Licht am Ende des Tunnels? Kritik in Corona-Zeiten erwacht anscheinend

Corona-Krisen Zeiten sind verrückt. War die deutsche Gesellschaft schon vorher gespalten, hat sich diese Spaltung aufgrund der unterschiedlichen Betrachtung bzw. Beurteilung etwa der regierungsamtlich an den Parlamenten vorbei verordneten Corona-Maßnahmen noch einmal erschreckend vergrößert. Mit manch einem Zeitgenossen, selbst mit Familienmitgliedern ist oft nicht mehr  vernünftig zu sprechen. Auch der Journalismus – beurteilt man ihn danach, wie er im Sinne der Vierten Gewalt im Staate agieren müsste, ist noch einmal ein erschreckendes Stück mehr auf den Hund gekommen. Zeitungen drucken, Radio und Fernsehsender trompeten die Sicht und Meinung der Regierung tagtäglich heraus, als seien sie Regierungssprecher.

Da müssen Journalisten auffallen, die abseits des Mainstreams journalistisch korrekt arbeiten, wie es eigentlich normal sein sollte. Und deshalb eigentlich keiner Hervorhebung bedürfte. Ein solcher Journalist ist Boris Reitschuster mit seinem Blog reitschuster.de und seinem Credo: „Kritischer Journalismus. Ohne „Haltung“. Ohne Belehrung. Ohne Ideologie.“

Betreffs Reitschuster muss ich ehrlicherweise zugeben, dass ich dessen Arbeit (er war 16 Jahre Korrespondent in Russland), höflich ausgedrückt, oft sehr kritisch und ablehnend gegenüber gestanden bin. Erst jetzt in der Corona-Krise stieß ich wieder auf ihn und lese seiher fast täglich seine Seite und bin fleißiger Rezipient seiner Videos. Was vielleicht auch damit zu tun hat, dass Boris Reitschuster seit einiger Zeit Mitglied des Vereins Bundespressekonferenz ist und infolgedessen nicht nur davon berichtet, sondern, wie es sich für einen Journalisten geziemt, dort auch sehr kritisch fragt und höflich, dabei aber in der Sach hartnäckig bleibend, nachfragt.

Auch ansonsten ist Licht am Ende des Tunnels zu erblicken. Andere Kollegen werden inzwischen auch kritischer. Wie zum Beispiel ein Redakteur und Nachrichtensprecher aus einem öffentlich-rechtlichen Medium. Seine Kritik ist im Multipolar-Magazin unter der Überschrift „Die Mainstream-Blase“ nachzulesen.

Was Boris Reitschuster in seinem Wochenbriefing sozusagen aus dem Nähkästchen plauderte, möchte ich Ihnen, verehrte Leser*innen nicht vorenthalten:

Liebe Leserinnen und Leser,

oft werde ich gefragt, wie andere Journalisten meine Arbeit sehen. Lassen Sie mich heute eine Geschichte aus dem Nähkästchen erzählen. Vergangene Woche kam ich mit einem Kollegen von einem der großen Medien ins Gespräch, den ich seit vielen Jahren kenne, und mit dem ich auch schon öfter zusammen gearbeitet hatte. Er attackierte mich sofort. Tenor: Ich hätte meine Ideale verraten. Ich hakte nach und wollte wissen, welche. Er sagte, ich sei jetzt auf Putin-Kurs. Ich widersprach ihm: „Meine Einstellung zu Putin hat sich keinen Millimeter geändert. Aber was hat es mit Putin zu tun, dass ich kritisch über das berichte, was in Deutschland passiert?“

Der Kollege ließ sich nicht vom Thema Putin lösen: für die Fragen, die ich heute stelle, hätte ich mich früher geschämt, meinte er. Ich bat um Beispiele. Er nannte eine Frage von mir an die Bundesregierung zu Nawalny. Ich wollte wissen, ob mit dem Verbot von Demonstrationen in Deutschland unter Verweis auf die Coronaregeln der russischen Regierung nicht ein guter Vorwand gegeben werde, regierungskritische Demonstrationen eben auch wegen Corona zu verbieten.

Der Kollege warf mir vor, mit so einer Frage sei ich auf Putin-Kurs. Mir erschließt sich das nicht. Das sagte ich ihm auch. Und betonte, dass Unrecht in Russland Demokratie-Verstöße in Deutschland nicht besser mache. Der Kollege geriet immer mehr in Rage. Er ging zu persönlichen Angriffen über. Ich bat ihn mehrmals, mich nicht persönlich zu attackieren, sondern in der Sache zu diskutieren. Er wurde immer gereizter. Er lief rot an. Und er begann zu schreien. Ich blieb gezielt ruhig, bat ihn wiederholt, doch sachlich zu bleiben. Aber es war sinnlos. Zum Schluss schrie er, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben wolle und lief weg. Dabei war er so aggressiv, dass sogar ein zufälliger Zeuge auf mich zu kam, sich Sorgen machte, und fragte was geschehen sein.

