Die Corona-Krise hat auch Sexarbeiter*innen in die Bredouille gebracht – BesD e.V. hat Corona Notfallfonds ins Leben gerufen

In Zeiten der Corona-Krise kommen viele Menschen in Existenznöte. Besonders schwer betroffen ist der Einzelhandel, die Gastronomie, Kunst- und Kulturschaffende sowie Freischaffende. Ebenfalls, darauf machten heute früh die Nachrichten des Radiosenders COSMO aufmerksam, hart getroffen hat es Prostituierte. Das sei, hieß es, aus Pressemitteilungen von Interessenvertretungen von Sexarbeiter*innen hervorgegangen.

Hintergrund

Aufgrund der Verordnungen zur Corona-Krise wurden auch Prostitutionsstätten geschlossen. Da die Prostituierten nachdem neuesten

Foto via B. Bröckelschen. Foto: Bettina Brökelschen (von einem von ihr gemalten Bild)

Prostituiertenschutzgesetz nicht in den Zimmern, die der Ausübung der Prostitution dienen, schlafen dürfen – wie das früher oft der Fall gewesen war – haben sie sich Zimmer gemietet. Für deren Miete dürften sie allerdings bald kein Geld mehr haben. Ebenso wenig für nötigen Lebensmittel. In noch schlimmerer Lage sind diejenigen Prostituierten, die auf der Straße gearbeitet haben.

Nicht wenige Sexarbeiter*innen kommen aus osteuropäischen Ländern. Manchen von ihnen hat gewiss nun auch das Geld für Tickets gefehlt, um mit Bus oder Flugzeug in ihrer Heimat zurückzugelangen. Ein weiteres Problem: viele Ländern lassen niemanden mehr ins Land. Darüber hinaus bricht nun die finanzielle Unterstützung für die Familie daheim weg.

Auf der Webseite vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. (BesD) lesen wir:

Übernachtungsverbot in Prostitutionsstätten aufgehoben für die Corona-Zeit

von Johanna Weber, politische Sprecherin

„Verschiedene Meldungen gingen vor einer Woche fast parallel bei uns ein. Auf der einen Seite diverse Anfragen von wohnungslosen Kolleg*innen, die wissen wollten ob sie nicht in ihren Bordellen bleiben können solange diese wegen der Corona-Verordnung geschlossen sind. Auf der anderen Seite ereilten uns Nachrichten von Bordellbetreibern, die sich weigerten, ihre „Frauen“ auf die Straße zu setzen und dadurch zum Teil heftige Probleme mit Ordnungshütern bekamen.

In diesem Sinne machte der Betreiber des City-Eroscenter in der Stuttgarter Leonhardstraße und das Pascha in Köln Schlagzeilen, denn sie setzten Niemanden auf die Straße. Einige weitere Bordelle zogen nach, die wir auf unsere Unterseite aufgelistet haben. Eine gute Infoquelle mit Angeboten für „gestrandete Damen“ ist die Webseite kollegin.de. Man mag dies als gelungene Marketingmaßnahme abstempeln, aber es ist eine Maßnahme, die hilft und nicht ohne Risiko ist oder war.

Viele Bordellinhaber*innen trauten sich nicht, die Zimmer zum Wohnen zur Verfügung zu stellen, denn sie fürchteten den Verlust der Lizenz als Prostitutionsstätte. Jeder, der weiß, wie aufwändig es ist diese Genehmigung zu erhalten und auf wie gefühlt wackeligen Beinen diese steht, wird die Sorgen der Betreibenden verstehen. Hinzu kommt, dass in den meisten Bundesländern noch so gut wie gar keine Genehmigungen für Prostitutionsstätten erteilt wurden. Die Mühlen der Behörden mahlen doch oft sehr langsam. Jeder Antragsteller, der in dieser Warteschleife steckt, wird das nicht gefährden wollen.

Wie groß ist denn das Problem der drohenden Obdachlosigkeit nun wirklich?

