„Die Konsensfabrik“ von Herman/Chomsky erstmalig auf Deutsch – Rezension

Da ist es nun endlich, 35 Jahre nach der Veröffentlichung in den USA – und zwar erstmalig auf Deutsch. Keine Ahnung warum es so lange dauern musste bis es in deutscher Übersetzung erschien. Der Titel: „Die Konsensfabrik“. Herausgegeben vom Westend Verlag. Michael Schiffmann hat es übersetzt. Nachdem er früher bereits Angela Davis und Noam Chomsky ins Deutsche übertragen hat. In einem dreiviertel bis einem Jahr sei es ihm gelungen, die Übersetzung fertigzustellen, erzählt Schiffmann in einem Video des Westend Verlags.

Wie einer der Herausgeber der deutschen Ausgabe, der Medienwissenschaftler Uwe Krüger im Video über das Buch sagt: „Ein ziemlicher Wälzer. Ein ordentlicher Ziegelstein.“ Ein blauer Ziegelstein, 704 Seiten stark und schwer. Aber bitte nicht gleich davor zurückschrecken, lieber Leserinnen und Leser. Nehmen Sie sich die Zeit – die Lektüre lohnt.

«Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media ist eine Monographie von Edward S. Herman und Noam Chomsky, die 1988 erstmals veröffentlicht wurde. 2002 wurde das Buch mit einem neuen Vorwort neu aufgelegt. 2023 erschien mit Die Konsensfabrik. Die politische Ökonomie der Massenmedien die deutschsprachige Übersetzung«, heißt es auf Wikipedia.

«Mit „Manufacturing Consent“ haben die beiden großen Intellektuellen im Jahr 1988 ein umfassendes Werk zur Funktionsweise der Massenmedien in kapitalistischen Demokratien vorgelegt, das heute als eine der meistgelesenen Studien zum Thema gilt und nun am im September 2023 endlich und erstmals auf Deutsch erscheint«, schreibt der Westend Verlag, dem größter Dank für die eigentlich längst überfällig gewesene Herausgabe in deutscher Sprache gebührt. Und weiter:

«Fein und detailliert zeigen die Autoren, wie die Medien einen gesellschaftlichen Konsens herstellen, der den herrschenden wirtschaftlichen und politischen Interessen folgt. Diese Einflussnahme erfolgt aber nicht durch dunkle, verschwörerische Mächte im Hintergrund, sondern durch die ökonomischen Bedingungen der Medienlandschaft, die Chomsky und Herman analysieren und dabei Themen in den Blick nehmen wie: Eigentumsverhältnisse, Anzeigengeschäft, Quellenabhängigkeit, die Grenzen des Sagbaren und politische Einflussnahme sowie implizite gesellschaftliche Ideologien. Sie zeigen auf, wie Fragen formuliert und Themen ausgewählt werden, und machen die Doppelmoral sichtbar, die der Darstellung freier Wahlen, einer freien Presse und staatlicher Unterdrückung zugrunde liegt.«

Sie werden hier schon aufmerken, liebe Leserinnen und Leser, weil hier quasi schon ins Auge springt, dass die Studien in keiner Weise veraltet sind. Ganz im Gegenteil! Die darin dargelegten Erkenntnisse sind umso wichtiger für die heutige Generation, um zu verstehen, wie Medien arbeiten und deren Rezipienten beeinflusst werden. Zumal ja heute zusätzlich die sozialen Medien ein nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Nicht zu vergessen auch die Einmischung sogenannter „Faktenchecker“ (m. E. ein Übel unserer Zeit, wohinter auch wiederum bestimmte Interessen stecken) auf die dort veröffentlichten Inhalte. Wobei der Eindruck zu gewinnen ist, dass diese Faktenchecker Sendungen beispielsweise öffentlich-rechtliche Medien weniger stark – sprich: unkritischer – in den Blick nehmen. Obwohl die ja auch schon so manchen Bock geschossen haben.

Es geht um die Interessen einer mächtigen Minderheit

Die Medienwissenschaftler Uwe Krüger, Holger Pötzsch und Florian Zollmann haben eine ausführliche Einführung zur deutschsprachigen Ausgabe verfasst über das Propagandamodell von Chomsky und Herman und seine heutige Bedeutung. Außerdem sind in dem Buch die beiden Vorworte der englischen Ausgabe von 1988 und 2002 enthalten.

In ihrer Einführung machen die Autoren klar, dass keine andere Theorie der Journalismusforschung so hart und unversöhnlich mit den kommerziellen Nachrichtenmedien ins Gericht gehe wie das Propaganda-Modell von Edward S. Herman und Noam Chomsky. Ihnen nach „haben die etablierten Medien in liberalen Demokratien eine Hauptfunktion, nämlich «Propaganda« zu betreiben. Das meint: Sie versuchen, etablierte Machtverhältnisse zu stabilisieren und in der Bevölkerung einen Konsens zu einer Politik und einem Wirtschaftssystem herzustellen, die vor allem den Interessen einer mächtigen Minderheit dienen.“ (S.7)

