Weihnachtsrundbrief der IALANA

Lieber Mitglieder, Freundinnen und Freunde der IALANA,

Zyniker behaupten dieser Tage, die Eliten in NATO, Russland und Ukraine arbeiteten gerade mit Volldruck daran, die zwei zentralen Geißeln der Menschheit auf einen Schlag zu lösen. Nicht nur die Erderwärmung ließe sich mittels des nuklearen Winters stoppen, auch die immer weiter um sich greifenden Kriege könnte man von einem auf den nächsten Tag beenden. Die Rüstungsspirale dreht sich in explosionsartiger Geschwindigkeit; das Pulverfass im Nahen Osten wird kontinuierlich um neue Schlachtfelder erweitert; der seit 2023 im Sudan wütende Bürgerkrieg hat 10 Millionen Menschen in die Flucht getrieben; der Bürgerkrieg in Myanmar dauert trotz erheblicher Geländegewinne der Widerständigen gegen die Militärregierung an. Während in zahlreichen Staaten insbesondere Westafrikas mit dem Abzug französischer Truppen die postkoloniale Situation einen grundlegenden Wandel erfahren hat, dauern auch dort Bürgerkriege an, sind Menschen auf der Flucht. Dabei macht sich auch der Klimawandel als Fluchtursache immer stärker bemerkbar, einschließlich der mit ihm verbundenen Konflikte um Wasser und andere Ressourcen. Als zentrale Fluchtursache dienen aber auch Wirtschaftssanktionen, die insbesondere der Westen als kriegsbegleitende oder kriegsersetzende Mittel einsetzt und gerade Menschen im Globalen Süden in vielen Staaten das Leben unmöglich macht.

An dieser Stelle reicht es für Friedensfreundinnen und -freunde nicht, mit Karl Valentin festzustellen, „die Zukunft war früher auch besser“. Und in der Tat gibt es auch Grund zur Hoffnung für alle, die auf die Kraft des Rechts anstelle der Waffen setzen. In 2024 wurden gerade angesichts der entsetzlichen humanitären Lage in Palästina gleich mehrfach völkerrechtliche Instrumente aktiviert, um der Macht der Gewalt die Kraft des Rechts entgegenzusetzen. Die Völkermordkonvention ist erstmals im Israel-Palästina-Konflikt Gegenstand eines Verfahrens vor dem Internationalen Gerichtshof geworden, indem Südafrika am 29. Dezember 2023 ein Verfahren gegen Israel einleitete, innerhalb dessen u.a. zwei einstweilige Anordnungen gegen Israel erlassen wurden, um Verstöße gegen die Völkermordkonvention zu verhindern. Nicaragua klagte in diesem Zusammenhang vor dem IGH am 1. März 2024 gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord; die hier beantragten vorläufigen Maßnahmen gegen Deutschland, insbesondere die Waffenexporte an Israel einzustellen, den Gebrauch bereits gelieferter Waffen zur Begehung oder Unterstützung von Verstößen gegen die Völkermordkonvention zu verhindern und die Unterstützung des Palästinenserhilfswerks UNRWA wieder aufzunehmen, wurden im Eilrechtsschutz abgewiesen, während das Hauptverfahren weiterläuft. Die vielleicht größte Aufmerksamkeit erhielt schließlich der Internationale Strafgerichtshof in diesem Zusammenhang, als er am 21. November auf Antrag des Chefanklägers Khan gegen drei Hamas-Führungspersonen sowie den israelischen Premierminister Netanyahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Gallant Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Gazakrieg anordnete.

Wie bereits der Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Putin hatten diese Beschlüsse keine unmittelbare Wirkung im Sinne der Überwindung der Straflosigkeit. Sie zeigen dennoch erneut, dass das Recht insbesondere die Sprachlosigkeit angesichts erbarmungsloser Kriegslogiken durchbrechen kann, wenn entsprechende institutionelle Instrumente zur Verfügung stehen.

Uns Friedensfreundinnen und Freunden zeigt die Situation vor unserer Haustür in Europa dagegen, wie schmerzlich entsprechende wirksame völkerrechtliche Instrumente vermisst werden, die in der Lage sind, die Kriegslogik zu durchbrechen. Es fehlt weiterhin an einem Instrumentarium, das nach einem Ende des mörderischen Krieges die OSZE aktualisiert, Rüstungsbeschränkungen einführt und insbesondere den an Russland grenzenden Staaten und Russland selbst eine hinreichende Sicherheit der Achtung der Grenzen sowie des Rechts auf Selbstbestimmung und Nichtintervention gewährleistet, um die aktuelle Kriegs- und Rüstungslogik zu durchbrechen.

Die IALANA hat in diesem Jahr mit zahlreichen Erklärungen und auf Veranstaltungen auf diese Entwicklungen reagiert und zugleich eigene Positionen geschärft. Zum Krieg zwischen Israel und der Hamas haben wir erstmals mit einer Erklärung vom 11. Januar Stellung genommen, in der wir uns völkerrechtlich mit den Handlungen und Positionen der Hamas, Israels und Deutschlands auseinandergesetzt haben. Uns ging es dabei darum, einen Beitrag zu leisten, um die Debatte zu versachlichen und rechtliche Mittel zur Beendigung des Krieges in den Mittelpunkt zu stellen. Daran anknüpfend veröffentlichten wir am 30. April gemeinsam mit dem RüstungsInformationsBüro RIB eine Pressemitteilung, in der wir im Lichte der Entscheidung des IGH im Verfahren Nicaragua v Deutschland den sofortigen Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel forderten.

