Nein zu erneuten Reallohnverlusten! Nein zur Arbeitszeitverlängerung! Verhandlungsergebnis im öffentlichen Dienst ablehnen!

Erklärung der VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) zum Verhandlungsergebnis im Öffentlichen Dienst

Die Bundestarifkommission von ver.di hat nach der vierten Verhandlungsrunde das Schlichtungsergebnis für den öffentlichen Dienst mehrheitlich angenommen und will vom 10. April bis 9. Mai eine Mitgliederbefragung durchführen. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften ist der Meinung, dass dieses Verhandlungsergebnis abgelehnt werden muss. Stattdessen braucht es unmittelbar eine Diskussion in und außerhalb der gewerkschaftlichen Strukturen darüber, wie durch eine Fortsetzung des Arbeitskampfs unsere Forderungen durchgesetzt werden können und wie dafür in ver.di gekämpft werden kann.

Das Geld wäre da – aber offensichtlich nicht für uns!

Seit Beginn haben die Vertreter*innen von Bund und Kommunen behauptet, die Forderungen seien nicht finanzierbar. Aber es war möglich, im Bundestag und Bundesrat zu beschließen, unbegrenzt Schulden und hunderte Milliarden für Rüstung anstatt für den öffentlichen Dienst auszugeben! Außerdem werden niemals die Reichen über Steuern zur Kasse gebeten, sondern sie sollen ihre Kassen immer noch weiter auffüllen dürfen. Die Gewerkschaften und allen voran ver.di müssten gegen diese Politik in Opposition gehen. Das würde auch bedeuten, einen konsequenten Tarifkampf zu organisieren, und diesen durch eine Solidaritätskampagne, angeführt von ver.di und dem DGB zu unterstützen. Weder die ver.di-Führung noch die der IG Metall oder des DGB sind diesen Weg gegangen, sondern haben sich dem Diktat gebeugt.

Politisches Diktat

Die harte Linie der „Arbeitgeber:innen“-Seite sowie der Schlichter hat eine politische Ursache, es liegt nicht an der Person eines Roland Koch. Es ist die massive Aufrüstung der Bundeswehr zur Kriegsvorbereitung und den zunehmenden Konflikten zwischen den Großmächten USA, China, Russland und EU, die ihre Ursache in einer tiefen Krise des ganzen kapitalistischen Systems haben.

Es ist leider nicht so, dass „genug Geld da ist, nur falsch verteilt“. In einer solchen Zeit muss jedes Unternehmen und jeder Staat mehr Profit machen als der andere und mit einer stärkeren Armee drohen können. Die kapitalistische Logik sagt: „Egal ob genug Geld für alle da ist – Hauptsache ich habe mehr als meine Konkurrenz!“

Genau deswegen stellen auch die staatstragenden Parteien erneut das Streikrecht in Frage und greifen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit an. Niemand soll ihnen im Kampf um Profite und Macht in die Quere kommen.

Wo steht die Verdi-Führung?

Nachdem noch der alte Bundestag Sondervermögen beschlossen und die Schuldenbremse gelockert hatte, erklärte Frank Werneke, was alles Gutes mit diesem Geld getan werden sollte: „Nach Jahren des Kaputtsparens gibt es nun leider viele Baustellen parallel. Priorität muss haben, was Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft dient. Für ver.di stehen deshalb Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge, die Klimatransformation und die Energieversorgung ganz oben auf der Liste.

Priorität hat für uns als ver.di die kommunale Ebene. Aus meiner Sicht müssen mindestens 200 Milliarden Euro der geplanten 500 Milliarden Euro den Städten und Gemeinden zukommen. Kitas, Schulen, öffentliche Gebäude, Verkehrswege, der Ausbau des ÖPNV – da sind die Investitionsbedarfe mit den Händen zu greifen. Die Länder müssen den Investitionsstau im Bereich Krankenhäuser und Hochschulen angehen…..“ Deshalb begrüßte er auch die Bundestagsbeschlüsse: „Ich bin erleichtert, dass sich auf unseren jahrelangen Druck hin nun endlich die Einsicht in das Notwendige auch politisch durchsetzt. Ein solches Sondervermögen ist eine echte Chance dafür, den Investitionsstau in unserem Land aufzulösen.