Sie verweisen darauf, dass „der öffentliche Raum in Deutschland seit etwa 2014 in den sozialen Netzwerken und oft auch auf den Straßen voll von Medienzynismus, Journalistenverachtung und Verschwörungsideologien á la Lügenpresse ist: Journalisten seien gekauft; Redaktionen seien von Politik, Geheimdiensten und Hochfinanz gesteuert und würden zusammen mit der Regierung die Bevölkerung manipulieren – solche Vorstellungen sind recht weit verbreitet (vgl. Krüger 2021; Schultz et al. 2023).“

Sie fragen. „Wozu dann dieses Buch, das vermeintlich in dieselbe Kerbe schlägt, jetzt auf Deutsch?“

Weiter: „Sollte man die Medien in Krisenzeiten wie diesen nicht eher die Medien in Schutz nehmen und eine Verteidigungsschrift der liberalen Demokratie inklusive der Infrastruktur ihrer Öffentlichkeit verfassen, anstatt die Gesellschaft weiter zu spalten?“

Die Autoren der Einleitung stehen für eine andere Meinung: „Tatsächlich ist, davon sind wir überzeugt, dieses Buch ein Mittel gegen die Spaltung der Gesellschaft, denn die Erosion des Vertrauens in demokratische Institutionen und Prozesse hat tiefere Ursachen als Verschwörungsfantasien und Twitter-Trolle. Ergebnisse aus der Forschung zu Medienvertrauen deutschen darauf hin, dass wirtschaftliche Ungleichheiten und neoliberale Postdemokratie-Verhältnisse politischen Ohnmachts- und Entfremdungsgefühle erzeugen (vgl. Krüger & Seiffert-Brockmann 2018), gegen die das vorliegende Buch gerade antritt.“ (S.9)

Diese Einleitung enthält wichtige Einordnungen und Gedanken, die auch die Gegenwart in den Blick nehmen. Deshalb empfehle ich den Text der drei Autoren unbedingt zu lesen und nicht zu überspringen.

Wichtig zu wissen ist, dass das sich von Herman/Chomsky skizzierte Propagandamodell die Ungleichheit von Reichtum und Macht und die vielfältigen Auswirkungen konzentriert, die sie auf die Interessen und Entscheidungen derer hat, die über Massenmedien bestimmen. Es werden die Mechanismen verfolgt, mittels derer Geld und Macht in der Lage sind, die Nachrichten herausfiltern «die es wert sind gedruckt zu werden«. Abweichende Meinungen werden unterdrückt oder abgeschwächt – als wertlos – dargestellt. Im Gegenzug ermöglicht man herrschenden staatlichen und einflussreichen privaten Interessen ihre Botschaften unters Volk zu bringen.

Dem Propagandamodell zufolge müssen Nachrichten fünf Nachrichten-«Filter« durchlaufen bevor sie in den Medien landen

Um darzustellen, wie die Berichterstattung trotz formaler Pressefreiheit beeinflusst wird, nennen Edward S. Herman und Noam Chomsky fünf Filter. Diese stellen die wirtschaftlichen und politischen Einflussfaktoren dar, die bestimmen, ob und wie eine Nachricht vermittelt wird. Dieser Prozess geschieht oftmals nicht öffentlich und von journalistischer Seite nicht einmal bewusst. Weshalb der Eindruck von Pressefreiheit, unabhängigen Medien und sowie eines auf der Demokratie fußenden Konsenses in der Bevölkerung in der Regel nicht in Zweifel gezogen wird.

Filter 1: Die Eigentümer und deren (finanziellen) Interessen im Sektor Massenmedien. Unbequeme Meinungen und Positionen werden aussortiert

Die Besitzerinteressen spielen bei der Berichterstattung ihrer Medien selbstredend eine Rolle. Beispielsweise gehörte der große US-Fernsehsender NBC bis 2009 zu 100 % und bis 2013 zu 49 % dem Großkonzern General Electric. Dieser Misch-Konzern war aber nicht nur in der Medienbranche tätig, sondern unter anderem auch in der Rüstungsindustrie. General Electric (GE) versuchte somit die Berichterstattung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Der Sender musste tendenziell potentielle Kriege unterstützen und negative Berichterstattung über Konflikte, in denen mit GE Waffen gekämpft wird, zurückhalten.

Die Besitzverhältnisse werden besonders durch zwei Faktoren geprägt werden. Erstens benötigt man enorm viel Geld, um ein Medium mit relevanter Reichweite zu gründen. Weshalb die Medienlandschaft hauptsächlich von großen Konzernen geprägt wird. Zweitens kann man einen Prozess der Medienkonzentration beobachten. Der normale Mediennutzer mag an eine scheinbare Medienvielfalt glauben. In Wirklichkeit besitzen einige wenige große Unternehmen die Mehrheit an Zeitungen, TV- und Radiosendern. Herman und Chomskys Analyse beschränkt sich zwar nur auf den US-Markt, sie gehen aber davon aus, dass diese Punkte für alle entwickelten Demokratien gelten.

