Deutschlands Mitte-Extremismus

Wer gehört zur bürgerlichen Mitte? Ein neoliberales Institut spielt wieder Bullshitbingo mit diesem nur scheinbar neutralen Konstrukt. Tatsächlich ist die Mitte ein kreierter Hort für Gehorsame, der sich ideologisch stets neuen politischen Verhältnissen anpasst. Und die werden immer extremer.

Von Susan Bonath

Lohndumping, Sozialabbau und militärische Aufrüstung sind gut für die Rendite ‒ des Kapitalisten Glück ist des Lohnabhängigen Übel. Dieser Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit sollte eigentlich Widerstand hervorrufen. Doch mit viel Propaganda und Einbindung von Gewerkschaften, Sozialverbänden und Parteien gelang es den imperialistischen Akteuren, diesen weitgehend zu brechen. Dazu gehört die Konstruktion einer „bürgerlichen Mitte“, der anzugehören das Ziel jedes braven Bürgers sein müsse.

Doch diese „Mitte“ ist nicht etwa neutral oder gar statisch, wie gern suggeriert wird, sondern schlicht das Synonym für konform. Wer sich gut anpasst, kann es bekanntlich schnell „zu etwas bringen“. Ideologisch geht die Mitte aber stets systemkonform mit der Zeit: Radikalisieren sich die Verhältnisse in Krisenzeiten, tut es die „Mitte“ ebenfalls. Man kann das derzeit live beobachten.

Bullshitbingo für Gehorsame

Die Verortung dieser „Mitte“ ist so vage wie variabel. Wer dazugehören will, sollte einerseits über ein gewisses (Lohn-)Einkommen verfügen, andererseits den ideologischen Rahmen der bürgerlichen „Altparteien“ nicht verlassen. Die Denkvorgaben ändern sich dabei mit den realen Verhältnissen, während über die materielle Eintrittskarte in diese Mitte rege gestritten wird. Pseudowissenschaftliche „Analysen“ sollen dafür sorgen, dass sich viele zugehörig fühlen – und entsprechend ideologisch anpassen.

In diesem Sinne darf ein neuer Bericht des neoliberalen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln betrachtet werden. Der Think-Tank stellt darin die rhetorische Eingangsfrage, wer überhaupt zur Mittelschicht gehöre, und verspricht eine „einkommensbasierte Abgrenzung eines uneinheitlichen Begriffs“ ‒ ein Bullshitbingo für Leute, die sich besser fühlen wollen.

Dieser scheinakademische Unfug erscheint zwar nutzlos, erfüllt aber einen wichtigen Zweck für die Herrschenden: das Erzeugen politischer Konformität in der Masse. Diese soll selbst asozialste Politik mittragen und Unliebsame ausgrenzen: Systemkritiker, Kriegsgegner und Arbeitslose zum Beispiel.

Ganz klassisch teilen die IW-Propagandisten die in der Masse lohnabhängigen Bundesbürger nach ihrem Einkommen ein, um sie dann in verschiedene Kategorien zu sortieren: „relativ Arme“, „untere Mitte“, „Mitte im engeren Sinne“, „obere Mitte“ und „relativ Reiche“. Zu den Zahlen nur so viel: Als „relativ reich“ zählt das IW bereits Alleinstehende ab einem Monatsnetto ab 5.780 Euro. Als „relativ arm“ wertet es jene mit weniger als 1.390 Euro verfügbarem Einkommen.

Einfrieden und ausgrenzen

Auf die wenigen ganz Reichen und die mehr werdenden ganz Armen geht das Institut nicht weiter ein, vermutlich, um seine Zielgruppe nicht zu verunsichern. Über die Konzentration von Milliardenvermögen in wenigen Händen spricht man in neoliberalen Kreisen genauso ungern wie über die wachsende Zahl der Armen. Immerhin leben in Deutschland fast zehn Prozent auf dem Niveau von Grundsicherungsleistungen und fast die Hälfte aller Rentner von weniger als 1.250 Euro monatlich.

Zu dieser unteren, mittleren oder oberen Mittelschicht darf sich demnach wie erwartet die absolute Mehrheit zählen. Das imaginäre Konstrukt einer „Mitte-Gemeinschaft“, die alle Nichtkonformen ausgrenzt, ist kreiert. Dann folgt sogleich die Animation zum Aufstiegskampf in selbiger. So lautet eine scheinbar sehr banale Aussage im Bericht: „Eine Vollzeiterwerbstätigkeit verringert das Armutsrisiko.“

Wer hätte das gedacht, mag man ironisch denken. Doch eigentlich ist das ein Aufruf an die Masse: Sei fleißig, fügsam und erfülle deinen Dienst nach Vorschrift, dann kannst du es vielleicht zu einem guten Gehalt und einigen Befugnissen bringen. Der 1998 verstorbene ostdeutsche Liedermacher Gerhard Gundermann formulierte das einst philosophisch so: Alle wissen, wo es langgeht, aber keiner weiß wohin.

Kritiker disziplinieren, Widerstand minimieren

Das variable Konstrukt der Mitte eignet sich perfekt, um Kritiker zu disziplinieren (im Zweifel markiert man diese wahlweise als rechts- oder linksextrem), Widerstand gegen (vermeintlich alternativlose) politische Schweinereien wie Sozialabbau und Aufrüstung zu minimieren sowie alle für die Interessen der Lohnabhängigen relevanten Organisationen, wie Gewerkschaften, Sozialverbände und (ehemals) linke Parteien, für die politische Durchsetzung von Kapitalinteressen einzubinden.

Das ist freilich ein alter Hut. Schon vor über hundert Jahren ließ sich die einstige Arbeiterpartei SPD ganz willig kaufen. Damals stimmte ihre politische Führung den sogenannten deutschen Kriegskrediten zu, was nicht nur den Ersten Weltkrieg einläutete, sondern auch für Turbulenzen in der Parteibasis sorgte. Seit den 1950er Jahren schwört sie auf das Fantasiegebilde „Sozialpartnerschaft“ zwischen Arbeitern und Bossen.

Auch die Grünen, einst hervorgegangen aus der 68er-Bewegung als Anti-Atom-, Umwelt- und Friedenspartei, haben sich bedenklich rasant in ihr Gegenteil verwandelt. Ihre neuen deutschen Großmachts- und Kriegsfantasien schockieren wahrscheinlich sogar manchen konservativen Kopf.

Dieser bürgerlichen „Mitte“ will auch die Spitze der Linkspartei gefallen. Vor einigen Tagen stimmte sie in landespolitischer Verantwortung für Bremen und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat den sogenannten neuen Kriegskrediten zu, also für den partiellen Wegfall der Schuldenbremse für ein möglicherweise billionenschweres Aufrüstungsprogramm. Dies ganz im Sinne von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU): Sie schwor Europa kürzlich schon auf einen „Großkrieg“ gegen Russland ein.

Politische Gleichschaltung

Eine „Eingemeindung“ in die bürgerliche Mitte erleichtert einen Aufstieg ungemein, für den Einzelnen im Job und für Parteien an den parlamentarischen Futtertrögen. Die ominöse Mitte ist eine Art bürgerlicher Leumund, dem Hinz und Kunz nachjagen, sogar die AfD. Sie buhlt, wann immer möglich, um die Gunst der CDU.

Politische Anpassung, gern bis hin zur Aufgabe des eigenen Denkens, ist heute Programm: Um sich als Koalitionspartner zu qualifizieren, um nicht von den Leitmedien niedergeschrieben zu werden, um einen Posten in einem Ministerium zu ergattern oder selbigen nicht zu verlieren, zum Beispiel. Die daraus resultierende Tendenz einer politischen Gleichschaltung ist unübersehbar: Die Unterschiede zwischen allen relevanten Parteien werden immer marginaler.

Zuspitzung imperialistischer Widersprüche

Nun ist die bürgerliche Mitte zwar zunehmend gleichgeschaltet. Statisch ist sie aber keineswegs. Vielmehr folgt sie ideologisch der praktizierten Politik, und diese orientiert sich stets an den Interessen des Kapitals. Rutscht Letzteres in eine Krise, weil die Renditen sinken und die Konkurrenz zu mächtig wird, was derzeit zu beobachten ist, geht es den „kleinen Leuten“ verstärkt ans Leder: mehr Arbeitslose und Sozialabbau, mehr Überwachung und Repressionen. Und kriegerische Expansionsgelüste nehmen zu.

Entsprechend rabiater geht die Politik gegen die Interessen der Mehrheit vor. Sie wird also rechter und extremer. Trotzdem muss sie möglichst viele Leute bei der Stange halten, denn ohne eine gewisse Zustimmung aus der Bevölkerung geht es nicht. Das tut sie mit massiver Propaganda bis hin zu absurdesten Geschichten, aufgeblasen zu einer bürgerlichen „Mainstreamwahrheit“. Wer diese dann nicht glauben mag, dem drohen mediale Pranger und allerlei existenzielle Schikanen.

Massive Aufrüstung und Kriegstrommelei, zunehmende Repressionen gegen politische Widersacher und soziale Schweinereien gegen die Ärmsten: All das ist nicht nur rechts wie aus dem Lehrbuch, sondern Ausdruck der rechten Radikalisierung der sogenannten „Mitte-Parteien“ und ihres bürgerlichen Anhangs.

Die gern als Buhmann hingestellte AfD hat damit weniger zu tun als die kontinuierliche Zuspitzung der imperialistischen Widersprüche. Die „Politik der Mitte“ ist fest entschlossen, die Krise im Sinne des Großkapitals mit imperialistischen Mitteln zu lösen, letztendlich bis hin zum Krieg. Die AfD ist bestenfalls ein hilfreiches Symptom, das Widerstand dort kanalisiert, wo er den Herrschenden am wenigsten schadet.

Quelle: RT DE

Bedrohungslügner, Kriegsgurgeln und Hirn-Tot-Schläger

Die Angstmacherei vorm „russischen Angriffskrieg“ ist ein fieses Ablenkmanöver von den westeuropäischen Kriegsplänen gegen Russland

 Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

Sigmar Gabriel, abgehalfterter Ex (-Vizekanzler, -Außenminister, -SPD-Vorsitzender), pisst von der Atlantik-Brücke (gegen den Wind): „Wäre ich Putin, würde ich schon 2028 kommen.“ [1] Zu unserem und der Russen Glück ist er es nicht, sondern bloß ein Sozi aus deren Stahlhelm-Fraktion. Erschwerend kommt hinzu: Er sitzt für fettes Honorar in den Aufsichtsräten kriegswichtiger Unternehmen, zum Beispiel der Deutschen Bank [2], der Siemens Energy Global [3], der thyssenkrupp Steel Europe [4] und der Daimler Truck Holding [5]. Kriegsängste schüren liegt in deren Geschäftsinteresse. Krieg ist ihr Ersatzbegriff für immensen Profit. Sozis von Gabriels Schlage haben das längst verinnerlicht.