Nur leider sind diese finanzpolitischen Maßnahmen mitnichten dazu da, um die von Werneke geforderten Dinge zu tun. Das große Ziel ist eine Aufrüstung, die noch weit über die der letzten drei Jahre hinausgeht und die großen Anteil daran hatte, dass öffentliche Infrastruktur verkommen ist und Löhne und Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst sich verschlechtert haben.

Natürlich kleben die zukünftigen Regierungsparteien ein paar Bonbons auf ihr Horrorpaket, aber wo was letztlich ankommt und in welche Infrastruktur investiert wird, ist offen. Sicher ist, dass es ohne dieses Aufrüstungspaket viel mehr Geld für Soziales und Infrastruktur geben würde als mit ihm, dass die Investition in Krieg die Investition in die Zerstörung von Infrastruktur bedeutet und dass die beiden Koalitionsparteien auch im Land Berlin regieren und dort einen Haushalt verabschiedet haben, der genau dort spart, wo ver.di es am schlimmsten findet: Öffentlicher Nahverkehr, Soziales und Kultur.

Das Ergebnis

Das Verhandlungsergebnis bedeutet nicht nur zu geringe allgemeine Lohnerhöhungen bei einer sehr langen Laufzeit von 27 Monaten, sondern auch die Möglichkeit einer „freiwilligen“ Arbeitszeitverlängerung auf 42 Stunden in der Woche. Aus der Forderung nach drei zusätzlichen freien Tagen ist ein freier Tag ab 2027 und die Möglichkeit, bis zu drei Tage gegen eine leicht erhöhte Jahressonderzahlung einzutauschen bzw zu „erkaufen“. Und das, bei einem Lohnabschluss, mit dem es reale Verluste geben wird. Denn selbst, wenn die offizielle Inflation momentan bei „nur“ 2,3 Prozent liegt, so sind zusätzlich die Krankenkassenbeiträge gestiegen. Zudem steigen Mieten je nach Stadt und die Lebensmittelpreise mit 4-5 Prozent stärker als die Inflation, und das sind nun einmal die wichtigsten Ausgaben.

Mit diesem Abschluss – eingeleitet durch den Chefschlichter Roland Koch – können die Arbeitgeber*innen mehr als zufrieden sein. Entsprechend gibt es großen Unmut unter Kolleg*innen. Auch in der Bundestarifkommission gab es wohl einige, die gegen die Annahme waren. Besonders viel Diskussion gab es über den Vorstoß zur „freiwilligen“ Arbeitszeitverlängerung.

42-Stunden-Woche

Hierzu sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, es sei in den Verhandlungen gelungen, Sicherheiten in den Tarifvertrag einzubauen, dass „wirklich“ niemand zur 42-Stunden-Woche gezwungen werden könne, z. B. wenn man sich in der Probezeit befände. Gerade dieses Beispiel macht deutlich, dass es keine Sicherheit geben kann. Welcher Arbeitgeber würde anführen, dass die Probezeit beendet wurde, weil der/die Beschäftigte nicht bereit war, zukünftig 42 Stunden zu arbeiten?

Freiwilligkeit“

Was bedeutet Freiwilligkeit? Kolleg*innen aus Dortmund schrieben zurecht in einem offenen Brief: „Eine freiwillige 42-Stunden-Woche ist eine Farce! Eine schleichende Aushöhlung unseres Tarifsystems, ein neoliberales Gift, das darauf abzielt, uns noch mehr auszuquetschen. Wir wissen alle, was „freiwillig“ in diesem System bedeutet: faktischer Zwang, erzwungen durch Arbeitszeitverdichtung, Personalnot und perfiden Druck von oben.“ Wir fügen hinzu: Welche Freiwilligkeit ist gegeben, wenn das Tarifergebnis an sich bereits einen Reallohnverlust bedeutet und das Geld am Ende des Monats nicht mehr reicht?