Filter 2: Die Einnahmequellen: Werbung macht Inhalt

Um als Medium langfristig erfolgreich sein zu können, reicht es nicht, vermögende Besitzer zu haben. Diese wollen nämlich auch Profite sehen. Zeitungen decken beispielsweise ihre Kosten längst nicht mehr durch den Verkauf, sondern machen ihre Gewinne vor allem mit den Inseraten. Allerdings sind hierzulande die Anzeigeneinnahmen mittlerweile rückläufig.

Fernsehsender leben fast ausschließlich von TV-Spots. Um gewinnbringend wirtschaften zu können, ist man also von den Werbeeinnahmen und damit von anderen Unternehmen abhängig. Die inserierenden Konzerne bestimmen dadurch die Auswahl und Vielfalt der Medieninhalte wesentlich mit. Diese Abhängigkeit führt auch dazu, dass die Medien stark dazu neigen, von vornherein werbetaugliche Inhalte zu publizieren.

Banalisierung der Inhalte

Formate werden also für die Werbetreibenden erstellt und nur in zweiter Linie für die Rezipienten der jeweiligen Medien. Dadurch kommt es unter anderem zu einer Banalisierung des Angebotes. Unternehmen meiden beunruhigende oder kontroverse Inhalte als Plattform für ihre Produkte, da sie die Kaufstimmung beeinträchtigen könnten. Somit werden eher leichte Programminhalte produziert, da diese billiger zu erzeugen sind und vor allem auch mehr Werbeeinnahmen generieren.

Selbstzensur: Die Schere im Kopf

Eine weitere Auswirkung ist die Selbstzensur der Medien. Um Werbekunden nicht zu vergraulen, wird bewusst auf Inhalte verzichtet, die ihnen schaden würden. So wird ein Medium einen Bericht über vermehrte Fettleibigkeit unter Kindern eher zurückhalten, wenn ein großer Sponsor ein Fast-Food Konzern ist. Diese Einflussnahme auf die Blattlinie erfolgt oftmals ohne direktes Einwirken der Werbenden und wird durch vorauseilenden Gehorsam automatisch durchgeführt. Dieser Mechanismus wird auch „die Schere im Kopf“ genannt.

Filter 3: Quellen: Wer produziert die Nachrichten?

Medien brauchen für ihre Arbeit vor allem eines: Informationen. Der steigende Kostendruck in der Branche führt zu einer Ausdünnung der Redaktionen und somit nimmt der Anteil der selbst recherchierten Meldungen ab. Die Hauptzulieferer von Informationen sind heute PR- und Nachrichtenagenturen.
Wir erleben eine Professionalisierung der Pressearbeit von Unternehmen und politischen Gruppen, wobei auch hier gilt: Je finanzstärker diese sind, desto erfolgreicher können sie PR-Arbeit leisten.

Win-Win-Situation „Copy & Paste“

Oftmals übernehmen JournalistInnen einfach Meldungen, die sie auf Pressekonferenzen oder durch Pressemitteilungen erhalten, damit verwandeln sie PR-Berichte in vermeintlich journalistische Fakten. Für die PR-Arbeiter ist dies der optimale Fall, weil der Absender seine Argumente 1:1 und ohne Widerspruch ans Publikum bringt. Das Medium wiederum erspart sich Recherche und wirkliche Bearbeitung des Themas.

Beispiel: „Laut einer Untersuchung des britischen Journalisten Nick Davies gehen gerade mal 12 Prozent der Artikel in britischen Qualitätsmedien auf tatsächliche Eigenrecherche von Redakteuren zurück. 41 Prozent beinhalteten PR-Material und 13 Prozent unterschieden sich nur unwesentlich von PR-Texten. Zeitungssterben und Profitlogik haben auch die Arbeitsbedingungen in den Redaktionen verschlechtert: Journalisten haben heute um zwei Drittel weniger Zeit als noch in den 1980er Jahren. Während die Zahl der Redakteure leicht abgenommen hat, hat sich die Menge an Texten, die sie produzieren müssen verdreifacht. Dazu kommt, dass mittlerweile mehr Menschen dafür bezahlt werden, die öffentliche Meinung im Sinne der Unternehmen und Politiker zu beeinflussen als es Journalisten gibt.“

Die Rolle der Nachrichten-Agenturen

Die zweite wesentliche Nachrichten-Quelle sind wenige große Nachrichtenagenturen. Ein guter Teil aller Zeitungs-Nachrichten besteht lediglich aus mehr oder weniger gekürzten Agentur-Meldungen. Die Leser werden das oft gar nicht bemerken.

Unter anderem sind die Agenturen bei ihrer Arbeit sehr auf die Kooperationsbereitschaft von Regierungen und Konzernen angewiesen. Zudem sortieren sie Meldungen aus, die sie als wenig relevant oder nicht medientauglich erachten. Insgesamt schaffen es also vielfach Nachrichten nur in die Öffentlichkeit, wenn Institutionen ein Interesse daran haben und wenn sie den medialen Verwertbarkeitskriterien entsprechen.

Filter 4: «Flak« als Bestrafung für Abweichung: Öffentliche Kritik oder Geldentzug

Berichte oder Sendeformate, die den politisch und wirtschaftlich Mächtigen unangenehm sind, werden systematisch mit negativen Reaktionen beantwortet. Das können von PR-Agenturen gesteuerte negative Leserbriefe, Anrufe oder Forenkommentare sein, aber auch persönliche Drohungen, Beschwerden oder Werbekunden, die mit dem Stopp von Inseraten drohen.

