Am Dienstag und Mittwoch findet in Großbritannien die womöglich letzte Anhörung im Auslieferungsverfahren gegen den Journalisten Julian Assange statt. Sevim Dagdelen (MdB) ist in London

An diesem Dienstag und Mittwoch findet in Großbritannien die womöglich letzte Anhörung im Auslieferungsverfahren gegen den Journalisten Julian Assange statt. Der bislang wichtigste Fall von Pressefreiheit im 21 Jahrhundert. Ich werde nach London reisen und als parlamentarische Prozessbeobachterin teilnehmen. Entschieden wird, ob Julian Assange Berufung gegen die Auslieferung einlegen darf. Falls die Richter des High Court dies ablehnen, wäre der Rechtsweg in Großbritannien ausgeschöpft. Schlimmstenfalls könnte Julian Assange umgehend in ein Flugzeug gesetzt und an die USA überstellt werden. Und zwar, noch bevor er und seine Anwälte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Berufung einlegen könnten. Ob sich die britische Regierung an eine völkerrechtlich verbindliche einstweilige Verfügung des EGMR gegen eine Auslieferung halten würde, ist unklar.

Mit Julian Assange auf der Anklagebank sitzt der investigative Journalismus. Assange drohen in den USA bis zu 175 Jahre Haft, weil er seiner Arbeit als Journalist nachgegangen ist und u.a. Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und im Irak öffentlich gemacht hat. Weltweit für Entsetzen sorgte das von Wikileaks publik gemachte Video „Collateral Murder“, das die Ermordung von zwölf irakischen Zivilisten, darunter zwei Reuters-Journalisten, durch einen Kampfhubschrauber der US-Armee dokumentiert.

Um Julian Assange habhaft zu werden, wendet die US-Regierung gegen einen Journalisten und Verleger erstmals den Espionage Act aus dem Jahr 1917 an, ein Gesetz, das einst der Verfolgung von Spionage im Ersten Weltkrieg dienen sollte. Sollten die USA mit ihrem Auslieferungsgesuch Erfolg haben, wäre es ihnen gelungen, investigativen Journalismus in Spionage umzudefinieren und zu kriminalisieren. Die Auslieferung von Assange wäre ein fataler Schlag gegen die Presse- und Meinungsfreiheit. Ein solcher Präzedenzfall wäre dramatisch, insbesondere auch für Journalisten außerhalb der Vereinigten Staaten. Wohlgemerkt: Julian Assange ist australischer Staatsbürger, der für Veröffentlichungen in einem europäischen Land in den USA juristisch belangt werden soll. Teil der US-Anklageschrift sind politische Ausführungen auf öffentlichen Konferenzen in Deutschland über den notwendigen Schutz von Whistleblowern sowie die Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit, darunter auf der re:publica und beim Chaos Computer Club.

Im Fall Julian Assange geht es auch um den Schutz von Rechtstaatlichkeit und Menschenrechten. Assange, bislang keines Verbrechens schuldig gesprochen, sitzt seit fast fünf Jahren unter folterähnlichen Bedingungen in einem Hochsicherheitsgefängnis für Terroristen und Schwerverbrecher. Die Anhörungen in dieser Woche sind der vorläufige Höhepunkt eines politischen Schauprozesses, der seinesgleichen sucht.

Wie in der Vergangenheit soll auch diesmal die Öffentlichkeit mit hohen Hürden und einem kafkaesk-intransparenten Verfahren von der Prozessbeobachtung abgehalten werden. Ich werde daher an dieser Stelle aus London berichten. Eine Auslieferung von Assange muss unbedingt verhindert werden zum Schutz der Pressefreit und der Demokratie. Die Freiheit von Assange ist die Freiheit von uns allen.

Die anhaltende Tatenlosigkeit der Bundesregierung im bisher wichtigsten Fall von Pressefreiheit im 21. Jahrhundert ist skandalös. Die Ampel ist aufgerufen, sich bei der US-Regierung und in Großbritannien mit Nachdruck für ein Ende der Verfolgung des Journalisten und Wikileaks-Gründers Julian Assange einzusetzen, wie dies der Bundestag mit Beschluss vom Juli 2022 fordert. Die Bundesregierung muss sich von den Angriffen der USA und Großbritanniens auf die Pressefreiheit im Fall Julian Assange deutlich distanzieren und sollte dem verfolgten Journalisten als konkrete Geste der Solidarität politisches Asyl anbieten.

Donnerstagabend berichte ich in der Mai-Galerie (Torstraße 1, Berlin-Mitte) im Rahmen der Veranstaltung „Free Assange“ (ab 19 Uhr) über den Prozess.

Quelle: Sevim Dagdelen via Facebook

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