Medientour „Corona – best practice“ der Stadt Dortmund

Diese Woche hatten Oberbürgermeister Ullrich Sierau und Thomas Westphal, Geschäftsführer der Dortmunder Wirtschaftsförderung zu einer Medientour unter dem Titel „Corona – best practice“ eingeladen. Vier Dortmunder Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen und Branchen wurden vorgestellt, die der Corona-Umsatzkrise auf ganz unterschiedlichen Wegen entgegengetreten sind. Nämlich durch neue Produkte, Produktionsanpassungen oder beispielsweise auch durch Schulungen und die Erarbeitung neuer Abläufe.

Die Corona-Pandemie stellt die Dortmunder Wirtschaft vor große Herausforderungen

Der Lockdown hat viele Branchen und zahlreiche einzelne Unternehmen erschüttert und vor nicht geringe Probleme gestellt. In großen Teilen der Wirtschaft tut dies die Corona-Pandemie nach wie vor.

Start zu Fuß in die Innenstadt

Christian Kersten mit Thomas Westphal und einem flotten Spruch. Fotos: C. Stille

Zunächst ging es zu Fuß vom Dortmunder Rathaus hinunter in die Hansastraße in ein sechsstöckiges Haus gegenüber dem Jazzclub „domicil“. Neben dem Dortmunder OB und Thomas Westphal und Pressevertretern machen sich auch Rolf Stolze, Bezirksbürgermeister des Stadtbezirks Innenstadt-West sowie Jürgen Schädel, Bezirksbürgermeister des Stadtbezirks Aplerbeck auf den Weg.

Perpetuo steht für neue Geschäftsideen

In der Hansastraße 30 hat Perpetuo seinen Sitz. Mirco Grüber ist Gründer von Myster.de und möchte Menschen zu neuen Geschäftsideen inspirieren. Empfangen wurde die Gruppe von Christian Kersten, einer der Geschäftsführer der Perpetuo GmbH.

Perpetuo hat während des Lockdown in kürzester Zeit als Ergebnis der Bemühungen, die Corona-Umsatzkrise zu mildern, ein Programm entwickelt und zur Reife gebracht, mit dem Händler und Restaurants in 24 Stunden im eigenen Layout einen voll funktionsfähigen Online-Ordershop inklusive Payment erhalten. Dieses ist nicht nur in Dortmund, sondern auch weit darüber hinaus sehr erfolgreich eingesetzt worden und hat den Unternehmen einen neuen Vertriebskanal auch nach Corona ermöglicht.

Überdies ist auch der „No buzzwords“- Coworking-Space etwas Besonderes. Hier treffen Corporates aus der Region auf Start-ups unter der Moderation von

OB Ullrich Sierau preist die Vorzüge von Dortmund für junge Unternehmer.

Perpetuo. Die Kooperationsvereinbarung zwischen Dortmund und Südwestfalen zur weiteren Entwicklung beider Partner wird hier mit Leben gefüllt. In den modernen, durch Glaswände einsehbaren Büros arbeiten waren junge Menschen an Schreibtischen zu sehen, die an ihren Laptops an verschiedenen Projekten arbeiten. Die Wege zueinander sind kurz, um sich auszutauschen, oder eben mal zusammen einen Kaffee zu klönen.

Oberbürgermeister Sierau erkundigte sich über diese und etwaige Probleme, die die Firma beschäftigen.

Geschäftsführer Kersten erklärte, man wolle neue Arbeitsmodelle aufbauen, ohne dabei zu zögern und ewig zu zetern. Davon kündet auch ein Liegestuhl, der die zum Ruhrpott passende Aufschrift „Lass machen“ trägt.

Über einen Mitarbeiter, der aus „einer der digitalsten Städte“ – nämlich Ahaus – zum Projekt gestoßen ist, freut sich Christian Kersten ganz besonders.

Christian Kersten im Austausch mit Mitarbeitern.

