Gaza-Diskussion in Berlin: Rosa-Luxemburg-Stiftung lädt Ex-Labour-Chef Jeremy Corbyn aus

Falsche Position zum Krieg in Nahost? Jeremy Corbyn von der britischen Labour Party darf nicht auf einer Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung referieren. Diese hat ihn, wohl auf Druck der Berliner Volksbühne, kurzfristig ausgeladen.

Von Susan Bonath

Während Kriegstreiber zunehmend die westliche Politik bestimmen und die imperialistische Realität immer bedrohlicher wird, hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) linke Politiker und Aktivisten aus aller Welt zu einer dreitägigen Konferenz in die Berliner Volksbühne geladen. Im Zuge der nahenden Europawahlen debattieren diese noch bis Freitag zum Thema „Europa den Räten“. Es gehe um die Frage „Wie könnte eine EU aussehen, die nicht von Bürokraten, sondern von Bürgerräten bestimmt wird?“.

Doch nicht alle Linken dürfen mitmachen. So luden die Veranstalter ihren wohl bekanntesten Referenten Jeremy Corbyn, Ex-Vorsitzender der britischen Labour Party, und seine brasilianische Mitreferentin Sabrina Fernandes kurz vor dem Start der Konferenz wieder aus. Der Grund: Corbyns Position zum Israel-Palästina-Konflikt gefalle dem Management der Volksbühne nicht.

Volksbühne übte offenbar Druck aus

Jeremy Corbyn werde „aufgrund der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten leider nicht teilnehmen“, erklärte Moderator Krunoslav Stojaković am 6. November der linken Tageszeitung ND. Laut Stojaković seien Corbyns „propalästinensische Positionen aufgrund des aktuellen Krieges zwischen Israel und Gaza zu einem Problem geworden“.

Ausgeladen habe man Corbyn allerdings erst auf Druck der Volksbühne, bekräftigte Stojaković. Lena Fuchs, Sprecherin der Berliner Kultureinrichtung, bestätigte dies. Man wolle dem britischen Ex-Labour-Chef „aufgrund seiner Haltung zum Nahost-Konflikt keine Öffentlichkeit bieten“, erklärte sie dem ND.

Corbyn wollte nach Informationen der Autorin gemeinsam mit der brasilianischen linken Soziologin Sabrina Fernandes auftreten. Unter dem Titel „Für ein solidarisches Europa mit der ganzen Welt“ wollten die beiden darüber diskutieren, wie ein politischer Wandel in Europa aussehen könnte und müsste. Da die Veranstaltung mit Corbyn gestrichen wurde, trifft die Ausladung auch Fernandes.

Auf der Plattform X (ehemals Twitter) hatte die Brasilianerin bereits Ende Oktober den Zustand der Linken scharf kritisiert. Der Umgang mit Kritikern der rechten israelischen Politik sei „der Lackmustest für die globale Linke“, schrieb sie. Daran zeige sich, „wer auf der Seite der Menschheit steht und wer Völkermord zulassen wird, solange er von Israel gefördert wird“, so Fernandes. Nach Erscheinen des ND-Artikels, als die Absage der Veranstaltung der beiden öffentlich bekannt geworden war, äußerte sie sich nochmals kritisch. Fernandes wörtlich in ihrem Posting:

„Wenigstens kann ich jetzt meine Meinung sagen, denn es ist öffentlich bekannt geworden, dass der Grund für die Absage der Veranstaltung, an der ich mit Jeremy Corbyn in Berlin teilnehmen wollte, darin liegt, dass linke Gruppen in Deutschland auch propalästinensische Sozialisten zum Schweigen bringen. Es ist nicht nur die deutsche Rechte.“

Corbyn: „Ich finde alle Angriffe falsch“

Corbyn hatte sich in einem mit Journalisten geführten Interview, das von der britischen Zeitung The Independent veröffentlicht wurde, im westlichen Mainstream unbeliebt gemacht. Er sagte bezüglich der aktuellen Geschehnisse in Nahost, er finde „alle Angriffe falsch“, sowohl von der Hamas als auch seitens Israels. Der Konflikt, so Corbyn weiter, sei nur zu lösen, wenn Israels Regierung die Besatzung der palästinensischen Gebiete beende. Dies sei „der Hintergrund des ganzen Problems“, konstatierte er und fügte an, er unterstütze weder die Angriffe der einen noch der anderen Seite. „Deshalb kritisiere ich sie alle“, so Corbyn.

