Dr. Werner Rügemer in Dortmund: „Hinter dem Nebel der Kriegspropaganda: Welche wirtschaftlichen und politischen Interessen bestehen an der Ukraine?“

Tagtäglich ist die Ukraine in vieler Munde. Zuletzt betreffs der unsäglichen Verleihung des Internationalen Karlspreises an den ukrainischen Präsidenten Selenskij. Florian Warweg (NachDenkSeiten) hatte kürzlich angemerkt (hier), dass allein schon der Namensgeber als kriegswütig eingeschätzt gehört. Die Verleihung des Karlspreises an Selenskij als solches ist nun zudem etwas für das sich so mancher für die BRD schämt.

Wir hören und lesen viel zur Ukraine. Hand aufs Herz: Was aber erfahren, was wissen wir denn aber wirklich über dieses Land, dessen Landesflagge überall aufgepflanzt wird? Das die Ukraine angeblich unsere Werte verteidigt? Wessen Werte genau bitteschön wären das?

Dr. phil. Werner Rügemer ließ die Zuhörer hinter den Nebel der Kriegspropaganda blicken

Der Kölner Publizist Dr. phil. Werner Rügemer, der sich selbst als „interventionistischer Philosoph“ bezeichnet, war am vergangenen Montag nach Dortmund in die Auslandsgesellschaft gekommen, um einen etwas genaueren Blick auf die Ukraine zu werfen. Der Titel seines in Dortmund gehaltenen Referats lautete: „Hinter dem Nebel der Kriegspropaganda: Welche wirtschaftlichen und politischen Interessen bestehen an der Ukraine?“

Was sicher so dem Gros des deutschen Publikums weniger bekannt sein dürfte – weil es unsere sogenannten „Qualitätsmedien“, welche betreffs eines Journalismus als Vierte Macht im Staate fast völlig auf den Hund gekommen sind, auch gar nicht erst vermitteln (ein Schelm, wer Böses dabei denkt) brachte Rügemer an diesem interessanten Montagabend aufs Tapet.

Bei den im Großen Saal der Auslandsgesellschaft am Dortmunder Hauptbahnhof versammelten Zuhörerinnen und Zuhörer indes durfte man schon davon ausgehen, dass sie von diesen Informationsdefiziten des allgemeinen deutschen Publikums – Pardon, man muss dabei fast unweigerlich an Karl Marxens Gedicht «In seinem Sessel«: „In seinem Sessel, behaglich dumm,
Sitzt schweigend das deutsche Publikum.“ […] denken – nicht betroffen sind.

Es kommt nicht darauf an, wer den Krieg beginnt, sondern darauf, wer ihn vorbereitet

Werner Rügemer verwies eingangs seines Vortrags auf sein Buch „Verhängnisvolle Freundschaft. Wie die USA Europa eroberten: Vom 1. zum 2. Weltkrieg“ hin.

Er stellte darin dar, dass es ja nicht so sehr darauf ankommt, wer den Krieg beginnt. Sondern wer ihn vorbereitet.

Und er leitete dazu über zu erklären, dass die Ukraine derzeit einen Stellvertreterkrieg führe. Ähnliches sei auch im Ersten und Zweiten Weltkrieg geschehen sei. Und das einige von den Vereinigten Staaten finanzierte vorbereitete Staaten dieses getan hätten. Rügemer in seiner gewohnten augenzwinkernden Trockenheit: „Die USA haben das schon öfter mal geübt.“

Sein Referat beschäftigte sich aber nicht mit dem Militärischen sondern mit der ökonomischen und sozialen Seite. Und zwar betreffs der Situation vor dem Krieg.

Was so zu verstehen sei, dass sie als eine Vorbereitung des Krieges zu verstehen sei.

Rügemer: Die Ukraine sei eigentlich kein selbstständiger Staat wie man das mit dem Begriff Staat normalerweise verbinde

Die Entwicklung in der Ukraine sei heute als die beschleunigte Fortsetzung dessen zu sehen, was seit der Unabhängigkeit 1990 begonnen wurde. Die Ukraine sei eigentlich kein selbstständiger Staat wie man das mit dem Begriff Staat normalerweise verbinde.

Rügemer: „Die Ukraine ist der allermeisten überschuldete Staat der Welt. Der ärmste Staat.“ Und im höchsten Maße das weitaus korrupteste Land in Europa. Ein weltweit höchst verschuldeter Staat.

Den jetzigen Krieg könne dieser Staat aus eigener Kraft überhaupt nicht führen. Die Finanzierung des Militärischen, des Staates und seiner Beamten etc. werde ja von Außen getragen. Die Kriegsführung werde angeleitet via Satelliten der USA oder mithilfe Großbritanniens.

