PM Attac: Brutaler Polizeieinsatz bei G20 – Entschädigungen für Attac-Aktive nach fast sieben Jahren durch gerichtlichen Vergleich

Verwaltungsgericht Hamburg kritisiert Polizeigewalt – Stadt Hamburg
zahlt Schadensersatz

Mit Abschluss eines Vergleichs geht ein langjähriges Gerichtsverfahren
rund um einen brutalen Polizeieinsatz im Rahmen der G20-Proteste 2017 zu
Ende: Drei Attac-Aktive hatten gegen die Stadt Hamburg geklagt, weil sie
Opfer von brutaler Polizeigewalt wurden und dabei starke Verletzungen
davontrugen. Das Gericht schätzte dies als unverhältnismäßig ein und
äußerte „erhebliche Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit des Einsatzes. Die
Stadt Hamburg verpflichtete sich im Vergleich zur Zahlung von
Schadensersatz und erkennt dadurch die Rechtswidrigkeit der
willkürlichen Gewaltausübung durch Polizeibeamt*innen indirekt an.

„G20 zeigt systemische Polizeigewalt: Immer wieder setzt sich die
Polizei über das Gesetz hinweg, indem sie Protestierende widerrechtlich
aufhält und verprügelt. So stört und behindert die Polizei
Demonstrationen, die ihr nicht gefallen“, sagt Sabine Lassauer, eine der Kläger*innen und Aktive bei Attac. „Mit dem Vergleich setzt das
Verwaltungsgericht systematischer Polizeigewalt endlich etwas entgegen.
Es ist ein Schuldeingeständnis von Stadt und Polizei Hamburg, sich auf
den Vergleich und die Schadensersatzzahlung einzulassen. Für uns ist der Vergleich daher ein Erfolg!“

Der polizeiliche Übergriff ereignete sich am 7. Juli 2017 gegen den
roten Finger der angekündigten Aktion #BlockG20, in deren Rahmen die
Anreiserouten der G20-Staatschefs blockiert werden sollten. Noch auf dem
Weg zum geplanten Aktionsort griffen Polizist*innen ohne vorherige
Ansprache und Vorwarnung die Demonstration mit Reizgas, Schlagstöcken, Tritten und Fäusten an. Selbst Betroffene, die schon am Boden lagen, wurden noch weiter getreten und geschlagen. Die gewalttätigen
Polizist*innen verletzten so mehrere Personen stark. Sabine Lassauer
trug eine vier Zentimeter lange Platzwunde am Hinterkopf davon, die
genäht werden musste. Ähnliche polizeiliche Übergriffe ereigneten sich
außerdem bei weiteren zeitgleich stattfindenden Demonstrationen im
Rahmen der #BlockG20-Aktion.

Im Laufe des Ermittlungsverfahrens gab die Polizei zu, dass sie die
Versammlung vor ihrem Angriff nicht offiziell aufgelöst hatte. Dies sei
aufgrund der dynamischen Situation unmöglich gewesen, weshalb die
Beamt*innen gezwungen gewesen seien, die Demonstrierenden mit roher
Gewalt „aufzustoppen“. Eine solche Rechtfertigung polizeilicher
Gewaltanwendung wurde bisher noch nie von einem Gericht gebilligt – und
auch das Verwaltungsgericht Hamburg argumentierte in seiner Begründung
zum Vergleichsvorschlag, die Polizei könne sich darauf nur berufen, wenn
kein Organisationsverschulden vorgelegen habe. Die schlichte Behauptung,
„überfordert“ gewesen zu sein, reiche dafür keinesfalls.

„Die Polizei argumentiert, sie müsse eine friedliche Demonstration erst
gewaltsam zusammenknüppeln, bevor sie diese rechtskräftig auflösen und
den Teilnehmenden somit Gelegenheit geben könne, sich freiwillig zu
entfernen. Das ist absurd! Damit wird die verfassungsrechtlich verlangte
Polizeifestigkeit von Versammlungen unterlaufen. Wegen der Vielzahl
ähnlicher Fälle während der G20-Proteste kann hier von einem
systematisch rechtswidrigen Vorgehen der Polizei gesprochen werden“,
sagt Dieter Magsam, Rechtsanwalt der Kläger*innen.

Das Gericht legte daher nahe, dass es den Kläger*innen Recht geben und
den Polizeieinsatz als rechtswidrig werten würde – es jedoch weiterhin
nicht in absehbarer Zeit zu einer Verhandlung käme. Geklagt hatten die
Geschädigten schon Anfang 2018. Staatsanwaltliche Ermittlungen in diesem Fall wurden letztlich eingestellt, weil sich die Polizist*innen
gegenseitig deckten und somit keine Täter*innen identifiziert werden
konnten. Das parallel angerufene Verwaltungsgericht wurde erst tätig,
als die Kläger*innen nach knapp sechs Jahren Verzögerungsrüge einlegten:
Es kam zu einem Erörterungstermin, in dessen Folge das Gericht den
Vergleichsvorschlag mit der vorläufigen Bewertung vorlegte. Angesichts dieses langwierigen, verschleppten Prozesses entschieden sich die Kläger*innen im März 2024 dazu, den Vergleich anzunehmen, anstatt weitere Jahre auf eine Verhandlung zu warten.

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*Weitere Informationen: *
Stellungnahme Verwaltungsgericht Hamburg:
https://link.attac.de/stellungnahme-vgh-g20
Vergangene Presseaussendungen
•    2017: Attac-Aktive wehren sich gegen Polizeigewalt und
Grundrechtsverletzung bei G-20-Gipfel in Hamburg:
https://www.attac.de/presse/detailansicht/news/attac-aktive-wehren-sich-gegen-polizeigewalt-und-grundrechtsverletzungen-bei-g20-gipfel-in-hamburg
•    2018: Attac-Aktive reichen Klage gegen gewaltsamen Polizeieinsatz
ein:
https://www.attac.de/startseite/detailansicht/news/g20-attac-aktive-reichen-klage-gegen-gewaltsamen-polizeieinsatz-ein

Quelle: PM Lena Zoll
Pressesprecherin
Attac Deutschland