Plädoyer für Waffenstillstand in Nahost

Das linke Magazin Jacobin hatte dazu kürzlich einen Artikel von Corbyn auf Deutsch veröffentlicht. Von einer einseitigen propalästinenstischen Position Corbyns ist darin nichts zu erkennen. Er erklärt vielmehr deutlich:

„Am vergangenen Samstag sind nun hunderte unschuldige Menschen im Süden Israels bei Anschlägen der Hamas brutal ermordet worden. Dutzende wurden als Geiseln genommen. Heute und für den Rest ihres Lebens werden Familien in Israel um ihre Angehörigen trauern, die in einem abscheulichen Blutbad niedergemetzelt wurden.“

Der Ex-Labour-Chef sieht aber auch die andere Seite. So kritisiert er scharf die Reaktion der israelischen Führung. Die habe ganze Stadtviertel in Gaza zerstört, die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser, Strom und Gas unterbrochen. Weiter führt Corbyn aus:

„Es wurden Krankenhäuser angegriffen, Krankenwagen zerstört, Kindergärten beschädigt. Außerdem wurde der Grenzübergang Rafah bombardiert und damit der einzige Fluchtweg blockiert. Das palästinensische Volk ist in Gaza in einem riesigen Freiluftgefängnis gefangen. Diese Menschen können nirgendwohin fliehen, sich nirgendwo in Sicherheit bringen, sich nirgendwo verstecken.“

Corbyn sprach von einem „Kreislauf des Hasses“, der in eine humanitäre Katastrophe geführt habe und dringend beendet werden müsse, um weitere unschuldige Opfer zu vermeiden. Bereits unmittelbar nach dem Überfall der Hamas auf israelische Zivilisten am 7. Oktober hatte Corbyn in einem X-Posting wörtlich erklärt:

„Die Ereignisse in Israel und Palästina sind zutiefst besorgniserregend. Wir brauchen einen sofortigen Waffenstillstand und eine dringende Deeskalation. Und wir benötigen einen Ausweg aus diesem tragischen Kreislauf der Gewalt: Die Beendigung der Besatzung ist der einzige Weg, um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen.“

Der Spiegel unterstellt Corbyn „Antisemitismus“

Ungeachtet der Tatsache, dass Corbyn mit seinen Äußerungen unzweifelhaft sowohl das Massaker der Hamas am 7. Oktober als auch die massenhafte Bombardierung des Gazastreifens durch die israelische Armee mit ungleich mehr zivilen Opfern kritisierte, fantasierte das Magazin Der Spiegel in seine „unklaren Worte“ Antisemitismus hinein.

Corbyn werde, so der Spiegel, seit längerer Zeit „vorgeworfen, in seiner Zeit als Parteichef von 2015 bis 2020 nicht entschieden genug gegen antisemitische Strömungen in der Partei vorgegangen zu sein“. Er habe zwar die Vorwürfe stets zurückgewiesen, sei aber auch selbst „in Verdacht geraten, ein antisemitisches Weltbild zu haben“.

Im Gegensatz zu Corbyn lässt das Blatt jedoch selbst seine Leser im Unklaren. Denn Belege für tatsächliche antisemitische Äußerungen Corbyns liefert es nicht. Es ist vielmehr das übliche Geraune, mit dem jede Kritik an der israelischen Staatsführung mit Antisemitismus, also Judenfeindlichkeit, gleichsetzt wird.

Linke an der Seite rechtsreligiöser Hardliner?

Besonders links im politischen Sinne erscheint eine uneingeschränkte Parteinahme für die ultrarechte Regierung in Israel allerdings nicht, schon gar nicht angesichts ihrer nun harten Reaktionen auf das Hamas-Massaker, die bereits tausende zivile Opfer im Gazastreifen gefordert haben, darunter viele Kinder.