Weder lernwillig noch lernfähig – schlicht empathielos. Dass bereits zwei deutsche Russland-Feldzüge in neuerer Zeit in Katastrophen mit Millionen Toten endeten, stört sie nicht. Im Ersten Weltkrieg bramarbasierten die Vertreter des Geldadels vom „unausweichlichen Kampf zwischen Germanentum und Slawentum“. [6] Bekanntlich stimmte die SPD damals den Kriegskrediten zu, mit denen das ersehnte Abschlachten finanziert wurde. 23 Jahre später machten die von den Konservativen an die Macht gehievten Nazis weiter. Mit der gleichen Propagandalüge, der „Gefahr aus dem Osten“:

„In diesem gemeinsamen Kampf um die gemeinsame Existenz müssen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft zurücktreten und muss die Pflicht lebendig werden, die gemeinsame Front zu bilden gegenüber dem roten Weltfeind“. (Das Nazi-Blatt Völkischer Beobachter am 16. Juni 1937. Quelle: „Die Bedrohungslüge“, G. Kade, 2. Auflage 1980, S.106).

Man ersetze „roter Weltfeind“ mit „Machthaber Putin“, schon ist man mittendrin in der Rhetorik unserer Gegenwart. Wir wollen keinen Zweifel lassen, wes Geistes Kind die Zeitgenossen sind, die den Schmarren „der Russe bedroht Europa“ neuerdings in Umlauf brachten – und welche bösen Hintergedanken sie dabei haben. Deshalb das Zitat eines der schlimmsten Demagogen der Zeitgeschichte:

„Es ist nunmehr notwendig, das deutsche Volk psychologisch allmählich umzustellen und ihm langsam klarzumachen ist, dass es Dinge gibt, die, wenn sie nicht mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden können, mit Mitteln der Gewalt durchgesetzt werden müssen … dazu war es notwendig, nicht nur die Gewalt als solche zu propagieren, sondern dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Ereignisse so zu beleuchten, dass die innere Stimme des Volkes selbst langsam nach der Gewalt zu schreien beginnt …“ (Adolf Hitler vor der deutschen Presse am 10. November 1938. Quelle: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Heft 2/1958, S.182 ff)

Seit Jahrzehnten pinseln journalistische Agitatoren wie Udo Lielischkies, Sylvia Stöber, Ina Ruck, Sabine Adler, Golineh Atai, Thomas Roth und Demian van Osten das Feindbild Russland. Ihre Farbmischung: Unterstellungen, Lügengeschichten, (Heldenlegende Nawalny, Vergiftungssaga Skripal, Räuberpistole „Cyberattacken“). Die deutschen Systemmedien, angeführt vom „Flaggschiff“ ARD-Tagesschau, waren sich für keine Falschmünzerei zu schade.

Wir sind wieder so weit

Wenn irgendein unbedarftes Hornvieh blökt, der „autoritäre“ Putin werde demnächst Krieg gegen Westeuropa und speziell gegen Deutschland führen, dann sind allemal genug hirnrissige Journalisten zur Stelle, um das abzumelken und zu Nachrichtenkäse zu verarbeiten.

Diesen von logischen Denkprozessen und politischer Sachkenntnis weit entfernten beruflichen Ausfallerscheinungen ist es egal, welchen niederträchtigen Interessen sie dienen: der planvollen Umstellung auf Kriegswirtschaft und Kriegsfinanzierung, der Ablenkung vom „notwendigen“ Sozialabbau und damit der Profitgier der Rüstungswirtschaft und ihrer Aktionäre.

Das ganze Elend wird manchmal schlaglichtartig sichtbar. Die bayerische Gesundheitsministerin Gerlach forderte kürzlich ein bundesweites Programm zur medizinischen Versorgung im Kriegsfall. Hintergrund sei

„die militärische Bedrohung durch Russland und eine mögliche Abkehr der USA durch Donald Trump.“ [7]

Na bitte. Und niemand fragt zurück, wann die Frau selbst das letzte Mal beim Arzt war.

Dass deutsche Friedenspolitik erheblich preiswerter und sinnvoller sein könnte als der Bau von Lazaretten für Kriegsversehrte, kommt bei solchen Tönen niemandem mehr in den Sinn. Obwohl die gedanklichen Parallelen zur kriegsvorbereitenden AgitProp der Nazis kaum zu übersehen sind. Dass hierzulande schon viele neofaschistische Kulissen geschoben werden, stört die Journaille nicht. Sie schiebt selber mit.

Der erst wenige Monate alte Vorwurf, die Russen planten noch in diesem Jahrzehnt einen „Krieg gegen uns“, wurde planmäßig und skrupellos ins öffentliche Gedächtnis gedrückt. Das lässt sich vom ersten Auftauchen an nachvollziehen.

Als Russlands „militärische Sonderoperation“ gegen die Ukraine begann, war nirgendwo von einer russischen Kriegsdrohung gegenüber Resteuropa die Rede. Im Gegenteil, es herrschte eine eher abwartende und distanzierte Haltung vor, wie ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages widerspiegelt:

„…die wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Ziele Russlands sind … internationales Prestige und eine internationale Führungsrolle … der Status einer globalen Wirtschaftsmacht mit einem der höchsten Bruttoinlandsprodukte der Welt. Diese Ziele will Russland unter anderem durch Mitarbeit und Kooperation in internationalen Organisationen erreichen“. [8]

Auch die unsägliche frühere Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, SPD, sprach vor drei Jahren (mit Blick auf das damals gewünschte 100-Milliarden-Euro-„Sondervermögen“ zum Aufmotzen der Bundeswehr) noch nicht von der Gefahr eines russischen Angriffs, sondern betonte, dass die Schuldenmacherei nur der Verbesserung der deutschen Verteidigungsfähigkeit diene:

„Eine angemessene Ausstattung ist essenziell für unseren Schutz und den unserer Bündnispartner.“ [9]

Besen im Hosenanzug

Dass von russischen Kriegsdrohungen im Frühjahr 2023 noch keine Rede war und sie selbst nichts dergleichen wahrgenommen hatte, ließ auch EU-Präsidentin von der Leyen erkennen. Bis zum Kragen abgefüllt mit Russenhass, tönte sie:

„Diese Sanktionen, die treffen Präsident Putin ins Mark und nehmen ihm die Möglichkeit, diese brutalen Kriege, die er führt, weiterzufinanzieren.“ [10]

Vier Monate später zeigte sie noch deutlicher, wer da wem mit Drohungen statt Diplomatie begegnete: Sie sei fest davon überzeugt, dass man den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Mut und Solidarität zum Scheitern bringen werde und Europa am Ende die Oberhand gewinne.

„Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass die Sanktionen von Dauer sein werden … die schärfsten Sanktionen, die die Welt je gesehen hat. [11]

Vom Verdacht russischer Angriffspläne gegen das restliche Europa kein Wort. Prowestliche Siegesgewissheit erlaubte gar keine Aussage, Russland stelle eine Bedrohung dar. Überheblichkeit war vielmehr journalistischer Standard, sogar noch im Spätsommer vorigen Jahres:

„Während die Wirtschaft leidet, gehen Putin die Reserven und Soldaten aus. Der Kreml könnte gezwungen sein, im kommenden Jahr den Waffenstillstand zu suchen.“ [12]

Das war so realistisch wie die Behauptung, Schaukelpferdäpfel gäb’s auch beim Bio-Bauern. „Putin verliert“, wurde allen Ernstes behauptet – bis SPD-Minister Pistorius seinen inzwischen „historischen“ Furz im ZDF-Parfümladen „Berlin direkt“ fahren ließ. Ohne Vorwarnung, am 30. Oktober 23:

„Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“ [13]

Aus dem hohlen Bauch

Ein Tabubruch, keine Frage. Doch erwähnte Pistorius Russland mit keinem Wort – dafür war er zu schlau. Er „lieferte“ unausgesprochen; er konnte sich darauf verlassen, dass schon genügend Redaktionsbleistifte schnallten, was „dabei gedacht“ war, und dass sie prompt die Russen der Kriegsbrunst bezichtigen würden. Beweise hätte er ja nicht beibringen können. Er schwadronierte nur im Kontext dieser westlichen Geheimdienstspekulationen: Es könnte sein / es wäre denkbar / man könne nicht ausschließen – dass Russland über das für seinen Kampf gegen die Ukraine notwendige Maß hinaus aufrüste und eine spätere Konfrontation mit der NATO suche.

Nichts als Kaffeesatzleserei im Stil der Geheimdienste, zu deren Handwerk das Erfinden von Gefahren gehört. Sie wickeln ihre parlamentarischen Auftraggeber ein. Bitte anschnallen:

„Geheimdienste schulen Bundestagsabgeordnete. Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, Grünen und SPD … Als Gäste werden Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, und Sinan Selen, Vize-Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, erwartet. … ‚Wir sind in Deutschland seit Langem mit andauernden Angriffen konfrontiert‘, sagte Grünen-Fraktionsmanagerin Irene Mihalic.“ [14] 

Hochverehrte Volksvertreter! Es sollte Ihr Basiswissen sein, dass „Demokratie“ und „Geheimdienst“ sich im Prinzip gegenseitig ausschließen. Und dass es Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist, die diversen deutschen Geheimpolizeien genauestens zu kontrollieren, wenn Sie schon meinen, nicht auf sie verzichten zu dürfen. Sich von diesen finsteren Brüdern schulen zu lassen, ist ein Offenbarungseid. Besagte Geheimdienst-Experten konnten ja nicht mal Bundeskanzlerin Merkels Diensttelefon vor den Spionen der Amis schützen. [15] Bis heute kriegen sie es nicht auf die Reihe, diese NSA- und CIA-Schnüffler abzuwehren …

Vom Frieden bedroht

Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, GDAP, machte im Sommer letzten Jahres den Zünder für die Entwicklung der Bedrohungslüge sichtbar. Den Grund dafür, Kriegsangst zu schüren und damit plötzlich irrsinnige Rüstungsanstrengungen durchsetzbar zu machen: der befürchtete Wahlsieg des US-Präsidenten Trump und dessen Ankündigung, den Ukraine-Krieg sofort beenden zu wollen.