Herman und Chomsky benutzen hier den Begriff «Flak« (nach der deutschen Abkürzung für Flugabwehrkanone). Auch kann man diese Praktik „Störfeuer“ nennen. «Flak« ist also ein Mittel zur Disziplinierung der Medien.

Filter 5: «Antikommunismus« als nationale Religion und als Kontrollmechanismus

Noam Chomsky und Edward S. Herman haben ihr Propaganda-Modell unter den Eindrücken einer bipolaren Welt im Kalten Krieg entwickelt. Darum nannten sie folgenden Filter erst Antikommunismus, später aktualisierte Herman den Begriff auf Antiideologie bzw. Neoliberalismus. Später noch: Krieg gegen den Terror vorgeschlagen. Starke Ideologien, die es jeweils erlauben die Welt in Gute und Böse aufzuteilen.

Im Wesentlichen geht es hierbei um das Setzen von Grenzen akzeptabler Meinungen. Darf etwa eine bestimmte Religion oder Religion an sich abgelehnt werden? Wie viele Wirtschaftsjournalisten haben während der Griechenland-Krise die fetischhafte Kürzungspolitik Deutschlands kritisiert? Werden in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen steigende Aktienkurse und Gewinne mit damit verbundenen gesellschaftlichen Entwicklungen und sozialen Kennzahlen verglichen?

All das interagiert miteinander und verstärkt sich so

Sind all die Filter durchlaufen, soll ein gesäuberter Rest übrigbleiben, der «es wert ist, gedruckt zu werden«.

Die Herrschaft der Elite über die Medien und die Marginalisierung von Vertretern abweichender Meinungen ergeben sich auf diese Weise. Die in den Medien tätigen Journalisten, die häufig vollkommen integer und guten Willens ihre Arbeit tun, können sich gar einreden, dass die Nachrichten «objektiv« sind sie die und aufgrund rein professioneller Standards auswählen und interpretieren. Wohl auch, weil sie innerhalb der durch Filter auferlegten Grenzen dann tatsächlich oft objektiv, aber die Beschränkungen sind so mächtig und so gut in das System integriert, dass alternative Kriterien der Nachrichtenauswahl oft nicht einmal vorstellbar sind.

Hochinteressante und spannende Kapitel seien genannt und besonders empfohlen für eine jüngere Leserschaft, die diese Zeit und die damit verbundenen Nachrichten nicht selbst erlebt haben.

(3) Legitimierende und bedeutungslose Wahlen in der Dritten Welt: El Salvador, Guatemala, Nicaragua (S.274)

(4) Das Komplott des KGB und Bulgariens zur Ermordung des Papstes: Marktwirtschaftliche Desinformation als «Nachrichten« (S.362)

(5) Die Indochinakriege: Vietnam (S.405)

(6) Die Indochinakriege: Laos und Kambodscha (S.545)

Dazu auch: die US-Einmischung in die Wahlen in El Salvador, die US-Einmischung in Wahlen in Guatemala, die Einmischung der USA in die Wahlen in Nicaragua, die angebliche Verschwörung des KGB und Bulgariens zur Ermordung des Papstes, der Vietnamkrieg: Vietnam, Kambodscha und die Herrschaft von Pol Pot, Laos.

Wertvolle und wertlose Opfer

Die Leser sollten sich auch intensiv mit dem Kapitel (2) Wertvolle und wertlose Opfer (S.194) beschäftigen.

Das Blut kocht einem, zu lesen, wie unterschiedlich Opfer in den Medien gewichtet werden. Die Opfer „unserer“ Kriege werden in den Westmedien im Grunde genommen als wertlos und unwichtig behandelt. Etwa die durch Saudi Arabien zu verantwortenden Opfer im Jemen. Was an Zynismus nicht zu übertreffen ist. Die Opfer in unseren Feindstaaten dagegen werden als wertvoll behandelt. Sie bekommen eine prominentere Berichterstattung.

Seinerzeit wurde etwa über den durch Leute des polnischen Staatssicherheitsdienstes während des 1984 in der Volksrepublik Polen verhängten Kriegsrechts auf fürchterlicher Weise ermordeten Priesters Jerzy Aleksander Popiełuszko lang und ausführlich über Tage hinweg berichtet. An prominenter Stelle in der New York Times und anderen Leitmedien in den USA. Darüber wurde viel mehr berichtet als über die ganzen religiösen Opfer, darunter Erzbischof Romero von San Salvador.

Über die Folterung, Ermordung von Linken, Gewerkschaftern und Nonnen unter Diktaturen in Mittel- und Südamerika in den 1980er Jahren, die unter dem Einfluss der USA stehend – bis hin zur direkten Unterstützung der Terror ausübenden Diktaturen durch Washington – dagegen wurde, vornehm ausgedrückt, nur zurückhaltend berichtet. 200 000 Opfer sind damals zu beklagen gewesen. In den Indochinakriegen der USA waren es dann schon Millionen von Menschen, die deren Kriegen zum Opfer fielen. Im Buch wird darüber ein statistischer Nachweis geführt – vor allem im Kapitel über Mittelamerika.