Israelische Linke sind mit ihrer Staatsführung alles andere als einverstanden. Vor allem der Aufstieg eines rechtsreligiösen Bündnisses aus radikalen Siedlern bei der Wahl Ende 2022 führte zu Frust. Monatelang protestierten zehntausende Israelis gegen die Pläne der neuen Regierung unter Benjamin Netanjahu, darunter eine Justizreform und Initiativen für eine Geschlechtertrennung in öffentlichen Räumen.

Im August berichtete ein Zeit-Artikel von „mehr als hunderttausend Menschen“, die in diesem Zuge „gegen die Politik der rechtsextremen Regierung von Benjamin Netanjahu demonstriert“ hatten. Auch in den USA widersprechen Linke der westlichen Doktrin von einer „uneingeschränkten Solidarität“ mit Israels Führung. So blockierten beispielsweise Friedensaktivisten kürzlich eine Zufahrt des Konzerns Boeing in Missouri, um das Ausliefern von Bomben für Israel zu verhindern.

Nach ursprünglichem Verständnis stehen Linke an der Seite der Unterdrückten und Geknechteten, der Mittellosen und Entrechteten, nicht aber hinter irgendeiner imperialistischen, rechten Staatsführung. In der Volksbühne und der RLS sehen das offenbar einige anders. Ihnen sei dringend geraten, ihr linkes Image offiziell infrage zu stellen. Vielleicht hätte die RLS erst einmal über diese Frage debattieren sollen, anstatt sich derzeit kaum umsetzbaren utopischen Rollenspielen hinzugeben.

Quelle: RT DE

Politisch interessiert nach Berlin – Wahlkreisfahrt des Bundestagsabgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE)

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Gruppenfoto mit dem Bundestagsabgeordneten Niema Movassat (erste Reihe, zweiter von rechts; Foto: Bundespresseamt) in der Kuppel des Reichstags

Viele Mitmenschen bekunden unpolitisch zu sein. Mit Politik, tönen sie, hätten sich nichts am Hut. Ein Trugschluss. Vieles was wir tun ist politisch. Unsere Ansichten und Haltungen – und scheinen sie auf den ersten Blick auch noch so unpolitisch – sind in Wirklichkeit mit Politik verwoben. Schon zu sagen man sei grundsätzlich unpolitisch, ist doch im Grunde genommen schon Politik.

Einig sind sich Viele immer wieder in ihren negativen Beurteilungen von Politik. Darob entfährt es mir manchmal: Dann mischt euch doch selbst ein! Die da oben, bekomme ich jedoch dann meist entgegen geschleudert, machen doch sowieso was sie wollen. Dabei verkennen sie: Die Politik gibt es so wenig wie die Politiker.

Die gibt es nicht

Ich muss dabei immer an eine Anekdote des großen Theatermannes George Tabori denken, welche er zu Lebzeiten erzählte. Einmal sei er als kleiner Bub von der Schule nach Hause gekommen und habe seinem Vater widergegeben, was er auf dem Schulhof aufgeschnappt hatte: „Alle Rumänen sind schwul.“ Daraufhin, so Tabori, habe ihm der Vater eine Ohrfeige versetzt und folgendes ihm mit auf den Weg gegeben: „Merke, dir Junge, die gibt es nicht!“ Tabori: Das hat gesessen ein Leben lang.

Für Politik Interesse hegen

Um Politik und dafür wie und wo sie gemacht wird sollten wir uns selbst zuliebe Interesse hegen. Schließlich sind wir alle mehr oder weniger von getroffenen politischen Entscheidungen – seien die nun in Berlin oder Brüssel gefallen – betroffen. Dennoch: Die Wahlbeteiligung sinkt oder pendelt sich auf gefährlich niedrigem Niveau ein.

Niema Movassat (DIE LINKE) initiert Wahlkreisfahrten

Was mich selbst anbelangt bin ich so lange ich denken kann ein politischer Mensch. Vergangenes Jahr nun stieß ich via der Facebook-Seite des Bundestagsabgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) auf die Ankündigung einer Wahlkreisfahrt.

Hinweis: Freilich hätte ich auch bei Abgeordneten andere im Deutschen Bundestag vertretener Parteien auf Ankündigungen solcher Reisen stoßen können.