Neoliberaler Vorstoß!

Dass die Arbeitgeber*innenseite dies durchsetzen will, ist auch kein Zufall. Als Teil einer „Wirtschaftsagenda“ mit weiteren harten Einschnitten planen CDU/CSU und SPD einen Angriff auf das Arbeitszeitgesetz. Nach ihren Plänen würden Schichten von 12 oder 13 Stunden möglich werden! Es ist das Ziel der Kapitalseite, die von den Gewerkschaften und der gesamten Arbeiter*innenbewegung erkämpften Verbesserungen bei den Arbeitszeiten rückgängig zu machen. Sie dürften sich nun die Hände reiben. Eine 42-Stunden-Woche fällt hinter den Acht-Stunden-Tag bei einer 5-Tage-Woche zurück, geschweige die in Teilen erkämpfte 35-Stunden-Woche.

Knebelparagraph für Auszubildende

Zusätzlich zu dem ohnehin schon bestehenden „Treueparagraphen“ im Tarifvertrag sollen jetzt die Bedingungen für die Übernahme Auszubildender in den öffentlichen Dienst verschärft werden. Dort steht nun, dass sie „sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“ Diese sehr auslegungsfreudige Regelung ist eine Drohung für alle politisch interessierten und aktiven jungen Menschen, die die Hürden für die Aufnahme einer Ausbildung im öffentlichen Dienst weiter erhöht. In der Vergangenheit haben wir bereits gesehen, wie beispielsweise das „Liken“ eines Posts, der kritisch dem Krieg in Gaza gegenüber steht, ausgereicht hat, um eine öffentliche Kampagne gegen die Präsidentin der Technischen Universität Berlin auszulösen. Das zeigt, welche einschränkende Wirkung eine solche tarifvertragliche Klausel haben könnte.

Mangelnde Durchsetzungskraft?

Das Argument für die Zustimmung zu diesem schlechten Abschluss lautet wie immer – es gebe nicht genügend Streikbereitschaft und einen weiterhin zu geringen Organisationsgrad (obwohl 2023 etwa 200.000 neue ver.di-Mitglieder gewonnen wurden). Wie genau es mit der Streikbereitschaft bestellt ist, wurde nicht transparent gemacht. Oft wird einzelnen Belegschaften gesagt, ihr seid ja streikbereit, aber im Rest der Republik leider nicht. Es gibt viele Rückberichte von streikbereiten Mitgliederversammlungen. Auch die Antworten auf den „Stärkebrief“ sollen laut ver.di zu etwa Dreiviertel für Streik gewesen sein.

Es ist einerseits kein Wunder, wenn viele Kolleg*innen kein Vertrauen mehr darin haben, dass die Gewerkschaften konsequent für ihre Forderungen kämpfen. Wir erinnern an die Tarifrunden 22/23, als in vielen großen Branchen trotz hoher Kampfbereitschaft (Metall, TVÖD, TVL, Bahn) und sogar trotz Urabstimmung (Post) alle beteiligten Gewerkschaften zugunsten einer steuerfreien Einmalzahlung auf Tabellenerhöhungen und den Kampf darum verzichteten.

Das hat natürlich auch langfristig Auswirkungen auf die Bereitschaft der Kolleg*innen, sich einzubringen oder auch an Tarifkämpfen zu beteiligen. Gerade so schlechte Ergebnisse, wie wir es jetzt sehen, werden zu weiteren Austritten führen! Andersherum haben das Streikjahr 2023 und andere Tarifkämpfe gezeigt: wenn die Gewerkschaften offensive Forderungen aufstellen und selbst eine Bereitschaft signalisieren, einen Kampf zu führen, dann können viele neue Mitglieder gewonnen werden und werden Kolleg*innen aktiv!