Sierau und Westphal strichen heraus, dass Dortmund etwa gegenüber einer Millionenstadt wie Berlin viele Vorteile für Firmen biete, die Neugründungen im Auge hätten. Um Innovationen umzusetzen, brauche man in einer Millionenstadt Jahre. In Dortmund dagegen nur fünf Monate. Von

OB Sierau mit zwei jungen Erfinderinnen.

der Dortmunder Uni kämen gut ausgebildete Fachkräfte. Dortmund sei die Stadt mit den meisten Ausbildungsverhältnissen im IT-Bereich. Noch vor München. So mancher Mensch sage ihm: Dortmund sei für der Platz, um zu bleiben.

Zwei junge Gründerinnen, vor Ort anwesend waren, haben neben den ganzen digitalen Themen ein ganz praktisches, spannendes Produkt erfunden: eine Pulverbeschichtung für Waffelbecher (für Eis oder Kaffee), der 48 Stunden vor auslaufen schützt.

Besuch bei Tintometer, dem weltweit einzigen Familienunternehmen auf dem Gebiet der Wasseranalytik und Farbmessung

Mit einem Elektrobus gelangten die Teilnehmer*innen der Medientour dann zur Familienfirma Tintometer GmbH Lovibond® Water Testing in der Aplerbecker Schleefstraße.

Geschäftsführer Cay-Peter Voss empfing die Gruppe in den Räumen der Firma Tintometer. Cay-Peter Voss verwies stolz darauf, dass Tintometer weltweit das einzige Unternehmen ist,

Geschäftsführer von Tintometer, Cay-Peter Voss.

dass sich noch in Familienhand befindet. Tintometer stellt für den Weltmarkt Analyseverfahren und dazugehörige Geräte für die Wasseranalytik und Farbmessung her. Durch den weltweit zusammengebrochenen Flugverkehr hatte Tintometer logistische Probleme. Dienstreisen mussten abgesagt werden. Durch Anpassung der Herstellungsverfahren konnte die Produktion auf dringend benötigte Desinfektionsmittel umgestellt werden. Dadurch konnte sich Tintometer ein neues Absatzfeld erarbeiten.

Dr. Elmar Grabert erklärte, dass es die Corona-Pandemie erfordert habe, in der Produktion geschützte Arbeitszellen für ein oder zwei Mitarbeiter*innen einzurichten. Des Weiteren ist Gleitzeit und ein dementsprechendes Schichtsystem eingeführt worden. Schutzmaßnahmen, wie sie später das Bundesarbeitsministerium herausbrachte, führte man frühzeitig ein. Alles

Der OB bestaunt die modernen Messgeräte zur permanenten Wasserqualitätsüberwachung.

in Absprache mit den Mitarbeiter*innen. Alarmiert sei die Firma schon Anfang des Jahres durch Berichte aus China. So konnte die Firma relativ früh reagieren, um sich auf die

Mit Dr. Grabert (weißes Hemd) in der Produktion von Tintometer.

kommende Situation einzustellen.

Geschäftspartner aus Hongkong warnten damals schon beizeiten: Bei euch wird sicher auch bald Toilettenpapier knapp werden.

Ein Rundgang durch den Betrieb setzte die Teilnehmer*innen

Tabletten zur Wasseranalyse.

über die Tätigkeiten Abläufe in den einzelnen Produktionsabteilungen ins Bild.

Einen weiteren Stopp legte der Transferbus bei der Firma Murtfeldt Kunststoffe in Brackel ein

Geschäftsführer Andreas Balla, seit 24 Jahren im Unternehmen, geleitete die Gäste ins Innere. Die Besuchsgruppe war übrigens die allererste sei tBeginn der Corona-Maßnahmen. Murtfeldt stellt traditionell speziell verhärtete Gleitschienen für industrielle Fertigungsprozesse her. Immer wenn im Maschinenbau Produkte im Herstellungsprozess gleiten müssen, sind oftmals Murtfeldt Kunststoffe im Einsatz. Im Zuge der Krise hat Murtfeldt seine Kunststoff-Expertise eingebracht und stellt nun mehr neuerdings auch Kunststoffprodukte für den Endverbraucher her. Auch im 3-D-Druck ist Murtfeldt unterwegs.