Die größten Eigentümer in der Ukraine, die Oligarchen seien steuerlich und rechtlich nicht im Lande, sondern in ausländischen Steueroasen vertreten.

Die wirtschaftlichen Abhängigkeiten der Ukrainne vom Westen sei in den letzten 25 Jahren immer weiter vergrößert worden

Besonders forciert sei das nach dem vom Westen auch finanziell (laut „Fuck the EU“ Victoria Nuland mit 5 Milliarden Dollar) angeschobenem Maidan-Putsch worden.

Formell habe sich die Ukraine der Europäischen Union angenähert.

Der Referent skizzierte aufschlussreich die neoliberale Zurichtung (Situation vor dem Krieg) der Ukraine in Sachen: Arbeits-, Eigentums-, Sozialrechte, Staatsüberschuldung, Migration, Massenarmut, ausländische Investoren, Steuerflucht, Oligarchenherrschaft und wies daraufhin, dass die Ukraine die größte Armee in Europa unterhalten habe, bzw. unterhält. Aus welchem Grund eigentlich?

Ukraine führte 2015 einen Mindestlohn von 34 Cent pro Stunde ein

2015 habe die ukrainische Regierung zum ersten Mal etwas beschlossen, das in der EU zum Standard gehört: Ein gesetzlicher Mindestlohn. Im Jahr 2015 betrug der erste gesetzliche Mindestlohn der Ukraine sage und schreibe 34 (sic!) Cent pro Stunde. Später sei er langsam angehoben worden. Rügemer erinnerte nebenbei daran, wie „besonders langsaaam“ auch die Erhöhung des Mindestlohnes unter Merkel hierzulande vonstatten gegangen war. Unter Selenskij ist der Mindestlohn der Ukraine bei 1,21 Euro angekommen. Der niedrigste Mindestlohn, den es überhaupt im Umkreis in Europa gibt“, so Werner Rügemer.

Seit Jahren ist die Ukraine längst das Bangladesch Europas

Befördert wurde die sogenannte „östliche Partnerschaft“ für einige osteuropäische Staaten und die Ukraine nicht zuletzt auf Bestreben von „Langzeitkanzlerin Angela Merkel“.

Die großen Aktivisten, darunter die Gewerkschaften, „die die bösen ungerechten Zulieferketten etwa der Textilindustrie in Bangladesch“ hätten, merkte Rügemer an, offenbar noch gar nicht mitgekriegt, dass die Ukraine seit Jahren längst das neue Bangladesch in Europa ist.

Seit 1990er Jahren wurde die Ukraine zum Eldorado für westliche Unternehmen und billige Zulieferproduktionen gemacht

Die USA und die EU haben seit den 1990er Jahren die Ukraine schrittweise zu einem Eldo­rado für tausende westliche Unternehmen und für billige
Zulieferprodukti­on gemacht. Eine Folge war die millionenfache Arbeitsmigration, insbe­sondere in die umliegenden EU-Staaten Osteuropas. Heute ist die Ukraine völlig abhängig von westlichen Krediten in Milliardenhöhe. Nach dem Krieg wird sie endgültig zu einem Protek­torat west­licher Kapitalinteressen werden, erklärte Werner Rügemer. Einer der größten Profiteure wird der Vermögensverwalter und Finanzdienstleister BlackRock sein, welcher nicht nur während des Krieges ordentlich an der Zerstörung der Ukraine verdient, sondern überdies zum Koordinator des Wiederaufbaus der Ukraine nach dem Krieg bestimmt wurde. Dar­über hinaus winken Extraprofite durch den Wieder­aufbau, auch für deut­sche Firmen.

Warum das westliche Interesse an der Ukraine?

„Der Schlüsselstaat für die Be­herrschung ganz Eurasiens ist die
Ukraine!“ So Zbigniew Brzezinski (dessen Sohn übrigens heute US-Botschafter in Polen ist), in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“) einer der einflussreichsten US-Politiker und  langjähriger Berater mehrerer US-Präsi­denten von Carter bis Obama. Daher weht der Wind. Nicht zuletzt geht diese Feststellung auf Halford Mackinder und dessen „Heartland-Theorie“ zurück. Wer das Herzland beherrscht, beherrscht die Welt.

Weibliche Körper werden in der Prostitution und betreffs der kommerziellen Leihmutterschaft ausgenutzt

Die Prostitution, die in der Ukraine verboten sei, blühe jedoch dort dennoch. Weil Polizei und Aufsichtspersonen oftmals wegschauten, nachdem sie etwas dafür bekommen hätten, dass ihnen die Augen verschließen lasse.

