Öffentlich-rechtliche Massenmanipulation

Empfehlung! Von der #IALANA – Medientagung …

Die Propagandaschau

Öffentlich-rechtliche Massenmanipulation

„Es gibt für den Bürger keinerlei rechtliche Handhabe, die öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Einhaltung der gesetzlichen Grundsätze zu verpflichten“, stellt Friedhelm Klinkhammer fest. Wo kämen wir da auch hin?

Impulsreferat auf der Tagung „Krieg und Frieden in den Medien“ am 28. Januar 2018 in Kassel.

von Friedhelm Klinkhammer

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

nach Volker Bräutigams Vortrag nun von mir ein paar Anmerkungen zur Frage, wie gegen Programmverstöße im öffentlich-rechtlichen Programm vorgegangen werden kann und wie unsere Erfahrungen damit in den letzten vier Jahren aussahen.

Um es vorweg zu nehmen: Es gibt für den einzelnen Bürger keinerlei rechtliche Handhabe, die öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Einhaltung der gesetzlich festgelegten Programmgrundsätze zu verpflichten. Also auch nicht mit einer Klage. Hierfür fehlen die gesetzlichen Grundlagen…

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IALANA-Medientagung in Kassel – Prof. D. Jörg Becker: „Es gibt grundgesetzwidrig keine freie Presse mehr.“

Pof. Dr. Jörg Becker. Fotos: C. Stille.

Einer von Mediennutzern womöglich oft nicht bedachte Beeinflussung, welcher sie ausgesetzt sind, ging Prof. Dr. Jörg Becker nach. Das Thema seines Vortrags: „Wie die Public-Relation-Industrie mitregiert“.

Becker machte zunächst zum Redebeitrag von Uwe Krüger (dazu später ein Bericht hier), welchen er „mit großem Vergnügen gehört habe „zwei, drei Ergänzungen“.

Jörg Becker erinnerte an die Diplomarbeit von Kurt Kister Ende der 1970er Jahre über die Darstellung der Bundeswehr in deutschen Qualitätsmedien. Kister sei nun ein „Alphatier“ geworden und Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung. „Wie verhält sich seine jetzige Tätigkeit zu seiner Diplomarbeit?“ Das könne ein interessantes Thema für ein Hausarbeit sein.

Der Propagandabegriff

„Vergessen wir nicht“, fuhr Prof. Becker fort, „Goebbels Ministerium hatte den Propagandabegriff als positiven Begriff. Wenige wissen, dass noch Konrad Adenauer in den 1950er Jahren auch einen positiven Propagandabegriff hatte.“ Und der habe eine Rolle dabei gespielt, als er sein eigenes Staatsfernsehen durchsetzen wollte „und von Karlsruhe eins auf die Nuss bekam“.

Weiter merkte Becker an, dass die Tätigkeit des Bundespresseamtes (BPA) „nach wie vor sehr nebulös“ sei. Anfragen der Linkspartei im Bundestag vor einigen Jahren hätten eine „dünne Antwort der Regierung“ erbracht: Fragen in Bezug auf das BPA unterlägen dem Dienstgeheimnis.

Bislang, beklagte der Politikwissenschaftler, „fast keine kommunikationswissenschaftlichen Arbeiten über die Tätigkeiten des BPA. Jüngere Kollegen, die noch aktiv Promotionen betreuen seien „dringend auf diese Lücke hingewiesen“. Das Amt gehöre „endlich entmystifiziert“.

Die Public-Relation-Industrie gehe auf die 1920er und 1930er Jahre in den USA. Grundlagen seien Studien – meist von den ein und selben Menschen – entweder für die Konsumgüterindustrie oder für Wahlkämpfe in der Politik. Bernays spielte da eine zentrale Rolle. Aber auch in Deutschland sei ein Beispiel zu finden: Carl Hundhausen.

Hundhausen habe entdeckt was in den 1930er Jahren in den USA passierte und „brachte es hinüber nach Nazideutschland. Der deutsche Faschismus sei „ein enorm großer Modernisierungsschub im Kapitalismus“ gewesen. Nicht zufällig sei Hundhausen nach 1945 Direktor bei Krupp geworden, „wo er erfolgreich diese Firma vom Image des Kriegsverbrecherkonzerns weißwaschen konnte“.

In den 1930er Jahren sei der Begriff Propaganda aktuell gewesen, der dann in den 1950er Jahren abgelöst worden war „von spannenden anderen Begriffen wie „Internationale Kommunikation und dann in den 1980er Jahren „Entwicklungskommunikation „ und gegenwärtig „Public Diplomacy“.