Es handelt sich um sogenannte „Reisen für politisch Interessierte“. Es können 50 Personen teilnehmen. Jeder Bundestagsabgeordnete kann bis zu drei Fahrten im Jahr veranstalten. Diese Informationsfahrten werden vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA), kurz Bundespresseamt genannt, im Namen der Bundestagsabgeordneten organsiert. Hätten Sie es gewußt? Eine interessante Sache, dachte ich. Und meldete mich an.

Etwa 100 000 Nutzer jedes Jahr

Laut Bundespresseamt umfassen diese Fahrten in der Regel drei Tage. Für in Berlin Ansässige nur einen Tag. Das BPA organisiert ein Programm Wünschen des jeweils einladenden Abgeordneten. Verständlicherweise wird das Programm eines Unions- SPD- oder Grünen-Abgeordneten andere Punkte enthalten wie das eines – wie in meinem Fall – Bundestagsabgeordneten der Linkspartei. Ein Programmpunkt der allerdings immer dabei ist: der Besuch des Bundestages, so möglich mit der Beiwohnung einer Debatte von der Zuschauertribüne des Plenarsaales. „Die Fahrt dient der politischen Information und soll den Teilnehmern die Geschichte Deutschlands und die Abläufe des Bundestages näher bringen.“ (Wikipedia) Wie ich erfuhr gibt es im Bundeshaushalt eigens einen Posten für diese Informationsfahrten: 25 Millionen Euro sind dafür eingeplant. Etwa 100 000 Menschen nehmen diese Fahrten pro Jahr in Anspruch.

Nur Eintrittsgelder müssen die Reisenden selbst berappen

Als ich die Bestätigung zur Teilnahme an der Fahrt erhielt, verkündete ich das einem Kollegen. Und verschwieg auch das Folgende nicht: Die Teilnehmer der Fahrten bekommen Anreise, Verpflegung und Unterkunft vom BPA gestellt. Lediglich Eintrittsgelder (z.B. für Museen) muss der Reiseteilnehmer selbst berappen. Der Kollege, ein Sparfuchs vor dem Herrn, schnappatmete empört: „Auf Kosten meiner Steuergelder also?!“ Ich antworte: „Ja. und auf Kosten meiner Steuergelder.“ Und kam mir – zumindet für ein paar Minuten – gleich ein bisschen wie ein Schmarotzer vor. Angemerkt sei aber: Ich wäre auch mitgefahren, wenn ich alle Kosten hätte selbst tragen müssen.

Die Reisen, so unser sympathischer Betreuer des BPA in Berlin, Manfred Mehlmann, seien „ihr Geld wert“. Wichtige politische Inhalte würden vermittelt und sachgerecht über demokratische Abläufe informiert. Nicht zuletzt sind diese Fahren auch ein wirtschaftlicher Faktor für die Bundeshauptstadt. Busunternehmen proftitieren genauso wie die Hotels, in welchen die politisch Interessierten unterkommen. Aber auch die Deutsche Bahn AG, mit der diese in der Regel anreisen. Begleiter wie Manfred Mehlmann arbeiten für das Bundespresseamt als „Freelancer“.

Programm der Fahrt für politisch Interessierte auf Anregung des Bundestagsabgeordneten Niema Movassat, DIE LINKE, aus Oberhausen und Nachbarstädten

Erster Tag

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Der Bus macht Station in Nähe der Hackeschen Höfe auf der Oranienburger Straße; Foto. C.-D. Stille

Am Nachmittag Ankunft mit der Deutschen Bahn auf dem Hauptbahnhof Berlin. Rundgang am Hackeschen Markt, später Einchecken im Hotel und Abendessen im dortigen Restaurant. Begleitet wird die Gruppe vom Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Niema Movassat, Martin Goeke. Sie besteht aus Frauen und Männer. Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Alle eint politisch interessiert zu sein.

Zweiter Tag

Besuch des ZDF-Hauptstadtstudios Unter den Linden und Teilnahme am Morgenmagazin. Die Sendung an diesem Tag atmete besondere Brisanz: Auf dem Maidan in Kiew waren zuvor viele Menschen ermordet worden.