Eine schnelle Umfrage an die Beratungsstellen im bufas-Verbund ergab, dass viele Sexarbeitende doch noch abgereist seien in ihre Heimatländer. Aber bei weitem nicht alle – mittlerweile gibt es kaum noch Möglichkeiten über die Grenzen zu kommen. Die günstigen Buslinien fahren nicht mehr und Flüge sind extrem eingeschränkt.
Auch gibt es nicht ina wenige Sexarbeitende, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben und über keinen festen Wohnsitz verfügen. Sie wandern zum Arbeiten von einer Terminwohnung zur nächsten, wo sie dann in der Regel in separaten Zimmern auch Wohnen können. Diese Möglichkeiten fielen nun weg, denn alle Bordelle, Terminwohnungen, Clubs, Studios, usw. sind geschlossen.

Das Londoner Modell kam ins Gespräch. Dabei geht es darum, dass aktuell leerstehende Hotels oder Hostels umfunktioniert werden zur Unterkunft für Menschen ohne Wohnung. Ein wunderbar pragmatischer Ansatz. Allerdings erschien es uns in diesem Fall unkomplizierter, die Sexarbeitenden einfach an ihrem Arbeitsplatz zu belassen.

Dazu müßte im Prinzip nur das im ProstituiertenSchutzGesetz festgeschriebene Übernachtungsverbot ausgesetzt werden.

Ob denn sowas überhaupt möglich ist, fragten wir uns.

Szene in der Dortmunder Linienstraße Foto via B. Bröckelschen (von einem von ihr gemalten Bild)

Vor dem Hintergrund, wie viele Freiheitseinschränkungen und Verbote im Zuge von Corona schon ad hoc und auch wahrscheinlich auch zu Recht beschlossen wurden, sollte doch solch eine Kleinigkeit wie das Übernachtungsverbot auszusetzen wohl möglich sein.

Auf unsere Anfrage beim Familienministerium machte man uns keine großen Hoffnungen

aber man leite das weiter. Und siehe da, wir wurden erhört. Vielleicht waren wir auch nicht die Einzigen, die diese Idee hatten. Es gab zumindest gleich am nächsten Tag eine Anfrage zu dem Thema an alle Bundesländer. Es wurde dann erstaunlich schnell gehandelt, und das Übernachten und Wohnen ist nun für die Corona-Zeit in Prostitutionsstätten erlaubt.

Zitate aus dem Rundschreiben des BMFSFJ (Familienministerium)

Maßnahmen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit von Sexarbeitenden

Auslegungshinweise zu § 18 Abs. 2 Nr. 7 ProstSchG im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Beschränkungen zum Zwecke einer langsameren Ausbreitung des Corona

Es wird darauf hingewiesen, dass in der gegenwärtigen Ausnahmesituation und vor dem Hintergrund der akuten Gefährdung von Sexarbeitenden zur Abwendung einer Notlage eine ausnahmsweise Abweichung von der in § 18 Abs. 2 Nr. 7 ProstSchG vorgesehenen räumlichen Trennung derzeit aufgrund der umfassenden Untersagung von Prostitutionsgewerben rechtlich zulässig ist

HIER nachzulesen als Punkt 7 – Prostituierte schützen

Liebe Freund*innen und Unterstützer*innen!

Wir wissen, dass die Zeiten für alle hart sind. Doch wir finden: Genau deshalb ist es gerade jetzt wichtig, dass wir zusammenhalten und jenen helfen, die sich nicht allein helfen können.

Ein hoher Anteil von Menschen in der Sexarbeit leben von der Hand in den Mund. Viele sind nicht krankenversichert, nicht angemeldet und bereits von Armut betroffen. Mit der deutschlandweiten Schließung aller Prostitutionsstätten, der Verschärfung von Arbeitsverboten, dem Rückgang der Nachfrage, sowie dem steigenden Risiko der Arbeitsausübung, kämpfen jetzt die Ärmsten der Armen um ihr Überleben.

Wir wollen helfen. Deshalb haben wir den BesD Corona Notfallfonds ins Leben gerufen. 