Transparenz und Streikdemokratie nötig

Um die Kampfbereitschaft festzustellen, braucht es demokratische Strukturen: Für die Aufstellung der Forderung, die Bewertung der Verhandlungen und vor allem während des Streiks: Versammlungen der Mitglieder, bzw der Streikenden zur Diskussion und Abstimmung über Angebote und Kampfmaßnahmen, sowie eine bundesweite Streikdelegiertenkonferenz, um die Entscheidungen zusammenzutragen. Die Streikdelegierten könnten nach gemeinsamer Diskussion darüber abzustimmen, ob der Streik beendet wird und eine Urabstimmung über das Ergebnis eingeleitet werden sollte. Diese Streikdelegierten sollen gewählt werden, nur ihren Wähler*innen rechenschaftspflichtig sein und jederzeit ab- und neugewählt werden können. Die Schlichtungsvereinbarung, nach der die Schlichtung angerufen werden muss, wenn eine Seite das will, muss außerdem endlich gekündigt werden.

Für ein „Nein“ in der Mitgliederbefragung

Es ist wichtig, dass möglichst viele Kolleg*innen mit Nein stimmen. Leider hat auch eine Ablehnung des Ergebnisses bei der Post mit 54% der abgegebenen Stimmen nicht zur Ablehnung des Ergebnisses durch die Tarifkommission geführt. Die Erklärung: man bräuchte 75% für eine Weiterführung des Tarifkampfes durch Streiks.

Das bedeutet, dass eine Minderheit für die Annahme eines Ergebnisses stimmen kann, mit dem dann alle leben sollen. Streikdemokratie heißt aber, dass nach einer mehrheitlichen Ablehnung auch die Diskussion über Kampfmaßnahmen weitergehen muss, mit dem Ziel Streikfähigkeit herzustellen!

Gerade die Annahme eines Ergebnisses gegen den Willen der Kolleg*innen, die weiterkämpfen wollen, hat katastrophale Folgen, weil diese dann möglicherweise der Gewerkschaft enttäuscht den Rücken zukehren, obwohl wir genau sie brauchen. Mit einem Angebot, weiterzukämpfen und einer ernsthaften Vorbereitung kann man auch viele von denen, die sich nicht an der Befragung beteiligen oder für Annahme dieser Ergebnisse stimmen, überzeugen. Gerade geht es um nicht weniger, als darum, ob unsere Gewerkschaft in so wichtigen Flächentarifen wie dem öffentlichen Dienst in Zukunft überhaupt noch auf das Vertrauen der Kolleg*innen bauen kann und durchsetzungsfähig ist.

Wir fordern Euch daher auf, mit „Nein“ in der Mitgliederbefragung zu stimmen.

Doch das allein reicht nicht. Es wird Zeit, dass kritische und kämpferische Kolleg*innen sich in ver.di und den anderen Gewerkschaften zusammentun, um sich gemeinsam für einen Kurswechsel einzusetzen – weg von einer Kompromisspolitik, hin zu einer kämpferischen Strategie. Das verlangt nicht nur Einbeziehung der Kolleg*innen, sondern letztlich, dass sie sich die Kontrolle über den Tarifkampf nehmen!

Aber dieser Kampf muss damit verbunden werden, gegen die Unterwerfung der Gewerkschaft unter die Ziele der Regierung zu kämpfen. Es braucht nicht nur eine Diskussion über die tariflichen Ziele und wie wir sie erreichen können in den Betrieben und Gremien, sondern auch über die politischen Hindernisse. Am Ende der Debatte werden nur diejenigen, die gegen Aufrüstung und Krieg sind, auch gegen die Argumente der Führung standhalten. Davon müssen wir sie jetzt überzeugen!

Dafür müssen wir uns politisch gegen die Argumente der Führung bewaffnen und unabhängig vernetzen. Sammelt in euren Betrieben und Verwaltungen Gleichgesinnte und macht mit bei der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften und dem ver.di-Netzwerk!