Wie gesagt, es handelt sich um einen Kollegen, dem ich früher immer gerne half. Dieses Erlebnis zeigt in meinen Augen, wie blank die Nerven liegen. Die Aggression in der Reaktion, das Weglaufen vor einer sachlichen Diskussion, ist meines Erachtens auch ein Zeichen dafür, dass einfach die Argumente fehlen. Mich ließ das ratlos und traurig zurück.
 

UNTERSTÜTZUNG UND ANGST

Gott sei Dank gibt es aber auch die umgekehrte Reaktion – immer wieder kommen Kollegen auf mich zu und zollen mir Respekt. Auch von den öffentlich-rechtlichen. Sie tun dies hinter vorgehaltener Hand, weil sie wissen, dass es für sie gefährlich sein könnte, das offen zu tun. Es wurden bereits Mitarbeiter einbestellt zu „Erziehungsgesprächen“, nur weil sie in sozialen Medien ein Like für meine Artikel abgegeben haben.

Nicht nur im Journalismus ist die Atmosphäre entsprechend aufgeheizt. Wie ich bereits erzählte, hat ein Fahrradmechaniker hier in Berlin mein Rad nicht nur als „Geschenk“ von Grund auf repariert, sondern es auch noch selbst in der Bundespressekonferenz abgeholt und später wieder hingebracht. Ich bin da bis heute sehr gerührt und dankbar.  Als ich ihn fragte, ob ich seinen Namen nennen dürfe, schrieb er mir folgende Zeilen: „Eine namentliche Erwähnung möchten wir nicht. Du kannst aber gerne erwähnen, dass wir es nicht möchten, weil wir Angst um unsere Schaufenster haben. Viele Grüße und immer weiter machen!“ Was ist das für eine Gesellschaft, in der man Angst haben muss, seinen Namen erwähnt zu haben, weil man einem kritischen Journalisten hilft?

Quelle: Reitschuster.de

 
 
Ein weitere Beitrag, dessen Autorin den Finger in die Wunde legt, nämlich der der Journalistin und Moderatorin Marlen Lufen, abgesetzt via Instagram, fiel mir gestern auf.

Verifiziert

Marlene Lufen. Screenshot: C. Stille

Auch diese Zahlen müssen wir kennen

Diese Zeit lastet schwer auf uns. Auf der Suche nach dem richtigen Mittel sollten wir auch diese Zahlen kennen:
23% mehr Fälle von Gewalt an Kindern in der Gewaltambulanz der Charité im ersten Halbjahr 2020.
600.000 Kinder erleben zu Hause Schläge, Stöße und Schlimmeres.
Das sind 6,5 % der Kinder in Deutschland.
461.000 Kinder haben im Jahr 2020 die „Nummer gegen Kummer“ gewählt.
Allein die Online-Beratung hatte einen Zuwachs von 31% zum Vorjahr.
Diese 31% entsprechen 10.428 Kontaktaufnahmen durch Kinder und Jugendliche in Not mehr als sonst.
Die „Jugend-Notmail“ und die „Online-Jugend- und Elternberatung“ verzeichnen Steigerungen seit März 2020 um zeitweise 50 %.
2,6 Millionen Kinder leben – auch ohne Corona – mit suchtkranken Eltern unter einem Dach.
Das „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ verzeichnet seit April 2020 einen sprunghaften Anstieg an Beratungen von 15-20%.
67% der Jugendlichen zwischen 18 und 24 fühlen sich zur Zeit überdurchschnittlich psychisch belastet.
800.000 Menschen leiden in Deutschland an Magersucht. 6-10% sterben daran.
Seit Herbst gibt es 10-20 % mehr Anfragen nach Therapieplätzen.
In 50% der Haushalte leben Menschen allein.
74% der an Depressionen Erkrankten geben in einer Befragung an, durch den Lockdown extrem belastet zu sein.
Armut und Existenzangst nehmen dramatisch zu.
Wir sollten die Nebenwirkungen genau berechnen und kennen, wenn wir entscheiden, ob die Verlängerung des Lockdown tatsächlich die beste Wahl im Kampf um unsere Gesundheit ist.
Bitte entschuldigt kleine Versprecher.
Quellen u.a.: SZ vom 3.12.2020, Pressestellen bmfsfj, Hilfetelefon und „Nummer gegen Kummer“, BKJ Bundesverband der Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten, Charité Gewaltambulanz, Deutsche Alzheimergesellschaft, Fachverband Sucht, Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Einslive, Prof. Dr. Thomas Huber v. Klinik am Korso, Die Zeit 17.1.2021 u.v.m.

Quelle: Marlene Lufen auf Instagram

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