Entspannung mit Moskau? Der Albtraum für deutsche Kriegsgewinnler. Er rief die akademischen Gesinnungsfreunde von der DGAP auf den Plan. Deren Empfehlung:  

„Im Fall eines Wahlsiegs von Trump sollten sie (die europäischen Regierungen) auf seinen transaktionalen Politikstil eingehen, aber deutlich machen, dass sie keine Verhandlungslösungen akzeptieren … Deutschland und die europäischen Regierungen müssen ihre Bemühungen zur Unterstützung der Ukraine verstärken, beschleunigen und verstetigen. … Zugleich ist es entscheidend, die europäische Bevölkerung weiterhin davon zu überzeugen, dass die langfristige Unterstützung einer freien und unabhängigen Ukraine im eigenen Interesse liegt.“ [16]

Dass die „langfristige Unterstützung“ darauf hinausläuft, den täglichen qualvollen Tod und die Verstümmelung Abertausender Mitmenschen zu finanzieren, kümmert GDAP-Schreibtischkrieger nicht. Aber auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer „Expertise“ – 18. Juni 2024 – war von russischer Angriffsgefahr für Westeuropa förmlich noch keine Rede. Im Gegenteil: Es galt das Wort des damaligen NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg:

„Wir stellen keine direkten Drohungen (aus Russland) gegenüber einem der Bündnismitglieder fest … Nach dem Ende der Feindseligkeiten (in der Ukraine) kann Russland seine Stärke wiederherstellen, aber das bedeutet nicht, dass wir einer direkten Bedrohung… ausgesetzt sind.“[17]

Der Zeitrahmen-Konstrukteur

Dem DGAP-„Experten“ Christian Mölling [18] blieb es vorbehalten, zu konkretisieren, was der „kriegstüchtig“-Pistorius gemeint haben könnte: Mölling nannte erstmals einen Zeitrahmen („sechs bis acht Jahre“) für den Beginn eines russischen Angriffskriegs und fantasierte die Notwendigkeit herbei, die Bevölkerung kriegsbereit zu machen. [19]

Mölling hatte sich nicht mal 2023 vom Milliarden-„Wumms“ für die Bundeswehr ruhigstellen lassen:

Das, was an „Kriegsniveau, Kriegsfähigkeit oder Verteidigungsfähigkeit“ notwendig sei, um Russland von einem Angriff abzuhalten oder im Angriffsfall bereits an der Nato-Grenze stoppen zu können, sei zurzeit nicht gegeben. Es fehle an Material, Soldaten und vielen Kleinigkeiten“. [20]

Der Mann weiß, dass er mit seinem Alarmismus Kohle machen kann, ob bei der staatlich finanzierten Stiftung für Wissenschaft und Politik [21], beim German Marshall Fund of the United States [22], bei der ebenfalls staatlich und überdies von der Rüstungsindustrie finanzierten [23] Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik oder neuerdings bei der Bertelsmann Stiftung. [24]

Auszug aus dem DGAP Policy Brief:

„Das Fenster zu einem möglichen russischen Angriff öffnet sich, sobald Russland den Eindruck hat, ein Angriff, etwa im Baltikum, könnte erfolgreich sein … Experten und Geheimdienste schätzen, dass Russland sechs bis zehn Jahre brauchen wird, um seine Armee so weit wiederaufzubauen, dass es einen Angriff auf die NATO wagen könnte.“[25]

Reine Behauptungen. Nicht auf Fakten gestützt, sondern auf „opportune Zeugen“ [26],  „Experten“ und „Erkenntnisse“ der Geheimdienste. Keine Analyse, sondern eine Berufung auf die Schwarmdummheit.

Angriff als beste Verteidigung

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, Kernstück des zensur-industriellen Komplexes, bot sich als der gegebene Tummelplatz für Hetzer und Kriegstreiber an. Ihr „Wir müssen kriegstüchtig werden, in ein paar Jahren kommt der Russe,“ wurde zum Ohrwurm. Der ranghöchste deutsche Soldat, Generalinspekteur Carsten Breuer, knapp 60 Jahre alt [27], wäre vor seiner Pensionierung wohl gerne wenigstens kurz noch mit von der Partie; er zog daher den Beginn für Iwans Angriff ein wenig vor. „Fünf bis acht Jahre“. [28] Und ließ keinen Zweifel dran aufkommen, dass er es krachen lassen möchte:  

„Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen, ist nicht mehr genug.“ [29]

Sondern? Selbst angreifen, um endlich nicht mehr nur über Verteidigungsbereitschaft quatschen zu dürfen? Jawoll, Herr General! Feuer!

Der Mann ist bloß fleischgewordener Zeitenwende-Geist. Kanzlerkandidat Friedrich Merz:

„Es ist nämlich ein Krieg gegen Europa und nicht nur ein Krieg gegen die territoriale Integrität der Ukraine“ … ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet: mit Angriffen auf unsere Datennetze, mit der Zerstörung von Versorgungsleitungen, mit Brandanschlägen, mit Auftragsmorden mitten in unserem Land, mit der Ausspähung von Kasernen, mit Desinformationskampagnen …“ [30] (s. dazu: David Goeßmann, „Was steckt hinter dem Vorwurf der hybriden Kriegsführung Russlands gegen Europa?“ [31])           

Erst im Oktober vorigen Jahres wollte Hassredner Merz Russlands Präsident Putin ein Ultimatum stellen:

„Wenn das nicht aufhört mit den Bombardements, dann ist der erste Schritt der: Reichweiten-Begrenzung (für ukrainische Raketenangriffe auf Russland) aufheben. Und der zweite Schritt der, dass wir die ›Taurus‹ (deutsche Rakete mit großer Reichsweite und Sprengkraft) liefern … Und dann hat Putin es in der Hand, wie weit er diesen Krieg noch weiter eskalieren will.“ [32]

Ob er auch noch als Bundeskanzler den Maulhelden spielt wird, müssen wir leider abwarten. Vielleicht ermannt sich jemand aus seiner Umgebung und macht ihn darauf aufmerksam, dass Putin eine Taurus-Lieferung an Kiew als deutsche Kriegserklärung wertet und „entsprechend“ reagieren will – völkerrechtlich absolut korrekt. Vielleicht erinnert sich Merz auch daran, erst kürzlich von einer russischen Haselnuss [33] gelesen zu haben, deren Wirksamkeit weltweit beeindruckt. Vielleicht.

Kriegsplaner

Russland droht der EU nicht mit Krieg. Das bestätigen zahlreiche hochrangige Experten, zum Beispiel US-Chefunterhändler Steve Wittkoff: „Ich habe das Gefühl, Putin will Frieden.“ [34] Der deutsche Ex-Generalinspekteur Harald Kujat hält Behauptungen von einem bevorstehenden russischen Angriffskrieg für „Unsinn“. [35] Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder: „absurd“. [36] Ex-Oberstleutnant Jochen Scholz: „Standardlüge“. [37] Ex-Oberst Wolfgang Richter:

„Wenn Russland tatsächlich das Mittel Krieg wahrnimmt zum Erreichen politischer Ziele, warum soll es bis 2029 warten?“ [38]

Tja. Warum? Weil Russland an einem Krieg gegen Rest-Europa gar kein Interesse hat. Der italienische Ex-Ministerpräsident Conte nennt deshalb das europäische Hochrüstungsprogramm „eine totale Geldverschwendung“. [39]

Deutschland und die EU haben für Russland keinen Reiz: gigantische Schuldenberge, schrottreif gesparte Infrastruktur, keine nennenswerten Ressourcen von irgendwas. Eine Region, deren politische Vorturner von ihrem wichtigsten „Verbündeten“, der US-Regierung, offen als antidemokratisch verachtet, als Schmarotzer bezeichnet und auf den Topf gesetzt werden. [40]

Gute Frage an uns alle:

„Wie weiter in einem Land, das dabei ist, zum Selbstbedienungsladen korrupter Regenten und Noch-nicht-Regenten zu verkommen? [41]

Unsere politischen, journalistischen, akademischen und militärischen Krawallbrüder und -schwestern sind nur Tonverstärker mit W-LAN zum Schattenreich der Geldelite. Der ist vollkommen gleichgültig, was aus den Westeuropäern wird. Sie ist sozial abgehoben, international abgesichert und rechtzeitig offshore [42], bevor es kracht. Es würde ihr Stellvertreterkrieg. Sein Ziel und zugleich angelsächsischer Wunschtraum: Deutschland zerstört und Kontinentaleuropas Wirtschaft für lange Zeit am Boden.

Nicht Russland droht mit Krieg gegen Westeuropa. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Deutsche und einige andere Westeuropäer wollen und planen Krieg gegen Russland.