Kommt zu unserem nächsteZoom-Treffen am 17.4. um 19 Uhr

Zoom link: https://zoom.us/j/9195618420

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Hier die Unterschriftensammlung gegen den Abschluss unterschreiben: https://tarifkampf2025.wordpress.com/

Quelle: gewerkschaftsforum.de

Beitragsbild: Claus Stille (Archiv)

Dortmund: ver.di brachte 24.000 Menschen des öffentlichen Dienstes zum Warnstreik auf die Beine

BildFür Lohnverbesserungen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gingen am Donnerstag 24.000 Menschen in Dortmund auf die Straße; Foto. C-D.Stille

Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes stehen bis dato unter keinem guten Stern. Während die Gewerkschaft ver.di für die Bediensteten eine Lohnerhöhung von 3,5 Prozent und 100 Euro monatlich, sowie die Übernahme der Auszubildenden fordert, sprechen die Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes diesbezüglich von „überzogenen Forderungen“.
Die Arbeitgeber bewegten sich auch nach den ersten Warnstreiks von ver.di nicht wesentlich.

Bereits gestern gab es an mehreren Orten in Deutschland abermals Warnsteiks, um den Druck auf ie öffentlichen Arbeitgeber zu verstärken.
Auch am heutigen Donnerstag wird weiter gestreikt. Der öffentlichen Nahverkehr und viele kommunale Einrichtungen ruht, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sparkassen legten die Arbeit nieder. So auch in Dortmund und Umgebung.

„Die zweite Runde der Tarifverhandlungen für die 2,1 Mio. Beschäftigten von Bund und Kommunen sind ohne Ergebnis geblieben“, informiert ver.di Dortmund auf der eignen Internetseite. „Die Gespräche haben in einigen Punkten zwar Annäherungen gebracht“, so Michael Bürger, Geschäftsführer von ver.di Dortmund, „aber gerade bei den Forderungen nach einem Sockelbetrag von 100 € und einem Zuschlag von 70 € für die Beschäftigten im Nahverkehr liegen die Positionen noch sehr weit auseinander. Wir wollen deshalbden Druck vor der nächsten Verhandlungsrunde erhöhen und rufen zu weiteren Warnstreiks auf.“

Ebenfalls ganztägig gestreikt wird u.a. in Dortmund bei der Telekom . In dieser bereits seit 6 Wochen laufenden Tarifrunde fordert ver.di eine monatliche Erhöhung um 5,5 % und die überproportionale Anhebung der unteren Einkommen.

Für den Warnstreik am kommenden Donnerstag erwartete ver.di nicht nur 8.000 bis 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Dortmund, Lünen, Castrop-Rauxel und Schwerte. Mit ebenso vielen Streikenden aus den benachbarten Städten und Regionen Hamm,Unna, Münster, der Hellwegschiene, dem Hochsauerlandkreis, dem Siegerland, aus Südwestfalen mit Hagen, Gevelsberg und Lüdenscheid, aus Bochum, Herne und dem Kreis Recklinghausen wurde gerechnet.
Und tatsächlich: In Dortmund knubbelten sich die Menschen! Von überall her strömten Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter heran. Eine riesige Menschenmenge setzte sich vom Friedensplatz von dem Dortmunder Rathaus bei herrlichem Sonnenschein in Bewegung. Über sonst stark von Autos befahrenen Hauptverkehrsadern Ost- und Königswall liefen die Menschen mit Transparenten, Fahnen und in neonfarbenen ver.di-Westen. Gegenüber dem Hauptbahnhof stoppte die jetzt schon unübersehbare Menge: Von der Katharinentreppe her kommend reihten viele Sparkassenangestellte ein und verstärkten so den Demonstrationzug.

Auf dem Südwall angekommen, dauerte es lange bis sich alle herangeströmten Gewerkschafter auf den breiten Fahrspuren verteilt hatten. Auf der Straße, kurz vor der großen Verkehrskreuzung am Adlerturm war ein Lkw quer zur Fahrbahn gestellt worden: Dessen Ladefläche war die Bühne für die Abschlusskundgebung.