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Stadtführer Win Wendisch (Bildmitte) macht mit der Gruppe Station an der Humbodt-Universität Unter den Linen; Foto: C.-D. Stille

Im Anschluss des Besuches beim ZDF erlebten wir eine Stadtrundfahrt des besonderen Art. Win Wendisch von „Berlin subersiv“ begleitete die Gruppe auf eine der Stadttouren, die sich auf die Spuren von Protest und Widerstand begeben. Win Wendisch, Student der Soziologie, ließ uns tief in die Geschichte Berlins und des Widerstands seiner Bewohner eintauchen. Auf diesem Parforceritt durch die Geschichte Berlins wurde deutlich wie die frühen Gegensätze zwischen arm und reich und die damit verbundenen Probleme heute wieder verstärkt nach Berlin zurückkehren.

Zu Fuss besuchen wir den August-Bebel-Platz, unweit der Staatsoper, deren Eröffnung nach wie vor in den Sternen steht. Dort erfährt die Gruppe etwas über die dort stattgefundene Bücherverbrennung der Nazis und deren Hintergründe. 80 000 Menschen schauten damals zu wie 30 000 Bücher ins Feuer geworfen wurden.

Wir besuchen das vom Künstler Micha Ullman geschaffene ausdrucksstarke Denkmal, das an den barbarischen Akt der deutschen Faschisten gemahnt: ein im Boden eingelassenes Fenster, das den Blick auf leere Bücherregale freigibt. Nachts kann man die Glut der verbrannten Bücher sehen. In der Glasplatte darüber spiegeln sich des Tags die Wolken wider. Sie symbolisieren so den Qualm der verbrennenden Bücher. Hier wurde damals das Ende der Meinungsfreiheit auf bedrückende Weise eingeleitend. Und das Heinrich-Heine-Zitat „Dort wo man Bücher verbrennt, // verbrennt man auch am Ende Menschen.“, bewahrheitete sich bitter.

Und weiter geht es per Bus durch das Bankenviertel, das mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. An einem Restaurant wo rot-grüne Geheimtreffen stattfanden, um der Schröder-Fischer-Regierung den Weg zu ebnen. Vorbei an Deutschem und Französischem Dom. Dazu die geschichtlichen Hintergründe aus dem Munde Win Wendischs.

Und den Hinweis auf das Schauspielhaus, wo einst Friedrich Schiller nach der legendären Aufführung seines Stückes „Die Räuber“ von seinen Anhängern auf den Schulter über die Treppen hinausgetragen worden ist.

Die eine oder andere Augenbraue der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hebt sich, wenn sie hören, dass sich in Berlin heute um die 5000 Lobbyisten tummeln und ihr Einfluss bei der herrschenden Politik einflüsternd geltend machen. Und ja: Win Wendisch betont, das Berlin sozusagen seit Jahren ein Rollback erlebe: „Die Millionäre sind zurück.“ Alles schon einmal dagewesen.

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Die Rudi-Dutschke-Straße sozusagen als Pfahl im Fleische des Springer-Konzern: Ganz in der Nähe befindet sich das Springer-Hochhaus; Foto: C.-D. Stille

Schließlich erfahren wir noch einiges über die Studentenunruhen in Berlin, passieren die Stelle an der Benno Ohnsorg ermordet wurde. Und mancher schaut mit Befriedigung auf das Straßenschild, das seit eniger Zeit und einigem Kampf die Aufschrift „Rudi-Dutschke-Strasse“. In unmittelbarer Nähe des Springer-Hochhauses. Bekanntlich hetzte die Springer-Medien damals auf unappetitliche Weise gegen die protestierenden Studenten. In der Tat lohnenswert, diese Tour von „Berlin suversiv“!

Zwischendurch geht es zu Einnahme des Mittagessens in ein Restaurant auf dem Ku’damm. Ja, das Programm ist komprimiert, lässt aber durchaus „Luft“ zum verschnaufen.

Daran anschließend sehen wir uns schon mit dem Sicherheitscheck am Deutschen Bundestag konfrontiert

Wir haben Glück: An diesem Tag findet im Plenum eine interessante Plenarsitzung statt. Nämlich die zur Causa Edathy. Und alle finden wohl: Im Fernsehen wirkt der Plenarsaal des Deutschen Bundestages viel größer.

