, durch den Atomwaffensperrvertrag (NVV) untersagt, Atomwaffen oder die Verfügungsgewalt darüber unmittelbar oder mittelbar anzunehmen oder sonstwie zu erwerben (Art.2 NVV). Und Frankreich – der einzigen Atommacht innerhalb der EU – ist es durch den NVV verboten, Atomwaffen oder die Verfügungsgewalt darüber an einen Nichtkernwaffenstaat unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben (Art.1 NVV). Diese im NVV vereinbarten Verbote sind daher für alle Mitgliedstaaten verbindlich. Die Bedeutung des NVV wird in allen Erklärungen der EU-Organe – des Parlamentes, des Rates und der Kommission – immer wieder hervorgehoben, und zwar einschließlich der Verpflichtung aller Staaten, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“ (Art.6 NVV). Wir verweisen beispielhaft auf die Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 21.10.2020 zur Vorbereitung des 10.
NVV-Prüfungskonferenz und auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15.12.2021 zu den Herausforderungen und Chancen für multilaterale Systeme der Rüstungskontrolle und Abrüstung in Bezug auf Massenvernichtungswaffen.

Joseph Fischer fordert für die EU Abschreckung durch Atomwaffen. Snapshot via 35Punto/You Tube


Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich hat in einem Kommentar vom 08.12.2023 dem Ruf nach Atomwaffen für die EU widersprochen und hat sich dabei auf politische Argumente beschränkt: “Die EU braucht keine Atombombe. Für die Sicherheit sind andere Schritte nötig.“ (https://www.fr.de/meinung/gastbeitraege/atomare-gespenster-vertreiben-92718768.html) Wir halten es für dringend geboten, zusätzlich auch die völkerrechtlichen Aspekte einzubeziehen, welche der Europäischen Union und allen ihren Mitgliedstaaten nicht nur eine weitere Stärkung des NVV, sondern darüber hinaus einen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag nahelegen.

Quelle: PM der IALANA

„20 Jahre Whistleblower-Preis“. Das Buch wurde gestern in Bremen vorgestellt

Auf einer Hybridveranstaltung wurde am gestrigen Abend im „Goldenen Saal“ der Villa Ichon in Bremen das Buch „20 Jahre Whistleblower-Preis. Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen?“ (Hrsg. Gerhard Baisch, Hartmut Graßl, Bernd Hahnfeld und Angelika Hilbeck) vorgestellt.

Der Whistleblower-Preis

«Zur Ehrung mutiger WhistleblowerInnen wird seit 1999 alle zwei Jahre der Whistleblower-Preis gemeinsam von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) und der IALANA Deutschland – Vereinigung für Friedensrecht gestiftet. Der Preis wird vergeben an Persönlichkeiten, die – häufig unter Inkaufnahme beträchtlicher Risiken für Arbeitsplatz und Karriere – Missstände aufdecken und nach außen bekannt machen, welche ihnen in ihrer dienstlichen oder amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Der Whistleblower-Preis soll eine Form des Zuspruchs, der Anerkennung, der Ermutigung und der Solidarität zum Ausdruck bringen, die Bürgerinnen und Bürger mit großer Zivilcourage brauchen, wenn sie die zahlreichen Belastungen und Schwierigkeiten im privaten und beruflichen Umfeld sowie die Anfeindungen und Zumutungen im öffentlichen Raum nicht nur auf sich nehmen, sondern auch aushalten und ohne dauerhafte Beschädigung durchstehen wollen.« (Quelle: Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW)

Die Whistleblower-Preisträger finden Sie hier, liebe Leser.

Nach den einleitenden Worten von Gerhard Baisch wurde an den 2019 verstorbenen Juristen Dr. Dieter Deiseroth erinnert, ohne den es sicher denn Whistleblower-Preis nicht gegeben hätte. Aus dem Nachruf des VDW seinerzeit: «Als engagiertes VDW-Mitglied, Initiator und Treiber des Whistleblower-Preises sowie der Whistleblower-Publikationen bleibt Dieter Deiseroth uns in lebendiger Erinnerung. Seine Expertise, Präzision und Aufrichtigkeit haben dem Whistleblower-Preis das Format der unantastbar gültigen Entscheidung geschenkt.«

Vorgestellt wurde das Buch von Prof. Wolfgang Däublerunter dem Thema „Whistleblower – Helden oder Verräter?“.Anschließend fand eine Diskussion mit den Herausgebern statt.

Die Veranstaltung von IALANA Deutschland e.V. – Vereinigung für Friedensrecht, deutsche Sektion der IALANA – International Association of Lawyers against Nuclear Arms – gemeinsam mit der VDW – Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. wurde unterstützt vom Bremer Friedensforum.