Zweierlei Maß halt und eine an den Interessen der USA ausgerichteten Medienberichterstattung.

Die Medien werden nach Herman und Chomsky ganz grundsätzlich von den Eliten als Instrument zur Sicherung ihrer Macht und Interessen missbraucht. Während die Eliten in totalitären Staaten Gewalt zu ihrer Legitimierung nützen, wird in Demokratien die Berichterstattung systematisch beeinflusst, um so Konsens im Interesse der Oberschichten zu erzeugen. Noam Chomsky selbst fasst das mit diesem Zitat zusammen:

„Ohne Knüppel, ohne Kontrolle durch Gewalt, muss man das Denken kontrollieren.
Dazu greift man zu dem, was in ehrlicheren Zeiten Propaganda genannt wurde.“

Das Buch ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Dennoch: absolute Leseempfehlung

Das Buch ist alles in allem eine gute und wichtige Analyse von Chomsky und Herman. Im Wesentlichen auf die USA bezogen. Aber sie ist auch für uns hier – obwohl wir einen viel größeren öffentlich-rechtlichen Mediensektor haben – hoch interessant und hat auch keineswegs an Aktualität verloren.

Chomsky meinte später, es gebe durchaus Möglichkeiten bezüglich der Medien und deren Berichterstattung Veränderungen zum Positiven zu erreichen. Propaganda verfehle heute oft ihre Wirkung. Gibt es also Hoffnungen? Gibt es tatsächlich auch in den Redaktionen heute eine größer Sensibilität und denkt man dort daran verschiedene Haltungen abzubilden?

Ich persönlich – schaue ich mir die heutige Medienrealität an – glaube daran eher nicht. Ist nicht eher das Gegenteil der Fall?

Meiner Meinung nach ist allein der Journalismus in der Bundesrepublik Deutschland – von viel zu wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – heftig auf den Hund gekommen. Auf einem schmerzenden Tiefpunkt angelangt. Nicht zuletzt erfüllt der Journalismus so nicht mehr die in einer Demokratie (welche nebenbei angemerkt – meinem Eindruck nach – auch immer mehr absandelt) unverzichtbare Aufgabe einer Vierten Gewalt.

Betrachten wir doch nur einmal das Agieren unserer Leitmedien und das der Öffentlich-Rechtlichen seit mindestens 2014, so erleben wir gerade in Zeiten des Ukraine-Krieges eine fürchterliche Zurichtung auf eine zunehmend immer unerträglichere Propaganda.

Das vorliegende Buch ist freilich nicht vergnügungsteuerpflichtig. Und mit über 700 Seiten nicht mal soeben weg gelesen. Trotzdem empfehle ich es unbedingt meinen Leserinnen und Lesern. Nicht zuletzt sollte es von angehenden oder bereits im Beruf stehenden Journalistinnen und Journalisten gelesen werden.

Selbstverständlich sollte das Buch reflektiert und mit auf vollen Empfang geschaltetem Verstand rezipiert werden.

Chomsky und Herman haben es zwar mit Blick auf die US-Verhältnisse geschrieben. Doch können wir ihre Studien ohne Weiteres auf unsere Verhältnisse herunterbrechen, verstehen und unsere Schlüsse daraus ziehen.

Letztlich sollten Journalisten und Leser ein hohes Interesse an kritischem, gutem Journalismus, welcher nicht den Interessen von einflussreichen Konzernen und Eigentümern untergeordnet ist, haben und diesen einfordern und befördern.

Klar: Gut gebrüllt Löwe, werden Sie ausrufen. Das Einfache, das schwer zu machen ist. Aber alles so laufen lassen wie momentan ist eben auch keine Lösung.

Der Autor:

Noam Chomsky, geboren 1928, ist Professor emeritus für Sprachwissenschaft und Philosophie am M.I.T. Er hat die moderne Linguistik revolutioniert und zahlreiche Bestseller verfasst. Chomsky ist einer der weltweit bekanntesten linken Intellektuellen und seit jeher ein prominenter Kritiker der amerikanischen Politik wie auch des globalen Kapitalismus.

Edward S. Herman, geboren 1925 war ein US-amerikanischer Ökonom und Medienanalyst, der zuletzt als Professor emeritus of Finance an der Wharton School der University of Pennsylvania beschäftigt war.

Aus dem Buch:

Die Massenmedien fungieren als ein System zur Kommunikation von Botschaften und Symbolen an die Bevölkerung als Ganzes. Sie sollen belustigen, unterhalten und informieren sowie dem Einzelnen die Werte, Meinungen und Verhaltensweisen vermitteln, die sie in die institutionellen Strukturen der Gesamtgesellschaft integrieren. In einer Welt, in der der Reichtum bei Wenigen konzentriert ist und in der gravierende Interessenskonflikte zwischen den Klassen bestehen, können sie diese Rolle nur durch systematische Propaganda ausfüllen.