Quellen:

[1] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/illner-gabriel-trump-ukraine-europa-verteidigung-100.html
[2] https://investor-relations.db.com/corporate-governance/organizational-structure/supervisory-board?language_id=3&kid=ir-de-aufsichtsrat-htm.redirect-en.shortcut
[3] https://www.siemens-energy.com/de/de/home/company/supervisory-board.html
[4] https://www.thyssenkrupp-steel.com/de/newsroom/pressemitteilungen/neue-mitglieder-im-aufsichtsrat-der-thyssenkrupp-steel-europe-ag.html
[5] https://www.daimlertruck.com/newsroom/pressemitteilung/der-ceo-podcast-mit-sigmar-gabriel-was-bringt-2024-fuer-europa-und-die-welt-52563660
[6] https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-16439
[7] https://www.welt.de/politik/deutschland/article255716104/Krankenhaeuser-sollen-sich-auf-Kriegsfall-vorbereiten-sagt-Bayerns-Gesundheitsministerin.html
[8] https://www.bundestag.de/resource/blob/918488/30971c4459f7f97cf215b8a321dd5699/WD-2-071-22-pdf.pdf
[9] https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden/2022/20221012-918976
[10] https://germany.representation.ec.europa.eu/news/von-der-leyen-im-deutschlandfunk-sanktionen-treffen-putin-ins-mark-2022-03-07_de
[11] https://www.srf.ch/news/international/putins-spur-des-todes-von-der-leyen-eu-sanktionen-gegen-russland-werden-von-dauer-sein
[12] https://www.fuw.ch/russland-die-tage-der-russischen-kriegswirtschaft-sind-gezaehlt-924927782940
[13] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/boris-pistorius-krieg-europa-kommentar-100.html
[14] https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2025-03/64955863-geheimdienste-schulen-bundestagsabgeordnete-003.htm
[15] https://www.n-tv.de/politik/Deshalb-hoert-die-NSA-Bundeskanzlerin-Angela-Merkel-und-andere-Politiker-ab-article11621676.html
[16] https://dgap.org/de/forschung/publikationen/die-zukunft-der-us-ukrainehilfe-ist-ungewiss
[17] https://de.euromore.eu/stoltenberg-nato-ne-vidit-voennyh-ugroz-so-storony-rossii/
[18] https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Mölling
[19] https://www1.wdr.de/nachrichten/krieg-europa-pistorius-interview-moelling-100.html
[20] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/angriff-russland-putin-nato-verteidigung-100.html
[21] https://www.swp-berlin.org/die-swp/ueber-uns/grundlegendes/finanzierung
[22] https://www.gmfus.org/about
[23] https://lobbypedia.de/wiki/Deutsche_Gesellschaft_für_auswärtige_Politik
[24] https://www.politik-kommunikation.de/personalwechsel/moelling-wechselt-in-die-bertelsmann-stiftung/
[25] https://dgap.org/system/files/article_pdfs/DGAP%20Policy%20Brief%20Nr-32_November-2023_11S_2.pdf
[26] https://prezi.com/0vgko57bytuo/opportune-zeugen/
[27] https://de.wikipedia.org/wiki/Carsten_Breuer
[28] https://www.wsws.org/de/articles/2024/02/13/krie-f13.html
[29] https://www.bundeswehr.de/de/meldungen/generalinspekteur-zur-zukunft-der-bundeswehr-5661520
[30] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundestag-zweidrittelmehrheit-fuer-schuldenpaket-von-union-und-spd-a-adf4947e-9284-4c32-8eeb-f347de411f09
[31] https://www.telepolis.de/features/Was-steckt-hinter-dem-Vorwurf-der-hybriden-Kriegfuehrung-Russlands-in-Europa-10329036.html
[32] https://jacobin.de/artikel/merz-bundeswehr-aufruestung-russland-cdu-militaer-nato.sondervermoegen
[33] https://de.wikipedia.org/wiki/Oreschnik_(Rakete)
[34] https://archive.ph/dw9EB
[35] https://www.noz.de/deutschland-welt/expertentalk/artikel/ukraine-krieg-expertenstreit-um-russlands-bedrohung-europas-48452892
[36] https://www.n-tv.de/politik/Schroeder-nennt-Bedrohung-durch-Russen-absurd-article24480672.html
[37] https://www.youtube.com/watch?v=K95jR2xHKVk
[38] https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Abschreckung-und-Sicherheit-Welche-Gefahr-ist-Russland-fuer-Europa-10317383.html
[39] https://de.euronews.com/my-europe/2025/03/23/totale-geldverschwendung-italiens-ex-ministerprasident-conte-wettert-gegen-eu-aufrustungsp
[40] https://www.achgut.com/artikel/die_vollstaendige_muenchner_rede_von_jd_vance_auf_deutsch
[41] https://transition-news.org/das-andere-wort-zum-sonntag-oder-horen-statt-herrschen
[42] http://www.exploration-production-services.de/de/o-offshore.html

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert

Friedhelm Klinkhammer (li.) und Volker Bräutigam (re.) währender der Medienkonferenz der IALANA in Kassel. Foto: ©Claus Stille

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Milliardenfonds für Klinikreform: Gesetzlich Versicherte sollen blechen

Steigende Beiträge, sinkende Leistungen: Seit Jahren belastet die Abwärtsspirale gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland. Lauterbachs Klinikreform dürfte dies weiter beschleunigen: Der Bundesrat stimmte einem 50-Milliarden-Fonds zu, den zur Hälfte die Beitragszahler füllen sollen.

Von Susan Bonath

Ob beim Zahnarzt, Orthopäden oder Augenarzt: Gesetzlich Versicherte müssen immer mehr Behandlungen und Medikamente selbst bezahlen. Obwohl die Kassen bei den Leistungen knausern, schießen die Beiträge in die Höhe. Ein starker Anstieg zu Beginn dieses Jahres ist noch nicht einmal verdaut, da droht schon die nächste „Explosion“, um die Krankenhausreform zu finanzieren. Der Bundesrat gab dafür grünes Licht.

50-Milliarden-Fonds für Umbau

So winkte das Ländergremium letzten Freitag nicht nur den Wegfall der Schuldenbremse für Rüstungskredite zusammen mit einem riesigen Finanzpaket für „Infrastruktur“ durch. Das Thema war auch die von der ehemaligen Ampel-Regierung initiierte Krankenhausreform. Beschlossen wurde ein „Transformationsfonds“ von 50 Milliarden Euro, um die Umstrukturierung zu finanzieren. Damit habe das Vorhaben eine „wichtige Hürde“ genommen, freute sich Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Zehn Jahre lang soll Geld aus diesem Fördertopf in die Reform fließen. Einerseits sollen die Einrichtungen weniger abhängig von den 2003 eingeführten Fallpauschalen werden. Die Politik will diese auf 40 Prozent senken. Umstrittener ist die anvisierte Mittelvergabe nach Spezialisierung. Kleine Kliniken auf dem Land sollen ihr Angebot zugunsten großer, städtischer Zentren reduzieren. Die Anfahrtswege für viele Patienten dürften länger werden. Das ist schon jetzt ein Problem, weil Krankenhäuser Sparten schließen, die sich für sie nicht rentieren. Betroffen sind vor allem Kindermedizin, Geburtshilfe und Frauenheilkunde.

Gesetzlich Versicherte sollen Hälfte zahlen

Das Problem an dem neuen Fonds ist seine Finanzierung: Die Mittel dafür sollen nicht vom Bund kommen, sondern je zur Hälfte von den Bundesländern und den gesetzlichen Krankenkassen. Der Bundesrat forderte deshalb trotz seiner Zustimmung die Regierung und das Parlament auf, dies noch zu ändern: 40 Prozent müsse der Bund mindestens tragen, so das Ländergremium. Dafür ist es aber wohl zu spät.

Die gesetzlichen Kassen halten den Plan sogar für verfassungswidrig. Obwohl die Reform allen Bürgern zugutekomme, auch den Privatversicherten, würden einseitig Beitragsgelder der gesetzlich Versicherten verwendet, rügen sie. Der Sozialverband VdK kündigte Ende Januar eine Klage gegen die Reform wegen „unfairer Kostenverteilung“ an.

Neue Schulden nur für Krieg?

Der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen GKV warnte darum vor erneuten Beitragssteigerungen. Er forderte die künftige Regierung unter Friedrich (BlackRock) Merz (CDU) auf, die 50 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für Infrastruktur zu nehmen.

Das ist aber nicht geplant. Dieses Vorgehen liefert somit ein weiteres Indiz dafür, dass die freigegebenen „Infrastruktur“-Kredite von bis zu 500 Milliarden Euro vor allem kriegswirtschaftlichen Belangen dienen dürften. Zugleich wurde die Schuldenbremse für Aufrüstungsvorhaben gelockert – nach oben offen.

Mit anderen Worten: Für Lauterbachs Krankenhausreform, die immer noch teilweise an den scharf kritisierten Fallpauschalen festhält und ein zunehmendes Ausdünnen der medizinischen Versorgung befördern dürfte, soll zur Hälfte der ärmere, gesetzlich versicherte Teil der Bevölkerung blechen. Zur anderen Hälfte sollen die Bundesländer ihre klammen Steuertöpfe weiter anzapfen, obwohl diese längst soziale Leistungen zusammenkürzen, um zu „sparen“. Denn offensichtlich zählt die tonangebende Politik das Gesundheitswesen nicht zu jener „Infrastruktur“, die sie mit 500 Milliarden Euro „sanieren“ will.

Explodierte Beiträge

Der Anstieg der Beiträge für gesetzlich Versicherte wird in Deutschland seit Jahren (schlecht) verschleiert. Die allgemeinen Sätze sind seit 2015 nämlich gar nicht angehoben worden. Sie lagen konstant bei 14,6 Prozent vom Bruttoverdienst, bei abhängig Beschäftigten je zur Hälfte vom „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ getragen. Die Krux sind die damals eingeführten kassenindividuellen und seither kontinuierlich steigenden „Zusatzbeiträge“, wodurch die Gesamtsätze bei den einzelnen Kassen mittlerweile zwischen 17 und 19 Prozent liegen.

Zum letzten Jahreswechsel hoben die gesetzlichen Kassen die Zusatzbeiträge für die Versicherten besonders heftig an, etliche haben sie mehr als verdoppelt. Seither verlangen sie je nach Kasse zwei bis 4,5 Prozent vom Brutto zusätzlich zum Grundbetrag. Im Ergebnis müssen die Mitglieder monatlich mehr Geld als je zuvor abdrücken – Tendenz steigend.

Zum Vergleich: In den 1990er Jahren lag der Gesamtbeitrag noch bei 13,6 Prozent. Bis 2008 stieg er auf 15,5 Prozent, wo er einige Zeit stagnierte. Dann wurden die Summen in „allgemeine Beitragssätze“ und „Zusatzbeiträge“ gesplittet, angeblich auch, um die Konkurrenz unter den Dutzenden gesetzlichen Kassen zu fördern. Dies aber sorgte primär für mehr Intransparenz und einen undurchsichtigen Bürokratiedschungel.

Gekürzte Leistungen

Zugleich reduzierten die Kassen zunehmend ihre Leistungen, beispielsweise für Sehhilfen, bestimmte Zahnbehandlungen, verschiedene Medikamente, Krankenhausaufenthalte und das Krankengeld. Einige Hilfen wurden komplett gestrichen, beispielsweise für zahlreiche Formen des Zahnersatzes sowie das Entbindungs- und Sterbegeld.

Viele Kritiker fordern seit langem die Abkehr vom Vielkassensystem, stattdessen müsse eine einzige gesetzliche Krankenkasse für alle her, in die auch Reiche einzahlen sollen. Dies wäre weitaus kosteneffizienter. Heute können sich Selbstständige sowie abhängig Beschäftigte ab einem Jahresbrutto von 73.800 Euro privat versichern, was ihnen oft hohe finanzielle Vorteile verschafft.