Der örtliche Gewerkschaftsfunktionär informierte eingangs über den Stand der Tarifverhandlungen in Potsdam. Sein Fazit: Die öffentlichen Arbeitgeber hätten dort nur altbekannte Phrasen gedroschen und inhaltsleere Blasen vonsichgegeben. Man zeigt sich überwältigt von der hohen Beteiligung am heutige Warnstreik in Dortmund. Die Polizei habe die Zahl ebenfalls bestätigt: 24.000 Menschen stehen zu diesem Zeitpunkt auf dem Südwall vor der Bühne.

„Für mich seid ihr 24.000 Heldinnen und Helden!“

Direkt vor ihr die Auszubildenden. Sie fordern und skandierten es auch gleich laut: „Übernahme, Übernahme, Übernahme!“ Und Beifall brandete auf. Nacheinander sprechen von den 24.000 zwei junge Frauen, gewerkschaftliche Vertreterinnen der Auszubildenden, über deren Sorgen und Nöte anno 2014. Die erste Auszubildenden-Vertreterin ist so überwältigt, vor so vielen Menschen sprechen zu dürfen, dass sie – und damit bewertet sie gleichzeitig auch die Arbeit der Menschen im öffentlichen Dienst: Für mich seit ihr alle Helden! Warum? Irgendein Dichter hat einmal geschrieben: ‚Wer tut, was er kann, ist ein Held‘. Für micht seid ihr 24.000 Heldinnen und Helden!“

BildDiese junge Frau spach die Forderungen der Auszubildenden aus; Foto: C.-D.Stille

Viele von den Auszubildenden, sagt die Nachfolgerin am Mikrofon, hätte lange Wegstrecken zu ihren Ausbildungsorten zurückzulegen. Die Arbeitgeber sagten: „Zieht doch näher heran!“ Nur, so fragt die zweite junge Rednerin ins Mikrofon: Wie die Miete, den Strom zahlen und den Kühlschrank füllen, mit dem geringen Salär eines Auszubildenden?

Später trat Achim Meerkamp vom ver.di-Bundesvorstand ans Rednerpult. Er ist gleichzeitig auch der stellvertretende Verhandlungsführer bei den Verhandlungen in Potsdam. Meerkamp berichtet von Verhandlungen. Auf die Jugendlichen eingehend, sagte der Funktionär, deren Probleme habe man Innenminister Thomas de Maiziére (CDU) dargestellt. Verbunden mit der Forderung nach Anhebung der Lehrlingsentgelte. De Maiziére jedoch habe nur eine lapidare Antwort darauf gehabt. Die richtete er an den ver.di-Vorsitzenden und Ersten Verhandlungsführer in den Tarifverhandlungen: „Lehrjahre sind nun mal keine Herrenjahre, Herr Bsirske.“ Achim Meerkamp findet, dies zeige in welchen veralteten Denkmustern ein Mann wie Dr. Thomas de Maiziére offenbar noch gefangen sei.

Achim Meerkamp von ver.di: „Als ich 1973 in den öffentlichen Dienst gegangen bin, hatte man da noch eine Perspektive“

BildAxel Meerkamp, stellvertretender Verhandlungsführer von ver.di; C.-D. Stille

Und natürlich drohten die öffentlichen Arbeitgeber schon wieder für den Fall, die Forderungen von ver.di hätten Erfolg mit Privatisierungen. Der Inneminister: Es sei kein Geld da. Ver.di: Dabei hätten der Staat doch reichlich Steuern eingenommen. Jahrelang wurden Lohneinbußen bzw. Stagnation hingenommen. Und die Frage, wer denn wohl den nächsten Jahrzehnten noch im öffentlichen Dienst arbeiten sollen wurde in den Raum gestellt. Schon jetzt werden immer mehr Menschen des öffentlichen Dienstes schlechter als langjährige Kollegen. Etwa im Nahverkehr. Da seien inzwischen Löhne von 1880 Euro für Neueingestellte „normal“. Gewiss: die Gewerkschaften hätten das unterschrieben, um weitere Privatisierungen zu verhindern. Aber hat das gefruchtet? Wie zu sehen ist: nicht.