Im Anschluß daran treffen wir uns im Raum A 2 des Reichtagsgebäudes endlich den Bundestagsabgeordneten Niema Movassat. Dem wir letztlich diese interessante Reise zu verdanken haben. Ein sympathischer junger Mann, der Diplomjurist Movassat und nachgewiesen fleißiger Abgeordneter seiner Partei DIE LINKE dazu. Nun bereits in der zweiten Legislatur im Bundestag.

Niema Movassat erläutert die parlamentarische Arbeit. Spricht über die Sitzungswochen. Und die Wahlkreisarbeit. Die Gruppenmitglieder dürfen sich seine Stimmkarte anschauen. Draußen bricht der Abend über Berlin herein.

Nach dem interessanten Gespräch stapfen wir hinauf in die Kuppel des Reichtages und blicken über das abendliche Berlin. Gruppenfoto. Unten wartet der Bus. Er bringt uns zum Abendessen in das Restaurant „Die Eins“ am ARD-Studio.

Dritter Tag

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Sowjetischer T 34-Panzer vor der historischen Stätte der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht in Berlin-Karlshorst. Er trägt am Turm die Aufschrift „Für die Heimat!“; Foto: C.-D. Stille

Am Morgen wird die Gruppe mit dem Bus zum Deutsch-Russischen Museum Berlin (Stätte der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht 1945) in Karlshorst befördert. Das Museum ist den deutsch-sowjetischen und deutsch-russischen Beziehungen gewidmet. Der größte Teil der Dauerausstellung informiert über den Deutsch-Sowjetischen Krieg 1941–1945. „Das Museum schafft am historischen Ort der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 Räume für eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte und Erinnerung, für Bildung und Begegnung sowie für Verständigung zwischen Deutschen und Russen“, so die Selbstdarstellung des Museums an historischer Stelle.

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Ort der Kapitulation in Berlin-Karlshorst; Foto: C.-D. Stille

Wir werden von kundigen Mitarbeitern durch die Ausstellung geführt. Eine sehr bewegende Führung. Thematisiert wird der Ausgang des Zweiten Weltkrieges von seinen Ursachen her über den Verlauf bis an dessen Ende. Mir selbst ging ein Foto in der Exhibition an die Nieren. Es bildet eine junge Sowjetbürgerin ab. Sie watet mit etwas hochgezogenem Rock durch einen Fluss. Anscheinend der harmlose Schnappschuss eines deutschen Wehrmachtssoldaten. Der Schreck fährt einem erst in die Glieder, wenn man die in Schreibschrift angefügte Aufschrift liest: „Minenprobe“. Offenbar war die junge Frau von den Soldaten in den Fluss geschickt worden, um zu prüfen ob dieser minenfrei ist.

Mir geht dieses Soldaten-Bild auch noch durch den Kopf, da wir unser Mittagessen im „Umspannwerk“ in Berlin-Friedrichshain einnehmen.

Von dort chauffiert uns der Busfahrer sicher durch das sogar staufreie Berlin (die Filmfestspiele sind vorbei) zur Bundesgeschäftsstelle der Partei DIE LINKE nach Berlin-Mitte. Unterwegs bekommen wir – wie stets auf den Fahrten – Informationen und Hinweise zu den jeweiligen Stadtteilen welche wir durchfahren von unserem freundlichen Begleiter Manfred Mehlmann vom Bundespresseamt.

Nur am Rande: Die Gentrifizierung etwa im Stadtbezirk Prenlauer Berg brachte es mit sich, dass nicht selten 90 Prozent der ursprünglichen Einwohner fortzogen. Ob der nun höheren Mieten fortziehen mussten. Ihnen folgten besser Betuchte nach ...

Im historischen Karl-Liebknecht-Haus – direkt gegenüber legendären, seit Jahren von Frank Castorf geführten, Volksbühne – informieren zwei Mitarbeiterinnen über die Geschichte des Hauses und die Arbeit der Partei DIE LINKE.

Es dunkelte bereits wieder als unsere Gruppe am Deutschen Dom am Gendarmenmarkt anlagte. Dort, im darin nachgebauten Mini-Plenarsaal des Deutschen Bundestages, beim „interaktiven Rollenspiel BUNDESTAGSSITZUNG“, kam es zu heiteren Szenen. Denn die Gruppenmitglieder hatten sich unabhängig von ihrer realen Präferenz einer bestimmten Partei ihre Plätze im Plenarsaal aussuchen und auf den jeweiligen Sesseln der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Grüne und DIE LINKE platznehmen müssen. Dann wurde wie im richtigen Bundestag ein Thema beraten und schließlich darüber abgestimmt. Sehr informativ!