Doch echte Politik für die Interessen Lohnabhängiger bleibt Utopie in Deutschland. Zu mächtig ist die Reichenlobby. Längst schon ist die Lebenserwartung vom Vermögen abhängig, Arme sind kränker und sterben früher, Gesundheit wird zunehmend zum Privileg für Wohlhabende. Das kennt man im „Hort des Wertewestens“, den USA, bereits seit langem. Früher oder später schwappte bekanntlich fast alles von dort über den Atlantik nach Europa. Gesundheitsfördernd ist das wahrlich nicht.

Quelle: RT DE

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Nach Kriegskrediten: Merz-Propaganda für Sozialabbauorgie

Kaum hat die designierte „GroKo“ unter Friedrich (BlackRock) Merz ihre Kriegskredite noch rasch durchs alte Parlament gepeitscht, zementiert sie nun weitere soziale Schikanen. Denn Aufrüstung hat ihren Preis, und bezahlen werden ihn die Ärmsten: Niedriglöhner, Alleinerziehende, Erwerbslose.

Von Susan Bonath

Die Kriegskredite sind vom abgewählten Parlament bewilligt, bald wird sich Deutschland in seinem neuen Größenwahnsinn unbegrenzt verschulden können, um hochzurüsten. Umsonst ist das nicht: Um „massive Einsparungen“ würden CDU, CSU und SPD bei ihren Koalitionsverhandlungen „nicht herumkommen“, stellten Medien, darunter der Münchner Merkur, tags darauf in Aussicht. Nun gilt es, anvisierte Kürzungsorgien zulasten der Ärmsten zu rechtfertigen: beim Bürgergeld, Elterngeld und der Rente.

Die Frankfurter Rundschau berichtete am Donnerstag von „radikalen Reformen“, die der designierte Bundeskanzler und ehemalige BlackRock-Deutschlandchef Friedrich Merz plant. Die gelockerte Schuldenbremse sei nämlich ausschließlich für „zusätzliche Investitionen“ gedacht. Im Kernhaushalt hingegen klaffe „nach wie vor ein Milliardenloch“. Ohne zu hinterfragen, zitierte das Blatt die sattsam bekannte Propagandalüge von Merz von „überbordenden Sozialausgaben“.

Nach unten treten

Die Kreation von Sündenböcken auf den unteren Pyramidenstufen der Klassengesellschaft, die verantwortlich für alle Übel der Nation seien, hat eine lange Tradition. Denn der moderne Imperialismus fußt auf dem lohnabhängigen Dienst am Kapital. Dabei geht es nur um eins: Die Rendite muss rauf. Aus der Perspektive des westlichen Finanzkapitals gilt als überflüssiger Kostenfaktor, wer nicht mithält wie gefordert.

Die bekannten Endlos-Hetzkampagnen des Axel-Springer-Verlags gegen zu „Kostenfaktoren“ degradierte Menschen entspringen freilich dieser Perspektive. Noch am Tag der durchgepeitschten Kriegskredite ätzte dessen „Mitte“-Boulevardblatt Welt über eine angebliche „Vollkaskomentalität“ der Bezieher von Eltern- und Bürgergeld. Die Mitte soll nicht nach oben blicken, sondern nach unten treten.

Beschäftigte disziplinieren

Die Springer-Propagandisten umschreiben das unter Berufung auf die üblichen verdächtigen, voll alimentierten Diäten- und Großgehaltsempfänger wie gewohnt: Es gebe „zu viel Bürokratie und zu wenige Arbeitsanreize“. Dahinter steckt natürlich, insbesondere beim Bürgergeld, eine Teilwahrheit: Die deutsche Bürokratie ufert aus, das ist Fakt. Die Frage ist jedoch: warum? Wer Lohnabhängige zum unbedingten Gehorsam erpressen will, braucht natürlich einen teuren Repressionsapparat.

Darum geht es, wenn das Blatt von „zu wenigen Arbeitsanreizen“ schwadroniert: Senken der Sozialsätze unter das Existenzminimum und harte Repressionen bei Ablehnung von Hungerlohnjobs bis hin zu Totalsanktionen. Das ist die perfekte Methode, um Beschäftigte zu disziplinieren und alle, die nicht (mehr) mithalten, als abschreckende Beispiele für die drohende Verelendung zu präsentieren.

Bertelsmann gibt „Spartipps“

Schon jetzt trifft der ängstliche Lohnabhängige bei jedem Gang durch eine deutsche Großstadt auf eine Kulisse solcher Abschreckung. In Berlin zum Beispiel gibt es kaum noch Brücken oder S-Bahn-Tunnel ohne Obdachlosencamps. Kranke, verwahrloste, oft schwer suchtkranke „Überflüssige“ tummeln sich, wohin man blickt. Die Botschaft ihres Elends ist eingeplant: Streng dich gefälligst an, sonst landest du auch dort. Mit anderen Worten: Die ausufernde Bürokratie ist eine Folge der Repressionen gegen Arme – und die will die neue GroKo aus Union und SPD erneut verschärfen – das ist die geplante neoliberale Richtung.

Zur Seite springt ihr dabei die Denkfabrik Bertelsmann, die einst Hartz IV mitkreierte, mit einer neuen Studie. Darin beklagt sie, dass von angeblich 52 Milliarden Euro Kosten pro Jahr lediglich 29 Milliarden für das gezahlte Bürgergeld draufgehen. Manche Jobcenter zweigen demnach bis zu 70 Prozent ihres Budgets für „Arbeitsförderung“ in ihren Verwaltungsapparat ab. Sparen müsse man laut Bertelsmann aber nicht durch Reduktion des ausufernden Überwachungs-, Sanktions- und Bespitzelungsapparats, sondern, man ahnt es, an den Leistungen.

„Nutzlose Kostenfaktoren“

Das ist der Trick dieser Propaganda: Wahrheiten (ausufernde Bürokratie) werden mit Lügen (selbst schuld, zu faul, „Vollkaskomentalität“,…) vermischt, um die berechtigte Wut vieler Menschen über ihre zunehmende Ausbeutung von den Tätern auf die am stärksten betroffenen Opfer zu lenken.

So funktioniert das auch beim Elterngeld, das Ökonomen, hohe Beamte und Politiker am liebsten ganz abschaffen wollen. Richtig ist, dass sogar ziemlich reiche Eltern diese Leistung bekommen. Im Gegensatz dazu sind ärmere Eltern jedoch darauf angewiesen, insbesondere Alleinerziehende. 41 Prozent von ihnen leben in Deutschland unterhalb der Armutsschwelle, Tendenz steigend. Kein Wunder: Die Möglichkeiten der Kinderbetreuung, vor allem im Westen Deutschlands, sind rar, miserabel und so begrenzt, dass sie nicht zu den meisten Arbeitszeiten passen.

Ein für die Rendite „nutzloser“ Kostenfaktor sind aus Sicht des Finanzkapitals und seiner politischen PR-Riege freilich überdies die Rentner. In wenigen westlichen Ländern ist das Rentenniveau derart niedrig im Vergleich zu den Löhnen wie schon heute in Deutschland. Rund 40 Prozent der aktuell noch Beschäftigten droht eine Bruttorente von weniger als 1.200 Euro.

Dass man von so wenig Geld in diesem Hochpreisland kaum leben kann, steht fest. Das hindert Union und SPD nicht daran, über weitere Rentenkürzungen zu beraten. Die sogenannte „Rente mit 63“, die in Wahrheit längst schleichend auf 65 Jahre angehoben wurde und ohnehin nur für Menschen mit 45 vollen Arbeitsjahren ohne Abzüge gilt, soll wieder weg. Auch die Anhebung des normalen Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus steht zur Debatte. Geplant sind also weitere versteckte Kürzungen bei den Alten.

Mehr Fortschritt – mehr Arbeitslose

Langfristig bleibt auch festzustellen: Unabhängig von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise in Deutschland ersetzt der technologische Fortschritt, insbesondere in der Digitalisierung, zunehmend menschliche Arbeitskraft. Unternehmen können mit immer weniger Arbeitskräften immer mehr produzieren – und sparen Lohnkosten. Eine wachsende Masse wird für den Arbeitsmarkt überflüssig werden. Das zeigt sich bereits in einer steigenden Anzahl an Teilzeitjobs, die Ifo-Chef Clemens Fuest in seiner neoliberalen „Logik“ für „wohlstandsgefährdend“ hält.

Fuest tut gerade so, als gebe es eine neue Art von Teilzeitmentalität. Was er dabei leugnet: Die Jobs werden in Teilzeit angeboten, dies freilich für entsprechend geringere Gehälter. Gegenwärtige Massenentlassungen vor allem in produktiven Branchen sind zwar zum Teil der Wirtschaftskrise geschuldet. Am langfristigen Trend hin zu mehr Produktion mit weniger Arbeitskräften ändert das nichts.

Angriff auf Löhne und Mittelstand

So wird das Arbeitslosenheer tendenziell wachsen und die verbleibenden Jobs umkämpfter sein, während zugleich in einigen Branchen Fachkräftemangel herrscht, weil Staat und Unternehmen an Kosten für hoch spezialisierte Ausbildungen sparen. Das Hauen und Stechen auf dem Arbeitsmarkt wird immer härter, derweil die Politik im neoliberalen Rausch den Sozialstaat einstampft. So werden die Reallöhne sinken, die Arbeitslosigkeit und Armut steigen, was dazu führt, dass der Binnenmarkt schrumpft, weil immer weniger noch konsumieren können. Dem werden dann vor allem kleine Unternehmen zum Opfer fallen.

Und offensichtlich ist genau das geplant. Der Mittelstand muss weg, um die Renditen zu den großen Monopolen umzuleiten. Die produzieren dann dort, wo sie Arbeitskräfte am effektivsten ausbeuten können. Klappt auch das nicht mehr so wie gewünscht, bleibt immer noch das Kriegsgeschäft als Option.

Aufrüstung und Sozialabbau sind Symptome desselben Problems: Das Monopolkapital will überflüssige Konkurrenz und Kostenfaktoren abstoßen, um seine Macht zu konsolidieren. Die Regierungen des Westens setzen das gerade munter durch. Die Lebensbedingungen der Massen höchstens soweit, als dass es Aufstände zu verhindern gilt. Das sind imperialistische Vorstöße wie aus dem Bilderbuch. Klar: Dafür ist Propaganda in Dauerschleife unabdingbar.

