Der Schauspieler und Theaterintendant Peter Sodann ist von uns gegangen. Eine Erinnerung und eine Anekdote

Kürzlich hatte ich noch an Peter Sodann gedacht. Gestern lief die Nachricht ein, dass der Schauspieler, Darsteller des MDR-Tatort-Kommissars namens Ehrlicher (so benannt nach einer Idee des Schauspielers Sodann: Nomen est omen), Gründer von neues theater in Halle und dessen langjährigen Intendanten, Peter Sodann am 5. April 2024 in Halle an der Saale im Alter von 87 Jahren verstorben sei.

Ich musste sofort an meine damaligen Begegnungen mit ihm denken. Sodann wurde zu meiner Zeit als Beleuchter am Landestheater Halle Anfang der 1980er Jahre Schauspieldirektor am Haus. Ein gewisser Ruf ging ihm voraus. Von seiner körperlichen Statur machte er erst einmal nicht viel her. Er wirkte eher unscheinbar. Ein Mensch, wie man ihn zuhauf im Alltag traf. Man konnte ihn für einen Arbeiter halten. Was – wie sich schon bald herausstellen sollte – sogar im höchsten Maße der Wirklichkeit sehr nahe kam. Als ich Sodann das erste Mal auf dem Gang zur Kantine traf, fragte er mich ziemlich aufgebracht, wie es denn sein könne, dass es auf der Probebühne hereinregnet. Ich zuckte unüberlegt – wie automatisch – mit den Schultern: Das sei schon eine geraume Zeit so, entgegnete ich ziemlich leichtfertig – dem Hausmeister sei diese Misere bekannt. Sodann wurde daraufhin fast zu einem HB-Männchen: „Da muss doch was gemacht werden!“ Ich spürte wie mein Gesicht augenblicklich puterrot anlief. Mir war auf die Sekunde klar: Ich hatte einen Fehler gemacht. Er habe erst mal Eimer unter die Lecks, so Sodann weiter, durch welche das Regenwasser eindrang, gestellt. Für meine leichtfertige Antwort schämte ich mich ziemlich. Aber was sollte man denn als Einzelner schon machen? Eine auch heute noch gängige Ausrede. Durch den knurrigen Peter Sodann wurde ich eines Besseren belehrt. Er machte etwas! Entpuppte sich als ein Macher. Und was für einer! Er stampfte sozusagen schon wenige Zeit später ein Theater – sein Theater! – aus dem Boden. Aus dem einstigen „Kino der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“ entstand nach und nach das „neues theater“. Zunächst wurde im Parkett eine Art Boxring aufgebaut. An die Decke kamen vier alte, wieder fitgemachte Scheinwerfer über das Karree. Die zunächst von Schauspielerinnen und Schauspielern an- und ausgeschaltet wurden. Stück für Stück wuchs das Theater und das Equipent.

Das Schauspielensemble des Landestheater Halle bekam damit eine neue, mit den Jahren immer attraktiver werdende Spielstätte. Mit einem angeschlossenen Café, einer zünftigen Bierkneipe namens „Strieses Biertunnel“ (der Name ist entlehnt aus dem Theaterstück „Der Raub der Sabinerinnen“) und vielem anderem mehr.

Sodann veranstaltete auf dem Theaterarreal regelmäßig unabhängige Feiern zum 1. und 8. Mai. Auch ein Hotel war angedacht, welches das neue theater sozusagen querfinanzieren sollte. Zur Realisierung dieses Projektes indes kam es nicht mehr. Per Stadtratsbeschluss im Jahre 2005 musste Sodann als Intendant gehen. Was ihn sehr geschmerzt haben dürfte.

Nichtsdestotrotz  ist die von Sodann konzipierte Theaterinsel inmitten des Stadtzentrums von Halle, ein wichtiger Kulturort, welcher über die Grenzen der Saalemetropole hinaus Ausstrahlung ausübt.

Foto: C. Stille

Für Peter Sodann galt das Theater als eine Art weltliche Kirche. Und die Theaterbesucher waren ihm die „Gläubigen“, die diese weltliche Kirche besuchen.