Ganz am Anfang der Corona-Pandemie, erzählte Andreas Balla, habe die Firma einen Hilferuf aus den Städtischen Kliniken erhalten. Dort fehlte es nicht nur an Masken sondern

Ein Produkt der Murtfeldt wird präsentert.

auch an weiteren Schutzmitteln. Quasi übers Wochenende habe man dann nach einer Lösung gesucht und auch eine gefunden. Dabei sind transparente Schutzschilde entstanden.

Die in der Firma Murtfeldt ausgedruckt und den Kliniken unbürokratisch zur Verfügung zu annehmbarem Preis gestellt worden. Damit habe man kein großes Geschäft machen wollen.

So wurde in kurzer Zeit die Produktion auf Kunststoffschutzmasken, Hygienewände für Gastronomie und Einzelhandel, Türklinkenaufsätze für kontaktloses Öffnen und Schließen umgestellt.

Besonders kreativ war Murtfeldt bei der Entwicklung eines Allzwecktools aus Kunststoff, der

Allzwecktool von der Firma Murtfeldt.

am Schlüsselbund platziert wird. Hiermit können Türgriffe, Ampeldrücker, Türöffner in öffentlichen Bahnen, Klingeln an Haustüren und auch beim Herausziehen und Führen eines Einkaufswagens verwendet werden. Immer kontaktfrei, um auch an diesen Stellen das Risiko möglicher Übertragungen von Viren und Keimen zu verringern.

Besuch im Hotel Esplanade

Die Medientour-Teilnehmer*innen trafen am Burgwall 3 auf die engagierte und zupackende Geschäftsführerin Katja Kortmann, die kurz vor der Corona-Krise zum Abschluss umfangreicher Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen die alleinige Geschäftsführung des Top Hotel Esplanade übernommen hat. Dann aber sofort vom Corona-Lockdown voll getroffen wurde.

Hoteldirektorin Katja Kortmann und ihr Team haben die Zeit des geschlossenen 120-jährigen Hotels genutzt, weitere Modernisierungen vorzunehmen und das Team umfangreich auf zukünftige Hygieneherausforderungen vorzubereiten. Die Auszubildenden wurden selbst geschult und mögliche Abläufe für Tagungen und Veranstaltungen wurden erarbeitet und

Hoteldirektorin Katja Kortmann ist äußerst besorgt betreffs der Zukunft des 120-jährigen Hotels und die ihrer Mitarbeiter*innen. Im Hintergrund die Hausdame.

getestet. Übrigens bildete Direktorin Kortmann auch Flüchtlinge aus.

Das Esplanade gehört zu den Hotels, die wie kaum ein anderes für weitere Öffnungen vorbereitet ist.

Wir blickten vom Turmzimmer im vierten Stock, der Panoramasuite, die für 120 Euro pro Nacht zu haben ist, hinunter auf und über Dortmund.

Die Direktorin legt wert darauf, dass ihr Personal nicht ausgebeutet wird. Es wird nach Tarif bezahlt. Eine familiäre Atmosphäre wird bevorzugt. Eigentlich, so Katja Kortmann, hätte das Jahr 2020 das erfolgreichste, „ein Superjahr werden“ sollen.

Und“, sagte die Direktorin hoch besorgt, „jetzt wissen wir überhaupt nicht, ob wir nächstes Jahr überhaupt noch auf den Markt sind“.

Es sähe schlimm aus. „Wir kriegen immer noch Stornierungen rein.“ Alle redeten von der zweiten Welle. Das mache den Leuten Angst. Und die Medien verstärkte diese Ängste ständig, ließen die Menschen zögern zu reisen. „Psychologie“, warf Oberbürgermeister

Katja Kortmann hat ein gutes Hygienekonzept erstellt.