Quelle: RT DE

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

IALANA fordert: Keine Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland

25. März 2025

Die USA und Deutschland haben am 10. Juli 2024 am Rande des Washingtoner NATO-Gipfels erklärt, zur Stärkung der Abschreckung Russlands ab 2026 weitreichende, konventionelle US-amerikanische Waffensysteme wie Raketen des Typs Standard Missile 6 (SM 6), Marschflugkörper des Typs Tomahawk und hypersonische (die fünffache Schallgeschwindigkeit übertreffende) Waffen in Deutschland zu stationieren.[i] In der gemeinsamen Erklärung wird das operative Konzept der Stationierung, die Anzahl und die Reichweiten der genannten Systeme nicht erläutert. Nach Medienmeldungen sollen diese Mittelstreckenraketen im Falle eines befürchteten Atomkriegs die – Westeuropa bedrohenden – Atomraketen Russlands konventionell zerstören. Die Reichweiten der Systeme werden angegeben: Tomahawk-Marschflugkörper 1.700 km, die noch in der Entwicklung befindliche SM6 1.600 km mit 6.200 km/h und die ebenfalls noch zu entwickelnde hypersonische Dark Eagle bei einer Geschwindigkeit von etwa 21.000 km/h mit mindestens 2.500 km. Die Vorwarnzeit beim Dark Eagle wird 6 Minuten betragen.

Die Bundesregierung hat es unterlassen, die Öffentlichkeit zuvor über die geplante Stationierung zu informieren. Eine öffentliche Diskussion über die Stationierung konnte es deshalb in Deutschland nicht geben. Anders als beim NATO-Nachrüstungsbeschluss von 1979 gibt es keine gemeinsame Entscheidung der NATO-Partnerländern, keine Debatte und keinen Beschluss des Bundestags. Bei der deutsch-US-amerikanischen Verlautbarung handelt sich erklärtermaßen nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern nur um eine „gemeinsame Erklärung“. Das entspricht der Nuklearstrategie der NATO, die ebenfalls nicht auf Vertrag, sondern nur auf Absprachen der Nato-Mitgliedsländer beruht. Sie ist laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. 11. 2001 weder ein förmlicher noch ein konkludent zustande gekommener Vertrag.[ii]

  • Mit der Stationierung der Mittelstrecken-Raketen stellt sich die existentielle Frage der Auslösung eines Nuklearwaffen-Kriegs und der Beteiligung Deutschlands daran. In derartigen Fällen erfordert die Wesentlichkeitsdoktrin des Bundesverfassungsgerichts[iii] zwingend ein förmliches Gesetzgebungsverfahren. Diese Doktrin wurde vom Bundesverfassungsgericht entwickelt und besagt, dass der Gesetzgeber staatliches Handeln von grundlegender Bedeutung durch ein förmliches Gesetz legitimieren muss. Grundlage der Theorie ist die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes sowie der im Demokratieprinzip verankerte Parlamentsvorbehalt. Danach dürfen Regierung und Verwaltung nur tätig werden, wenn sie dazu durch ein formelles Gesetz ermächtigt worden sind. Alles, was für die Ausübung der Grundrechte wesentlich ist, unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes.[iv] Weil der Einsatz von Mittelstreckenraketen zur Abwehr von Atomraketen einen Atomkrieg auslösen könnte, an dem Deutschland beteiligt wäre, ist in dieser existentiellen Frage die Zustimmung des Bundeskanzlers zur Raketen-Stationierung ohne Gesetzgebungsverfahren verfassungswidrig.[v] Im Außenverhältnis zu den USA dürfte die Erklärung jedoch völkerrechtlich wirksam sein, weil der Bundeskanzler als Regierungschef gemäß Art 7 Abs. 2 des Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge kraft seines Amtes als berechtigt galt, derartige Erklärungen für Deutschland abzugeben. Die Erklärung kann jedoch beim Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig angefochten werden.
  • Die anderen NATO-Staaten sind an der bilateralen Entscheidung nicht beteiligt worden. Damit verstoßen Deutschland und die USA gegen den NATO-Vertrag. In dessen Präambel haben sie sich verpflichtet, „ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu vereinigen.“ In Art. 4 NATO-Vertrag haben sich die Partnerstaaten verpflichtet, sie würden „einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sind.“ Die unterlassene Absprache mit den Verbündeten lässt den Schluss zu, dass zumindest einige Partnerländer nicht mit der Stationierung einverstanden sind.
  • Da die US-Raketen nicht im Rahmen des strategischen Konzeptes des NATO-Bündnisses stationiert werden sollen, stellt sich die Frage nach der Verantwortung für Einsatzentscheidungen. Es ist davon auszugehen, dass die Einsatzbefehle – wie bei der nuklearen Teilhabe – von der US-Regierung gegeben werden und die Bundesregierung – wenn die Zeit dafür ausreicht – Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Die mit der Stationierung verbundene Übertragung von Hoheitsrechten auf die USA darf gemäß Art. 59 Abs. 2 GG nur durch ein Bundesgesetz erfolgen. Auch deshalb ist die gemeinsame Erklärung verfassungswidrig.[vi]
  • Der Einsatz der in Deutschland stationierten konventionellen Mittelstreckenraketen dürfte mit dem Grundgesetz kaum vereinbar sein. Denn im Falle einer atomaren Auseinandersetzung macht es militärisch keinen Sinn, die russischen Atomraketen erst nach ihrem Start anzugreifen. Militärisch sinnvoll ist der Einsatz der Raketen nur, wenn er den Start der russischen Atomraketen verhindern kann. In diesem Fall würde Deutschland jedoch russisches Staatsgebiet angreifen, ohne zur Verteidigung berechtigt zu sein. Eine „präventive Verteidigung“ ist weder mit Art. 51 UN-Charta noch mit einer gewohnheitsrechtlichen Entsprechung vereinbar.[vii]
    Auch die sogenannte präemptive Verteidigung im Falle eines vermuteten bevorstehenden russischen Angriffs wäre eine Ausweitung des Selbstverteidigungsrechts und würde das Gewaltverbot der UN-Charta untergraben. Gemäß Art. 51 UN-Charta ist Selbstverteidigung nur gegen einen unmittelbar drohenden Angriff erlaubt.[viii]
  • Hinweise darauf, dass die für die Stationierung in Deutschland vorgesehenen Mittelstreckenraketen mit nuklearen Sprengköpfen ausgerüstet werden sollen, gibt es derzeit nicht.[ix] Wenn das der Fall wäre, würde Deutschland den Zustand herstellen, der 1979 durch die sog. Nachrüstung mit Pershing II und Cruise Missiles entstand. Die seinerzeit dadurch ausgelösten massenhaften Proteste der bundesdeutschen Bevölkerung trugen dazu bei, dass einige Jahre später mit dem INF-Vertrag alle atomaren Mittelstreckenraketen abgerüstet wurden.
  • Die Stationierung der Mittelstreckenraketen stellt potentielle Gegner vor unlösbare Probleme. Denn nach dem Start einer Rakete ist für die gegnerische Abwehr nicht erkennbar, ob diese einen nuklearen oder einen konventionellen Sprengkopf trägt. Auch vor Ort lässt sich die Art der Bewaffnung nur durch lokale Vor-Ort-Inspektionen sicherstellen.[x] Für die russische Raketenabwehr ist damit die Gefahr einer Fehleinschätzung erheblich. Sie könnte zu einer unbeabsichtigten Eskalation und zum atomaren Schlagabtausch führen.
  • Aus russischer Sicht bedrohen die für die Stationierung vorgesehenen Mittelstreckenraketen wegen ihrer großen Reichweite und der kurzen Vorwarnzeiten Ziele in Russland. Wegen der zu erwartenden Gegenstationierung russischer Raketen erhöht sich aufgrund der kurzen Vorwarnzeiten von wenigen Minuten die Gefahr eines Atomkrieges erheblich.[xi]
  • Die Begründung der Bundesregierung, die Stationierung schließe eine „Fähigkeitslücke“, ist falsch und dient der Irreführung der Bevölkerung. Schon jetzt ist es möglich, wichtige operative Ziele in Russland durch von Flugzeugen abgefeuerten Luft-Boden-Raketen zielgenau abzudecken.[xii] Zudem sind die atomaren Trident-Raketen auf den 14 Booten der Ohio-Klasse der US-Marine in der Lage, an jedem beliebigen Ort der Welt zielgenaue Atomschläge durchzuführen. Die Stationierung der konventionellen Mittelstrecken-Raketen lässt befürchten, dass diese dazu dienen sollen, Deutschland enger an die USA zu binden und in deren Konflikte einzubinden.

Die beabsichtigte Stationierung setzt eine neue Aufrüstungsspirale in Gang und verändert wegen der kurzen Vorwarnzeiten das strategische Gleichgewicht erheblich. IALANA fordert die Bundesregierung auf, ihre Zustimmung zu der von den USA beabsichtigten Stationierung zurückzunehmen und innerhalb der NATO auf Dialogangebote an Russland hinzuwirken, damit Abrüstungsverhandlungen zur Beendigung der immer riskanter werdenden nuklearen Abschreckung beginnen.

Die beabsichtigte Stationierung dient der Vorbereitung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges und ist geeignet einen Atomkrieg auszulösen. IALANA hat wiederholt dargelegt, dass nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 8. Juli 1996 jeder Einsatz von Atomwaffen und auch deren Androhung völkerrechtswidrig sind. Das hat auch für Waffen zu gelten, deren Einsatz zwangläufig einen Atomkrieg auslösen. Militärische Verteidigung ist nur mit Waffen erlaubt, die dem humanitären Völkerrecht entsprechen. Ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung sind die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten bislang nicht nachgekommen.


[i] Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland zur Stationierung weitreichender Waffensysteme in Deutschland; WD 2 – 047/24; Wolfgang Richter, Stationierung von U.S. Mittelstreckenraketen in Deutschland, Friedrich Ebert Stiftung, Juli 2024

[ii] BVerfG Urteil vom 22.11.2001 – 2 BvE 6/99- Rdnr. 131

[iii] BVerfGE 40, 237 (249); 49, 89 (126); 83, 130 (142, 151 f.); 95, 267 (307).