Auch wenn die Schließzeit des Deutschen Doms, 18 Uhr, bereits heranzurücken drohte: ein Schnelldurchgang durch die Ausstellung „Wege, Irrwege, Umwege -Die Entwicklung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland“, war nicht nur eine Auffrischung in Geschichte, sondern – zumindest in meiner Gruppe: wir waren nur drei Personen – überaus anregend. Ein älterer Historiker brachte uns das sehr ausdrucksstark in der gebotenen Kürze der Zeit nah. Zurückdenkend, welchen schweren Weg die Demokratie gerade in unserem Land hatte und bedenkend mit welchen Opfern sie auch hat erkämpft werden müssen – das macht dann schon nachdenklich. Besonders deshalb, wenn man erkennt, dass heutzutage die Demokratie bereits vielseitig bedroht und auch schon beschädigt ist!

2014-02-20 19.35.00

Niema Movassat verabschiedet sich im Bus von seiner Gruppe; Foto: C.-D. Stille

Die Position „Abendessen“ auf dem Tagesplan führt uns eine uriges bayrisches Restaurant am Gendarmenmarkt. Hier schaute dann auch noch einmal der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat herein, um ebenfalls ein Abendessen einzunehmen und um den einen oder anderen Smalltalk mit den Teilnehmern der Bundespressfahrt zu führen. Deftig und kräftig das Essen. So mag es offenbar auch der ehemalige Feuilletonredakteur (bis 2012) des „neuen deutschland“, Hans-Dieter Schütt, den ich an einem der Tische vor dem Laptop sitzen sehe. Höchstwahrscheinlich sitzt er an einen Text für seine Zeitung, für die er auch nach er Pensionierung fleißig als Autor, der alles andere als im Ruhestand ist, weiter schreibt…

Vierter Tag

Nun steht bereits die Rückreise an. Von Berlin-Hauptbahnhof geht es in die jeweiligen Heimatorte der Bundespressefahrt-Teilnehmer im Ruhrgebiet. Rundum empfehlenswert, diese Fahrt!

Fazit

Es stimmt fraglos: Viele Mitmenschen bekunden unpolitisch zu sein. Mit Politik, tönen sie, hätten sich nichts am Hut. Ein Trugschluss. Vieles was wir tun ist politisch. Eigentlich alles. Unsere Ansichten und Haltungen – und scheinen sie auf den ersten Blick auch noch so unpolitisch – sind in Wirklichkeit mit Politik verwoben, beziehungsweise an sich schon Politik. Um noch einmal auf die Ausstellung „Wege, Irrwege, Umwege -Die Entwicklung der parlamentarischen Demokratie in Deutschland“ im Deutschen Dom zurückzukommen: Wir alle sollten, egal wo unser Platz in der Gesellschaft ist, die Demokratie stärken und wie eine stets bedrohte empfindliche Pflanze hegen und pflegen. Demokratie ist alles andere als selbstverständlich. Demokratie braucht Demokraten. Eine solche durch das Bundespresseamt organisierte „Fahrt für politisch Interessierte“ kann dazu beitragen diesen Gedanken zu stärken. Und die ist noch dazu „für umme“, wie die Menschen im Ruhrpott sagen: kostenlos. Das ist nicht nichts.

Mischen Sie sich ein!

Fragen Sie ihre/n Bundestagsabgeordneten – sei diese/r nun Mitglied in der Fraktion der CDU/CSU, der SPD, Bündnis 90/Grüne oder bei DIE LINKE – ob solche Reise auf deren Programm stehen. Interessieren Sie sich für Politik! Sonst interessiert sich die Politik für Sie. Höchstwahrscheinlich jedoch nicht so, wie es ihrem persönlichen Interesse entspricht. Mischen Sie sich ein!

Zur Information: Die hier beschriebene Reise fand vom 18. Februar bis 21. Februar 2014 statt.