Letzteres nenne man heute auch „Völkerverständigung“, so Jörg Becker süffisant. Und fügte an: „Es gibt einen argentinischen Romanautor, der irgendwo den schönen Satz geschrieben hat, ‚wenn ich das Wort Völkerverständigung lese, dann wird mir angst’“. Prof. Becker: „Es ist ein Verschleierungsbegriff.“

Public Relations sei in der Marktwirtschaft zusammen ein entscheidende Schnittstellte mit der Werbeindustrie: „Beide sind für den Kapitalismus insofern überlebensnotwendig, weil sie garantieren, dass wir in der Konsumgüterindustrie keine Stagnation kriegen“. Dafür brauche es die Werbeindustrie, „weil ansonsten das System aus dem Ruder laufen würde“ und weiter: „Wir brauchen den Überfluss von Dingen, die niemand braucht und parallel dazu in der Public-Relations-Industrie brauchen Sie politische Legitimation für das System.“

Die einen seien also für Konsumgüter, die anderen für Legitimation politischer Herrschaft zuständig.

Im vier große Gruppen umfassen PR-Konglomerat auf der Welt, gab Becker machte, damit die Dimension begriffen werden könne darauf aufmerksam, „dass Geld das da fließt viel mehr größer ist als der Staatshaushalt vieler, vieler Entwicklungsländer“.

Es gehe nicht nur ökonomische Macht. „Ökonomische Macht braucht ihre politische Flanke und Flankierung.“ Die sozialen Netzwerke (bis hin in die Politik hinein und zurück) der großen PR-Agenturen dürften nicht unterschätzt werden.

In Deutschland gebe es „geschätzt 2000 PR-Agenturen“, wobei die größte mehr als 400, die zehntgrößte nur noch sechzig Mitarbeiter. Der Umsatz aller deutschen Agenturen liege beim fünf Milliarden Euro. Nehme man die Werbebranche mit hinzu, komme an auf jährlich weitere 20 Milliarden Euro. Beide Branchen gehörten zur Wachstumsindustrie.

Jörg Becker stellte grundsätzlich fest, auch wenn es momentan nicht zuträfe: „Je schlechter die Ökonomie, desto größer die Wachstumsbranche bei Werbung und bei PR. Wenn es eine ökonomische Krise gibt brauchst du Schmiermittel.“

Das Verhältnis PR – Journalismus sei „sowohl ein Partnerverhältnis als auch ein Konkurrenzverhältnis“. Für die Tageszeitung gelte betriebswirtschaftlich für 1950 ca. 20 Prozent Einnahmen aus Werbung, achtzig Prozent Einnahmen aus Verkaufserlös an die Leser. Etwa um 1990 drehe sich das Verhältnis um. Die Tageszeitung erzielten inzwischen 80 Prozent ihres Erlöses durch Werbeeinnahmen. Daraus folge, „wenn es mir als Verleger mit Einnahmen immer dreckiger geht und ich neues Personal einstellen möchte, damit es mir nicht mehr so dreckig geht, dann hole ich mir ein Betriebswirt für neue Absatzkanäle meiner Werbemärkte und keinen Redakteur.“ Gehe es den Verlegern noch dreckiger, fänden die es ungeheuer nett, wenn PR-Agenturen ihnen Media-Pressematerial kostenlos anbieten. „Da passt einiges zusammen.“

Prof. Jörg Becker stellte nüchtern fest: „Es gibt grundgesetzwidrig keine freie Presse mehr“

Jörg Becker: „Wenn ich Zeitung zu definieren hätte, müsste ich sagen, der Inhalt einer Zeitung ist das kostenlose Zubrot, um eine Zielgruppe wie Zeitungsleser an die werbetreibende Industrie verkaufen zu können.“

Und weiter:

„Der neoliberale Wechsel von Journalismus zu Werbung verändert das Machtverhältnis zwischen PR-Industrie zu Journalismus eindeutig und ein für alle mal zugunsten der PR.“

Dann fuhr Prof. Becker fort: „Die lapidare Feststellung von Marx Mitte des 19. Jahrhunderts, dass die erste Freiheit der Presse darin besteht kein Gewerbe zu sein, konkretisiert sich gegenwärtig betriebswirtschaftlich. Es gibt grundgesetzwidrig keine freie Presse mehr.“

Privatinteressen werden als öffentliche ausgegeben“

Ein interessantes Beispiel: Es habe im letzten zwei oder drei Kampagnen gegeben, die die Abschaffung von Papier- und Münzgeld propagierten. „Dahinter war“, erklärte Becker, „eine Kampagne, die uns Bürgern aufschwätzte, dass da doch viel praktischer sei. Und man möge sich doch sozusagen einer solchen Kampagne anschließen.“ Dahinter stünden Teilinteressen von Banken und Versicherungen und der Kartenherstellern, von denen Bertelsmann der größte sei.