Ullrich Sierau da ein.

Allein die ganzen Hygieneprodukte zu bekommen, sei unheimlich schwer gewesen, berichtete Katja Kortmann: „Das ist ja wie bei der Mafia. Schwarzmarktprodukte sind das ja.“

Wenn man schon am Boden sei, werde man auch noch ausgenutzt, weil man ja wisse, die Hotels brauchten Desinfektionssäulen, Hygienemittel, Handschuhe, Mund-Nasen-Schutze und so weiter.

Alles sei so gut wie dreimal teurer geworden. „Unsere Kosten steigen“, beklagte Kortmann, „wir verdienen aber kaum Geld.“

Zu allem Überfluss öffne noch nebenan ein Mitbewerber, der gehe als Viersternehotel mit einem Zimmerpreis 60 Euro ins Rennen. Sie hat sich sogar mit dem Kollegen getroffen. Der aber sagte ihr, die Preise des zu einem Konzern gehörende Hotel würden in Berlin so festgelegt. Direktorin Kortmann kann mit diesem Preis für ihr Viersternehotel nicht leben.

Sie gab zu bedenken, dass ihre Zimmerfrauen eine halbe Stunde Zeit zum Zimmerputzen haben: „Dafür werden wir auch ausgelacht.“ Woanders gebe man dem Personal zehn oder fünfzehn Minuten.

Die Hotelchefin zeigte das von ihr erarbeitete Hygienekonzept, das auch ein wenig humorvoll und mit flotten Sprüchen gestaltet wurde. Katja Kortmann: „Es geht um alles oder nichts.“ Man habe ca. 35 Mitarbeiter*innen und jetzt 97 Hotelzimmer sowie 18 Apartments. Die Bank sei bis jetzt kulant. Momentan muss man nicht tilgen. Aber das ginge ja schließlich nicht auf Dauer.

Die Fachpresse gehe davon aus, so Kortmann, dass sich der Hotelmarkt erst 2023 (!) erholen werde.

Die Hotelmitarbeiter*innen zeigen Gesicht. Alle bangen um ihre Arbeitsplätze.

Im Konferenzraum gibt es Fotos von den Mitarbeiter*innen zu sehen, die diese per SMS geschickt haben. Katja Kortmann betont: „Das vergisst man immer. Hinter einem Hotel und dem dazugehörigen Service stecken Menschen! Alleinerziehende Frauen etwa, die nach Scheidungen Alleinverdienerinnen sind. Das ist mein Team – wir sind eine Familie.“

Hotelchefin Katja Kortmann und Thomas Westphal (Wirtschaftsförderung Stadt Dortmund) im Biergarten des Hotels.

Es ist bitter. Erst einen Tag zuvor habe man zusammengesessen und zusammen geweint.

Nicht nur dem Hotel gehe es schlecht, sondern eben auch den dort arbeitenden Menschen. Sie hätten Familie, Kinder und der Hoteljob müsse sie ernähren. Viele würden „nach uns“ keinen Job mehr kriegen, sagt die Hotelchefin ohne zu beschönigen: „Wie lange werden wir das noch aushalten – das Hotel halten können?“

Über das Leid der Menschen werde überhaupt nicht geredet. Große Konzernketten, so Kortmann, dürften demnächst Insolvenz anmelden. Auch die vielen kleinen Geschäfte, Kneipen und Restaurant seien bedroht.

Sie habe nun – allein schon wegen der Konkurrenz nebenan – im August eröffnet. Momentan habe sie drei Schichten im Einsatz – aber nur zehn Gäste. Katja Kortmann hofft, dass nicht noch mehr Hotels in Dortmund eröffnet werden. Sie sage, sie sei Anhängerin der Gemeinwohlökonomie und wolle dementsprechend umsichtig und nachhaltig wirtschaften. Korthaus befürchtet: „Wenn das so weitergeht, gibt es ja den Mittelstand nicht mehr.“ Die Gefahr einer Deflation läge darüber hinaus in der Luft.