[iv] BVerfGE 47,46 ff Ziffern III, 3,5

[v] Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat sich in seiner Stellungnahme (WD 2 – 3000 – 047/24) zu den Rechtsgrundlagen der gemeinsamen Erklärung nur sehr vage geäußert: Die Rechtsgrundlagen „dürften somit auch hier wohl der NATO-Vertrag sowie der Aufenthaltsvertrag“ sein. Falsch ist seine Feststellung, dass sich die geplante Stationierung „im Rahmen des NATO-Bündnissystems abspielen“ dürfte. Das Gegenteil ist der Fall.

[vi] Der NATO-Nachrüstungsbeschluss von 1979, auf den der Wissenschaftliche Dienst Bezug nimmt, ist im Gegensatz zu der gemeinsamen Erklärung der USA und der BRD eine gemeinsame Absprache aller NATO-Mitglieder

[vii] Heintschel von Heinegg in Knut Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. § 52 RdNr.18; Michael Bothe in Wolfgang Graf Witzthum, Völkerrecht, 8. Abschnitt, RdNr. 19

[viii] Michael Bothe aaO RdNr. 19 mit weiteren Nachweisen

[ix] Moritz Kütt, W&F 4/24 S. 48 ff

[x] Moritz Kütt aaO

[xi] Wolfgang Richter aaO S. 14

[xii] Ottfried Nassauer, Nukleare Teilhabe – überholtes Konzept ohne Funktion, Bits.de 18.4.2020; Wolfgang Richter aaO. S. 13

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Quelle: IALANA

IALANA: Rechtsbruch mit Ansage – Merz will den Internationalen Strafgerichtshof im Fall Netanjahu missachten

Merz, in seiner Pose als noch nicht gewählter neuer Bundeskanzler, konstatiert in der „Jüdischen Allgemeinen“ vom 10.Februar 2025 und erneut in seiner Pressekonferenz am 24.Februar: Natürlich könne Netanjahu, sein Freund (sic!), in Deutschland ungehindert ein- und ausreisen. Er lud den mit Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zur Festnahme ausgeschriebenen israelischen Regierungschef zu einem Deutschlandbesuch ein und sagte ihm wörtlich „Mittel und Wege zu, dass er Deutschland besuchen und wieder verlassen kann, ohne dass er in Deutschland festgenommen worden ist.“

Wie der – früher auch mal strafrichterlich tätige – Rechtsanwalt das bewerkstelligen will, ließ er offen. Er weiß natürlich, dass Deutschland, gebunden an das Statut von Rom, verpflichtet ist, die Haftbefehle des IStGH zu vollstrecken. Er weiß, dass es dabei keine rechtlichen Ausnahmen gibt und auch keine Befugnis, die Begründung des Haftbefehls zu überprüfen. Er kennt das deutsche Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem IStGH von 2002. Nach § 2 des Gesetzes ist Deutschland verpflichtet, Netanjahu festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen, wie es vor kurzem mit dem früheren Ministerpräsidenten der Philippinen, Rodrigo Duterte, geschehen ist. In Deutschland ist das Bundesministerium für Justiz für die Zusammenarbeit mit dem IStGH zuständig, konkret dann die örtlich zuständige Generalstaatsanwaltschaft und das Oberlandesgericht. Weder die GenStA noch das OLG dürfen im Auslieferungsverfahren den ordnungsgemäßen Erlass des Haftbefehls überprüfen oder irgendeine Verdachtsprüfung durchführen. Auch die Vorschriften über die Immunität von Staatsoberhäuptern (§ 98 IStGHG) sind bei Völkerrechtsverbrechen – auch bei Nicht-Vertragsstaaten – nicht anwendbar. Das hat der IStGH zuletzt im Fall des Haftbefehls gegen Putin festgestellt.

Offenbar will Merz durch eine Weisung in das Festnahme- und Überstellungsverfahren eingreifen und damit die Autorität des IStGH und die Unabhängigkeit der deutschen Justiz zugleich in Frage stellen: ein vorsätzlicher und angekündigter schwerwiegender Bruch internationalen und nationalen Rechts, womöglich sogar strafbar als Strafvereitelung nach §§ 258, 258 a StGB.

IALANA sieht sich im Protest gegen Merz in einer Reihe mit angesehenen Juristen („Opportunistischer Rechtsbruch“ – Herta Däubler-Gmelin; „Rechtsbruch mit Ansage“ – Kai Ambos; „Freies Geleit mit der Brechstange“ – Max Kolter; „Zertrümmerung des Völkerrechts“ – Stephan Detjen).

Merz äußert nicht zum ersten Mal solche rechts-nihilistischen Tendenzen, wie wir sie weithin beobachten, insbesondere bei der Missachtung verbindlichen Völkerrechts. Bereits bei Erlass des Haftbefehls gegen Netanjahu u.a. hatte er erklärt, er werde alles tun, um eine Vollstreckung dieses Spruchs des IStGH abzuwenden. Der IStGH sei – erklärt er wider besseres Wissen – nur eingerichtet worden, „um Despoten und autoritäre Staatsführer zur Rechenschaft zu ziehen, nicht um demokratisch gewählte Regierungsmitglieder festzunehmen.“ Israel steht aber nicht über dem Völkerrecht, auch nicht für deutsche Politiker und ihre Staatsräson. Da Israel schwerste Völkerrechtsverbrechen in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten nicht selbst strafrechtlich wirksam verfolgt, greift die subsidiäre Zuständigkeit des IStGH.

Deutschland war führend bei der Errichtung des IStGH durch das Rom-Statut von 1998. Es hat seine völkerrechtlichen Verpflichtungen vorbildlich in nationales Recht umgesetzt durch das Völkerstrafgesetzbuch und den Gerichtshof weiterhin international gefördert. Noch am 22.Mai 2024 bekräftigte die Bundesregierung, sie werde das Gericht weiterhin unterstützen; auch im Fall eines Haftbefehls gegen israelische Politiker werde sie sich an Entscheidungen des Gerichts halten. Regierungssprecher Hebestreit damals: „Natürlich. Ja, wir halten uns an Recht und Gesetz.“

Merz dazu: „Ein Skandal“. Und auch Kanzler Scholz ging auf Abstand: die Gräueltaten der Hamas ließen sich nicht mit Israels Kriegsführung vergleichen.

Donald Trump hat den IStGH zu einer Bedrohung der Nationalen Sicherheit der USA erklärt und Sanktionen sowie persönliche Konsequenzen für seine Unterstützer angeordnet. Beschlagnahmen von Vermögen der zuständigen Ermittler und Richter sind gefolgt. Sie hätten „illegale und unbegründete Aktionen gegen Amerika und unseren engen Verbündeten Israel vorgenommen.“

Israel verweigert den Ermittlern des IStGH die Einreise, ebenso Personen, die sich öffentlich für eine Strafverfolgung von israelischen Amtsträgern wegen Völkerrechtsverstößen aussprechen. Beide Staaten sind dem Vertrag zum IStGH nicht beigetreten und bekämpfen seine Arbeit mit allen Mitteln. Der US-Kongress hat im Jahr 2002 mit dem American Service-Members Protection Act sogar beschlossen, seine Bürger notfalls mit militärischen Mitteln vor der Strafverfolgung durch den IStGH zu schützen.

Auf der Website des deutschen Außenministeriums ist dagegen zu lesen:

„Die Bundesregierung ist aktuell der zweitgrößte Beitragszahler (sc. nach Japan) zum Haushalt des IStGH und setzt sich aktiv dafür ein, dass der Gerichtshof möglichst effektiv arbeiten kann und breite Unterstützung in der Staatengemeinschaft findet. Die Bundesregierung ist überzeugt, dass der Gerichtshof im Ringen um mehr Gerechtigkeit und beim Kampf gegen die Straflosigkeit schwerster Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, einen wirksamen Beitrag leistet und dabei zunehmend universale Bedeutung und Akzeptanz als „Weltstrafgericht“ erlangt.“

IALANA -Deutschland fordert die jetzige und die künftige Bundesregierung auf, diese klare Position beizubehalten und Merz zu hindern, rechtswidrig den Haftbefehl des IStGH zu missachten.

Ein Kanzler hat bei der Amtsübernahme vor dem Bundestag nach Art. 64 GG den Eid zu leisten, dass er „das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen werde.“ Auch ist er als Teil der Exekutive nach Art. 20 Abs.3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Wir fragen die neu gewählten Abgeordneten des Bundestag: Darf jemand überhaupt Kanzler werden, der schon vorweg ankündigt, das Recht brechen zu wollen?

Quelle: IALANA DEUTSCHLAND

Trotz Krise: Autokonzernbosse kassieren Millionen

Hohe Kosten, Absatz- und Gewinneinbußen: Volkswagen und Mercedes-Benz klagen über die Folgen der hausgemachten Wirtschaftskrise. Doch während sie ihre Beschäftigten mit Sparprogrammen erpressen, machen sich die Chefs noch einmal so richtig die Taschen voll.

Von Susan Bonath

Die deutsche Autoindustrie ist ein Lehrstück für den real existierenden Kapitalismus. Seit Monaten klagen ihre Bosse laut über die Folgen der Wirtschaftskrise: hohe Energiekosten, miese Geschäfte, einbrechende Gewinne. Sie antworteten mit Kürzungsprogrammen für die Beschäftigten. Dies sei alternativlos, warben sie bei Gewerkschaften und Betriebsräten um Verständnis. Medienwirksam verkündeten sogar die Vorstände von Volkswagen und Mercedes-Benz „Verzicht“. Doch letzteres entpuppt sich nun als bloße Zahlenspielerei. Denn praktisch steckten sich die Bosse auch für das letzte Jahr zweistellige Millionenbeträge ein.

Millionen für die Bosse

Wie aus aktuellen Berichten beider Konzerne hervorgeht, kassierte Benz-Boss Ola Källenius für das vergangene Jahr 12,49 Millionen Euro, Volkswagen- und Porschechef Oliver Blume strich 10,4 Millionen Euro ein. Ersterer verbuchte damit tatsächlich einen marginalen Einschnitt gegenüber dem Vorjahr von rund zwei Prozent. Letzterer freut sich hingegen über fast sieben Prozent mehr, obgleich er angekündigt hatte, auf fünf Prozent zu verzichten.