Über das Buch

Erstmals auf Deutsch: Der Klassiker zur massenmedialen Meinungsmache

Die Medien haben die Macht, einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, der den herrschenden wirtschaftlichen und politischen Interessen folgt – und nutzen sie. Diese Einflussnahme erfolgt jedoch keinesfalls durch verschwörerische Mächte im Hintergrund, sondern durch die ökonomischen Bedingungen der Medienlandschaft, die Chomsky und Herman schonungslos analysieren. Mit Manufacturing Consent legten sie ihr heute weltberühmtes Werk zur Medienkritik vor, das als der Klassiker zum Thema gilt – und nichts an Aktualität verloren hat. Die Autoren zeigen auf, auf welche Weise in den Medien Themen ausgewählt und besprochen werden, und machen so die Doppelmoral und die auf den Status quo ausgerichtete Voreingenommenheit sichtbar, die den Darstellungen der so viel gepriesenen „freien Presse“ zugrunde liegen.

Edward S. Herman, Noam Chomsky, Uwe Krüger, Holger Pötzsch, Florian Zollmann

Die Konsensfabrik

Die politische Ökonomie der Massenmedien

704 Seiten

Klappenbroschur

Artikelnummer: 9783864893919

44,00 €

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Gespräch Michael Schiffmann mit Uwe Krüger:

Florian Warweg, Redakteur der NachDenkSeiten, sprach in Dortmund zum Thema: „Medien: Vierte Gewalt oder Meinungsmacher? Der Auftrag der Medien in der Demokratie und die Realität“

Wenn ich mich auch hier wiederhole – so ist es doch einfach eine Tatsache, die aufmerksamen Rezipienten unserer Print- und Onlinemedien über die letzten Jahre immer wieder aufgestoßen sein dürfte. Der Journalismus – gern immer wieder mit stolz geschwellter Brust als vierte Säule unserer Demokratie gepriesen – ist m. E. auf den Hund gekommen. Klar: Es gibt immer noch gut journalistische Beiträge und Medien. Aber diese vierte Säule trägt meiner Meinung nach längst nicht mehr wie tragen sollte. Und wenn das stimmt, dann müssten wir auch über den Zustand der Demokratie sprechen. Denn: Alles hängt mit allem zusammen.

Am vergangenen Montag hatte die Regionalgruppe von Attac Dortmund eine interessante Veranstaltung außer der Reihe anberaumt. Das Thema: „Medien: Vierte Gewalt oder Meinungsmacher? Der Auftrag der Medien in der Demokratie und die Realität“. Als Referent trat Florian Warweg, Redakteur und vielleicht bald – es steht am 29. Juli noch eine Gerichtsurteil aufgrund einer Klage gegen die als Verein firmierende Bundespressekonferenz an – Parlamentsbericht­erstatter (er war es schon einmal zuvor für RT Deutsch) des reichweitenstärksten linken Alternativ­mediums NachDenkSeiten in Erscheinung. Warweg arbeitete für amerika21, RT Deutsch und war im Nahen Osten und Lateinamerika tätig. Bei den NachDenkSeiten betreut er das Projekt Faktencheck und Faktenchecker. Warweg ist eine ganz beliebte Zielscheibe für Diffamierungen u.a. der Volksverpetzer oder der Süddeutschen Zeitung.

Über die sehr interessante Veranstaltung möchte ich hier Bericht erstatten. Da ich derzeit in meiner zweiten Heimat Izmir weile, konnte ich diese nur per Zoom verfolgen.

Aus der Ankündigung

«Wenn von der „4. Gewalt im Staat“ die Rede ist, sind die Aufgaben der Medien gegenüber staatlichem Han­deln angesprochen: Einerseits sollen Medien über das Handeln des Staates und seiner Institutionen informie­ren. Andererseits sollen sie das staatliche Handeln durch ihre Berichterstattung kontrollieren. Aktuelle Veröffentlichungen – insbesondere zu der Berichter­stattung zum Ukraine-Krieg (s. Literaturangaben)  – sprechen eine andere Sprache.

Die Leitmedien der Bundesrepublik ähneln seit mehre­ren Jahren eher einer Säule der Regierungsmacht und der ihr zuarbeitenden Funktionseliten als einer Säule der Demokratie. Machtstützend statt hinterfragend. Wie konnte es so weit kommen?

Der Referent wird in seinem Vortrag die wichtigsten Ergebnisse präsentieren, analysieren, welche Faktoren zu dieser existenziellen Krise des Journalismus führten und welche Einfluss-, Repres­sions- und Manipulati­onsmechanismen dabei ihre Wirkung entfalten.«

Aktuelle Literatur zum Thema:

Richard David Precht & Harald Welzer: Die vierte Ge­walt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist. S. Fischer, Frankfurt/Main 2022.

Marcus Maurer / Pablo Jost / Jörg Haßler: Die Qualität der Medienberichterstattung über den Ukraine-Krieg. Otto-Brenner-Stiftung, Frankfurt/Main 2023.