„Privatinteressen werden als öffentliche ausgegeben.“

In den USA habe man inzwischen auf der einen Seite 200 000 hauptberufliche PR-Leute und nur noch 100 000 hauptberufliche Journalisten. In Deutschland sei das Verhältnis noch 1 : 1. Becker vermutet, dass sich „dieses Verhältnis auch noch umdrehen wird“.

George Gallup der Vater der Meinungsforschung habe einmal, sprang Prof. Becker noch einmal in die 1930er Jahre zurück formuliert, PR ist dasselbe wie PR für Politik. Und Elisabeth Noelle-Neumann habe 2006 noch gesagt: „Umfragen zu politischen Wahlen sind das Gleiche wie Umfragen zu Seife.“

Ein Riesenproblem unserer Zeit sei, so Becker, „dass wir keine bürgerliche Gesamtöffentlichkeit mehr haben.“ Unsere Gesellschaft sei inzwischen fragmentiert.

PR und Kriegsführung

Schließlich kam Jörg Becker zum Thema PR und Kriegsführung. „Wenn Krieg geführt werden braucht man Public Relations-Agenturen.“

Becker kam auf ein historisches Beispiel zurück. Den Kuba-Krieg 1897durch die USA. Da habe es einen US-Reporter gegeben, der auf der Insel ist und frustriert ist, weil feststellt es gibt keine Kriegshandlung. Er habe an seinen Chef nach New York geschrieben, er wisse nicht über was er berichten soll. Antwort vom Chef: „Bleib trotzdem auf Kuba. Du schickst die Fotos, wir machen den Krieg.“

Becker: „Ich kenne ähnliche Phänomene in der Gegenwart. Ich kenne sie aus dem Kosovo-Krieg, ich kenne sie aus anderen Kriegen. Und an der Schaltstelle sitzen dann oft PR-Leute.

Ein weiteres haarsträubendes Beispiel: „Als die US-Truppen 1992 in Somalia anlandeten gab es vorab eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Pentagon und CNN. Der Vertrag sah vor die Landung hat zu dem Zeitpunkt zu erfolgen indem es in den USA Prime Time ist.“

Der Referent: „PR-Agenturen sind auf einmal Kriegsakteure geworden. Sie bestimmen mit was militärisch passiert.“

Und Becker gab noch ein Beispiel aus Deutschland hinzu, dass er in einem Buch „Operation Balkan“ beschrieben hat.

Da habe sich ein Unternehmer während des Jugoslawien-Krieges bei den Werbefachmann Hunziker an bat darum – da er Niederlassungen in Belgrad habe – und Hunziger so gute Verbindungen zur Bundeswehr habe, ob es möglich wäre, seine Firmen nicht zu bombardieren. Es klappte. Der Unternehmer bedankte ich bei Hunziker für dessen Leistung.

Kindersoldaten

Gegen Ende seines Vortrags kam Becker noch auf ein heikles Thema zu sprechen. „Wir haben in der Bundeswehr inzwischen knapp 2000 Minderjährige unter 18 Jahren, definitorisch sind das Kinder. Es sind schlicht und einfach Kindersoldaten.“

Werbung für völkerrechtswidriges staatliches verordnetes Massentöten sollte verboten werden.

Prof. Dr. Becker schloss: „Als kritischer Wissenschaftler in Nachfolge der Frankfurter Schule habe ich selber ein normatives Wisenschaftsverständnis. Und vor diesem Hintergrund stehe ich zu der gesellschaftlichen Verantwortung meines Berufes als Sozialwissenschaftler und halte normativ fest, dass Public-Relations für Krieg moralisch verwerflich und zynisch ist und das Werbung für völkerrechtswidriges staatlich verordnetes Massentöten eigentlich verboten werden sollte.“

Update vom 2. Februar 2018: Den gesamten Vortrag von Prof. Dr. Becker haben die NachDenkSeiten in ihr Portal aufgenommen und veröffentlicht. Sie finden ihn hier in ganzer Länge.

Update vom 20. Februar 2018: Die Videoaufzeichnung von WeltnetzTV des Vortrags von Prof. Dr. Becker