IALANA: Erklärung zur Freilassung von Assange

Licht und Schatten:  Assange kommt endlich frei – die Pressefreiheit ist weiter bedroht

Die Reaktionen auf die Fotos, die zeigten, wie Assange am 24.Juni 2024 als freier Mann ein Flugzeug Richtung Australien besteigt, waren überwältigend. Ein Aufatmen ging um die Welt. Glücklich seine Frau Stella und die Familie, fast ungläubig zunächst die Medien, rundum erleichtert und jubelnd über ihren Erfolg die große internationale Solidaritätsbewegung, die hartnäckig und über mehr als einem Jahrzehnt die Freilassung von Assange gefordert hatte.

Was hatte den Ausschlag gegeben, nachdem jahrelang alle Appelle an der unerbittlichen US-Regierung und der ihr willfährigen britischen Justiz scheinbar abgeprallt waren?  Die nicht endenden Enthüllungen machten einen fairen Prozess unmöglich: Die vollständige akustische und optische Überwachung auch von Verteidigergesprächen in der ecuadorianischen Botschaft durch den US-Geheimdienst, die Vorbereitung der Entführung Assanges aus der Botschaft oder gar seine Vergiftung unter Beteiligung höchster US-Instanzen, der Deal mit der neuen Regierung von Ecuador, Assange unter Missachtung aller Rechte in der Londoner Botschaft auszuliefern, bis hin zur Beschaffung von Belastungszeugen gegen Geld und Straferlass für unzutreffende angebliche Delikte Assanges hätten eigentlich zur Einstellung des Verfahrens führen müssen. Trotz dieser Skandale betrieben die USA ungerührt weiter die Auslieferung.

Die britische Justiz ihrerseits sorgte dafür, dass sich das Auslieferungsverfahren unerträglich hinzog. Assange saß Monat um Monat und Jahr um Jahr in Belmarsh in Einzelhaft. Er war aus dem Verkehr gezogen, Wikileaks war entscheidend geschwächt. Ohne Urteil in einem Strafverfahren saß er im Auslieferungsverfahren das von den USA beabsichtigte „Lebenslang“ im Hochsicherheitsgefängnis unter besonders belastenden Bedingungen ab.  Die Sorgen um die Gesundheit Assanges, der als kranker Mann in Belmarsh eingeliefert worden war, wuchsen. Bemühungen um Haftverschonung aus medizinischen Gründen scheiterten. Die britische Justiz nahm die drohende Gefahr, dass Assange in der Haft sterben könnte, ungerührt zur Kenntnis.

Die Solidaritätsbewegung mit Assange wuchs jedoch angesichts der skandalösen Vorgänge in Belmarsh und im Auslieferungsverfahren weiter rasch an. Zunehmend wurden die Journalistenvereinigungen im Protest aktiver. Schließlich erklärten auch die großen internationalen Zeitungen, die einst mit Assange zusammen die von der Whistleblowerin Chelsea Manning beschafften Dokumente bearbeitet und veröffentlicht hatten, ihren Protest gegen die Kriminalisierung der investigativen Presse und ihre Sorge um Assange und die Pressefreiheit. Damit war der Versuch der USA, Assange die Journalisten-Eigenschaft abzuerkennen und ihn zum bloßen Hacker herabzuwürdigen, gescheitert.

Ohne die immer neu bestätigte Solidarität der großen internationalen Bewegung für die Freiheit von Julian Assange wäre es zur jetzigen Lösung nicht gekommen. Bitter stimmt allerdings, dass offenbar wahlstrategische Erwägungen Bidens und vermutlich auch das starke Drängen der neuen australischen Regierung als wichtiger Partner im Bündnis gegen China mit ursächlich waren, das Fenster für den jetzigen Deal mit der Verteidigung von Assange zu öffnen. Der australischen Regierung ist jedoch nur zu danken. Vermisst haben wir schmerzlich eine entsprechende klare diplomatische Initiative der Bundesregierung. Sie hat geschwiegen, wie schon in den Fällen ihrer eigenen Staatsbürger Khaled al-Masri und Murat Kurnaz. 

Assange selbst und seiner Familie ist zu wünschen, dass er sich jetzt von den Strapazen der letzten Jahre rasch erholen kann.

Verbreitet wird aber auch Kritik laut. Hat Assange für seine Freiheit die Freiheit der investigativen Presse geopfert? Hat er mit seinem Deal die Anwendung des Spionage Acts präjudiziert?  Wir denken: Nein. Eine von der Exekutive abgenötigte Erklärung kann solche Wirkung nicht haben. Sie hat auch nicht den Wert eines Gerichtsurteils.  Assange hat seine grundlegenden Überzeugungen mit Sicherheit nicht geändert – ebenso wie Galileo Galilei, als er im 17.Jahrhundert von der päpstlichen Inquisition unter Androhung des sonst zu erwartenden Todesurteils zum Anerkenntnis gezwungen wurde, die Erde bewege sich nicht (sc. um die Sonne), nach Verurteilung zu lebenslanger Haft, beim Verlassen des Saales gemurmelt hat „und sie bewegt sich doch“. – Assanges gereckte Faust bei seinen ersten Schritten in Freiheit heißt deutlich: der Kampf geht weiter. 