Rügemer sprach die Rot-Grün unter Schröder und Fischer an, die ja in ihrer „liberalen Modernität“ Sexualdienste sozusagen zu einem normalen Beruf gemacht und Prostitution legalisiert hätten. Sehr viele in Deutschland tätige Prostituierte waren dann auch aus der Ukraine zu uns gekommen. Rügemer: „So wurde Deutschland unter Merkel zum Bordell Europas“ (Etwas, das eine Zeitung von der anderen abschreibt. Deshalb eine Anmerkung dazu meinerseits unter [*] unter diesem Text).

Des Weiteren, sprach Dr. Werner Rügemer an, bedeute eine zusätzliche Ausbeutung des weiblichen Körpers in der Ukraine die kommerzielle Leihmutterschaft. Die von westlichen Interessenten gut frequentiert worden sei.

Was bedeutet dieser Krieg für Ukraine?

Noch mehr Armut, Elend­sprostitution, Hungerlöhne, Rechtlosigkeit,
Ausverkauf der Landwirtschaft (die fruchtbaren Schwarzerdeböden wurden von ukrainische Oligarchen gepachtet und US-amerikanischen Landwirtschaftskonzernen, aber auch einzelnen, Landwirten (darunter auch deutsche „Kleinoligarchen“) finanziell profitabel nutzbar gemacht und Saatgutkonzerne wie Monsanto/Bayer können entsprechend schalten und walten. Eine Ent­rechtung der Gewerkschaften hat ohnehin stattgefunden. Der Handel in der Ukraine ist in der Hand westlicher Agrarkonzerne. Gewerkschaftsliegenschaften werden auf Selenskijs Geheiß neuerdings enteignet und so zu viel Geld gemacht. Die Opposition wurde eh unschädlich gemacht und auch physisch angegriffen wenn nicht sogar hier und da von Extremisten zu Tode gebracht. Medien wurden gleichgeschaltet.

Die Ukraine wird ihre Schulden monetär nie zurückzahlen können

Werner Rügemer machte darauf aufmerksam, dass die hochverschuldete Ukraine ihre Schulden freilich monetär nie wird zurückzahlen können. Aber auch dafür sei vorgesorgt worden. Was auch nicht neu sei. Die USA haben nämlich ein Land-Lease Act 2022 (Leih- und Pachtgesetz) verabschiedet. So war man bereits mit Großbritannien im Zweiten Weltkrieg verfahren, das sich in den USA hoch verschuldet hatte.

Also die US-Finanzgeber werden sich in jedem Falle alles zurückholen. Auch über den günstigen Kauf von Agrarflächen in der Ukraine. Oder sie könnten sich die Genehmigung zur Errichtung von Militärstützpunkten auf ukrainischen Boden sichern. Verliererin ist in jeder Hinsicht Ukraine. Auch bevölkerungsmäßig wird das Land weiter schrumpfen und Fachkräfte („Braindrain“) an westliche Staaten verlieren.

Perfekte Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Situation seitens des Referenten

Dieser Vortrag enthielt eine perfekte Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Ukraine sowie der Benennung westlicher Interessen an diesem Land. Auch die sich anschließende Fragerunde aus dem Publikum brachte noch weitere interessante Aspekte zutage.

Ein rundum interessanter Abend.

[*]

[…) „Kriminalkommissar a. D. Heiner Minzel schüttelte mit dem Kopf: Es sei schon gewagt, Deutschland als das Bordell Europas darzustellen. Die Polizei in der BRD hätte schon genügend Möglichkeiten – auch im Bereich Rotlicht – einzugreifen. Es brauche allerdings eine ständige Kontrolle und Ermittlungsdruck.[…]

Anbei finden Sie, lieber Leserinnen und Leser, die Aufzeichnung eines Vortrags zum gleichen Thema, welchen Dr. Werner Rügemer beim Linken Forum Paderborn gehalten hat.

Hinweis: Wer sich für Quellen interessiert, wird im Buch „Kriegsfolgen“ , erschienen im Verlag Promdedia, fündig. Mit Beiträgen von Olga Baysha, Ralph Bosshard, Erhard Crome, Eugen Drewermann, Thomas Fazi, Hannes Hofbauer, Andrej Hunko, Boris Kagarlitsky, Sabine Kebir, Andrea Komlosy, Stefan Kraft, Werner Rügemer, Sabine Schiffer, Jochen Scholz, Peter Wahl und Florian Warweg.

Fotos: @Claus Stille

4 Kommentare zu “Dr. Werner Rügemer in Dortmund: „Hinter dem Nebel der Kriegspropaganda: Welche wirtschaftlichen und politischen Interessen bestehen an der Ukraine?“

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