Seit 1999 haben IALANA und VDW jeweils alle zwei Jahre herausragende Whistleblowern mit dem Whistleblower-Preis geehrt. Dadurch sollte ihnen öffentlich Anerkennung für ihr mutiges Handeln ausgesprochen und gezeigt werden, dass die Gesellschaft auf Menschen wie sie angewiesen ist, um geheim gehaltene Fehlentwicklungen und Missstände zu erkennen und um deren Behebung einzufordern oder anzugehen. Geehrt wurden insgesamt 18 Whistleblowern, u.a. Alexander Nikitin (nukleare Verseuchung des Nordmeers), Margrit Herbst (BSE-Skandal), Daniel Ellsberg (Pentagon-Papiere zum Vietnam-Krieg), Brigitte Heinisch (Altenpflegemängel), Liv Bode (Borna-Virus), Rainer Moormann (Kugelhaufen-Reaktor), Chelsea Manning (US-Kriegsverbrechen), Gilles-Eric Seralini (Gesundheitsgefahr durch Glyphosat), Edward J. Snowden (Prism), Can Dündar (Erdoğan unterstützt IS mit Waffen) und Martin Porwoll (Krebsmedikamente ohne Wirkstoff).

Anbei mein Bericht über die Whistleblower-Preisverleihung 2017.

Das Buch enthält selbständige Beiträge zu den einzelnen Preisträgern, meist mit Interviews und ergänzenden Darstellungen der Folgen ihres Whistleblowings. Es folgt eine Genese des Hinweisgeberschutz-Gesetzes, das Anfang Juli 2023 in Kraft getreten ist.

Wolfgang Däubler legte in Bremen dar, ob und inwieweit die neuen Regelungen Whistleblower tatsächlich schützen können. Er und seine Mitdiskutanten waren sich allerdings darin einig, dass das Hinweisgeberschutz-Gesetz in seiner derzeitigen Fassung nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Lesen Sie dazu einen kritischen Artikel von Peter Nowak im neuen Deutschland: «Hinweisgeberschutzgesetz: Zu wenig Hilfen für Whistleblower«

Nichtsdestotrotz machte Wolfgang Däubler potentiellen Whistleblowern Mut sich mit aller Vorsicht bemerkbar zu machen.

Er schlug etwa vor sich an zuverlässige und vertrauensvoll agierende Journalisten zu wenden, welche den Whistleblowern Anonymität und Schutz zusichern. Eigentlich für Journalisten ein Muss. Diese Journalisten könne man noch immer finden.

Allerdings ließen andere Wortmeldungen auf der Veranstaltung gewisse Zweifel daran aufkommen. Zumindest kommen die einen eingedenk des Zustands des heutigen Journalismus (der Vierten Gewalt!) und der sogenannten „Qualitätsmedien“.

Das Buch eröffnet insbesondere durch die Interviews einen Blick auf die oft schweren Schicksale, welche die geehrten Whistleblower:innen nach ihrem Alarmgeben erlitten haben. Bewundernswert ist, dass fast alle ihr Handeln nicht bereuen, sondern wieder so handeln würden. Ihre Schilderungen legen auch bloß, an welchen Punkten der nötige Schutz erweitert werden muss.

Hier die Videos von der Veranstaltung

Teil 1
Teil 2

Zum Buch

20 Jahre Whistleblower-Preis

Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen?
Herausgeber: Baisch, Gerhard; Hilbeck, Angelika; Hahnfeld, Bernd; Graßl, Hartmut

Machen Mitarbeiter:innen Fehlverhalten in Betrieben, Behörden und Regierungen öffentlich, ist das oft ein Wendepunkt in ihrem Leben. Diese Whistleblower oder Hinweisgeber, seit 1999 im zweijährigen Rhythmus mit dem Whistleblower-Preis vom deutschen Flügel der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) und der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) ausgezeichnet, berichten in Interviews über ihr Leben nach der Preisverleihung. Was ist aus den weltweiten Plänen für Kugelhaufenreaktoren geworden, sind Maßnahmen zur besseren Kontrolle von Apotheken für Krebsmedikamenteergriffen worden, ist Glyphosat verboten, die unkontrollierte Überwachung durch Geheimdienste gestoppt, der Pflegenotstand gemildert worden? In den Interviews durch Jurymitglieder sagen fast alle Preisträger:innen, dass sie sich trotz der oft andauernden Anfeindungen wieder so verhalten würden. Das Buch schließt mit einer kritischen Beurteilung des Weges hin zu einem Hinweisgeberschutzgesetz in Deutschland und ist dem Initiator des Whistleblower-Preises, Dr. Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht, gewidmet.

Produktdetails

Preis: 49,00 €

  • Wissenschaft in der Verantwortung Nr.7
  • Verlag: BWV Berliner-Wissenschaft / Berliner Wissenschafts-Verlag
  • Artikelnr. des Verlages: 700005550
  • Seitenzahl: 396
  • Erscheinungstermin: 27. Juli 2023
  • Deutsch
  • Abmessung: 227mm x 154mm x 27mm
  • Gewicht: 590g
  • ISBN-13: 9783830555506
  • ISBN-10: 3830555504
  • Artikelnr.: 6835179