In einem Planet-Interview sagte Sodann:

„Ja, ich habe unser Theater immer als eine weltliche Kirche angesehen, eine Einrichtung, die versucht, der Ungerechtigkeiten des menschlichen Zusammenlebens ein wenig Herr zu werden. Mehr muss ich dazu nicht sagen, Theater zum Selbstzweck hat mir nie gereicht. Und man sollte die Dichter achten, ich sehe heute viele Theater, die sich nicht wundern sollten, wenn in so einer modernistischen Inszenierung irgendwann mal ein Zuschauer aufsteht und den Text so rezitiert, wie er bei Goethe oder Schiller wirklich steht.
Es ging mir auch immer darum, dass ein Theater offen für alle ist, man muss eine Theatereinrichtung so basteln, dass sowohl der gebildete wie auch der etwas weniger gebildete verstehen, was auf der Bühne passiert. Da haben alle ihre Freude dran. Ein elitäres Theater kam für mich nie infrage, wo die Leute dann rauskommen und sagen „das war ja wieder sehr interessant“ – weil du dann genau weißt , dass es nicht gefallen hat.. „

Höchstwahrscheinlich das neue theater in Halle das einzige weltweit ist, das – wie eine Kirche – einen Glockenturm besitzt.

Sodann seinerzeit gegenüber Planet: Ja, die Glocke läutet am Tag zwei Mal, einmal wenn vormittags die Probe beginnt und abends, wenn die Gläubiger und Gläubigen ins Theater gehen. Zur Wende war das auch alles möglich, da musste man niemand fragen, ob man so einen Glockenturm bauen darf, sondern da hat man das eben gemacht. Heute müsste man wahrscheinlich sogar jeden Pfarrer und jeden Abgeordneten fragen.

In einem kalten Winter noch zu DDR-Zeiten wurde das neue theater einfach nicht warmbekommen. Zwischenzeitlich saßen die Zuschauer wacker in Mäntel und Anoraks im Theater. Auch dafür fand der „Zupacker“ eine Lösung und schuf Abhilfe. Kurzerhand stellte er sich auf die Straße und „lenkte“ schon mal ein LKW vom VEB Kohlehandel zum neuen theater um. Da und in anderen Fällen setzte er schon mal erspielte Filmgagen ein. Theater musste schließlich sein. Der Lappen musste schließlich am Abend hochgehen!

Noch eine Anekdote: Während einer Probe saß ich auf Z-Brücke des Opernhauses über dem Zuschauerraum, um einen Spot zu bedienen. Ich war erkältet, musste immer husten und mir hörbar die Nase schnäuzen. In der Pause begegnete ich Sodann dann auf der Bühne. Er sprach mich an: „Sitzt du da oben auf der Z-Brücke?“ Ich bejahte. „Hast wohl Schnuppen?“ Ich krächzte: „Und Husten.“ Sodann nickte, griff „in die Hosentasche und holte ein frisches Stofftaschentuch heraus, das er mir mit den Worten reichte: „Gute Besserung!“ Damit verschwand er in Richtung Kantine …

Nun ist er nicht mehr. Aber vergessen wird er nicht werden. Ich bin dankbar ihm begegnet zu sein. Er ruhe in Frieden.

Beitragsbild: snapshot via Menschen Biographie You Tube

Anbei ein Video von:

Menschen Biographie

Peter Sodann ist ein deutscher Schauspieler, Regisseur und Theaterintendant. Er wurde unter anderem für seine Rolle als Tatort-Kommissar Bruno Ehrlicher, den er zwischen 1992 und 2007 spielte, bekannt. Leben Herkunft und Ausbildung Peter Sodann stammt aus einer Arbeiterfamilie und wuchs in Weinböhla in der Nähe von Meißen auf. Sein Vater wurde, 44-jährig, 1944 in die Wehrmacht eingezogen und fiel noch im gleichen Jahr an der Ostfront. Sodann war Mitglied der Freien Deutschen Jugend . Nach einer Lehre als Werkzeugmacher holte er mit dem Besuch der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät 1954 bis 1957 das Abitur nach. Sodann studierte Jura an der Universität Leipzig, bevor er 1959 an die Theaterhochschule Leipzig wechselte.

Via Mittenmang

Der hallesche Opernsänger Olaf Schöder zum Tode von Peter Sodann auf Facebook.

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