Ein zentrales Thema unserer Arbeit in diesem Jahr war das Thema Atomwaffen, zu dem wir eine ganze Reihe von Aktivitäten entfalteten. Kern unserer Arbeit bleibt ein beständiges Erklären und Beharren auf Recht, etwas was sich die Politik nicht leisten muss. So haben wir die Unrechtmäßigkeit einer wie auch immer ausgestalteten nukleare Teilhabe der EU erläutert und im Zuge des 79. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki die generelle Inkompatibilität von Atomwaffen und Recht herausgearbeitet. Diese immer wiederkehrende Basisarbeit und -argumentation ist immens wichtig, um den Kräften, die ein Beharren auf Atomwaffen propagieren, entgegenzutreten. Wie kommen wir aus der atomaren Bedrohung raus, wenn nicht über Dialog und Verhandlungen und ein Pochen auf Recht? In diesem Sinne hat die IALANA einen Diskurs innerhalb der Friedensbewegung initiiert, um weiter über humanitäres Völkerrecht, Menschenrechte, internationales Umweltrecht, spezifisches Völkervertragsrecht und Völkerstrafrecht in Bezug auf Atomwaffen aufzuklären. In einem weiteren Kolloquium werden wir uns über verfahrensrechtliche Fragen in Bezug auf Atomwaffen austauschen. Außerdem laden wir Sie herzlich zur Veranstaltung „Nukleartests und ihre Folgen – Opferschutz durch den Atomwaffenverbotsvertrag?“ ein, die wir mit Partner-Organisationen am 26. Januar 2025 ausrichten.

Nachdem sich der Problemkomplex Wirtschaftssanktionen in den letzten Jahren zu einem Schwerpunktbereich der IALANA entwickelt hat, hat die AG Sanktionen in diesem Frühjahr mit dem Dossier „Sanktionen & einseitige Zwangsmaßnahmen. Auswirkungen und völkerrechtliche Grenzen“ eine erste umfassende Ausarbeitung des Themas vorgelegt. In zehn Artikeln zeigen wir die völkerrechtlichen Grenzen von Sanktionen auf, zeichnen die institutionelle Entwicklung der Beobachtungsinstrumente der UN gerade im Menschenrechtsbereich nach und analysieren anhand von Fallbeispielen die fatalen sozialen, ökonomischen und politischen Auswirkungen von Sanktionen im Globalen Süden. Übersetzungen des Dossiers ins Englische und Spanische werden aktuell für die Veröffentlichung vorbereitet.

Einen Moment des Aufatmens und der Freude bot dieses Jahr am 24. Juni als Julian Assange endlich freikam. Ein Tag auf den wir und andere viele Jahre gewartet haben. Allerdings bleibt die Pressefreiheit weiterhin bedroht, wie wir in unserer Erklärung vom 28. Juni erläutern. IALANA wird sich auch in Zukunft für den Schutz von Whisleblower:innen, Journalist:innen und der Pressefreiheit einsetzen. Unsere neu gestaltete Webseite ist seit dem 20. Dezember online. An diesem Projekt haben wir intern schon länger gearbeitet und freuen uns, die Ergebnisse mit Ihnen teilen zu können. Wir haben das Design geändert, die Technik auf den neusten Stand gebracht und die gesamten Daten der Website – über 2000 Beiträge – neu sortiert und besser auffindbar gemacht. Wir erhoffen uns eine benutzerfreundlichere Website anbieten zu können, in der die Arbeit der IALANA leicht auffindbar ist. Die Website ist weiter in Bearbeitung und wird in den nächsten Wochen verfeinert und weiter verbessert.

Leider waren nicht alle Ereignisse in diesem Jahr erfreulich. Am 18. September ist Dr. Peter Becker, IALANA Gründungsmitglied, langjähriger Vorsitzender und Ehrenvorsitzender von uns gegangen. Damit verloren wir nicht nur einen Mitstreiter, sondern auch eine Inspirations- und Wissensquelle. Peter hat die IALANA und unsere Aktivitäten der letzten Jahrzehnte maßgeblich mitgestaltet. Eine kurze Übersicht von Peters Wirken können Sie unserem Nachruf entnehmen.

Obwohl wir Peter vermissen, werden wir in seinem Sinne weitermachen. Die IALANA wird sich auch in Zukunft für eine friedliche, konfliktfreie Welt einsetzten – eine Welt, die der Gefahr von Atomwaffen nicht ausgesetzt ist; eine Welt, in der Konflikte friedlich gelöst werden; eine Welt, in der die Stärke des Rechts zählt und nicht das Recht des Stärkeren.

Wir laden Sie herzlich ein, uns auf diesen Weg zu begleiten und zu unterstützen. Wir freuen uns über jede und jeden, die unserem Verein beitreten und/oder in unseren AGs mitwirken möchte, uns beim Verbreiten unserer Argumente und Expertise helfen möchte. Wir bitten Sie herzlich uns erneut durch Spenden finanziell zu unterstützen und uns durch Ihr Mitwirken, Ihre Gedanken und Ihre Ideen zu bereichern und breiter aufzustellen. Für jede kleine oder große Unterstützung sind wir Ihnen sehr dankbar. Spenden an die IALANA sind steuerrechtlich absetzbar.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien erholsame Feiertage und ein – hoffentlich –  friedlicheres neues Jahr!

Quelle: Amela Skiljan und Heiner Fechner

Ko-Vorsitzende IALANA Deutschland e.V.

Einladung für den 26.1.25 ab 11:30 in Berlin

Vereinigung für Friedensrecht – Deutsche Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear ArmsAbmelden   |   Verwalte dein Abonnement   |   Online ansehen

Marienstraße 19/20 10117 Berlin

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