Hiroshima-Tag. Gedenken in Dortmund. Atomwaffen müssen endlich von dieser Erde verschwinden

Ansprache von Yoko Schlütermann, Deutsch-Japanische Gesellschaft. Fotos: C. Stille

Am 6. August 2020 war es 75 Jahre her, dass die USA eine Atombombe auf Hiroshima abwarfen. Die erste in der Geschichte der Menschheit. Sie hatten ihr den zynischen Namen „Little Boy“ gegeben. Unweit der Friedensstatue „Mutter von Hiroshima“ auf dem Platz von Hiroshima fand ein Treffen zum Gedenken an die Opfer des Atombombenabwurfs statt, die IPPNW (Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg) organisiert hatte. Im Anschluss zogen die Teilnehmer*innen in einem Schweigemarsch zum Gedenkort Gingkobaum gegenüber dem Dortmunder Rathaus. An der diesjährigen Veranstaltung nahmen wesentlich mehr Menschen als im vergangenen Jahr teil. Drei Bundestagsabgeordnete hatten Reden zum Gedenktag verfasst.

Dr. Rolf Schulz wies die zum Gedenken erschienen Menschen darauf hin, dass japanische Künstlerin Junko Wada eigens zu diesem Tag Rolf Winkelmanns „Fliegenden
Bilder“ am U-Turm gestaltet hat.

Bürgermeisterin Birgit Jörder.

Bürgermeisterin Birgit Jörder fand es bewundernswert, dass in Dortmund über Jahrzehnte das Gedenken von den Verantwortlichen immer wieder hochgehalten werde. Sie verlieh ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die nachfolgenden Generationen einmal sagen könnten, die Welt ist atomwaffenfrei.

Die Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Gesellschaft der Auslandsgesellschaft, Yoko Schlütermann, erinnerte in bewegenden Worten an die Situation in Hiroshima und zwei Tage später auf Nagasaki nach den Atombombenabwürfen, den die Japaner damals „Blitz und Donner“ genannt hätten. Allein in Hiroshima, so Yoko Schlütermann, hätte die Atombombe „fast ein Viertel der 420.000 Einwohner der Stadt in einem einzigen Augenblick ausgelöscht“.

Schlütermann: „Bis zum 6. August 2019 wurden insgesamt 500.000 Atombombenopfer in Hiroshima und Nagasaki gezählt. Noch heute stürben Atombombenopfer in Japan an Krankheiten wie Karzinomen, chronischen Leberschäden, Knochenmarkentzündungen und Blutkrankheiten. Die

Heinz-Peter Schmidt am Ginkgobaum.

Rednerin las dann aus einem Referat von Dr. japanische Arzt Dr. Shuntaro Hida, welcher sein ganzes Leben nach dem Atombombenabwurf den Opfern gewidmet hatte. Und setzte sich bis zu seinem Tode für die Ächtung von Atomwaffen ein. Hida starb 2017 hundertjährig. Von ihm stammt auch der Gingkobaum, welchen er der Stadt Dortmund 1988 geschenkt hatte. Was er am 6. August 1945 als Militärarzt erlebt hat, sei ihm, erzählte Frau Schlütermann, sei ihm zum Schlüsselerlebnis geworden. Hida war auf Opfer mit schlimmen Verbrennungen, die faulig aus Mund rochen und aus Nase und sogar Augenlidern bluteten. Folgen der akuten Strahlenkrankheit. Yoko Schlütermann: „Wir müssen jetzt sofort handeln und Atomwaffen stoppen!“

Die Teilnehmer*innen der Gedenkveranstaltung begaben sich dann über Hansaplatz, Betenstraße und Friedensplatz zum Gedenkort Gingkobaum. Heinz-Peter Schmidt erklärte dort vor den Anwesenden, dass der Ginkgobaum in Japan als ein Symbol des Überlebens nach dem Atombombenabwurf gelte. Schon nach Ansicht von Johann Wolfgang von Goethe steht der Ginkgobaum für Freundschaft.