Achim Meerkamp sprach auch die „sogenannten Leistungsgeminderten“ an. Menschen sind das, welche gesundheitliche Beeinträchtigungen hätten. Seit 2005 sahen die keine Lohnerhöhungen!
Es sei nun darüber mit den Verhandlern auf Arbeitgeberseite zu sprechen, wie man künftig mit den Menschen im öffentlichen Dienst umzugehen gedenke. Schließlich stiegen seit Jahren die Anforderungen an sie. Und damit auch der Stress.
Ausdrücklich lobte Meerkamp den auch heute wieder deutlich gewordenen Zusammenhalt, den gemeinsamen Kampf der Gewerkschafter. Was kämen denn auch heraus, wenn jede Fachgruppe für sich kämpfe?
Meerkamp zum Ist-Zustand der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes: „Als ich 1973 in den öffentlichen Dienst gegangen bin, hatte man da noch eine Perspektive.“ Das müsse wieder erreicht werden.
Nächsten Montag fänden die nächsten Verhandlungen in Potsdam statt. Nun müssten die Arbeitgeber sich endlich bewegen. Meerkamp: „Und wir wollen noch einmal klarmachen, was wir wollen.“ Für den Fall, dass sich die Arbeitgeber wieder nicht bewegten, „müssen wir uns wieder bewegen“, so der stellvertretende Verhandlungsführer von ver.di. Das hieß Streik. Dann aber länger.

Gegen Ende der Abschlusskundgebung erhielt noch der Betriebsrat der Dortmunder Firma MM Graphia, der im Stadtteil Aplerbeck angesiedelt ist, Gelegenheit zu reden. Der Betrieb soll zum 30. Juni geschlossen werden. 80 Familien, so der Betriebsrat, seien davon betroffen. Immerhin erwirtschafte die Firma acht Prozent Rendite. Jedoch gelte heuzutage international eine Rendite von von 20 Prozent als das Mindeste. Was seien das für Zeiten? Auf Deutsch und auch auf Griechisch, sagte der griechischstämmige Betriebsrat hat man uns „verarscht!“ Kampflos wolle man das nicht hinnehmen.

Und wie wird es nun weitergehen beim Kampf der 2,1 Millionen ver.di-Beschäftigten? Was, wenn die Arbeitgeber stur bleiben? Wird ver.di-Chef Frank Bsirske respektive die Große Streikkommission dann zu einem längeren Streik aufrufen? Doch schon sagt so mancher: Wer die Backen aufbläst, muss auch schließlich auch blasen! Und nicht wieder Zusgeständnisse machen, wie schon manches Mal zuvor. Zwar hören sich 3,5 Prozent plus 100 Euro mehr ich viel an. Aber wie sieht das in der Realität bzw. in den Brieftaschen der Einzelnen nach Jahren der Lohnzurückhaltung und diversen Preissteigerungen aus? Denn die ver.di-Mitglieder wissen freilich aus Erfahrung, dass beim Tarifabschluss nie die geforderte Lohnverbesserung herauskommt. Wie weit könnte man vom jetzt Geforderten noch heruntergehen? Anfang nächster Woche wissen wir mehr.

Streikbereitschaft ist vorhanden

Gestern und heute jedenfalls standen im Bereichen des öffentlichen Dienstes erst einmal viele Räder still und wichtige Einrichtungen blieben geschlossen. Viele tausend Menschen beteiligten sich bundesweit am ver.di-Warnstreik. Die ver.di-Mitglieder – in Dortmund kam das klar rüber – sind empört über die Negativhaltung der öffentlichen Arbeitgeber. Sie wären gewiss bereit, auch länger als eine Woche zu streiken. Beispiele dafür gibt es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.