Sämtliche Spenden gehen an Sexarbeitende in Notsituationen, die keinen Anspruch auf staatliche Hilfen haben. Jeder Betrag hilft. Aber auch öffentliche Aufmerksamkeit ist essentiell – wir freuen uns daher sehr, wenn ihr darüber mit euren Freunden sprecht und diesen Notfonds in euren digitalen Netzwerken so breit wie möglich weiterteilt und retweetet.

Bleibt gesund, 

Euer BesD-Team

SPENDE PER BANK-KONTO:

BESD E.V.
IBAN: DE49100500000190290862
BIC: BELADEBEXXX
LANDESBANK BERLIN – BERLINER SPARKASSE

VERWENDUNGSZWECK: NOTFALLFONDS CORONA

 

Grafik via BesD e.V.

BesD Corona Notfallfonds

Informationen

Warum wird Deine Spende gebraucht?

In der jetzigen Lage sollte kein Sexworker aus Gelddruck weiter arbeiten müssen und damit sich und andere gefährden.

Fehlende Rücklagen aufgrund von Armut sowie fehlender Anspruch auf staatliche Grundsicherung führen jedoch dazu, dass Menschen auch jetzt, während sich die Krise zuspitzt, weiterhin der Sexarbeit nachgehen müssen und auf der Straße oder über das Internet nach Kunden suchen. Viele der nicht in Deutschland ansässigen Sexarbeiterinnen haben in Bordellen übernachtet – seit deren Schließung sitzen sie von einem Tag auf den anderen auf der Straße.Sie können aktuell auch nicht in ihre Heimatländer zurück, es bestehen Einreisestopps und in den meisten Fällen fehlt ohnehin das Geld für eine ungeplante Reise.

Was passiert genau mit Deiner Spende?

Durch Deine Spende wird ein Notfalltopf gefüllt, aus dem Sexarbeiter*innen in Not nach vorhergehender Prüfung durch den BesD rasch finanzielle Hilfe erhalten können.

Der BesD e.V. steht in engem Kontakt mit den deutschlandweiten Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (Bufas e.V.), den Gesundheitsämtern, sowie anderen Hilfsorganisationen. Viele engagierte Menschen und Sozialarbeiter*innen sind seit Jahren an den Brennpunkten der Branche tätig und helfen und unterstützen niedrigschwellig jene Sexarbeiter*innen, die es am nötigsten brauchen.  Sie können im Namen der bedürftigen Sexarbeitenden Gelder aus dem Notfallsfonds beantragen und damit pragmatisch und lösungsorientiert jenen helfen, die besonders von der Krise betroffen sind.

Wem nützt Deine Spende?

Der BesD Corona Notfallfonds richtet sich ausschließlich an Sexarbeitende, die voraussichtlich nicht auf staatliche Hilfsfonds oder –darlehen Zugriff haben. Die Betreffenden befinden sich aufgrund der jetztigen Krise in existentiellen Schwierigkeiten. Sie benötigen finanzielle Soforthilfe, mit welcher Wohnraum und Ernährung sichergestellt werden können.

Zuwendungen aus dem Notfallsfonds werden nachrangig zu staatlichen Leistungen vergeben – das heißt etwaige Ansprüche gegenüber gesetzlichen Kostenträgern (z. B. Jobcenter, Sozialamt, Krankenkasse) sind vor Antragstellung beim BesD e.V. an den entsprechenden Stellen geltend zu machen. Eine regelmäßig upgedatete Übersicht über die zu erwartenden oder bereits beschlossenen staatlichen Hilfen stellt der BesD e.V. HIER zur Verfügung.

Du hast weitere Fragen?

Bitte wende Dich an:

Tamara Solidor (Generalsekretariat BesD e.V.)

Telefon (Anruf, SMS, WhatsApp, Telegram): 0179 – 41 67 88 3
Mail: tamara@besd-ev.de

Quelle: Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen

Video: via You Tube (

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Ein weiterer Hilfeverein ist Doña Carmen e.V.