Dortmund hat kompetente Organisationen, die Sexarbeiter*innen wertschätzend beraten – Warum tritt jetzt SISTERS e.V. auf den Plan?

Kürzlich stutzte ich, als ich auf dem Blog Nordstadtblogger.de folgendes las:

„In Dortmund hat sich eine Ortsgruppe des bundesweit agierenden Vereins „SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution e.V.“ gegründet. Kernaufgaben der neu gegründeten Ortsgruppe ist nach eigener Aussage die „Aufklärung über und Sensibilisierung für das gewaltvolle System der Prostitution in Deutschland“ sowie die Bereitstellung von Informationen über das sogenannte „Nordische Modell“. (Hier der Link zum Beitrag)

Weshalb machte sich diese Gründung nötig? Das erschließt sich mir nicht. In Dortmund gibt es seit Jahren gute Hilfsangebote für Sexarbeiter*innen.

Was auch Mechthild Eickel in ihrem Leserbrief auf den Artikel zum Ausdruck bringt:

„In Dortmund sind drei sehr kompetente Organisationen, die Sexarbeiter*innen wertschätzend beraten: die Dortmunder Mitternachtsmission, die Beratungsstelle KOBER und das Projekt “neonlicht” der Aidshilfe. Sie erschließen auch Wege zur beruflichen Umorientierung, wenn das gewollt und gewünscht ist. Die Dortmunder Mitternachtsmission berät und betreut zudem seit langen Jahren Opfer von Menschenhandel und war maßgebend daran beteiligt, ein Netz solcher Beratungsstellen in NRW aufzubauen. Etwas seltsam, dass “Sisters” meint, hier so dringend gebraucht zu werden. Bin sehr gespannt, ob über die Propaganda für das “Nordische Modell” hinaus von ihnen was zu bemerken sein wird.“

Sexarbeiterin in der Dortmunder Bordellstraße macht Pause. Repro eines von Bettina Bröckelschen geschaffenen Bildes.

Apropos „Nordisches Modell“ bzw. „Schwedisches Model“ äußerte der Dortmunder Kriminalkommissar a. D. Heiner Minzel auf einer Veranstaltung, welche ich vor einiger Zeit besuchte, zum „Schwedischen Modell“: „Was Schweden macht – und das sage ich ganz deutlich – ist ein Treiben der Prostitution ins Dunkelfeld“. (Hier mein damaliger Bericht über die Veranstaltung)

Auszug aus meinem Bericht:

„Kriminalkommissar a. D. Heiner Minzel schüttelte mit dem Kopf: Es sei schon gewagt, Deutschland als das Bordell Europas darzustellen. Die Polizei in der BRD hätte schon genügend Möglichkeiten – auch im Bereich Rotlicht – einzugreifen. Es brauche allerdings eine ständige Kontrolle und Ermittlungsdruck. „Weil sich im Rotlichtbereich viele Subjekte sammeln.“ Er wandte überdies ein: Auch Männer übten Prostitution aus. Die Stadt Dortmund stehe in Nordrhein-Westfalen mit dreizehn Strafverfahren an erster Stelle, was die Ahndung von Menschenhandel anbelangt. Zum „Nordischen Modell“ sagte Minzel: „Was Schweden macht – und das sage ich ganz deutlich – ist ein Treiben der Prostitution ins Dunkelfeld.“ Kein Opfer werde man finden, das als Hure eine Vergewaltigung anzeige. „Was nicht sein darf, wird auch nicht angezeigt.“

In Dortmund hat sich das „Dortmunder Modell“ bewährt. Aus meinem Bericht: „Zwecks Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung. Im Hinblick auf illegalen Aufenthalt, Straftaten wie Menschenhandel oder auch Zuhälterei. In der ganzen Stadt Dortmund werde diesbezüglich seit Jahren ein Kontrolldruck ausgeübt. Es finde im Rahmen des Dortmunder Modells eine Zusammenarbeit mit den Ordnungsbehörden, der Staatsanwaltschaft aber auch mit den Bordellbetreibern statt. „Von daher gab es über die Jahre ein gewachsenes Miteinander“, sagte der pensionierte Polizist. Straftaten wie Menschenhandel oder Zuhälterei kämen nur noch in einem sehr geringen Maße vor. „Ausrotten wird man das nicht können“, gab Heiner Minzel zu bedenken. „Aber durch die Kooperation mit dem Runden Tisch Prostitution“ habe sich eine “fast entspannte“ Situation entwickelt.“

Um was also geht es SISTERS? Wirklich ums Helfen? Oder soll vorrangig geworben und Druck gemacht werden, das „Schwedisches Modell einzuführne“? Beziehungsweise hat der Verein im Hinterkopf, Sexarbeit vielleicht in letzter Konsequenz den Garaus zu bereiten? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Schaut man nämlich auf dem Internetauftritt von SISTERS, wer da vorne mit dabei ist, stößt man auf eine der üblichen Verdächtigen: Leni Breymaier. Sie ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages für die SPD. Und seit vielen Jahren frauen- und sozialpolitisch aktiv.

Breymaier und 16 weitere Bundestagsabgeordnete waren sich nicht zu schade, die für Sexarbeiter*innen eh schon prekäre Corona-Zeit zu nutzen, um ein dauerhaftes Sexkaufverbot zu fordern. Da fiel wir Folgendes wieder ein:

Lilly hat seinerzeit für den BesD e.V. (Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen) eine entsprechende Reaktion in Worte gefasst:

Ein paar Abgeordnete aus den Reihen der SPD und CDU/CSU fordern ein Sexkaufverbot – so weit, so altbekannt. Doch der aktuellste Vorstoß gegen die

Rechte von Sexarbeiter*innen geht weiter unter die Gürtellinie als gewohnt. In dem von 16 Bundestagsmitgliedern gezeichneten Brief an die deutschen Ministerpräsident*innen, wird Prostitution „die Wirkung eines epidemiologischen Super-Spreaders“ zugeschrieben.“ (Auszug) Den gesamten Beitrag finden Sie hier.

Wie schrieb doch die oben zitierte Nordstadtblogger-Leserin, welcher ich mich diesbezüglich mit entsprechender Neugier anschließe: „Bin sehr gespannt, ob über die Propaganda für das “Nordische Modell” hinaus von ihnen was zu bemerken sein wird.“

Zum Thema finden Sie hier, hier und hier weitere Beiträge.

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