Schauspieler Andreas Weißert.

In Anschluss las Renate Schmidt-Peters das Gedicht „Hiroshima“. Zunächst aber zitierte sie aus einem Brief von Dr. Hida, welcher diesen 1988 nach Dortmund geschickt hatte. Der auch an die sehr engagiert gewesene, verstorbene Margret Ullrich erinnerte.

Des Weiteren wurde vor Ort das Gedicht „Die Kinderbomben“ von Erich Fried zu Gehör gebracht.

Auch Schauspieler Andreas Weißert trug einen Text vor.

Liedermacher Peter Sturm interpretierte ein Song von Hannes Wader.

Auch der Trompeter Reinhard Raschke war mit musikalischen Beiträge beteiligt.

Die Bundestagsabgeordnete der SPD, Sabine Poschmann, kritisierte die bittere Tatsache, dass sich Regierungen inzwischen wieder in eine Aufrüstungsspirale begäben. Davon müssten wir wieder zurück, in die Abrüstung. Sie wies darauf hin, dass demnächst die deutschen Tornados ersetzt werden müssten. Im Kriegsfall wäre auch der deutsche Tornado-Nachfolger im Rahmen der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ Träger US-amerikanischer Atombomben und müsste diese im Zielgebiet abwerfen. Als Bundestagsabgeordnete sage sie: „Das ist nicht

Sabine Poschmann, MdB SPD.

zustimmbar.“

Cornelia Wimmer (Kreisvorstand DIE LINKE) verlas ein Statement von Ulla Jelpke (MdB, DIE LINKE), welche verhindert war an der Veranstaltung teilzunehmen.

Die Linkspartei, so Jelpke, lehne die Erneuerung der sogenannten nuklearen Teilhabe ab. Ein solchen Vorhaben „75 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki ist beschämend und empörend“. Die Forderung der Linkspartei laute: „Beendigung der nuklearen Teilhabe!“ Dazu gehöre der Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland.

DIE LINKE setze sich nachdrücklich dafür ein, dass die Bundesrepublik ihre Boykotthaltung gegenüber dem Atomwaffenverbotsvertrag aufgibt. Jelpke: „Weg mit diesen Mordgeräten!“

Marco Bülow, fraktionsloses Mitglied des Deutschen Bundestages, machte klar, dass man die Atombombe nicht ohne die Atomenergie sehen könne. Auch könne die

Marco Bülow, MdB fraktionslos.

Diskussion nicht ohne Rüstung, Krieg und offensiver Militärpolitik besprechen. Politisiert worden sei er, sagte Bülow, mit dem schrecklichen Atomkatastrophe in Tschernobyl vor vierzig Jahren. Bülow: Ich finde es beschämend, dass wir 75 Jahre nach Hiroshima überhaupt noch darüber reden müssen, dass es Atombomben gibt, dass es Atomenergie gibt. Und das Menschen so eine Form von Zerstörung einsetzen müssen.“

Hart kritisierte und verurteilte Bülow das Zweiprozentziel vom Bruttoinlandsprodukt, was Trump und die NATO vorgeben. Das müsse nicht nur abgeschafft werden, sondern müsse Deutschland klar erklären, dass es dieses Ziel nicht erreichen will. Schon jetzt gebe die BRD über 60 Milliarden jeden Jahr für Rüstung aus. Der Militärhaushalt, skandalisierte Bülow, sei in den letzten Jahren über 6 Milliarden Euro gewachsen. „Wenn wir das Zweiprozentziel von Trump und Co. erreichen wollen, dann müssten wir noch einmal 30 oder 40 Milliarden Euro drauflegen!“, empörte sich Marco Bülow. Vielmehr müssten wir das Geld für zivilen Schutz und Entwicklungszusammenarbeit ausgeben.