Harald Welzer & Leo Keller: Die veröffentlichte Meinung. Eine Inhaltsanalyse der deutschen Medienberichterstattung zum Ukrainekrieg. In: Neue Rundschau 2023/1

Florian Warweg: „Lasst mich meinen Vortrag mit einer Binsenweisheit beginnen: «Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit«

Warweg weiter: „Wenn dem so ist, dann befindet sich Deutschland spätestens seit dem 13. Juni 2022 zumindest im medialen Krieg gegen Russland.“

Warweg machte das an einem Beispiel aus der Tagesschau an diesem Junitag um 20 Uhr einen Beitrag mit Bildern von einem zerstörten Marktplatz in Donezk. Behauptet wurde immer wieder stünden zivile Ziele unter Beschuss der russischen Armee. Es wurde gefordert der Ukraine bitteschön schwere Waffen zukommen zu lassen. Allerdings hatte es sich bei diesem Angriff um einen ukrainischen Angriff gehandelt, wie etwa Reuters gemeldet hatte. Die Tagesschau habe den Bericht mit voller Absicht „umgeframt“. Diese Meldung sei bis heute nicht richtiggestellt worden, in dem Sinne, dass die ukrainische Armee als Täter genannt wurde. Es sei nach heftiger Zuschauerkritik lediglich eine redaktionelle Anmerkung eingefügt worden, dass es nicht vollständig erwiesen sei, dass es sich um einen russischen Angriff gehandelt habe. Diese Vorgehensweise sei in der deutschen Ukraine-Kriegsberichterstattung durchaus kein Einzelfall.

So sehe es auch im Fall des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja, welches im von Russland kontrollierten Teil der Südukraine liegt, aus.

Sollte es wirklich so sein, dass Russland das unter seiner Kontrolle stehende AkW beschießt? Moskau und Kiew beschuldigten sich immer gegenseitig des Beschusses. Es werde zwar letztlich offengelassen, wer da schieße, ließe jedoch letztlich den Eindruck entstehen, die Russen seien es.

Warweg: „Sagen, was ist – wenn es nicht die eigene Haltung bestätigt – hat schon längst in den meisten Redaktionsstuben der Republik ausgedient.“

Warweg verwies auf ein Konzept des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, das immer wieder Verwendung finde. „Doxa (altgriechisch δόξα dóxa ‚Meinung‘) beschreibt ein Konzept des französischen Soziologen Pierre Bourdieu. Doxa bezeichnet alle Überzeugungen und Meinungen, die von einer Gesellschaft unhinterfragt als wirklich oder wahr angenommen werden.“ (Quelle: Wikipedia)

In fast allen Redaktionen herrsche die Doxa. Was da nicht hineinpasse müsse halt entsprechend umgeframt werden.

Ähnlich verfahre man betreffs der Zerstörung des Staudamms in der Oblast Cherson.

Beispiele, warum das und wie diese Praxis funktioniere führte Florian Warweg an. Etwa das Buch von Michael Meyen „Die Propagandamatrix“. Es seien dort genannt: 1. Die herrschende Ideologie, 2. Die Medialisierung, 3. Die Medienorganisation und 4. Das journalistische Feld.

Am zielführensten als Erklärung von medialen Verfahrensweisen aber findet Warweg das 1988 von Noam Chomsky und Edward S. Herman veröffentlichte Buch „Manufacturing Consent“. Auf Deutsch als „Konsensfabrik“ übersetzt.

Einschub meinerseits:

Erstmals auf Deutsch: Der Klassiker zur massenmedialen Meinungsmache

Mit „Manufacturing Consent“ legten Edward S. Herman und Noam Chomsky im Jahr 1988 ein umfassendes Werk zur Funktionsweise der Massenmedien in kapitalistischen Demokratien vor, das heute als eine der meistgelesenen Studien zum Thema gilt. Fein und detailliert zeigen die Autoren, wie die Medien einen gesellschaftlichen Konsens herstellen, der den herrschenden wirtschaftlichen und politischen Interessen folgt. Diese Einflussnahme erfolgt aber nicht durch dunkle, verschwörerische Mächte im Hintergrund, sondern durch die ökonomischen Bedingungen der Medienlandschaft, die Chomsky und Herman analysieren und dabei Themen in den Blick nehmen wie: Eigentumsverhältnisse, Anzeigengeschäft, Quellenabhängigkeit, die Grenzen des Sagbaren und politische Einflussnahme sowie implizite gesellschaftliche Ideologien. Sie zeigen auf, wie Fragen formuliert und Themen ausgewählt werden, und machen die Doppelmoral sichtbar, die der Darstellung freier Wahlen, einer freien Presse und staatlicher Unterdrückung zugrunde liegt.
Mit „Die Konsensfabrik“ liegt der Klassiker von Chomsky und Herman erstmals auf Deutsch vor und hat nichts von seiner Aktualität verloren. « Quelle: Westend Verlag

Das Buch wird unter dem Titel „Die Konsensfabrik“ am 11.9.2023 im Westend Verlag erscheinen. Ich werde es dann hier rezensieren.