Blumes Fünf-Prozent-Verzicht betraf nämlich nur sein Grundjahresgehalt von 1,3 Millionen Euro. Diese Kürzung um 65.000 Euro nahm er zwar hin, dafür trieben die „leistungsbezogenen“ Boni seine Gesamteinkünfte weiter in die Höhe. Da kann man sich ausmalen, in welche Richtung es weitergeht, wenn der VW- und Porscheboss wie versprochen in diesem Jahr auf elf Prozent „verzichten“ wird. Auch Källenius muss eine angekündigte Abstimmung über ein neues Vergütungssystem für die Führung eher nicht fürchten.

Fürstlich versorgt VW auch weitere Vorstände und sogar Ex-Bosse. Gunnar Kilian, Chef der Geschäftsbereiche Personal und „Truck & Bus“, durfte sich 6,5 Millionen Euro Jahresgehalt einstreichen. Blumes Vorgänger Herbert Diess, der bis Mitte 2022 am Ruder saß, kassierte mit 11,16 Millionen sogar mehr als Blume, weil der „Verzicht“ für ihn nicht gilt und sein Vertrag bis Oktober 2025 läuft. Und der 2023 abgetretene Chef der hundertprozentigen VW-Tochter Audi, Markus Duesmann, wurde um 6,74 Millionen Euro reicher. So lässt es sich gut leben.

Erpresste Arbeiter „verzichten“

Für den Wohlstand ihrer Bosse sorgen bekanntlich die lohnabhängig Beschäftigten. In der Rolle als deren „Wohltäter“ gefiel sich der VW-Konzern bislang sehr gut und bedachte sie ebenso mit Boni, wenngleich natürlich viel geringeren. Auch für das letzte Jahr erhielten die Tarifbeschäftigten noch einmal eine solche Vergütung von insgesamt 4.800 Euro. Doch damit könnte es künftig vorbei sein.

So stieg der Umsatz von VW für 2024 binnen der Jahresfrist zwar von 322 auf fast 325 Milliarden Euro an. Der Reingewinn jedoch brach laut Unternehmen um gut 30 Prozent auf 12,4 Milliarden Euro ein. Glaubt man den Ankündigungen des Konzerns, nähert sich nun bei VW die Zeit der dem Proletariat gewährten Privilegien dem Ende.

Für die Beschäftigten ist nämlich echter Lohnverzicht angesagt. Damit das auch der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall schlucken, drohte der Konzern schon Ende letzten Jahres damit, Werke in Deutschland zu schließen, abzuwandern und Tausende zu entlassen. Ganz „sozialpartnerschaftlich“ kündigten die sogenannten „Arbeitervertreter“ ihre Bereitschaft an, um Massenkündigungen zu verhindern. Erpressung zieht eben immer, zum Beispiel im VW-Werk Zwickau. Ein paar halb gare Zugeständnisse der Konzernspitze genügten, um die Gewerkschaft sogar vom Verzicht auf Warnstreiks zu überzeugen.

Kapitalflucht und „Sparprogramm“ bei Benz

Ganz ähnlich läuft es bei Mercedes-Benz. Anfang März einigte sich der Autokonzern nämlich mit dem Betriebsrat auf ein weitreichendes Sparprogramm, um zuvor angedrohte massenhafte betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Benz macht den Beschäftigten freiwillige Kündigungen mit Abfindungen schmackhaft und kündigte eine faktische Nullrunde, also ausbleibende Tariferhöhungen an, um den geplanten Stellenabbau trotzdem durchzuziehen.

Denn Mercedes-Benz will die Vorteile des imperialistischen Kapitalismus für sich nutzen, um Kosten zu sparen. Kapitalexport ist angesagt: Das Unternehmen will seine Produktion in das vor 13 Jahren eröffnete Werk in Kecskemét in Ungarn verlagern. Dort sei es möglich, so schwärmte es, ganze 70 Prozent günstiger zu produzieren, vor allem, weil die Löhne dort wesentlich geringer sind. Während es Arbeitern in Deutschland im Schnitt 61.000 Euro brutto pro Jahr zahlen müsse, seien es in Ungarn nur etwa 17.000 Euro.

Autos kaufen keine Autos

Am Ende wird Henry Ford wohl trotzdem Recht behalten: Autos kaufen keine Autos, soll er vor 100 Jahren schon geäußert haben. Anders ausgedrückt: Um ihre Absatzmärkte nicht selbst zu sabotieren, müssen Kapitalisten ausreichende Löhne bezahlen. Doch um ihre Renditen auch während einer Krise möglichst hoch zu halten, tun sie genau das Gegenteil. Das ist der ewige Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit.

Die nunmehr abgewählte, sanktions- und kriegsbegeisterte Ampelregierung hat das offenbar nie ganz verstanden und auf dümmliche „Moral“-PR und Hybris gesetzt. Auf mehr Verständnis und Besserung unter Friedrich „BlackRock“ Merz (CDU) ist allerdings genauso wenig zu hoffen. Da verwundert es kein bisschen, dass sich die Autobosse vor dem drohenden Kollaps noch mal ordentlich die Taschen vollmachen.

Quelle: RT DE

Hinweis: Gastbeiträge geben immer die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht meine. Ich veröffentliche sie aber gerne, um eine vielfältigeres Bild zu geben. Die Leserinnen und Leser dieses Blogs sind auch in der Lage sich selbst ein Bild zu machen.

Erklärung der DKP zur Verhinderung der geplanten Grundgesetzänderung durch Anwendung von Artikel 39 des Grundgesetzes

Jetzt die Kriegskredite blockieren!

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ruft die Bundestagsabgeordneten der Partei „Die Linke“ auf, den Zusammentritt des neugewählten Bundestags zu verlangen und dadurch die geplante Grundgesetzänderung zur Freigabe neuer Kriegskredite zu verhindern.

„Es wäre politische Fahrlässigkeit der schlimmsten Art, wenn ,Die Linke‘ diese historische Gelegenheit verpasst“, erklärt Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP. „Mit einem einfachen Antrag an die Bundestagspräsidentin können die gigantischen Hochrüstungspläne von SPD, CDU und Grünen zumindest blockiert werden.“

Das Bundesverfassungsgericht hat in der vergangenen Woche Anträge von AfD und „Linken“ abgelehnt, mit denen die Sondersitzungen des alten Bundestags verhindert werden sollten. Das Gericht verwies jedoch auf Artikel 39 des Grundgesetzes, wonach der Bundestag zusammentreten muss, sobald ein Drittel der Abgeordneten dies verlangt. AfD und Linkspartei verfügen nach der Bundestagswahl über mehr als ein Drittel der Stimmen. Die AfD hat den Antrag auf Zusammentritt des neugewählten Bundestags am Samstag eingereicht. Würde „Die Linke“ dies ebenfalls tun, müsste der neue Bundestag konstituiert werden. Eine Grundgesetzänderung mit den alten Mehrheiten wäre vom Tisch.

„Es ist völlig unverständlich, dass Ines Schwerdtner nun auf die ,Brandmauer‘ zur AfD verweist, um einen solchen Antrag nicht zu stellen. Es müsste kein gemeinsamer Antrag mit der AfD eingebracht werden. Wie bei den Klagen vor dem Verfassungsgericht können beide Parteien unabhängig voneinander vorgehen“, so Köbele. „Das hat mit dem Kampf gegen rechts nichts, aber auch gar nichts zu tun. Wo bleibt die Brandmauer gegen die Kriegstreiber? Wie soll es der Verteidigung der Demokratie dienen, wenn erlaubt wird, dass abgewählte Mehrheiten eine noch nicht eingesetzte Regierung mit unbegrenzten Kriegskrediten versorgen?“ Profiteur eines solchen Wegschauens wäre die reaktionäre AfD, die sich als einzige Oppositionskraft im Bundestag präsentieren könnte.

„Wir wenden uns an die Bundestagsabgeordneten, aber auch an die Mitglieder der ,Linken‘, von denen viele mit uns gemeinsam gegen die Kriegs- und Rüstungspolitik auf die Straßen gehen. Wehrt euch gegen diesen desaströsen Kurs der Parteiführung! Ihr könnt jetzt einen Unterschied machen“, sagt Köbele.

In der Partei „Die Linke“ werden in der Zwischenzeit große Anstrengungen unternommen, auf mögliche Lücken in der Rechtsprechung hinzuweisen, um die eigene Untätigkeit zu begründen. Die DKP ist nach rechtlicher Beratung der Überzeugung, dass der Zusammentritt des neuen Bundestags am Montag erzwungen werden kann. Die politische Richtigkeit des Antrags hängt jedoch nicht von juristischen Feinheiten ab, wie Köbele erläutert:

„Ihr könnt aufzeigen, dass die geplante Grundgesetzänderung illegitim, undemokratisch und kriegstreiberisch ist. Wenn das aus parteitaktischen Überlegungen nicht möglich ist, dann macht sich ,Die Linke‘ nach ihrem herausragenden Wahlergebnis schon überflüssig, bevor der neue Bundestag überhaupt zusammentritt.“

Essen, am 16.03.2025

Quelle Text und Foto: Erklärung der DKP

Offener Brief an die Linke, die Bundestagspräsidentin um die Einberufung des neuen Bundestags zu bitten und damit die Abstimmung am Dienstag zu stoppen

Um meinen Lernprozess über Friedrich Merz in den letzten Monaten lakonisch zu fassen: Mal ist Merz ganz gegen die AfD, dann entschieden mit ihr, dann wieder dagegen, ganz entschieden. Mal ist er für die Schuldenbremse, strikt versteht sich, dann ohne Bremsen, jeweils vollmundig. In seiner rechten Radikalität gegen Migranten aber läßt er sich nicht übertreffen: […]

Offener Brief an die Linke, die Bundestagspräsidentin um die Einberufung des neuen Bundestags zu bitten und damit die Abstimmung am Dienstag zu stoppen

Ein Nein aus Verantwortung gegenüber dem deutschen Volk

Wenige Minuten nach der Einigung auf einen 500.000.000.000 Verteidigungs-Blankoscheck erklärt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz: Germany ist back. Wir sind (gewissermaßen jetzt) verteidigungsfähig und verteidigungsbereit. Mit der Entscheidung am kommenden Dienstag stellt das Parlament und wir als Öffentlichkeit dem prospektiven Kanzler Friedrich Merz diese Geldsumme zu seiner Verfügung. Germany ist back und wird die Führung in […]

Ein Nein aus Verantwortung gegenüber dem deutschen Volk