Die Bedingungen konnte sich Assange nicht aussuchen. Sie sind eher ein Offenbarungseid für die US-Regierung: die Geheimdienste der USA erzwangen unter Bruch der Presserechtsgarantien der Verfassung die gesetzwidrige jahrelange Haft eines Redakteurs, dasselbe getan hatte, was andere investigative Redakteure täglich tun: Materialien eines Whistleblowers sichten, auf Echtheit prüfen, bearbeiten und bei Relevanz für die Allgemeinheit zu veröffentlichen. 

Einmal mehr demonstrierten die USA ihre Macht, jeden weltweit zu verfolgen und abzustrafen, der ihnen in die Quere kommt. Dabei machen sie seit Trumps Präsidentschaft keinen Unterschied mehr, ob es sich um Whistleblower handelt, die sich durch die Weitergabe geheim gehaltener Materialien möglicherweise strafbar gemacht haben, oder Redakteure, die ohne Gesetze zu verletzen, diese Materialien veröffentlichen. Seit Obama nutzen sie dazu den Espionage Act von 1917, ein Ausnahmegesetz mit drastischen Strafandrohungen, das rechtsstaatlichen Kriterien Hohn spricht.  

Es kommt jetzt darauf an, die presserechtlichen Garantien, die der Supreme Court der USA im Fall der Veröffentlichung der Pentagonpapiere 1971 bestätigt hat, erneut entschieden zu verteidigen. Der erste Zusatzartikel zur US-Verfassung von 1791 verlangt: „Der Gesetzgeber („Congress“) wird kein Gesetz erlassen, …das die Freiheit der Presse beeinträchtigt oder verkürzt.“ Weiter ist im Strafgesetzbuch klargestellt, dass „nichts in diesem Gesetz“ dazu verwendet werden darf, um „militärische oder zivile Zensur zu etablieren oder in irgendeiner Weise die verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Presse oder die Redefreiheit zu begrenzen oder zu verletzen“. 

Aktuell gehen die Bedrohungen für Whistleblower und Journalisten im Wesentlichen von zwei Faktoren aus. Zum einen von der trotz der Snowden-Enthüllungen weiter praktizierten Entschlüsselung und Abschöpfung aller Kommunikationsdaten durch die Geheimdienste, wodurch auch investigative Journalisten und ihre Kontakte zu Whistleblowern erfasst werden. Zum anderen ist das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten hinsichtlich ihrer Quellen in den USA bisher bundesgesetzlich nicht verankert. Zunehmend erzwingen nach erfolgten Leaks die Staatsanwaltschaften mit Beugehaft und Zwangsgeldern gegen die Journalisten die Offenlegung der Klarnamen und Adressen ihrer Informanten. Unlängst wurde bekannt, dass das Justizministerium Unterlagen von Journalisten beschlagnahmt hat, die für die Washington Post, CNN und die NYT arbeiteten. Der US Supreme Court hat das leider schon 1972 unter Verweis auf die gesetzliche Lücke nicht unterbunden. Seither hindern nur teilweise einzelstaatliche Normen die Staatsanwaltschaften an ihrem Vorgehen. Es ist unvermeidlich, dass dadurch auch Whistleblower abgeschreckt werden, Informationen an die Presse weiterzugeben – ganz im Sinne der Strafverfolger. 

IALANA-Deutschland unterstützt das laufende Gesetzgebungsverfahren zum „PRESS Act“, das diese Lücke schließen könnte. Im Januar 2024 wurde das Gesetz vom Repräsentantenhaus einstimmig verabschiedet. Jetzt hängt es im Senat im Justizausschuss. Es hat zum Ziel, „zur Aufrechterhaltung des freien Informationsflusses für die Öffentlichkeit angemessene Grenzen festzulegen für die staatlich erzwungene Offenlegung von Informationen, die im Rahmen der Ausübung des Journalismus erlangt wurden“ (vgl. S.2074-118. Congress (2023-2024). Ende Mai 2024 forderte eine Koalition von 132 Bürgerrechts- und Juristenorganisationen sowie Rechtsprofessoren und Medienanwälten rasch einen Termin zur Beratung anzusetzen, damit das Gesetz noch unter Biden verabschiedet werden kann. Die Freedom of the Press Foundation bezeichnete es als das „stärkste Gesetz zum Schutz der Pressefreiheit, das wir je gesehen haben“.

Quelle: Presseerklärung IALANA Deutschland

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