Eine handvoll von Konzernen und Verlagen beherrscht in Deutschland Presse und Newsmarkt

Der Referent wies daraufhin, dass in Deutschland etwas mehr als eine handvoll von Konzernen und Verlagen ein Großteil der privaten Presse und auch des Newsmarktes beherrsche. Axel Springer, Bauer Media Group, dann kommt Bertelsmann, Holzbrink Verlags Gruppe, Madsack Mediengruppe (wo die SPD mit der Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg)  mit 23 Prozent den größten Anteil hält) und Burda Media sowie die Funke-Medien-Gruppe. Diese sieben Konzerne dominierten nicht nur den Markt, sondern auch die journalistische Ausbildung in Deutschland. Aus dieser Art der Ausbildungsrealität gehe eine enorme Filterwirkung aus, so Warweg.

Journalisten neben Medizinern und Anwälten seien die Berufsgruppen, die sich am stärksten von Generation zu Generation weitergebe.

Warweg sprach auch das entsprechende Wahlverhalten von Journalisten an. In der Mehrzahl wählten sie die Grünen. Wie Umfragen ergaben. So tönten und agierten sie halt auch.

Werbeineinnahmen seien immer mehr gesunken, was zu einer größeren Abhängigkeit von den verbliebenen Werbepartnern führe. Und damit auch zu einem mutmaßlichen Anstieg der inneren Zensurschere. Auch eine Zunahme von staatlicher Querfinanzierung führe zu ähnlichen Konsequenzen. Einflussnahmen seitens der Politik fänden allenfalls subtil statt.

Warweg meinte es gebe auch so gut wie keine Journalisten mit gebrochenen Biografien mehr. Er führte als Beispiel etwa den großen Peter Scholl-Latour an. Der hätte wohl heute keine Chance mehr.

Der Einfluss der Nachrichtenagenturen

Der Referent beleuchtete auch die zentrale Rolle von Nachrichtenagenturen. Das zeige sich in der zunehmenden Übernahme von Texten der Agenturen seitens der Medien. Allenfalls würden sie einfach nur etwas umgeschrieben und passend gemacht. Oft gebe es eine hundertprozentige Übernahme von DPA-Artikeln. Die Deutsche Presse Agentur (DPA) habe ein De-facto-Monopol. Oft hätten dadurch viele Presseorgane fast oder völlig wortgleiche Überschriften.

„Was bedeutet eine freie Presse wenn sie in den Händen der Herrschenden bleibt“

Den interessanten Vortrag schloss Warweg mit einem Zitat legendären Generalsekretärs der französischen Gewerkschaften

Vor ziemlich genau hundert Jahren im Juli 1913 nach einer Schmutzkampagne aller Pariser Tageszeitungen gegen die Gewerkschaftsorganisation einer umfassenden Streikbewegung sagte der legendäre Generalsekretär der französischen Gewerkschaft CGT Léon Jouhaux: „Was bedeutet eine freie Presse wenn sie in den Händen der Herrschenden bleibt.“ Mit diesem Zitat schloss Warweg und merkte an: „Und genau diese Frage müssen wir uns heute wohl genauso stellen. Gerade mit Sicht auf die extrem einseitige und fast immer die existierenden Hegemonialverhältnisse stützende Berichterstattung in diesem Land.

Ein hervorragender Vortrag und eine interessante Fragerunde

Ein hervorragender Vortrag, den Florian Warweg zugunsten von Diskussion und Austausch mit dem Publikum absichtlich kurz gehalten hatte.

Florian Warweg versprach Attac Dortmund den Vortrag schriftlich zur Verfügung zu stellen. Und Attac versprach, diesen dann auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Sobald das geschehen ist werde ich den Vortrag hier verlinken.

Es folgte eine interessante Runde mit klugen Fragen, Ergänzungen und Stellungnahmen aus dem Publikum.

Es ging z.B. um die Frage, inwiefern Geheimdienste Einfluss auf Journalisten nähmen. Ein Herr führte als Beispiel ein Interview mit dem inzwischen verstorbenen FAZ-Journalisten Udo Ulfkotte („Gekaufte Journalisten: Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken“) an, der dergleichen geäußert hätte. BND-Leute seien damals mehrmals in sein Büro gekommen und hätten einen bestimmten Text von ihm verlangt und gewartet bis er von Ulfkotte in den Computer getippt worden war. Florian Warweg hatte freilich darüber keinerlei Kenntnis, hielt aber das, was Ulfkotte einst geäußert hatte, durchaus für möglich, dass es ihm so geschehen sei.

Die Moderatorin stellte am Ende fest, der Referent sei ja „ordentlich ausgesaugt worden“. Wahrlich! Mit hohem Gewinn für das im Saal befindliche sowie das via Zoom zugeschaltete Publikum.

Es bleibt dabei: Der Journalismus hierzulande ist auf den Hund gekommen. Es kommt darauf an, ihn wieder zur Vierten Gewalt zu machen. Gefragt sind hauptsächlich die Rezipienten. Also wir. Widerspruch von dieser Seite, so Warweg, fruchte manchmal durchaus. Man muss allerdings auch die Altersstrukturen der Rezipienten beachten. Junge Leute läsen oft gar keine Zeitungen mehr. Oder seien gar nicht mehr in der Lage Informationen zu lesen, die länger als 1 Minute 50 (auf Tiktok) seien. Es gibt als viel zu tun.

Hier finden Sie den gestern in Dortmund gehaltenen Vortrag auf den NachDenkSeiten veröffentlicht.