Dr. Johannes Koepchen.

Johannes Koepchen, der Vorsitzende des IPPNW-Ortgruppe, zeigte sich in seinem Schlusswort sehr erfreut über die gestiegene Teilnehmerzahl der Gedenkveranstaltung und die Unterstützung von vier Bundestagsabgeordneten (Markus Kurth, MdB Die Grünen hatte aus familiären Gründen absagen müssen).

Koepchen erzählte davon wie er gefühlt habe, als etwa mit sechs Jahren von der Hiroshima-Bombe gehört habe. Hinterher habe er Alpträume gehabt. Langsam kämen ihm solche Alpträume wieder, wenn davon höre, was heutzutage alles an Aufrüstung ins Auge gefasst werde. Am meisten beunruhige in die neue Nuklearstrategie der USA. Kleine taktische Atomwaffen sollen dabei präventiv eingesetzt werden.

Getragen wurde diese Gedenkveranstaltung vom Friedensforum Dortmund, Deutsch-Japanische Gesellschaft, der Auslandsgesellschaft sowie von Greenpeace.

Presseerklärung von Greenpeace vom 6. August 2020

Greenpeace-Ehrenamtliche erinnern mit leuchtendem Friedenszeichen an Atombombenabwurf auf Hiroshima Appell an Bundesregierung: Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen

Dortmund, 6. 8. 2020 – In Erinnerung an den Atombombenabwurf auf die japanische Stadt Hiroshima vor 75 Jahren haben Greenpeace-Ehrenamtliche

Friedenslichter Greepeace Dortmund.

ein Peace-Zeichen aus hunderten Kerzen auf dem Willy-Brandt-Platz aufgestellt. Um 1.15 Uhr – dem Zeitpunkt der Explosion der Hiroshima-Atombombe – zündeten sie die Kerzen an und gedachten der Opfer. Mit ihrer Lichtbotschaft riefen die Ehrenamtlichen auch die Bundesregierung zu atomarer Abrüstung auf: „Es ist ein moralisches und politisches Armutszeugnis, dass Deutschland noch immer an US-amerikanischen Atombomben festhält“, sagt Dennis Zöller von Greenpeace Dortmund. Laut einer aktuellen Greenpeace-Umfrage sind 83 Prozent der Menschen in Deutschland dafür, dass die US-amerikanischen Atombomben aus Deutschland abgezogen werden. Das ist das Ergebnis auf die Frage: „In Deutschland sind Atombomben aus den USA stationiert. Sollten diese durch neue Atombomben ausgetauscht werden oder komplett aus Deutschland abgezogen werden?“ Das Meinungsforschungsinstitut Kantar hat am 1. und 2. Juli diesen Jahres 1008 Menschen befragt (online hier: act.gp/2Dg82SM). Auf dem Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Büchel lagern laut Experteneinschätzungen 20 US-amerikanische Atombomben, die im Kriegsfall von deutschen Piloten in ihr Einsatzgebiet geflogen werden sollen. Ihre jeweilige Sprengkraft beträgt das mindestens Zehnfache der Hiroshima-Bombe. Beim Atombombenangriff auf Hiroshima und Nagasaki waren 1945 mehr als 200.000 Personen ums Leben gekommen. Die Menschen in der Region leiden noch immer unter den Spätfolgen des Abwurfs. „Deutschland kann jetzt wegweisend einen glaubwürdigen Beitrag für eine atomwaffenfreie Welt leisten, indem die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet“, so Zöller. 92 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger befürworten laut Umfrage, dass die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet. Greenpeace setzt sich ein für das friedliche Lösen von Konflikten, den Erhalt demokratischer Rechte, ein Rüstungsexportverbot in Drittländer, Krisen- und Kriegsgebiete sowie weltweite atomare Abrüstung und Umweltschutz.